Liebe Leserinnen und Leser - Caritas Werkstätten
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N a c h g e f r a g t<br />
NACHGEFRAGT<br />
Neue Chance in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung<br />
Berufliche Bildung für<br />
psychisch erkrankte Menschen<br />
Dr. Irmgard Plößl, Diplom-Psychologin <strong>und</strong> Abteilungsleitung im Fachbereich Berufliche Teilhabe <strong>und</strong> Rehabilitation<br />
des Rudolf-Sophien-Stifts, setzt sich mit den Anforderungen <strong>und</strong> Wegen der Beruflichen Bildung<br />
für den Personenkreis psychisch behinderter Menschen auseinander.<br />
Immer mehr Menschen leiden unter<br />
einer psychischen Erkrankung<br />
<strong>und</strong> sind von Ausgliederung aus<br />
dem Arbeitsleben bedroht oder<br />
bereits betroffen. Der Anteil psychischer<br />
Erkrankungen an den Frühberentungen<br />
hat sich seit 1985 auf<br />
29,2 Prozent nahezu verdreifacht.<br />
Psychische Krankheiten sind mittlerweile<br />
die wichtigste Ursache von<br />
Erwerbsunfähigkeit. Auch <strong>Werkstätten</strong><br />
für behinderte Menschen (WfbM)<br />
sind von dieser Entwicklung betroffen,<br />
da die Aufnahmeanfragen von<br />
psychisch erkrankten Menschen<br />
stetig steigen. Viele Werkstattträger<br />
sind bemüht, ihr Angebot an<br />
die Bedürfnisse der Zielgruppe anzupassen.<br />
Doch worin bestehen die<br />
spezifischen Anforderungen an Berufliche<br />
Bildung bei psychisch erkrankten<br />
Menschen?<br />
Gemeinsam ist allen Betroffenen,<br />
dass sie neben der Erfahrung der<br />
Erkrankung <strong>und</strong> Behandlung auch<br />
die Erfahrung des Verlusts <strong>und</strong> teilweise<br />
auch der Stigmatisierung gemacht<br />
haben. Diese Erfahrungen<br />
gilt es zu verarbeiten. Psychisch erkrankte<br />
Mitarbeiter müssen sich mit<br />
ihrer veränderten Leistungsfähigkeit<br />
auseinander setzen. Sie müssen<br />
sich erarbeiten, welches Maß an<br />
Stress <strong>und</strong> Belastung sie noch bewältigen<br />
können, welche Frühwarnzeichen<br />
auf einen drohenden Rückfall<br />
hinweisen <strong>und</strong> durch welche<br />
Maßnahmen sie einer beginnenden<br />
Krise begegnen können. Es gilt, berufliche<br />
Pläne <strong>und</strong> Ziele neu zu definieren,<br />
sich teilweise von früheren<br />
Wünschen <strong>und</strong> Zielen zu verabschieden,<br />
häufig verb<strong>und</strong>en mit erheblichen<br />
finanziellen Einbußen. All<br />
diese Prozesse können verb<strong>und</strong>en<br />
10 JOURNAL<br />
Dr. Irmgard Plößl, Diplom-Psychologin<br />
sein mit Gefühlen der Trauer <strong>und</strong><br />
mit Ängsten. Vorrangiges Ziel der<br />
Beruflichen Bildung in WfbM muss<br />
es daher sein, Menschen auf diesem<br />
Weg zu begleiten <strong>und</strong> zu unterstützen.<br />
Eine wesentliche Aufgabe<br />
besteht darin, in diesen Prozess<br />
das Element der Hoffnung <strong>und</strong> Zuversicht<br />
wieder zu integrieren, Motivation<br />
aufrecht zu erhalten oder<br />
wieder zu entwickeln <strong>und</strong> die Fähigkeiten<br />
<strong>und</strong> Ressourcen eines jeden<br />
Menschen in den Mittelpunkt<br />
der Arbeit zu stellen. Dabei sollte<br />
das Selbstverständnis der professionellen<br />
Begleiter in der Rolle des<br />
Coaches begründet sein, der Menschen<br />
mit psychischen Erkrankungen<br />
dabei unterstützt, Experten<br />
in eigener Sache zu werden.<br />
Ganz wesentlich für einen gelingenden<br />
Prozess ist der Aufbau einer<br />
kontinuierlichen tragfähigen<br />
Beziehung zwischen psychisch erkranktem<br />
Mitarbeiter <strong>und</strong> professionellem<br />
Helfer. Wechsel zwischen<br />
Bezugspersonen <strong>und</strong> unterschied-<br />
lichen Maßnahmen sollten nach<br />
Möglichkeit vermieden werden.<br />
WfbM bieten in dieser Hinsicht besonders<br />
gute Möglichkeiten für psychisch<br />
erkrankte Menschen, da sie<br />
Unterstützung <strong>und</strong> Begleitung über<br />
einen längeren Zeitraum hinweg anbieten<br />
können, bei Bedarf auch unbefristet.<br />
Zudem erlaubt die <strong>Werkstätten</strong>verordnung<br />
die konsequente<br />
Orientierung am individuellen Bedarf<br />
<strong>und</strong> somit eine personenzentrierte<br />
Ausrichtung.<br />
Berufspraktische Bildungsangebote<br />
sind auch für psychisch erkrankte<br />
Menschen wichtig. Zwar<br />
bringen sie nicht selten bereits<br />
eine abgeschlossene Ausbildung<br />
<strong>und</strong> qualifizierte Berufserfahrung<br />
mit, auch dieses Fachwissen bedarf<br />
jedoch der Auffrischung. Hinzu<br />
kommt, dass häufig auch bisher<br />
fachfremde berufliche Tätigkeiten<br />
übernommen werden müssen <strong>und</strong><br />
die technische Entwicklung eine<br />
Anpassungs- <strong>und</strong> Erhaltungsqualifizierung<br />
erforderlich macht. Dabei<br />
ist sowohl eine getrennte, als auch<br />
eine in den Arbeitsbereich integrierte<br />
Gestaltung des Berufsbildungsbereichs<br />
denkbar. Entscheidend sind<br />
die konsequente Ausrichtung am<br />
individuellen Bildungsbedarf <strong>und</strong><br />
die personenbezogene Organisation<br />
der Beruflichen Bildung. Neben<br />
den berufsbildenden Inhalten stehen<br />
im Berufsbildungsbereich für<br />
psychisch erkrankte Menschen jedoch<br />
mindestens gleichrangig die<br />
krankheits- <strong>und</strong> bewältigungsbezogenen<br />
Inhalte. Zur Bearbeitung<br />
dieser Themen hat sich das Gruppentrainingsprogramm<br />
ZERA seit<br />
Jahren sehr bewährt. ZERA bedeutet<br />
„Zusammenhang zwischen