Grundvorlesung Allgemeine Mikrobiologie
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<strong>Grundvorlesung</strong> <strong>Allgemeine</strong> <strong>Mikrobiologie</strong><br />
Als physikalischer Reiz ist das Licht recht weit verbreitet; die Reaktion darauf nennen wir Phototaxis.<br />
Bakterien bewegen sich meist durch Rotation der Flagellen im Uhrzeigersinn fort. Die Geißeln eines Endes<br />
werden bei dieser Bewegung zu einem Schopf zusammengewunden. Dadurch werden die Bewegungen der<br />
Geißeln in gewisser Weise koordiniert, und das Ergebnis ist eine gerichtete Bewegung. Gelegentlich wird<br />
diese gerichtete Bewegung durch Schlagen der Geißeln im Gegenuhrzeigersinn unterbrochen. Die<br />
Drehrichtung hat sich umgekehrt, und die Bakterien geraten in eine taumelnde Bewegung, die es den<br />
Bakterien erlaubt, ihre Fortbewegungsrichtung zu wechseln. Wenig später wird dann die Bewegung der<br />
Geißeln im Uhrzeigersinn wieder aufgenommen, so daß wieder eine längere Strecke gerichtet zurückgelegt<br />
wird. Der Trick mit der Chemotaxis liegt darin, daß die Bakterien den koordinierten Geißelschlag in der<br />
gewünschten Richtung länger aufrecht erhalten als in allen anderen Richtungen. Netto resultiert aus dieser Art<br />
von Intervalltraining mit einer zufälligen Taumelbewegung nach jeder Sprint−Einlage eine Bewegung in<br />
Richtung auf das gewünschte Ziel.<br />
Bakterien können auf vielfältige chemische Reize reagieren. Die zugehörigen Substanzen nennen wir<br />
Chemo−Effektoren. Solche Effektoren binden an spezifische Rezeptoren im periplasmatischen Raum oder<br />
an der Cytoplasmamembran.<br />
Unabhängig von den Geißeln, die der Fortbewegung dienen, gibt es noch weitere Anhängsel, die ganz ähnlich<br />
aufgebaut sind, die aber unbeweglich sind. Diese Strukturen nennen wir Pili (Einzahl: der Pilus). Die Pili<br />
dienen zum Anheften von Bakterien an Partner mit denen sie genetisches Material austauschen. Da dies ein<br />
prinzipiell sexueller Vorgang ist, werden solche Anhängsel auch Sex−Pili genannt. Auch zum Anheften der<br />
Bakterien an Oberflächen, die besiedelt werden sollen, sind Pili nützlich. Zusätzlich dienen sie noch als<br />
Anheftungsstellen für manche Bakteriophagen. Bakteriophagen sind die Viren der Bakterien: Auch<br />
Bakterien können krank werden.<br />
Endosporenbildung: das Notfallprogramm zum Überleben<br />
Manche Bakterien können auch unter extrem ungünstigen Umweltbedingungen das Überleben garantieren,<br />
indem sie Dauerformen, die sogenannten Sporen bilden. Ungünstige Umweltbedingungen sind sicherlich<br />
große Hitze und besonders das Austrocknen. Bakterielle Sporen gehören zu den Trocken− und<br />
Hitze−resistentesten Lebensformen, die wir kennen. Sie werden innerhalb der Mutterzellen gebildet und<br />
werden daher Endosporen genannt.<br />
Die Sporenmutterzelle, die wir in diesem Zusammenhang auch die vegetative Zelle nennen, fängt an zu<br />
sporulieren, sobald sie das Signal 'schlechte Bedingungen' bekommen hat. Im Lichtmikroskop erkennen Sie<br />
die Sporulation daran, daß sich ein helles, also stark Licht−brechendes Körperchen bildet. Diese Endosporen<br />
sind ziemlich komplizierte Gebilde. Eine Kopie der DNA wird an einen Pol der Zelle gebracht. Die<br />
Plasmamembran stülpt sich dann an dieser Stelle ein. Im Gegensatz zur normalen Zellteilung, die immer in<br />
der Mitte der Zelle angelegt wird, wird diese Membran unsymmetrisch eingezogen. Schließlich wird die<br />
Region der zukünftigen Spore ganz von einer Doppelmembran umgeben. Zwischen innerer und äußerer<br />
Membran wird dann die Wand der zukünftigen Spore, das Exosporium angelegt. Die äußere Membran bleibt<br />
nicht erhalten. Innerhalb des Exosporiums liegt die Sporenwand, deren äußere Schicht aus Proteinen<br />
aufgebaut ist. Diese Schicht umgibt den Cortex der Spore, der aus einem speziellen Peptidoglycan aufgebaut<br />
ist. Während dieser Wandbildung wird das Cytoplasma im Innern immer weiter kondensiert und entwässert.<br />
Von irgendeinem Zeitpunkt an wird die Spore refraktil. Dieser Zeitpunkt koinzidiert mit der Fähigkeit zur<br />
Hitzeresistenz. Begleitet wird dieser Vorgang von der Einlagerung von Dipicolinsäure und von<br />
Calcium−Ionen im Innern der Spore. Schließlich löst sich die Sporenmutterzelle auf (Autolysis) und die<br />
Spore wird in die Umgebung entlassen.<br />
Beachten Sie bitte, daß die Endosporenbildung nichts mit Vermehrung zu tun hat, wohl aber in sehr effizienter<br />
Weise mit der Verbreitung der Sporen. Die fertigen Endosporen enthalten nur noch 15% Wasser, haben<br />
keinen nachweisbaren Stoffwechsel mehr und können viele Jahre überleben.<br />
Endosporenbildung: das Notfallprogramm zum Überleben 20