Opfer - Albrecht-Bengel-Haus
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opfer – gottes gabe für uns<br />
opferN, eSSeN UND LebeN<br />
– Der UrSprüNGLIcHe SINN DeS opferS<br />
Das mosaische Gesetz mit seinen ausführlichen Regeln<br />
und Bestimmungen in Bezug auf die <strong>Opfer</strong>, deren Verrichtung<br />
und deren Verzehr, baut auf das Gesetz, das Gott im<br />
noahitischen Bund der Menschheit gegeben hat, auf (1.Mose<br />
8f). Hier wird erstmalig der Menschheit erlaubt, auf Kosten<br />
anderen Lebens sein eigenes Leben zu erhalten bzw. zu<br />
verlängern. War in der vorsintflutlichen Schöpfungsordnung<br />
der Tod gar nicht vorgesehen (er ist das verhängnisvolle<br />
Ergebnis der Sünde, der Trennung von Gott), und lebten<br />
Mensch (1.Mose 1,29) wie Tier (V.30) vegetarisch, so wird der<br />
veränderten Situation hier Rechnung getragen: Es wird im<br />
noahitischen Bund der Menschheit ausdrücklich erlaubt,<br />
das Leben der Tiere für den Erhalt ihres eigenen Lebens zu<br />
opfern. Es wird dem Menschen grundsätzlich erlaubt, das<br />
Leben von anderen nicht menschlichen Lebewesen dem<br />
Erhalt seines eigenen Lebens zu opfern – damit der Mensch<br />
am Leben bleibt.<br />
Das Schlachten zum Verzehr war schon immer in diesem<br />
Sinn ein stellvertretendes <strong>Opfer</strong>. Im alten Bund hat der<br />
<strong>Opfer</strong>nde das dadurch auch zum Ausdruck gebracht, indem<br />
er seine Hand auf die Stirn des <strong>Opfer</strong>tieres gestemmt und<br />
sich mit diesem Tier identifiziert hat. Das Tier stirbt an seiner<br />
Stelle, damit er am Leben bleiben kann.<br />
DaS opfer aLS Gabe GoTTeS aN DeN meNScHeN<br />
Hier ist noch keine ausdrückliche Rede von einer sühnenden<br />
Wirkung des <strong>Opfer</strong>s – obwohl dies in dem Gedanken der<br />
Stellvertretung gegeben sein kann. Dieser Aspekt kommt<br />
im Laufe der heilsgeschichtlichen Offenbarung erst hinzu<br />
(vgl. 3.Mose 16). Bei Noah wird aber die Grundlage jedes<br />
<strong>Opfer</strong>s leicht verständlich: Noah lässt zunächst Brandopfer<br />
„zu einem lieblichen Geruch“ vor Gott aufsteigen. Danach<br />
teilt ihm Gott in einem neuen Bund mit, dass die Menschen<br />
hinfort das Fleisch der Schlachtopfer verzehren dürfen. Der<br />
Mensch wird in einer noch öden, von der Sintflut zerstörten<br />
Welt, durch den Verzehr des <strong>Opfer</strong>s am Leben gehalten.<br />
DaS opfer wIrD voN GoTT ermöGLIcHT<br />
UND aUcH bereITGeSTeLLT<br />
Gott schenkt den Menschen die Möglichkeit zum <strong>Opfer</strong>. Er<br />
ist es, der die Menschen dadurch am Leben erhält, dass sie<br />
das Fleisch von Tieren als Nahrung zu sich nehmen. Wenn<br />
es beim Schlachtopfer einen Empfangenden gibt, dann ist<br />
das der Mensch!<br />
10 THEOLOGISCHE ORIENTIERUNG : Januar – März 2011<br />
Das ist ein grundlegendes Prinzip göttlichen Handelns.<br />
Gott gibt uns Menschen, was wir nötig haben. Gerade in<br />
unserer Bedürftigkeit ist ER es, der uns mit allem Notwendigen<br />
versorgt. Wir haben nichts, was wir vor Gott bringen<br />
könnten, außer dem, was er uns gegeben hat. Das gilt in<br />
besonderem Maße für unser Leben.<br />
Dass Gott es ist, der das <strong>Opfer</strong> schenkt, zeigt uns auch<br />
die <strong>Opfer</strong>ung Isaaks (1.Mose 22). Diese Geschichte diente<br />
natürlich auch als Kritik gegenüber der damals weitverbreiteten<br />
Praxis des Menschenopfers, z.B. im Baals- und Moloch-<br />
Kult, in denen der Erstgeborene der Gottheit geopfert<br />
werden musste. Aber es gehört mehr dazu. Die klassische,<br />
typologische Auslegung der Alten Kirche hat 1.Mose 22 auf<br />
Christus gedeutet.<br />
Abraham wird hier aufgefordert, Gott das Liebste, was<br />
er hat, zu opfern. In dramatischer Weise verlangt Gott von<br />
Abraham, das zurückzugeben, was er ihm verheißen und<br />
nach langer Wartezeit endlich geschenkt hatte. Im letzten<br />
Augenblick, bevor Abraham zusticht, interveniert Gott doch<br />
und gebietet ihm, es nicht zu tun. Da werden Abraham<br />
die Augen aufgetan, und er sieht den Widder, der sich im<br />
Gestrüpp verfangen hatte. Gott selbst liefert das angemessene<br />
<strong>Opfer</strong>. Der Mensch kann das von sich aus nicht!<br />
Das <strong>Opfer</strong> ist ein Geschenk Gottes an den Menschen, nicht<br />
ein Geschenk des Menschen an Gott! Beim <strong>Opfer</strong> zeigt der<br />
Mensch lediglich vor Gott seine Einsicht, dass er auf dieses<br />
<strong>Opfer</strong> angewiesen ist, um am Leben zu bleiben. In 3.Mose<br />
7,16 wird geboten: „Ist es aber ein Gelübde oder freiwilliges<br />
<strong>Opfer</strong>, so soll es desselben Tages, da es geopfert ist, gegessen<br />
werden“. Hier wird die noch vorübergehende Wirkung<br />
des <strong>Opfer</strong>s im AT deutlich. Es wird für höchstens zwei Tage<br />
gestattet, sich vom <strong>Opfer</strong> zu ernähren, aber nicht länger, und<br />
zwar unter Androhung härtester Bestrafung (V.17ff).<br />
DIe opferkrITIk DeS aLTeN TeSTameNTS – GoTT<br />
braUcHT UNSere opfer NIcHT!<br />
Wir haben nichts, was wir vor Gott bringen könnten, außer<br />
dem, was er uns gegeben hat. Die <strong>Opfer</strong>kritik des Alten<br />
Testaments macht deutlich, dass Gott auf die Gaben der<br />
Menschheit nicht angewiesen ist (z.B. Hosea 6,6: „Ich habe<br />
Lust an der Liebe und nicht am <strong>Opfer</strong>, an der Erkenntnis Gottes<br />
und nicht am Brandopfer“). Gott braucht unsere „Geschenke“<br />
nicht. Er will ein aufrichtiges Herz, das ihm zugewandt<br />
ist. Darum kann und soll das <strong>Opfer</strong> nicht im heidnischen<br />
Sinne verstanden werden, als würde der Mensch mit seiner<br />
„Gabe“ Gott beschwichtigen oder gnädig stellen können.