Rundbrief 01 - November 2011 - Max Weber Stiftung
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thema<br />
Thema<br />
Arabischer und akademischer Frühling | von Sabine Dorpmüller und Manfred Sing<br />
Die Welle des Protests, die sich<br />
seit Dezember 2<strong>01</strong>0 von Tunesien<br />
aus in mittlerweile<br />
17 weitere arabische Länder verbreitet<br />
hat, stellt eine einschneidende Veränderung<br />
in der neueren Geschichte der<br />
arabischen Welt dar. Auch wenn sich<br />
die politischen und gesellschaftlichen<br />
Folgen dieser Proteste unterschiedlichen<br />
Ausmaßes heute noch nicht in den<br />
Einzelheiten absehen lassen, so zeichnet<br />
sich sehr wohl ab, dass mit dem sogenannten<br />
„Arabischen Frühling“ ein tiefgreifender<br />
Wandlungsprozess begonnen<br />
hat, der die arabischen Länder noch<br />
länger beschäftigen wird und wohl auf<br />
Jahre hinaus nachwirken wird. Die zurückliegenden<br />
Monate waren daher für<br />
alle, die sich wissenschaftlich mit der<br />
arabischen Welt befassen, besonders<br />
aufregend, zumal die Proteste und deren<br />
Dynamik in dieser Form von niemandem<br />
vorhergesehen worden waren.<br />
Der Standortvorteil des Orient-Instituts<br />
Beirut erlaubte es den Mitarbeitern, unmittelbare<br />
Eindrücke von den Ereignissen<br />
im Libanon, in Syrien und Ägypten<br />
zu sammeln.<br />
Die wissenschaftliche Begleitung dieser<br />
Umbruchsituation erwies sich nicht nur<br />
als reizvoll, sondern wurde gelegentlich<br />
auch von den Ereignissen selbst eingeholt.<br />
Dies hat gerade das Kairoer Büro<br />
des OI Beirut erfahren müssen, das –<br />
vertreten durch Sabine Dorpmüller und<br />
die Stipendiatin Maria Röder – in den<br />
zurückliegenden Monaten mehrere Gesprächsrunden<br />
und einen Workshop zum<br />
Umbruch in Ägypten veranstaltete. So<br />
musste der Workshop am 30. Juni 2<strong>01</strong>1<br />
unter dem Titel „From Pop Culture to<br />
Popular Protest“ aus der Tahrir Lounge<br />
des Goethe-Instituts in den Stadtteil Zamalek<br />
und ins Niederländisch-Flämische<br />
Institut verlegt werden, da Aktivisten zu<br />
neuen Protesten auf dem Tahrir-Platz<br />
aufgerufen hatten, um die schnellere<br />
Aburteilung von Nutznießern des alten<br />
Regimes zu fordern. Ägypten, soviel<br />
ist klar, ist auch Monate nach Beginn<br />
der Demonstrationen am 25. Januar<br />
und nach dem Rücktritt Mubaraks am<br />
11. Februar 2<strong>01</strong>1 weit davon entfernt,<br />
politisch zur Ruhe zu kommen und zur<br />
Alltagsroutine zurückzufinden. Einige<br />
der ägyptischen Aktivisten, die schon<br />
für den Workshop zugesagt hatten, ließen<br />
sich deshalb entschuldigen: Sie disponierten<br />
kurzfristig um und nahmen<br />
lieber an den Protesten teil. Ein Blogger<br />
kam ausschließlich zu seinem eigenen<br />
Panel, weil er sich nicht zu lange von<br />
den Protesten absentieren wollte.<br />
Popkultur und politischer<br />
Protest<br />
Der Publikumszuspruch zum Workshop<br />
war trotz dieser Abgänge enorm.<br />
70 Aktivisten, Akademiker, Medienexperten<br />
und politische Berater kamen<br />
auf Einladung des OI Beirut/Kairo und<br />
des Deutschlandzentrums der Deutschen<br />
Botschaft zusammen, nicht nur zum<br />
Meinungsaustausch, sondern auch, um<br />
intellektuelle Anregungen für den Demokratisierungsprozess<br />
zu erhalten und<br />
sich zu vernetzen. Zwischen dem Publikum<br />
und den Vortragenden – Aktivisten<br />
und Bloggern aus Tunesien und Ägypten,<br />
internationalen Wissenschaftlern<br />
und politischen Entscheidungsträgern<br />
– entspann sich alsbald eine lebhafte<br />
Diskussion. Peter Dahlgren (Universität<br />
Lund, Schweden), der über Möglichkei-<br />
10 DGIA | <strong>01</strong>/2<strong>01</strong>1<br />
Fotos: Mahmoud Hamed