Rundbrief 01 - November 2011 - Max Weber Stiftung
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thema<br />
Thema<br />
Demokratische Revolution und Armee – Verbündete oder Konkurrenten? | von Jens Boysen<br />
Die in mehreren arabischen<br />
Ländern – vor allem Ägypten,<br />
Tunesien und dem Jemen – erfolgten<br />
Umwälzungen, die die jeweiligen<br />
quasi-diktatorisch regierenden „Präsidenten“<br />
aus dem Amt und teils auch<br />
außer Landes drängten, sind vielfach<br />
mit den friedlichen Revolutionen in Mittel-<br />
und Osteuropa von 1989 verglichen<br />
worden. In der Tat gibt es einige augenfällige<br />
Parallelen: das überwiegend gewaltfreie<br />
Vorgehen der Opposition, deren<br />
Berufung auf die Menschenrechte und<br />
andere universelle Werte sowie das Bemühen,<br />
die Aufmerksamkeit der (westlichen)<br />
Weltöffentlichkeit als externen<br />
Faktor einzubeziehen.<br />
In jedem Fall nehmen viele Menschen in<br />
den ehemals kommunistischen Ländern,<br />
darunter in Polen, eine solche Parallele<br />
zu ihrer eigenen jüngsten Geschichte<br />
wahr, die 20 Jahre nach dem Ende des<br />
Kalten Krieges einen fortgesetzten globalen<br />
Trend zur Demokratisierung zu bestätigen<br />
scheint. In diesem Sinne bemühen<br />
sich etwa zahlreiche ‚Veteranen‘ der<br />
polnischen Solidarność darum, eine Art<br />
Erfahrungstransfer zu leisten und die arabischen<br />
Oppositionsbewegungen bei der<br />
– postulierten – demokratischen Transformation<br />
ihrer Länder zu beraten. Zu diesem<br />
Zweck waren bereits mehrere Delegationen<br />
bekannter Persönlichkeiten wie z. B.<br />
Lech Wałęsa in Tunesien zu Gast.<br />
Armeefahrzeug mit Soldaten<br />
auf dem Tahrir Platz in Kairo<br />
Vorbild Völkerfrühling<br />
Für die Frage nach der Vergleichbarkeit<br />
der „Revolutionen“ in Arabien bzw. in<br />
Mittel- und Osteuropa ist es wichtig,<br />
dass in beiden Fällen die abgesetzten Regime<br />
keinen totalitären Charakter (mehr)<br />
trugen, sondern durch verschiedene<br />
Kompromisse im Innern wie auch durch<br />
ihre internationalen Verflechtungen als<br />
halbdiktatorische bzw. autoritäre Systeme<br />
anzusehen waren. Dadurch boten<br />
sie unterschiedliche Anknüpfungspunkte<br />
für eine potenzielle Neuausrichtung. Besonders<br />
in Ägypten lässt sich beobachten,<br />
dass der Regimewechsel nicht durch<br />
einen frontalen Angriff gelang, sondern<br />
dadurch, dass die ideologisch ‚hybriden‘<br />
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Foto: Ramy Raoof