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Untitled - Carl Bechstein Gymnasium

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Rütgers bezog das Teeröl von seinem englischen Lizenzgeber Bethell zu<br />

seinem bis 1860 auf 1 Thaler und 25 Silbergroschen pro Centner franco<br />

Breslau ansteigenden Preis (~110 M/t) [1]. Anderseits waren nach<br />

englischen Vorbild seit 1825 auch in Deutschland zahlreiche<br />

Leutgasanstalten in Betrieb gegangen, bei denen Steinkohlenteer als<br />

lästiges Abfallprodukt anfiel. 1825 nahm die englische Gasgesellschaft<br />

Imperial Continental Gas Association das erste deutsche Gaswerk zur<br />

Stadtbeleuchtung in Hannover in Betrieb (das Königreich Hannover stand<br />

damals nach Wiener Kongress unter englischem Einfluss). Ein Jahr später<br />

errichtete die gleiche englische Gesellschaft die erste Gasanstalt in Berlin,<br />

der bis 1860 vier weitere folgten. Der Steinkohlenteer wurde in der Regel als<br />

Abfall in Fässern auf Schiffen verladen und ins Meer versenkt. [5]<br />

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in Deutschland 869<br />

Gaswerke, davon die meisten in den größeren Städten und Gemeinden [5].<br />

Der Teeranfall betrug 1860 rund 12.000 t und stieg bis zur<br />

Jahrhundertwende auf rund 100.000 t/a, hinzu kam ab 1883 Kokereiteer,<br />

von dem bis Ende des 19.Jahrhunderts etwa 30.000 t/a produziert wurden<br />

[1]. 1842 errichtete der Liebig-Schüler Ernst Sell in Offenbach am Main die<br />

erste Teerdestillation zur Produktion von organischen Chemikalien (später<br />

ein Werk der Hoechst AG).<br />

Die chemische Aufklärung des Steinkohlenteers hatte in der Zwischenzeit<br />

begonnen. Daran waren insbesondere auch deutsche Chemiker beteiligt wie<br />

Friedlieb Ferdinand Runge (1794-1867) und August Wilhelm (von) Hofmann<br />

(1818-1892). Die Gewinnung aromatisch-organischer Grundstoffe aus<br />

Steinkohlenteer gewann zunehmende Bedeutung durch die Erfindung der<br />

künstlichen Farbstoffe, die nach ihrem Rohstoff über 100 Jahre lang<br />

"Teerfarben" genannt wurden. Die ersten dieser Farbstoffe wurden zufällig<br />

entdeckt: 1856 der Viloettfarbstoff Mauvein durch den Hofmann-Schüler<br />

William Henry Perkin in England und 1859 der Rotfarbstoff Fuchsin durch<br />

den Franzosen Francois E. Verguin. In beiden Fällen war Anilinöl aus<br />

Steinkohlenteer der Ausgangsstoff der Synthese [6]. Durch die Entdeckung<br />

der Teerfarben stieg der Handelwert des Steinkohlenteers bis zur<br />

Jahrhundertwende z.B. auf 23 M/t. Die schlesische "Friedrich-Wilhelm-<br />

Universität zu Bresslau" (Academia Viadrina Wratislaviensis) war von 1823<br />

bis 1840 die Wirkungstätte von Runge, der dort als Profesor der Chemie<br />

lehrte und forschte, 1831 Anilin und Phenol im Steinkohlenteer entdeckte<br />

und damit Breslau eine berühmte Studien- und Forschungsstätte der<br />

Steinkohlenteerchemie begründete. Dem langjährigen Wahl-Breslauer Julius<br />

Rütgers war all dies mit Sicherheit bekannt geworden und motivierte<br />

zusätzlich seine Pläne zum Bau von Teerraffinerien.

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