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münchen - Münchner Stadtmuseum

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Emotion Picture44Das große vorbild war Henri Langlois, mit seiner Filmgefräßigkeit,seiner allesverschlingenden Lust auf neueund alte Filme und vor allem Filmkopien. Die Standardshatten die Schreiber der Cahiers gesetzt, in ihren textenund danach in ihren Filmen, die gegen das betuliche,langweilige, konfektionierte cinéma de qualité angingenund sich dem archaischen, dem urwüchsigen,dem aggressiven Kino verbunden fühlten, den amerikanischenB- und C-Filmen, den wohlartikulierten, sichselbst darstellenden Großautoren wie Hawks oderHitchcock, aber auch, von Enno Patalas hochgeschätztund im Filmmuseum zur vorführung gebracht, Renoir,Guitry oder Pagnol. Man lernte den falschen und vordergründigenEffekten zu misstrauen, theatralischeskonnte, wenn ein echter Filmemacher es anging,durchaus filmisch wirksam werden. Ein Bekenntnis zuden Emotionen, éducation sentimentale.Es wurden kräftige Akzente gesetzt in diesen Jahren,die Filme von Carl theodor Dreyer kamen immer wiederzur Aufführung, und mit jedem Mal schienen siemoderner und jünger zu werden. Alfred Hitchcockwurde in seiner englischen Periode präsentiert, undman erkannte, wie verwurzelt er in seiner Heimat warund wie sehr seine amerikanischen Filme die Situationeines Exilanten widerspiegelten. Amerikanische Avantgarde,als spröde und anstrengend verschrien, vonMaya Deren und Brakhage bis Mekas und Snow,wurde einem ganz natürlich und vertraut, inklusive derKreuzungen zwischen Hamburg und new York, dieHeinz Emigholz provozierte. Und Ozu wurde die guteSeele des Filmmuseums, eine erste Auswahl seinerFilme gab es gleich im ersten Jahr, nach Griffith, dieschönste Begegnung mit ihm womöglich, weil er nochganz unbekannt war, nur von Donald Richie gepriesen.Die Kopien hatten manchmal keine Untertitel und eswar ein großes Abenteuer, sich auf diese Fremdheiteinzulassen.Plötzlich klopfte dann Clint Eastwood an, er würde, aufPR-tour in Europa für seinen Film tIGHtROPE, gernauch einen Abend im Filmmuseum vorbeischauen, daswar jene Zeit, da der Westernheld sich als filmischerauteur etablieren wollte – das Filmmuseum war ihm daso wichtig wie die Pariser Cinémathèque, und er ließein paar nagelneue Kopien seiner Filme zurück.Aufgehobene ZeitWas bei der Nouvelle Vague zu spüren war, war sensationell,weit mehr als das Hinaus auf die Straßen unddort seine Filme drehen. Diese Schreiber/Filmemacherhatten einen direkten Draht zum alten Kino, bis hin zumStummfilm, wir waren die ersten, vermerkten sie stolz,die wieder wussten, dass Griffith und Murnau Filme gemachthatten. Die alten Filme, herausgeholt aus ihrerhistorischen Perspektive, aus ihrer musealen Phantomhaftigkeit,das war das Projekt der Nouvelle Vague undder modernen Filmmuseen. Zurück in die Moderne.»Sie haben vor nun fast vierzig Jahren Dinge empfunden,gedacht und erfunden, die für mich wie von heutesind«, schrieb Frieda Grafe 1967 in einem Brief anJosef von Sternberg nach L.A., sie und Enno Patalashatten ihn getroffen, als er in München Station machte.»Manchmal kommt mir die Zeit wie aufgehoben vor unddann wieder so schwer, wie ich sie nie vorher empfundenhabe; als ob ich zum ersten Mal spüren müßte,was es bedeutet, dass sie wirklich vergeht. Sie hättennicht wegfahren dürfen, nicht so schnell.«Der Gebrauch von Hebel und Rad, das mochte auch fürdie ersten Jahre unter dem neuen Direktor gelten.Einen techniker und eine Sekretärin hatte er nebensich, so wurde das Alles-selber-machen zum Mythosdes Filmmuseums. Auch die monatlichen Handzettelschrieb Enno Patalas selbst, und er tat das bis in dieletzten Jahre hinein, auf seiner alten Schreibmaschine,die jetzt im Berliner Filmmuseum ausgestellt ist. Daswar eine direkte Kommunikation, man wollte den unmittelbarenKontakt mit dem Publikum, ohne den Zwischenlaufvon PR und ihren Mechanismen der Selbstdarstellung.Ein Purismus, notgedrungen, ein Minimalismus,dessen Ressourcen die eigenen Erfahrungenund Erwartungen wurden.Nosferatu nahtEs war die Zeit, da das Publikum sich neu definierte, inseinen Interessen und Präferenzen und seinen Erwartungenans Kino, sich selbst neu entdeckte als Publikum,im Bezug auf ein anderes Kino. Und die Kinematheksleuteentdeckten sich zusammen mit dem Publikum,gemeinsam im Kinosaal, in den Reaktionen aufdie Filme und im Gespräch. Es gab eine Zeit, da warAchternbusch täglich um sechs in den vorführungen,ganz selbstverständlich.Das Publikum entdeckte auch seine Kinemathek, nahman ihrer Entwicklung teil, ihrer Geschichte. Die eigeneSammlung wuchs, spezialisiert aufs deutsche Kino,den Stummfilm und die Filme der jungen deutschen Filmemacher,Wenders, Herzog, Kluge, Straub/Huillet,Ach ternbusch. Enno Patalas erzählte von den Geschäften,die er mit den Leuten des Moskauer Filmarchivsmachte, die ihm schöne Kopien zur deutschen Kino -geschichte lieferten – vom Material aus dem Reichsfilmarchiv– und dafür vom Filmmuseum Kopien derneuesten Bondfilme bekamen. Restaurationen schrit-

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