Der „Prinz Carl“ - FotoGrafik Bernd Respondek
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teressierte höhere Töchter der umgebenden Großstädte Frankfurt,<br />
Karlsruhe und Baden-Baden interessant, die aus den Zwängen der<br />
strengen wilhelminischen bürgerlichen Welt zu entfliehen suchten.<br />
Es war wohl so, dass diese Eleven durch Wilhelm Trübner an seine<br />
Hollerbacher Schüler vermittelt wurden.<br />
Dénes von Szebeny (xxx-1996)12, ein ungarischer Maler, der<br />
zwischen 1946 und 1954 in Buchen tätig war, berichtet dazu:<br />
„Es war im Jahre 1946, als sich die amerikanische Militärregierung zum<br />
ersten Mal verpflichtet fühlte, auch was Kulturelles in die Welt zu setzen.<br />
Sie veranstaltete eine Ausstellung von Malern des Landkreises Buchen. Bei<br />
dieser Gelegenheit lernte ich einen älteren Kollegen mit weißen Haaren<br />
kennen, der sehr forsch auftrat aber sehr freundlich war und das war<br />
der Maler Guntermann. Wir kamen ins Gespräch und waren sofort ein<br />
Herz und eine Seele. Was ich dem Guntermann nie vergessen habe, war<br />
die folgende Geste: Er wusste, dass ich Flüchtling bin und er wusste, dass<br />
mein nackter Hintern aus meiner Hose heraushing – das ist jetzt bildlich<br />
gesprochen. Ich kam nach dem Krieg aus Ungarn mit einem Rucksack<br />
rüber. Er kam in mein Atelier, um sich umzuschauen, wühlte in meinen<br />
Zeichnungen, suchte sich zwei aus und sagte: „Die kaufe ich.“ Daraus<br />
entwickelte sich eine tiefe und lang andauernde Freundschaft.<br />
Er erzählte mir sehr viel aus seiner Jugendzeit, die sich in der goldenen<br />
Zeit der Künstler und der Künste vor dem 1. Weltkrieg abgespielt hatte. So<br />
unter anderem wie Guntermann und Grimm geheiratet haben. Das war in<br />
der Zeit vor dem 1. Weltkrieg, als es noch sehr viele reiche Leute gab. Und<br />
deren Töchter, die sich zu Hause gelangweilt haben, begaben sich in die<br />
Ateliers berühmter Meister, um dort etwas Romantik zu schnuppern.<br />
Nun, da waren also zwei sehr reiche Töchter, die eine war die Tochter des<br />
Multimillionärs Ravenstein aus Frankfurt und die andere war die Tochter<br />
des Hoteliers Brenner aus Baden-Baden. Beide sehr, sehr reiche Eltern und<br />
Mädchen. Gunter – ich nenne ihn Gunter, das war sein Markenzeichen,<br />
so redete ihn jeder an, vom kleinsten Kind bis zum ältesten Bauer,<br />
Gunter und Du – Gunter und Grimm vereinbarten: Ich nehme die und<br />
du nimmst die und dann hat die Not ein Ende! Und so haben beide diese<br />
reichen Töchter geheiratet. Damit war ihr Problem des Materiellen auf<br />
einen Schlag gelöst. Es war vorbei mit den Hungerjahren, man reiste<br />
erster Klasse im Salonwagen nach Spanien, Nordafrika und malte. Man<br />
trank, aß und liebte in Bausch und Bogen. Nach dem Ersten Krieg, als<br />
Deutschland das erste Mal zu Boden lag und große Armut herrschte, hatte<br />
Gunter seinerzeit durch seine Frau eine jährliche Apanage von 60.000<br />
Mark, das war damals sehr viel Geld. Und der gute Gunter aus seiner Liebe<br />
zum Odenwald hat sich in Hollerbach niedergelassen. Er hat sich dort eine<br />
Villa bauen lassen, mit einem Swimmingpool im Garten Dazu gehörte<br />
auch ein Reitstall mit Pferden, die Gunter auch sehr fleißig benutzte. Völlig<br />
nackig, wie Gott ihn erschaffen hatte, raste er hin und her durch die Äcker,<br />
Abb. 5-9 Die Guntermann Villa in Hollerbach<br />
Abb. 5-11 Wilhelm Guntermann: Blick auf den Stadtturm von der<br />
Amtsstraße, 1921<br />
Abb. 5-10 Wilhelm Guntermann: Rückseite des Alten<br />
Rathauses in Buchen, 19??<br />
54 Prinz Carl Buchen Kapitel 5 Die Hollerbacher Malerkolonie