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MAGIE(R) MIT PINSEL & FARBE<br />
„Wenn ich eine Leinwand signiere, ist der Arbeitsprozess beendet. Doch zu leben beginnt das Bild erst danach. Denn um wirk-<br />
lich zu existieren, muss es gesehen werden – dann pulsiert und wächst und entwickelt es sich im Auge des Betrachters.“<br />
Ich muss gestehen: Einen „Neuen Wilden“ habe ich mir anders<br />
vorgestellt. Selbst wenn er ein bisschen in die Jahre gekommen<br />
ist. Extravaganter. Ausschweifender. Bohemienhafter. Wilder<br />
eben, und mehr den Künstler-Klischees der Boulevard-Magazine<br />
entsprechend.<br />
Doch Karl Schnetzinger hält es mit Thomas Mann und seinem<br />
1903 in der Novelle „Tonio Kröger“ definierten Benimm-Kanon<br />
für kreative Geister: „Man ist als Künstler innerlich Abenteurer<br />
genug. Äußerlich soll man sich gut anziehen, zum Teufel, und<br />
sich benehmen wie ein anständiger Mensch.“<br />
Also öffnet der Theodor Körner-Preisträger die Türe zu seinem<br />
lichtdurchfluteten Atelier in sauberen Jeans und gebügeltem<br />
Hemd, bietet höflich Kaffee an und wartet geduldig auf das, was<br />
jetzt passieren wird. Was jetzt passieren muss. Denn an den<br />
Wänden hängen sie, die expressiven, farbstarken, kraftvollen<br />
Bilder eines „Neuen Wilden“. Und ganz unwillkürlich wendet<br />
man den Kopf, leicht irritiert, weil dieser blonde, unauffällige<br />
Mann mit dem schelmischen Lächeln in den Mundwinkeln so gar<br />
nicht zu diesen abstrakten Farbkompositionen passt. Doch dann<br />
steht er auf. Geht mit schnellen Schritten zu einem der Bilder-<br />
Stapel, holt eine Leinwand heraus, dreht sie zum Betrachter,<br />
nimmt eine zweite, eine dritte – und plötzlich ist alles stimmig:<br />
der Maler, seine Bilder, die Energie im Raum. Nur das Klischee<br />
hat keinen Platz mehr und verschwindet dort, wo es hingehört –<br />
in die unterste Schublade.<br />
>>> WEDER IN NOCH EX. Mit Schubladendenken kommt man<br />
auch bei Karl Schnetzingers Bildern nicht weit. Dass er bei<br />
Rudolf Hausner ausgebildet wurde, sieht man seiner<br />
Formensprache eigentlich nicht an. Die Einflüsse der amerikani-<br />
A R W A G n e w s<br />
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Karl Schnetzinger<br />
schen Kunst, die in den 80er Jahren als eine Art Gegenpol zum<br />
figürlichen Neoexpressionismus entwickelt wurde, ist sichtbar,<br />
aber nicht vordergründig dominant.<br />
„Die Bildvokabeln verweigern offenbar jede modische Norm.<br />
Weder sie selbst sind in oder ex, wild oder cool, neo, geo, op, pop<br />
oder trop, noch sind es die Sätze, die sie bauen. Nicht modisch,<br />
und doch im Zeit-Puls“, notierte Kunsthalle Wien-Kurator Lucas<br />
Gehrmann bereits 1990 als „Randnotiz“ nach einem<br />
Atelierbesuch. Sein Fazit angesichts Schnetzingers „Bilder-<br />
Gebilden“ mit ihren komplexen Strukturen ist ebenso einfach<br />
wie endgültig: „Schubladen sind nützlich, wenn wir sie im<br />
Bewusstsein ihres Hilfsmittel-Charakters gebrauchen. Doch sie<br />
machen blind, wenn sie die Gesamt-Orientierung übernehmen.“<br />
Vermutlich ist es gerade dieses „Nicht-Zeitgeistige“, das den in<br />
Tamsweg bei Salzburg Geborenen auszeichnet. Während andere<br />
Vierzehnjährige Pilot werden wollen, Astronaut oder Rennfahrer,<br />
hatte Schnetzinger immer nur eines im Sinn und in den<br />
Fingerspitzen: Das Bedürfnis, Leinwände in starke Farben zu<br />
tauchen. Und dabei Stimmungen einzufangen. Gefühle festzuhalten.<br />
Inneres nach außen zu kehren und gleichzeitig das Außen<br />
mit dem Innen zu vernetzen. Denn in seinem künstlerischen<br />
Verständnis ist es Aufgabe eines Malers als Welt-Teil, immer<br />
auch Teile der Welt transformierend ins Bild zu bringen.<br />
Bei Schnetzinger funktioniert das in unzähligen Schichten, die er<br />
oft zentimeterdick auf selbst grundierte Leinwand aufträgt. Mit<br />
Pinsel und Spachtel, mal pastos-reliefartig, mal dünn-lasierend,<br />
entstehen Impuls-Netze, die nur eine Aufgabe zu haben scheinen:<br />
Den Betrachter in ihren Bann zu ziehen, seinen Blick festzuhalten<br />
und ihn eintauchen zu lassen in immer neue, vibrierende<br />
Farb-Welten.