Oberbayern
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G<br />
eorges Brassens hat sie besungen,<br />
die Gastfreundschaft der einfachen<br />
Leute in Frankreichs grüner Mitte.<br />
Sein „Chanson pour l‘Auvergnat“ will mir<br />
nicht aus dem Kopf, als ich den Pferdehof<br />
in Polminhac betrete.<br />
„Erst einmal müsst ihr euch stärken“,<br />
ruft Jean Madamour seine Gäste zu Tisch<br />
und serviert vor seinem Reiterstübchen in<br />
der Sonne selbst gebackenes Brot, französischen<br />
Käse, Salami, Salate und andere<br />
Köstlichkeiten. Die Liebe zu Pferden, gutem<br />
Essen und zur Natur locken die fünf Gäste,<br />
die sich an diesem Dienstagnachmittag um<br />
den Tisch versammelt haben, um sich von<br />
Jean auf einen dreistündigen Wanderritt<br />
durchs raue Vulkanland in der südlichen<br />
Auvergne einstimmen zu lassen.<br />
Erfahrener Pferdemensch<br />
Ich gebe zu, dass ich allein gar nicht wüsste,<br />
wo ich anfangen sollte. In den Bergen,<br />
die mit der Schönheit der abgerundeten,<br />
sanften Formen der Vulkane bestechen?<br />
Oder doch in einem der einladenden und<br />
mysteriösen Wälder dieses Landstrichs? Die<br />
Entscheidung trifft Jean. Anhand der Karte<br />
erläutert er uns die Landschaft im Cére-Tal,<br />
die wir hoch zu Ross durchstreifen werden.<br />
Danach werden die Pferde zugeteilt und<br />
geputzt. Ich bekomme Ramses, einen weiß<br />
gescheckten Wallach. Seine Rasse? „Pferd“<br />
würde ich sagen, irgendetwas Kaltblutartiges<br />
steckt in seinem stämmigen Körper.<br />
Ich habe sofort ein gutes Gefühl. Perfekte<br />
Paare aus Pferd und Mensch zu schmieden,<br />
das ist die Kunst eines echten Pferdemen-<br />
schen. Jean ist einer und ein Mann, der sich<br />
besonders in den Sommermonaten darauf<br />
spezialisiert hat, Anfängern, Wiedereinsteigern<br />
oder sattelfesten Reitern ihren Pferdetraum<br />
zu ermöglichen. So ist die erste<br />
Reitstunde mehr Wissensstunde. Warum<br />
erschreckt ein Pferd nicht vor einem scheppernden<br />
Traktor, wohl aber vor einem am<br />
Boden liegenden Baumstamm? „Erwachsene<br />
haben ein hohes Sicherheitsbedürfnis,<br />
sie reagieren weniger instinkthaft, brau-<br />
Buntes: Reisereportage 21 21<br />
Ein Wanderritt ist am schönsten, wenn Natur, Pferd und Reiter harmonisieren.<br />
Mit dem leidenschaftlichen „Pferdemenschen“ Jean Madamour geht es durch die<br />
raue Vulkanlandschaft in der Auvergne.<br />
chen Hintergrundwissen, um sich sicher<br />
zu fühlen“, sagt Jean.<br />
Kurz nach 15 Uhr sind alle wichtigen<br />
Sachen in den Satteltaschen verstaut und<br />
wir reiten vom Hof: Handys aus, Zivilisation<br />
ade, das kleine Abenteuer kann beginnen.<br />
Wir sind verblüfft über die Ruhe,<br />
die uns umfängt. Wir reiten durch Wiesen<br />
und Wälder, unter herrlichen alten Baumkronen<br />
entlang.<br />
PAARE AUS PFERD UND MENSCH ZU SCHMIEDEN, DAS IST<br />
DIE KUNST EINES ECHTEN PFERDEMENSCHEN<br />
Prächtige Rotbuchen stehen am Wegesrand.<br />
Mitten auf den Wiesen blüht der gelbe<br />
Enzian. Dicht daneben erhebt sich majestätisch<br />
der unter Naturschutz stehende Türkenbund.<br />
Wir hören Murmeltiere pfeifen,<br />
sehen Milane, Falken und Schlangenadler<br />
über den Schluchten in den Himmel jagen.<br />
Das Zwitschern und die Blumen am<br />
Wegesrand bringen mich auf eine Idee: Hier<br />
müsste man unbedingt mal mit einem Ornithologen<br />
oder Botaniker entlang reiten.