1 Rechtsgeschäftliche Errichtung von Grundpfandrechten ... - Vischer
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VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 1<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitlicher<br />
Beginn der Pfandsicherheit<br />
<strong>von</strong> Prof. Dr. iur. Christian Brückner, Notar, Basel 1<br />
Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht (ZBGR), Bd. 77 (1996), S. 217-247<br />
INHALT<br />
1. Einleitung<br />
1.1 Begriffe<br />
1.2 Vertragliche und nicht-vertragliche <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> Schuldbriefen<br />
2. Verschiedene Verfahren bei der vertraglichen Schuldbrieferrichtung<br />
2.1 Drei Verfahrensvarianten<br />
2.2 Kritische Würdigung der drei Verfahrensvarianten<br />
3. Umfang des Formzwangs bei der vertraglichen Grundpfanderrichtung<br />
3.1 Vorbemerkung: Unterscheidung zwischen Grundstückverpfändung und Schuldbrief-Begebung<br />
3.2 Überblick über die beurkundungsbedürftigen Elemente des Pfandvertrags<br />
3.3 Mustertexte und Ablauf der Pfanderrichtung<br />
3.3.1 Grundpfandverschreibung<br />
1 Erweiterte Fassung des anlässlich der Jahresversammlung des Schweizerischen Notarenverbandes am 28.6.1996 in<br />
Lenzburg gehaltenen Referates; der Verfasser dankt Frau cand. iur. Piera Beretta für die wissenschaftliche Assistenz,<br />
ferner den Herren Dr. iur. Andreas Flückiger, Notar in Basel, lic. iur. Jürg Schmid, Notariatsinspektor des Kantons<br />
Zürich, lic. iur. Roland Pfäffli, Grundbuchverwalter <strong>von</strong> Thun und Frau Natacha Gregorc, Notarin in Genf, für<br />
die Durchsicht des Manuskripts und die zahlreichen wertvollen Hinweise.<br />
Literatur (die hier aufgelisteten Werke sind in den Fussnoten nur mit dem Verfassernamen, dem hervorgehobenen<br />
Begriff und dem Erscheinungsjahr zitiert):<br />
BÄR ROLF, Wertpapierrechtliche Aspekte <strong>von</strong> Schuldbrief und Gült, Berner Notar 1985, S. 31-45<br />
BRÜCKNER CHRISTIAN, Schweizerisches Beurkundungsrecht, Zürich 1993<br />
BRÜCKNER CHRISTIAN, Sorgfaltspflicht der Urkundsperson und Prüfungsbereich des Grundbuchführers bei Abfassung<br />
und Prüfung des Rechtsgrundausweises, ZBGR 64, 1983, S. 65-84<br />
HUBER HANS, Zur Änderung der eidgenössischen Grundbuchverordnung vom 18. November 1987, ZBGR 70<br />
(1989), S. 129 ff.<br />
HUBER HANS, Aktuelle Fragen aus dem Grundpfandrecht, ZBGR 39 (1958) 193 ff. und 342 ff.<br />
LEEMANN HANS, Berner Kommentar, Sachenrecht, II. Abteilung, Art. 730-918 ZGB, Bern 1925 (zitiert: BK-<br />
LEEMANN)<br />
MOSER PETER, Die Verpfändung <strong>von</strong> Grundpfandtiteln, Diss. Zürich 1989<br />
MÜLLER MANUEL, Orientierung des Chefs des Eidg. Amtes für Grundbuch- und Bodenrechts an der Generalversammlung<br />
des Verbandes Schweizerischer Grundbuchverwalter vom 22. September 1995 in Luzern, ZBGR 76<br />
(1995), S. 392-406<br />
OFTINGER KARL / BÄR ROLF, Zürcher Kommentar zum ZGB, Das Fahrnispfand, Art. 884-918, mit ergänzender<br />
Darstellung der im Gesetz nicht geordneten Arten dinglicher Sicherung mittels Fahrnis (3. A. Zürich 1981) (zitiert<br />
ZK-OFTINGER/BÄR)<br />
RIEMER HANS MICHAEL, Die beschränkten dinglichen Rechte, Grundriss des schweizerischen Sachenrechts,<br />
Bd. II, Bern 1986<br />
SCHÜPBACH HENRI-ROBERT, Gestation de la cédule hypothécaire et naissance du droit de gage, ZBGR 71<br />
(1990), S. 129-149<br />
STEINAUER PAUL-HENRI, Les droits réels, Bd. I, Bern 1990; Bd. II, 2. Aufl., Bern 1994; Bd. III, Bern 1992 (zitiert<br />
STEINAUER I, II, III)<br />
TUOR PETER / SCHNYDER BERNHARD / SCHMID JÖRG: Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. A., Zürich<br />
1995<br />
VOLLENWEIDER MARKUS F., Die Sicherungsübereignung <strong>von</strong> Schuldbriefen als Sicherungsmittel der Bank,<br />
Diss. Fribourg 1994<br />
WIELAND CARL, Kommentar zum Sachenrecht, Zürich 1909 (zitiert: ZK-WIELAND)<br />
ZOBL DIETER, Probleme bei der Verpfändung <strong>von</strong> Eigentümerschuldbriefen, ZBGR 59 (1978), S. 196 f.
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 2<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
3.3.1.1 Inhalt des Pfandvertrags<br />
3.3.1.2 Ablauf der <strong>Errichtung</strong><br />
3.3.2 Namenschuldbrief<br />
3.3.2.1 Inhalt des Pfandvertrags<br />
3.3.2.2 Ablauf der <strong>Errichtung</strong><br />
3.3.2.3 Der Begebungsvertrag und seine Erfüllung<br />
3.3.3 Inhaberschuldbrief<br />
3.3.3.1 Inhalt des Verpfändungsversprechens bei Begebung des Titels zu vollem Recht<br />
3.3.3.2 Inhalt des Verpfändungsversprechens bei Begebung des Titels zu Faustpfand<br />
4. Nicht-vertragliche <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> Schuldbriefen<br />
4.1 Anerkannte Zulässigkeit<br />
4.2 Inhalt des nicht-vertraglichen <strong>Errichtung</strong>saktes<br />
4.3 Rechtliche Würdigung<br />
4.4 Abgrenzung zwischen vertraglicher und nicht-vertraglicher Schuldbrieferrichtung<br />
4.5 Beurteilung der Formbedürftigkeit aus der Sicht der Urkundsperson (notarielle Beratung)<br />
4.6 Beurteilung der Formbedürftigkeit aus der Sicht des Grundbuchamtes (amtliche Aktenprüfung)<br />
5. Die Möglichkeiten des Verpfänders, den Ablauf der Titelerrichtung und -begebung zu<br />
hemmen<br />
5.1 Widerruf des Auftrags an die Urkundsperson, das Geschäft beim Grundbuchamt anzumelden<br />
5.2 Widerruf des an das Grundbuchamt adressierten Eintragungsgesuchs<br />
5.3 Widerruf der an das Grundbuchamt adressierten Instruktion, den Titel an die Urkundsperson<br />
auszuhändigen<br />
5.4 Widerruf der an die Urkundsperson adressierten Anweisung, den Titel an die Gläubigerin auszuhändigen<br />
6. Zeitlicher Beginn der Pfandsicherheit<br />
6.1 Grundpfandverschreibung<br />
6.2 Namenschuldbrief<br />
6.3 Inhaberschuldbrief<br />
7. Unzulässigkeit notarieller Interimsbescheinigungen bei nicht-vertraglicher Titelerrichtung<br />
und bei Faustverpfändung <strong>von</strong> Schuldbriefen<br />
8. Kritik an der gesetzlichen Regelung des Schuldbriefs<br />
8.1 Das geltende Recht<br />
8.2 Kritik am geltenden Recht<br />
8.3 Zwei Postulate de lege ferenda<br />
1. Einleitung<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 217**<br />
Der kürzlich publizierte Bundesgerichtsentscheid 121 III 97 2 , insbesondere ein missverständliches<br />
"obiter dictum" 3 , hat den Anlass zur vorliegenden Arbeit gegeben. Die Arbeit beschränkt sich auf<br />
Fragen der <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> Grundpfandverschreibungen gemäss Art. 824 ff. ZGB sowie <strong>von</strong> Namen-<br />
und Inhaberschuldbriefen gemäss Art. 842 ff. ZGB. Der nur im Kanton Wallis gebräuchliche Typ<br />
der Hypothekarobligation auf den Inhaber (Art. 875 ZGB) und die Gült (Art. 847 ZGB) bleiben unberücksichtigt,<br />
desgleichen die seltenen, dogmatisch komplizierten Fälle der Grundpfanderrichtung<br />
für fremde Schuld (Drittpfandverhältnisse).<br />
1.1 Begriffe<br />
2 BGE 121 III 97 = ZBGR 76 (1995), S. 367 ff., mit einschlägigen Bemerkungen <strong>von</strong> JÜRG SCHMID (S. 375).<br />
3 Erw. 3a am Ende: "Zum anderen muss da<strong>von</strong> die Ausnahme geschieden werden, wonach die öffentliche Beurkundung<br />
dann als unabdingbar zu betrachten ist, wenn sich der Grundeigentümer zur Verpfändung erst noch zu errichtender<br />
Eigentümer- oder Inhaberschuldbriefe verpflichtet (BGE 71 II 262 ...)".
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 3<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
Die Grundpfandverschreibung ist jene Form des Grundpfandes, bei welcher kein Wertpapier geschaffen<br />
wird. Die Grundpfandverschreibung wird durch einen Vertrag errichtet, für welchen die<br />
öffentliche Beurkundung unabdingbar ist (Art. 799 Abs. 2 ZGB). Vertragsparteien sind der verpfändende<br />
Grundeigentümer und die Pfandgläubigerin.<br />
Unter dem Namenschuldbrief wird in der vorliegenden Arbeit jener Schuldbrief im Sinne <strong>von</strong> Art.<br />
842 ff. ZGB verstanden, welcher in dem für den Gläubigernamen vorgesehenen Feld als Pfandgläubigerin<br />
eine natürliche oder juristische Person ausweist. Diese Person kann auch der Grundeigentümer<br />
selber sein (Art. 859 Abs. 2 ZGB). Pfandrecht und Pfandforderung sind in einem Ordrepapier 4<br />
verkörpert.<br />
Unter Inhaberschuldbrief wird jener Schuldbrief verstanden, der in dem für den Gläubigernamen<br />
vorgesehenen Feld das Wort "Inhaber" ausweist (Art. 859 Abs. 1, zweite Variante). Pfandrecht und<br />
Pfandforderung sind in einem Inhaberpapier verkörpert.<br />
Unter Eigentümergrundpfandtitel werden jene Schuldbriefe verstanden, die rechtens in Händen des<br />
Grundeigentümers liegen und aufgrund dieser Belegenheit keine Gläubigerrechte anderer Personen<br />
verkörpern. Eigentümergrundpfandtitel können Namen- oder Inhaberschuldbriefe sein 5 .<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 218**<br />
Der in Art. 20 Abs. 1 GBV und andernorts verwendete Begriff des Eigentümerschuldbriefs - im<br />
Sinne eines auf den Namen des Grundeigentümer lautenden Namenschuldbriefs - wird in der vorliegenden<br />
Arbeit wegen der Möglichkeit der Verwechslung mit dem hievor definierten Eigentümergrundpfandtitel<br />
nicht verwendet.<br />
Festzuhalten bleibt, dass die Begriffe "Namenschuldbrief" und "Inhaberschuldbrief" etwas über das<br />
Aussehen des Titels, nämlich über den Eintrag in der Rubrik des Gläubigernamens, besagen, wogegen<br />
der Begriff des "Eigentümergrundpfandtitels" das aktuelle Fehlen einer vom Grundeigentümer<br />
verschiedenen Person als Gläubigerin meint, ohne das Aussehen des Titels zu beschreiben.<br />
1.2 Vertragliche und nicht-vertragliche <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> Schuldbriefen<br />
Schuldbriefe können sowohl durch Vertrag in öffentlicher Urkunde (Art. 799 Abs. 2 ZGB) als auch<br />
durch nicht-vertraglichen Akt in einfacher Schriftform (Art. 20 Abs. 1 GBV) errichtet werden. Für<br />
die vertragliche <strong>Errichtung</strong> bestehen in den Kantonen verschiedene Usanzen. Sie werden im folgenden<br />
Abschnitt dargestellt.<br />
2. Verschiedene Verfahren bei der vertraglichen Schuldbrieferrichtung<br />
2.1 Drei Verfahrensvarianten<br />
Die kantonale Verfahrensvielfalt lässt eine Unterteilung in drei Gruppen zu, welche um der Einprägsamkeit<br />
willen hier als das "Genfer Modell", das "Zürcher Modell" und das "Berner Modell" bezeichnet<br />
werden:<br />
4 So BÄR, Aspekte (1985), S. 42, unter Hinweis auf ZK-JÄGGI (1959), N. 23 zu Art. 1145 OR, ZK-WIELAND<br />
(1909), N. 2 zu Art. 859 ZGB und BGE 43 II 767 f.<br />
5 Vgl. diese Begriffsbestimmung bei MOSER, Verpfändung (1989), S. 36. In gleichem Sinne spricht<br />
TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Zivilgesetzbuch (1995), S. 765, Ziff. 2, vom Eigentümergrundpfandrecht, welches<br />
sowohl in einem auf den Namen des Grundeigentümers ausgefertigten Namenschuldbrief wie auch in einem dem<br />
Grundeigentümer ausgehändigten Inhaberschuldbrief bestehen kann.
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 4<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
a) "Genfer Modell": Schuldbrieferrichtung als öffentlich beurkundetes Zweiparteiengeschäft, bei<br />
welchem Verpfänder und Gläubigervertreter vor der Urkundsperson ihre Willensäusserungen abgeben;<br />
b) "Zürcher Modell": Schuldbrieferrichtung als teilweise öffentlich beurkundetes Zweiparteiengeschäft,<br />
bei welchem zunächst die Gläubigerin ihre vertragliche Willensäusserung im Sinne einer<br />
Offerte zum Vertragsschluss (Art. 2 OR) auf dem Korrespondenzweg in einfacher Schriftform gegenüber<br />
der Urkundsperson und gegenüber dem Verpfänder abgibt, worauf der Verpfänder vor der<br />
Urkundsperson erscheint und in öffentlicher Urkunde seine Verpfändungserklärung abgibt; diese<br />
Erklärung umfasst die Annahme der <strong>von</strong> der Gläubigerin gestellten Offerte; die Urkundsperson bescheinigt<br />
den vor ihr erklärten Vertragswillen des Verpfänders und überdies die Übereinstimmung<br />
<strong>von</strong> Gläubigererklärung und Willenserklärung des Verpfänders;<br />
c) "Berner Modell": Schuldbrieferrichtung als teilweise öffentlich beurkundetes Zweiparteiengeschäft,<br />
bei welchem der Verpfänder seine<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 219**<br />
Verpfändungserklärung vor der Urkundsperson abgibt, ohne dass die Willenserklärung der Gläubigerin<br />
schriftlich belegt wird.<br />
Das "Genfer Modell" gilt nur noch im Kanton Genf uneingeschränkt. Im Kanton Waadt bahnt sich<br />
ein Umschwenken auf das "Berner Modell" an 6 . In den Kantonen Uri und Wallis, wo die Gläubiger<br />
ebenfalls vor der Urkundsperson zu erscheinen haben, gibt es wegen der für Schuldbriefe geltenden<br />
niedrigen Belehnungslimiten diese Form des Grundpfandes praktisch nicht.<br />
Das "Zürcher Modell" ist in zehn Kantonen gesetzlich verankert (ZH, SZ, GL, ZG, SO, BL, SH, AI,<br />
GR, TG 7 ).<br />
Das "Berner Modell" wird in BE 8 , FR, BS 9 , AG, TI, NE 10 und JU praktiziert, wobei in einzelnen<br />
dieser Kantone zusätzlich auch nach dem "Zürcher Modell" gearbeitet wird.<br />
2.2 Kritische Würdigung der drei Verfahrensvarianten<br />
Dass das "Genfer Modell" gesetzeskonform ist, steht ausser Frage. Andererseits ist es für die Parteien<br />
am aufwendigsten.<br />
Beim "Zürcher Modell" entsteht zwar die schriftliche Dokumentation des zweiseitigen Vertragsschlusses,<br />
aber es fehlt an der öffentlichen Beurkundung des Vertragsschlusses in seiner Gesamtheit,<br />
womit der Vertragsschluss in formeller Hinsicht "hinkt". Genau besehen kann die Urkundsperson<br />
6 PAUL-HENRI STEINAUER hat in einem bisher nicht publizierten Gutachten vom 11.12.1995 zuhanden der Association<br />
des notaires vaudois die Zulässigkeit des "Berner Modells" attestiert.<br />
7 Vgl. ZH NotariatsV § 159: "Für die Beurkundung <strong>von</strong> Verträgen auf <strong>Errichtung</strong> eines Grundpfandes genügt die<br />
Anwesenheit des Pfandeigentümers. Die Mitwirkung des Gläubigers erfolgt in solchen Fällen durch eine schriftliche<br />
Erklärung"; ähnlich SZ BeurkundungsV § 12; GL Verordnung zum ZGB und OR Art. 18 Abs. 1; ZG G über die<br />
öffentliche Beurkundung und die Beglaubigung in Zivilsachen § 17; SO EGZGB § 16; BL EGZGB § 22; SH<br />
EGZGB Art. 26 Abs. 3; AI BeurkundungsV Art. 8 Abs. 4; GR NotariatsV Art. 33 Abs. 2; TG NotariatsV § 10.<br />
8 Vgl. in diesem Sinne VERBAND BERNISCHER NOTARE, Musterurkundensammlung, 4. Aufl., Bern 1991, Bd.<br />
II, Nr. 663, Bemerkung 1: "Es genügt, wenn nur die Willenserklärung des Verpfänders öffentlich beurkundet wird.<br />
Der Gläubiger muss bei der Verurkundung nicht mitwirken" (mit Verweis auf Art. 28 des Bernischen Dekrets vom<br />
19.12.1911 über die Amtsschreibereien. - Dieses Dekret wird Ende 1996 aufgehoben. Der Inhalt der Bestimmung<br />
<strong>von</strong> Art. 28 wird jedoch beibehalten, und zwar neu als Art. 110 EGZGB BE, iK seit 1.1.1996, welcher lautet: "Beim<br />
Grundpfandvertrag ist die Mitwirkung des Gläubigers bei der Beurkundung des Pfandrechtes nicht erforderlich").<br />
9 Vgl. Justizdepartement BS, Gedruckte Weisungen an die Notare vom 1.6.1978, Nr. 39a bezüglich der Grundpfanderrichtung:<br />
"Die Erklärung des Berechtigten ist nur zu beurkunden, wenn auch er Verpflichtungen übernimmt."<br />
10 NE Loi sur le notariat art. 50 Abs. 3.
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 5<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
nämlich nur solche Willenserklärungen öffentlich beurkunden, deren Inhalt sie aus eigener Wahrnehmung,<br />
d.h. in persönlicher Anwesenheit der erklärenden Personen, selber ermittelt hat. In einfacher<br />
Schriftform belegte Erklärungen Abwesender können nicht zum Gegenstand einer Erklärungsbeurkundung<br />
gemacht werden. Die Urkundsperson kann die ihr auf dem Korrespondenzweg zugesandten<br />
Erklärungen<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 220**<br />
nicht als den <strong>von</strong> ihr ermittelten Parteiwillen bezeugen 11 . Ebensowenig kann sie beim Vorliegen<br />
brieflicher Willensäusserungen das "Schriftlich-erklärt-worden-Sein" und die daraus abgeleitete<br />
Rechtsfolge des Zustandekommen des Vertrags als bestehende Tatsachen bezeugen 12 .<br />
Angesichts dieser Bedenken braucht das "Berner Modell" nicht als grundsätzlich schlechter beurteilt<br />
zu werden. Um die Beurkundung <strong>von</strong> Verpfändungserklärungen auszuschliessen, denen kein Vertragswille<br />
der Gläubigerin gegenübersteht, erheischt die notarielle Sorgfalt, dass sich die Urkundsperson<br />
den Vertragswillen der Gläubigerin anlässlich der Vorbereitung des Geschäftes brieflich oder<br />
mündlich bestätigen lässt 13 . Die Zulässigkeit dieser Verfahrensweise ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1<br />
OR. Diese Bestimmung bezieht sich gemäss ihrem Wortlaut zwar nur auf die einfache Schriftform,<br />
ist nach herrschender Lehre aber auch für die öffentliche Beurkundung massgebend 14 . Die Pfandgläubigerin<br />
geht anlässlich des Pfandvertragsschlusses keine Verpflichtungen ein 15 .<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 222**<br />
Das "Berner Modell" wurde <strong>von</strong> HANS HUBER im Jahre 1958 kritisiert 16 , blieb im übrigen aber<br />
weitgehend unangefochten und hat im Rechtsverkehr bis heute weder zu Zweifeln noch zu Konflikten<br />
Anlass gegeben 17 .<br />
11 Die in einzelnen Kantonen ehemals bestehende Praxis, gemäss welcher die Urkundsperson auf einem <strong>von</strong> den Parteien<br />
bereits unterzeichneten schriftlichen Vertrag einen Beurkundungsvermerk anbrachte, ist seit Jahrzehnten als<br />
bundesrechtswidrig anerkannt. Das Bundesgericht vollzog den Schritt allerdings erst mit BGE 90 II 274, d.h. im<br />
Jahre 1964, während es 6 Jahre zuvor im BGE 84 II 636 (Solco) noch nicht gewagt hatte, eine solche kantonale Urkunde<br />
als unwirksam zu qualifizieren.<br />
12 Vgl. BRÜCKNER, Beurkundungsrecht (1993), Ziff. 126 und 3064-3068. - Die Unzulässigkeit <strong>von</strong> Erklärungsbeurkundungen<br />
aufgrund der notariellen Kenntnisnahme brieflicher Erklärungen <strong>von</strong> Abwesenden ergibt sich aus der<br />
Erwägung, dass der Beweis einer privatschriftlich abgegebenen Erklärung unmittelbar und ausschliesslich durch den<br />
privatschriftlichen Erklärungsbeleg selber zu führen ist. Ein solcher privatschriftlicher Beleg kann nicht dadurch zu<br />
öffentlichem Glauben emporgehoben werden, dass die Urkundsperson sein Vorhandensein und die Rechtswirkungen<br />
der darin dokumentierten Erklärung als bestehende Tatsachen beurkundet.<br />
13 In der Regel beginnt das Geschäft damit, dass die Gläubigerin (meist eine Bank) der Urkundsperson ein Instruktionsschreiben<br />
mit den genauen Spezifikationen des zu errichtenden Grundpfandtitels zukommen lässt. Hierauf bereitet<br />
die Urkundsperson den <strong>Errichtung</strong>sakt vor, worauf der Verpfänder persönlich erscheint und die Verpfändungserklärung<br />
im Beurkundungsvorgang abgibt. - Bei dieser Vorgehensweise besteht praktisch kein Risiko der Beurkundung<br />
simulierter Verpfändungserklärungen.<br />
14 Vgl. in diesem Sinne INGEBORG SCHWENZER, Basler Kommentar zum Obligationenrecht I, Basel 1992, N 2 zu<br />
Art. 13; EUGEN BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allg. Teil, 2. Aufl., Zürich 1988, S. 166; BK-<br />
SCHMIDLIN (1986), N 2 zu Art. 13 OR; P. GAUCH/W. SCHLUEP/P. TERCIER, OR AT I., 2. Aufl., Zürich 1982,<br />
Rz 386 ff.; PIERRE ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, Neuchâtel 1973, S. 178; a.A. JÖRG SCHMID,<br />
Die öffentliche Beurkundung <strong>von</strong> Schuldverträgen, Fribourg 1988, S. 151; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil<br />
des schweizerischen Obligationenrechts I (Zürich 1974 und 1979), S. 239.<br />
15 Dies im Gegensatz zum Beschenkten bei der Grundstückschenkung; die mit dem Grundbesitz verbundenen Steuerfolgen,<br />
die Grund- und Werkeigentümerhaftung sowie die öffentlichrechtlichen Pflichten bezüglich Altlastenbeseitigung,<br />
Denkmalschutz etc. verbieten es, die Entgegennahme eines geschenkten Grundstücks als nicht-belastend zu<br />
qualifizieren.<br />
16 HUBER, Grundpfandrecht (1958), S. 193 ff., hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Grundbuchführer beim<br />
Fehlen des Nachweises der Gläubigerzustimmung den Rechtsgrund der Grundbucheintragung nicht umfassend zu<br />
überprüfen vermöge. - Dem ist jedoch beizufügen, dass es für die Gültigkeit des Pfandrechts auf diese Überprüfung<br />
nicht ankommt. Nachdem sich seit Einführung des ZGB aus dieser Prüfungslücke kein einziger Fall ungerechtfertig-
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 6<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
In begrifflicher Hinsicht ist festzuhalten, dass die Charakterisierung des Geschäfts als Vertrag oder<br />
als nicht-vertraglicher Akt nicht da<strong>von</strong> abhängt, ob die Gläubigerin bei der <strong>Errichtung</strong> persönlich,<br />
auf dem Korrespondenzweg oder überhaupt nicht mitwirkt. Die Grundpfanderrichtung ist immer<br />
dann eine vertragliche, wenn der Verpfänder sich in öffentlicher Urkunde gegenüber einer namentlich<br />
genannten, <strong>von</strong> ihm selber verschiedenen natürlichen oder juristischen Person zu verpflichten<br />
erklärt, wobei sich die Bezugnahme auf die zuvor erhaltene Vertragsofferte empfiehlt 18 . Nichtvertraglich<br />
ist die Grundpfanderrichtung, wenn es an der Verpflichtungserklärung zugunsten einer<br />
solchen Person fehlt.<br />
3. Umfang des Formzwangs bei der vertraglichen Grundpfanderrichtung<br />
3.1 Vorbemerkung: Unterscheidung zwischen Grundstückverpfändung und Schuldbrief-<br />
Begebung<br />
Ein Grundpfandvertrag im Sinne <strong>von</strong> Art. 1 ff. OR liegt vor, wenn Pfandgeber und Pfandnehmerin<br />
übereinstimmende gegenseitige Willensäusserungen abgeben, durch welche die Verpflichtung des<br />
Pfandge-<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 223**<br />
bers zur Bestellung grundpfändlicher Sicherheit gegenüber der Vertragspartnerin (Gläubigerin) und<br />
der rechtlich durchsetzbare Anspruch der Gläubigerin auf die Pfanderrichtung, d.h. auf den Grundbucheintrag<br />
19 des Grundpfandes, begründet werden.<br />
Wird ein Schuldbrief durch Vertrag errichtet, so gehört zum Vertragsinhalt mit gedanklicher Notwendigkeit<br />
auch der Begebungsvertrag, d.h. die Verpflichtung des Verpfänders, den Titel an die<br />
Gläubigerin auszuhändigen; denn das Versprechen der Wertpapiererstellung bei gleichzeitigem<br />
Vorbehalt, die Titelbegebung grundsätzlich zu verweigern, wäre widersprüchlich. Der Begebungsvertrag<br />
braucht allerdings nicht ausdrücklich beurkundet zu werden. Schweigt sich die öffentliche<br />
Urkunde über die Begebung aus, so hat diese als stillschweigend vereinbart zu gelten.<br />
Die der vertraglichen Titelerrichtung inhärente Begebungsverpflichtung kann <strong>von</strong> ausdrücklichen<br />
oder stillschweigenden Bedingungen abhängig gemacht werden, namentlich <strong>von</strong> der Bedingung,<br />
dass der durch den Schuldbrief sicherzustellende Kredit an den Verpfänder ausbezahlt, d.h. dass der<br />
Schuldbrief valutiert werde.<br />
ter Pfanderrichtung ergeben hat, besteht kein praktischer Anlass, generell zur Umständlichkeit einer schriftlichen,<br />
dem Grundbuchamt zu belegenden Gläubigerzustimmung zurückzukehren.<br />
17 Vgl. in diesem Sinne PAUL-HENRI STEINAUER in dem bereits erwähnten Gutachten vom 11.12.1995 zuhanden<br />
der Association des notaires vaudois, S. 14; PASCAL SIMONIUS/THOMAS SUTTER, Schweizerisches Immobiliarsachenrecht,<br />
Bd. II, Die beschränkten dinglichen Rechte (Basel 1990), S. 219, Rz 2: "Die Erklärung des Verpfänders<br />
hat in öffentlicher Urkunde zu erfolgen und bildet den Titel für den Eintrag in das Grundbuch. Die Annahmeerklärung<br />
des Pfandgläubigers erfolgt formlos und wird vom Grundbuchamt vorausgesetzt", unter Verweis auf<br />
ALBERT MATTER, Gläubiger und Grundbuch, ZBGR 31 (1950), S. 313 ff. - In gleichem Sinne ZK-LIVER<br />
(1980), N 77 zu Art. 732 ZGB: "Der Vertragstext braucht nur <strong>von</strong> den Personen unterzeichnet zu sein, die durch ihn<br />
verpflichtet werden sollen (Art. 13 Abs. 1 OR). Das Schenkungsversprechen braucht nur vom Schenker, der Pfanderrichtungsvertrag<br />
nur vom Pfandgeber, die Bürgschaftsurkunde nur vom Bürgen unterzeichnet zu werden. Damit<br />
der Vertrag zustande kommt, ist zwar auch die Willenserklärung der Gegenpartei erforderlich; sie kann jedoch<br />
mündlich oder stillschweigend abgegeben werden." - A.A. JÖRG SCHMID, Die öffentliche Beurkundung <strong>von</strong><br />
Schuldverträgen, Diss. Fribourg 1988, S. 151 f.; SCHMID hält <strong>von</strong> Bundesrechts wegen die Willenserklärungen des<br />
Verpfänders und der Pfandgläubigerin für beurkundungsbedürftig.<br />
18 So BRÜCKNER, Beurkundungsrecht (1993), Ziff. 2604 ff.<br />
19 STEINAUER I (1990), S. 195, Ziff. 705, präzisiert die Vertragspflicht des Verpfänders als Pflicht zur Grundbuchanmeldung<br />
des Geschäftes ("obligation de requérir l'inscription au registre foncier de l'acquéreur comme (nouveau)<br />
titulaire du droit"). Beim vertraglich errichteten Schuldbrief ist der Verpfänder zudem verpflichtet, der Gläubigerin<br />
den Titelbesitz zu verschaffen.
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 7<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
Die Willenserklärung, welche die Begebungsverpflichtung begründet, ist nicht zu verwechseln mit<br />
den dazugehörigen Erfüllungshandlungen, d.h. mit der Abgabe der Begebungsermächtigung gegenüber<br />
dem Grundbuchamt, der Abgabe der Begebungsanweisung gegenüber der Urkundsperson und<br />
mit der physischen Begebung des Titels; vgl. hiezu hinten, Ziff. 3.3.2.3.<br />
3.2 Überblick über die beurkundungsbedürftigen Elemente des Pfandvertrags<br />
Wird das Grundpfand durch Vertrag geschaffen, so muss die öffentliche Urkunde vorweg alle jene<br />
Angaben enthalten, die in jeder notariellen Vertragsbeurkundung vorhanden sein müssen, nämlich<br />
Name und Amtssitz der Urkundsperson, Datum und Ort der Beurkundung, Notarunterschrift und<br />
Notariatssiegel, ferner die Personalien der Sachbeteiligten 20 , und zwar auch derjenigen Vertragspartei,<br />
die am Beurkundungsverfahren allenfalls nicht teilnimmt, nämlich der Pfandgläubigerin.<br />
Die nachfolgenden Punkte des Vertragsinhaltes müssen als objektiv wesentlich und damit als beurkundungsbedürftig<br />
gelten:<br />
- das Verpfändungsversprechen, d.h. die vom Verpfänder ausgehende, an die Gläubigerin<br />
gerichtete Willenserklärung, grundpfändliche Sicherheit zu leisten, bzw. - bei<br />
Faustverpfändung des Schuldbriefs - faustpfändliche Sicherheit zu leisten; werden die<br />
Erklärungen der Gläubigerin nicht schriftlich dokumentiert, so soll die Formulierung<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 224**<br />
der Urkunde das Verpfändungsversprechen als Annahme einer zuvor ausserhalb der Urkunde geäusserten<br />
Gläubigerofferte erkennen lassen; das Verpfändungsversprechen soll also auf<br />
die Willenserklärung der Gläubigerin Bezug nehmen 21 ;<br />
- die Bezeichnung des zu verpfändenden Grundstückes 22 ;<br />
- die Bezeichnung der durch das Pfandrecht sicherzustellenden Forderung(en);<br />
- der ziffernmässige Umfang der zu schaffenden Pfandbelastung, sofern sich dieser<br />
Umfang nicht bereits aus der Bezeichnung der sicherzustellenden Forderung eindeutig<br />
ergibt, einschliesslich eines allenfalls vereinbarten, durch das Pfandrecht sicherzustellenden<br />
Maximalzinssatzes 23 ;<br />
20 Vgl. BRÜCKNER, Beurkundungsrecht (1993), Ziff. 2122.<br />
21 Fehlt das Verpfändungsversprechen oder die Identifikation der Gläubigerin, so ist das Geschäft nicht formungültig;<br />
vielmehr handelt es sich dann um eine nicht-vertragliche Grundpfanderrichtung, die der öffentlichen Beurkundung<br />
gar nicht bedurft hätte. Vgl. hiezu Ziff. 3.3.3.1; fehlt die Bezugnahme, so kann das Geschäft trotzdem als Vertrag<br />
gelten; vgl. Ziff. 3.3.1.1.<br />
22 Blosse Identifikation des Grundstückes genügt; ein vollständiger Beschrieb ist nicht erforderlich. - Vgl. VERBAND<br />
BERNISCHER NOTARE, Musterurkundensammlung, 4. Aufl., Bern 1991, Bd. II, Nr. 663, Bemerkung 2. - Soweit<br />
jedoch der grundbuchliche Eintragungsstand in der öffentlichen Urkunde wiedergegeben wird, muss er richtig wiedergegeben<br />
werden, und zwar auch bezüglich jener Angaben, deren Wiedergabe nicht nötig wäre. Das grundbuchliche<br />
Ordnungsinteresse erheischt, dass das Grundbuchamt Anmeldungsbelege zurückweist, welche den aktuellen<br />
Grundbuchinhalt unrichtig wiedergeben; vgl. BRÜCKNER, Beurkundungsrecht (1993), Ziff. 2555; MANUEL<br />
MÜLLER, Die neueste Rechtsprechung des Bundesgerichts in Grundbuchsachen, Berner Notar 1991, S. 213-222<br />
(215/216); BGE 116 II 201 ff., 90 II 274 ff.<br />
23 So HANS HUBER, Grundpfandrecht (1958), S. 193 ff. und 342 ff., mit der Begründung, die Vereinbarung eines<br />
maximalen, durch das Pfandrecht gesicherten Zinses, bedeute die Vereinbarung eines Maximalpfandrechts. - Dagegen<br />
ist die Angabe des vertraglichen Zinssatzes, der für die pfandgesicherte Forderung vereinbart wird, nicht beurkundungsbedürftig;<br />
seine Pfandsicherung ergibt sich, wenn die Parteien keinen höheren Maximalzins vereinbaren,<br />
aus Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB.
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<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
- der Rang des Grundpfandrechtes, bei Nachrangigkeit der Gesamtbetrag (nicht notwendigerweise<br />
die Liste) der im Range vorgehenden Grundpfandrechte 24 .<br />
Nicht beurkundungsbedürftig ist die Vereinbarung des Nachrückensrechts gemäss Art. 814 Abs. 3<br />
ZGB 25 .<br />
Nicht beurkundungsbedürftig, aber aus Beweisgründen mindestens in Schriftform zu belegen ist bei<br />
vertraglich errichteten Schuldbriefen die<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 225**<br />
Anweisung des Verpfänders an die Urkundsperson, den Titel beim Grundbuchamt zu beziehen, ihn<br />
der Gläubigerin auszuhändigen und die Annahme dieser Anweisung gegenüber der Gläubigerin<br />
durch Zustellung einer Interimsbescheinigung zu erklären 26 .<br />
Keiner ausdrücklichen Vereinbarung und demgemäss auch keiner Beurkundung bedürfen die Regelungen<br />
über die Vertragsdauer und Kündigung. Diesbezüglich gilt beim Schuldbrief mangels anderer<br />
Abrede Art. 844 ZGB. - Die Pfandgläubigerin kann jederzeit und ohne Angabe des Rechtsgrundes<br />
auf das Pfandrecht verzichten, und zwar durch formlose Erklärung, die allerdings zum grundbuchlichen<br />
Vollzug in Schriftform belegt sein muss (sogenannte Löschungsbewilligung).<br />
Bei der Grundpfandverschreibung (nicht beim Schuldbrief) ist ein wesentlicher Bestandteil der öffentlichen<br />
Urkunde, wie in Ziff. 3.2 bereits gesagt, die Bezeichnung, d.h. die Identifikation der zu<br />
sichernden Forderung. Die Stipulation der Darlehensgewährung mit den weiteren Absprachen über<br />
Darlehensverzinsung 27 , -kündigung, -rückzahlung etc. ist dagegen kein notwendiges Element.<br />
Ebensowenig braucht die öffentlich beurkundete Grundpfandverschreibung ein Schuldbekenntnis zu<br />
enthalten ("Ich bekenne, der Gläubigerin X. den Betrag <strong>von</strong> Fr. Y zu schulden"). Besteht die Schuld<br />
im Zeitpunkt der Beurkundung bereits, so bedarf sie keiner Bestätigung in der Urkunde. Besteht die<br />
Schuld noch nicht, so ist das in Gegenwartsform abgegebene Schuldbekenntnis unwahr, seine öffentliche<br />
Beurkundung eine Falschbeurkundung.<br />
Beim Schuldbrief liegen die Dinge anders, weil der Titel eine Forderung verkörpert, die sich auf<br />
eine entsprechende Willenserklärung des Verpfänders im <strong>Errichtung</strong>sakt abstützen muss, wonach<br />
der Verpfänder die im Titel zu verbriefende Summe gegenüber der Titelgläubigerin schulden will.<br />
3.3 Mustertexte und Ablauf der Pfanderrichtung<br />
Angesichts der verschiedenen Usanzen bezüglich der gläubigerseitigen Erklärungsabgabe werden<br />
nachfolgend nur die vom Verpfänder abzugebenden Erklärungen dargestellt. Die Erklärung der<br />
Gläubigerin enthält inhaltlich keine zusätzlichen Elemente. Richtigerweise wird sie als vorausge-<br />
24 So BGE 116 II 291 (293), E. 2 = ZBGR 72 (1991) S. 371; ROLAND PFÄFFLI, Theorie und Praxis zum Grundpfandrecht,<br />
"recht" 1994, S. 263.<br />
25 A.A. BK-LEEMANN, N 47 zu Art. 813 und 814 ZGB mit der Begründung, der Nachrückensvertrag enthalte eine<br />
Verfügung des Grundeigentümers über eine (freiwerdende) Pfandstelle und bedürfe deshalb der öffentlichen Beurkundung;<br />
LEEMANN selber hält - im Widerspruch zur zitierten Äusserung - in N 31 zu Art. 813 und 814 ZGB den<br />
Verzicht des Grundeigentümers auf eine leere Pfandstelle in einfacher Schriftform für zulässig; ferner bejaht er die<br />
Möglichkeit privatschriftlicher Nachrückensbestellung, wenn sie für ein nicht-vertraglich errichtetes Grundpfand erfolgt.<br />
- LEEMANN verkennt, dass die Formbedürftigkeit nicht da<strong>von</strong> abhängt, ob die Absprache zu einer Einschränkung<br />
künftiger Gestaltungsmöglichkeiten des Grundeigentümers führt, sondern ob die Absprache im Rahmen<br />
des Pfandvertrags objektiv und subjektiv wesentlich ist. Diese Wesentlichkeit ist für die Nachrückensvereinbarung<br />
in der Regel zu verneinen.<br />
26 Vgl. hiezu hinten, Ziff. 3.3.2.1, am Ende.<br />
27 A.A. PAUL-HENRI STEINAUER im Gutachten vom 11.12.1995 zuhanden der Association des notaires vaudois, S.<br />
15; STEINAUER hält den Betrag und den Zinssatz der pfandgesicherten Schuld für beurkundungsbedürftig.
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<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
hende Offerte zum Vertragsschluss, nicht als nachfolgendes Akzept gedeutet. Denn dem Formzwang<br />
ist nur Genüge getan, wenn das Geschäft mit Abschluss der öffentlichen Beurkundung mit<br />
rechtlicher Bindungswirkung zustande kommt 28 .<br />
3.3.1 Grundpfandverschreibung<br />
3.3.1.1 Inhalt des Pfandvertrags<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 226**<br />
Der Inhalt der vom Verpfänder in öffentlicher Urkunde abzugebenden Erklärungen kann folgendermassen<br />
aufgegliedert werden:<br />
"<strong>Errichtung</strong>sakt für eine Grundpfandverschreibung<br />
a) Ich bekenne, <strong>von</strong> der X.-Bank Fr. 100'000.-- als grundpfändlich zu sicherndes Darlehen<br />
empfangen [oder: zugesagt erhalten] zu haben.<br />
b) Ich verpflichte mich gegenüber der X.-Bank, zur Sicherung dieses Darlehens eine<br />
Grundpfandverschreibung über Fr. 100'000.-- mit Zins bis zu maximal 10% im ersten Rang auf<br />
meiner Parzelle P in O. zu errichten.<br />
c) Ich beauftrage die Urkundsperson N.N., diesen Grundpfandvertrag beim Grundbuchamt<br />
O. anzumelden.<br />
d) Ich ersuche das Grundbuchamt, das hiermit vereinbarte Pfandrecht als Grundpfandverschreibung<br />
auf der vorgenannten Parzelle einzutragen."<br />
Die unter (a) wiedergegebene Erklärung hat bezüglich des Darlehens keine Vertragswirkung. Das<br />
Darlehen wird hier nicht vereinbart, sondern lediglich erwähnt zwecks Klarstellung, auf welches<br />
Grundverhältnis sich das unter (b) zu errichtende Pfandrecht akzessorisch beziehen soll. Jedoch soll<br />
der Verpfänder im Ingress auf die Vertragsofferte der Gläubigerin Bezug nehmen und dadurch seine<br />
öffentlich beurkundete Willenserklärung als Annahmeerklärung kenntlich machen; diesem Zwecke<br />
dient die Feststellung, dass die Gläubigerin ein grundpfändlich zu sicherndes Darlehen zugesagt und<br />
also den Abschluss des Grundpfandvertrags angeboten hat. Die Bezugnahme auf die Vertragsofferte<br />
der Gläubigerin ist allerdings keine notwendige Voraussetzung für den Vertrags-Charakter des Geschäftes.<br />
Es genügt, dass die Vertragsofferte tatsächlich gestellt wurde. Das in Art. 1 Abs. 1 OR aufgestellte<br />
Erfordernis der Gegenseitigkeit der Vertragserklärungen erheischt nicht, dass die Annahmeerklärung<br />
ausdrücklich auf die Offerterklärung Bezug nimmt.<br />
Die unter (b) wiedergegebene Erklärung ist die Verpfändungserklärung. Die hier wiedergegebene<br />
Formulierung veranschaulicht, dass anlässlich der öffentlichen Beurkundung das Pfandrecht erst<br />
vertraglich vereinbart, noch nicht dinglich errichtet wird. Der Verpfänder erfüllt seine Verpfändungsverpflichtung<br />
zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich durch die Grundbuchanmeldung des Geschäftes.<br />
- Mancherorts ist allerdings üblich, den Vertragsschluss als Pfanderrichtung im Präsens zu<br />
formulieren, beispielsweise: "... errichte ich hiermit ein Pfandrecht als Grundpfandverschreibung<br />
im ersten Rang auf meiner Parzelle P in O. zugunsten der X.-Bank." Das ist ungenau, aber unschädlich.<br />
Die unter (c) und (d) wiedergegebenen Erklärungen sind die Einleitung der Erfüllung des unter (b)<br />
abgegebenen Verpfändungsversprechens. Wichtig ist insbesondere die Erklärung gemäss (d), näm-<br />
28 Zur einseitigen Beurkundung <strong>von</strong> Zweiparteiengeschäften vgl. BRÜCKNER, Beurkundungsrecht (1993), Ziff.<br />
1859-1868, insbesondere 1864 ff.
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<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
lich das ans Grundbuchamt gerichtete Eintragungsgesuch im Sinne <strong>von</strong> Art. 963 Abs. 1 ZGB. Mit<br />
der Stellung des Eintragungsgesuchs leitet der Verpfänder<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 227**<br />
jenes Verfahren ein, durch welches er schlussendlich über sein Grundeigentum verfügt und der<br />
Gläubigerin das Pfandrecht verschafft.<br />
3.3.1.2 Ablauf der <strong>Errichtung</strong><br />
Nach der Vollendung der Urkunde bzw. einer für das Grundbuchamt bestimmten Ausfertigung derselben<br />
29 überbringt die Urkundsperson diese zusammen mit dem <strong>von</strong> ihr ausgefüllten und unterzeichneten<br />
Formular "Grundbuchanmeldung" dem Grundbuchamt. Die zuständige Amtsperson<br />
nimmt die Anmeldung samt Beilage entgegen und trägt die erfolgte Anmeldung ohne Aufschub 30<br />
(d.h. am gleichen Tag, unter Angabe <strong>von</strong> Stunde und Minute des Anmeldungseingangs) im Tagebuch<br />
ein. Der Grundbucheintrag des Pfandrechts und die Ausstellung des Gläubigerdoppels der<br />
Grundpfandverschreibung geschieht gemäss Rückstand des Amtes einige Wochen, Monate oder<br />
Jahre später 31 . Unabhängig vom Zeitpunkt des Grundbucheintrags wird die dingliche Pfandsicherheit<br />
aber auf den Zeitpunkt des Tagebucheintrags zurückbezogen, so dass ein während der grundbuchlichen<br />
Bearbeitungszeit eintretender Konkurs des Verpfänders der Gläubigerin nicht schadet.<br />
3.3.2 Namenschuldbrief<br />
3.3.2.1 Inhalt des Pfandvertrags<br />
Als Unterschied zur <strong>Errichtung</strong> der Grundpfandverschreibung ist zu erwähnen, dass wegen Art. 854<br />
und 855 ZGB im Text des Schuldbrieferrichtungsaktes keine "Gegenleistung" erwähnt und also kein<br />
Bezug auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis genommen werden darf. Die im Schuldbrief verkörperte<br />
Zahlungsverpflichtung ist abstrakt. Begriffe wie "Darlehen", "konsolidierter Baukredit"<br />
oder "gestundeter Kaufpreis" gehören weder in den Schuldbrieferrichtungsakt noch in den Schuldbrief.<br />
Der Inhalt der vom Verpfänder in öffentlicher Urkunde abzugebenden Erklärungen kann folgendermassen<br />
aufgegliedert werden:<br />
"<strong>Errichtung</strong>sakt für einen Namenschuldbrief<br />
a) Unter Bezugnahme auf die Vertragsofferte der X.-Bank ...<br />
b) ... verpflichte ich mich gegenüber der X.-Bank, einen auf deren Namen lautenden Schuldbrief<br />
über Fr. 100'000.-- mit Zins bis zu maximal 10% im ersten Rang auf meiner Parzelle P in O.<br />
zu errichten, und ich verpflichte mich gegenüber der Schuldbriefgläubigerin, den im Titel zu verbriefenden<br />
Betrag samt Zins zu bezahlen.<br />
c) Ich beauftrage die Urkundsperson N.N., diese Schuldbrieferrichtung beim Grundbuchamt<br />
O. anzumelden.<br />
d) Ich ersuche das Grundbuchamt O., das hiermit vereinbarte Pfandrecht auf der vorgenannten<br />
Parzelle einzutragen und den Schuldbrieftitel auf den Namen der X.-Bank auszufertigen.<br />
29 In den 11 Kantonen mit Urschriftensystem wird das Grundbuchamt mit einer Ausfertigung, in den übrigen Kantonen<br />
in der Regel mit dem Original der öffentlichen Urkunde oder mit einer beglaubigten Fotokopie derselben bedient;<br />
zur Unterscheidung <strong>von</strong> Urschriftensystem und dem System originaler Zirkulationsurkunden vgl.<br />
BRÜCKNER, Beurkundungsrecht (1993), Ziff. 228-238.<br />
30 Art. 948 Abs. 1 ZGB; Art. 14 Abs. 1 GBV.<br />
31 Vgl. HANS-PETER FRIEDRICH, "Interimstitel" im Hypothekarwesen, ZBGR 52 (1971), S. 1 ff. (5).
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 11<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 228**<br />
e) Ich ersuche das Grundbuchamt, den gefertigten Schuldbrief der Urkundsperson N.N. auszuhändigen.<br />
f) Ich weise die Urkundsperson N.N. an, den Schuldbrief beim Grundbuchamt zu beziehen<br />
und an die X.-Bank auszuhändigen, und ich ersuche die Urkundsperson, die Annahme dieser<br />
Anweisung gegenüber der X.-Bank durch Ausstellung einer Interimsbescheinigung zu erklären."<br />
Die unter a-d dargestellten Erklärungen entsprechen den vorn, Ziff. 3.3.1.1, für die Grundpfandverschreibung<br />
dargestellten Erklärungen a-d. Abweichungen bestehen bezüglich der Erklärungen (a)<br />
und (b).<br />
Die Erklärung (a) enthält nicht die blosse Identifikation der grundpfändlich zu sichernden Forderung,<br />
sondern deren unmittelbare Begründung. Da der Schuldbrief nicht nur das Pfandrecht, sondern<br />
auch die Pfandforderung verkörpert, muss der beim Grundbuchamt eingereichte Rechtsgrundausweis<br />
die Pfandforderung begründen. Das in der Beurkundungspraxis übliche Schuldbekenntnis in<br />
Präsensform ("Ich bekenne, der X.-Bank Fr. 100'000.-- zu schulden ...") ist auch hier unschädlich,<br />
aber noch realitätsfremder als bei der <strong>Errichtung</strong> einer Grundpfandverschreibung. Meist schuldet der<br />
Verpfänder am Tage der öffentlichen Beurkundung noch nichts, weil das <strong>von</strong> der Gläubigerin zugesagte<br />
Darlehen erst nach der Grundbuchanmeldung des Schuldbriefs ausbezahlt wird. Das im Präsens<br />
formulierte Schuldbekenntnis ist in diesen Fällen unwahr und sollte unter dem Gesichtswinkel<br />
der notariellen Wahrheitspflicht vermieden werden. Aber auch in jenen seltenen Fällen, in welchen<br />
der Schuldbrief zur Sicherung einer bereits bestehenden Schuld errichtet wird, ist das im Präsens<br />
formulierte Schuldbekenntnis fehl am Platz. Denn die im Zeitpunkt der öffentlichen Beurkundung<br />
bestehende Schuld wird gemäss Art. 855 ZGB durch Novation getilgt, ist also gerade nicht identisch<br />
mit der im Schuldbrief verbrieften und grundpfändlich gesicherten Schuld.<br />
Die Erklärung (b) enthält nicht nur das Verpfändungsversprechen, sondern auch das implizite Begebungsversprechen:<br />
Hier verpflichtet sich der Verpfänder stillschweigend 32 , der Gläubigerin den Titelbesitz<br />
zu verschaffen.<br />
Die unter (e) dargestellte Erklärung ist die an das Grundbuchamt adressierte Begebungsermächtigung<br />
- d.h. die Einwilligung, den Titel nicht dem Schuldner, sondern einer Stellvertreterin der Gläubigerin<br />
auszuhändigen - im Sinne <strong>von</strong> Art. 857 Abs. 3 ZGB.<br />
Die unter (f) dargestellte Erklärung ist die an die Urkundsperson adressierte Anweisung, den Titel<br />
nach seiner Erstellung beim Grundbuchamt zu beziehen und an die Gläubigerin auszuhändigen.<br />
3.3.2.2 Ablauf der <strong>Errichtung</strong><br />
Beim Namenschuldbrief meldet die Urkundsperson das Geschäft anschliessend an die Beurkundung<br />
beim Grundbuchamt an. Das Grundbuchamt nimmt den Grundbucheintrag vor und fertigt den<br />
Schuldbrief als Wertpapier, indem ein amtliches Schuldbriefformular mit den<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 229**<br />
individuellen Angaben über Schuld und Pfandobjekt ausgefüllt und durch eine zuständige Amtsperson<br />
unterzeichnet wird (Art. 857 Abs. 1 ZGB) 33 .<br />
32 Vgl. vorn, Ziff. 3.1.<br />
33 Während dieses Wertpapier früher durch den Schuldner und den zuständigen kantonalen Beamten mitunterzeichnet<br />
werden musste, genügt heute die grundbuchamtliche Unterzeichnung (Art. 857 Abs. 2 ZGB). Das Requisit der Unterschrift<br />
des Schuldners ist aufgehoben seit 1.1.1988, dasjenige der Notarunterschrift seit 1.1.1994; vgl. hiezu
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 12<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
3.3.2.3 Der Begebungsvertrag und seine Erfüllung<br />
Die vertragliche Schuldbrieferrichtung umfasst notwendigerweise das ausdrückliche oder stillschweigende<br />
Begebungsversprechen; vgl. vorn, Ziff. 3.1. Dieses Versprechen kann an Bedingungen<br />
geknüpft sein, beispielsweise an diejenige der Valutierung des Schuldbriefes Zug um Zug gegen<br />
Hingabe des Titels. Das Begebungsversprechen wird erfüllt durch die tatsächliche Begebung des<br />
Titels, d.h. durch die Überführung des Titels in den Besitz der Gläubigerin. Die Erfüllung des Begebungsversprechens<br />
erfolgt in der Regel in mehreren Schritten, nämlich dadurch, dass der Verpfänder<br />
gegenüber dem Grundbuchamt oder gegenüber der Urkundsperson eine Begebungsermächtigung<br />
abgibt, d.h. den Auftrag erteilt, den gefertigten Titel der Gläubigerin auszuhändigen, und dass das<br />
Grundbuchamt und die Urkundsperson anschliessend im Sinne dieser Ermächtigung tätig werden.<br />
Die Erfüllung des Begebungsversprechens ist allemal die privatrechtliche Vertragspflicht des<br />
Verpfänders, nicht die öffentlichrechtliche Amtspflicht des Grundbuchamtes oder der Urkundsperson.<br />
Grundbuchamt und Urkundsperson haben weder richterliche noch vollstreckungsrechtliche<br />
Aufgaben. Es ist nicht ihre Sache, den Verpfänder gegen dessen Willen zur Erfüllung seines Begebungsversprechens<br />
zu zwingen. Hingegen ist es ihre Amtspflicht, den Verpfänder an der Verletzung<br />
des gegebenen Versprechens, d.h. an der vertragswidrigen Verwendung des Schuldbriefs zu einem<br />
anderen Zweck zu hindern 34 .<br />
Aus diesem Grunde ist es <strong>von</strong> rechtlicher Bedeutung, wer vom Grundbuchamt die Herausgabe des<br />
fertiggestellten Titels verlangen kann. In den Kantonen mit freiberuflichem Notariat, in denen das<br />
Grundbuchamt den Titel grundsätzlich der anmeldenden Urkundsperson aushändigt, stellt sich die<br />
Frage, wer <strong>von</strong> dieser Urkundsperson die Herausgabe des Titels verlangen kann. Der Herausgabeanspruch<br />
ist zwar ein öffentlichrechtlicher - Grundbuchamt und Urkundsperson erfüllen bei der Aushändigung<br />
des Titels Amtspflichten, nicht privatrechtliche Vertragspflichten - aber die öffentlichrechtliche<br />
Herausgabepflicht richtet sich nach der zivil- und vollstreckungsrechtlichen Rechtslage.<br />
Art. 857 Abs. 3 ZGB und gleichlautend Art. 58 GBV schreiben vor, dass Schuldbriefe "dem Gläubiger<br />
oder seinem Beauftragten nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Schuldners und des Eigentümers<br />
des<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 230**<br />
belasteten Grundstückes ausgehändigt werden" dürfen. Das Verpfändungsversprechen umfasst beim<br />
vertraglich errichteten Schuldbrief zwar auch das Begebungsversprechen 35 . Die Abgabe der Begebungsermächtigung<br />
muss aber - als Erfüllungshandlung des Begebungsversprechens - ausdrücklich<br />
erklärt werden, und zwar schriftlich (Art. 58 Abs. 1 GBV).<br />
Der Schuldner und Verpfänder kann diese Begebungsermächtigung im Schuldbrieferrichtungsakt<br />
oder in der Grundbuchanmeldung erklären 36 .<br />
3.3.3 Inhaberschuldbrief<br />
3.3.3.1 Inhalt des Verpfändungsversprechens bei Begebung des Titels zu vollem Recht<br />
Der Inhalt der vom Verpfänder in öffentlicher Urkunde abzugebenden Erklärungen kann folgendermassen<br />
aufgegliedert werden:<br />
ROLAND PFÄFFLI, Neuerungen im Immobiliarsachenrecht und beim Grundstückkauf, Berner Notar 1992, S. 449-<br />
463 (452 ff.).<br />
34<br />
Vgl. BRÜCKNER, Beurkundungsrecht (1993), Ziff. 500.<br />
35<br />
Vgl. vorn, Ziff. 3.3.2.1.<br />
36<br />
Vgl. in diesem Sinne ZK-WIELAND (1909), N. 3 zu Art. 857 ZGB.
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 13<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
"<strong>Errichtung</strong>sakt für einen Inhaberschuldbrief<br />
a) Unter Bezugnahme auf die Vertragsofferte der X.-Bank ...<br />
b) ... verpflichte ich mich gegenüber der X.-Bank, einen Inhaberschuldbrief über Fr.<br />
100'000.-- mit Zins bis zu maximal 10% im ersten Rang auf meiner Parzelle P in O. zu errichten,<br />
und ich verpflichte mich gegenüber der Schuldbriefgläubigerin, den im Titel zu verbriefenden Betrag<br />
samt Zins zu bezahlen.<br />
c) Ich beauftrage die Urkundsperson N.N., diese Schuldbrieferrichtung beim Grundbuchamt<br />
O. anzumelden.<br />
d) Ich ersuche das Grundbuchamt, das Pfandrecht einzutragen und den Schuldbrieftitel<br />
auf den Inhaber auszufertigen.<br />
e) Ich ersuche das Grundbuchamt O., den gefertigten Schuldbrief der Urkundsperson<br />
N.N. auszuhändigen.<br />
f) Ich weise die Urkundsperson N.N. an, den Schuldbrief beim Grundbuchamt zu beziehen<br />
und an die X.-Bank auszuhändigen, und ich ersuche die Urkundsperson, die Annahme dieser<br />
Anweisung gegenüber der X.-Bank durch Ausstellung einer Interimsbescheinigung zu erklären."<br />
Die Bedeutung der einzelnen Erklärungen a-f ist die gleiche wie beim Namenschuldbrief (vgl. vorn,<br />
Ziff. 3.3.2.1 f.).<br />
Da sich die Person der Gläubigerin und damit die Identität der Gegenpartei bei der vertraglichen<br />
<strong>Errichtung</strong> des Titels nicht aus der Beschreibung des Titelinhaltes ergibt, muss sie in der Urkunde<br />
besonders erwähnt werden. In der öffentlichen Urkunde muss gesagt werden, wem nach <strong>Errichtung</strong><br />
des Titels der Vertragsanspruch auf den anfänglichen Titelbesitz zukommt 37 .<br />
Unterbleibt diese Angabe, so ist dies für die Grundbuchfähigkeit des <strong>Errichtung</strong>saktes und für die<br />
Gültigkeit des Inhaberschuldbriefes zwar unschädlich, aber die Urkunde ermangelt in diesem Falle<br />
gerade jenes Elementes, um dessentwillen die öffentliche Beurkundung gewählt<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 231**<br />
wurde: Es liegt in einem solchen Falle nicht die Beurkundung eines Pfandvertrags vor, sondern die<br />
(unnötige) öffentliche Beurkundung einer ohne Verpflichtungswirkung erfolgenden nichtvertraglichen<br />
Titelerrichtung. Die Gläubigerin erhält in diesem Falle - trotz öffentlicher Beurkundung<br />
- keinen vertraglichen Anspruch auf die Grundpfandbestellung und den Titelbesitz.<br />
Bei dem auf den Namen des Grundeigentümers ausgestellten Namenschuldbrief verhalten sich die<br />
Dinge gleich wie beim Inhaberschuldbrief, mit dem einzigen Unterschied, dass zur Erfüllung des<br />
Begebungsversprechens nicht nur die Besitzverschaffung am Titel, sondern auch dessen Indossierung<br />
nötig ist (Art. 869 Abs. 3 ZGB) 38 . Der Grundeigentümer kann das Indossament 39 in den Räu-<br />
37 In diesem Sinne auch STEINAUER III (1992), S. 251, Ziff. 2950: "Le titre d'acquisition est un contrat de gage<br />
immobilier par lequel le propriétaire de l'immeuble s'engage envers le tiers créancier à constituer en sa faveur une<br />
cédule hypothécaire ... au porteur."<br />
38 Die Kombination <strong>von</strong> <strong>Errichtung</strong>sakt und Begebungsvertrag ist als Verpfändungsversprechen zu qualifizieren und<br />
bewirkt beim Schuldbrief (a) die Notwendigkeit der öffentlichen Beurkundung und (b), sofern die Titelbegebung zu<br />
Vollrecht versprochen wurde, die Entstehung des Pfandrechts bereits im Zeitpunkt des Grundbucheintrages, nicht<br />
erst im späteren Zeitpunkt der Titelbegebung. Indem Art. 20 Abs. 1 GBV die Unterscheidung zwischen Schuldbrieferrichtungsakten<br />
mit und ohne Verpfändungsversprechen nicht macht, ist die Bestimmung zu weit gefasst. Vgl.<br />
die zutreffende Kritik am Verordnungswortlaut <strong>von</strong> HUBER, Grundbuchverordnung (1989), S. 129 ff. (136); Art.<br />
20 Abs. 1 steht seit dem 22.2.1910 mit unverändertem Wortlaut in der Grundbuchverordnung.
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<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
men des Grundbuchamtes leisten, ohne bei dieser Gelegenheit selber Besitz vom Titel zu ergreifen<br />
40 .<br />
3.3.3.2 Inhalt des Verpfändungsversprechens bei Begebung des Titels zu Faustpfand<br />
Der Inhalt der vom Verpfänder in öffentlicher Urkunde abzugebenden Erklärungen kann folgendermassen<br />
aufgegliedert werden:<br />
"<strong>Errichtung</strong>sakt für einen Inhaberschuldbrief<br />
I. Faustpfandvertrag<br />
a) Ich bekenne, <strong>von</strong> der X.-Bank Fr. 100'000.-- als hypothekarisch sicherzustellendes<br />
Darlehen empfangen [oder: zugesagt erhalten] zu haben.<br />
b) Ich verpflichte mich gegenüber der X.-Bank, zur Sicherung dieses Darlehens den<br />
nachgenannten Inhaberschuldbrief zu errichten und zu Faustpfand zu begeben.<br />
II. Schuldbrieferrichtung<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 232**<br />
a) Ich errichte einen Inhaberschuldbrief über Fr. 100'000.-- mit Zins bis zu maximal 10% im<br />
ersten Rang auf meiner Parzelle P in O., und ich verpflichte mich gegenüber der Schuldbriefgläubigerin,<br />
den im Titel zu verbriefenden Betrag samt Zins zu bezahlen.<br />
b) Ich beauftrage die Urkundsperson N.N., diese Schuldbrieferrichtung beim Grundbuchamt<br />
O. anzumelden.<br />
c) Ich ersuche das Grundbuchamt, das Pfandrecht einzutragen und den Schuldbrieftitel<br />
auf den Inhaber auszufertigen.<br />
d) Ich ersuche das Grundbuchamt, den gefertigten Schuldbrief der Urkundsperson N.N.<br />
auszuhändigen.<br />
e) Ich weise die Urkundsperson N.N. an, den Schuldbrief beim Grundbuchamt zu beziehen<br />
und an die X.-Bank zu Faustpfand auszuhändigen, und ich ersuche die Urkundsperson, die Annahme<br />
dieser Anweisung gegenüber der X.-Bank durch Ausstellung einer Interimsbescheinigung zu<br />
erklären."<br />
f) Ich ersuche das Grundbuchamt, nach erfolgter Titelbegebung die X.-Bank als Faustpfandgläubigerin<br />
im Gläubigerregister einzutragen.<br />
Die unter Ziff. I/a und I/b wiedergegebenen Erklärungen umfassen den Faustpfandvertrag. Sie dienen<br />
als Ingress zur anschliessenden Schuldbrieferrichtung und machen diese verständlich. Die Erklärungen<br />
unter Ziff. II/a-e entsprechen den im vorherigen Abschnitt wiedergegebenen Erklärungen<br />
a-e. Sie umfassen die Schuldbrieferrichtung und den Begebungsvertrag, unter (e) allerdings mit der<br />
39 Der Gesetzgeber hat in Art. 869 Abs. 2 ZGB den Begriff des Indossamentes vermieden und statt dessen <strong>von</strong> der<br />
"Anmerkung der Übertragung auf dem Titel" gesprochen, um nicht dem Irrtum Vorschub zu leisten, es könnte mit<br />
dieser Anmerkung die Garantiewirkung des Wechselindossamentes verbunden sein; vgl. BÄR, Aspekte (1985), S.<br />
42, Fn. 41, mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien.<br />
40 Der <strong>von</strong> SCHÜPBACH, Gestation (1990), S. 143, erhobene Einwand, das Pfandrecht könne bei dem auf den Namen<br />
des Grundeigentümers ausgestellten Namenschuldbrief nicht bereits im Zeitpunkt der Grundbuchanmeldung entstehen,<br />
weil der Verpfänder nach der grundbuchlichen Fertigung des Titels zuerst selber Besitz ergreifen und indossieren<br />
müsse, erscheint nicht als stichhaltig. Die Vorsprache des Schuldners auf dem Grundbuchamt zwecks Unterzeichnung<br />
war bis 1988 - wenn damals auch nicht zum Zwecke der Indossierung, sondern der Titelfertigung - ein<br />
vertrauter Vorgang, welcher veranschaulicht, dass und wie der Schuldner eine Unterschrift auf den Titel setzen<br />
kann, ohne selber den Besitz zu ergreifen.
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 15<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
Besonderheit, dass die Urkundsperson angewiesen wird, den Schuldbrief zu Faustpfand, nicht zu<br />
vollem Recht, an die Gläubigerin auszuhändigen.<br />
Da das Grundbuchamt die Faustpfandgläubigerin erst nach erfolgter Titelbegebung im Gläubigerregister<br />
eintragen darf 41 , sollte unter (f) auch die Instruktion an das Grundbuchamt entsprechend formuliert<br />
werden.<br />
4. Nicht-vertragliche <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> Schuldbriefen<br />
4.1 Anerkannte Zulässigkeit<br />
Art. 20 Abs. 1 GBV bestimmt, dass Eigentümer- und Inhaberschuldbriefe nicht nur durch Vertrag,<br />
sondern auch in nicht-vertraglicher Form, d.h. durch schriftliche Anmeldung geschaffen werden<br />
können 42 . Diese Verordnungsbestimmung bezieht sich auf alle Schuldbriefe, welche unmittelbar<br />
nach der <strong>Errichtung</strong> als Eigentümergrundpfandtitel in den Erstbesitz des Verpfänders übergehen,<br />
ohne dass dieser bereits rechtlich verpflichtet ist, den Titel einer anderen Person zu vollem Recht<br />
oder zu Faustpfand auszuhändigen.<br />
4.2 Inhalt des nicht-vertraglichen <strong>Errichtung</strong>saktes<br />
Wird für die <strong>Errichtung</strong> des Schuldbriefs die nicht-vertragliche Variante und damit die einfache<br />
Schriftform gemäss Art. 963 Abs. 1 ZGB/Art.<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 233**<br />
20 Abs. 1 GBV gewählt, so ist kein Vertragspartner zu erwähnen. Das Verfahren besteht in einem<br />
Brief des Grundeigentümers an das Grundbuchamt 43 , welcher folgendermassen lauten kann:<br />
"An das Grundbuchamt O.<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
Ich ersuche Sie, auf meiner Parzelle P einen Inhaberschuldbrief mit folgenden Spezifikationen<br />
zu errichten:<br />
- Schuld- und Pfandsumme: Fr. 100'000.--;<br />
- Pfandobjekt: Parzelle P des Grundbuches O.;<br />
- Rang: erster;<br />
41 Erst mit der Titelbegebung entsteht die dingliche Pfandsicherheit; ein vorher erfolgter Eintrag der Gläubigerin im<br />
Grundbuch würde falschen Schein schaffen.<br />
42 Vgl. TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Zivilgesetzbuch (1995), S. 768 und 867, mit Hinweis auf BGE 116 II 292, 115<br />
II 357, 112 II 431 und 49 II 25; STEINAUER III (1992), S. 251 f., Ziff. 2950-2952a.<br />
43 Bei diesem Instruktionsschreiben handelt es sich um die "schriftliche Erklärung" im Sinne <strong>von</strong> Art. 963 Abs. 1 ZGB<br />
bzw. um die "schriftliche Anmeldung" im Sinne <strong>von</strong> Art. 20 Abs. 1 GBV. - Mit Urteil vom 15.02.1995, BGE 121 III<br />
97 ff., E.4, hat das Bundesgericht klargestellt, dass ein solcher Brief genügen muss (nachdem es die gleiche Frage in<br />
BGE 45 I 311 [316], E. 2 = ZBGR 8 [1927], S. 49, noch ausdrücklich offen gelassen hatte); Art. 20 Abs. 2 GBV,<br />
welcher die Kantone seit 1912 ermächtigt hat, die Grundbuchanmeldung solcher Titel ihren Urkundspersonen vorzubehalten,<br />
verstösst nach dem neuen Erkenntnis des Bundesgerichts gegen Art. 963 Abs. 1 ZGB und ist aus diesem<br />
Grunde nicht anwendbar. Das gleiche gilt für die Gesetzes- und Verordnungsnormen, welche seit 1912 <strong>von</strong> insgesamt<br />
4 Kantonen, gestützt auf Art. 20 Abs. 2 GBV, zugunsten kantonaler Urkundspersonen erlassen worden sind,<br />
nämlich AG NO § 38 Abs. 3; BS EGZGB § 209 Abs. 3; VD LICC Art. 181 Abs. 2; NE LN Art. 22 Abs. 2, Régl.<br />
d'ex. de la LN Art. 31. - BGE 121 III 97 betraf einen Fall im Kanton Basel-Stadt. - Auf die Gesetzwidrigkeit <strong>von</strong><br />
Art. 20 Abs. 2 GBV hatte bereits HUBER, Grundbuchverordnung (1989), S. 129 ff. (143 oben) zutreffend hingewiesen.
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<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
- Verzinslichkeit, Amortisation, Kündigungs- und Fälligkeitsbestimmungen:<br />
gemäss jeweiliger Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubigerin;<br />
- Maximalzins: 10%;<br />
- Schuldner und Verpfänder: X.Y.<br />
[beglaubigte Unterschrift des Schuldners und Verpfänders X.Y.]."<br />
Der notwendige Inhalt dieses Schreibens umfasst den Namen des Verpfänders, wobei als Namensangabe<br />
die beglaubigte Unterschrift genügen muss, ferner die Bezeichnung des Grundstückes sowie<br />
den Betrag der Pfandforderung und den Rang des Pfandrechtes 44 .<br />
Die Spezifikation der Pfandforderung enthält die implizite Verpflichtungserklärung des Verpfänders,<br />
dem künftigen Titelinhaber die im Titel verkörperte Schuld zu bezahlen. Dies muss als<br />
Rechtsgrundausweis für die vom Grundbuchverwalter im Titel zu verbriefende Forderung genügen.<br />
Wenn der Verpfänder die erforderlichen Willenserklärungen in der Grundbuchanmeldung vollständig<br />
zum Ausdruck bringt, bedarf diese keines weiteren Beleges, sondern kann ohne Beilage eingereicht<br />
werden. Jedoch entspricht es in manchen Kantonen der Gepflogenheit, den Verpfänder zusätzlich<br />
zur Grundbuchanmeldung einen der notariellen Schuldbrieferrichtung nachgebildeten Text unterzeichnen<br />
zu lassen, um<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 234**<br />
auch bei der nicht-vertraglichen Titelerrichtung den Dualismus <strong>von</strong> Grundbuchanmeldung und Beleg<br />
(Rechtsgrundausweis) in gewohnter Weise darzustellen.<br />
4.3 Rechtliche Würdigung<br />
Bei der nicht-vertraglichen Schaffung <strong>von</strong> Schuldbriefen wird das pfandrechtliche Zweiparteienverhältnis<br />
in zwei Schritten erreicht 45 . Der erste Schritt hat vorbereitenden Charakter. Er führt zu einem<br />
Zustand, bei welchem die durch den Schuldbrief belegte Forderung und das dazugehörende Pfandrecht<br />
noch in der Hand des Verpfänders liegen und wirtschaftlich weder ein Aktivum noch ein Passivum<br />
darstellen 46 . Der zweite Schritt ist derjenige der Titelbegebung. Durch diesen Akt wird eine<br />
vom Verpfänder verschiedene Person zur echten Gläubigerin, der Verpfänder zum Schuldner. Nun<br />
erst erhalten Forderung und Pfandrecht wirtschaftliche Substanz.<br />
Ist der erste Schritt vollzogen und die Pfandlage vorbereitet, so kann sich der Verpfänder in seiner<br />
Eigenschaft als Titelinhaber fortab formfrei gegenüber einer beliebigen Gegenpartei vertraglich zur<br />
Begebung des Titels verpflichten. Verweigert der Titelinhaber in der Folge die Vertragserfüllung, so<br />
hat sein Vertragspartner einen klagbaren Anspruch auf die Herausgabe des Titels zu Eigentum oder<br />
zu Faustpfand.<br />
Zu unterstreichen ist, dass der Schuldner den Begebungsvertrag erst dann rechtswirksam abschliessen<br />
kann, wenn er den neu erstellten Titel vom Grundbuch bezogen hat 47 ; dann nämlich handelt es<br />
44 Vgl. in diesem Sinne MÜLLER, Orientierung (1995), S. 400, mit Verweis auf BGE 116 II 292 Erw. 2.<br />
45 Vgl. die Darstellung der verschiedenen Phasen bei VOLLENWEIDER, Sicherungsübereignung (1994), S. 42 ff.<br />
46 VOLLENWEIDER, Sicherungsübereignung (1994), S. 43, spricht <strong>von</strong> einem bloss formellen Charakter des Pfandrechts<br />
in dieser Phase.<br />
47 In diesem Sinne zutreffend GEORG GAUTSCHI, Beiträge zur Theorie des Eigentümergrundpfandes nach ZGB,<br />
Diss. Zürich 1928, S. 182 und Fn 311: "Nicht erforderlich ist die öffentliche Beurkundung eines Vertrages, der einem<br />
Drittten einen Anspruch lediglich auf Aushändigung eines bereits errichteten Eigentümertitels verschafft."
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<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
sich um die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung oder zur Faustverpfändung einer beweglichen<br />
Sache. Solange der Titel noch im Gewahrsam des Grundbuchamtes ist, kann der Schuldner die zugunsten<br />
der Gläubigerin erteilte Begebungsermächtigung frei widerrufen, weil er bis zum Zeitpunkt<br />
der Begebung - mangels öffentlicher Beurkundung eines Verpfändungsversprechens - nicht verpflichtet<br />
ist, zugunsten der Gläubigerin grundpfändliche Sicherheit zu schaffen.<br />
4.4 Abgrenzung zwischen vertraglicher und nicht-vertraglicher Schuldbrieferrichtung<br />
Wenn Schuldner und Gläubigerin formfrei vereinbaren, dass der Schuldner zur Sicherung einer bestimmten<br />
Forderung einen auf den Namen des Verpfänders lautenden Namenschuldbrief oder einen<br />
Inha-<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 235**<br />
berschuldbrief errichten und anschliessend der Gläubigerin begeben werde, so erfolgt diese Absprache<br />
in der Regel in der irrigen Meinung, die Gläubigerin erhalte sogleich einen mindestens obligatorischen<br />
Anspruch auf Pfandsicherheit 48 .<br />
Die <strong>von</strong> SCHÜPBACH vorgeschlagene Interpretation, wonach solche Absprachen als bedingte Begebungsverträge<br />
zu verstehen seien 49 , vermag nicht zu überzeugen. Die potestativ-bedingte schuldnerische<br />
Verpflichtung ("sofern ich freiwillig den Schuldbrief errichten sollte, will ich mich hiermit<br />
bindend zur anschliessenden Begebung des Titels verpflichten ...") ist realitätsfremd und kann nicht<br />
als der <strong>von</strong> den Parteien gewollte Vertragsinhalt präsumiert werden.<br />
Wurde eine formfreie und demgemäss rechtlich unverbindliche Verpfändungs- oder Begebungszusage<br />
gemacht, bevor der Titel durch das Grundbuchamt ausgestellt worden ist, so kann dies hinwiederum<br />
nicht zur Folge haben, dass die nicht-vertragliche <strong>Errichtung</strong> des Schuldbriefs fortab verunmöglicht<br />
wäre oder dass sie nun ihrerseits der öffentlichen Beurkundung bedürfte. Solange keine<br />
Verpflichtung zur <strong>Errichtung</strong> des Schuldbriefs öffentlich beurkundet ist, hat der Grundeigentümer<br />
die Freiheit, auf seiner Parzelle so viele Schuldbriefe in nicht-vertraglicher Form zu errichten, wie er<br />
will und wann er will, und er hat die Freiheit, die gefertigten Titel zu begeben, wem er will. Er verliert<br />
diese Freiheit nicht, wenn er einer gegenwärtigen oder künftigen Gläubigerin die Begebung<br />
eines (noch zu errichtenden) Schuldbriefs formlos verspricht. Der (ungültige) Rechtsgrund des<br />
formlosen Pfandvertrags hindert den Grundeigentümer nicht daran, in einem nächsten Schritt den<br />
Schuldbrief nicht-vertraglich zu errichten und ihn der Gläubigerin alsdann auszuhändigen.<br />
Die gegenteilige Auffassung, wonach eine nicht öffentlich beurkundete Zusage der Titelbegebung<br />
an eine bestimmte Gläubigerin den Grundeigentümer in seiner Fähigkeit blockiere, nichtvertragliche<br />
Schuldbriefe zu errichten, führt zu unhaltbaren Konsequenzen. Zum einen müsste sich<br />
die Frage stellen, welche Absprachen zur Blockierung führen - mündliche Absichtserklärungen,<br />
unbestimmte mündliche Zusagen, bestimmte mündliche oder schriftliche Zusagen etc. - Unbeantwortbar<br />
wäre auch die Frage, während welcher Zeit eine solche Blockierung andauert bzw. mit welchen<br />
rechtlichen Mitteln sich der Grundeigentümer daraus wieder lösen kann. Sodann müsste sich<br />
die Frage stellen, wie die während der Blockierungszeit nicht-vertraglich errichteten Schuldbriefe zu<br />
qualifizieren sind. Sind sie nichtig? Sind sie anfechtbar? Sind sie gültig? - Wollte man Nichtigkeit<br />
annehmen, so müssten die Banken, um sicher zu gehen, <strong>von</strong> ihrem Hypothekarkunden regelmässig<br />
nicht<br />
48 Vgl. einen solchen Fall in BGE 71 II 265; ferner TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Zivilgesetzbuch (1995), S. 824.<br />
49 SCHÜPBACH, Gestation (1990), S. 135: "La forme écrite ne fait naître qu'une obligation conditionnelle de transférer<br />
le titre, respectivement de le nantir, la condition étant la création, mais la création spontanée, du titre."
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<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 236**<br />
bloss die Einlieferung der versprochenen Schuldbriefe, sondern zusätzlich den Beleg der erfolgten<br />
öffentlichen Beurkundung verlangen. Den Titeln ist nämlich äusserlich nicht anzusehen, ob sie aufgrund<br />
öffentlicher Vertragsbeurkundung oder aufgrund einer blossen Grundbuchanmeldung gemäss<br />
Art. 20 Abs. 1 GBV errichtet worden sind.<br />
Aufgrund dieser Erwägungen muss folgendes gelten: Solange die <strong>Errichtung</strong> des Schuldbriefs in<br />
nicht-vertraglicher Form, also ohne öffentlich beurkundete Verpflichtung zur <strong>Errichtung</strong> des Grundpfandes,<br />
erfolgt, ist sie allemal eine nicht-vertragliche <strong>Errichtung</strong>. Ob der Grundeigentümer anlässlich<br />
dieser <strong>Errichtung</strong> der (irrtümlichen) Auffassung ist, er erfülle bzw. begründe eine Rechtspflicht<br />
gegenüber der Gläubigerin, kann für die Frage der Formbedürftigkeit keine Rolle spielen. Erfüllt die<br />
Grundbuchanmeldung die Anforderungen an die nicht-vertragliche Titelerrichtung 50 , so genügt sie<br />
als Rechtsgrundausweis für die Titelerrichtung. Hingegen hat die Gläubigerin in diesem Falle bis<br />
zur Begebung keine dingliche Sicherheit.<br />
4.5 Beurteilung der Formbedürftigkeit aus der Sicht der Urkundsperson (notarielle Beratung)<br />
Erklärt die Klientschaft gegenüber der Urkundsperson, sie habe <strong>von</strong> der Bank X. einen Kredit zugesichert<br />
oder ausbezahlt erhalten, und sie habe dieser Bank die Beibringung <strong>von</strong> Grundpfandsicherheit<br />
in Gestalt eines Inhaberschuldbriefs versprochen, so kann die Urkundsperson im Rahmen ihrer<br />
Beratung folgende Aussagen machen:<br />
Die formfrei gegenüber der Gläubigerin abgegebene Zusage grundpfändlicher Sicherheit ist rechtlich<br />
nicht bindend. Die Klientschaft ist trotz der Zusage nicht verpflichtet, das versprochene Grundpfand<br />
zu errichten. Will sie es trotzdem tun (zu welchem Zwecke sie ja offenbar zur Urkundsperson<br />
gekommen ist), so hat die Klientschaft die Freiheit, unter den beiden nachgenannten Gestaltungsvarianten<br />
zu wählen.<br />
Entweder entschliesst sich die Klientschaft, der Gläubigerin schon ab Grundbucheintrag dingliche<br />
Sicherheit zu geben. In diesem Falle sind das Verpfändungsversprechen und die zugunsten der<br />
Gläubigerin einzugehende Begebungsverpflichtung öffentlich zu beurkunden. Im Verpfändungsversprechen<br />
muss gesagt werden, dass der Titel der Gläubigerin zu vollem Recht, nicht bloss zu Faustpfand<br />
zukommen soll.<br />
Oder die Klientschaft entschliesst sich, der Gläubigerin zu einem nicht genau vorhersehbaren künftigen<br />
Zeitpunkt, nämlich erst ab Titelbegebung und damit Monate oder Jahre später, dingliche Sicherheit<br />
zu geben. In diesem Falle kann sie den Schuldbrief mit einem einfachen Brief beim Grundbuchamt<br />
anfordern und den Titel nach der grundbuchlichen Fertigung an die Gläubigerin begeben.<br />
In diesem Falle erfüllt auch die blosse Faustverpfändung des Titels den angestrebten Zweck.<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 237**<br />
Wenn die Klientschaft Eile hat, den <strong>von</strong> der Gläubigerin zugesagten Kredit ausbezahlt zu erhalten,<br />
dann ist die Vertragsform mit Titelbegebung zu vollem Recht der schnellere Weg. Wird heute öffentlich<br />
beurkundet, morgen beim Grundbuchamt angemeldet und die Interimsbescheinigung zur<br />
Bank gebracht, so kann das Grundpfand schon übermorgen valutiert werden, auch wenn das Grundbuchamt<br />
mit der Vornahme der Hauptbucheinträge und mit der Ausstellung <strong>von</strong> Schuldbriefen stark<br />
im Rückstand ist.<br />
50 Vgl. zu diesen Anforderungen, Ziff. 4.2 ff..
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 19<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
Besteht keine Eile, weil die Klientschaft auf das Geld oder die Gläubigerin auf die Pfandsicherheit<br />
warten können, dann ist die nicht-vertragliche <strong>Errichtung</strong> der kostengünstigere Weg. In diesem Falle<br />
kann die Urkundsperson aber keine Interimsbescheinigung ausstellen 51 .<br />
4.6 Beurteilung der Formbedürftigkeit aus der Sicht des Grundbuchamtes (amtliche Aktenprüfung)<br />
Die grundbuchliche Beurteilung erfolgt aufgrund einer reinen Aktenprüfung 52 . Fordert der Grundeigentümer<br />
Schuldbrief in einfacher Schriftform an und lassen die eingereichten Akten keinen Verpflichtungswillen<br />
zur Bestellung grundpfändlicher Sicherheit gegenüber einer anderen Vertragspartei<br />
erkennen, so ist die Eintragung vorzunehmen und der Schuldbrief auszufertigen.<br />
Enthält die Grundbuchanmeldung oder ein mit dieser zusammen eingereichter Beleg dagegen ein<br />
nicht öffentlich beurkundetes Verpfändungsversprechen, d.h. die Erklärung des Verpflichtungswillens<br />
zur Bestellung grundpfändlicher Sicherheit gegenüber einer anderen Vertragspartei durch Titelbegebung<br />
zu Vollrecht oder zu Faustpfand, so muss die Anmeldung abgewiesen und vom Anmeldenden<br />
die Nachholung der öffentlichen Beurkundung oder die Einreichung einer neuen, nichtvertraglichen<br />
Anmeldung verlangt werden 53 . Enthalten nämlich die eingereichten Akten ein Verpfändungsversprechen,<br />
so ist dieses als angestreb-<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 238**<br />
ter Rechtsgrund der Titelerrichtung zu betrachten. Das formungültige Verpfändungsversprechen<br />
kann nicht umgedeutet werden in einen formlos gültigen nicht-vertraglichen Akt.<br />
Entscheidend für die Beurkundungsbedürftigkeit ist der in den Akten schriftlich belegte Verpflichtungswille.<br />
Lässt sich aus den Akten oder aus mündlichen Äusserungen des Anmeldenden lediglich<br />
eine Absicht auf Schaffung <strong>von</strong> Grundpfandsicherheit zugunsten einer anderen Person erkennen, so<br />
begründet dies nicht die Beurkundungsbedürftigkeit. Lautet die Grundbuchanmeldung also dahingehend,<br />
das Grundbuchamt möge einen Inhaberschuldbrief ausfertigen und diesen an die Bank X. aushändigen,<br />
so ist der erste Teil dieses Begehrens ein gültiger nicht-vertraglicher Akt im Sinne <strong>von</strong><br />
Art. 20 Abs. 1 GBV, der zweite Teil eine ebenfalls gültige, jedoch widerrufliche Begebungsermächtigung<br />
im Sinne <strong>von</strong> Art. 857 Abs. 3 ZGB. Eine vertragliche Begebungsverpflichtung liegt nicht<br />
51 Vgl. hiezu hinten, Ziff. 7.<br />
52 Zur Kognition des Grundbuchführers vgl. BRÜCKNER, Sorgfaltspflicht (1983), S. 65-84.<br />
53 Dies ergibt sich aus dem vielzitierten BGE 71 II 262 i.S. Aebischer/SBG. Die beklagte Louise Aebischer hatte mit<br />
der klägerischen Bank einen Faustpfandvertrag in einfacher Schriftform abgeschlossen und darin der Bank die Hingabe<br />
zweier noch zu errichtender Schuldbriefe versprochen. Später weigerte sich Frau Aebischer, die beiden vom<br />
Grundbuchamt bereits vorbereiteten Schuldbriefe zu unterzeichnen (gemäss damaligem Wortlaut <strong>von</strong> Art. 857 ZGB<br />
musste der Schuldbrief auch vom Schuldner mitunterzeichnet werden). Die kantonalen Gerichte verurteilten sie zur<br />
Leistung der Unterschrift und zur Aushändigung der beiden Schuldbriefe an die Klägerin. - Das Bundesgericht erkannte<br />
mit folgender Begründung in gegenteiligem Sinne (S. 265): "Verpflichtet sich jemand, einem auf seinem<br />
Grundstück zu errichtenden Pfandtitel [...] zu verpfänden, so enthält diese Erklärung zwei Verpflichtungen: diejenige<br />
zur <strong>Errichtung</strong> des betreffenden Grundpfandrechtes und diejenige, den alsdann in seinem Besitze befindlichen<br />
Pfandtitel zu Faustpfand auszuhändigen. Die erste dieser Verpflichtungen aber kann eben nur in der Form der öffentlichen<br />
Beurkundung gültig eingegangen werden." - Wohl wegen dieses mit einer verfrühten Faustpfandverpflichtung<br />
befassten Präjudizes haben in der Folge verschiedene Autoren nur die Faustverpfändung des noch zu<br />
schaffenden Schuldbriefs als Fall der Beurkundungsbedürftigkeit erwähnt, die verfrühte Vereinbarung der künftigen<br />
Titelbegebung zu vollem Recht im gleichen Zusammenhange jedoch unerwähnt gelassen (vgl. Justizdirektion des<br />
Kantons Bern, Handbuch für die praktizierenden Notare sowie die Grundbuchverwalter des Kantons Bern betreffend<br />
den Verkehr mit dem Grundbuchamt und die Grundbuchführung, 1982, S. 33, Ziff. 4c; HENRI<br />
DESCHENAUX, Das Grundbuch, SPR V/3, Basel 1988, S. 291 und Fn 83; STEINAUER III (1992), N 2951 ff.;<br />
neuestens auch BGE 121 II 97 ff., E. 3a am Ende, sowie MÜLLER, Orientierung (1995), S. 400). Für die Beurkundungsbedürftigkeit<br />
spielt es jedoch keine Rolle, ob der Gläubigerin die Faustverpfändung des künftigen Schuldbriefs<br />
oder ob ihr dessen Begebung zu vollem Recht versprochen wird. Das eine wie das andere Versprechen kann<br />
nur dann Vertragswirkung entfalten, wenn der Schuldbrief in öffentlicher Urkunde errichtet wird.
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 20<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
vor. Die Anmeldung hat insgesamt nicht den Charakter eines Vertrags auf <strong>Errichtung</strong> eines Grundpfands<br />
und unterliegt nicht dem Formzwang <strong>von</strong> Art. 799 Abs. 2 ZGB. Das gleiche gilt, wenn der<br />
Anmeldende das Begehren stellt, eine bestimmte Person als erste Titelnehmerin im Gläubigerregister<br />
zu vermerken. Der Eintrag einer Person im Gläubigerregister bedarf weder bei der Schaffung des<br />
Schuldbriefs noch zu einem späteren Zeitpunkt des Nachweises eines Verpfändungsvertrags.<br />
Allzu vorsichtig verhielt sich wohl das Grundbuchamt Basel-Stadt, als es unter Bezugnahme auf<br />
BGE 121 III 97 am 18.10.1995 eine interne Weisung erliess, wonach <strong>von</strong> jedem Grundeigentümer,<br />
der einen Schuldbrief in einfacher Schriftform bestellt, folgende Erklärung einzuholen sei: "Der<br />
Schuldbrief ist nicht belehnt. Der Schuldbrief wird auf Vorrat hin errichtet. Es bestehen bis heute<br />
(Anmeldedatum, Tagebuchdatum) keine Vereinbarungen mit einem Dritten über die Belehnung<br />
(Aushändigung) des Titels. Die Unterzeichnenden bestätigen, zu wissen, dass weder ein gültiges<br />
Pfandrecht noch ein gültiges Wertpapier (Schuldbrief) entsteht, wenn obige Erklärungen unwahr<br />
sein sollten."<br />
Die in diesem Erklärungstext wiedergegebene Rechtsauffassung bezüglich der Gültigkeit des<br />
Schuldbriefs kann nicht richtig sein. Es wäre für die Rechts- und Verkehrssicherheit im Hypothekargeschäft<br />
unerträglich, wenn die Gültigkeit nicht-notariell errichteter Schuldbriefe vom Fehlen<br />
informeller Absprachen zwischen Grundeigentümer und erstem Titelnehmer abhängen sollte.<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 239**<br />
5. Die Möglichkeiten des Verpfänders, den Ablauf der Titelerrichtung und -begebung zu<br />
hemmen<br />
5.1 Widerruf des Auftrags an die Urkundsperson, das Geschäft beim Grundbuchamt anzumelden<br />
Bis zur Grundbuchanmeldung kann der Verpfänder die Urkundsperson verbindlich instruieren, die<br />
Übergabe der Anmeldung an das Grundbuchamt zu unterlassen 54 .<br />
5.2 Widerruf des an das Grundbuchamt adressierten Eintragungsgesuchs<br />
Bis zur Grundbuchanmeldung kann der Verpfänder das Eintragungsgesuch einseitig zurückziehen 55 .<br />
Im Zeitraum zwischen der erfolgten Grundbuchanmeldung und dem Hauptbucheintrag können die<br />
Verpfänder und Gläubigerin nur noch gemeinsam die Grundbuchanmeldung und mit ihr das an das<br />
Grundbuchamt adressierte Eintragungsgesuch zurückziehen. Besteht der angemeldete Rechtsgrundausweis<br />
aus einem Verpfändungsversprechen zugunsten einer namentlich genannten Gläubigerin, so<br />
kann der Verpfänder die Anmeldung also nicht mehr ohne die Mitwirkung der Gläubigerin zurückziehen<br />
56 . Fehlt es im Rechtsgrundausweis an der Nennung der Gläubigerin, so kann der Verpfänder<br />
die Anmeldung allein zurückziehen.<br />
5.3 Widerruf der an das Grundbuchamt adressierten Instruktion, den Titel an die Urkundsperson<br />
auszuhändigen<br />
54<br />
Vgl. BRÜCKNER, Beurkundungsrecht (1993), Ziff. 2589, insbesondere Fn. 253; STEINAUER I (1990), S. 197,<br />
Ziff. 712 f.<br />
55<br />
Vgl. BRÜCKNER, Beurkundungsrecht (1993), Ziff. 2583 und Fn. 245; BGE 115 II 221-231 i.S. Schwarz / Waser<br />
(Änderung der früheren gegenteiligen Rechtsprechung, die in der neueren Literatur fast einhellig kritisiert worden<br />
war und dem Grundeigentümer erlaubt hatte, auch im Zeitraum zwischen Grundbuchanmeldung und Hauptbucheintrag<br />
noch einseitig zurückzuziehen).<br />
56 Vgl. BRÜCKNER, Beurkundungsrecht (1993), Ziff. 2589, insbesondere Fn. 253; STEINAUER I (1990), S. 197,<br />
Ziff. 712 f.
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 21<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
Die an das Grundbuchamt adressierte Begebungsermächtigung ist seitens des Verpfänders so lange<br />
widerruflich, als der Titel die Räume des Grundbuchamtes noch nicht verlassen hat 57 .<br />
Mit dem Widerruf der Begebungsermächtigung verhindert der Verpfänder, dass ein zirkulationsfähiges<br />
Wertpapier in den Verkehr gerät. Dazu hat er möglicherweise guten Grund, so etwa, wenn die<br />
Gläubigerin im Nachhinein Anstalten macht, das zugesagte Darlehen nicht auszubezahlen oder sich<br />
der Erfüllung Zug um Zug - Geld gegen Titel - zu entziehen. - Hat die Gläubigerin den Schuldbrief<br />
aber bereits valutiert, so ändert der Widerruf nichts an dem seit dem Grundbucheintrag ausgewiesenen<br />
Pfandrecht und an der auf den Tagebucheintrag zurückbezogenen, seit dann bestehenden dinglichen<br />
Sicherheit der Gläubigerin.<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 240**<br />
Die in BGE 60 III 27 vertretene und <strong>von</strong> SCHÜPBACH, S. 146, übernommene Rechtsauffassung,<br />
wonach die Begebungsermächtigung unwiderruflich wird, sobald die Gläubigerin den Schuldbrief<br />
valutiert hat, vermag nicht zu überzeugen. SCHÜPBACHS Argumentation - "si l'irrévocabilité de la<br />
réquisition est admise, nous ne voyons guère comment il serait logiquement possible de soutenir la<br />
révocabilité du consentement à délivrance en main tierce" - geht an der Möglichkeit einer erst teilweisen<br />
Valutierung vorbei. Diese Möglichkeit rechtfertigt sowohl die Unwiderruflichkeit der<br />
Grundbuchanmeldung als auch die Widerruflichkeit der Begebungsermächtigung: Die Gläubigerin<br />
braucht auf ihr Pfandrecht nicht zu verzichten, wenn sie bereits teilweise valutiert hat; der Verpfänder<br />
braucht die Begebung nicht hinzunehmen, wenn die Gläubigerin den anderen Teil des Schuldbriefbetrags<br />
zurückbehält.<br />
Gegen SCHÜPBACHS Auffassung spricht auch eine praktische Erwägung: Ob die Valutierung gültig<br />
oder ungültig, für den ganzen Schuldbriefbetrag oder nur für einen Teil desselben erfolgt sei etc.,<br />
entzieht sich der grundbuchamtlichen Prüfung. Aus Art. 857 Abs. 3 ZGB ergibt sich, dass das<br />
Grundbuchamt den Schuldbrief weder an die Gläubigerin noch an eine Stellvertreterin derselben<br />
herausgeben darf, wenn der Schuldner dies erklärtermassen nicht will. An diesen klaren Gesetzeswortlaut<br />
hat sich das Grundbuchamt zu halten. Hat der Schuldner also die Begebungsermächtigung<br />
widerrufen, bevor der Titel die Räume des Grundbuches verlassen hat, so darf der Titel niemandem<br />
mehr herausgegeben werden, bis entweder der Schuldner <strong>von</strong> neuem eine Begebungsermächtigung<br />
zugunsten der Schuldbriefgläubigerin schriftlich erteilt oder bis Schuldner und Gläubigerin gemeinsam<br />
die Löschung des Titels beantragen oder bis ein Gerichtsurteil die Rechtslage klärt.<br />
Wurde der Namenschuldbrief durch eine Urkundsperson beim Grundbuchamt angemeldet, ohne<br />
dass dem Grundbuchamt eine schriftliche Begebungsermächtigung zugunsten der Schuldbriefgläubigerin<br />
erteilt wurde, so händigt das Grundbuchamt den ausgefertigten Titel der anmeldenden Urkundsperson<br />
aus. Die Urkundsperson ergreift in diesem Falle den Besitz am Titel im Sinne <strong>von</strong> Art.<br />
923 ZGB als Stellvertreterin des Verpfänders. Ihm hat sie den Titel auszuhändigen. Der Verpfänder<br />
steht seinerseits unter der öffentlich beurkundeten Vertragspflicht, den Titel an die Gläubigerin weiterzugeben.<br />
Widersetzt sich der Verpfänder der Begebung des bereits valutierten, aber noch beim Grundbuchamt<br />
liegenden Titels an die Gläubigerin, so hat diese ihren Anspruch auf den Titelbesitz durch Klage<br />
gegen den Verpfänder geltend zu machen. Das Grundbuchamt ist in diesem Prozess nicht Partei.<br />
Das Rechtsbegehren geht auf Verurteilung des Verpfänders zur Verschaffung des Titelbesitzes und<br />
auf richterliche Anweisung des Grundbuchamtes, den Titel an die Gläubigerin herauszugeben. Zur<br />
57 Vgl. BK-LEEMANN (1925), N 21 zu Art. 857 ZGB.
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 22<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
Klagebegründung hat die Gläubigerin das öffentlich beurkundete Verpfändungsversprechen und das<br />
zu Grunde liegende Schuldverhältnis darzutun.<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 241**<br />
5.4 Widerruf der an die Urkundsperson adressierten Anweisung, den Titel an die Gläubigerin<br />
auszuhändigen<br />
Bezüglich der Widerruflichkeit dieser Anweisung gelten die obligationenrechtlichen Bestimmungen<br />
über die Anweisung, bezüglich des Eigentums am Titel zudem die Bestimmungen des ZGB über<br />
den Besitzerwerb durch Stellvertretung: Ab Valutierung des in Entstehung befindlichen Schuldbriefs<br />
ist die Anweisung gegenüber der Gläubigerin (= Anweisungsempfängerin) nicht mehr widerruflich<br />
(Art. 470 Abs. 1 OR); ab Zustellung der Interimsbescheinigung an die Gläubigerin ist die<br />
Anweisung auch gegenüber der Urkundsperson (= Angewiesene) nicht mehr widerruflich (Art. 470<br />
Abs. 2 OR). Bezieht die Urkundsperson den Schuldbrief beim Grundbuchamt, so ergreift sie den<br />
Besitz stellvertretend für die Gläubigerin (Art. 923 ZGB) 58 . Von diesem Zeitpunkte an gehört der<br />
Titel der Gläubigerin. Der Verpfänder kann nun nicht weiterhin darüber verfügen und er kann der<br />
Urkundsperson keine Weisungen mehr erteilen. Dass die Urkundsperson auch ohne ausdrücklichen<br />
Auftrag seitens der Gläubigerin anlässlich des Titelbezugs als deren Stellvertreterin zu betrachten<br />
ist, ergibt sich aus der öffentlichrechtlichen Pflicht der Urkundsperson, beim beurkundungsbedürftigen<br />
Zweiparteiengeschäft die Interessen beider Parteien wahrzunehmen.<br />
6. Zeitlicher Beginn der Pfandsicherheit<br />
6.1 Grundpfandverschreibung<br />
Bei der Grundpfandverschreibung besteht die dingliche Pfandsicherheit der Gläubigerin gemäss Art.<br />
972 ZGB ab Grundbucheintrag, d.h. ab<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 242**<br />
Zeitpunkt des Tagebucheintrags 59 , so dass ein nach diesem Zeitpunkt eingetretener Konkurs des<br />
Verpfänders für die Gläubigerin unschädlich ist 60 . Ob und wann die Gläubigerin ein visiertes Dop-<br />
58 Erst die Urkundsperson, nicht bereits das Grundbuchamt kann als stellvertretende Besitzerin oder als Besitzdienerin<br />
im Sinne <strong>von</strong> Art. 923 ZGB betrachtet werden, weshalb die an das Grundbuchamt adressierte Begebungsermächtigung<br />
nicht unter Art. 923 ff. ZGB subsumiert werden kann. Wollte man stellvertretende Besitzausübung des Grundbuchamtes<br />
annehmen, so käme dem zufälligen Zeitpunkt eines amtsinternen, später kaum beweisbaren Vorgangs,<br />
nämlich der Unterzeichnung des Schuldbriefformulars durch eine zuständige Amtsperson, rechtliche Bedeutung zu.<br />
Das ist abzulehnen. Auf die amtsinternen Arbeitsabläufe darf es nicht ankommen, wenn der zeitliche Beginn privater<br />
Rechte zu definieren ist. - A.A. SCHÜPBACH, Gestation (1990), S. 148; EVA LAREIDA, Der Schuldbrief aus<br />
wertpapierrechtlicher Sicht, Zürcher Studien zum Privatrecht Bd. 47, Zürich 1986, S. 56; ZOBL, Probleme (1978),<br />
S. 196 f. (205 f.); die genannten Autoren vertreten ohne weitere Begründung die Auffassung, die Begebungsermächtigung<br />
gemäss Art. 857 Abs. 3 ZGB sei allemal eine Besitzanweisung im Sinne <strong>von</strong> Art. 924 ZGB; mit dieser Auffassung<br />
treten die Autoren in Widerspruch zu der seit BGE 46 II 360 feststehenden Widerruflichkeit der Begebungsermächtigung,<br />
ferner zu BGE 112 II 113 ff., wo festgehalten ist, dass Gerichte nicht Besitzdiener für Private<br />
sein können; das dort Gesagte muss auch für Grundbuchämter gelten. - Zur Besitzanweisung an eine amtsexterne<br />
Privatperson vgl. das Urteil des OG ZH vom 20.10.1987, ZBGR 72 (1991), S. 86-90 (88).<br />
59 Wenn hier und im folgenden gesagt wird, eine Rechtswirkung beginne "mit dem Grundbucheintrag", so ist damit<br />
allemal jener zeitliche Rückbezug gemeint, der sich aus Art. 972 ZGB ergibt. Anerkanntermassen entsteht das dingliche<br />
Recht zwar erst mit dem Eintrag im Hauptbuch, welcher zeitlich zuweilen erst lange nach dem Tagebucheintrag<br />
erfolgt. Ist der Hauptbucheintrag aber erfolgt, so wird dessen dingliche Wirkung gemäss Art. 972 ZGB auf den<br />
Zeitpunkt des Tagebucheintrages zurückbezogen, oder, wie BGE 93 II 85 festhält: "L'effet de l'inscription remonte à<br />
la date de l'inscription au journal". - Vgl. in diesem Sinne auch FRIEDRICH, "Interimstitel" im Hypothekarwesen,<br />
ZBGR 52 (1971), S. 6.<br />
60 Das vor dem Konkursausbruch angemeldete Grundpfandrecht wird auch noch nach dem Konkursausbruch des<br />
Verpfänders im Hauptbuch eingetragen (Eigentümergrundpfandtitel werden dagegen gelöscht). Der Beginn der<br />
Pfandsicherheit hängt bei den vertraglich begründeten <strong>Grundpfandrechten</strong> nicht vom Arbeitstempo des Grundbuch-
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 23<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
pel der Grundpfandverschreibung ausgehändigt erhält, ist für den Bestand und die rechtliche Durchsetzbarkeit<br />
ihres Pfandrechts ohne Bedeutung.<br />
6.2 Namenschuldbrief<br />
Sofern bereits ein "zu Grunde liegendes Schuldverhältnis" im Sinne <strong>von</strong> Art. 855 Abs. 1 ZGB besteht<br />
(in Bankenterminologie: sofern der Schuldbrief bereits ganz oder teilweise "belehnt" oder "valutiert"<br />
ist), beginnt das Pfandrecht zugunsten der Gläubigerin mit dem Grundbucheintrag zu existieren<br />
61 .<br />
Wurde der Namenschuldbrief auf Vorrat errichtet in dem Sinne, dass die Gläubigerin den zugesagten<br />
Kredit erst nach Behändigung des Titels ausbezahlen wird, so schafft die grundbuchliche Titelerrichtung<br />
noch keine konkursrechtlich kollozierbare Forderung und damit auch noch kein im Lastenverzeichnis<br />
zu berücksichtigendes Pfandrecht.<br />
6.3 Inhaberschuldbrief<br />
Bezüglich des Beginns der Pfandsicherheit ist zu unterscheiden zwischen der Begebung des Titels<br />
zu vollem Recht und der blossen Faustverpfändung.<br />
Bei der Titelbegebung zu vollem Recht bewirkt gemäss neuerer - allerdings noch durch kein gerichtliches<br />
Präjudiz bestätigter - Lehre bereits der Grundbucheintrag die Entstehung des Pfandrechts<br />
zugunsten der in der Urkunde erwähnten Gläubigerin, sofern der Titel bereits ganz<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 243**<br />
oder teilweise valutiert ist 62 ; mit anderen Worten: Bei dem durch öffentlich beurkundetes Verpfändungsversprechen<br />
errichteten und zu vollem Recht zu begebenden Inhaberschuldbrief<br />
beginnt die Pfandsicherheit für die Gläubigerin in jenem Zeitpunkt, in welchem die beiden<br />
einschlägigen Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, d.h. in welchem sowohl der Grundbucheintrag<br />
als auch die Valutierung erfolgt sind.<br />
Bei der Titelbegebung zu Faustpfand beginnt die dingliche Sicherheit der Gläubigerin wegen Art.<br />
884 ZGB erst mit der Begebung, d.h. mit dem Erwerb des Titelbesitzes durch die Gläubigerin oder<br />
deren Stellvertreterin. Vor dem Besitzerwerb hat die Gläubigerin kein dingliches Recht am Titel,<br />
und sie kann aus diesem Grunde auch noch keine Grundpfandsicherheit geniessen. Art. 856 Abs. 2<br />
ZGB bleibt bei der Faustverpfändung ohne Wirkung.<br />
amtes ab. Dies gilt auch für die der Gläubigerin vertraglich zu Vollrecht versprochenen Schuldbriefe, nicht dagegen<br />
für die zu Faustpfand versprochenen Titel; vgl. zu dieser Unterscheidung Ziff. 6.3.<br />
61 Vgl. Art. 856 Abs. 2 ZGB, ferner VOLLENWEIDER, Sicherungsübereignung (1994), S. 40; BK-LEEMANN<br />
(1925), N. 11 zu Art. 842 N. 18 zu Art. 857 ZGB ("Beim Namensschuldbrief entsteht das Pfandrecht materiell sofort<br />
mit der Eintragung in das Grundbuch, sofern eine Forderung aus Darlehen, Kauf, Teilung usw. bereits besteht"),<br />
unter Widerlegung der gegenteiligen und unzutreffenden Auffassung <strong>von</strong> ZK-WIELAND (1909), N 3 zu<br />
Art. 856 und N 3 zu Art. 857 ZGB ("Das Pfandrecht entsteht erst mit Aushändigung des Titels an den Schuldbriefgläubiger").<br />
62 So JÜRG SCHMID, Bemerkungen zu BGE 121 III 97, ZBGR 76 (1995), S. 375; HUBER in der Besprechung der<br />
nachgenannten Dissertation Mosers, ZBGR 71 (1990), S. 382, unter gleichzeitiger Ablehnung einer nicht näher begründeten<br />
Auffassung SCHÜPBACHS; MOSER, Verpfändung (1989), S. 61 f.; HUBER, Grundbuchverordnung<br />
(1989), S. 129 ff. (136); RIEMER, Grundriss (1986), S. 128, Ziff. 44; ERICH ALFRED FISCHER, Interimsurkunden<br />
im Grundpfandrecht, Diss. Basel, 1975, S. 33 f.; HUBER, Grundpfandrecht (1958), S. 195 f.; CHRISTOF<br />
SCHELLENBERG, Die betreibungsrechtlichen Wirkungen des Eigentümergrundpfandes nach schweiz. Recht, Diss.<br />
Zürich 1955, S. 21. - Die ältere Auffassung, welche die Entstehung des Pfandrechts erst im Zeitpunkt der Titelbegebung<br />
annahm, wurde u.a. vertreten <strong>von</strong> BK-LEEMANN (1925), N. 12 zu Art. 842 ZGB; BGE 46 II 362 (1920);<br />
THEO GUHL, Die Verselbständigung der dinglichen Rechte im schweizerischen ZGB, in Festschrift für Eugen Huber<br />
(Bern 1910), S. 75 (S. 81 ff). - Die allgemein formulierte Äusserung bei BRÜCKNER, Beurkundungsrecht<br />
(1993), Ziff. 2622, ist einzuschränken auf die Fälle der Faustverpfändung <strong>von</strong> Schuldbriefen.
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 24<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
7. Unzulässigkeit notarieller Interimsbescheinigungen bei nicht-vertraglicher Titelerrichtung<br />
und bei Faustverpfändung <strong>von</strong> Schuldbriefen<br />
Da bei nicht-vertraglicher Titelerrichtung und bei der Faustverpfändung <strong>von</strong> Schuldbriefen die<br />
grundpfändliche Sicherheit erst im Zeitpunkt der Titelbegebung beginnt, darf die Urkundsperson<br />
keine Interimsbescheinigung an die Gläubigerin abgeben, welche den unrichtigen Anschein erweckt,<br />
die Gläubigerin erhalte dingliche Sicherheit bereits mit dem Grundbucheintrag. Fällt der Verpfänder<br />
nach der Valutierung, aber vor der Begebung des Titels in Konkurs, so kommt die Gläubigerin in<br />
diesen Fällen zu Schaden 63 .<br />
Notarielle Einlieferungsverpflichtungen gegenüber Gläubigerinnen, im Sinne <strong>von</strong> Art. 111 OR, gelten<br />
nur unter dem ausdrücklichen oder stillschweigenden, nicht wegbedingbaren Vorbehalt, dass das<br />
Grundbuchamt der Urkundsperson den Titel befugterweise aushändigen wird. Blockiert der<br />
Verpfänder diese Aushändigung durch den Widerruf der Ermächtigung gemäss Art. 857 Abs. 3, so<br />
entfällt die Auslieferungspflicht für die Urkundsperson; eine persönliche Haftungsübernahme der<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 244**<br />
Urkundsperson für das Wohlverhalten des Verpfänders oder des Grundbuchamtes muss als standeswidrige<br />
Übernahme einer mit der Beurkundungstätigkeit nicht vereinbaren kommerziellen Garantieleistung<br />
aleatorischen Charakters qualifiziert werden. Die Urkundsperson ist nicht Versichererin. Sie<br />
kann und darf nicht mehr als ihre sorgfältige Berufsausübung versprechen. Dass die Banken in einigen<br />
wenigen Kantonen <strong>von</strong> den Notaren Garantien mit persönlicher notarieller Haftung verlangen<br />
und erhalten, reflektiert bankenseitigen Machtmissbrauch und zugleich eine pflichtwidrige Passivität<br />
der Notariatsverbände und der Aufsichtsbehörden, welche dieser Praxis längst einen Riegel hätten<br />
schieben müssen. Der einzelne Notar kann sich dagegen nicht wehren. Die Verbände und Behörden<br />
in den betreffenden Kantonen mögen sich die Frage stellen, weshalb die Banken nur gerade bei ihnen<br />
solche Garantien verlangen, während sie in der grossen Mehrheit der Kantone diskussionslos<br />
darauf verzichten.<br />
8. Kritik an der gesetzlichen Regelung des Schuldbriefs<br />
8.1 Das geltende Recht<br />
Der Schuldbrief des ZGB entspringt den Zuständen des 19. Jahrhunderts, als das nicht-kommerzielle<br />
Kreditgeschäft noch überwiegend zwischen Privatpersonen abgewickelt wurde. Der Gesetzgeber<br />
dachte sich Private, welche einen Teil ihres Vermögens in Grundpfandforderungen anlegten und bei<br />
eigenem Liquiditätsbedarf solche Forderungen an andere Private verkauften. Aus diesem Grunde<br />
sollte der Schuldbrief gläubigerseits zirkulationsfähig sein.<br />
Seit dem Aufkommen eines institutionalisierten Hypothekarkreditsystems haben Schuldbriefe jedoch<br />
aufgehört, gläubigerseitig zu zirkulieren; es gibt für Grundpfandtitel keinen Markt mehr. Die<br />
Hypothekarkreditinstitute hüten ihr Schuldbriefportefeuille sorgfältig und geben Titel nur dann an<br />
die Konkurrenz weiter, wenn der Schuldner dies ausdrücklich verlangt.<br />
Der Schuldbriefschuldner schuldet der Gläubigerin - nach der Meinung und den Absprachen der<br />
Parteien - den jeweiligen Sollsaldo seines Kreditkontos, nicht den Schuldbrief-Nennbetrag. Im Verhältnis<br />
zwischen Schuldner und Gläubigerin stehen dem Schuldner die Einwendungen der nicht<br />
empfangenen Valuta bzw. der geleisteten Rückzahlungen zur Verfügung. Der Titel-Nennbetrag<br />
bleibt in unveränderter Höhe verbrieft und wird dem schwankenden Saldo der tatsächlichen Schuld<br />
63 Vgl. einen solchen Tatbestand im Urteil des OG ZH vom 20.10.1987, ZBGR 72 (1991), S. 86-90.
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 25<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
in der Regel nicht angepasst 64 . Dass dieser Nennbetrag bei der ausserhalb des Konkurses erfolgenden<br />
Faustpfandverwertung des Titels eine zu Eigenleben erwachende Forderung in der Hand eines<br />
Dritten darstellt, wurde vom<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 245**<br />
historischen Gesetzgeber nicht bedacht und kann eklatantes Unrecht zur Folge haben 65 .<br />
Die Entgegennahme <strong>von</strong> Schuldbriefen zu Faustpfand ist bei den Hypothekarkreditgebern vorläufig<br />
noch beliebter als die Entgegennahme der Titel zu vollem Recht, weil die Stellung der Faustpfandgläubigerin<br />
nach geltender Verwertungspraxis bei der Zwangsvollstreckung zuweilen besser 66 , nie<br />
schlechter als diejenige der vollberechtigten Schuldbriefinhaberin 67 ist. Dass die dingliche Sicherheit<br />
bei der Faustverpfändung<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 246**<br />
nicht bereits mit dem Grundbucheintrag, sondern erst bei der späteren Begebung des Titels beginnt,<br />
wird <strong>von</strong> den Kreditinstituten in Kauf genommen (oder vielleicht auch einfach übersehen; vgl. hiezu<br />
64 Der Schuldner, nicht die Gläubigerin, ist daran interessiert, den Schuldbrief später wiederverwenden zu können,<br />
ohne neuerliche die Beurkundungs- und Grundbuchkosten sowie allfälligen Steuern der Grundpfanderrichtung auszulösen.<br />
Dieses schuldnerische Interesse erfährt gesetzlichen Schutz in Art. 873 ZGB.<br />
65 In BGE 115 II 149 ff. hat das Bundesgericht die Auffassung vertreten, nur der Gesetzgeber könne die stossende<br />
Rechtslage korrigieren. Das ist in der SchKG-Revision nun in einer leicht über das Ziel hinausschiessenden Weise<br />
geschehen (vgl. Fussnote 68). - Stossend ist, dass der Ersteigerer des Schuldbriefs bei einer ausserhalb des Konkurses<br />
erfolgenden Faustpfandverwertung den vollen Titelnennbetrag samt verbrieftem, seit Steigerungsdatum berechnetem<br />
Zins, fordern kann, auch wenn der rückständige Kreditsaldo des Schuldbriefschuldners gegenüber der bisherigen<br />
Faustpfandgläubigerin geringer war, und auch wenn der Titelerwerber dies wusste - ja sogar dann, wenn die<br />
Faustpfandgläubigerin den Titel selber ersteigert; vgl. die Kritik dieses Rechtszustandes bei K. WISSMANN, Die<br />
Rechte des Pfandgläubigers in der Grundpfandverwertung, in Festschrift 100 Jahre SchKG (Zürich 1989), S. 296,<br />
sowie ZK-OFTINGER/BÄR (1981), N. 141a zu Art. 901 ZGB, mit Verweisen. Das Urteil des Appellationshofes<br />
BE vom 14.9.1994, BN 1995, S. 27-36, illustriert, zu welchen Anstrengungen die kantonale Justiz mittlerweile bereit<br />
ist, um die stossende Rechtslage zu korrigieren.<br />
66 Kommen faustverpfändete Titel und die gemäss Titel verpfändete Liegenschaft gleichzeitig zur Verwertung (was<br />
namentlich im Konkurs des Titelschuldners der Fall ist), so wird der Schuldbrief wie ein Grundpfand zugunsten der<br />
Faustpfandgläubigerin behandelt. Das Grundpfandrecht sichert den <strong>von</strong> der Faustpfandgläubigerin nachgewiesenen<br />
Kreditsaldo samt Kosten und Zinsen, nichts sonst, namentlich also nicht die im Titel verbriefte Forderung; dies ergibt<br />
sich aus Art. 126 VZG. Die im Titel verbriefte Kapital- und Zinsforderung setzt lediglich den oberen Rahmen<br />
der Pfandhaftung. Der Titel-Zins wird gemäss Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB berechnet. Er umfasst drei zur Zeit der<br />
Konkurseröffnung verfallene Jahreszinse sowie den seit dem letzten (Titel-)Zinstag laufenden Zins, sofern die Parteien<br />
des Faustpfandverhältnisses durch ausdrückliche Vereinbarung im Sinne <strong>von</strong> Art. 904 Abs. 1 ZGB den Umfang<br />
der Pfandhaft auf alle rückständigen Titelzinsen ausgedehnt haben. In den Faustpfandformularen der Banken<br />
ist diese Vereinbarung regelmässig vorgesehen (vgl. ZK-OFTINGER/BÄR (1981), N. 10 zu Art. 904 ZGB; ZOBL,<br />
Probleme (1978), S. 219 ff.). - Der in dieser Berechnung zugrundegelegte "laufende Zins" ist eine Fiktion. Selbstverständlich<br />
läuft auf einem Schuldbrief, der dem Schuldner selber gehört, kein Zins, und der Schuldner zahlt keinen<br />
Zins an sich selber. Die Praxis geht jedoch da<strong>von</strong> aus, der Schuldner habe seit Titelerrichtung (vgl. BK-<br />
LEEMANN (1925) N. 15 zu Art. 859 ZGB; ZK-OFTINGER/BÄR (1981), N. 11 zu Art. 904 ZGB; die gleiche Berechnung<br />
gilt auch bei der Sicherungsübereignung <strong>von</strong> auf den Namen des Grundeigentümers lautenden Namenschuldbriefen;<br />
vgl. BGE 115 II 349 [358]) den Zins laufend geschuldet, diesen Zins jedoch, solange er selber der Titeleigentümer<br />
war, nie bezahlt. Der faustverpfändete Schuldbrief verkörpert demgemäss ein Pfandrecht in Höhe seines<br />
verbrieften Forderungsbetrags und des vollen, nach Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB berechenbaren Zinsbetrags, wie<br />
wenn alle verbrieften Zinse seit Titelerrichtung rückständig wären.<br />
67 Grundpfandgesichert ist bei Schuldbriefbegebung zu vollem Recht die verbriefte Titelforderung, angesichts der dem<br />
Schuldner zustehenden Einwendung der nicht erhaltenen Valuta aber maximal bis zur Höhe des Sollsaldos seines<br />
Kontos. Grundpfandgesichert ist ferner der vertragliche Zins gemäss Kreditkonditionen, aber maximal in Höhe des<br />
im Titel verbrieften Zinssatzes und maximal über die <strong>von</strong> Art. 818 ZGB angegebene Zeitspanne zurückgerechnet.<br />
Erwarb die Gläubigerin den Schuldbrief vor weniger als drei Jahren, so profitiert sie nicht <strong>von</strong> der Fiktion der seit<br />
Titelerrichtung rückständigen Zinse, <strong>von</strong> denen sie als Faustpfandgläubigerin profitiert hätte; vgl. vorherhige Fussnote.
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 26<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
vorn, Ziff. 6.3). Mit dem Inkrafttreten des revidierten SchKG am 1.1.1997 wird die Faustverpfändung<br />
<strong>von</strong> Schuldbriefen verschwinden 68 .<br />
8.2 Kritik am geltenden Recht<br />
Die Crux des Schuldbriefes, wie er im ZGB konzipiert ist, liegt in der darin verkörperte Forderung.<br />
Für den juristischen Laien ist der Dualismus der im Titel verbrieften Forderung einerseits,<br />
der gemäss Kontensaldo bei der Gläubigerbank tatsächlich geschuldeten Kreditschuld andererseits,<br />
unverständlich. Schwer verständlich ist der Dualismus des Titelzinses und des vertraglichen Zinses<br />
immer dann, wenn die Zinssätze verschieden sind. Kompliziert und aufgrund des Gesetzeswortlauts<br />
nicht unmittelbar evident ist auch die Anwendung <strong>von</strong> Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB in den Situationen<br />
verschiedener Zinssätze. Legislatorischer Unfug ist die Verkörperung einer Geldforderung in<br />
einem Wertpapier, welches über die Person des Schuldners keine zuverlässige Auskunft gibt.<br />
Zum legislatorischen Unfug gehört schliesslich die unterschiedliche Regelung des Formzwangs bei<br />
vertraglicher und bei nicht-vertraglicher Titelerrichtung. Es gibt keinen sachlichen Grund für diese<br />
Unterscheidung. Der <strong>von</strong> der schweizerischen Jurisprudenz seit 1912 aufgewendete Scharfsinn zur<br />
Abgrenzung des beurkundungsbedürftigen Pfandvertrags <strong>von</strong> der nicht-beurkundungsbedürftigen<br />
"<strong>Errichtung</strong> auf Vorrat" ist ein allemal vergebliches Bemühen, der sinnlosen gesetzlichen Regelung<br />
Sinn abzugewinnen 69 .<br />
8.3 Zwei Postulate de lege ferenda<br />
In einer künftigen Revision des Sachenrechts sollte der Schuldbrief abgelöst werden durch das in<br />
einem Wertpapier verkörperte, nicht-akzessorische Grundpfand als Maximalpfandrecht auf<br />
eine feste Geldsumme. Forderung und Zins müssten sich aus den vertraglichen Absprachen<br />
**ZBGR 77 (1996), S. 247**<br />
zwischen Gläubiger und Schuldner ergeben. Die Beweislast wäre gegenüber dem geltenden Recht<br />
umgekehrt, indem die Gläubigerin ihre Grundpfandforderung, nicht der Verpfänder den Nichtbestand<br />
der Titelforderung nachweisen müsste.<br />
Die Charakteristika dieses Grundpfandtitels wären die folgenden: Im Grundbuch und in dem betreffenden<br />
Titel würde übereinstimmend ein fester Haftungsbetrag als Maximalpfand in einem bestimmten<br />
Rang auf einem bestimmten Grundstück dokumentiert. Der so errichtete Titel hätte in<br />
Händen des Grundeigentümers den Charakter einer jederzeit kurzfristig und kostenlos belehnbaren<br />
leeren Pfandstelle, mit welcher beliebige künftige Schulden zu Hypothekarschulden gemacht werden<br />
könnten - mit den für den Schuldner günstigen Zinskonditionen.<br />
68 Art. 156 Abs. 2 revSchKG lautet: "Vom Grundeigentümer zu Faustpfand begebene Eigentümer- oder Inhabertitel<br />
werden im Falle separater [d.h. einer ausserhalb des Konkurses erfolgenden] Verwertung auf den Betrag des Erlöses<br />
herabgesetzt". - Da der Ersteigerer des faustverpfändet gewesenen Titels künftig eine grundpfandgesicherte Forderung<br />
erwirbt, welche nur gerade auf den Betrag des <strong>von</strong> ihm soeben ausgelegten Steigerungspreises lautet, und da<br />
die Durchsetzung dieser Forderung erneut mit Aufwand und Verzögerungen verbunden sein wird, ist kein Dritter<br />
mehr an der Ersteigerung faustverpfändeter Schuldbriefe interessiert. Der Faustpfandgläubiger ist infolgedessen<br />
künftig gezwungen, selber den Schuldbrief zu ersteigern, um anschliessend mit dem betragsmässig reduzierten Titel<br />
auf dem Wege der Grundpfandverwertung Bargeld zu erlangen. Unter diesen Erschwernissen erweist sich für den<br />
Gläubiger künftig die Entgegennahme <strong>von</strong> Schuldbriefen zu vollem Recht als die vorteilhaftere Gestaltung, so dass<br />
für die Faustverpfändung <strong>von</strong> Schuldbriefen kein Raum mehr bleiben wird. - Vgl. in diesem Sinne auch INGRID<br />
JENT-SÖRENSEN, Aktuelle Probleme der Faust- und Grundpfandverwertung, ZBGR 76 (1995), S. 73-94 (S. 79<br />
unten).<br />
69 Vgl. in diesem Sinne kritisch auch MÜLLER, Orientierung (1995), S. 400; BRÜCKNER, Beurkundungsrecht<br />
(1993), Ziff. 2608; BÄR, Aspekte (1985), S. 38 f.
VISCHER - Publikationen Prof. Dr. Ch. Brückner 27<br />
<strong>Rechtsgeschäftliche</strong> <strong>Errichtung</strong> <strong>von</strong> <strong>Grundpfandrechten</strong> - Umfang des Formzwangs und zeitl. Beginn der Pfandsicherheit<br />
Das zweite Postulat de lege ferenda geht dahin, die <strong>Errichtung</strong> des Grundpfandes dem Formzwang<br />
der öffentlichen Beurkundung zu unterstellen, unabhängig da<strong>von</strong>, ob sie vertraglich oder nichtvertraglich<br />
erfolgt. Art. 799 Abs. 2 ZGB sollte, in Anlehnung an die Formulierung <strong>von</strong> Art. 493<br />
Abs. 2 OR, folgenden Wortlaut erhalten: "Die Verpfändungserklärung bedarf der öffentlichen Beurkundung".<br />
Die Aufhebung <strong>von</strong> Art. 20 Abs. 1 GBV wäre die logische Folge, nachdem der zweite<br />
Absatz dieses Artikels durch BGE 121 III 97 bereits ausser Kraft gesetzt worden ist.