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EXEGESE ALTES TESTAMENT - Braito.net

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<strong>EXEGESE</strong> <strong>ALTES</strong> <strong>TESTAMENT</strong>Das Buch KoheletZeugnis eines gläubigen Realisten in einer globalisierten WeltSS 12ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Andreas VonachKatholisch-Theologische Fakultät Innsbrucknicht autorisierte Hörermitschrift von Hannes M. <strong>Braito</strong>


8.3 REFLEXIONEN ÜBER DIE WEISHEIT: 8,1-11,8 ........................................................................................ 388.3.1 Verhalten gegenüber politisch Oberen: 8,1-6a ............................................................................... 388.3.2 Unterabschnitt: 8,6b-8 .................................................................................................................... 388.3.3 Unterabschnitt mit stilistischem Neueinsatz: 8,9-15 ....................................................................... 398.3.4 Das mühsame Geschäft: 8,16f ......................................................................................................... 418.3.5 Prüfung und Nachdenken: 9,1-6 ..................................................................................................... 428.3.6 Iss, trink und freue dich! Die berühmteste Sequenz: 9,7-15 ............................................................ 438.3.7 Lehrerzählung mit Parabel: 9,13-16 ............................................................................................... 458.3.8 Subeinheit zur Weisheit und Torheit allgemein: 10,2f..................................................................... 468.3.9 Frage von Herrschaft und Macht in Du-Form: 10,4f ..................................................................... 478.3.10 allgemeine weisheitliche Ratschläge: 10,8-15 ............................................................................ 478.3.11 Herrschaftsfrage: 10,16- ............................................................................................................. 488.3.12 letzte Sequenz von weisheitlichen Ratschlägen: 11,1-8 .............................................................. 499 SCHLUSSGEDICHT MIT ANTWORTEN: 11,9-12,7 ........................................................................... 519.1 EIN EINZIGER GRAMMATIKALISCHER SATZ: 12,1-7 ............................................................................... 519.1.1 Relativsatz 1: v1b-e; Gott hat alles geschaffen ............................................................................... 519.1.2 Relativsatz 2: v2-5; der Alterungsprozess ....................................................................................... 519.1.3 Relativsatz 3: v6f; das Wertvolle vergeht ........................................................................................ 529.2 ABSCHLIEßENDER REFRAIN: 12,8 ......................................................................................................... 529.3 EPILOG: 12,9-14 ................................................................................................................................... 5310 SEPTUAGINTA: THEOLOGISCHE VERSCHIEBUNGEN ............................................................... 5310.1 GRUNDSÄTZLICHES .............................................................................................................................. 5310.2 KOH 12,12 LXX ................................................................................................................................... 5410.3 KOH 12,14 LXX ................................................................................................................................... 5410.4 KOH 3,16-19 LXX................................................................................................................................ 5410.5 KOH 7,17.25 LXX ................................................................................................................................ 5510.6 KOH 8,10-12 ........................................................................................................................................ 5610.7 KOH 4,17 LXX ..................................................................................................................................... 5610.8 KOH 8,1F LXX ..................................................................................................................................... 5710.9 KOH 10,1 LXX ..................................................................................................................................... 5710.10 KOH 10,10F LXX ............................................................................................................................. 5810.11 FAZIT DER LXX-VERSCHIEBUNGEN ................................................................................................ 58Katholisch-Theologische Fakultät Innsbrucknicht autorisierte Hörermitschrift von Hannes M. <strong>Braito</strong>


Kohelet0 HinführungAnmerkung: Die angeführten Bibelstellen werden hier, wenn nicht anders vermerkt, aus derElberfelder-Übersetzung genommen.- in der katholischen Bibel ist es Weisheitsschrift, in der hebräischen Bibel gehört es zu denMegilloth, also die sieben Schriftrollen, die zu den sieben großen Festen gelesen werden- und Koh wird zu Pessach gelesen- gehört also zu den Ketubim, näherhin aber zu den Megillot0.1 Namen- Name des Buches:o in unseren Bibeln wird es meist als „KOHELET“ bezeich<strong>net</strong>o in evangelischen Bibeln steht „Prediger“ – LUTHER prägte diesen Namen• für LUTHER, in der von ihm geprägten Vorstellung von Kirche undVerkündigung, ist einer der versammelt, und ihnen theologisches Wissen gibt,der Predigero in lateinischen Bibeln steht „Ecclesiastes“o in der LXX wird das Buch auch Ecclesiastes genannt- KOHELET kommt vom קהל [q a h a l], versammelno dürfte kein Eigenname sein, der Name ist vielmehr Programm, einer der dieSchüler sammelt und sie lehrto darin steht die ecclesia, die Versammlung, und der Ecclesiastes ist derVersammler- das gibt Auskunft, wie in der Zeit des zweiten Tempels theologisches Wissenweitergegeben wurde:o Gelehrte sammeln sich in einem Schülerkreis und geben ihr Wissen weitero die besten Schüler werden ihrerseits zu Weisheitslehrerno und so bilden sich Schulen die zT unterschiedliche Theorien weitergeben undgegensätzliche oder verschiedene Meinungen vertreteno die Schüler konnten sich aussuchen, welchem Lehrer sie folgen wolleno aus diesen Weisheitsschulen hat sich strukturell das rabbinische Judentumherausgebildeto man denke ans NT: im Grunde ist die Jesusbewegung etwas Ähnliches; da tritt einerauf, verkündet auf ganz spezifische Weise Heilstheologie, verwurzelt in seinemJudentum, und begeistert gewisse Menschen, und die machen sich seine Lehre zuEigen0.2 Zeit und Ort- Sprache und Stil, die immer durchschimmernden sozialbedingten Gegebenheiten lassen dieEntstehungszeit relativ gut auf die zweite Hälfte des 3. Jhdt. vC datieren- darin sind sich die Exegeten in erfreulicher Weise relativ einig- als Entstehungsort ist Jerusalem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeitanzunehmen (→ das war im Tempelmilieu)0.3 Stil und Form- das Buch KOHELET dürfte tatsächlich von einem Autor sammeln, dh eben nicht eineSammlung von Sprüchen die dann später kombiniert wurde- dh nicht, dass das Buch in einem Guss entstanden ist; natürlich ist auch ein mehrjährigerEntstehungsprozess denkbar, aber es sind die Gedanken eines Weisheitslehrers- 1 -


Kohelet- der Protagonist, dem das in den Mund gelegt wird, KOHELET, wird gleichsam durch einenErzähler am Anfang, nämlich in 1,1, eingeführt und am Schluss nochmals ausgeführt(12,9-14); der Rest ist direkte Rede im Mund dieses Weisheitslehrers- dieser spricht im Hauptteil des Buches, teilweise in Ich-Rede (ziemlich oft sogar), teilweise,wie es sich für einen guten Lehrer gehört, in allgemein objektivem Stil, sprich indem manWeisheiten in (markanter) Spruchform bzw. in Merksätzen formuliert (zB Wer andern eineGrube gräbt kann selbst hineinfallen.)- ausschließlich in 7,27 meldet sich der Erzähler nochmals kurz zu Worto es ist allgemein gehaltene Rede, und plötzlich kommt ein Einschub „… sprachKohelet“o das hat einen ganz speziellen Grund, worüber unten Näheres gesagt wird- der Großteil des Buches ist in Prosa gehalten- viele Aussagen stehen in der Form von weisheitlichen Sentenzen- eigentlich sind vier Dinge charakteristisch:o (1) Tov-min-Spruch (besser … als)o (2) Antitheseno (3) Vergleichssprüche (ein Weiser ist wie …)o (4) Parallelismen (die gehen gut ins Ohr)- vier poetische Abschnitte strukturieren und gliedern gleichsam Koh, wobei diese Poesievon einem freien Umgang mit Metrum und Form geprägt isto man hält sich nicht an strenge Takte, sondern man geht mit dem Medium der Poesierecht frei umo man erkennt den poetischen Charakter dieser Stellen eher an Stilmittel undWortwahl, sowie an pho<strong>net</strong>ischen und semantischen Besonderheiten denn anRhythmuso wenn gesagt wurde, vier Gedichte strukturieren das Werk, dann auf demHintergrund, der sich zunehmend mehr durchsetzenden Meinung, dass Koh sehr wohleinem planvollen und durchdachten Aufbau folge0.4 Aufbau- lange Zeit lehrte man, das sei ein ziemlicher Zufall, was hier nach was gesagt wird- erst seit etwa 20 Jahren haben sich die Stimmen vermehrt, die sagen, wenn man das Buchdoch noch einmal nach einem Aufbau hinterfragt, dann ist das gar nicht so unlogisch undzufällt, sondern man kann sogar einen Plan erkennen- einer der ersten der das sagte war Thomas KRÜGER; ihm folgte Ludger SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, und wie VONACH das 1998 in seiner Dissertation vertreten hat, konnte erbereits vier bis fünf Namen zitieren, die diese Meinung vertreten(1) 1,1 Prolog(2) 1,2 Mottovers1,3 ma-jitron-Frage(3) 1,4-11 Gedicht vom Kosmos(4) 1,12-2,26 Königsfiktion(5) 3,1-8 Gedicht über die Zeit3,9 ma-jitron-Frage(6) 3,10-6,12 Darlegung Kohelets als Weiser I(7) 7,1-14 Gedicht über sinnvolles Handeln(8) 7,15-11,8 Darlegung Kohelets als Weiser II(9) 11,9-12,7 Gedicht mit Antwort/Anweisung(10) 12,8 Mottovers(11) 12,9-14 Epilog- ad (2): der berühmte Mottovers: „Vergänglichkeit/Verwehung derVergänglichkeiten/Verwehungen! – spricht der Prediger, Vergänglichkeit derVergänglichkeiten, alles ist Vergänglichkeit“- 2 -


Koheletooo„Vergänglichkeit“ sei die naheste Übersetzung nach VONACHeines der wesentlichsten Motive ist die Frage nach der Vergänglichkeitdas ist also der Rahmen der Rede KOHELETS, dh, dass das der hermeneutischeSchlüssel ist, die Erkenntnis nämlich, dass letztlich alles endlich ist- die ma-jitron-Frage in 1,3 (welches Bleibende) → Wenn alles vergänglich ist, was bleibtdann? Das ist doch die grundsätzliche Grundfrage- ad (3): Gedicht vom Kosmos: hier stellt KOHELET nochmals den Grundunterschiedzwischen dem Kosmos als Ganzem und dem Leben des Menschen gegenüberoder Kosmos ist etwas immer Wiederkehrendes, der Mensch aber stirbt und eskommt eine neue Generation- ad (4): Königsfiktion: man nennt das auch die Königstravestie, und Travestie meint, manschlüpft in etwas anderes hinein, und zwar mehr als nur in eine Rolle, also eine 100 %igeIdentifikation mit etwas anderemooo„Königs“-travestie heißt, der Weisheitslehrer schlüpft in die Rolle SALOMONSdh er betrachtet die Welt, das Leben und Gott aus der Sicht des weisesten,mächtigsten und reichsten Königs aller Zeiten, also aus der Sicht eines, dem alleMöglichkeiten offen stehenund aus dieser Sicht fragt er: Was bringt’s? Selbst wenn ich SALOMON bin, auch er istnicht unsterblich, auch er war kontingent- ad (5): dieses Gedicht über die Zeit reflektiert nun; hat das Eingangsgedicht den Menschenim Kosmos verortet, so reflektiert dieses Gedicht die Lebensspanne eines Menschen, die erals Abfolge von vielen Augenblicken erfährtoound da gibt es Augenblicke, wo das Eine zu tun günstig ist, und in anderenAugenblicke ist etwas anderes naheliegenddie Kunst ist, die Zeit als Abfolge von Augenblicken möglichst sinnvoll zu nutzen,also immer das zu tun, wofür die Zeit geeig<strong>net</strong> ist; man muss dasjenige tun, wofür dieZeit da ist- ad (6): KOHELET tritt nun als Weiser auf; die ma-jitron-Frage wird nun reflektiert aus derSicht eines Weisheitslehrers- ad (7): dieses Gedicht reflektiert: Wie kann man auf bestimmte Situationen am weisestenreagieren?oman sieht also die logische Struktur: zuerst Kosmos und der kleine Mensch, danndie Spanne des Menschen, dann die Frage wie man sinnvoll entscheiden kann- ad (9): bringt die Thematik zum Abschluss indem man sagt: Genieße deine Jugend bevordu gebrechlich und alt wirst, aber genieße sie in Verantwortung; also nicht reinerHedonismusooojeder soll seine Möglichkeiten so ausnützen, dass es für die Anderen auch möglichistdie Grenzen beginnen dort, wo das mir Mögliche jemand anderem schadet→ und das ist letztlich seine Antwort auf die ma-jitron-Frage• sieh die positiven Möglichkeiten als gottgegeben, auch die nicht so positiven,handle verantwortungsvoll vor deinem Schöpfer0.5 Themen- die Formalobjekte der „Untersuchung“ von Koh sind der Sinn und die Möglichkeit desmenschlichen Lebens, sowie die Frage nach den Gesetzmäßigkeiten der Welt überhaupto Wie funktioniert die Schöpfung? Was ist der Mensch? Was heißt das?- theologische Fragestellungen sind nicht das beherrschende Thema von Koh, es ist vielstärker lebenspraktisch, aber der Autor präsentiert sich ganz eindeutig als religiöserMensch, der im Zuge seines Fragens nach der Welt und dem Menschen in der Welt immerwieder auf Gott und auf Religion verweistoodas ist, was Koh ab der Mitte der 80er Jahre des 20. Jhdt. bis zur Jahrtausendwenderelativ beliebt machtees fiel nicht nur auf, dass sehr viele Exegeten über Koh publizierten, sondern auchin der spirituellen Alltagsliteratur war ein merklicher Schub an Koh-Stellen spürbar- 3 -


Koheleto was ihn so modern erscheinen lies, ist genau dieser weisheitliche Zugango wenn man die Propheten hernimmt, machen die es umgekehrt: sie konstatieren Gottund sagen dann „so ist es zu tun“o KOHELET schaut sich aber die Welt an, er reflektiert die Menschen und stößt aufder Frage, woher das alles kommt und was es soll, von sich her auf Gotto dh er konstatiert ihn nicht am Anfang und gibt dann Auskunft wie zu leben ist,sondern er schaut sich Leben und Welt an, und kann in seiner Reflexion nicht anders,als irgendwann auf Gott zu stoßen, den er nicht zufällig häufig als „Schöpfer“bezeich<strong>net</strong>o es ist genau das, was für viele Menschen am Ausgang des 20. Jhdt. dieses Buch alsmodern erschienen ließo dieser Ansatz war zu dieser Zeit sicher modern, denn Ende des 3. Jhdt. vC meintauch fortschreitende Hellenisierung im vorderen Orient allgemein und in Palästinaim Besondereno es war für die judäische Gemeinschaft in Jerusalem gar nicht so leicht, die Leute beiihrer Tradition zu halten – ganz verlockende Lebensentwürfe und Philosophien tatensich als Alternative aufה אלהים [ᵓl o h i m] (Gott) oder אלהים wenn Koh von Gott redet, benutz er als Gottesbezeichnung[h a ᵓl o h i m] (der Gott), nie aber Jhwho oft bezeich<strong>net</strong> er ihn auch als Schöpfer- wichtige Einzelmotive sind darüber hinaus:o (1) Tun-Ergehen-Zusammenhang: das durchzieht alle Weisheitsschriften, nämlich:Stimmt das Axiom, dass es dem Menschen so ergeht wie er sich verhält? (vgl. Ijob)• auch Koh hadert mit dem Tun-Ergehen-Zusammenhang, weil er sagt, esstimmt doch einfach nicht wenn man die Welt betrachtet• er wird eine Antwort auf sein Hadern findeno (2) soziale Gerechtigkeit: er erlebt seine Welt sozial ungerecht, was im 3. Jhdt. vCin Judäa auch nicht von der Hand zu weisen ist, die Schere zwischen Arm und Reichklaffte extrem weit auseinandero (3) Weiser-Tor: Sinnfrage in Hinblick auf die Weisheito (4) Gottesfurcht: nicht iSv Angst sondern iSv Ehrfurcht!• er erfährt diesen Gott so, dass die einzig adäquate Antwort des Menschen dieEhrfurcht sein kanno (5) Gottesgericht: nicht verantwortlich zu leben, da ist Koh von der GerechtigkeitGottes so überzeugt, das kann sich zwar im Leben nicht negativ äußern, aberirgendwann hat es eine Konsequenz• es ist also nicht egal wie man lebt, positiv wie negativo (6) Vergänglichkeit und Begrenztheito (7) Nachruhm und menschliches Glück: Nachruhm heißt: Wenn ich in diesemimmerwährenden Kosmos schon nur ein paar Jahre lebe, bleibe ich zumindest eineZeit lang in Erinnerung? Lebe ich sozusagen nach?• das wurde in Israel ganz generell gefragt• das Motiv ist im AT ein Wesentliches, weil es den Glauben an einWeiterleben nach dem Tod bis in hellenistische Zeit hinein eigentlich nichtgab – Scheol ist Scheol• es wurde als hohes Gut und besonderer Segen gesehen wenn man möglichstalt wurde, und in Erinnerung blieb man ist zwar tot, wird aber nicht vergessen deshalb war auch die Nachruhmsfrage so entscheidend, weil inKindern lebt die Erinnerung am Natürlichsten weiter deshalb haben sich nicht nur Männer Söhne gewünscht, geradeFrauen haben stark unter Kinderlosigkeit gelitten, das lag eben auchdaran, dass die Frage nach Kindern eine des Nachruhms war die Frage von Nachwuchs ist also komplexer als sie gern gesehenwird- 4 -


Kohelet• auch die Frage nach menschlichem Glück: Was macht mein Leben glücklich?Die <strong>net</strong>testen Momente sind halt die, in denen man Glück empfindet, unddeshalb auch die Frage danach, was das heißt, ob sich das erzwingen lässt, …0.6 Relevanz des Buches- Koh plädiert dafür, die Lebensmöglichkeiten, die jedem das Leben bietet, zu nutzen, seinLeben aber stets in Verantwortung zu gestalten, das Hier und Jetzt wichtig zu nehmen- VONACH würde sagen, wenn man seine Empfehlung, wie man weise lebt, verwirklicht, dannist die Antwort: Spiritualität der Zufriedenheito das ist sein Weisheitsrezept, seine Anleitung eines sinnvollen Lebens1 Epilog zum Einstieg: 12,9-14- den Epilog zuerst zu lesen gibt einen guten Einblick in die Weisheitslehren:(9) Und darüber hinaus, dass der Prediger weise war, lehrte er noch das Volk Erkenntnis underwog und forschte und verfasste viele Sprüche.- v9a: wenn also jemand mit Weisheit begnadet ist, dann hat er die Verantwortung, nicht nurfür sich selber das Beste herauszuholen, sondern das auch weiterzugebeno das ist der Zusammenhang von Forschung und Lehreo das entspricht genau dem heutigen Wissenschaftsideal, das immer mehr ins Wankengerät- v9b: hier werden zwei Worte benutzt: ergründen und forscheno das sind auch zwei verschiedene Nuancen von Erkenntnisgewinn• ergründen: passiert durch Beobachtung, auf den Grund gehen• forschen: bezieht sich mehr darauf zu sichten, was andere Lehrer schongesagten haben usw.o das macht einen Lehrer aus, dass er es so zu Papier bringt, dass es weitergebenwerden kanno es geht um das Formulieren von Weisheitssprüchen und diese auch in publizierterForm zur Verfügung zu stellen; forschen – lehren – niederschreiben(10) Der Prediger suchte, wohlgefällige Worte zu finden und Worte der Wahrheit aufrichtigniederzuschreiben.- das ist sein Ethos, sein Weisheitslehrerethos- wohlgefällige Worte zu finden (dh nicht was die Leute gerne hören, gemeint ist, was ererforscht adäquat und gut formulieren zu können)- er hat also wirklich das, was er gefunden hat, so niedergeschrieben, wie er es gedacht hat- also hat er nicht geschrieben was manche gerne hören würden, er schrieb vielmehr das,welches er als Wahrheit erkannt hatozum Ethos eines Weisheitslehrers gehört es aber, dass man das als wahr und richtigErkannte so sagt, auch wenn es unbequem ist- das ist eine wichtige Stelle: er schrieb Worte der Wahrheit aufrichtig nieder, dh er lehrtenicht was die Leute gerne gehört haben, sondern das, was er als wahr und richtig erkannt hat,dh er hat auch ein gewisses Forschungsethos gehabt(11) Die Worte der Weisen sind wie Treiberstachel und wie eingeschlagene Nägel diegesammelten Sprüche. Sie sind gegeben von einem Hirten.- es wird nun reflektiert, was das für die Hörer heißto und das geschrieben in einer weisheitlichen Sentenz- 5 -


Kohelet- Treiberstacheln sind die, die man Ochsen zu spüren gibt, damit er schneller läufto (1) erstens tun die Treiberstacheln weho (2) sie treiben auch an, man kann sich dem nicht entziehen- gesammelte Sprüche/Herren von Sammlungen meint hier wohl die Weisheitslehrer; diesind wie eingeschlagene Nägel, dh man muss sich damit auseinandersetzen, die Nägel sindeingeschlageno die eingeschlagenen Nägel meint, dass die Sprüche der Weisheitslehrer stehen undman nicht umhinkommt(12) Und darüber hinaus, mein Sohn, lass dich von ihnen warnen! Des vielen Büchermachensist kein Ende, und viel Studieren ermüdet den Leib.- „mein Sohn“ ist gern die Anrede an die Schüler; vermutlich ist es keine inklusive Sprache,es sind tatsächlich männliche Schüler angesprochen, weil die Weisheitsschulen eineMännerdomäne waren- die Schüler, die das hier konsumieren, werden gewarnt:o Büchermachen ohne Ende: dh das Material der Weisheit vermehrt sich ständig, eswird also immer anstrengender, alles zusammenzutragen und zu reflektieren• das ist keine Warnung vor dem Büchermachen, sondern eine davor, sichzurückschrecken zu lassen und nichts zu tuno Studieren ist auch ein Prozess der ermüdet, man muss sich ihm aber stellen, weildiese Sammlungen wie eingeschlagene Nägel sind• ganz klar wird gesagt, dass auch Weisheitslehre (Studieren und Lehren)physisch müde macht, aber dennoch etwas ist, das zu tun ist und dem mansich nicht aus Bequemlichkeit entziehen soll(13) Das Endergebnis des Ganzen lasst uns hören: Fürchte Gott und halte seine Gebote! Denndas soll jeder Mensch tun.- hier kommt im Buch selber die Quintessenz: Gottesfurcht als adäquate Antwort auf denSchöpfer, auf das Leben, das ich als vom Schöpfer gegeben wahrnehmeo Gebote meint hier nicht die Tora, sondern die Verantwortung, in der man dasLeben gestaltet, denn Gott hat auch den Anderen ihr Leben gegeben und deshalbhaben sie auch das Recht es leben zu können- und das ist der ganze Mensch, das ist es, was das Leben sinnvoll macht- nochmals ganz klar: Gottesfurcht ist jedenfalls angebracht, und deshalb auch seine Gebotezu beachten, also möglichst schöpfungsgemäß zu leben(14) Denn Gott wird jedes Werk, es sei gut oder böse, in ein Gericht über alles Verborgenebringen.- das ist die Antwort KOHELETS auf das vermeintliche Scheitern des Tun-Ergehen-Zusammenhangs; Koh hält an der Gerechtigkeit Gottes festo er hat diesen Gott im Leben erfahren, er kann von der Gerechtigkeit dieses Gottesnicht wego wenn es diesen Gott gibt, dann kann er nicht ungerecht sein- für den Tun-Ergehen-Zusammenhang heißt das (bzw. für die Ungerechten denen es abergut geht): das muss sich ja nicht nach menschlichem Ermessen spürbar in diesemendlichen Leben zeigen, sondern das kann auch im Tod oder auch danach von Gott gerechtgerichtet werden, und das wird so sein → das ist theologisch sehr weit für diese Zeito Gott bringt alles ins Gericht, auch das Verborgene, und ob Gut oder Böse, also dasganze Lebeno Gottesgericht als Bilanz des Lebenso und hier hat man ein Problem: wenn man nur von der damals an sich üblichenVorstellung der Scheol ausgeht und sagt, tot ist tot, und es gibt darüber hinausnichts mehr, dann ist dieses Gericht völlig irrelevant, weil es ja letztlich doch keineKonsequenz hätte- 6 -


Koheleto und nicht nur hier, wo es implizit klar ist, dass KOHELETS Konzept mit einer reinenScheol-Vorstellung nicht mehr übereinstimmen kann; außer dieser Stelle gibt esnoch einige Stellen mehr in Koh, wo ganz vage und leise angedeutet wird, eineHoffnung, dass vielleicht das, was der Hellenismus mit seiner Unterwelthereinbringt, dass daran doch etwas Wahres daran sein könnteo dass es also doch eine Identität über den Tod hinaus geben könnte, und zwarbegründet mit der Gerechtigkeit Gottes• weil wenn dieses Leben alles ist, dann ist Gott nicht gerecht, weil esschlichtweg nicht allen gut geht- Koh liebäugelt mit einer irgendwie gearteten Identität jenseits der Scheol, über diesesLeben hinaus, und er kommt darauf aufgrund seines Festhaltens an Gottes Gerechtigkeito das bleibt aber vage, er kann nur ganz leicht seine tiefe Hoffnung und seineneigenen Glauben, dass es so sein muss, zum Ausdruck bringeno als ausgefeilte Lehre steht es dem judäischen Kontext seiner Zeit nicht zurVerfügungo expliziter dann in Dan, das ist aber 200 Jahre jünger; explizit auch in Makk bei densieben Brüdern, das ist aber 150 Jahre jünger; explizit schließlich in Weish, dasüberhaupt die jüngste Schrift des AT ist und 20-25 vC entstando hier fällt auf, dass in der hebräischen Bibel Dan die einzige Schrift ist, die sichoüberhaupt findet, das andere sind LXX-Schriftendh in der hebräischen Bibel kommt der Gedanke an eine Identität über den Todhinaus bei Koh vage angedeutet und bei Dan an zwei Stellen explizit, darüberhinaus findet sich dort nichts- KOHELET ist also zutiefst überzeugt, dass Gott letztlich nicht anders als gerecht sein kann,und wenn diese Gerechtigkeit in diesem Leben sich offenbar nicht durchsetzt, dann muss siedas irgendwo anders tunoodeshalb ist es angebracht, sich während des ganzen Lebens seines Schöpfers undRichters eingedenk zu seindamit verknüpft muss für KOHELET die Hoffnung sein, dass der menschlicheLebensatem zu Gott aufsteigt, und dass es eine Identität über den Tod hinausirgendwie geben muss2 Prolog, Mottovers und ma-jitron-Frage: 1,1-3(1) Worte des Predigers, des Sohnes Davids, des Königs in Jerusalem.- „Worte Kohelets“, dh dem Weisheitslehrer wird ein Name gegeben (Kunstname!)o es gab nicht nur keinen König namens KOHELET, sondern es gibt überhaupt auch nureinen Sohn Davids der König wurde, und das war SALOMONo dh man beginnt hier bereits die gesamte Schrift unter die Autorität des weisestenaller Weisen zu stelleno man will dem Buch besondere Autorität zusprechen- lange Zeit glaubte man selbstverständlich, dass dieses Buch von SALOMON stammt- dasselbe gilt für Spr und Hldo rabbinische Erklärung hierfür: das ist das Lebenswerk SALOMONS; Hld schrieb erin seiner Jugend, als gesetzter Mann schreib er Spr, und kurz vor seinem Tod, als ersah, dass es nicht mehr lange geht, hat er Koh verfasst(2) Nichtigkeit der Nichtigkeiten! - spricht der Prediger; Nichtigkeit der Nichtigkeiten, alles istNichtigkeit!- Vergänglichkeit der Vergänglichkeiten! – hier ist klar, unter dieser Hermeneutik ist derRest des Buches zu lesen, das ist die Grunderkenntnis, die über alles gestellt wird, alsoquasi die Überschrift des KOHELET selber- 7 -


Kohelet(3) Welchen Gewinn hat der Mensch von all seinem Mühen, mit dem er sich abmüht unter derSonne?- es geht nicht darum, dass nach einer Belohnung gefragt wird – es ist eine allgemeineSinnfrage- welches Bleibende gibt es, bei all seinem Mühen, das er sich abmüht unter der Sonne, wenndoch alles als vergänglich wahrgenommen wird- und das ist die prinzipielle Sinnfrage überhaupt3 Das Anfangsgedicht: 1,4-11- dann gibt es eine Untergliederung, die sich automatisch ergeben wird- das lässt sich in Übersetzungen nicht machen: wenn man dieses Gedicht auf Hebräisch liestmerkt man einen Rhythmus und eine Feierlichkeit(4) Eine Generation kommt, und eine Generation geht; aber die Erde besteht in Ewigkeit.- hier gleich diese Grundunterscheidung zwischen Mensch und Kosmoso beim Menschen ist es so, dass eine Generation geht und eine kommt; weil ebenniemand ewig lebto dh es kommen immer neue Menschen, aber die Alten sind auch wego und dem steht der Kosmos gegenübero hinter dem von VONACH übersetzten „längere Dauer“ (Ewigkeit) steht וצ לם [olam],und das meint nicht das heutige Ewigkeit iSv unvergänglich ohne Anfang und ohneEnde• man übersetzt oft mit Weltzeit, dh es hat einen Anfang und ein Ende, aber derAnfang ist weit vorne, nicht mehr richtig vorstellbar, und das Ende ist auchunbestimmt weit; aber es gibt Anfang und Ende• und deshalb ist die Übersetzung mit „Ewigkeit“ zu vermeiden(5) Und die Sonne geht auf, und die Sonne geht unter, und sie strebt ihrem Ort zu, wo sie wiederaufgeht.- die Sonne geht auf und unter, und sie lechzt nach dem Ort wo sie wieder aufgeht amnächsten Morgen, aber es ist immer dieselbe Sonne(6) Der Wind geht nach Süden und wendet sich nach Norden. Immer wieder sich wendend gehter dahin, und zu seinem Ausgangspunkt kehrt der Wind zurück.- ebenso mit dem Wind: er weht hier und da, aber es ist immer derselbe Wind- das ist der Knackpunkt bzw. die Problemanzeige: der Mensch ist innerhalb dieses Kosmosetwas das eben nicht immer gleich bleibt3.1 eine eigene Einheit: 1,7(7) Alle Flüsse gehen ins Meer, und das Meer wird nicht voll. An den Ort, wohin die Flüssegehen, dorthin gehen sie immer wieder.- dieser Vers ist als eigene Einheit zu verstehen- das ist dasselbe Verständnis: jeder Fluss fließt irgendwie in ein Meer, aber es ist noch keinMeer übergegangen, also kann es nicht neues Wasser sein sondern es muss dasselbe Wassersein, denn sonst wäre das Meer irgendwann voll und müsste überlaufen- auch hier wieder: wir haben Sonne, Wind und Wasser → alles ist konstant, nur derMensch nicht- 8 -


Kohelet3.2 Schnitt im Gedicht(8) Alle Worte mühen sich ab. Nichts vermag ein Mensch zu sagen. Das Auge wird nicht satt zusehen und das Ohr nicht voll vom Hören.- und da kommt der große Schnitt im Gedicht- für den Menschen gilt etwas anderes: wir bekommen nur einen Bruchteil mit; wir könnennicht alles sehen und hören und sagen; der Mensch kann alles nur bruchstückhaft, was dieNatur ganz kann3.3 Fazit: 1,9f(9) Das, was war, ist das, was wieder sein wird. Und das, was getan wurde, ist das, was wiedergetan wird. Und es gibt gar nichts Neues unter der Sonne. (10) Gibt es ein Ding, von dem einersagt: „Siehe, das ist neu“? Längst ist es gewesen für die Zeitalter, die vor uns gewesen sind.- der einzelne Mensch in seinen paar Jahren die er lebt bekommt ein paar Dinge mit und tuteinige Dinge in der Meinung das sei neu, aber er tut im Grunde, was alle vor ihm und nachihm taten- es gibt nichts Neues unter der Sonne, dh Koh sieht hier die Grenzen die einer Generationgesetzt werden- oft wurde Koh unterstellt, er habe einen Fortschrittspessimismus; VONACH sagt, er drücktes zwar recht dramatisch aus, aber auf der anderen Seite steckt doch ein KörnchenWahrheit darino es ist nicht ganz so fatal, dass es nie etwas Neues gibt, aber ein bisschen Wahrheitsteckt darin, denn jede Generation braucht seine Zeit um dort fortzusetzen wo dievorhergehende Generation war3.4 Abschlussfazit: 1,11(11) Da gibt es keine Erinnerung an die Früheren. Und an die Künftigen, die sein werden, auchan sie wird man sich nicht mehr erinnern bei denen, die noch später sein werden.- da kommt schon auch wieder dieses Bedauern, dass man überhaupt kein Nachleben undnichts Bleibendes hinterlassen kanno der einzelne Mensch kommt, muss tun was die vor ihm taten, stirbt, und irgendwanngibt es nicht einmal mehr eine Erinnerung an ihn- dieses Gedicht verortet das Leben eines Menschen oder einer Generation innerhalb desKosmos und setzt es mit demselben in Beziehung und Vergleicho der große Unterschied ist eben, dass der Kosmos für sehr lange Dauer ist, einemenschliche Generation ist recht kurz darin4 Die Königsfiktion: 1,12-2,26- jetzt kommt die erste quasi-wissenschaftliche Abhandlung des Koh4.1 Eingangsvers 1,12(12) Ich, der Prediger, war König über Israel in Jerusalem.- das ist schon im Vorwort vom Redaktor gesagt worden, aber hier klingt es noch anders- hier wird nicht mehr vom Davidsohn geredet, aber indirekt wird es zum Ausdruckgebracht, denn „König über Israel in Jerusalem“ waren nur David und SALOMON, denninnerbiblisch kam nach SALOMON die Reichsteilungo Koh schlüpft hier in den Mantel SALOMONS, und was er sagt, sagt er aus derPerspektive des mächtigsten, reichsten und weisesten Königs der je gelebt hat- 9 -


Koheletoes ist wichtig, dass man hier ganz sauber trennt, wo bewusst diese Travestieauftritt, denn es geht um die Möglichkeiten eines Menschen, dem innerweltlicheigentlich nichts unmöglich ist4.2 erster Abschnitt: 1,13-15(13) Und ich richtete mein Herz darauf, in Weisheit alles zu erforschen und zu erkunden, wasunter dem Himmel getan wird. Ein übles Geschäft hat Gott da den Menschenkindern gegeben,sich darin abzumühen.- das Herz auf etwas richten ist die Formulierung, mit der Koh seine geistigen Experimenteeinleitet- das Herz לב [leb] ist gesehen worden schon auch als Organ, aber man hat dort auch den Sitzdes Denkens angesiedelt; man wusste nicht, dass es im Kopf ein Gehirn gibt, so siedelte mandas Denken auch im Herz an- er beginnt ein geistiges Experiment: mit all dem ihm zur Verfügung stehenden Wissen zuuntersuchen und zu ergründen, was unter dem Himmel getan wirdo das ist jetzt ganz wichtig für den Ansatz des Weisen KOHELET; zu ergründen, wasunter dem Himmel getan wirdoodas ist, was geschieht auf der Welter fragt sich auch, ob das, was der Mensch tut, nicht eigentlich ein schlimmes Übelsei• zu beobachten was auf der Welt geschieht ist seine Methodik• die spezifische Frage, nach der er sucht ist, ob das ganze Leben nichteigentlich eine üble Plage isto hier kommt das Wort „Gott“ erstmals vor, und zwar als אלהים [ᵓl o h i m]- im Gegensatz zu anderen Weisen (etwa Spr oder Sir) und den Propheten konstatiert Kohnicht Gott und sagt den gebe es und der will dieses oder jenes, sondern er beobachtet Weltund Leben, zieht seine Schlüsse und wird letztlich, nach einigen Schlussfolgerungen, quasiauf Gott geworfenoodas hat gerade damit zu tun, dass KOHELET in der zweiten Hälfte der 70er und in dengesamten 80er Jahren des 20. Jhdt. einen Boom erlebte; da ist ein solcher Ansatz alsviel zielführender gesehen worden als einer, der prinzipiell von Gott ausgehtund es ist bis heute ein moderner philosophischer Ansatz den Koh wählt(14) Ich sah all die Taten, die unter der Sonne getan werden, und siehe, alles ist Nichtigkeit undein Haschen nach Wind.- es gibt keinen Menschen, der irgend etwas Bleibendes tun kann- Wind ist nicht greifbar, somit bleibt es ein Haschen(15) Gekrümmtes kann nicht gerade werden, und Fehlendes kann nicht gezählt werden.- das ist das Resümee- es ist Haschen nach Wind, es gibt nichts Bleibendes und somit auch nichtsQuantifizierbares- es gibt Auslegungen, die das „vergänglich“ mit „absurd“ oder „sinnlos“ übersetzen, aber essoll laut VONACH doch der Sinn von Vergänglichkeit bleiben- das Experiment: er hat noch nicht gesagt ob das ein schlimmes Übel sei oder nicht, aber erhat zumindest einmal gesehen, dass alles, was der Mensch tun kann, letztlich vergänglichist (weil der Mensch vergänglich ist), und deshalb ist es ein Haschen nach Windo die ma-jitron-Frage muss man im Hinterkopf behalten: Bleibendes gibt es nicht;wenn man nach Bleibendem fragt ist alles menschliches Tun ein Haschen nach Wind- 10 -


Kohelet4.3 zweiter Abschnitt: 1,16-18(16) Ich sprach in meinem Herzen und sagte: Ich nun, siehe, ich habe die Weisheit vergrößertund vermehrt, mehr als jeder, der vor mir über Jerusalem war, und mein Herz hat in FülleWeisheit und Erkenntnis geschaut.- er hat die größtmögliche Weisheit sich aneignen können(17) Auch richtete ich mein Herz darauf, Weisheit zu erkennen und Erkenntnis von Tollheit undTorheit zu haben. Doch erkannte ich, dass auch das nur ein Haschen nach Wind ist.- er vergleicht jetzt: er hat alle Weisheit, und er vergleicht diese mit Torheit undUnverstand, und im Grunde genommen ist beides Haschen nach Windo eigentlich geht es ihm nicht besser mit all seiner Weisheit als denen, die sie nichthabeno sie verändert in der Frage nach einem Bleibendem im Leben eigentlich nichts(18) Denn wo viel Weisheit ist, ist viel Verdruss, und wer Erkenntnis mehrt, mehrt Kummer.- hier finden wir die Begründung von v17- je mehr man weiß, desto mehr zehrt es an einemo und ganz Unrecht hat er damit ja nicht (→ Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß)o und das sagt er als weisester der Weisen, als SALOMON4.4 Weiterführung des Experiments: 2,1f(1) Ich sprach in meinem Herzen: Auf denn, versuch es mit der Freude und genieße das Gute!Aber siehe, auch das ist Nichtigkeit.- „im Herzen sprechen“ meint Denken oder sich selber anspornen- niemand kann sich ewig Freude und Glück verschaffen, auch das ist vergänglicho nicht nur am Ende des Lebens, sondern auch im Leben; Glück und Freude sindimmer zeitlich kontingente Erfahrungen(2) Zum Lachen sprach ich: Unsinnig ist es! - und zur Freude: Was schafft die?- hier trifft er sich mit anderen Weisheitslehren, nämlich, dass Lachen eher den Torenzugeschrieben wird, ist ein an sich interessanter Topos in der hebräischen Weisheito denn der Weise forscht und ist ernsto hier ist klar, dass dem König in seinem Experiment das Lachen schlichtwegvergangen ist, weil er gesehen hat, dass alles vergänglich ist, dennoch bleibt derTopos grundsätzlich in der hebräischen Weisheit- → das ganze Koheletbuch ist unter der ma-jitron-Frage zu lesen; Was gibt es Bleibendes?Und da gilt das Resümee, dass auch Genuss und Freude vergänglich sind(3) Ich beschloss in meinem Herzen, meinen Leib durch Wein zu laben, während mein Herz sichmit Weisheit beschäftigte, und die Torheit zu ergreifen, bis ich sähe, was den Menschenkindernzu tun gut wäre unter dem Himmel, die Zahl ihrer Lebenstage.- er schildert hier Salomo; er lockt den Leib mit Wein, aber die Weisheit bleibt bestehen, derVerstand wird in Weisheit geführt, also genießt er Wein, aber der Verstand bleibt bei derWeisheit, und er versucht zugleich sich die Torheit vom Leib zu halten- die Frage ist, wenn man das tut, bekommt man dann heraus was gut für den Menschen ist?o das ist das Lebensexperimento die Frage ist nach wie vor: gibt es etwas Sinnvolles?- 11 -


Kohelet(4) Ich unternahm große Werke: Ich baute mir Häuser, ich pflanzte mir Weinberge. (5) Ichmachte mir Gärten und Parks und pflanzte darin die unterschiedlichsten Fruchtbäume. (6) Ichmachte mir Wasserteiche, um daraus den aufsprießenden Wald von Bäumen zu bewässern.(7) Ich kaufte Knechte und Mägde und hatte im Haus geborene Sklaven. Auch hatte ichgrößeren Besitz an Rindern und Schafen als alle, die vor mir in Jerusalem waren. (8) Ichsammelte mir auch Silber und Gold und Schätze von Königen und Ländern. Ich beschaffte mirSänger und Sängerinnen und die Vergnügungen der Menschenkinder: Frau und Frauen.(9) Und ich wurde größer und reicher als alle, die vor mir in Jerusalem waren. Dazu verbliebmir meine Weisheit. (10) Und alles, was meine Augen begehrten, entzog ich ihnen nicht. Ichversagte meinem Herzen keine Freude, denn mein Herz hatte Freude von all meiner Mühe, unddas war mein Teil von all meiner Mühe.- er hat sich ein kleines Paradies geschaffen; die Metaphern hier erinnern an Gen 2; so wirdsein Prunk und sein Palast mit den vielen Parks in 2 Kön auch beschrieben- Sklaven hat er noch und nöcher- für seinen Königserfolg sind auch die Ländereien ausschlaggebend- Menschensöhne ist hier nicht inklusiv gemeint; das spielt auch auf Kön an, denn dort heißt es,dass Salomo 300 Frauen und 700 Nebenfrauen habe, dh es ist schon eine Anspielung anSalomos Schilderung in 2 Kön- darüber hinaus war er der weiseste und reichste- zum Schluss das Wort „Anteil“ חלק [ḥ e l e q]: das ist das philosophische Gegenwort zum jitron,zum Bleibendeno das ist es, was Koh im Endeffekt auch positiv dem Leben abgewinnen kanno der Anteil ist es, an dem was man hat Freude zu haben → das ist das Resümee desgroßen Königso vorweggenommen: weil das für alle gilt, weil der beste Anteil Freude am Habenist, relativiert sich der Vorteil des großen Königs gegenüber dem normalenMenschen• der Anteil den jeder Nehmen kann ist im Prinzip bei allen derselbe(11) Und ich wandte mich hin zu all meinen Werken, die meine Hände gemacht, und zu derMühe, mit der ich mich abgemüht hatte. Und siehe, das alles war Nichtigkeit und ein Haschennach Wind. Also gibt es keinen Gewinn unter der Sonne.- bezogen auf die ma-jitron-Frage kann es nur eine Antwort geben: vergänglich und Wind- aber es gibt etwas, was der Mensch haben kann, zeitlich kontingent als Anteil4.5 Einheit 2,12-16(12) Und ich wandte mich, um Weisheit und Tollheit und Torheit zu betrachten. Denn was wirdder Mensch tun, der nach dem König kommen wird? Das, was man schon längst getan hat.- auch für die Nachkommen des Königs gilt, dass jeder nur das tun kann, was die davor auchschon getan haben(13) Und ich sah, dass die Weisheit den gleichen Vorzug vor der Torheit hat wie das Licht vorder Finsternis. (14) Der Weise hat seine Augen in seinem Kopf, der Tor aber geht in derFinsternis. Doch erkannte ich auch, dass ein und dasselbe Geschick sie alle trifft.- die Vergänglichkeit trifft den Weisen wie den Toren, da gibt es keinen Unterschied(15) Und ich sprach in meinem Herzen: Gleich dem Geschick des Toren wird es auch michtreffen. Wozu bin ich dann so überaus weise gewesen? Und ich sprach in meinem Herzen, dassauch das Nichtigkeit ist.- auch die Weisheit ist vergänglich, sie bleibt nicht und hinterlässt keine Spuren; dasselbeSchicksal gilt beim Menschen generell und beim Weisen- 12 -


Kohelet(16) Denn es gibt keine bleibende Erinnerung an den Weisen, so wenig wie an den Toren, weilin den kommenden Tagen alles längst vergessen sein wird. Und wie stirbt der Weise gleich demToren hin!- der Weise schafft sich nicht ein besseres oder längeres Andenken, der wird genausoschnell vergessen wie jeder andereo Koh ist hier selbst was SALOMON betrifft recht pessimistisch, ob selbst dieser Königfür längere Dauer präsent bleibt4.6 Einheit: 2,17-19(17) Da hasste ich das Leben, denn das Tun, das unter der Sonne getan wird, war mir zuwider.Denn alles ist Nichtigkeit und ein Haschen nach Wind. (18) Und ich hasste all mein Mühen, mitdem ich mich abmühte unter der Sonne. Ich muss es ja doch dem Menschen hinterlassen, dernach mir sein wird.- hier sehen wir einen Pessimismus und einen Fatalismus- er muss seine Mühen jemandem überlassen der nach ihm kommt; man kann es für jemandenhinterlassen, man muss es aber auch- er wählt die aus seinen bisherigen Schlussfolgerungen logischste Weise, dass es für ihn nichtsBleibendes gibt; wenn es für ihn aber nicht bleibend ist, dann muss er es hinterlassen (nicht erdarf)(19) Und wer weiß, ob der weise oder töricht sein wird? Und doch wird er Macht haben überall mein Mühen, mit dem ich mich abgemüht habe und worin ich weise gewesen bin unter derSonne. Auch das ist Nichtigkeit.- auch das Hinterlassene ist vergänglich, man weiß nicht einmal so richtig, wem man dasüberlässt, ob derjenige vernünftig mit dem Erbe umgeht oder nicht- deshalb ist das Hinterlassene auch vergänglich; es vergeht zwar nach ihm, aber es vergehto selbst wenn er seinen Tod akzeptiert kann er nichts Bleibendes schaffen, irgendwannwird alles vergeheno die Frage nach dem Bleibenden steht im Zentrum und muss negativ beantwortetwerden4.7 Einheit: 2,20-23(20) Da wandte ich mich, mein Herz der Verzweiflung zu überlassen, wegen all dem Mühen, mitdem ich mich abgemüht hatte unter der Sonne.- wenn man die Frage nach dem Sinn dessen, was man sein Leben lang getan hat, unter derRücksicht eines ji-tron stellt, ist Verzweiflung die einzige Antwort, weil man dann sagenmuss, dass es umsonst war(21) Denn da ist ein Mensch, dessen Mühen in Weisheit und in Erkenntnis und in Tüchtigkeitgeschieht; und doch muss er sie einem Menschen als sein Teil abgeben, der sich nicht darumgemüht hat. Auch das ist Nichtigkeit und ein großes Übel.- das ist eine kleine Lehrerzählung, eine Art Parabel- einer müht sich ab, dann bekommt es einer der sich nicht abgemüht hat, und der lässt es dannvergehen(22) Denn was bleibt dem Menschen von all seinem Mühen und vom Streben seines Herzens,womit er sich abmüht unter der Sonne?- das Streben des Herzens ist auch das Streben nach Weisheit, denn man strebt„ganzheitlich“- 13 -


היKohelet(23) Denn all seine Tage sind Leiden, und Verdruss ist sein Geschäft; selbst nachts findet seinHerz keine Ruhe. Auch das ist Nichtigkeit.- da ist ein versteckter Wink drin, was mit denen ist, die viel sich an Reichtum angehäufthaben: sie können in der Nacht nicht einmal mehr schlafen aus Sorge um ihren Besitzo und das ist ja auch eine relativ bleibende Weisheit, dass das zT so isto später sagt er es deutlicher, hier aber im Königsmantelo vieles, was Koh als König reflektiert, reflektiert er nachher als Weiser nochmals; waser hier für den Reichen sagt, sagt er später für den Normalen4.8 Fazit der Königsfiktion: 2,24-26(24) Es gibt nichts Besseres für den Menschen, als dass er isst und trinkt und seine Seele Gutessehen lässt bei seinem Mühen. Auch das sah ich, dass dies alles aus der Hand Gottes kommt.- was ist also, wenn es nichts Bleibendes gibt und nichts zurückbleibt: dann gibt es für denMenschen nichts besseres als essen, trinken und seine Seele Gutes sehen zu lassen, aberbei seiner Müheoman bleibt dabei, dass vieles mühsam ist, aber wenn man aus dieser Situationgleichsam das Beste machen will, dann ist das, trotz allem essen, trinken und seineSeele Gutes sehen zu lassen (Freude haben)o hier steht ה אלהים [h a ᵓl o h i m]• wenn die Welt Schöpfung irgend eines Gottes ist, und wenn dann das Lebendes Menschen in dieser Welt nur Übel und Mühsal ist, dann hat dieser Gottdem Menschen etwas Ungerechtes angetan• er sagt aber hier am Schluss seiner Reflektionen: zumindest dieser Anteil(essen, trinken, Herz Gutes sehen lassen), das ist auch eine Gabe Gottes; Gottwill, dass ich das kannאלהים • und deshalb mit Artikel; VONACH ist der Meinung, Koh verwendetwenn irgend ein Gott gemeint sein kann, und ה אלהים wenn er den Gott seineseigenes Glaubens meint; vermutlich vermeidet er וה weil dies der kultischeName war, und Koh keine liturgische oder kultische, sondern eineweisheitliche Schrift verfassen will(25) Denn: „Wer kann essen und wer kann fröhlich sein ohne mich?“ (26) Denn demMenschen, der vor ihm wohlgefällig ist, gibt er Weisheit und Erkenntnis und Freude. DemSünder aber gibt er das Geschäft einzusammeln und aufzuhäufen, um es dem abzugeben, dervor Gott wohlgefällig ist. Auch das ist Nichtigkeit und ein Haschen nach Wind.- das ist schwer zu verstehen und hoch philosophisch: dem Menschen (man muss genau aufdie Worte achten) der ihm gefällt, dem gibt er Weisheit und Freude, und dem stellt ergegenüber den der sich verfehlto Gott gefällt der Gottesfürchtige, der der an diesen Gott glaubt und versucht nachden Geboten Gottes zu lebeno es heißt dann nicht, „der der ihm nicht gefällt“, sondern „der der sich verfehlt“, undodas ist der nicht Gottesfürchtige und sich gegen Gott verfehltin der Weisheitstradition Israels gehören drei Dinge untrennbar zusammen:(1) Weisheit, (2) Gottesfurcht und (3) Gerechtigkeit• der Gottesfürchtige ist weise (weil er gottesfürchtig ist) und handelt gerecht• und der Tor ist nicht gottesfürchtig und handelt ungerecht• ob das 100 %ig so stimmt sei dahingestellt, es ist aber ein Axiom derhebräischen Weisheit• Torheit, Frevel und Ungerechtigkeit ↔ Gottesfurcht, Weisheit undGerechtigkeit- da kommt eine bittere Ironie hinein: er hat vorhin schon gesagt, dass die die sich vielschaffen sich auch viel Kummer schaffen (dh anzuhäufen ohne Essen, Trinken und Freudeist Torheit), somit ist er kein Gottesfürchtiger sondern ein Frevler, weil das wider Gott ist;- 14 -


Koheletwenn man die positiven Möglichkeiten nicht nutzt, ist das in den Augen KOHELETS gegen denWillen Gotteso die vermeintlich Weisen sind im Grunde die Toren, weil sie diesen Aspekt, denGott ihnen gab, nicht erfasseno damit wird hier auch das Kultbild SALOMONS angekratzt5 Das Gedicht über die Zeit: 3,1-8- mit Beginn von c3 kommt ein klarer Neueinsatz im Text- es wechselt wieder von Prosa zu Poesie und es tritt ein neuer, für Koh wichtiger, Begriff auf:Es gibt für alles eine Stunde und eine עח [‛ēt] Zeit- v1 ist Einleitung des Gedichtes, dann folgen strikte Parallelismen5.1 Gedicht: 3,1-8(1) Für alles gibt es eine bestimmte Stunde. Und für jedes Vorhaben unter dem Himmel gibt eseine Zeit:- eine „Angelegenheit unter dem Himmel“ sind die einzelnen Dinge die die Menschen tun- wenn das erste Gedicht das Leben einer Generation, eines Menschen, im Kontext desUniversums verortet hat, so fokussiert dieses Gedicht nun noch einmal auf das konkreteעח Leben eines Menschen und wie ein Mensch dieses erfährt, nämlich als eine Abfolge von- es ist eine Abfolge von Augenblicken die für verschiedene Dinge günstig oder wenigergünstig sind- diese Gegensatzpaare stellen klar heraus, dass es für das Tun des Menschen nichtunerheblich ist, was er wann tut, weil sich nicht jeder Augenblick für jede Tätigkeit ingleicher Weise eig<strong>net</strong>o dahinter steht auch die Aufforderung zu erkennen, was in welchem Augenblicksinnvoll und möglich ist zu tun bzw. eben nichto es liegt auch am Menschen zu erkennen, was wann sinnvoll getan werden kann- Gegensätze sind im Hebräischen Stilmittel für die Totalität; sie stellen nicht nur die beidenäußeren Pole daro es gibt nicht nur Weinen und Lachen, es gibt auch alles dazwischenoodas Gegensatzpaar bedeutet also immer das Ganzees gibt das in manchen Redewendungen im Deutschen eigentlich auch, zB „jung undalt, groß und klein“ meint so ziemlich alle(2) Zeit fürs Gebären und Zeit fürs Sterben, Zeit fürs Pflanzen und Zeit fürs Ausreißen desGepflanzten,- interessant ist der Rahmen, v2.8: der äußerste Rahmen (v2a und v8b), weil da geht es ingewisser Hinsicht um die Frage von Leben und Tod in zwei verschiedenen Varianteno in v2a logisch und positiv eine Zeit zum Gebären (nicht geboren werden) und es gibtdas Sterben (beides als aktive Akte)o dem steht in v8b Krieg und Frieden gegenüber; es gibt eben Zeiten in denen diesesLeben recht positiv ist, es gibt aber auch tödliche Zeiten• damit will Koh nicht zum Ausdruck bringen, man müsse den Augenblick zumKrieg nützen, sondern er nimmt nüchtern wahr, dass es diese Zeiten auch gibt,was aber kein Qualitätsurteil ist- 2b ist für Palästina mit seinen zwei Jahreszeiten eine ganz logische Folge(3) Zeit fürs Töten und Zeit fürs Heilen, Zeit fürs Abbrechen und Zeit fürs Bauen,- der krasse Gegensatz zu heilem Leben ist eben die Vernichtung dieses Lebens- es gibt auch die Zeit da man etwas einreißen muss um überhaupt etwas Neues aufzubauen- 15 -


Kohelet(4) Zeit fürs Weinen und Zeit fürs Lachen, Zeit fürs Klagen und Zeit fürs Tanzen,- man ist nicht immer in der gleichen Stimmung und Verfassung(5) Zeit fürs Steinewerfen und Zeit fürs Steinesammeln, Zeit fürs Umarmen und Zeit fürs sichFernhalten vom Umarmen,- viel diskutiert wurde über v5a:o (1) manche sagten, das war in Palästina Brauch, dass man sich mit Steinewerfenwehrte; VONACH hält davon sehr wenig bis gar nichts; diese ist öfters aber ernsthaftvorgebracht wordeno (2) andere haben eine Spur plausibler gesagt: die Wiesen für das Vieh in Palästinasind mit vielen Steinen belegt, so wie bei uns die Almwiesen auch, man muss dieentsteinen und diese dann irgendwo hinwerfen; also Entsteinen der Wiesen alsHintergrund, wobei das Werfen hier ein bisschen unterbelichtet bleibto (3) eine sehr originelle Interpretation haben die frühen Rabbinen aufgebracht: dassei metaphorisch gemeint: das Werfen von Steinen sei der Samenerguss des Mannes,und die Zeit des Sammelns sei die Zeit bis zum nächsten Mal; VONACH findet esoriginell, aber ob es zutrifft ist eine andere Frage; die frühen Rabbinen deuteten dasso, weil es eben auch andere Texte gibt, wo der Samenerguss mit Steinewerfen inVerbindung gebracht hat (VONACH kennt diese Texte aber nicht)- Umarmen hingegen ist wieder recht klar(6) Zeit fürs Suchen und Zeit fürs Verlieren, Zeit fürs Aufbewahren und Zeit fürs Wegwerfen,(7) Zeit fürs Zerreißen und Zeit fürs Zusammennähen, Zeit fürs Schweigen und Zeit fürs Reden,- auf v7b wird viel eingegangen: Schweigen und Reden, denn das kann man philosophischverwenden(8) Zeit fürs Lieben und Zeit fürs Hassen, Zeit für Krieg und Zeit für Frieden.5.2 Überleitung zur Interpretation: ma-jitron-Frage: 3,9(9) Welchen Gewinn hat also der Schaffende bei dem, womit er sich abmüht?- den Übergang vom Gedicht zur eigentlichen Interpretation bildet v9, das ist dezidiert dieÜberleitung vom Gedicht zur Interpretation- der der die Augenblicke füllt, der etwas tut, welches Bleibende?- die ma-jitron-Frage war schon der hermeneutische Schlüssel für die Königsfiktion und dasErgebnis kennen wir: selbst für SALOMON bleibt nichts Bleibendeso er hat einen Anteil, aber nichts Bleibendeso und jetzt fragt er, rhetorisch, und welches Bleibende hat der ganz normale Mensch6 Darlegung Kohelets als Weiser I: 3,10-6,126.1 Interpretation des Gedichtes über die Zeit: 3,10-156.1.1 Unterabschnitt 1: 3,10f(10) Ich habe das Geschäft gesehen, das Gott den Menschenkindern gegeben hat, sich darinabzumühen. (11) Alles hat er schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herzgelegt, nur dass der Mensch das Werk nicht ergründet, das Gott getan hat, vom Anfang bis zumEnde.ה אלהים steht, in v11 aber אלהים - man beachte, dass in v10- Koh postuliert nicht, er betrachtet- 16 -


Koheletאׁשר- der Mensch kann gar nicht grundsätzlich nichts tuno so wie der Mensch sein Leben erfährt ist er gezwungen in irgend einer Form etwas zutun- Subjekt in v11a ist Gott (weil es egal ist, welchen Gott man meint hier noch Bezug auf „einGott“ aus v10), alles hat er schön gemacht zu seiner Zeito das erinnert ein bisschen an den ersten Schöpfungsbericht („Er sah, dass es [sehr]gut war“)o es wurde viel diskutiert, warum er nicht dasselbe Wort wie in der Gen verwendet,sondern eben „schön“o man hat zurecht darauf hingewiesen, dass Koh am Ende des 3. Jhdt. verfasst wurde,riesiger griechischer Einfluss, wo das absolute Ideal gerade die Verbindung vongut und schön waro der einzelne Mensch erlebt diese Welt zumindest noch schön; sie ist nicht mehrperfekt, es ist eine Art gebrochene Schöpfung, aber sie ist noch schön- eigentlich müsste zwischen 11a und b der Punkt stehen, denn hier kommt etwas Neues:o auch den צולם hat er in ihr Herz gegeben, und das ist, was „der“ Gott getan hat: das isteine Glaubensaussage, die Koh im Blick auf seinen Glauben und seinen Gott zieht,ה אלהים deshalb hiero den צולם ins Herz geben: kein Mensch lebt die ganze Zeitspanne ‏,צולם man lebtnur eine Abfolge von ‏,עח aber dennoch hat Gott etwas vom צולם dem Menschen insHerz gegeben, dh der Mensch hat die Fähigkeit, über seine eigene Lebenszeithinaus zu denken, er kann sich eine Vorstellung machen über Dinge die vor ihmwaren und die nach ihm sein werden → der Mensch hat ein Vorstellungsvermögenüber seine eigene עח hinauso aber, und das ist das Entscheidende, auch ohne den Mensch findet das Werk, das„der“ Gott אלהים]‏ ‏[ה gemacht hat, von einem Anfang bis zu einem Endeo hier haben wir einen dritten Zeitbegriff, und das ist die Zeitspanne Gottes, und diekann der Mensch nicht mehr erahnen, das ist es, was wir heute mit Ewigkeitmeinen- jetzt haben wir ein Gefüge von drei Zeitbegriffen, Koh entwickelt einen dreistufigenZeitbegriff:(1)עח [ēt] Menschenzeit (2)צולם [olam] Weltzeit צ וך (3)[rosch suf] Gotteszeit o somit kann ich den letzten Sinn, warum Gott das alles getan hat, nicht fasseno allein die Dimension in der ich mich selber verorte, verbietet mir im Grunde dieFrage nach dem Bleibenden absolut zu stelleno der Mensch findet nicht das Werk das Gott gemacht hato aus dieser Erkenntnis zieht Koh zwei Schlüsse, v12f und v14f6.1.2 Unterabschnitt 2: 3,12f, 3,14f(12) Ich erkannte, dass es nichts Besseres bei ihnen gibt, als sich zu freuen und sich in seinemLeben gütlich zu tun. (13) Aber auch, dass jeder Mensch isst und trinkt und Gutes sieht bei allseinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.- in v12c („außer sich zu freuen und Gutes zu tun in seinem Leben“), das wird sehr gern falschübersetzt; es heißt „Gutes tun“ und nicht es sich „gütlich tun“, es ist nicht reflexiv gemeint,es ist ein definitives aktives Tuno dh Koh erscheint hier nicht als Hedonist, der sagt, er erkannte, dass nichts Gutes imMenschen ist und somit soll man sich freuen und es sich gut gehen lassenooer sagt sich freuen und Gutes tun, sich also in Verantwortung zu freuendas Beste das der Mensch tun kann ist, seine Augenblicke so zu gestalten, dass sieihm Freude bereiten und dass er Gutes tut, für sich und für die anderen- v13: Essen, Trinken und Gutes sehen – das ist die Entfaltung dessen, was in v12 mit„Freude“ bezeich<strong>net</strong> wurde; das Gute sehen kann man nur, wenn man auch Gutes tut- 17 -


Kohelet(14) Ich erkannte, dass alles, was Gott tut, für ewig sein wird. Es ist ihm nichts hinzuzufügenund nichts davon wegzunehmen. Und Gott hat es so gemacht, damit man sich vor ihm fürchtet.(15) Was da ist, war längst, und was sein wird, ist längst gewesen; und Gott sucht dasEntschwundene wieder hervor.- v14 ist sehr komplex: es folgt eine zweite Schlussfolgerung: alles was der Gott gemacht hatist für eine längere Dauero was Gott gegeben und geschaffen hat ist für eine längere Dauer, dh letztlich für dendas Bleibende nicht geben, weil Gott auf עח dh es kann für mich innerhalb des ‏,צולםder Ebene von Weltzeit anlegt und schaffto v14ef wird in der Forschung gern als die „Kanonformel“ bezeich<strong>net</strong>, denn der Kanonist eine Sammlung von Gesetzen oder Schriften, der nicht veränderbar ist• VONACH sieht es kritisch, das bei Koh mit Kanon in Verbindung zu bringeno der Mensch kann Gott zwar nicht in die Karten schauen, aber aufgrund derErkenntnis, dass es so ist, wie Koh es darstellt, kann der Mensch etwas ganz anderes,weil Gott nämlich gemacht hat, dass man fürchten kann angesichts Seiner, dass manalso gerade deshalb vor Gott Ehrfurcht haben kann• das ist die adäquate Antwort des Menschen: Ehrfurcht; auch wenn ich es nichtdurchschaue und es nicht ändern kann, aber weil ich das Ganze als Schöpfungerleben kann und weil ich mich freuen kann, deshalb kann ich, ja muss ich,mit Ehrfurcht darauf antworten• dh nicht als kümmerliche Gestalt herum zu knien und vor Gott zu zittern, dhdie Möglichkeiten die Gott gegeben hat zu nützen, die Augenblicke zugestalten, sich zu freuen, Gutes tun und Gutes sehen und Gott dankbar sein,dass man das kann, dass er es gegeben hat• Ehrfurcht in diesem Sinne heißt auch irgendwie Dankbarkeit- → und jetzt sind wir einen deutlichen Schritt weiter als in der Königsfiktion, weil es sichjetzt abzeich<strong>net</strong>, dass es zwar den jitron nicht gibt, was aber in der Königsfiktion als Anteilgesehen wurde, auch inwiefern das vor Gott Kontur hat- mit diesem erstmaligen Vorkommen des Begriffes „Gottesfurcht“ ist aber diese zweiteBeobachtung noch nicht beendet, sondern es schließt noch v15 als Resultat dieserBeobachtung an, ja als Resultat der gesamten Auslegung des Gedichtes über die Zeit:o „das was ist, längst ist es“: was ich als neu erlebe ist eigentlich nicht neu, das hatGott schon länger gemacht, ich entdecke es halt erst jetzto „was sein wird, längst ist es gewesen“: Gott hat das alles schon längst gemacht, auchdas was sein wird, was innerhalb des צולם ist (das ist es, was sein wird); das ist keinDeterminismus, aber wie sich künftige Menschen sich innerhalb der Welt erleben,das hat Gott längst gemachto „und der Gott sucht Verschwundenes“: dh vermutlich, Gott lässt Dinge, dieverschwunden sind (die früher waren) immer wieder neue Menschen erleben- bis hier ein vorläufiges Resultat, und jetzt kommt ein völliger Neueinsatzo der jetzige Stand ist eine Verortung, inwiefern hat dieses durchaus begrenzte Lebenim Angesicht Gottes Sinn6.2 gesellschaftskritische Beobachtungen: 3,16-4,4(16) Und ferner sah ich unter der Sonne: An dem Ort des Rechts, dort war die Ungerechtigkeit,und an dem Ort der Gerechtigkeit, dort war die Ungerechtigkeit.- Koh beobachtet und forscht wieder unter der Sonne- es folgt ein Parallelismus: die Stätte des Gerichts und die Stätte der Gerechtigkeit solltenfaktisch dasselbe sein, die verschiedene Wortwahl zeigt aber, dass sie es nicht sind(menschliches Recht ist hier gemeint)o die Stätte des Gerichtes sollte gerade die Stätte der Gerechtigkeit sein, aber geradedort ist Ungerechtigkeit- 18 -


Koheletowir wissen, zur Zeit des 3. Jhdt. vC war es eine Zeit, in der in Jerusalem zunehmenddie Tempelpriester und die Jerusalemer Aristokratie mit den hellenistischenOberherrschern gemeinsame Sache gemacht haben; es war eine sehr korrupte Zeit(17) Ich sprach in meinem Herzen: Gott wird den Gerechten und den Ungerechten richten, dennes gibt eine Zeit dort für jedes Vorhaben und für jedes Werk.- dieser Gott, an den Koh glaubt, ist letztlich ein gerechter Gott; wenn es eine absoluteGerechtigkeit gibt, dann ist das Gott- und deshalb kann das, was er hier beobachtet und vorfindet nicht das Endgültige und dasLetzte sein; irgendwie wird Gott seine Gerechtigkeit zum Ausdruck bringeno NB: es geht hier um das Richten und nicht um ein Verurteilen, deshalb ist die EÜschlecht übersetzt, denn sie übersetzt verurteilen, was erst nach dem Richten seinkann (ebenso wie ein Freispruch eine mögliche Folge ist); auch geht es nicht umSchuldige und Unschuldige sondern um Gerechte und Ungerechte; es geht hier ja umdas Gottesgericht; das Gottesgericht ist allumfassend, da ist das gesamte menschlicheoLeben, jeder gestaltete עח kommt dort zur SpracheNB: ה אלהים suggeriert schon einen einzelnen und absoluten Gott (der Gott Israelsist der Gott), denn benutzte man einen Eigennamen suggerierte das, dass es andereGötter auch gibt; darüber hinaus war das schon eine Zeit, in der der Eigenname Gottesnicht mehr ausgesprochen wurde; es ist noch monolatristisch, weil er durch dieAlternative „ein Gott“ und seine Wahrnehmung der hellenistischen Glaubensweltwahrscheinlich noch nicht so weit ist zu sagen, die Hellenisten glaubten Blödsinn;dennoch, für ihn ist das der einzige Gott und der Gott schlechthin- Koh glaubt daran, weil er von der absoluten Gerechtigkeit Gottes überzeugt ist, und weil erdie Welt, das was die Menschen tun, weitgehend als nicht gerecht empfindet; demgegenüberist aber Gott absolut gerecht- und daher ist es nicht unerheblich, wie der Mensch seine Abfolge von עח gestaltetoo→ implizit muss Koh bereits daran glauben, dass es eine wie auch immer gearteteIdentität des Menschen über den Tod hinaus geben muss, denn sonst hat diesesgerechte Richten keinen Sinn; gäbe es nach dem Tod nichts mehr wäre es auchunerheblich wie das Gericht ausfälltwarum Koh von einem Gottesgericht überzeugt ist: das resultiert von seiner nichtganz falschen Annahme der absoluten Gerechtigkeit Gottes(18) Ich sprach in meinem Herzen: Der Menschenkinder wegen ist es so, dass Gott sie prüftund damit sie sehen, dass sie nichts anderes als Vieh sind.- hier beginnt eine ganz neue Reflexion, aber noch im Kontext seiner allgemeinenGesellschaftskritik- das merkt man an der Einleitung: „Ich sprach in meinem Herzen“, und damit beginnt einneues Schlüsseziehen- klar ist, er beobachtet etwas, das die Menschenkinder betrifft (= Menschheit allgemein) undfür diese gilt, zumindest im Glauben Israels אלהים)‏ ‏,(ה dass der Gott sie aussondert, und dasversteht man erst, wenn man danach die Viehmetapher liesto aussondern heißt, der Mensch hat schöpfungsgemäß eine andere Stellung innerhalbder Welt der Lebewesen als die Tiereooman merkt an ihrem Verhalten aber nicht viel davon, sie sind einander Viehdh KOHELET stellt nüchtern fest, dass für das Tierreich typische Verhaltensweisen wieFutterneid, das Recht des Stärkeren, etc. eigentlich Verhaltensweisen sind, in denensich der Mensch vielfach nicht wesentlich unterscheidet(19) Denn das Geschick der Menschenkinder und das Geschick des Viehs - sie haben ja ein unddasselbe Geschick - ist dies: wie diese sterben, so stirbt jenes, und einen Odem haben sie alle.Und einen Vorzug des Menschen vor dem Vieh gibt es nicht, denn alles ist Nichtigkeit.- und er reflektiert jetzt noch einmal die Frage der Stellung des Menschen- 19 -


Kohelet- es gibt also schöpfungsgemäß ein Schicksal des Menschen und eines des Viehs, aber wiejedes Tier irgendwann physisch stirbt, so stirbt auch jeder menschliche Körper physischo damit ist man wieder bei der Frage nach der Kontingenz und der Endlichkeit desmenschlichen Lebens- es gilt für das Leben eines Tiers dasselbe wie für das eines Menschen, es ist derselbeLebensodem und genauso hauchen sie ihn wieder aus(20) Alles geht an einen Ort. Alles ist aus dem Staub geworden, und alles kehrt zum Staubzurück.- hier steht eigentlich „beide“, nicht „alle“- massiv Schöpfungstheologie; das ist jene Formel, an die in unseren Kirchen amAschermittwoch gedacht wird- damit ist dieser eine Gedankengang abgeschlossen(21) Wer kennt den Odem der Menschenkinder, ob er nach oben steigt, und den Odem desViehs, ob er nach unten zur Erde hinabfährt?- hier greift Koh den Gedanken von 3,18-20 nochmals auf, allerdings auf einer anderen Ebene- es ist ein und derselbe Lebensatem, und sie hauchen ihn aus (man stelle sich das bildlichvor), und jetzt fragt er auf einer theologischen Metaebene ob es einen Unterschied gibt,wohin sie ihn haucheno geht der Lebensatem der Tiere mit dem Körper in den Staub der Erde, währenddurch die Aussonderung des Menschen mit dem Lebensatem des Menschen mitunteretwas anderes der Fall sein könnte, nämlich „nach oben steigen“, und das meintnatürlich hin zu Gotto man beachte, mit welchem Partikel er diesen Gedanken einleitet: „wer weiß“; daskann man als rhetorische Frage auffassen, man kann es aber auch stärker auffassen,nämlich als leise Ahnung• VONACH bevorzugt die zweite Lesart• das ist übrigens kein Glaubenszweifel, denn ein wirklicher Glaube an einLeben nach dem Tod hat erst mit dem theologisch-philosophischenhellenistischen Impetus begonnen, zur Zeit KOHELETS war das, wie schonbemerkt, keinesfalls ausgeprägtetwa der Seelenbegriff kam erst durch den Hellenismus ins Judentumder Seelenbegriff und die Unterweltsvorstellungen des Hellenismus inKombination mit einer sozialen Krise vieler Menschen hat dietheologische Idee einer Frage über den Tod hinaus entstehen lassendas hat es auch in der Umwelt Israels nicht gegeben: in den ganzenmesopotamischen Götterpantheons waren nur die Götter unsterblichdiese Vorstellung ist tatsächlich im ganzen semitischen Denkraumerst später gekommenes ist genau das Gegenteil: zur Zeit KOHELETS ist das keinGlaubenszweifel sondern viel mehr eine Glaubenshoffnungaber wissen tut es niemand, was er mit „wer weiß“ klar zum Ausdruckbringtauch nach der Zeitenwende ist es noch nicht im ganzen Judentumetabliert, und es war eines der größten Probleme der Jesusbewegung,denn die ersten jüdischen Polemiken richten sich gegen derenAuferstehungsglaube ansonsten gibt es noch Stellen in Dan, Weish und Makk- die Hoffnung ist klar, wir müssen aber auch den Charakter der rhetorischen Frage ernstnehmen- 20 -


Kohelet(22) Und ich sah, dass es nichts Besseres gibt, als dass der Mensch sich freut an seinen Werken;denn das ist sein Teil. Denn wer wird ihn dahin bringen, hineinzusehen in das, was nach ihmsein wird?- daraus resultiert der Anteil den man hat, die gewisse Freude die man hat im Leben; Freudeist jedenfalls ein wesentlicher Teil von diesem Anteil, den der Mensch am Leben nehmenkann, wo es etwas Bleibendes nicht gibt- die Begründung in v22b: wir wissen es nicht, es geht um eine Glaubensfrage auch imGegensatz zu einer Wissensaussage („Wer wird ihn hinführen …“)ooletztlich kann ihn gar niemand hinführen außer Gott selber wenn es soweit istwir können es aber nicht ganz sicher wissen, und deshalb ist es jedenfalls das Bestefür den Menschen, dass er den Anteil den er in diesem Leben haben kann, auchbewusst nimmt und lebt, und da gehört jedenfalls dazu, dass dieses Leben auchfreudige Elemente hat (auch bei dem was man tut)(1) Und ich wandte mich und sah all die Unterdrückungen, die unter der Sonne geschehen. Undsiehe, da waren Tränen der Unterdrückten, und sie hatten keinen Tröster. Und von der Handihrer Unterdrücker ging Gewalttat aus, und sie hatten keinen Tröster.- mit 4,1 kommt ein absoluter Neueinsatz, allerdings innerhalb der Abhandlung dieSozialkritik‏ׁשו o dass hier wieder ein starker Neueinsatz ist, sieht man am ersten Wort[w schabti], und das kommt von ‏ׁש וב [šub], und das heißt umkehren, umwenden,umdreheno Menschen werden gewalttätig behandelt, und es gibt keinen der ihnen hilft- wenn wir diesen Vers genau ansehen, gibt es hier drei Menschengruppen:o (1) die die Gewalt ausübeno (2) die Opfer der Gewalto (3) die die es sehen und nichts tun; es gibt also auch eine schweigende Masse diesich mitschuldig macht(2) Da pries ich die Toten, die längst gestorben sind, mehr als die Lebenden, die jetzt nochleben.- wenn man also sieht wie es da zugeht kann man nur froh sein, wenn man es nicht mehrmitbekommt- die Glücklichsten sind also die, die das nicht mehr erleben müssen(3) Und glücklicher als sie beide pries ich den, der noch nicht gewesen ist, der das böse Tunnicht gesehen hat, das unter der Sonne geschieht.- und noch besser als die Gestorbenen haben es die, die noch nicht geboren wurden, denn diehaben noch überhaupt keine Ahnung davon- diesen Satz hat er nicht aus Pessimismus geschrieben, sondern VONACH meint deshalb, umdie vorher in 4,1 genannte schweigende Menge aufzurüttelno es ist schon pessimistisch formuliert, aber Ziel ist sicher, die größte Gruppe von 4,1anzusprechen(4) Und ich sah all das Mühen und alle Tüchtigkeit bei der Arbeit, dass es Eifersucht des einengegen den anderen ist. Auch das ist Nichtigkeit und ein Haschen nach Wind.- KOHELET führt den Gedanken zu Ende, durchaus mit etwas pessimistischer Anthropologie- das Problem ist, dass sehr viele, die wirklich tüchtig sind, das durchaus auch aus Eifersuchtgeschehen kannoletztlich ist aber auch dieses Ansinnen vergänglich und somit genauso Streben nachWind wie so vieles anderes Tun- er stellt hier aber die Frage nach der Redlichkeit menschlichen Handelns, auchmenschlicher Tüchtigkeit; was ist das Motiv?בחי- 21 -


Kohelet6.3 Beobachtungen aus dem Lebensalltag: 4,5-16- innerhalb des Abschnitts findet man eine eher zufällige Anordnung- von der Form her macht er das häufig in der Form weisheitlicher Sentenzen, die sich dannwieder verschieden äußern kanno vorwiegend in Parallelismeno oder aber in Tov-min-Sprüchen (besser-als-Sprüche)o immer wieder unterbrochen durch persönliche Reflexionen in der Ich-Form(5) Der Tor legt seine Hände ineinander und verzehrt sein eigenes Fleisch.- Nichtstun zehrt am Körper genauso wie das Tun; es ist ein Trugschluss wenn man glaubt,Nichtstun sei weniger aufwendig für den Körper (es geht hier um grundsätzliches Nichtstun)- und wer das tut ist ein Tor- → weisheitliche Sentenz(6) Besser eine Hand voll Ruhe als beide Fäuste voll Mühe und Haschen nach Wind.- dass das Eine gilt (v5) meint noch nicht, dass das absolute Gegenteil stimmt; die Wahrheitliegt in der Mitteo gar nichts tun zehrt am Körper, aber das heißt nicht, dass man ruhelos agieren soll,sondern das Beste ist, eine Hand voll Ruhe und eine Hand voll Arbeito beide Hände voll Arbeit ist auch Streben nach Wind- → Tov-min-Spruch(7) Und ich wandte mich und sah Nichtigkeit unter der Sonne: (8) Da ist einer allein und keinZweiter bei ihm, auch hat er weder Sohn noch Bruder, und für all sein Mühen gibt es kein Ende,auch werden seine Augen am Reichtum nicht satt. Für wen mühe ich mich also und lasse meineSeele Gutes entbehren? Auch das ist Nichtigkeit und ein übles Geschäft.- es gibt jemanden, der arbeitet ohne Ende, der hat nicht einmal Angehörige, er selber istvergänglich, also für wen? Sein Auge wird nicht satt vom Reichtum, aber er hat nicht einmaljemanden, dem er es geben kann, und selber ist er vergänglich, also für wen?o und das ist ein schlechtes Geschäft- nur Reichtum anhäufen und immer mehr haben wollen, das ist jedenfalls nicht der Sinn desLebens, wie Gott es wollte, sondern es gehört schon dazu, dass man sich etwas Gutes gönnto das sind jedenfalls Ruhe, Freude und es sich gut gehen lassen- → Reflexion in der Ich-Form6.3.1 Zusammen ist man weniger allein: 4,9-12(9) Zwei sind besser daran als ein Einzelner, weil sie einen guten Lohn für ihre Mühe haben.- es ist jedenfalls auch Einsamkeit nicht das Beste, sondern besser sind zwei(10) Denn wenn sie fallen, so richtet der eine seinen Gefährten auf. Wehe aber dem Einzelnen,der fällt, ohne dass ein Zweiter da ist, ihn aufzurichten!- v10a als Begründung für v9- KOHELET plädiert hier auch gegen den Individualismuso das AT kennt fast kein Individuum, es geht fast immer um das Kollektiv, und dasist semitisches Denkeno das kommt auch aus der Lebenserfahrung: im Clan ist immer das Kollektiv im Blickund nie das Individuumo mit dem Hellenismus kommt ganz stark auch das Individuum in den Blickphilosophischer Betrachtungen und überhaupt der Individualismuso KOHELET kennt sein Fundament und steht darauf, als Bedingung für die Offenheitfür Neues- 22 -


Kohelet• er steht ins einem judäisch-israelistischen Fundament, aber er gehört nicht zurFundamentalopposition gegen alles Neue (allein der Gedanke an ein Lebennach dem Tod zeugt davon; und hier ein zweites Beispiel: er verschließt sichdem individualistischen Denken nicht völlig [dann würde er nicht darüberschreiben], er hegt aber Zweifel und formuliert Kritik an einem absolutenIndividualismus)(11) Auch wenn zwei beieinander liegen, so wird ihnen warm. Dem Einzelnen aber, wie soll ihmwarm werden?- es geht hier nicht um Geschlechtsverkehr, sondern ganz wörtlich um das sich gegenseitigWärmen(12) Und wenn einer den Einzelnen überwältigt, so werden doch die zwei ihm widerstehen; undeine dreifache Schnur wird nicht so schnell zerrissen.- auch das ist eine Binsenweisheit, dass man in gewissen Gegenden nicht allein unterwegs seinwill6.3.2 politische Beobachtungen: 4,13-16(13) Besser ein Junge, arm, aber weise, als ein König, alt, aber töricht, der es nicht versteht,sich warnen zu lassen.- man hatte Respekt vor dem Alter, der Jugend schrieb man nicht unbedingt Weisheit zu- für das Land ist der arme Junge ein größerer Gewinn als der törichte alte König- v13b ist eine geniale Beobachtung: die Dummheit des Königs bezieht sich nicht auf einenmangelnden Intellekt, sondern auf eine gewisse Beratungsresistenz je älter er wird, und daswar nicht nur in atl Zeit, das ist ein allgemeingültiges Phänomen(14) Ja, aus dem Gefängnis geht er hervor, um König zu werden, obwohl er als Armer unter derKönigsherrschaft jenes Königs geboren wurde.- jener, das ist ein König, kam aus dem Gefängnis um König zu werden, dh KOHELET blickthier zurück auf die eigene Geschichte, nämlich viele Herrscher waren Kriegsgefangene,wurden gefangen gehalten und wieder freigelassen, wurden also zT in armen Verhältnissengeboren, wurden aber danach wieder König- er sieht auch was bei den sich bekämpfenden hellenistischen Gruppen Seleukiden undPtolemäer passiert, da sind nicht wenige, die direkt aus dem Gefängnis auf den Herrschersitzgestiegen sind(15) Ich sah alle Lebenden, die unter der Sonne leben, mit dem Jungen, dem zweiten, der anjenes Stelle treten sollte:- KOHELET beobachtet weiter (v14): man sieht die Nachkommen der Herrscherfamilien, undirgend eines dieser Kinder wird auf den Thron kommen(16) endlos das ganze Volk, alle die, die er führte. Doch auch über ihn werden sich die Späterennicht freuen. Denn auch das ist Nichtigkeit und ein Haschen nach Wind.- es ist ein riesiges Volk, das von einem König regiert wird- kaum ein Herrscher wird wirklich guten Nachruhm erlangen, und wenn das Volk noch sogroß war- im Prinzip bringt es wenig hier etwas tun zu wollen, denn letztlich ist das alles haschen nachWind, es wird einfach so weitergehen wie es ist, und jede Periode ist vergänglich- allerdings: an der Spitze der Überlegungen steht v13, dh das Ideal ist jedenfalls mehr auf dieFähigkeiten als auf äußere Faktoren (Alter, Reichtum, Herkunft) bezogen; wichtig wäre,dass der Herrscher (egal wer) auf jeden Fall nach Fähigkeiten eingesetzt wird- 23 -


Kohelet6.4 Frage des religiösen Kultes: 4,17-5,6(17) Bewahre deinen Fuß, wenn du zum Haus Gottes gehst! Und: Herantreten, um zu hören, istbesser, als wenn die Toren Schlachtopfer geben; denn sie sind Unwissende, so dass sie Bösestun.- mit einem starken Imperativ beginnt er: „bewahre“- „... wenn du gehst zum Haus des Gottes“ ה אלהים]‏ ‏,ביח bet ha elohim], und das meint, man sollbewusst hin gehen- „hören“ meint nicht nur die Tora, sondern prinzipiell, was Gott zu sagen hat- der letzte Teilsatz von v17 wörtlich: „… doch sind sie nicht verständig darin böse zuhandeln“: der Tempel ist sicher im Blick, denn Opfer hat Israel nur dort dargebracht: Opfersind grundsätzlich törichto es geht nicht um bestimmte Umstände, sondern diese Art von Opferkult inJerusalem ist prinzipiell törichto und dem stellt er das Hingehen um zu hören entgegeno und das hat in der Diaspora durchaus auch seine Geltung, denn dort kann man garnicht opfernoodie es tun sind aber nicht prinzipiell zu verurteilen, sie verstehen es halt nicht besser„töricht“ muss zur Zeit KOHELETS nicht unbedingt eine rein moralische Bewertungsein, sondern es kann auch heißen, jemand ist ein Tor aber er kann nichts dafür• vgl. der Unterschied zwischen dumm und blöd: wer dumm ist hat kein Hirn,wer blöd ist hätte eins, nutzt es aber nicht(1) Sei nicht vorschnell mit deinem Mund, und dein Herz eile nicht, ein Wort vor Gotthervorzubringen! Denn Gott ist im Himmel, und du bist auf der Erde; darum seien deine Wortewenige.- er setzt wieder mit einem starken Imperativ ein: „haste nicht“- man hat KOHELET auch das negativ ausgelegt in dem man ihm unterschob, es sei zwecklosweil Gott einen nicht höre- aber genau das hat er nicht gemeint: Gott weiß schon was man sagen will, was einem amHerzen liegt, man muss sich nicht überhasten mit vielen Worten, Gott kennt einen ja- jetzt haben wir eine klare Rangordnung: selbst Gebet ist für KOHELET zuerst hören unddann sprecheno auch das ist ein extrem moderner Ansatz; wenn man damals nicht opferte hat manzumindest Psalmen gebetet oÄooaber mit der primären Komponente aufs Hören ist er sicher einer der AllererstenGebet ist zunächst bewusstes Hinschreiten zum Haus Gottes und das in derGesinnung zu Hören(2) Denn bei viel Geschäftigkeit kommt der Traum und bei vielen Worten törichte Rede.- „Traum“ ist hier als Realitätsverweigerung verstanden, man lebt in seiner eigenen Welt undbekommt die Realität nicht mehr mit- das als Parallelismus: allzu viel zu reden ist genauso töricht → primär muss man hörenkönnen (das gilt für das allgemeine Leben und bei KOHELET in besonderer Weise für dieBeziehung des Menschen zu Gott)- ist auch ein deutliches Abschlusssignal des ersten Gedankens: das erste Ziel des Besuchesdes Gotteshauses ist das Hören(3) Wenn du Gott ein Gelübde ablegst, zögere nicht, es zu erfüllen! Denn er hat kein Gefallenan den Toren. Was du gelobst, erfülle!- hier steht nur ‏,אלהים dh es ist eine Universalaussage, die für KOHELET grundsätzlich gilt undnicht nur für Israel: wenn man einem Gott ein Gelübde gelobt, soll man es sofort erfülleno (1) es gab in Israel das institutionalisierte Gelübde, die massivste Form war sicherdas Nasiräat, wo jemand zu einem Priester gehen konnte, und für eine gewisse Zeit- 24 -


Koheletogottgeweiht leben konnte, und sich zu bestimmten asketischen Formen verpflichtethat; auch in abgeschwächter Form (zB gewisse Leistungen für etwa einen Monat)(2) etwas geloben und dann nicht halten ist töricht, und das gilt ganz generell, unddas gilt generell nicht nur bei Gelübden Gott gegenüber; damit erhält das Sinn, dassKOHELET hier zu Handschlagqualität aufruft(4) Besser, dass du nicht gelobst, als dass du gelobst und nicht erfüllst.- besser nichts versprechen wenn man eh weiß, dass man es nicht halten kann- das gilt in besonderer Weise gegenüber Gott- damit ist der Grundgedanke des zweiten Teiles (5,3f) ausgedrückt(5) Gestatte deinem Mund nicht, dass er dein Fleisch in Sünde bringt! Und sprich nicht vor demBoten Gottes: Es war ein Versehen! Wozu soll Gott über deine Stimme zürnen und das Werkdeiner Hände verderben?- hier wird das nochmals ausgeführt: im gegebenen Zusammenhang soll man sich nichtschuldig machen, indem man großmundige Versprechen tätigt- hier ist es wieder stärker auf den Kult bezogen: der Bote ist der Priester, der als Botezwischen Gott und dem Menschen fungiertoes ist genauso töricht etwas zu geloben, es dann nicht zu halten, und dann zu sagen,es wäre ein Versehen gewesen- dann kommt der Fokus wieder auf Israel und seinen Gott: יהוה wird zornig wenn manGelübde gelobt und sie nicht erfüllt; die Frageform ist ein Appell: Warum macht du Gottsinnlos zornig und es dir damit sinnlos schwer?oodas ist keine Skepsis gegenüber Gelübden, die sollen halt wohlüberlegt seinschon am Anfang beim Gebet nicht viele Worte machen, nicht unbedarft insGotteshaus gehen, sondern wissen was man tut – auf Gott hören; und so wie es nichtdarum geht, nicht ins Gotteshaus zu gehen, so geht es auch nicht darum, keineGelübde abzulegen → aber wohlüberlegt und im vollen Wissen was man tut(6) Denn bei vielen Träumen und Nichtigkeiten sind auch viele Worte. So fürchte Gott!- Träumer sind dieselben Toren, die grundsätzlich zu viele Worte machen- „fürchte Gott“ bezieht sich auf den Anfang, nämlich warum geht man überhaupt insGotteshaus, nämlich um ihn zu hören; Gott fürchten heißt Gott hören als Quintessenzdieses Abschnittes- das Anliegen KOHELETS ist: (a) der angemessene Gottesdienst und (b) das angemessenesVerhältnis gegenüber Gotto und das ist auf ihn zu hören und zu wissen was man ihm gegenüber tut6.5 Verhältnis von bebaubarem Land und dem Herrscher: 5,7-116.5.1 erste Untereinheit, 5,7f(7) Wenn du Unterdrückung des Armen und Raub von Recht und Gerechtigkeit im Land siehst,wundere dich nicht über die Sache, denn ein Hoher wacht über dem anderen Hohen, und Hoheüber ihnen beiden. (8) Doch ein Gewinn für das Land ist bei alldem dies: Ein König, der für dasbebaute Feld sorgt.- v7: man soll nicht erschrecken, wenn man Unterdrückung und Entzug von Recht undGerechtigkeit sieht (wenn die Reichen noch reicher werden auch nicht); wir haben hier einVerwaltungssystem, wo eine Instanz über der anderen isto Thomas KRÜGER etwa hat aufgrund dieses seltsamen „erschrick nicht“ vorgeschlagen,diesen Vers als positive Aussage aufzufassen, also das ptolemäischeVerwaltungssystem ist eh nicht so schlecht, dh man kann nicht bis zum Endeausbeuten, denn letztlich wird jeder irgendwie kontrolliert- 25 -


Koheleto VONACH glaubt doch, dass hier eher Korruption und Freunderlwirtschaft imBlick ist; nicht, dass der Apparat funktioniert, sondern, dass er gerade nichtfunktioniert, weil der Apparat selber sich bereichert; dass das ptolemäischeVerwaltungssystem prinzipiell korrupt war weiß man auch aus außerbiblischerLiteratur; nicht erschrecken iSv es nützt nichts sich aufzuregen, weil jeder sichgegenseitig deckt• so wie Koh sonst auf Unterdrückung von Armen und Entzug von Recht undGerechtigkeit Kritik übt, kann man sich nicht recht vorstellen, dass er hiereinen korrupten Verwaltungsapparat in Schutz nimmt- noch unklarer ist v8: Heißt das (1) pro Feld ein König, also jeder, der ein Feld bearbeitet,soll es auch besitzen und darüber verfügen können (also keine Feudalherrschaft), oder derheißt es (2) genau das Gegenteil, nämlich anstelle des Beamtenapparates einen allein vollverantwortlichen König für das ganze Land (was eine massive Kritik am ptolemäischenKönigsreich wäre, denn es wurden gerade mächtige Beamte eingesetzt), oder ist es (3) einPlädoyer dafür, dass die Provinz Juda wieder ausgegliedert wird und es ein judäischesKönigreich geben soll (wäre ganz in der atl Linie eines davidischen Königtums)?o klar ist, so VONACH, dass v8 sich auf v7 bezieht, sprich eine bessere Alternative zuden korrupten Beamten bietet; außerdem lässt er die drei Varianten offeno es geht darum, dass in irgend einer Form mit diesem König ein gerechteres Systemerzielt werden möchteo Wer 5,7 positiv argumentiert hat ein Problem mit 5,8, denn wenn v7 heißt, es passteh alles, ja wie fasst man dann v8 auf?6.5.2 zweite Untereinheit: 5,9-11(9) Wer Geld liebt, wird des Geldes nicht satt, und wer den Reichtum liebt, nicht des Ertrages.Auch das ist Nichtigkeit.- wenn jemand grundsätzlich nur nach Geld und Reichtum strebt, und Macht ist Geld undKorruption entsteht dadurch, dann bekommt er auch nie genug davon, denn dieses Strebenwird nie ein Ende haben- aber auch das ist letztlich vergänglich; schon in der Königsfiktion wurde gesagt, dass auchder König sein Geld nicht essen kann, und so gilt das auch für die korrupten Beamten und fürjeden eigentlich(10) Wenn das Gut sich mehrt, so mehren sich die, die davon zehren. Und welchen Nutzen hatsein Besitzer, als dass seine Augen es ansehen?- in den Genuss kommen andere; es gibt keine Garantie, dass man das, was man anhäuft, auchselber genießen kann- das kann man wieder mehrfach auffassen: (1) im Lichte der Vergänglichkeitsaussage(Nachkommen oder andere), (2) wenn jemand viel hat, hat er auch viele Freunde (solange erdas hat)- der Besitzer sieht, dass er etwas hat, aber das ist auch schon alles, denn einen weiterenGewinn hat er nicht(11) Süß ist der Schlaf des Arbeiters, ob er wenig oder viel isst; aber der Überfluss des Reichenlässt ihn nicht schlafen.- das ist auch wieder bewusst zweideutig ausgedrückt: der Sklave schläft auf jeden Fall gut,einerseits weil er nicht die Sorge um seinen Reichtum hat, und andererseits auch wörtlich,denn wenn der Reiche seinen Reichtum genießt indem er sich extrem sättigt, dann schlägt sichdas abends bekanntermaßen auf den MagenoKOHELET hat nichts gegen einen gewissen Wohlstand, es geht hier aber um jene,die nie genug bekommen- hier schließt er einen neuen Abschnitt über prinzipielle Erwägungen zu Reichtum, Geldund Wohlstand an- 26 -


Koheletooskizziert hat er jetzt das Extrem derer, die sich (a) zu unrecht bereichern, (b) aufKosten anderer und (c) nie genug bekommen, im Zusammenhang mit der Kritik amptolemäischen Verwaltungssystem, das eine solche Haltung begünstigtjetzt geht er über zu Fragen, wie es denn grundsätzlich sei für jeden normalenMenschen in Bezug auf materiellen Besitz6.6 Frage nach dem materiellen Besitz: 5,12-6,96.6.1 negatives Beispiel: 5,12-16(12) Es gibt ein schlimmes Übel, das ich unter der Sonne gesehen habe: Reichtum, der vonseinem Besitzer zu seinem Unglück aufbewahrt wird. (13) Und geht solcher Reichtum durch einunglückliches Ereignis verloren und hat er einen Sohn gezeugt, so ist gar nichts in dessen Hand.(14) Wie er aus dem Leib seiner Mutter hervorgekommen ist, nackt wird er wieder hingehen,wie er gekommen ist, und für seine Mühe wird er nicht das Geringste davontragen, das er inseiner Hand mitnehmen könnte. (15) Und auch dies ist ein schlimmes Übel: Ganz wie ergekommen ist, wird er hingehen. Und was für einen Gewinn hat er davon, dass er für den Windsich müht?- das ist eine kleine Parabel über etwas, das man immer wieder beobachteto diese Verse zeigen, dass der relative Wert von Reichtum darin besteht, seinenBesitzer Freude und Genuss zu ermöglicheno als schlimmes Übel wird der hier geschilderte Fall darum so bezeich<strong>net</strong>, weil es hierum einen Menschen geht, der seinen Besitz verloren hat• der relative Wert besteht also darin, dass er seinem Besitzer Freude bereitet(→ Essen, Trinken und Gutes sehen)- das „schlechte Geschäft“ in v13 meint eine falsche Investition, und dadurch kann er nichteinmal seinem Sohn mehr etwas mitgeben, weil er eben nichts mehr hat, und das ist einschlimmes Übel, weil der Besitz eben einen relativen Wert hat, und wenn der durch einschlechtes Geschäft weg ist, dann ist das ein Übel- und so nackt wie man geboren wurde, so in v14, so nackt muss man das Leben auch wiederverlassen; man kann nicht sein Leben gestalten aufgrund seines materiellen Gutes, denn er hatnichts mehr- v15: der hat sich wirklich nur für den Wind abgemüht, der hat nicht nur nichts Bleibendessondern auch keinen AnteiloKOHELET sagt hier nicht, er sei selber Schuld – das schlechte Geschäft ist einneutraler Ausdruck(16) Auch isst er all seine Tage in Finsternis und hat viel Verdruss und Krankheit und Zorn.- abgeschlossen wird die Parabel 5,12-15 mit diesem starken Satz: er erlebt alles nur nochnegativ für den Rest seines Lebens; er ärgert sich, wird wütend und letztlich wird er krank6.6.2 Ideal: 5,17-19(17) Siehe, was ich als gut, was ich als schön erkannt habe: Dass einer isst und trinkt und Gutessieht bei all seiner Mühe, mit der er sich abmüht unter der Sonne, die Zahl seiner Lebenstage,die Gott ihm gegeben hat; denn das ist sein Teil.- hier ist ein ganz betontes Ich, ‏,אני am Anfang von v17- ∑: der Anteil, den der Mensch in diesem Leben hat, gottgewollt, ist, dass er bei all seinemTun und seinem Arbeiten isst, trinkt und Gutes sieht, und das ist auch der relative Wertdes materiellen Besitzes, denn der vorher beschriebene Fall beschrieb einen Menschen, demgenau das verwehrt waro das ist es, was Gott dem Menschen für dieses Leben geben will, das ist gottgewolltesmenschliches Leben- 27 -


KoheletoooooKOHELET hat oft betont, dass das nichts mit Hedonismus zu tun hat, denn jederMensch hat auch eine Verantwortung innerhalb seiner Lebensweltdas gilt für alle Menschen, und da gibt es auch eine Verantwortung, dass das auchmöglichst für alle möglich wird→ ist die Kernaussage von Koh schlechthin, denn er beantwortet die ma-jitron-Frage: es gibt einen Anteil; das muss möglich sein und das ist gottgewolltdamit wird auch klar, inwieweit KOHELET innerhalb der Königsfiktion eigentlich zueinem relativ negativen Ergebnis gekommen ist, weil der König nicht so gelebt hatwie jeder normale Mensch, sondern nach mehr gestrebt hat und ihn sein Reichtumnicht schlafen ließin seiner Betrachtung als Weiser jedoch ist das die positive Antwort auf dieSinnfrage(18) Auch jeder Mensch, dem Gott Reichtum und Güter gegeben und den er ermächtigt hat,davon zu genießen und sein Teil zu nehmen und sich bei seiner Mühe zu freuen - das ist eineGabe Gottes.- das gilt für alle Menschen („eines Gottes“)- Reichtum ist nicht per se schlecht, denn Armut ist schlecht, es kann aber bei gewissenMenschen zu einem Übel werden, wenn der Reichtum zum Selbstzweck wird und man garnicht mehr fähig ist das Leben zu genießen, und dann ist es kein Leben im Sinne Gottes- wenn es jemand zu mehr als zu normalem Besitz bringt, gleichzeitig aber fähig bleibt, dasauch im Sinne Gottes genießen zu können, dann ist das durchaus positivo deshalb hält VONACH bei der Aussage von 5,8 „Ein König für ein Feld“ dieVariante (1) nicht für die abwegigste, denn das stellte sicher, dass es keine solchenUnterdrückungsmechanismen von Feudalherren gibt(19) Denn er denkt nicht viel an die Tage seines Lebens, weil Gott ihn mit der Freude seinesHerzens beschäftigt.- die „Tage des Lebens“ meint die Endlichkeit; der König SALOMON, der nach immer mehrstrebte, hatte immer das Problem, dass er unter der Endlichkeit des Lebens leidet- der, der auf diese Weise mit seinem Besitz vernünftig umgeht und sein Leben gottgemäßlebt, der hat dieses Problem weniger, er genießt es solange er es hat6.6.3 Negativbeispiel: 6,1f(1) Es gibt ein Übel, das ich unter der Sonne gesehen habe, und schwer lastet es auf demMenschen:- es gibt noch ein Übel das er wahrnimmt in der Welt(2) Ein Mensch, dem Gott Reichtum und Güter und Ehre gibt, und seiner Seele fehlt nichts vonallem, was er wünschen mag; aber Gott ermächtigt ihn nicht, davon zu genießen, sondern einfremder Mann genießt es. Das ist Nichtigkeit und ein schlimmes Übel.- Gott hat jemandem zwar alle Gaben gegeben, er ermächtigt ihn aber nicht davon zu essen- und da ist die Frage, was das heißt: Heißt das (1) der Besitz wird ihm gestohlen, oder geht es(2) um Enteignung, oder heißt das (3) nach SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, er muss allesinvestieren aufgrund von Sippenhaft für andere?o ganz klar ist es nicht, was es letztlich heißt, denn es ist hier jedenfalls nicht seineSchuld (der Reiche der nach immer mehr strebt ist selber Schuld), denn Gottermächtigt ihn nichto letztlich kann er es nicht beantworten, warum das bei diesem Gott möglich ist, er stelltnur festo es ist zwar vergänglich, dh der stirbt auch irgendwann, aber solange das Problembesteht ist es ein großes Übelo dh Gott lässt auch Übel zu- 28 -


Kohelet6.6.4 Unterabschnitt: 6,3-6(3) Wenn ein Mann hundert Kinder zeugte und viele Jahre lebte, dass die Tage seiner Jahreviele wären, aber seine Seele sich nicht am Guten sättigte, und ihm auch kein Begräbnis zuteilwürde, von dem sage ich: Eine Fehlgeburt ist besser daran als er. (4) Denn in Nichtigkeitkommt sie, und in Finsternis geht sie dahin, und mit Finsternis wird ihr Name bedeckt; (5) auchhat sie die Sonne nicht gesehen und nicht gekannt. Diese hat mehr Ruhe als jener. (6) Und wenner auch zweimal tausend Jahre gelebt, aber Gutes nicht gesehen hätte, - geht nicht alles aneinen Ort?- es geht noch einmal um einen negativen Fall, dem das Ideal, das KOHELET als Lebenssinnerkannt hat, nicht zuteil wird- v3-5: hundert Kinder zeugen und viele Jahre leben, das ist zunächst positiv, wenn ihm aberdas passiert, was vorhin gesagt wurde, nämlich, dass er nicht ermächtig ist seinen Besitz fürsein Leben zu nutzen, auch wenn er ewig leben würde (kein Grab zuteil), eine Fehlgeburthätte es besser, weil ihm der Sinn des Lebens nicht zuteil wirdo positive bringen ihm nichts, weil er das Leben nicht so leben kann, wie es KOHELETals gut, richtig und schön erkannt hato im Blick auf solche Menschen hat es eine Fehlgeburt besser, weil sie das nicht erlebenmuss und weil sie in Finsternis kommt und geht, und sie hat auch nicht gesehen, dassandere das Leben positiv leben könneno und deshalb hat eine Fehlgeburt Ruhe und dieser nicht- v6: auch wenn jemand ewig lebt aber das nicht genießen kann, stirbt man letztlich und hatvon diesem Leben nichts gehabt- das steht immer noch unter dem Diktum eines großen Übels und es ist Realität; es gibtMenschen, die nicht ihr Leben entsprechend positiv leben könne, und das unschuldig6.6.5 Beschließendes: 6,7-9(7) Alles Mühen des Menschen ist für seinen Mund, und doch wird seine Begierde nicht gestillt.- „Begierde“ ist falsch übersetzt!- das Wort heißt נפׁש [n ä p ä š] und bezeich<strong>net</strong> eigentlich sehr vieles, wörtlich Atemo gemeint ist nicht der Körper, sondern irgend eine Komponente, die über den Leibhinausgehto die LXX gibt wider wenn נפׁש steht, gemeint ist aber der Lebensgeist, nichtdas, was christlich mit „Seele“ bezeich<strong>net</strong> wirdo man kann materiell satt sein, und doch fehlt etwas(8) Denn was für einen Vorzug hat der Weise vor dem Toren? Was nützt es dem Demütigen, deres versteht, vor den Lebenden recht zu wandeln?- das ist ein sehr tiefsinniger Satz, denn welchen Vorteil hat der Weise gegenüber dem Toren?Der Tor lebt an sich ganz glücklich, da hat der Weise sogar einen Nachteil- einer der arm ist, der aber ganz glücklich ist, weil er es versteht bei den Lebenden zu gehen, erversteht es, sich das für ihn Mögliche zu holeno der Arme, der seinen Verhältnissen entsprechend zu leben vermag der hat einenVorteilo es muss nicht sein, dass der Reichere auch der Glücklichere ist(9) Besser das Sehen mit den Augen als das Umherschweifen der Begierde! Auch das istNichtigkeit und ein Haschen nach Wind.- umherwandeln der נפׁש meint, nie zufrieden zu sein, es ist Haschen nach Wind, weil mandas Glück nie erreicht- und da ist es besser, das Sehen mit Augen, also das Gute zu sehen und sich daran zu erfreuen- 29 -


Kohelet6.6.6 Einleitung des zweiten und Abschluss des ersten Teiles desBuches: 6,10-12- hier, zwischen v9 und v10, markieren die Masoreten genau die Hälfte des Buches- das stimmt wenn man die Worte zählt, dh wir haben genau die Hälfte der Worte hinter uns- gleichzeitig sind wir auch insofern in der Mitte des Buches angelangt, als nach starkentheoretischen Erwägungen über die ma-jitron-Frage nun im zweiten Teil wesentlich stärkerpraktische Anleitungen für den ganz konkreten Lebensalltag kommeno lebenspraktischer iSv was soll man konkret tun und was unterlassen(10) Was geschieht, schon längst ist sein Name genannt, und bekannt ist, was ein Mensch seinwird. Darum kann er nicht mit dem rechten, der stärker ist als er.- Möglichkeiten und Grenzen menschlichen Handelns überhaupt- bezieht sich stark zurück auf 3,1-15, und dort va v14f, sowie auf das Ende desEingangsgedichts in c1- wer der ist, der stärker ist als er, darüber gibt es zwei Meinungen, und man sollte beideoffenhalten:o (1) der Tod: man kann mit dem Tod nicht rechten, sondern der Tod ist stärker als derMensch, und wenn er einen ereilt dann ereilt er eineno (2) Rückbezug auf den Beginn von c5, im Gottesdienst wenige Worte machen, derstärker ist Gott: mit Gott kann man nicht rechten; der Mensch hat die Möglichkeitendie Gott ihm zugemessen hat und nicht mehr; man muss Gott anerkennen und sichselber in Abhängigkeit von ihmo beide Möglichkeiten sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden, sie haben beideihre Berechtigung(11) Denn da sind viele Worte, die die Nichtigkeit nur größer machen. Welchen Nutzen hat derMensch davon?- das bezieht sich auf jeden Fall auf den Beginn von v5- was für den Gottesdienst gilt, für die Beziehung zwischen Mensch und Gott, das gilt imGrunde genommen auch für den Alltago es wurde gesagt, dass es ein Zeichen der Toren ist viele Worte zu machen und allzugescheit zu reden, und das wird hier aufs Ganze des menschlichen Daseins übertrageno viele Worte bleiben letztlich auch vergänglich, sie vermehren nur die Menge anVergänglichem, der Mensch hat keinen Vorteil wenn er umso mehr Worte machto man fühlt sich hier an viele Passagen erinnert, respektive an den Beginn von c5(12) Denn wer erkennt, was für den Menschen im Leben gut ist, die Zahl der Tage seinesnichtigen Lebens, die er wie ein Schatten verbringt? Denn wer kann dem Menschen mitteilen,was nach ihm sein wird unter der Sonne?- hier wird endgültig abgeschlossen mit dem ersten Teil- dieses „wer weiß denn“ erinnert uns auch zurück, nämlich an die Passage Ende c5, wie esdenn ist mit dem Menschen, ob er wirklich ein anderes Schicksal hat als ein Tier, und da hat erauch gefragt, wer denn wisse- und so eine Aussage steht hier auch wieder; so ganz 100 %ig kann man eigentlich auch nichtpauschal sagen, was zu tun richtig und was falsch ist, sondern es gibt nur Maxime, aber imEinzelnen weiß man es nicht immer- was von Gott her gesehen richtig ist sowieso, denn wer weiß es wirklich; er zeigt hier dieGrenzen seiner eigenen Zunft auf, der Weisheitslehrer, die ja Tipps für den Alltag geben, under sagt klar, dass es da Grenzen gibt, denn niemand weiß immer was gut und richtig ist undwas nicht- und diese Grenze ist schöpfungsgemäß: es gibt Dinge die man nur glauben kann- es geht um das Tun während den Tagen des vergänglichen Lebens, die er wie ein Schattenverbringt- 30 -


Koheleto nach VONACH zeigt der Schatten nochmals die Vergänglichkeit und die Flüchtigkeitauf, denn ein Schatten verschwindet je nach Sonnenstand, der Schatten ist nichtsKonstanteso manche Exegeten glauben, VONACH nicht so, das Schattenhafte beziehe sich auf dasVerhältnis zu Gott, also man kann mit Gott nicht rechten und was man tut ist nuretwas Schattenhaftes; damit bewegt man sich gefährlich an einem deterministischenGottesbild, das Koh so eigentlich nicht hat, man kommt nahe an platonisches Denken- „Kund tun was danach sein wird“:o (1) mit Thomas KRÜGER: was am Ende von c3 gesagt wird: der Mensch weiß nichtwas nach ihm sein wirdo (2) das bezieht sich vermutlich auch auf den Rest des eigenen Lebens, denn was auchimmer ich tue, ich kann nie genau planen, was danach auf mich zukommt, dh das„danach“ bezieht sich vermutlich auf den Rest des Lebens eines Menschenodurch mein jetziges Tun kann ich zwar Weichen stellen, aber determinieren kann iches nicht- und damit ist der Übergang endgültig gemacht und wir kommen zum dritten poetischenTeil von KOHELET7 Gedicht über sinnvolles Handeln: 7,1-14- im Anfangsgedicht in 1,4-11 gibt es die Verortung des endlichen Menschen imunendlichen Kosmos; in 3,1-8 erfährt der Mensch die Zeit seines Lebens als eine Abfolgevon Augenblicken die sich verschieden darstellen und jeweils zu verschiedenen Dingengeeig<strong>net</strong> oder ungeeig<strong>net</strong> sind- und jetzt der dritte poetische Abschnitt 7,1-14: Ratschläge, wie in einzelnen Augenblicken,die sich präsentieren, sinnvoll, gut und richtig gehandelt werden kanno bei KOHELET ganz klar: die Übergangsverse dürfen nicht vergessen werden, nämlichdas im Bewusstsein aller Grenzen, die die Weisheit als Wissenschaft hat, wo manzwar möglichst gute Ratschläge geben kann, im Einzelnen aber doch an eine Grenzestößt, und so präsentiert sich auch das Gedicht, denn es ist nochmals aufgesplittet indie v1-7 und v8-14oomanche Aussagen des ersten Teiles scheinen sich im zweiten Teil diametral zuwidersprechenbewusst „scheint“, denn viele Exegeten gehen davon aus, dass KOHELET im erstenTeil irgendwelche andere Weisheitslehrer zitiert, um sie im zweiten Teil zuwiderlegen; VONACH bezweifelt das mit einer Minderheit• weil KOHELET keine Plagiate verfasst, sprich wenn er jemanden zitierte, sagteer das auch und leitete deutlicher über zu dem was er zu sagen hat, aber das istnicht der Fall• es gibt nach VONACH eine Stelle, wo KOHELET einen gängigen Spruch zitiert,und da sagt er es auch und markiert, wo er zu seiner Meinung über geht• hier jedoch gibt es keine Anzeichen dafür, und die Lösung mit den Zitaten istzu billig• viel mehr scheinen die teilweise verschiedenen Zugänge auf das Gedicht in c3zurückzuverweisen, dass nämlich nicht zu jeder Zeit alles sinnvoll undmöglich ist, dass in verschiedenen Zeiten Verschiedenes sinnvoll ist• KOHELET verweist hier eher noch einmal darauf, dass es nicht „den“Ratschlag gibt, sondern, dass die Frage der Richtigkeit des Handelnssituationsbezogen ist, was in c3 überdeutlich zum Ausdruck gebracht wurde- 31 -


Kohelet7.1 erster Abschnitt: 7,1-7(1) Besser ein guter Name als gutes Salböl und der Tag des Todes als der Tag, da einer geborenwird.- hier liegt übrigens ein schönes Wortspiel im Hebräischen vor- v1a: die Kombination von Name und Salböl erinnert an Hld, wo in der Männerstimme zweiMal gesagt wird, „Dein Name ist wie gutes Salböl“, dh allein der Name ist wohltuendo hier geht es um etwas Anderes, aber es ist doch eine Parallele zu Hld da, nämlich dasssowohl Name als auch Salböl als etwas Gutes und Wohltuendes dargestellt wirdo grundsätzlicher Ratschlag: wenn man zwischen beidem aussuchen muss, ist derName wesentlicher als das Salböl, weil damit die Frage zusammenhängt, wie diePerson wahrgenommen und geachtet wird, um im Zusammenhang mit dem AO dieFrage, welcher Name zurückbleibt wenn man stirbt, wie man sich erinnern wirdoim Zweifelsfall sich darum zu bemühen, dass diese Erinnerung eine gute ist, istwichtiger als danach zu streben, dass man immer gutes Salböl hat- v1b: der Tag des Todes vs. Tag der Geburt: das muss man in Parallele zum Ersten sehen,es geht nicht darum, dass sterben schön ist, sondern es geht darum, dass es auf den Tag desSterbens ankommt in der Frage, was als Name zurückbleibtooder Sterbetag ist für den Nachruf wichtiger als der Geburtstagdas Grundbemühen soll also dahin gehen, einen guten Namen zu hinterlassen(2) Besser, ins Haus der Trauer zu gehen, als ins Haus des Gastmahls zu gehen; denn jenes istdas Ende aller Menschen, und der Lebende nimmt es sich zu Herzen.- das ist auch im Zusammenhang mit 7,1 zu sehen und mit c3 (Gedicht über die Zeit): wenn dieZeit zu trauern da ist, ist es töricht stattdessen ins Trinkhaus zu gehen- immer noch ist der Tod im Blick: wenn jemand stirbt, der einen guten Namen hinterlässt, istzunächst Trauer angebraucht- denn das ist das Ende aller Menschen: hier wird Trauer auch als Solidaritätspflichtgesehen, jeder stirbt einmal und hinterlässt einen Namen, und dann ist es meine Pflicht, michan der Trauer zu beteiligen, und deshalb ist der Moment des Trauerns ernst zu nehmen, dennes trifft jeden einmal- und Trauer ist immer auch, das schwingt hier mit, ein Moment sich seiner eigenenEndlichkeit bewusst zu werden; angesichts des Todes anderer wird mir meine eigeneSterblichkeit bewusst (→ „… und der Lebende nimmt es sich zu Herzen.“)(3) Besser Verdruss als Lachen; denn bei traurigem Gesicht ist das Herz in rechter Verfassung.- das ist auch wieder nicht aus dem Kontext gerissen zu deuten: nicht als prinzipielleMaxime, was ja tatsächlich ein Widerspruch zum bisher Gesagten wäre, es geht aber darum,dass wenn man das Trauern ernst nimmt, dann hat man zwar ein trübes Gesicht, aber imInneren beginnt man wieder fröhlich zu werden, weil man sich wieder des eigenen Lebens undder eigenen Möglichkeiten besinnt- vielleicht schwingt hier auch eine Spur Auferstehungshoffnung mit, die KOHELET ja imHerzen schon hegt mit, dass also anständige Trauer im Glauben mit irgend einer Art vonIdentität über den Tod hinaus verbunden ist(4) Das Herz der Weisen ist im Haus der Trauer, das Herz der Toren aber im Haus der Freude.- es geht wieder um den Moment, wo trauern angesagt ist(5) Besser, das Schelten des Weisen zu hören, als dass einer das Singen der Toren hört.- hier wechselt das Thema und es gibt wohl nicht sonderlich viel hierzu zu sagen- auch wenn es um die Ambivalenz der Augenblicke geht, man braucht natürlich die Fähigkeitder Unterscheidung, wo jemand weise redet und wo das Singen der Toren isto die Weisheitslehrer waren sich ja auch nicht einig, ob jeder von ihnen weise ist- 32 -


Kohelet(6) Denn wie das Prasseln der Dornen unter dem Kochtopf so das Lachen des Toren. Auch dasist Nichtigkeit.- ist noch einmal in Parallele zu v5 zu sehen- das „Knistern der Dornen unter einem Topf“ beinhaltet verschiedene Aspekte: einerseitshört sich das Knistern von brennenden Dornen unter einem Topf bedrohlich an, dh dasGelächter der Toren hat etwas Bedrohliches, weil man nie so genau weiß, welchen Blödsinnsie im Schilde führen, andererseits weist es aber auch darauf hin, dass da einmal einHäufchen Asche liegen wird, dh das Lachen der Toren ist enden wollend(7) Ja, unrechter Gewinn macht den Weisen zum Toren, und das Bestechungsgeschenk richtetdas Herz zugrunde.- auch die Weisen müssen auf der Hut sein, denn auch sehr Weise können leicht zum Torenwerden, wenn sie sich erpressen oder bestechen lasseno dh der opfert seine Maxime, seine Ethik, seinen Anstand und seine Weisheit letztlichfür Geld, wodurch er zum Toren wirdo das kann durchaus einen realen Hintergrund in der Welt KOHELETS gehabt haben,und das liegt am Lebensunterhalt eines Weisheitslehrers• wenn er Glück hatte, hat er vom Tempel ein bisschen etwas bekommen dafür,dass er als Schriftgelehrter tätig war• ansonsten haben sie stark von Mäzenen (reicher privater Sponsor) gelebt, undMäzenentum ist etwas gefährliches hinsichtlich von Bestechung undKorruption, denn wer zahlt schafft an• das ist auch einer der Punkte, warum VONACH die derzeit stark ausDrittmitteln finanzierte Forschung in Europa für gefährlich hält, denn auchhier gilt, wer zahlt schafft an, dh es ist immer mehr Auftragsforschung füreinen konkreten Sponsor, und da kann man nicht das ethisch Richtige sagen,sondern das, was der reiche Industrielle hören will – und genau das ist hier imBlick• das hat dazu geführt, dass viele das, was sie eigentlich dachten, nicht gesagthaben und dazu übergingen dasjenige zu sagen, was gehört werden will7.2 zweiter Abschnitt: 7,8-14(8) Besser das Ende einer Sache als ihr Anfang, besser langmütig als hochmütig.- das Ende ist wichtiger, dh wichtig ist bei allem das man tut, dass man es ziel- undergebnisorientiert tut- hier von v7 auf v8 wäre die Trennung durch jene gesetzt, die hier Zitat und eigene Meinungannehmen, aber VONACH teilt diese Meinung nicht(9) Sei nicht vorschnell in deinem Geist zum Zorn, denn der Zorn ruht im Busen der Toren.- Unmut ist ein Zeichen der Toren, man sollte solche emotionale Regungen möglichst in derHand haben(10) Sage nicht: Wie kommt es, dass die früheren Tage besser waren als diese? Denn nicht ausWeisheit fragst du danach.- das zeigt, dass die Menschen immer schon den „guten alten Zeiten“ nachgeweint haben- KOHELET hat aber auch erkannt, dass das eigentlich sinnlos und sogar töricht ist, weil esnicht stimmt, dass die Zeiten immer schlechter werden- es scheint also ein kultur- und zeitübergreifendes Phänomen zu sein, und KOHELET wendetsich mit erfrischender Schärfe dagegen(11) Gut ist Weisheit zusammen mit Erbbesitz und ein Vorteil für die, die die Sonne sehen.- hier reflektiert KOHELET nochmal, was in c6 aktuell war, die Frage nach dem Besitz- 33 -


Kohelet- ideal ist es, wenn man sowohl weise ist als auch so viel hat, dass man gut leben kann- das hängt auch ein bisschen mit dem zusammen, was er über Bestechung und Erpressunggesagt hat: es ist für einen Weisheitslehrer natürlich gut, wenn er sich dem gar nicht aussetzenmusso so wie KOHELET redet scheint er nicht arm gewesen zu sein, darüber hinaus hatte ereinen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinno aber er gehörte wohl auch nicht zu den Reichsten, aber er scheint genügend gehabt zuhaben um das, was er schrieb, selber zu leben(12) Denn im Schatten der Weisheit ist es wie im Schatten des Geldes; aber der Gewinn derErkenntnis ist der: Die Weisheit erhält ihren Besitzer am Leben.- dieses „im Schutz der Weisheit“ und „im Schutz des Geldes“ ist ein Parallelismus den man soverstehen muss, dass beides einen gewissen Schutz bieteto Weisheit: Schutz vor törichten Dingeno Besitz: Schutz vor einem schlechten Leben- aber, der Vorteil der Erkenntnis ist, die Weisheit hält ihren Besitzer am Leben, alsounterm Strich ist die Weisheit wichtigero dahinter steckt die Erkenntnis, Geld und Besitz kann abhanden kommen, auchunverschuldet (vgl. c6), aber Weisheit nicht(13) Sieh das Werk Gottes an! Ja, wer kann gerade machen, was er gekrümmt hat?- vgl. c3,15, wo das schon einmal gesagt wurde- hier geht es noch einmal um das angemessene Verhältnis zu Gott: man soll sein Werkbeachten und, dass man Geschöpf ist- es gibt also Grenzen der Weisheit und der menschlichen Gestaltungsfreiheit, da wo dieDinge schöpfungsmäßig festgelegt sind(14) Am Tag des Glücks sei guter Dinge! Und am Tag des Unglücks bedenke: Auch diesen hatGott ebenso wie jenen gemacht; gerade deshalb, weil der Mensch gar nichts herausfinden kannvon dem, was nach ihm ist.- es ist nicht jede Situation gleich, auch nicht jeder Tag- es gibt Tage die zur Freude geeig<strong>net</strong> sind und solche, da dieselbe nicht aufkommen kann- das ist zu akzeptieren, das lässt sich nicht erzwingen, auch das hat Gott gemacht: der Menscherlebt sein Leben ambivalento das hat Gott so gemacht, dass der Mensch nicht weiß, was danach sein wird, sodass erGott auch nicht in die Karten schauen kann- ∑: wir haben nun das dritte Gedicht gesehen, das in einer logischen Abfolge von (1) demKosmos zum (2) einzelnen Menschen und (3) hin zu den einzelnen Augenblicken desMenscheno es gibt hier beim besten Willen keinen Grund, innerhalb dieses Gedichtes einenBruch zu sehen zwischen dem ersten und den zweiten Teil- die Gedichte leiten dann immer über zu einem gewissen Themenblock8 Darlegung Kohelets als Weiser II: 7,15-11,88.1 weitere Ratschläge des Weisheitslehrers für den Alltag: 7,15-24(15) Das alles habe ich gesehen in den Tagen meiner Nichtigkeit! Da ist ein Gerechter, der beiseiner Gerechtigkeit umkommt, und da ist ein Ungerechter, der bei seiner Bosheit seine Tageverlängert.- da ist massiv der klassische Tun-Ergehen-Zusammenhang unter Beschuss- 34 -


Koheletoooooodieser besagt, dass es jedem Menschen so ergehen wird, wie er sich aufführtdh, wenn jemand weise und gottesfürchtig lebt, dann geht es ihm auch gut, und lebtjemand töricht, gottlos und böse, dann geht es im schlechtdas war lange Zeit, va bei den Propheten, eine wichtige Maxime, weil das für dieMenschen ein Ansporn war, sich ethisch halbwegs vernünftig zu verhaltennatürlich wurden früher Tod und extreme Schicksalsschläge als Strafen Gottesgedeutetdas hat alles gut funktioniert, fatal wurde es aber immer dann, wenn derUmkehrschluss angewandt wurde, sprich wenn jemand plötzlich schwer krank wurdeoder einen Schicksalsschlag erlitt und man sagte, der wird schon selber Schuld sein• diese Problematik thematisiert ja zB Ijob: Ijob ist ein gerechter Mann,plötzlich verliert er Kinder, Reichtum und Gesundheit; und seine Freundeweisen ihn auf den Tun-Ergehen-Zusammenhang hin• in Spr wird massiv daran festgehalten, es ist voll vom Tun-Ergehen-ZusammenhangKOHELET sagt eindeutig, dass er gesehen hat, dass es nicht stimmt; es kommt vor,dass ein Gerechter erbärmlich zugrunde geht (und das ist ein unschöner Tod) undgleichzeitig kann ein Frevler in seiner Bosheit recht lange leben(16) Sei nicht allzu gerecht und gebärde dich nicht übermäßig weise! Wozu willst du dichzugrunde richten?- er relativiert hier das Zutreffen dieser absoluten schwarz-weiß-Malerei, denn der Tun-Ergehen-Zusammenhang geht ja nur von einem Entweder-Oder aus, also gute Fromme oderböse Frevlero man soll prinzipiell vorsichtig sein, denn man ist ja wirklich nicht nur gerecht undfromm- und wenn man so hochmütig durchs Leben geht wird sich das in irgend einer Form rächenoojemand der so von sich überzeugt ist, wird sich schlussendlich selbst zerstörenalso erstens trifft es einfach nicht zu, und zweitens trifft schon der Ansatz desTun-Ergehen-Zusammenhanges nicht zu, dass es also nur A oder B gibt(17) Sei nicht allzu ungerecht und sei kein Tor! Wozu willst du sterben, ehe deine Zeit da ist?- er ist aber schon überzeugt, dass wenn man klar frevelhaft und töricht lebt, dass das auch zumFall führt- also beide Extreme bringen einen Menschen letztlich zu Fall, sowohl wirklich böse undtöricht sein als auch eine absolute Selbstgerechtigkeit und Selbstüberschätzung(18) Es ist gut, dass du an diesem festhältst und auch von jenem deine Hand nicht lässt, dennder Gottesfürchtige entgeht dem allen.- mediocritas (Mittelweg): niemand ist perfekt und es muss immer beide Seiten geben- und ein wirklich Gottesfürchtiger entgeht beiden Extremen(19) Die Weisheit hilft den Weisen mehr als zehn Machthaber, die in der Stadt sind.- unter den Weisen ist die Weisheit, und der kann viel für seine gute Lebensgestaltung aufgrundseiner Weisheit tun- und die eigene Weisheit ist für einen Weisen auch wichtiger als zehn Machthaber, unddamit bereitet KOHELET das Thema „bestes politisches System“ vor, noch über die guteVerwaltung hinaus – hier das erste Stichwort- also selber zu denken ist im Leben jedenfalls zielführender als auf Einflüsterer zu hören(20) Denn kein Mensch auf Erden ist so gerecht, dass er nur Gutes täte und niemals sündigte.- und hier zeigt KOHELET nochmals die Notwendigkeit der mediocritas auf- es gibt niemanden, der nur Gutes tut, jeder auf dieser Welt verfehlt sich auch einmal- und das sagt auch, dass niemand nur schlecht und böse ist- 35 -


Kohelet- damit ist weit über Ijob hinaus der Tun-Ergehen-Zusammenhang nicht nur infragegestellt ob das inhaltlich zutrifft oder nicht, sondern es ist infrage gestellt, ob der Tun-Ergehen-Zusammenhang überhaupt richtig formuliert, ja ob die Frage richtig gestellt isto → das ist eine fundamentale Infragestellung(21) Auch richte dein Herz nicht auf all die Worte, die man redet, damit du nicht hörst, wie deinKnecht dich verflucht; (22) denn auch viele Male - dein Herz weiß es - hast auch du andereverflucht.- „Der Lauscher an der Wand hört seine eigene Schand“- auch hier gilt eine gewisse Ambivalenz: wenn man überall nur hört, was über einen gesagtwird, sollte man bedenken, dass man selbst auch über andere urteilt(23) Das alles habe ich in Weisheit geprüft. Ich sprach: Ich will weise werden, aber sie bliebfern von mir. (24) Fern ist, was da ist, und tief, tief! Wer kann es ergründen?- hier zeigt KOHELET noch einmal auf die Grenzen des menschlichen Weisheitsstrebens undauf die begrenzten Möglichkeiten, sich die Weisheit anzueignen- man soll sich bemühen, man soll alles tun, aber selbst er als Weisheitslehrer muss sagen, dassdas, was ist, unerforschlich, dh man kann nie zur Gänze hinter die Dinge kommen; man stößtrecht schnell an Grenzen8.2 Suchen und Finden: 7,25-29(25) Ich wandte mich, und mein Herz ging darauf aus, Weisheit und ein richtiges Urteil zuerkennen und zu erkunden und zu suchen und Ungerechtigkeit als Torheit und die Narrheit alsTollheit zu erkennen.- er wendet sich etwas Neuem zu, und er wird scharf analytisch und ironisch- er wandte sich, und er präzisiert (es geht um ein Denkexperiment)o 1. Einschub: er macht deutlich, es geht wieder um ein Gedankenexperiment desWeisheitslehrers KOHELETo 2. Einschub: man kann Weisheit und Ergebnis nicht erkennen, man muss essucheno er will also ein Experiment manchen um aufzeigen zu können, dass tatsächlichUngerechtigkeit töricht ist und, dass Unvernunft aus einer gewissen Verblendungkommt, dh man nimmt die Realität nicht als solche wahr(26) Und ich fand bitterer als den Tod die Frau, die Netzen gleich ist und deren HerzFangstricke, deren Hände Fesseln sind. Wer vor Gott angenehm ist, wird ihr entrinnen, derSünder aber wird durch sie gefangen.- v26a: „und findend bin ich“ bei so einem Gedankenexperiment kommt nur hier vor, sonstheiß es „ich erkannte“ oder „ich fand heraus“- er schreibt hier nicht wie sonst „ich erkannte“, sondern er ging auf die Suche und hatgefunden- und was er findet ist in den Kommentaren sehr massiv behandelt worden, und man hat sichdie Frage gestellt, ob er ein Frauenfeind ist oder wie man das interpretieren sollo (1) viele haben es versucht einzuschränken indem sie gesagt haben, man muss v26cnicht bei- sondern unterordnen, dass es also keine generelle Aussage über dieFrauen schlechthin ist; dass bitterer als der Tod nur die Frau ist, die eben vollerFänge ist (es gibt ja sicher ein paar Frauen, die diese Charakterzüge haben, undglücklich wer ihr entkommt)• hier bleibt ein problematisches Frauenbild zurücko (2) andere sagen, es gibt ja in Spr und auch in Sir Warnungen vor den fremdenFrauen, was in der Tradition Israels fußt (SALOMON haben ja die vielenausländischen Frauen die Einheit der Nation gekostet); und es stimmt, dass dies in derWeisheit vorkommt; allerdings heißt es dort auch „die fremde Frau“, und jemand der- 36 -


Koheletso scharf differenziert wie KOHELET würde wohl „die fremde Frau“ sagen wenn er esso meinte, so VONACH; dafür ist Koh sprachlich sonst viel zu genau• das scheint also ausgeschlossen- → nach VONACH handelt es sich hier um das einzige Zitat in Koh, wo er etwas von anderenDenkern gefunden hat, vgl. 7,27(27) Siehe, dies fand ich, spricht der Prediger, indem ich eins zum anderen fügte, um einrichtiges Urteil zu finden:- hier fällt auf, dass der Einschub kommt „spricht Kohelet“; der Erzähler kommt sonst nur amAnfang und am Schluss vor- nach VONACH um zu zeigen, dass das direkt davor nicht seine Meinung ist sondern etwas, daser von anderen gefunden hat, und jetzt kommt, was er selber gefunden hat, und hier ist einאני betontes[amar kohelet] bezöge sich maskulin weiter אמרה קךלח -o hier steht aber amrah kohelet, und das determiniert die sprechende Person feminin,also wird KOHELET hier quasi in einen Frauenmantel gehüllto die LXX sagt, es heißt אמר ה קךלח [amar ha kohelet], also „spricht der Kohelet“ – dassman einen Eigennamen mit Artikel versetzt ist auch eher unüblich, aber so lösen esfast alle Exegeteno VONACH ist der Meinung, dass das hier bitter ironisch ist und das bewusst macht,dass er als weise Frau spricht, weil auch eine Frau das kanno was in diesem Spruch steht hat er gesucht zu verifizieren, aber nach seiner Ansicht istdas Zitierte nicht zutreffend(28) Was meine Seele fortwährend suchte und ich nicht fand: Einen Mann fand ich ausTausenden, aber eine Frau unter diesen allen fand ich nicht.- er hat also herausgefunden, dass ein Mensch unter 1.000 so einen Charakter hat, aberkeiner davon war eine Frau(29) Allein, siehe, dies habe ich gefunden: Gott hat den Menschen aufrichtig gemacht; sie abersuchten viele Künste.- er wollte Ungerechtigkeit als Torheit und Unvernunft als Verblendung zeigen, und genaudas hat er gefunden- Gott hat den Menschen gerecht gemacht, sie aber setzen solche Sprüche in die Welt underweisen sich somit als Toren und ungerecht gegenüber jenen, die sie schlecht machen- ∑: sein Experiment ist positiv abgeschlossen, und man kann sagen: es ist nicht notwendig,um die Integrität KOHELETS zu retten, hier irgendwelche exegetischen Spagate zu machen,sondern man muss nur den gesamten Kontext lesen, und dann merkt man, dass KOHELETdiese Frauenfeindlichkeit widerlegt und gerade nicht vertritto dieses Zitat wird vierfach als solches ausgewiesen:• (1) „und findend bin ich“, dh er findet etwas, aber nicht er erkennt es, das gibtes halt irgendwo• (2) „schau dies habe ich gefunden, spricht Kohelet“, dh es wird deutlichgesagt, dass wieder KOHELET spricht, was sonst nirgends im Buch vorkommt,dh das weist schon darauf hin, dass das kurz vorher nicht seine Aussage war• (3) den Rückbezug am Schluss auf die Fragestellung am Anfang, denn er fandwas er suchte, aber er suchte keinen frauenfeindlichen Spruch, sondern, dassUnvernunft Torheit und Verblendung ist• (4) das grammatikalische Spiel kommt als ironisches Element hinzu- 37 -


Kohelet8.3 Reflexionen über die Weisheit: 8,1-11,88.3.1 Verhalten gegenüber politisch Oberen: 8,1-6a(1) Wer ist wie der Weise, und wer versteht die Deutung der Dinge? Die Weisheit des Menschenlässt sein Gesicht leuchten, und die Härte seines Gesichts verändert sich. Verhalten zurObrigkeit- ist ein Übergangsvers, er leitet 7,25-29 ab und leitet 8,2-6 ein- Weisheit macht auch lockerer und unbefangener, und der Weise ist nicht so böse, dass ersolche Unterstellungen von sich gibt(2) Ich sage: Dem Befehl des Königs gehorche, und zwar wegen des Eides Gottes!- hier kommt die Frage, wie man sich einem politisch Oberen gegenüber vernünftigverhalten soll- hier steht der massive Versuch der Ptolemäer, Jerusalem zu hellenisieren im Hintergrundo man muss hören was der ptolemäische König sagt, man muss aber nicht einemheidnischen Gott schwören, das ist zu viel(3) Übereile dich nicht, von ihm wegzugehen, lass dich nicht auf eine böse Sache ein! Er tut jadoch alles, was er will.- lass dich auf keine schlechte Sache ein, aber der Herrscher wird eh tun was er will(4) Denn des Königs Wort ist mächtig, und wer will zu ihm sagen: Was tust du da?- KOHELET ist hier ganz realistisch: auf einen König muss man hören, Verweigerung führt zunichts, weil dessen Wort einfach Macht hat, und es kann nicht der Untergebene ihn infragestellen, zumindest nicht direkt(5) Wer das Gebot hält, weiß um keine böse Sache, und das Herz eines Weisen kennt dierichtige Zeit und das rechte Verhalten. (6a) Denn für jede Sache gibt es die richtige Zeit unddas rechte Verhalten.- ewig ungerecht kann es nicht sein, und deshalb sei man vorsichtig, dass man nicht imWiderstand gegen einen Vorgesetzten selber ungerecht wird und Unrecht tut- es gibt für jede Angelegenheit eine Zeit und ein Gericht, deshalb sollte man nicht ungerechtwerden- manche unterstellten KOHELET hier eine gewisse Feigheit, jedoch scheint das vielmehrrealistisch zu sein, wenn man sich diese Verhältnisse ansieht, weil man mit diesemvorsichtigen Weg letztlich weiter kommt, als wenn man von vornherein glaubt, sich aufdieselbe Stufe zu stellen und den König infrage stellen zu können- und der Weise kann deshalb trotzdem mit einer gewissen Gelassenheit leben, weil er weiß,dass jeden ein gerechtes Gericht und ein gerechtes Urteil treffen wirdo es ist ja auch nicht so, dass der Tun-Ergehen-Zusammenhang nie stimmt, aber erstimmt nicht immero es gibt ja durchaus weltliche ungerechte Strukturen, die noch innerweltlichgerecht gerichtet werden8.3.2 Unterabschnitt: 8,6b-8(6b) Denn das Unglück des Menschen lastet schwer auf ihm, (7) denn er weiß nicht, was werdenwird; denn wer sollte ihm mitteilen, wie es werden wird?- es ist Schicksal des Menschen, dass er seine eigene Zukunft nicht in der Hand hat- 38 -


Kohelet(8) Kein Mensch hat Gewalt über den Wind, den Wind zurückzuhalten, und niemand hat Gewaltüber den Tag des Todes. Auch gibt es keine Entlassung im Krieg, und das Unrecht rettet nichtseinen Herrn.- v8a: gewisse Dinge kommen, die kann man nicht zurückhalten- v8b: „Gewiss der Tod, ungewiss die Stund‘“; niemand hat Macht über den Tod- v8c: so wie es im Krieg keine Entlassung gibt, so kann Unrecht seinen Täter nicht retten inv8d, also hat Gerechtigkeit das letzte Worto ganz egal was ist, Unrecht tun führt nie zum Heil8.3.3 Unterabschnitt mit stilistischem Neueinsatz: 8,9-15- inhaltlich führt das weiter, was in den ersten Versen von c8 begonnen wurde, die Frage vonMacht, Herrschaft und Möglichkeit und in dem Zusammenhang die Frage nach Recht undUnrecht(9) Das alles sah ich und richtete mein Herz auf alles Tun, das unter der Sonne getan wird, zurZeit, da der Mensch über den Menschen Gewalt hat zu seinem Unglück. Unbegreiflichesgleiches Ergehen der Gerechten und Gottlosen - Gleiches Los für alle- die Rücksicht ist, dass jemand einer ungerechten Macht unterstellt ist- und da hat er im Detail geschaut, was da vor sich geht(10) Und so sah ich Ungerechte, die begraben wurden und zur Ruhe eingingen. Die aber dasRechte getan hatten, mussten von der heiligen Stätte wegziehen und wurden in der Stadtvergessen. Auch das ist Nichtigkeit.- und er kommt wieder in den Tun-Ergehen-Zusammenhang hinein:o es gibt Ungerechte, die aber dennoch ein schönes und pompöses Begräbniserhalten habeno aber ein ehrenvolles Begräbnis sollte nur bekommen, wer es auch verdient, so dieWeisheitslehrer• über HERODES DEN GROßEN schreibt JOSEPHUS FLAVIUS übrigens, dass alsdie ersten vom Trauerzug in Herodeion ankamen die letzten in Jericho nochgar nicht aufgebrochen waren (ca. 11 km Strecke)o hier stimmen Recht und Unrecht in Tun und Ergehen nicht zusammen(11) Weil der Urteilsspruch über die böse Tat nicht schnell vollzogen wird, darum ist das Herzder Menschenkinder davon erfüllt, Böses zu tun,- das Problem ist also, dass bei einer bösen Tat die Strafe nicht auf den Fuß folgt- wäre das so, dann hätten wir völlig andere Verhältnisse, denn die Leute überlegten es sichbesser(12) denn ein Sünder tut hundertmal Böses und verlängert doch seine Tage. Aber ich habe aucherkannt, dass es den Gottesfürchtigen gut gehen wird, die sich vor seinem Angesicht fürchten.- es gibt also solche, die lange schlecht leben können, und denen wird sogar noch ein langesLeben zuteil, anstatt, dass das Urteil sofort erstreckt würdeo der Tun-Ergehen-Zusammenhang stimmt insofern nicht, als böses Tun nichtsofort eine Konsequenz hat, ebenso wenig das Gute, und deshalb vermehrt sich dasböse Tun, weil es ja vermeintlich egal ist- in v12c eine ganz wichtige Formulierung: mit „aber ich nehme auch wahr“ bringt er zumAusdruck, dass er nun eine (innere) Wahrnehmung hat, kein objektives Sehen, etwas, daser zutiefst glaubtoer stellt das nicht als beobachtbares Faktum hin, sondern etwas, das er wahrnimmt‏(אני →)- 39 -


Koheletoirgendwie hat er trotz allem den Glauben, die innere Wahrnehmung, dass esletztlich doch gut ist, möglichst gut zu handeln, und dh gottesfürchtig zu sein(13) Doch nicht gut gehen wird es dem Ungerechten, und er wird, dem Schatten gleich, seineTage nicht verlängern, weil er sich vor dem Angesicht Gottes nicht fürchtet.- hier ist wieder wunderschön die Unterscheidung zwischen ה אלהים und ‏,אלהים und GlaubenIsraels geht Unrecht und Gottlosigkeit nicht- auch wenn man zu den Heiden gehört, führt das im Angesicht deren Götter auch nicht zumHeilo KOHELET ist überzeugt, niemand kann an einen Gott glauben, der im LetztenoUnrecht gutheißt und dem Gottlosigkeit egal istdeshalb sagt er denen, die Unrecht tun, dass das Konsequenzen haben wird, auchwenn sie nicht Verehrer des Gottes Israels sind- das heißt aber auch im Gegenzug, dass KOHELET jedenfalls auch solchen, die nicht Israelitensind, durchaus zubilligt, dass wenn sie in ihrem Glauben handeln, dass das letztlich eingutes Handeln isto dahinter steckt eine große religiöse Toleranz – wenn die sich zumindest an dieeigene Religion halten würden, dann wäre es eigentlich auch ok- „und nicht wird verlängern die Tage wie ein Schatten“:oo(1) die Einen lesen den Schatten als Metapher für eine Identität des Menschenüber den Tod hinaus, also die schattenhaften Tage über die man noch nicht vielsagen kann(2) VONACH würde das nüchterner sehen und wirklich den Schatten als Bild fürden Schatten selber sehen, und es geht prinzipiell um das Verlängern der Tage, alsodie Tage des Lebens(14) Es gibt etwas Nichtiges, das auf Erden geschieht: Da sind Gerechte, denen es nach demTun der Ungerechten ergeht, und da sind Ungerechte, denen es nach dem Tun der Gerechtenergeht. Ich sagte: Auch das ist Nichtigkeit.- es ist hier wieder der Tun-Ergehen-Zusammenhang: so wie er gedacht ist, trifft nicht immerzu- das ist aber etwas Vergängliches das auf der Erde geschiehto er betont, dass das etwas Vergängliches ist- das wirkt für viele Exegeten sehr abrupt, wie er seinen Gedankengang abschließt undbeendet- er spart sich doch weitere Erklärungen und sagt nur, das ist auf der Erde, das istvergänglich, betont das nochmals und das meint den Tun-Ergehen-Zusammenhang- KOHELET geht mit dem Tun-Ergehen-Zusammenhang in zweierlei Weisen um:o (1) er relativiert ihn in seiner Generalpolarisierung (nur Gute und nur Schlechte),denn jeder Mensch hat von allem etwas, aber die Frage ist, was überwiegt; und es gibtein Gericht über das ganze Lebeno (2) dass ein gerechtes Ergehen für einen Gerechten und ein entsprechendgerechtes Ergehen für den Ungerechten nicht immer so passiert, ist etwasVergängliches und auf dieser Welt• nach VONACH heißt das, dass KOHELET damit zum Ausdruck bringt: in dieserWelt, in diesem Leben, kann es sein, dass tatsächlich vom Tun-Ergehen-Zusammenhang wenig sichtbar eintritt, aber das ist in dieser vergänglichenWelt• KOHELET hat immer an der Gerechtigkeit Gottes festgehalten, und dh, derTun-Ergehen-Zusammenhang gilt jedenfalls vor den Augen Gottes• dh, wenn KOHELET an dieses Gottesgericht glaubt, und das tut er, und wenndas nur sinnvoll ist, wenn er davon überzeugt ist, dass es eine Identität überdieses Leben hinaus gibt, dann wird der Tun-Ergehen-Zusammenhangletztlich jedenfalls in diesem göttlichen Gericht Realität• und dort wird man sehen, dass das eine differenzierte Geschichte ist- 40 -


KoheletoKOHELET erspart seinen Lesern nicht, den letzten Schluss unter diese Überlegungselber zu ziehen(15) Und ich pries die Freude, weil es für den Menschen nichts Besseres unter der Sonne gibt,als zu essen und zu trinken und sich zu freuen. Und dies wird ihn begleiten bei seinem Mühendie Tage seines Lebens hindurch, die Gott ihm unter der Sonne gegeben hat.- die Tage die man hat sind von Gott gegeben, ob es viele oder wenige sind- und die sind auch mühsam, aber das beste ist nach wie vor, bei all dieser Mühe, die gutenSeiten des Lebens anzunehmen wenn sie sich bieteno auch angesichts dessen, dass der Tun-Ergehen-Zusammenhang insofern nicht gilt,dass die Strafe für Böses nicht auf de Fuß folgt, das kann man nicht ändern, das kannnur Gott änderno es lohnt sich nur, sich von ungerechtem Tun fernzuhalteno und wie auch immer die Situationen sind, man soll eine gewisse Freude undZufriedenheit haben und Essen und Trinken, ja weil es gottgegeben isto was er deutlich nicht sagt, ist zu tun was man will, denn für den Gottesfürchtigen istes eben schon gut, gut zu leben8.3.4 Das mühsame Geschäft: 8,16f(16) Als ich mein Herz darauf richtete, Weisheit zu erkennen und das Treiben zu besehen, dasauf Erden geschieht - denn weder bei Tag noch bei Nacht sieht man Schlaf mit seinen Augen -,(17) da sah ich am Ganzen des Werkes Gottes, dass der Mensch das Werk nicht ergründenkann, das unter der Sonne geschieht. Wie sehr der Mensch sich auch abmüht, es zu erforschen,so ergründet er es nicht. Und selbst wenn der Weise behauptet, es zu erkennen, er kann es dochnicht ergründen.- ob sich das „weder bei Tag noch bei Nacht sieht man Schlaf“, wie LOHFINK und KRÜGERmeinen, sich nur auf die Weisheitslehrer bezieht, glaubt VONACH nicht, denn das Geschäft,das auf der Erde getan wird, ist eigentlich das, was alle Menschen tun- interessant ist eher die Fortführung, nämlich wir haben in v16 das Geschäft das auf derErde getan wird und in v17 das „Ganze Werk Gottes“, wo das Werken des Menschen mitdem Werk Gottes in Relation gesetzt wirdo das Werk des Menschen ist mühsam, teilweise so, dass man nicht zur Ruhe kommto hingegen das Werk Gottes, das der Mensch nicht finden kann- letztlich ist das Ganze gottgegeben, und der Mensch im Einzelnen kann keinen Überblickhaben über alles das getan wirdo auch der Weisheitslehrer, wenn er Tag und Nacht forscht, das Ganze des WerkesGottes bekommt er nicht in den Blicko und ein wesentlicher Teil des Werkes Gottes ist es gemacht zu haben, was dieMenschen tuno hier eine klare Anspielung an 3,10-15 (der Mensch erkennt nicht das Ganze desWerkes Gottes)o und damit auch nicht den tiefsten und letzten Sinn dessen, was er selber tut• es geht also nicht nur darum, dass man nicht das Ganze Gottes in den Blickbekommen kann, sondern weil das Leben gottgewollt ist, kann man auch Sinnund Ziel des Lebens nicht völlig ergründen• das ist auch die Relation zwischen dem Tun des Menschen und dem WerkGottes, nämlich, was der Mensch tut ist letztlich gottgemacht und gottgewollt,und somit für keinen Menschen völlig durchschaubar• deshalb ist ein letzter Sinn, den man definieren könnte, nicht ausmachbar- 41 -


Kohelet8.3.5 Prüfung und Nachdenken: 9,1-6(1) Denn das alles habe ich mir zu Herzen genommen, und zwar um dies alles zu prüfen: dassdie Gerechten und die Weisen und ihre Taten in der Hand Gottes sind. Sei es Liebe, sei es Hass,nichts davon erkennt der Mensch. Alles beides liegt vor ihrer Zeit,- hier ist nicht klar, was mit dem ersten Teil gemeint isto (1) manche gehen davon aus, dass „die Gerechten und die Weisen“ den Tun-Ergehen-Zusammenhang meinto (2) andere, etwa Diethelm MICHEL, sieht das pessimistischer und sagt, eigentlichkönnen die Gerechten und Weisen gar nicht selber beeinflussen, dass sie das sind,sondern das ist gottgegeben, dh er betont noch stärker die Grenzen des eigentlichenmenschlichen Tunso (3) VONACH würde das nicht so pessimistisch sehen, er glaubt aber auch nicht, dassrein der Tun-Ergehen-Zusammenhang gemeint ist, sondern eher, dass letztlich das,was der Weise durch seine Weisheit erkennen kann, was der Gerechte alsGerechtigkeit erkennen kann, nicht zur Gänze in den Händen des Menschen liegt; abernicht Gott determiniert, sondern die Komponente Gottes darf nie vergessen werden- im zweiten Teil haben wir ein sprachliches Problem, denn nicht nur im Deutschen, sondernauch im Hebräischen ist nicht klar, ob sich das „ihnen“ (1) auf den einzelnen Menschenbezieht, was im Licht von 3,10-15 und c1 wäre, oder ob es sich (2) auf Liebe und Hassbezieht und somit hieße, dass niemand weiß, was vor der Liebe und vor dem Hass war, womitsich wieder die Frage stellte, was es heißto letztlich jedenfalls die Frage, ob es sich bei Liebe und Hass, wie KRÜGER undMICHEL glauben, um Liebe und Hass Gottes handelt, oder wie LOHFINK,SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER und VONACH glauben, auf menschliche Regungenbezieht• (1) nimmt man Liebe und Hass als menschliche Regungen, dann könnte esheißen, man müsse aufpassen, wenn man von Gerechten und Weisen redet,denn niemand weiß ob derjenige vorher nicht zu Hass fähig war (oderumgekehrt)• (2) wenn es sich auf Liebe und Hass Gottes bezieht, dann wird man das soverstehen müssen, dass wenn man Gott irgendwie erfährt, sei es liebend oderhassen, dann ist es nicht immer möglich, warum er so oder so erfahren wird,weil man nicht genau weiß, warum man ihn etwa zum Zorn getrieben hat(2) alles beides - wie bei allen Menschen. Ein Geschick ist für den Gerechten und für denUngerechten bestimmt, für den Guten und den Reinen und den Unreinen und für den, der opfert,und den, der nicht opfert; wie der Gute, so der Sünder, der, der schwört, wie der, der den Eidscheut. (3) Das ist ein Übel in allem, was unter der Sonne geschieht, dass einerlei Geschickallen zuteil wird. Auch ist das Herz der Menschenkinder voll Bosheit, und Irrsinn ist in ihremHerzen während ihres Lebens; und danach geht es zu den Toten.- hier fühlt man sich zurückversetzt in 3,16ff und natürlich 8,12-15o und es ist wieder klar, es geht um das, was unter der Sonne getan undwahrgenommen wird, und das ist, dass jeder stirbt und es keinen Unterschied macht,wie jemand gelebt hat, als oberflächliche Wahrnehmungo KOHELET sagt nochmals, dass das ein Übel ist, und das führt zuverantwortungslosem Handeln (vgl. 8,12-15)- auch im Blick auf 8,12-15 ist klar, dass KOHELET selber es als Übel sieht, dass die gerechteVergeltung von allem (auch positiv!) in diesem Leben so nicht sichtbar ist, und dass dasdazu führt, dass Solidarität und Mitmenschlichkeit und Gerechtigkeit für viele nichtwichtig ist, weil sie keinen Vorteil darin sehen(4) Ja, wer noch all den Lebenden zugesellt ist, für den gibt es Hoffnung. Denn selbst einlebendiger Hund ist besser daran als ein toter Löwe!- eigentliche Lebensphilosophie kommt hier wieder zum tragen- 42 -


Kohelet- Hund war zur Zeit KOHELETS in Judäa so ziemlich das unreinste undverabscheuungswürdigste Tier, der Löwe hingegen war schon der König der Tiere,Markenzeichen des Stammes Juda und Judäaoound das zeigt deutlich den Wert des Lebenser vertritt nicht die Ansicht, dass ein Leben nach dem Tod besser wäre, der Wert desLebens wird hier klar betont- umso mehr empfindet KOHELET es als Übel, dass das Bemühen um ein möglichst gutesLeben für alle nicht in aller Regel bei allen da ist, weil sie darin keinen Vorteil für sich sehen- und bei den Lebenden ist Hoffnung(5) Denn die Lebenden wissen, dass sie sterben werden, die Toten aber wissen gar nichts, undsie haben keinen Lohn mehr, denn ihr Name ist vergessen.- erster Halbsatz: später werden wir sehen: wenn dieses Leben gelingen soll, dann muss mandas Wissen um den Tod und den Tod selber in das Leben integriereno nur wer in sein Leben den Tod integriert und das nicht verdrängt, nur der kann seinLeben lebenswert gestalten- zweiter Halbsatz: zunächst kommt die klassische Scheol-Lehre: die Sterbenden wissen garnichts, sie haben auch keinen Lohn mehr, wenn selbst das Andenken über sie weg ist(6) Auch ihr Lieben, auch ihr Hassen, auch ihr Eifern ist längst verloren gegangen. Und siehaben ewig keinen Anteil mehr an allem, was unter der Sonne geschieht. Freude am Leben beiOhnmacht gegenüber der Zeit- hier ist auch eine Begründung für den schwierigen Vers 9,1, dass sich Liebe und Hass aufden Menschen bezieht- ein Toter hat keinen Anteil mehr an dem, was unter der Sonne geschiehtodie Identität über den Tod hinaus besteht zumindest sicher nicht darin, dass manirgendwie wieder auf die Erde kommt; es mag irgend eine Identität geben, aber diehat mit der Welt als solcher nichts mehr zu tun- Liebe, Hass und Leidenschaft bezieht sich auf das Andenken, nicht darauf, dass der Toteleidenschaftslos ist (vgl. c4)- und das ist für VONACH ein Hinweis darauf, 9,1 so zu verstehen wie gesagt wurde, dass alsoLiebe und Hass sich auf den Menschen bezieht und, dass der Mensch sich weder an das Gutenoch an das Schlechte erinnert, das ist alles in der Verfügungsgewalt Gottes8.3.6 Iss, trink und freue dich! Die berühmteste Sequenz: 9,7-15(7) Geh hin, iss dein Brot mit Freude und trink deinen Wein mit frohem Herzen! Denn längsthat Gott Wohlgefallen an deinem Tun. (8) Deine Kleider seien weiß zu jeder Zeit, und dasSalböl fehle nicht auf deinem Haupt. (9) Genieße das Leben mit der Frau, die du liebst, alleTage deines nichtigen Lebens, das er dir unter der Sonne gegeben hat, all deine nichtigen Tagehindurch! Denn das ist dein Anteil am Leben und an deinem Mühen, womit du dich abmühstunter der Sonne.- bis hier her hat KOHELET schon fünf Mal darauf hingewiesen (3,12f; 3,22; 5,17-19; 7,14 und8,15)ohier, nach seiner Reflexion, dass das irdische Dasein jedenfalls endlich ist, aberebenso sinnvoll und lebenswert, formuliert er das, was er fünf Mal als theoretischeErkenntnis formuliert hat, als klare Aufforderung- das ist das Beste, was der Mensch aus diesem Leben, bei all seiner Mühe (das darf nievergessen werden; dh KOHELET geht nicht davon aus, dass man den ganzen Tag nur tun sollwozu er hier auffordert, sondern „bei“ der Mühe) tun sollooEssen und Trinken in Freude„Gott hat Gefallen an den Werken“ bedeutet, dass Gott eigentlich will, dass derMensch die Augenblicke, die er für diesen freudigen Genuss haben kann, auch nützt;Gott will Ausgewogenheit, sowohl die Mühe als auch die Freude- 43 -


Koheleto ja das ist eigentlich, im Sinne KOHELETS, gegen Gottes Wille, wenn man dieGenussmomente nicht nützt- und in v9f ist es klar: es gibt weder einen bleibenden noch einen verfügbaren Gewinn, esgibt nur einen Anteil, den der Mensch am Leben haben und nehmen kanno „alle Tage deines vergänglichen Lebens“ wird betont- es geht nicht nur darum, sich Brot und Wein leisten zu können, sondern va auch um dieFähigkeit, sich darüber freuen zu könneno und dasselbe gilt für die weißen Kleider und das Öl auf dem Kopf, was Ausdruckder menschlichen Würde ist; aber immer im Blick auf den Schöpfer der es gegebenhato dasselbe gilt für die zwischenmenschliche Liebe: sie ist gottgegeben und gehört zumAnteil, den man am Leben hat- und dass er keinen Hedonismus predigt, wie MICHEL behauptet, wird in v10 klar(10) Alles, was deine Hand zu tun findet, das tue in deiner Kraft! Denn es gibt weder Tun nochBerechnung, noch Kenntnis, noch Weisheit im Scheol, in den du gehst.- es geht auch darum, sich den anderen Dingen des Lebens zu stelleno KOHELET lebt im 3. Jhdt. vC, er lebt in einer differenzierten Gesellschaft, und wennaber keiner etwas tut kann man bald nichts mehr tun – die Mühe ist also ernst zunehmen- das alles immer in einer Weise, in der der Tod integriert wirdo sinnvoll und erfüllt lebt also nur, wer den Tod ins Leben zu integrieren vermago es ist gottgegeben, denn dieses Leben hat er uns gegeben, ebenso Möglichkeiten,deshalb ist es göttliche Pflicht, dieses Leben mit all seinen Nuancen in die Hand zunehmen- es geht nicht um Hedonismus, sondern um Freude die zur Zufriedenheit führt, und das isteine Befähigung die der Mensch nutzen muss- ∑: es wurde, was diese Aufforderung betrifft, immer wieder gemutmaßt, dass das vielleichtgar nicht KOHELETS Idee sei, sondern, dass er das abgeschrieben haben, wobei man dreiTexte zitiert; heute sind sich die meisten darüber einig, dass KOHELET nicht beeinflusst waro(1) eine altbabylonische Variante zur Tafel X des GILGAMESCHepos; hierzu gibtes in Babylon eine Variante, nämlich einen Zusatz, und zwar um 1800 vC (Rede derSchenkin, nur in dieser Variante tradiert):Gilgamesch, wohin läufst du? Das Leben, das du suchst, wirst du sicher nicht finden! Als die Götter dieMenschheit erschufen, Teilten den Tod sie der Menschheit zu, Nahmen das Leben für sich in die Hand.Du, Gilgamesch - dein Bauch sei voll, Ergötzen magst du dich Tag und Nacht! Feiere täglich einFreudenfest! Tanz und spiel bei Tag und Nacht! Deine Kleidung sei rein, gewaschen dein Haupt, MitWasser sollst du gebadet sein! Schau den Kleinen an deiner Hand, Die Gattin freu' sich auf deinemSchoß! Solcher Art ist das Werk der Menschen!• es ist (1) unwahrscheinlich, dass KOHELET diesen Text kannte, es wäre (2)extrem paraphrasierend und es ist (3) nicht auszuschließen, dass das, wasinnerweltlicher Lebensgenuss sein kann, zu verschiedenen Zeiten verschiedenempfunden wirdo (2) das ägyptische Harfnerlied des ANTEF, etwa von 1500 vC:Das Lied, das im Hause (König) Antefs, des Seligen, steht, vor dem (Bild des) Sängers zur Harfe.Glücklich ist dieser gute Fürst, nachdem das gute Geschick eingetreten ist. Geschlechter vergehen,andere kommen seit der Zeit der Vorfahren. Die Götter die vordem entstanden, ruhen in ihren Pyramiden.Die Edlen und Verklärten desgleichen sind begraben in ihren Pyramiden. Die da Häuser bauten, ihreStätte ist nicht mehr. Was ist mit ihnen geschehen? Ich habe die Worte des Imhotep unddes Hordjedef gehört, deren Sprüche in aller Munde sind. Wo sind ihre Stätten? Ihre Mauern sindzerfallen, sie haben keinen Ort mehr, als wären sie nie gewesen. Keiner kommt von dort, von ihremErgehen zu berichten, ihren Bedürfnissen zu erzählen, unser Herz zu beruhigen, bis auch wir gelangen,wohin sie gegangen sind. Du aber erfreue dein Herz und denke nicht daran. Gut ist es für dich, deinemHerzen zu folgen, solange du bist. Tu Myrrhen auf dein Haupt, kleide dich in weißes Leinen, salbe dich mit- 44 -


Koheletechtem Öl des Gotteskults, vermehre deine Schönheit, lass dein Herz dessen nicht müde werden. Folgedeinem Herzen in Gemeinschaft deiner Schönen, tu deine Dinge auf Erden, kränke dein Herz nicht, bisjener Tag der Totenklage zu dir kommt. Der Müdherzige hört ihr Schreien nicht, und ihre Klagen holen dasHerz eines Mannes nicht aus der Unterwelt zurück. Refrain: Feiere den schönen Tag, werde dessen nichtmüde. Bedenke, niemand nimmt mit sich, woran er gehangen; niemand kehrt wieder, der einmalgegangen.o• diese Lieder sind nicht auf Papyrus erhalten, sondern in den Königsgräbernund jener der Beamten in dieser Zeit• diese Gräber allerdings waren zur Zeit KOHELETS schon längst unter der Erdebegraben, und wurden erst ab dem 18. Jhdt. wiederentdeckt• dh, zwischen 1500 vC und der Zeit der Ausgrabung des Grabes des Antefdieser Text nirgends tradiert wurde• also auch hier ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass KOHELET den Text kannte• und hier steht auch ganz massiv im Vordergrund tatsächlich, dass die Totengehen und die Frage nach einer Verbindung mit dem Toten(3) dann verweist man auf in hellenistischer Zeit übliche Gastmähler der Noblen; derGeschichtsschreiber HERODOT regt sich da recht kritisch auf (Historien derHERODOT II 78)Beim Gastmahl, wie es die Reichen halten, trägt nach der Tafel ein Mann ein hölzernes Bild einer Leiche,in einem Sarge liegend, herum. Es ist aufs beste geformt und bemalt und eine oder zwei Ellen lang. Erhält es jedem Zechgenossen vor und sagt: "Den schau an und trink und sei fröhlich. Wenn du tot bist,wirst du, was er ist." Solche Sitte haben sie bei ihren Gelagen.• KOHELET steht sicher nicht auf Seiten der Reichen, die Gastmähler halten• und KOHELET geht es auch darum, ein Gefühl der Zufriedenheit haben zukönnen(11) Ferner sah ich unter der Sonne, dass nicht die Schnellen den Lauf gewinnen und nicht dieHelden den Krieg und auch nicht die Weisen das Brot und auch nicht die Verständigen denReichtum und auch nicht die Kenntnisreichen die Beliebtheit, sondern Zeit und Geschick trifftsie alle.- das Leben ist nicht berechenbar, für keinen Menschen- der Mensch hat nie Verfügung über alles, das hat nur Gott(12) Denn auch kennt der Mensch seine Zeit nicht. Wie die Fische, die gefangen werden imverderblichen Netz, und wie die Vögel, die in der Falle gefangen werden, wie sie werden dieMenschenkinder verstrickt zur Zeit des Unglücks, wenn es plötzlich über sie fällt. Weisheit undTorheit- der Mensch weiß nicht genau, was sein weiteres Leben ihm bringen wird8.3.7 Lehrerzählung mit Parabel: 9,13-16(13) Auch dieses sah ich als Weisheit unter der Sonne, und es kam mir groß vor:- der lose Zusammenhang zu den vorherigen Überlegungen ist, dass in die Kategorie derUnerwägbarkeiten auch fällt, dass Weisheit nicht immer zum Durchbruch kommt,obwohl sie da wäre(14) Es war eine kleine Stadt, und wenig Männer waren darin. Gegen die kam ein großerKönig, umzingelte sie und baute große Belagerungswerke gegen sie. (15) Aber es fand sichdarin ein armer weiser Mann, der die Stadt durch seine Weisheit hätte retten können, aber keinMensch dachte an diesen armen Mann. (16) Da sagte ich mir: "Weisheit ist besser als Stärke!"Aber die Weisheit des Armen wird verachtet, und seine Worte werden nicht gehört.- man vertraut stupiderweise auf die militärische Stärke und denkt gar nicht an einenWeisen, der etwa mittels Diplomatie tatsächliche etwas erreichen hätte können- 45 -


Kohelet- auch wenn die Weisheit da ist, sie muss nicht zwingend zum Durchbruch kommen- gerade deshalb ist es auch wichtig, dass man sich dann, wenn die Zeit da ist, und wenn Gottdie Möglichkeit gibt, sich zumindest durch Freude eine gewisse Lebenszufriedenheitverschafft(17) Worte der Weisen, in Ruhe gehört, sind mehr wert als das Geschrei des Herrschers unterToren. (18) Weisheit ist besser als Kriegsgerät, aber ein Sünder verdirbt viel Gutes.- wir hörten die kleine Lehrerzählung mit der kleinen Stadt, gegen die ein großer König zog undin der es einen Weisen gab, der helfen hätte können- und das ist die Conclusio, also Worte von Weisen sind besser als das hektische Geschreieines Herrschers unter den Toreno Geschrei wird ja von KOHELET immer wieder mit Torheit in Verbindung gebracht –viel und laut reden ist törichto er beklagt ja auch grundsätzlich, dass die Herrschenden nicht immer die Weisen sindo er ist ja herrschaftskritisch, egal um welche Herrschaftsform es sich handelto KOHELET ist prinzipiell der Meinung, dass es ein Übel ist, dass die Herrschenden niedie Weisen sindo das ist keine Kritik an einem bestimmten Regierungssystem, sondern ganzprinzipiell an solchen, die irgendwie zur Macht kommen- darauf folgt, wie in der Parabel, so etwas wie eine kleine Friedensethik: besser Weisheit alsKriegsgeräto es ist jedenfalls klüger mit diplomatischem Geschick Konflikte anzugehen alsmilitärischo aber ein schlechter Herrscher kann auch eine lange gute Zeit über Nacht kaputtmacheno die Frage der Weisheit von Herrschern ist also eine sensible, weil die Zerstörungvon Gutem schneller geschieht als der Aufbau von Gutem(1) Tote Fliegen lassen das Öl des Salbenmischers stinken und gären. Ein wenig Torheit hatmehr Gewicht als Weisheit und Ehre.- 10,1 gehört noch zum Resümee, die Kapitelgrenze ist also nicht ident mit der thematischenGrenze; es ist noch einmal eine Parallelaussage zu 9,18- hier ist ein Zahlwort enthalten: eine einzige tote Fliege kann das gesamte Öl kaputt macheno das ist die Parallele zum Fehlgänger8.3.8 Subeinheit zur Weisheit und Torheit allgemein: 10,2f(2) Der Verstand des Weisen ist zu seiner Rechten und der Verstand des Toren zu seiner Linken.- es ist also im AO offensichtlich rechts eher positiv und links eher negativ konnotiert – das hatalso eine lange Tradition- gut-böse und weise-töricht wird ausgedrückt mit rechts-links(3) Und auch wenn der Tor auf dem Weg geht, fehlt ihm der Verstand, und er sagt jedem, er seiein Tor.- eigentlich ist es so, dass wenn man nicht sonderlich weise ist, dann müsste man eigentlich dieToren sofort erkennen, und wenn sie nur auf der Straße gehen, weil es durch ihr Verhaltenund ihre Art offenkundig ist, dass sie zu den Narren gehören- hier ist schon ein ironischer Unterton zu spüren wenn gleichzeitig gesagt wird, wenn solche,denen man die Torheit ansieht, zu machtvollen Positionen kommen, obwohl man es schonauf der Straße sähe- 46 -


Kohelet8.3.9 Frage von Herrschaft und Macht in Du-Form: 10,4f(4) Wenn der Zorn des Herrschers gegen dich aufsteigt, so verlass deinen Platz nicht! DennGelassenheit verhindert große Sünden.- er rät auf jeden Fall zu Gelassenheit; wenn ein Herrscher einen aufregt soll man nichtspringen und hüpfen, was gefährlich sein könnte, sondern man soll gelassen bleiben(5) Es gibt ein Übel, das ich unter der Sonne gesehen habe, gleich einem Versehen, das vomMachthaber ausgeht: (6) Die Torheit wird in große Würden eingesetzt, und Reiche sitzen inNiedrigkeit. (7) Ich habe Knechte auf Pferden gesehen und Oberste, die wie Knechte zu Fußgingen.- KOHELET nimmt sehr stark wahr, dass letztlich die Falschen an die Macht kommen- wir befinden uns bei KOHELET im ausgehenden 3. Jhdt. vC, und da nimmt man mehrereproblematische Ebenen von Machtausübung wahroeinerseits das Ptolemäische System, wo der Herrscher in Jerusalem einheimische,judäische Beamte in hohe Ehren hebt, diese aber nichts anderes zu tun haben, als dieeigene Bevölkerung auszunehmen• die Ptolemäer haben das sehr geschickt gemacht: sie haben die hohen Steuernnicht durch eigene Leute eingehoben, sondern sie haben aus der Oberschichtder Provinzen Einheimische genommen, die das tun mussten, sodass dasletztlich die eigenen Leute waren, die für die soziale Kluft verantwortlichwaren• es waren dieselben, die als Beamte die Steuern einhoben, die dann denen, diewirklich verarmt sind, teure Kredite gaben, und von denen dann zusätzlichnoch Zinsen kassiert habeno andererseits die Hohepriesterschaft am Tempel, denn die hatten alleAutonomierechte zu verwalten, die die Provinz Juda hatte, und die haben oft mit denPtolemäern unter der Hand gearbeitet, um sich die Gunst zu erhalten, um die eigeneMacht zu erhalten• da ist sogar Geld vom Tempelschatz an den ptolemäischen König geflossen,und dafür hat sich ein Hohepriestergeschlecht die Macht gesichert• diese Art von Korruption gab es in der Tat, und daher kommt diese so extremherrschaftskritische Haltung KOHELETS, weil er in keinem Bereich einegerechte und weise Machtausübung wahrnimmt- man kommt eben nicht zu Macht weil man weise oder gerecht ist, sondern indem man siesich erschleicht oder erkauft8.3.10 allgemeine weisheitliche Ratschläge: 10,8-15(8) Wer eine Grube gräbt, kann hineinfallen, und wer eine Mauer einreißt, den kann eineSchlange beißen.- der Spruch ist unter Einfügung von zwei Worten auch in unsere Volksweisheit eingegangeno man muss wissen was man tut, und wenn man eine gefährliche Situation schafftkann es einen auch selbst treffeno das eigene Tun kann einem auch selbst auf den Kopf fallen- der Schlangenbiss ist eine Erfahrung gerade aus der judäischen Gebirgslandschaft, wo eszur Zeit KOHELETS wie heute eine Vielfalt von Schlangen gibt, giftige wie ungiftigeo und wenn man sich eine ältere Steinmauer ansieht, dann sind das natürlich idealeNistplätze für Schlangeno und wenn man so eine Mauer abreißt, dann kann das gefährlich werden, weil manunverhofft auf ein Schlangennest treffen kann- 47 -


Kohelet(9) Wer Steine bricht, kann sich an ihnen verletzen, wer Holz spaltet, kann sich an ihmgefährden. (10) Wenn das Eisen stumpf geworden ist und niemand die Schneide schleift, somuss man seine Kräfte mehr anstrengen. Aber ein Vorteil ist es, die Weisheit richtiganzuwenden.- hier sieht man auch die Ambivalenz: wer Holz spaltet kommt durch die scharfe Axt inGefahr, es wäre aber töricht die Axt stumpf zu lassen, denn dann ginge es nicht mehr guto man hat es einfach nicht in der Hand, dass alles gut gehto bei jeder sinnvollen Aktion muss man damit rechnen, dass es schiefgehen kann- aber trotz allem, es ist jedenfalls nie schlecht, das was man tut, möglichst durchdacht zutun, und das bei allem das man tut(11) Wenn die Schlange vor der Beschwörung beißt, so hat der Beschwörer keinen Vorteil.- das ist eine nüchterne Feststellung, zu der es nicht viel zu sagen gibt(12) Die Worte aus dem Mund eines Weisen bringen ihm Beliebtheit, aber die Lippen einesToren verschlingen ihn selbst.- nochmals der Unterschied, dass Weisheit sehr wohl einen Vorteil hat, dass man Törichtenansieht, dass sie Toren sind und, dass Weise durchaus etwas Angenehmes an sich haben(13) Der Anfang der Worte seines Mundes ist Torheit und das Ende seiner Rede böser Unsinn.- was der Tor sagt beginnt er töricht, und zum Schluss offenbart sich, dass er das aus völligerVerblendung sagt- man denke zurück an 4,17-5,6, wo es um den vernünftigen Gottesdienst geht, wo in 4,17gesagt wird, dass die Toren viel opfern und viele Worte machen, sie aber nichts dafürkönnen, weil sie verblendet sindo eigentlich wird nicht dem Toren angelastet, dass er es nicht besser kann, sondern denAnderen wird angelastet, dass sie nicht wahrnehmen, ob jemand töricht oder weiseisto man würde es ihnen ja ansehen und anhören, aber dennoch reagiert man nicht oderfalsch auf sie(14) Und der Tor macht viele Worte. Der Mensch erkennt nicht, was sein wird. Und was nachihm sein wird, wer teilt es ihm mit?- hier geht es darum, Sicherheiten über die Zukunft auszusagen, und KOHELET sagt, das isttöricht, denn wir wissen nicht, was kommt: weder was (1) nach uns kommt, noch (2) unsereigenes Schicksal und (3) wir wissen auch nicht, was uns unser Leben bringen wird, unddeshalb soll man keine Sicherheitsaussagen bringen- das ist nicht ganz neu, das klang alles schon an(15) Die Arbeit des Toren macht ihn müde, ihn, der nicht zur Stadt zu gehen weiß.- diesen Vers versteht VONACH nicht- es sind auch die Kommentare recht ratlos: manche schreiben gar nichts, andere versuchenda ein bisschen herumzuruderno dass Arbeit den Toren ermüdet ist klar, aber das tut es den Weisen aucho was es aber mit der Stadt auf sich hat ist nicht eingängig8.3.11 Herrschaftsfrage: 10,16-(16) Wehe dir, Land, dessen König ein Junge ist und dessen Oberste schon am Morgen speisen!- es ist zwar nicht immer das beste, wenn die Ältesten Herrscher werden, aber einer ohneErfahrung ist auch keine Alternative- 48 -


Kohelet(17) Glücklich du Land, dessen König ein Edler ist und dessen Oberste zur rechten Zeit speisen,als Männer und nicht als Zecher!- das ist die klare Alternative: glücklich und gut regiert ist ein Land, dessen König eineWürde für sein Amt zukommt, und das inkludiert Weisheit, Lebenserfahrung und denBlick auf das Gesamtwohl(18) Durch Faulheit der beiden Hände senkt sich das Gebälk, und durch Lässigkeit der Händetropft das Haus.- das bezieht sich auf die Beamten: deren falsche Haltung führt dazu, dass das gesamteSozialgefüge leidet(19) Um zu lachen, bereitet man ein Mahl, und Wein erheitert das Leben, und das Geld gewährtdas alles.- das ist ein Satz, der durchaus ambivalent aufzufassen ist: wie wir schon aus c9 wissen, istKOHELET nicht gegen essen und trinken, sondern er vertritt im Gegenteil die Meinung, dassdas zum Glück des Menschen gehörto insofern ist das nicht prinzipiell negativ aufzufasseno es heißt auch, Wein erfreut die Lebenden und das Brot wird zu Freude hergestellt- es geht hier um die Ermöglichung dessen, was in c9 aufgezeigt wurde, dh die Aufgabedieser Herrschenden, der Könige und der Beamten, ist es eigentlich, eben nicht den Regenins Gebälk zu lassen, sondern genau dafür zu sorgen, dass die Dinge, die für jeden Menschensein Leben lebenswert und freudig machen, verfügbar zu halteno und das Geld ist das, was zunächst gerecht verteilt gehört um die Dinge zuermöglichen(20) Auch in deinen Gedanken fluche nicht dem König und in deinen Schlafzimmern fluche nichtüber den Reichen! Denn die Vögel des Himmels könnten die Stimme entführen und was Flügelhat, das Wort anzeigen.- man soll also vorsichtig sein, wenn man allzu laut gewisse Leute direkt kritisiert, denn eswird ihnen zugetragen- das ist ja eine Weisheit, die recht zeit- und ortübergreifend gilt8.3.12 letzte Sequenz von weisheitlichen Ratschlägen: 11,1-8(1) Wirf dein Brot hin auf die Wasserfläche! - denn du wirst es nach vielen Tagen wiederfinden! (2) Gib Anteil sieben anderen, ja, sogar acht, denn du weißt nicht, was für Unglück sichauf der Erde ereignen wird!- über 11,1 wurde viel debattiert wie man sich denken kann; die drei meistpropagiertenMeinungen sind:o (1) Norbert LOHFINK und Ludger SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER meinen, dasses hier um die Ambivalenz des Investierens geht; v1 also die Alternative, eherriskant anzulegen, denn in der Tat, ein Brot, das man aufs Wasser legt, wird wohl inein paar Tagen nicht mehr da sein; die andere Alternative ist in v2 die sagt, man sollnie alles in eine Sache investieren, denn das Eine könnte pleite gehen und dasAndere könnte funktioniereno (2) ZIMMERLI hat demgegenüber die nicht uninteressante Alternativinterpretationvorgeschlagen, dass der Schlüssel am Schluss von 11,2 liege: sicher anlegen kannman also sowieso gar nichts, weil man nie weiß was kommt, und deshalb sind beideAlternativen möglich; es wird hier die Skurrilität dargestellt, es kann nämlich sein,dass man völlig unbedacht und planlos investiert und es funktioniert, genau so wie essein kann, dass man vorsichtig anlegt und man alles verliert; oft ist es also paradoxo (3) Rabbis RASCHI (HMa) und IBN ESRA (16. Jhdt.): es geht hier eigentlich umSolidarität und Mildtätigkeit, nämlich, dass wenn man hat, man soll mit denen- 49 -


KoheletTeilen die nicht haben, und dass diese Art von Solidarität und Mildtätigkeit letztlichauch positiv auf einen selbst zurückfallen kann; man soll sein Brot weggeben, undnach vielen Tagen wird man es wiederfinden, dh wenn es einem selber schlecht gehtgibt es vielleicht solche, die einem helfen; dass also diese Art des Almosengebensnicht nur für die Almosenempfänger gut ist, sondern sich auch positiv auf dieAlmosengeber auswirken kann; und man soll nicht sparsam sein wenn man hat• dieser Interpretation sind in letzter Zeit zunehmend Exegeten gefolgt, zBThomas KRÜGER, der den jüngsten deutschen Koheletkommentar verfasst hat,was vielleicht auch an der gegenwärtigen Zeit liegt; VONACH gefällt sie auch(3) Wenn die Wolken voll werden, gießen sie Regen aus auf die Erde. Und wenn ein Baum nachSüden oder nach Norden fällt: an der Stelle, wo der Baum fällt, da muss er liegen bleiben.- das sind wieder die Unwägbarkeiten: es reg<strong>net</strong> wenn Wolken gefüllt sind, und keiner weißwie es morgen ist, und genauso weiß man nicht, in welche Richtung der Baum fällt(4) Wer auf den Wind achtet, wird nie säen, und wer auf die Wolken sieht, wird nie ernten.- das heißt aber, wenn die Dinge unwägbar sind soll man nicht nur warten, sondern man mussauch handeln; wenn man nur auf ideale Bedingungen wartet wird es nie klappen- die Unwägbarkeiten sollen nicht zu Nichtstun und Übervorsicht verleiten(5) Wie du den Weg des Windes nicht kennst und nicht die Gebeine im Leib der Schwangeren,so kennst du das Werk Gottes nicht, der alles wirkt.- der Wind kann von überall her kommen, genauso wenig kennt man die Gebeine derUngeborenen (damals gab es kein Ultraschall), und ebenso erkennt man nicht das Werk Gottesder alles machto man stößt an Grenzen, und das kam schon an vielen Stellen zum Ausdruck: wirwissen nicht, was Gott mit dieser Schöpfung, mit diesem Kosmos und mit dieserMenschheit wirklich will(6) Am Morgen säe deinen Samen und am Abend lass deine Hand nicht ruhen! Denn du weißtnicht, was gedeihen wird: ob dieses oder jenes oder ob beides zugleich gut werden wird.- es geht nochmals um den Umgang mit Unwägbarkeiten, die dazu verleiten sollen, möglichstviel zu tun, weil sogar alles gut gehen kann(7) Süß aber ist das Licht, und gut für die Augen ist es, die Sonne zu sehen. (8) Denn wenn derMensch viele Jahre lebt, soll er in ihnen allen sich freuen und an die Tage der Finsternisdenken, dass sie viel sein werden. Alles, was kommt, ist Nichtigkeit.- hier schließt er seine eigentlichen Ratschläge und Überlegungen ab:o es ist durchaus schön zu leben unter der Sonneo Freude ist jedenfalls etwas Positives für den Menschen, egal wie lange er lebto sich freuen heißt aber nicht, sich einem unüberlegten Hedonismus hinzugeben,sondern (1) den Tod immer ins Leben miteinzubeziehen und (2) sich bewusstsein, dass es nicht nur freudige Tage gibt- und letztlich hat dieses Leben ein Ende, sowohl die schönen als auch die dunklen Tage- und damit gibt er sich das Stichwort für das Schlussgedicht- 50 -


Kohelet9 Schlussgedicht mit Antworten: 11,9-12,7- das Schlussgedicht ist ein brillantes poetisches Stück- es ist sowohl von der hebräischen Poesie als auch inhaltlich gesehen ein Höhepunkt nicht nurdes Koheletbuches(9) Freue dich, Jüngling, in deiner Jugend, und dein Herz mache dich fröhlich in den Tagendeiner Jugendzeit! Und lebe nach dem, was dein Herz wünscht und wonach deine Augenausschauen! Doch wisse, dass um all dieser Dinge willen Gott dich zur Rechenschaft ziehenwird!- das ist zunächst eine klare Aufforderung va an die Jugend, sich zu freuen, auf den Wegendes Herzens zu gehen, also das Leben zu genießen und die Möglichkeiten zu ergreifen dieman hato und das ist va in der Jugend am unbeschwertesten möglich- aber: man soll das nie tun ohne zu vergessen, dass letztlich alles Tun eine Rolle spielt; mangenieße das Leben und freue sich, aber niemals gedankenlos(10) Entferne den Unmut aus deinem Herzen und halte Übel von deinem Leib fern! DennJugend und dunkles Haar sind Nichtigkeit.- es ist noch einmal klar: die Leichtigkeit der Jugend soll ruhig genossen werden, aber sie währtnicht ewig- solange man sie hat soll man sie auch nützen und genießen9.1 ein einziger grammatikalischer Satz: 12,1-7- v1a ist der Hauptsatz, und von da hängen drei Relativsätze ab: (1) v1b-e, (2) v2-5 und (3) v6f9.1.1 Relativsatz 1: v1b-e; Gott hat alles geschaffen(1) Und denke an deinen Schöpfer in den Tagen deiner Jugendzeit, bevor die Tage des Übelskommen und die Jahre herannahen, von denen du sagen wirst: Ich habe kein Gefallen an ihnen!–- bei all der Unbeschwertheit sei man sich bewusst, dass alles von Gott geschaffen ist, unddass es von daher eine gewisse Verantwortung gibt- man soll nicht erst dann an Gott denken, wenn das Leben nicht mehr so unbeschwert istoder wenn man langsam auf den Tod zugeht, sondern von Anfang an9.1.2 Relativsatz 2: v2-5; der Alterungsprozess(2) bevor sich verfinstern die Sonne und das Licht, der Mond und die Sterne, und die Wolkennach dem Regen wiederkehren;- hier haben wir mit ganz diffiziler Metaphorik zu tun: der erste Teil meint das nachlassendeAugenlicht, und die Wolken meinen, dass das Leben wieder düsterer wird(3) an dem Tag, wenn die Wächter des Hauses zittern und die starken Männer sich krümmenund die Müllerinnen müßig gehen, weil sie wenig geworden, wenn sich verfinstern, die durchdie Fenster sehen,- man beginnt zu zittern, man bekommt einen Buckel (und das ist im damaligen Palästina ineinem bäuerlichen Milieu viel stärker bei fast jedem spürbar als heute)- die Müllerinnen wurden von Arbeit frei, weil sie nicht mehr beißen konnten, also die Zähnefallen aus- und dann nochmals das Augenlicht- 51 -


Kohelet(4) und die Türen zur Straße hin geschlossen werden, während das Geräusch der Mühle dünnerwird und ansteigt zur Vogelstimme, und alle Töchter des Gesangs werden gedämpft.- man geht nicht mehr so gern aus dem Haus- dann hört man nicht einmal mehr die laute Mühle klappern- der Vogel singt noch, aber die eigene Stimme wird schwächer(5) Auch vor der Anhöhe fürchtet man sich, und Schrecknisse sind auf dem Weg. Und derMandelbaum steht in Blüte, und die Heuschrecke schleppt sich mühsam dahin, und die Kaperplatzt auf. Denn der Mensch geht hin zu seinem ewigen Haus, und die Klagenden ziehen umherauf der Straße; -- es wird beschwerlicher zu gehen und man geht unsicherer- und jetzt wird entgegengesetzt, wie im Anfangsgedicht der vergängliche Mensch demandauernden und sich regenerierenden Kosmos entgegengesetzt wird, so wir der Mensch hierder Natur entgegengesetzt: beim Menschen geht alles bergab, alles wird schwächero die Natur aber blüht auf, sie erlebt einen neuen Frühling, während der Mensch insein ewiges Haus geht, und das meint das Grabo und dass ein anständiges Begräbnis und ein gutes Sich-Erinnern ein Wert ist wurdeoft betont, hier nochmals klar zum Ausdruck gebracht: die Natur kommt immerwieder, während der Mensch irgendwann in sein Grab geht9.1.3 Relativsatz 3: v6f; das Wertvolle vergeht(6) bevor die silberne Schnur zerreißt und die goldene Schale zerspringt und der Krug am Quellzerbricht und das Schöpfrad zersprungen in den Brunnen fällt.- hier geht es darum, dass Wertvolles für immer kaputt wird, und das ist eine Metapher fürden sterblichen Menschen: das Leben ist wertvoll, das aber irgendwann zerbrochen wird- wenn der Krug zertrümmert und das Rad zerbrochen werden, dann kann man aus dieserQuelle kein Wasser mehr schöpfen, und dann gibt es kein Leben mehr – eine vorsichtigeMetapher für das Sterben(7) Und der Staub kehrt zur Erde zurück, so wie er gewesen, und der Geist kehrt zu Gott zurück,der ihn gegeben hat.- und da kommt nochmals die deutliche Hoffnung zum Ausdruck (vgl. c3 mit dem Atem desViehs und jenem des Menschen)o also eine Hoffnung, dass der Lebensatem in irgend einer Form bei Gott nichtvergessen wird- und gerade deshalb ist es eben nicht sinnvoll, erst gegen Ende des Lebens, sondern schonin der unbeschwerten Jugend sich eingedenk zu sein, dass man ein Geschöpf Gottes ist, dassman endlich ist und dass man irgendwann dorthin zurückkehrt9.2 abschließender Refrain: 12,8(8) Nichtigkeit der Nichtigkeiten!, spricht der Prediger. Alles ist Nichtigkeit!- die vier Gedichte sind in ihrem Ductus recht klar:o (1) im ersten wird der Mensch im Gesamt des unendlichen Kosmos verorteto (2) im zweiten wird auf das Leben eines Menschen fokussiert insofern er es alsAbfolge von verschiedenen Augenblicken erlebt, und dass er die Fähigkeit hat,etwas über sein Leben hinauszudenken, nie aber in die Zeit Gottes hineino (3) im dritten Ratschläge, wie man gewisse Lebensabschnitte und Augenblickesinnvoll gestalteto (4) im vierten der Fokus auf das Altern und den Tod, das Ende des menschlichenLebens, und dass man dieses Ende während des ganzen Lebens im Blick haben soll- 52 -


Kohelet9.3 Epilog: 12,9-14→ zum Epilog (12,9-14) siehe unter Punkt 1 („Epilog“)10 Septuaginta: theologische Verschiebungen10.1 Grundsätzliches- die Koh-LXX ist in der Wiedergabe des hebräischen Originals sehr treuo dh über weiteste Strecken ist es eine wörtliche Übersetzungo gerade wenn dem so ist, ist es interessant zu fragen, was es dann mit den wenigenaber markanten Unterschieden auf sich hat, denn es ist dann nicht anzunehmen,dass die Unterschiede durch Zufall entstanden sindo das sind dann wohl bewusste Änderungen der Übersetzer im Blick auf ihreLeserschafto dh man will dem eigenen Kreis eine aktuelle und aktualisierte Botschaft ingewissen Punkten mitgeben- das verstärkt sich nochmals, wenn man sich bewusst ist, dass Koh eines jener Bücher ist, dasrecht spät ins Griechische übersetzt wurdeo der Beginn der LXX-Übersetzung ist ins 2. Jhdt. vC zu datieren, dh als man dieTora ins Griechische übersetzt hat, ist Koh gerade seit 20 oder 30 Jahre auf Hebräischentstandeno Koh selber dürfte erst in der 1. Hälfte des 2. Jhdt. nC übersetzt worden sein; in einerZeit, in der christlicherseits bereits ntl Schriften existiereno das hat keinen Einfluss auf Koh, denn die LXX-Übersetzung ist jedenfalls einjüdisches Werk und das in Jerusalem- die LXX betont die Bosheit des Menschen stärker- die Weisheitskritik, die für Koh so prägend ist (auch das ständige Betonen der Grenzen derErkenntnismöglichkeiten), wird in der LXX aufgeweicht, und das Weisheitsideal des Tun-Ergehen-Zusammenhanges wird versucht wiederherzustellen – gerade was Koh eigentlichzu korrigieren versuchtoman betont in der LXX viel mehr die alte Tradition und korrigiert die KritikKOHELETS- das zeigt sich auch beispielsweise an der Aufhebung der grundsätzlichen Opferkritik von4,17o auch diese massive Kritik wird aufgehobenהבל - etwas Fatales für die gesamte Wirkungsgeschichte: die Wiedergabe des markanten[h ä bl; Vergehen] mit , und das heißt nicht Vergehen sondern Leere iSvSinnlosigkeit und Nichtigkeitoooodavon sind auch unsere modernen Bibelübersetzungen beeinflusstfür die lateinische Kirchentradition war ja die Vulgata die maßgeblicheÜbersetzung, und die gibt es mit vanitas wieder, und das wurde interpretiert vielstärker iSv , denn man kann es auch mit „Leere“ und „Sinnlosigkeit“übersetzendiese Wiedergabe von הבל mit gibt dem griechischen Koh einen vieldepressiveren und wesentlich skeptischeren Zug, als es das Hebräische hat, weileben das, was Koh beklagt, das Flüchtige und Vergängliche, als sinnlos und absurdbezeich<strong>net</strong> wirdund so wurde Koh in der christlichen Wirkungsgeschichte als Skeptiker bzw.Ketzer bezeich<strong>net</strong>• als Skeptiker ist Koh in die Weltliteratur eingegangen, so wird er gemeinhinbezeich<strong>net</strong>, und das kommt aber aufgrund der LXX-Version• im Judentum ist Koh, weil SALOMON zugeschrieben, in die Megillotgekommen, und wurde zu Pesach als Festrolle gebraucht, weshalb es im- 53 -


KoheletJudentum außer Diskussion war, während man im Christentum daran festhielt,dass es halt SALOMON zugeschrieben wird• in der Rabbinischen Tradition gibt es ja die Auffassung, SALOMON habe Hldin der stürmischen Jugend geschrieben, Spr in seiner Glanzzeit und Koh als erdem Tod entgegenging10.2 Koh 12,12 LXXVONACH(12) Und darüber hinaus, mein Sohn, vonihnen lass dich warnen: das Büchermachenverbreitet sich ohne Ende, und viel Studierenermüdet das Fleisch.(12) Mein Sohn, hüte dich viele Bücher zumachen! Es gibt kein Ende. Und viel Studiumbedeutet eine Ermüdung des Fleisches.- wir haben eine Umkehrung dessen, was in der hebräischen Version gesagt wirdo der Meister spricht hier seine Schüler an: der Lehrer warnt also die Schüler zuviel zu schreiben, weil es eh kein Ende gibto und hier ist das negativ gesehen, dh man soll sich nicht müde mit Studium machen- die Hebraica sagt gerade, dass es zwar mühevoll, aber sinnvoll ist- Zeitbedingungen: das ist eine Zeit mit quasigöttlichem Kaiserkult, es ist die Zeit dergrößten Welle der apokalyptischen Literatur, wo eigentlich im Judentum recht klar ist,dass diese Situation irgendwann zu Ende sein wird (es gibt keine Kontinuität diesesJerusalems und dieser Welt mehr, und deshalb haben weisheitliche Ratschläge keinen Sinnmehr)- das ist wohl die massivste Änderung im Text, wohl mit den folgeschwerstenKonsequenzenLXX10.3 Koh 12,14 LXXVONACH(14) Denn alle Werke wird der Gott in einGericht führen über alles Verborgene, ob gutoder ob böse.(14) Denn das ganze Tun wird Gott insGericht bringen in allem, was übersehenworden ist, sei es gut oder sei es schlecht.- KOHELET betont, es gibt ein umfassendes Gottesgericht über das gesamte Tun einesMenschen- die LXX schreibt von „übersehen worden ist“: das spitzt die Hoffnung auf einapokalyptisches Eingreifen zu, also jetzt wird endlich die Strafe für das kommen, was indiesem Leben übersehen wurdeo hier geht es um das Übersehene; im Hintergrund steht, dass die treu am GlaubenFesthaltenden belohnt werden und die Römer werden ihre Strafe erfahrenLXX10.4 Koh 3,16-19 LXXVONACH(16) Und weiters betrachtete ich unter derSonne: die Stätte des Gerichts – daselbst istdie Ungerechtigkeit; und die Stätte derGerechtigkeit – daselbst ist dieUngerechtigkeit.(16) Und weiter sah ich unter der Sonne einenGerichtsort. Dort ist der Gottlose. Und einenOrt des Gerechten. Dort ist der Gottlose.- im Hebräischen geht es darum, dass es bei Gericht nicht immer gerecht zugeht, hier aberhaben wir eine Grundsatzaussage, nämlich die menschliches Gericht halten sind pauschalgottlos, weil das natürlich heidnische (römische) Gerichte wareno nicht zur Zeit KOHELETS (da geht es um die eigenen Leute), sondern im 2. Jhdt. nCzur Zeit der ÜbersetzungLXX- 54 -


KoheletVONACH(18) Ich sprach in meinem Herzen betreffs derMenschenkinder, dass der Gott sie aussondertund sieht, dass sie Vieh sind – sie für sich.(18) Dort sagte ich in meinem Herzen überdas Gerede der Menschenkinder: Gott wirdsie beurteilen, und das, um damit zu zeigen,dass sie Vieh sind, auch ihnen.- der hebräische Text sagt, Gott hat den Mensch ausgesondert und der Mensch steht überdem Vieh, aber Gott muss mitansehen, dass die Menschen sich gegenseitig wie Viehbehandeln- in der LXX zeigt Gott den Menschen, dass sie letztlich Vieh sindo diese Nuancen steigern die Bosheit des Menschen – man muss aber diesozialgeschichtlichen Hintergründe vor sich habeno wenn es um die Bosheit geht steht im hebräischen Koh die eigene Autorität mitdem Tempel im Blick, hat der griechische Übersetzer eine von den Römernunterdrückte judäische Minderheit im Blick, und meint mit den bösen Menschenprinzipiell die Römero man sieht, wie andere soziale Umstände den Übersetzer leiten und wie sehr dasdann die Aussage der Übersetzung mitbestimmto und leider hat eher der griechische Text die Wirkungsgeschichte dieses BuchesbeeinflusstVONACH(19) Ja, das Geschick der Menschenkinderund das Geschick des Viehs – aber einGeschick haben sie beide: wie dieses stirbt, sostirbt jener. Und einen Lebensatem habenbeide, und einen Vorzug des Menschengegenüber dem Vieh gibt es nicht, denn beidesind vergänglich.(19) Denn das Geschick der Menschenkinderund das Geschick des Viehs, ein Geschickhaben sie. Wie der Tod diesen trifft, so trifftder Tod jenen, und einen Lebensodem habensie alle. Und was für einen Vorteil hat derMensch vor dem Vieh erlangt? – Keinen, dennalles ist Nichtigkeit.- im Hebräischen heißt es, es gibt ein Geschick des Menschen und eines des Viehs, ein unddasselbe betrifft nur die Sterblichkeit – hier betrifft es alles („ein [!] Geschick“)- wenn hier eine rhetorische Frage gestellt und beantwortet wird, ist das eine massiveÄnderung: der Mensch hat keinen Vorteil, und zwar nicht weil alles vergänglich ist,sondern weil alles nichtig und somit absurd ist (Nichtigkeit ≠ Vergänglichkeit)LXXLXX10.5 Koh 7,17.25 LXXVONACH(17) Sei nicht allzu frevelhaft und sei keinTor; – warum willst du unzeitig sterben?VONACH(17) Sei nicht übermäßig gottlos und sei nichthartherzig, damit du nicht zu deiner Unzeitstirbst.- hier wird aus Torheit Hartherzigkeit, und das ist eine bewusst böse gemeinte menschlicheRegung, es geht um bewusstes böses Handeln(25) Und ich wandte mich – genauer: meinenVerstand – um zu erkennen und zu erforschen– genauer: zu suchen – Weisheit undErgebnis, und um zu erkennenUngerechtigkeit als Torheit und dieUnvernunft als Verblendung.(25) Ich wandte mich um, und zwar meinHerz, um zu erkennen und erforschen und zusuchen Weisheit und Berechnung und zuerkennen eines Gottlosen Torheit undHartherzigkeit und Unruhe.- die Gottlosen (= die Römer); die Hartherzigkeit kommt wieder ins Spiel; und es geht nichtdarum Torheit als Verblendung zu erkennen, sondern bei allen Gottlosen Torheit undHartherzigkeit festzustelleno das ist eine viel stärkere Verurteilung der Gottlosen, und es sind nicht die lauenJudäer gemeint, sondern die RömerLXXLXX- 55 -


Koheletoproblematischerweise wurde dieser Hintergrund in der Wirkungsgeschichte nichterkannt und somit Koh in ein völlig anderes Licht gestellt, als der hebräische Textes nahelegen würde10.6 Koh 8,10-12- die Strafe folgt nicht auf dem Fuß und deshalb neigen die Menschen dazu, weiterhinungerecht zu handelnVONACH(10) Und so habe ich gesehen Ungerechte, diebegraben wurden, und man ist gekommen,aber von einem heiligen Ort gehen undwerden in der Stadt vergessen, die rechtgehandelt haben. Auch dies ist vergänglich.VONACH(10) Und dann sah ich Gottlose, die in dieGräber gebracht wurden, auch vom heiligenOrt gingen sie fort und sie wurden in derStadt gepriesen, dass sie so gehandelt hatten.Auch dies ist Nichtigkeit.- KOHELET nimmt in der Hebraica wahr, dass es sich doch lohnt, gerecht und gottesfürchtigzu leben- in der LXX werden Gottlose nicht nur betrauert, sie werden sogar noch gepriesen; ihreBosheit wird im Nachhinein noch glorifiziert(11) Weil nicht vollstreckt wird ein Urteilüber das böse Tun eilends, deshalb ist voll dasHerz der Menschenkinder in ihnen, Böses zutun, (12) denn ein Sünder tut hundertmalBöses, aber verlängert sein Leben. Aber ichnehme auch wahr, dass es gut sein wird fürdie den Gott Fürchtenden, die fürchtenangesichts seiner.(11) Weil nicht unverzüglich ein Einspruchgeschehen ist gegen diejenigen, die das Bösetun. (12) Derjenige der sündigt, tat das Bösevon jenem Zeitpunkt an und seit seinembisherigen Leben.- hier wird im Gegensatz zum Hebräischen, wo gesagt wird, dass keiner nur böse oder nur gutist, das ins Gegenteil verkehrt und klar gesagt, dass es Menschen gibt, die ab der erstenbösen Tat nur noch böse gehandelt habeno man geht zurück in die Schwarzmalerei des Tun-Ergehen-Zusammenhangs, denKOHELET auflöste, und sagt es gibt solche, die nur böse handelnLXXLXX10.7 Koh 4,17 LXX- das ist eine beachtenswerte Korrektur in einer Zeit, da es den Tempel schon lange nichtmehr gibtVONACH(17) Hüte deinen Fuß, wenn du gehst zumHaus des Gottes, aber nähere dich, um zuhören. Ein Werk der Toren ist ein Opfer, dochsind sie nicht verständig darin, böse zuhandeln.(17) Achte auf deinen Fu, sooft du zum hausGottes gehst und nahe bist, um zu hören!Über dem Geschenk der Toren steht deinOpfer, denn sie verstehen es nicht, Schlechteszu tun.- im Hebräischen geht es darum, wenn man zum Tempel geht soll man das bewusst tun undman soll primär hingehen um zu hören, und Opfer sind Werke der Toren, aber die Torensind nicht verständig darin zu handeln- die LXX sagt, das Opfer des Gottesfürchtigen ist besser als jenes der Toren, dh dieOpferkritik wird völlig aufgelöst und es wird nur unterschieden zwischen dem Opfer einesGottesfürchtigen und dem Opfer eines Toreno und das sagt man 50 Jahre nach der Zerstörung des Tempels, wo die Hoffnungnach einem Wiederaufbau noch vorhanden ist, und wenn nicht hier dann imhimmlischen Jerusalem, und da ist das Opfer die adäquate FormLXX- 56 -


Kohelet10.8 Koh 8,1f LXX- Weisheitskritik und das Hinweisen auf die Grenzen des Weisheitsstreben werdenaufgeweicht bzw. zurückkorrigiert zu einer traditionellen Absolutsetzung von WeisheitVONACH(1) Wer ist wie der Weise und wer kennt dieDeutung eines Wortes? – Die Weisheit einesMenschen erleuchtet sein Angesicht, und dieHärte seines Angesichts wandelt sich.(1) Wer versteht Weise? Und wer kennt dieDeutung eines Wortes? Die Weisheit einesMenschen wird sein Angesicht erleuchten,aber ein Schamloser wird wegen seinesGesichts gehasst werden.- die Hebraica sagt, der Weise kennt die Bedeutung mancher Worte und die Härte wandeltsich, also ein Weiser ist nicht so verzagt- die LXX verstärkt, denn ein „Schamloser“ oder ein „Hassen“ kommt in der Hebraica nichtvoro und hier wird dem Weisen nicht der Tor gegenübergestellt sondern derUnverschämteo der Vorzug der Weisheit wird stärker hervorgehobenVONACH(2) Ich sage: Den Mund des Königs beachte,aber wegen eines Eides eines Gottes erschricknicht vor ihm.(2) Den Mund eines Königs beachte, aberwegen des Wortes eines Gotteseides übereiledich nicht.- Hebraica: grundsätzlich soll man darauf achten was ein König sagt, aber wenn es gegen daseigene Gewissen geht soll man sich hüteno kann man Gott gegenüber nicht vertreten was der König will gibt es eine Grenzen,grundsätzlich aber ist auf das Wort des Königs zu hören, schon allein auslebenspraktischen Gründen- LXX: den König soll man beachten, aber man sei vorsichtig mit Gotteseiden, denn mankann seinem Gewissen gar nicht folgeno hier ist ein stärkerer Fatalismus drinnen, und da spürt man wieder das 2. Jhdt. nC inJerusalem: wenn man überleben will, kann man sich dem Wort des Königs gar nichtentziehen, auch, wenn es vor Gott ganz anders wäreLXXLXX10.9 Koh 10,1 LXXVONACH(1) Eine tote Fliege macht durch Gärung dasÖl des Salbenmischers stinkend,schwerwiegender als Weisheit, als Ehre, istein wenig Unverstand.(1) Todbringende Fliegen werden dieZubereitung des wohlriechenden Öles stinkenlassen. Eine kleine Kostbarkeit von Weisheitist mehr wert als der Glanz großer Torheit.- in der Hebraica wird in einem Bild gesagt, dass nur eine einzige tote Fliege reicht, um denganzen Topf des Salbenmischers stinkend zu macheno mit diesem Bild will ausgesagt werden, dass auch nur ein wenig Unverstandletztlich stärker ist als viel Weisheit und Ehre- in der LXX das Gegenteil, nämlich, dass ein klein wenig Weisheit schwerer wiegt als eineriesige Menge an Torheito hier geht es noch einmal um eine Korrektur eines dem hebräischen KOHELETwirklich wichtigen Anliegen, nämlich, dass Weisheit ihre Grenzen hat, dass vielTorheit verheerend ist und schon ein wenig davon reicht um Weisheit zu zerstöreno und damit wird er wieder völlig schwarz-weiß korrigiert, indem der Wert derWeisheit in einem völlig anderen Licht erscheintLXX- 57 -


Kohelet10.10 Koh 10,10f LXXVONACH(10) Wenn das Eisen stumpf geworden ist undman seine Schneide nicht schärft, muss manvielfache Kraft aufbringen. Ein Vorteil ist es,Weisheit anzuwenden.VONACH(10) Wenn das Eisen herausfällt, und erdarüber in Erregung geraten ist, so wird erKräfte einsetzen müssen. Aber ein Gewinn desTüchtigen ist Weisheit.- hier ist nicht ganz klar, was die LXX meint; vermutlich wird es so gedeutet, dass wenn dasEisen von einer Axt herunterfällt wird man Kräfte einsetzen müssen, und es bringt wenig sichdarüber zu ärgern, sondern der Weise richtet es halt wieder(11) Wenn die Schlange vor der Beschwörungbeißt, hat der Schlangenbeschwörer keinenVorteil.(11) Wenn die Schlage beißt während keinGemurmel des Schlangenbeschwörers ist,fürwahr, derjenige hat keinen Gewinn dervorsingt.- da wird das noch ein bisschen verschärft, und die Dummheit des Schlangenbeschwörersstärker hervorgehobenLXXLXX10.11 Fazit der LXX-Verschiebungen- VONACH möchte damit zeigen:o (1) wie sehr die eigene Erfahrung und das gesellschaftliche Milieu und das Umfeldüberhaupt Einfluss auf die Übersetzung haben kann und hato (2) wie sehr, bis herauf ins 20. Jhdt., in der Rezeption von KOHELET (wie beianderen Büchern auch) letztlich die LXX-Version das Verständnis dieser Schriftals Ganzer geprägt hat, va im Christentum- 58 -

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