Untitled - Carl Bechstein Gymnasium
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5 Erkner wird Standort der ersten Rütger-Teerraffinerie<br />
Experimente zur Technik begann Rütger natürlich in Breslau. Im Jahre 1858<br />
hatte er hier nach dem Vertragsabschluss mit der Oberschlesischen<br />
Eisenbahn-Gesellschaft sein 15. Imprägnierwerk errichtet (siehe Tabelle 1).<br />
Auf dessen Gelände ließ er auch eine Destillationsretorte für Steinkohlenteer<br />
installieren und in Betrieb nehmen. Nahe gelegene Gaswerke lieferten den<br />
Rohstoff, und die Teerchemie-Arbeitsgruppe der Universität Breslau war<br />
auch nicht fern.<br />
Der Autodidakt Rütgers ließ sich gern chemisch und verfahrenstechnisch<br />
beraten. Zu einem ersten industriellen Standort einer Teerraffinerie gehörte<br />
aber noch mehr.<br />
Die preußische Hauptstadt Berlin verfügte ebenfalls über eine Universität mit<br />
einer ausgezeichneten chemischen Forschung und Lehre. Professor für<br />
chemische Umwandlung von Steinkohlenteer-Inhaltsstoffen wie Benzol und<br />
Naphthalin erforscht und damit die ersten Grundlagen zur Synthese von<br />
Teerfarben geschaffen [7]. Aus seiner Schule waren bisher ideenreiche und<br />
tüchtige Chemiker zu erwarten, die für die Weiterentwicklung von Verfahren<br />
zur Raffination von Steinkohlenteer prädestiniert waren.<br />
Julius Rütgers wusste aufgrund seiner Lebenserfahrungen neben<br />
beratenden Forschern in seinen Fabriken gute Mitarbeiter zu schätzen.<br />
Berlin und seine Umgebung erschienen ihm aus dieser Sicht besonders<br />
geeignet, weil hier im Zentrum des preußischen Königreichs traditionell<br />
tüchtige Menschen gleich welcher Herkunft willkommen waren und vom<br />
Staat gefördert wurden (Beispiele sind die Hugenotten und pfälzischen<br />
Siedler).<br />
Im Jahre 1826 hatte Berlin die englische Gesellschaft Imperial Continental<br />
Gas Association nach Hannover ihr zweites deutsches Gaswerk in Betrieb<br />
genommen [5], dem in der Zwischenzeit in der Stadt und seiner urbanen<br />
Umgebung weitere gefolgt waren. Steinkohlenteer stand hier<br />
transportgünstig zur Verfügung zumal zu den zahlreichen Wasserwegen<br />
auch ein leistungsfähiges Eisenbahnnetz entstanden war ( 1842 Eröffnung<br />
der Eisenbahnlinie Berlin-Frankfurt/Oder).<br />
An dieser Eisenbahnlinie baute Rütgers 1859 in weiterer Vorbereitung seiner<br />
Teerraffinationspläne dann beim Bahnhof Erkner eine kleine<br />
Imprägnieranstalt (siehe Tabelle 1), in der seine Erwartungen hinsichtlich<br />
des Berliner Umfelds voll bestätigt wurden. Landerwerb (von einem "Büdner"<br />
Buchholz), Baupläne und Genehmigungsverfahren für die Teerdestillation<br />
folgten im nächsten Jahr 1860 war alles vollbracht, und im Folgejahr lief die<br />
Teerdestillation an. Rütgers verarbeitete ab nun nicht mehr teures<br />
englisches, sondern kostengünstig selbst erzeugtes Imprägnieröl.