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treffpunkt campus - Hochschule Magdeburg-Stendal

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<strong>treffpunkt</strong> <strong>campus</strong> 7<br />

„Wir waren jung und neugierig“<br />

Interview mit Prof. Yongjian Ding, einem der ersten chinesischen Austauschstudenten<br />

Herr Ding, Sie sind vor mehr als 20 Jahren als Austauschstudent<br />

nach Deutschland gekommen. Die<br />

VR China war Ende der 70er anders geprägt als<br />

heute. Wie kamen Sie zu dieser Ehre?<br />

Ich gehörte zur allerersten Austauschgruppe von Studenten,<br />

die nach der Öffnung Chinas gen Westen und somit u. a.<br />

nach Deutschland kamen. Die diplomatischen Beziehungen<br />

zwischen der BRD und China entwickelten sich erst ab 1972.<br />

Damals hat das chinesische Erziehungsministerium in Peking<br />

100 Studenten ausgewählt, die ihr Studium an westdeutschen<br />

Universitäten fortsetzen konnten.In diesem Zuge kam<br />

ich nach München.<br />

War es für Sie damals schon klar, dass Sie in<br />

Deutschland bleiben werden?<br />

Nein. Das hat sich erst später ergeben. Die chinesischen<br />

Oberen hatten natürlich eine gewisse Angst, dass die Studenten<br />

nicht mehr nach China zurückkehren. Das war teilweise<br />

auch berechtigt, denn ungefähr die Hälfte der Austauschstudenten<br />

meines Jahrgangs ist nicht zurückgekommen.<br />

Die andere Hälfte arbeitet in China, zumeist in deutschen<br />

Firmen mit chinesischen Niederlassungen. Auch nach<br />

dem Studium bleibt man also in dem internationalen Austausch<br />

irgendwie drin.<br />

Was hat Sie dazu bewegt hier zu bleiben?<br />

Ich hatte ja vor, nach dem Studium wieder nach China zu<br />

gehen.Entscheidend für meinen Stimmungswechsel war die<br />

Niederschlagung der Studentenproteste 1989. Mir wurde<br />

bewusst,dass China trotz seiner wirtschaftlichen Erfolge ein<br />

totalitärer Staat geblieben ist.Für mich stellte sich die Frage:<br />

„Will ich auf die in Deutschland gewonnene Freiheit verzichten,<br />

um in meine Heimat zurückkehren zu können?“<br />

Letztendlich habe ich die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen<br />

und konnte aufgrund meiner Forschungstätigkeit<br />

ohne Probleme in Deutschland bleiben. Als Chinese habe<br />

ich es bedauert, dass die historische Wende in Osteuropa<br />

zum Erfolg führte, in China aber nicht. Ich dachte, dass China<br />

wieder in die alten totalitären Strukturen der „Kulturrevolutionszeit“<br />

zurückfällt und ich ein demokratisches China<br />

nicht mehr erleben werde. Aber so schlimm ist es dann doch<br />

nicht gekommen. Was die Kultur betrifft, bin ich immer noch<br />

sehr stark an China interessiert. Andererseits habe ich die<br />

europäische Kultur sehr schätzen gelernt. Vielleicht bin ja so<br />

etwas wie ein Musterbeispiel für gelungene Integration. Ich<br />

bin integriert und fühle mich hier zu Hause, ohne die eigene<br />

Kultur zu leugnen.<br />

Diese Sicht auf die Dinge kam aber wahrscheinlich<br />

nicht über Nacht.<br />

In München wartete natürlich erst einmal der große Kultur-<br />

mai 2004<br />

Vor 24 Jahren brach Yongjian Ding von Tongji-Universität in Shanghai nach München auf, um dort als einer<br />

der ersten chinesischen Austauschstudenten an der TU zu studieren. Sein Weg hat den damals 20jährigen<br />

nach der Promotion in München über verschiedene Stationen nach Hannover geführt.Seit 2002 ist er Professor<br />

am Fachbereich Elektrotechnik der <strong>Hochschule</strong> <strong>Magdeburg</strong>-<strong>Stendal</strong> (FH).<strong>treffpunkt</strong> <strong>campus</strong> sprach<br />

mit Professor Ding über seine Zeit als chinesischer Austauschpionier.<br />

schock auf mich. Unter Maos Zeiten bekam man nur sehr<br />

wenig Infos über den Westen. Insofern war vieles Neuland<br />

und die Umstellung für uns Studenten sehr groß.Aber wir<br />

waren jung und sehr neugierig.<br />

Welche Unterschiede zwischen dem Studium<br />

Shanghai und München fielen am meisten auf?<br />

Die <strong>Hochschule</strong>n in China sind sehr schulähnlich, zumindest<br />

Aus dem Land der aufgehenden Sonne: Prof. Dr. Y. Ding<br />

was die ersten Semester betrifft. Ein Experte auf diesem<br />

Gebiet bin ich aber nicht. Schließlich habe ich nur ein Jahr<br />

meiner Studienzeit in China absolviert. Generell lässt sich<br />

aber sagen, dass die Studierenden hier mehr Freiheiten<br />

haben, der Spielraum während des Studiums ist größer.<br />

Wie waren damals die Studienbedingungen in<br />

Deutschland?<br />

In Shanghai wohnte man damals mit acht Leuten auf 20 m 2 .<br />

Dagegen wartete in München ein eigenes Apartment im<br />

ehemals olympischen Dorf auf mich. Wir hatten zwar nicht<br />

viel Geld zur Verfügung. Aber das Stipendium in Höhe von<br />

590 DM hat trotzdem irgendwie gereicht. Das ist übrigens<br />

ein großer Unterschied zu heute: Die jetzigen chinesischen<br />

Studenten finanzieren sich zum Großteil über die Unterstützung<br />

ihrer Eltern. Das wäre mit dem damaligen Einkommen<br />

meiner Eltern nicht möglich gewesen.<br />

Haben es die Studenten aus China heute leichter?<br />

Zumindest von der finanziellen Situation und vom Ehrgeiz<br />

gibt es schon große Unterschiede zu den damaligen Verhältnissen.Ohne<br />

die heutigen Studenten prellen zu wollen:Aber<br />

ich denke, dass wir damals fachlich motivierter waren. Wir<br />

haben den Austausch als die Chance unseres Lebens verstanden<br />

und auch so genutzt. Allerdings kam uns damals<br />

auch eine Art „Exotenbonus“ zugute. Die Konkurrenz war<br />

bei weitem nicht so stark wie heute.<br />

Das Interview führte Alexander Bernstein

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