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Grundvorlesung Allgemeine Mikrobiologie

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<strong>Grundvorlesung</strong> <strong>Allgemeine</strong> <strong>Mikrobiologie</strong><br />

Der zweite sehr alte Aspekt der <strong>Mikrobiologie</strong> neben der Beschäftigung mit den Infektionskrankheiten ist die<br />

Biotechnologie. Glauben Sie bitte nicht, dies sei etwas Modernes. Seit Jahrtausenden hat die Menschheit in<br />

vielen angewandten Bereichen ein sehr fundiertes operationales Wissen. Denken Sie nur an die<br />

Fermentationsprozesse bei der Käseherstellung. Oder an die Herstellung solcher lebenswichtigen Dinge wie<br />

Wein und Bier. Vermutlich gibt es keine Kultur in der Menschheitsgeschichte, die nicht eine reproduzierbare<br />

Methode zur alkoholischen Gärung erfunden hätte. Auch zu diesem Bereich lohnt sich ein Durchblättern des<br />

Alten Testaments (Noah und der Wein).<br />

Machen wir den Sprung in die Neuzeit. Die beiden großen Mikrobiologen des 17. Jahrhunderts sind der<br />

Engländer Robert Hooke (1635−1703) und Anton van Leeuwenhoek aus Holland (1632−1732). Hooke war<br />

Kurator an der Royal Society of London und hatte sich ein kompliziertes, zusammengestztes Mikroskop<br />

gebaut, mit dem er auf die Jagd nach kleinen Organismen ging. Die Ergebnisse dieser Studien wurden dann in<br />

dem berümt gewordenen Buch 'Micrographia' publiziert. Aus diesem Buch ist besonders eine Zeichnung sehr<br />

bekannt geworden, die die Sporenbehälter bestimmter Schimmelpilze abbildet. Leider taugte Hooke's<br />

Mikroskop nicht viel, so daß er die einzelne Pilzsporen in den Sporenbehältern nicht sehen konnte. Auch<br />

Bakterien hat er mit Sicherheit nie gesehen. Sein Mikroskop war gemessen an der damals möglichen Präzision<br />

beim Linsenschleifen viel zu kompliziert.<br />

Das gelang aber seinem Zeitgenossen van Leeuwenhook aus Delft. Dieser Mann war ein Pedant, der die<br />

besten Mikroskope baute, die mit dem damaligen Glas und der damaligen Mechanik überhaupt möglich<br />

waren. Es waren extrem einfache Mikroskope mit nur einer einzigen Linse, die aber eine so große Auflösung<br />

hatten, daß van Leeuwenhoek wirklich einzelne Bakterienzellen sehen konnte. Die Untersuchungsobjekte<br />

wurden auf eine verstellbare Nadel vor einer erstklassigen, mit viel Akribie geschliffenen Linse gesteckt. Die<br />

Proben konnte er dann sehen, indem er das Mikroskop an sein Auge hielt und im richtigen Winkel eine<br />

Lichtquelle anvisierte. Damit erhielt van Leeuwenhoek eine Art Dunkelfeldbeleuchtung, in der sich die<br />

Mikroben als helle Objekte vor dunklem Hintergrund kontrastieren ließen.<br />

Unter anderem fragte sich van Leeuwenhoek, warum der Pfeffer scharf schmeckt. Eine wissenschaftlich<br />

haltbare Antwort auf diese Frage hat er nie gefunden. Er hatte aber eine Hypothese, die er mit seinen<br />

Mikroskopen überprüfen wollte. Sie sehen, van Leeuwenhoek war ein sehr moderner Mann. Er dachte, der<br />

scharfe Geschmack könnte von kleinen 'animacules' im Pfeffer verursacht werden. Er suspendierte also<br />

gemahlenen Pfeffer in Wasser und mikroskopierte. Zunächst sah er nichts. Da er aber ein sehr pedantischer<br />

Analytiker war, schaute er dieselbe Suspension immer wieder an, bis er am zehnten Tag eine Vielzahl von<br />

Mikroorganismen wahrnahm, die sich zum Teil heftig bewegten. Anhand seiner Zeichnungen und<br />

Größenabschätzungen können wir noch heute nachvollziehen, daß van Leeuwenhoek zum erstenmal in der<br />

Menschengeschichte Bakterien gesehen hat. Was er damals leider nicht begriffen hat war der Unterschied<br />

zwischen Ursache und bloßer Korrelation.<br />

Über diese und andere Beobachtungen berichtete van Leeuwenhoek über einen Zeitraum von 50 Jahren an die<br />

Royal Society in London. Manche der englischen Wissenschaftler glaubten ihm, andere nicht. Das lag unter<br />

anderem daran, daß niemand, auch nicht Hooke, in der Lage war, Mikroskope von derart exzellenter optischer<br />

Qualität zu bauen.<br />

In den Biowissenschaften war das folgende 18. Jahrhundert geprägt von der Grundsatzfrage nach der<br />

Entstehung des Lebens. Gibt es eine Urzeugung aus totem Material? Geht alles Leben auf die Schöpfung<br />

zurück? Das war wahrscheinlich die brennendste Frage dieser Zeit.Das klassische Experiment jener Zeit war<br />

Spallanzani's Hosenfrosch−Versuch.<br />

Die Hosenfrösche des Lazzaro Spallanzani<br />

Zur Lösung der Fortpflanzungsrätsel trugen van Leeuwenhoeks Beobachtungen zunächst nicht viel bei. Nach<br />

wie vor ging der internationale Streit zwischen Anhängern der Urzeugungstheorie und diverser anderer<br />

Theorien hin und her. Welche Argumente metaphysischer Art dabei oft eine Rolle spielten, sehen Sie am<br />

besten an einem Beispiel: Die Auffassung, daß alles Leben aus Eiern stammt, geht auf folgende Überlegung<br />

Die Hosenfrösche des Lazzaro Spallanzani 2

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