Profil 1/2000 kompl.1-26 - KSPG AG
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Das <strong>Profil</strong> 1/<strong>2000</strong> Die Reportage<br />
Seite 21<br />
Die Umweltpolitik der Unternehmen hat sich in den vergangenen zehn Jahren von<br />
einem nachgeschalteten, technikzentrierten Umwelt-„Schutz“ zu einer Überprüfung<br />
der Effizienz bestehender Managementsysteme entwickelt. In diesem Zusammenhang<br />
hat der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen für die Einführung von Öko-Auditund<br />
Umweltmanagementsystemen definiert. Die „EG-Öko-Audit-Verordnung“ (EMAS =<br />
Environmental Management and Audit Scheme) aus dem Jahr 1993 markiert den Beginn<br />
einer neuen umweltpolitischen Ära: der durch Gesetz angestoßenen, freiwilligen Selbstregulierung.<br />
Die wesentlichen Aspekte moderner Umweltmanagementsysteme liegen<br />
heute weniger in der Betriebstechnik als vielmehr in aufbau- und ablauforganisatorischen<br />
Das Projekt Öko-Audit bei Hirschmann<br />
Umweltschutz als<br />
Unternehmensziel<br />
Neckartenzlingen/Düsseldorf. Am<br />
Standort Neckartenzlingen, der 1956<br />
zunächst als reines Produktionswerk<br />
gegründet wurde, sind heute rund<br />
1400 Mitarbeiter beschäftigt. Unter<br />
anderem werden eine Galvanik, eine<br />
mechanische Fertigung, drei Grundwasserbrunnen,<br />
drei immissionsschutzrechtlich<br />
relevante Anlagen, sieben<br />
Gefahrstofflager, ein 340 000 Liter<br />
fassender Heizöltank, eine Pumpstation<br />
und ein Waschplatz betrieben.<br />
Bereits vor dem eigentlichen Öko-<br />
Audit verfügte das Unternehmen in<br />
Teilbereichen über ein Umweltmanagementsystem.<br />
Die wesentlichen<br />
umwelttechnischen Voraussetzungen<br />
dieser Anlagen waren dadurch<br />
bereits vor dem Pilotstart erfüllt. So<br />
machte beispielsweise schon 1997 die<br />
Umsetzung der Verordnung zum Umgang<br />
mit wassergefährdenden Stoffen<br />
Investitionen in Millionenhöhe notwendig.<br />
Daraus erklärt sich, daß mit<br />
dem Öko-Audit des Jahres 1998 letztlich<br />
keine wesentlichen Investitionen<br />
verbunden waren.<br />
Der Weg zum Öko-Audit: In den achtziger<br />
Jahren stiegen die gesetzlichen<br />
Auflagen zum betrieblichen Umweltschutz<br />
sprunghaft an. Ein wichtiges<br />
Thema war in dieser Zeit die Entsorgungssituation,<br />
deren Verschärfung<br />
manchen Industriebetrieb am Ende<br />
dieser Dekade vor große Probleme<br />
stellte. Über eine Diplomarbeit ließ<br />
Hirschmann frühzeitig diese Problematik<br />
für den Standort Neckartenzlingen<br />
insgesamt untersuchen. 1990 fiel<br />
die Entscheidung, eine eigenständige<br />
Umweltschutzabteilung einzurichten.<br />
Mitte der neunziger Jahre wird das<br />
Öko-Audit zu einem Thema in der<br />
öffentlichen Diskussion. Auf Initiative<br />
der EU-Kommission wurde 1993<br />
zunächst die EG-Öko-Audit-Verordnung<br />
verabschiedet, 1996 folgte dann<br />
die DIN EN ISO 14001.<br />
Bereits relativ<br />
früh startete Hirschmann<br />
1995 ein<br />
Pilotprojekt zum<br />
Thema Öko-Audit<br />
und Stoffstrombetrachtung.<br />
In Zusammenarbeit<br />
mit<br />
der AbfallberatungsagenturBaden-Württemberg<br />
wurde das Unter- Raffael Semar<br />
nehmen und sein damals noch in den<br />
Anfängen befindliches Umweltmanagementsystem<br />
sechs Monate lang untersucht.<br />
Eine Validierung oder Zertifizierung<br />
durch einen externen Auditor war<br />
zu diesem Zeitpunkt nicht vorgesehen.<br />
Die Ergebnisse dieser ersten umfassenden<br />
Bestandsaufnahme des<br />
Umweltschutzes im Werk Neckartenzlingen<br />
flossen in das bestehende Umweltmanagementsystem<br />
ein. Auswirkungen<br />
auf die Arbeit der anderen Abteilungen<br />
am Standort waren zu dieser<br />
Zeit noch eher indirekter Natur.<br />
In den folgenden Jahren stieg die<br />
Zahl der Kundenanfragen zum Thema<br />
Umweltschutzmanagementsystem<br />
rasch an. Seit etwa 1997 hatte das<br />
Öko-Audit wesentlich an Bedeutung<br />
gewonnen. Der Markt forderte immer<br />
öfter ein zertifiziertes Umweltschutzmanagementsystem.<br />
Im Dezember<br />
1997 entschloß sich Hirschmann<br />
daher, das vorhandene System<br />
durch einen externen Auditor überprüfen<br />
zu lassen.<br />
Die Entscheidung, ob die Überprüfung<br />
nach EG-Öko-Audit-Verordnung<br />
oder nach DIN EN ISO 14001 stattfinden<br />
sollte, fällte man angesichts der<br />
weitgehenden Übereinstimmung der<br />
Systeme und der schwer einschätzbaren<br />
weiteren Entwicklung salomonisch<br />
und wählte beide.<br />
Der Startschuß zum Pilotprojekt Öko-<br />
Audit fiel im Januar 1998. Ziel war sowohl<br />
die Validierung nach der EG-Öko-<br />
Audit-Verordnung als auch die Zertifizierung<br />
nach DIN EN ISO 14001, jeweils<br />
im Oktober 1998. Die Vorbereitungen<br />
erforderten umfangreiche<br />
Detailarbeiten, für die jedoch zunächst<br />
noch keine Zuständigkeiten<br />
festgelegt waren. Unterstützt wurde<br />
der Umweltschutzbeauftragte durch<br />
einen Praktikanten.<br />
Aufgrund des straffen Zeitplans des<br />
Projektes empfahl sich der Einsatz eines<br />
externen Beraters. Die ausgewählte<br />
Beraterin hatte als zugelassene Umweltgutachterin<br />
zuvor bereits mehr als<br />
zehn Öko-Audits durchgeführt und<br />
kannte die Forderungen und Sachzwänge<br />
eines Auditors aus eigener Anschauung.<br />
Entgegen dem ursprünglichen Konzept<br />
der Beraterin, das einen Drei-Phasenplan<br />
vorsah, erwies es sich aus<br />
Gründen der besseren Synchronisation<br />
mit dem bestehenden Umwelt-<br />
Parameter EG-ÖKO-Audit-Verordnung DIN EN ISO 14001<br />
Gültigkeit EU weltweit<br />
Rechtsstatus EU-Verordnung<br />
(auf freiwillliger Basis)<br />
Norm<br />
Bezug Standort Unternehmen<br />
Kommunikation<br />
nach außen<br />
Umwelterklärung nicht geregelt<br />
Prüfung des Umwelt- Begutachtung durch zuge- Zertifizierung durch akkreditierten<br />
managementsystems lassenen Umweltgutachter Auditor<br />
Prüfungsintervalle alle drei Jahre alle drei Jahre<br />
(geplant jährlich) jährliches Überwachungsaudit<br />
Unternehmensgrundsätze<br />
Umweltpolitik Umweltpolitik<br />
Verbesserung des<br />
Umweltschutzes<br />
kontinuierliche Verbesserung kontinuierliche Verbesserung<br />
Technologie Verpflichtung zur wirtschaftlich Organisation kann die Anwendung<br />
vertretbaren Anwendung der der besten verfügbaren Technik<br />
besten verfügbaren Technik vorsehen, soweit dies wirtschaftlich<br />
vertretbar, kostensparend und<br />
geeignet ist.<br />
Gesetze Verpflichtung zur Einhaltung Verpflichtung zur Einhaltung der<br />
der Umweltschutzgesetze Umweltschutzgesetze<br />
Unsere Grafik skizziert die beiden heute geltenden Umwelt-Audit-Verordnungen.<br />
managementsystem als sinnvoller,<br />
lediglich die darin noch fehlenden Elemente<br />
zu ergänzen. Wichtig bei dieser<br />
Arbeit war – neben dem primären Ziel,<br />
der erfolgreichen Auditierung – die Zeit<br />
nach Erlangung des Öko-Audits nicht<br />
aus den Augen zu verlieren. Es mußte<br />
sichergestellt werden, daß dieses System<br />
nach dem eigentlichen Audit<br />
auch ohne Berater und mit möglichst<br />
geringem Pflegeaufwand funktioniert.<br />
Im Unterschied zum Pilotprojekt des<br />
Jahres 1995 konnte das Projekt Öko-<br />
Audit nicht mehr allein von der Abteilung<br />
Umweltschutz durchgeführt werden.<br />
Der gesamte Standort mußte je<br />
nach Umweltrelevanz der Teilbereiche<br />
mehr oder weniger in die Vorbereitungen<br />
einbezogen werden. Um<br />
dennoch die Mitarbeiter zeitlich so<br />
wenig wie möglich zu beanspruchen,<br />
wurden vier Projektteams gebildet.<br />
★ Das Kernteam, bestehend aus der<br />
Beraterin, dem Praktikanten, der Abteilung<br />
Arbeitssicherheit und der Abteilung<br />
Umweltschutz, leitete und<br />
koordinierte das Projekt.<br />
★ Im Team Fertigung arbeiteten Vertreter<br />
der verschiedenen Fertigungsbereiche,<br />
der Leiter der Haustechnik<br />
und der Leiter der Entsorgung zusammen.<br />
Hauptaufgaben dieses<br />
Teams waren die Erfassung aller<br />
umweltrelevanten Anlagen und Tätigkeiten.<br />
Im weiteren Verlauf des Projek-<br />
Breitgefächertes<br />
Nutzenpotential<br />
Neckartenzlingen. Raffael Semar hat<br />
als Umweltschutzbeauftragter von<br />
Hirschmann das Öko-Audit-Projekt am<br />
Standort Neckartenzlingen durchgeführt.<br />
„Das <strong>Profil</strong>“ fragte den 36jährigen<br />
Umweltexperten, in welchem Verhältnis<br />
Aufwand und Nutzen beim<br />
Öko-Audit stehen.<br />
Semar: Ein Öko-Audit besteht man<br />
nicht „so nebenbei“. Neben den<br />
externen Kosten des Auditors, des<br />
Beraters und der Erstellung der Umwelterklärung<br />
entstehen selbstverständlich<br />
Mehrkosten durch die zeitliche<br />
Bindung der Mitarbeiter in den<br />
Projektteams und für notwendige interne<br />
Schulungen. Außerdem können<br />
sich die Kosten erhöhen, wenn tech-<br />
Verbesserungen, einer stärkeren Gewichtung der Faktoren „Führung“ und „Mensch“ sowie<br />
in der Sicherstellung einer in Zielen definierten Umweltqualität. Durch das Öko-Audit<br />
wird der Umweltschutz von der bisher vorherrschenden produktorientierten Betrachtungsebene<br />
auf die Ebene des Gesamtunternehmens gehoben. Als einer der ersten<br />
Standorte im Rheinmetall-Konzern wurden die beiden Hirschmann-Werke in Neckartenzlingen<br />
und im österreichischen Rankweil (Vorarlberg) sowohl nach der EG-Öko-Audit-<br />
Verordnung als auch nach DIN EN ISO 14001 validiert bzw. zertifiziert. Unser Beitrag<br />
beschreibt am Beispiel des Hirschmann-Firmensitzes in Neckartenzlingen den Weg von<br />
den Anfängen bis zum bestandenen Öko-Audit.<br />
Mit der modernen Kreislaufwasseranlage, die im April 1999 am Standort Neckartenzlingen in Betrieb genommen wurde,<br />
konnte der Wasserverbrauch in der Galvanik um 20 Prozent reduziert werden. Im Bild: Betriebschemikerin Monika Kegler.<br />
tes wurden die Mitarbeiter dieser Bereiche<br />
auf das Öko-Audit vorbereitet.<br />
★ Das Team Entwicklung bestand aus<br />
Vertretern der vier Entwicklungsabteilungen.<br />
Aufgabe dieses Teams war die<br />
Integration des Umweltschutzes in die<br />
bereits bestehenden Produktentstehungsabläufe.<br />
★ Über das Team Allgemeine Aufgaben<br />
waren Vertreter der EDV, des Einkaufs,<br />
des Qualitätswesens, der<br />
Öffentlichkeitsarbeit und des Personalwesens<br />
je nach ihrer Tätigkeit in<br />
das Projekt mit eingebunden.<br />
In acht Schulungsveranstaltungen<br />
wurden zunächst alle Führungskräfte<br />
von der Geschäftsführung bis zur mittleren<br />
Führungsebene mit dem<br />
Umweltmanagementsystem vertraut<br />
gemacht.<br />
Das klare Bekenntnis der Geschäftsführung<br />
zum Projekt und die Moderation<br />
der „unparteiischen“ Beraterin<br />
halfen bei Problemen, die durch die<br />
Veränderung von gewohnten Abläufen<br />
und die zeitliche Bindung von Mitarbeitern<br />
in einzelnen Fällen auftraten.<br />
Oft gelang es dabei, auftretende<br />
Konflikte als „kreativen Prozeß“ zu<br />
verstehen und dadurch das Projekt<br />
schrittweise voranzubringen.<br />
Alle Mitarbeiter wurden von ihren<br />
Vorgesetzten geschult, Schulungsdauer<br />
und Intensität dabei der jeweiligen<br />
nische Maßnahmen notwendig werden.<br />
Das <strong>Profil</strong>: In welcher Größenordnung<br />
liegen die tatsächlichen Kosten?<br />
Semar: Wir wissen aus einer Auswertung<br />
des Hessischen Förderprogramms<br />
1994, daß die Kosten bei einer<br />
durchschnittlichen Durchführungszeit<br />
von sechs Monaten je nach Betriebsgröße,<br />
Personalausstattung und bereits<br />
geleisteten Vorarbeiten zwischen<br />
50 000 und 250 000 Mark liegen.<br />
Das <strong>Profil</strong>: Und welcher Nutzen steht<br />
dem gegenüber?<br />
Semar: Meßbare positive Auswirkungen<br />
sind kurzfristig im Rationalisierungs-<br />
und Kosteneinsparungspotential<br />
zu sehen. Erhebliche Kosten<br />
lassen sich zum Beispiel beim Energie-<br />
und Materialeinsatz einsparen.<br />
Darüber hinaus entstehen eindeutige<br />
Marketingvorteile. Eher langfristige<br />
Tätigkeit und ihrer Bedeutung für die<br />
Umwelt angepaßt.<br />
Ein Qualitätsmanagementsystem<br />
nach DIN EN ISO 9001 – und für bestimmte<br />
Automotive-Bereiche zusätzlich<br />
nach VDA 6.1 und QS 9000 – war<br />
bereits eingeführt. Das Umweltmanagementsystem<br />
konnte hier weitgehend<br />
integriert werden.<br />
Das Öko-Audit nach EU-Öko-Audit-<br />
Verordnung und DIN EN ISO 14001<br />
wurde im Oktober 1998 von zwei Umweltgutachtern<br />
über drei Tage durchgeführt<br />
und mit lediglich drei nicht kritischen<br />
Abweichungen erfolgreich bestanden.<br />
Zwischenzeitlich fand bereits<br />
das erste Überwachungsaudit nach<br />
DIN EN ISO 14001 statt, das ohne festgestellte<br />
Abweichungen abgeschlossen<br />
werden konnte.<br />
„Der Umweltschutz ist ein zentraler<br />
Bestandteil unserer Unternehmenspolitik.<br />
Mit unserem Umweltprogramm<br />
haben wir uns zur Durchführung konkreter<br />
Maßnahmen verpflichtet, um so<br />
unsere Umweltschutzleistungen kontinuierlich<br />
zu steigern“, erklärt Dipl.-<br />
Kfm. Karsten Odemann, Mitglied der<br />
Hirschmann-Geschäftsführung und<br />
Managementbeauftragter für den Umweltschutz.<br />
„Unsere Umwelterklärung<br />
fördert darüber hinaus den ehrlichen<br />
Dialog mit der Öffentlichkeit.“<br />
Wolfgang Dommershausen<br />
Wirkung haben die erreichbaren<br />
Wettbewerbsvorteile, das erhebliche<br />
Kommunikationspotential, aber auch<br />
die Risikominimierung und die größere<br />
Rechtssicherheit.<br />
Das <strong>Profil</strong>: Wie wird sich das Öko-Audit<br />
in der Zukunft entwickeln?<br />
Semar: Für international ausgerichtete<br />
Unternehmen wird die DIN EN ISO<br />
14001 immer mehr an Bedeutung gewinnen.<br />
Gelebte und in die vorhandenen<br />
Strukturen integrierte Umweltmanagementsysteme<br />
mit schlanker<br />
Dokumentation werden weiterhin<br />
ihren Zweck als Steuerungsinstrument<br />
für das Management erfüllen. Allerdings<br />
müssen die künftig entstehenden<br />
Managementsysteme wie zum<br />
Beispiel Arbeitsssicherheit- und<br />
Gesundheitsschutz-Managementsysteme<br />
mit den bereits vorhandenen<br />
Qualitäts-Managementsystemen verbunden<br />
werden. do