Pfarrbrief Dezember 2011, Ausgabe 77 - Katholische Pfarrei ...
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Der Papstbesuch und die Ökumene<br />
Das Treffen Benedikts XVI. mit Vertretern<br />
der Evangelischen Kirche in<br />
Deutschland (EKD) am 23. September in<br />
Erfurt war eine der meist beachteten<br />
Stationen des Papstbesuchs. Die Reaktionen<br />
darauf schwankten zwischen Zufriedenheit,<br />
Ratlosigkeit und Enttäuschung.<br />
Was bedeutet diese Begegnung<br />
nun konkret für die Ökumene? Dazu ein<br />
Gastbeitrag des evangelischen Pfarrers<br />
von Schwand, Gottfried Stark:<br />
„Wer auf das Überbringen von ökumenischen<br />
„Gastgeschenken“ gesetzt hatte,<br />
muss von dieser Begegnung enttäuscht<br />
sein. Wer auf Impulse für die zukünftige<br />
Ökumene wartet, muss genau hinhören,<br />
um sie überhaupt zu erkennen. Ökumenisch<br />
aber allemal bedeutsam ist das Zeichen<br />
der Begegnung an einem „historischen“<br />
Ort, wie auch das inhaltliche<br />
Eingehen auf entscheidende Anstöße,<br />
die von Martin Luther ausgingen. In der<br />
ausdrücklichen Anerkennung von Gedanken<br />
und Impulsen lutherischer Theologie<br />
sehe ich den besonderen Wert dieser<br />
Begegnung, die auch auf das ökumenische<br />
Miteinander ausstrahlen kann.<br />
Da ist in der päpstlichen Ansprache zu-<br />
Unser Gemeindereferent Michael Fass<br />
zur Bedeutung des Papstbesuchs für die<br />
Ökumene und die Christen hierzulande<br />
insgesamt:<br />
Mit seinen Worten rüttelte der Papst auf<br />
– nicht nur die Katholiken. In Erfurt<br />
sprach er alle Christen an. Mehrmals<br />
hob er hervor, dass Christen gerade heute<br />
in ihrer persönlichen Beziehung zu<br />
Gott und zu Jesus Christus gefragt und<br />
gefordert seien. Diese Anfragen an mich<br />
habe ich gehört, als ich die Worte des<br />
Papstes hörte und las: Wie wichtig ist<br />
mir meine persönliche Gottesbeziehung?<br />
Gehört sie zu mir, wie die Luft, die<br />
ich zum Atmen brauche? Wie lebe und<br />
pflege ich meine Gottes- und Christusbeziehung?<br />
Was bedeutet mir mein christlicher<br />
Glaube und wie zeigt er sich tatsächlich<br />
im Alltag? …<br />
So sagte Papst Benedikt im Kapitelsaal<br />
im Augustinerkloster von Erfurt<br />
über Martin Luther: „Was ihn (Luther)<br />
umtrieb, war die Frage nach Gott, die die<br />
tiefe Leidenschaft und Triebfeder seines<br />
Lebens und seines ganzen Weges gewesen<br />
ist. […] Wie steht Gott zu mir, wie stehe ich<br />
nächst von der Frage Luthers die Rede:<br />
„Wie kriege ich einen gnädigen Gott?“<br />
Papst Benedikt möchte diese Frage als<br />
ersten „Anruf“ im ökumenischen Gespräch<br />
gewertet wissen, als Frage, die<br />
nicht akademisch, sondern real zu unserer<br />
eigenen werden soll. Als zweiten<br />
wichtigen Aspekt in seiner Ansprache<br />
nennt Benedikt XVI. die von Christus<br />
her bestimmte Theologie: „Was Christum<br />
treibet“ war für Luther der entscheidende<br />
Maßstab und das soll als entscheidende<br />
Voraussetzung auch für das<br />
ökumenische Gespräch gelten. Papst Benedikt<br />
würdigt es, dass von diesem Hintergrund<br />
her die Gemeinsamkeiten, die<br />
Heilige Schrift und die altchristlichen Bekenntnisse<br />
in der jüngsten Ökumene<br />
ganz neu „bewusst geworden“ sind. Sie<br />
sind, so Benedikt, die „gemeinsame, unverlierbare<br />
Grundlage“ für das Gespräch<br />
mit der immer säkularer werdenden<br />
Welt.<br />
Und hier liegt nach Benedikt besonders<br />
in unserem Land die zentrale Aufgabe<br />
der Ökumene: sich gegenseitig zu helfen,<br />
um „tiefer und lebendiger zu<br />
glauben.“ Diesen Sätzen kann man ohne<br />
vor Gott – diese brennende Frage Martin<br />
Luthers muss wieder neu und gewiss in<br />
neuer Form auch unsere Frage werden.“<br />
Gerade in dieser Rede benannte Benedikt<br />
XVI. sehr klar die Entwicklung der<br />
beiden großen Konfessionen in Deutschland:<br />
„Die Abwesenheit Gottes in unserer<br />
Gesellschaft wird drückender, die Geschichte<br />
seiner Offenbarung, von der uns<br />
die Schrift erzählt, scheint in einer immer<br />
weiter sich entfernenden Vergangenheit<br />
angesiedelt. Muss man dem Säkularisierungsdruck<br />
nachgeben, modern werden<br />
durch Verdünnung des Glaubens?“ Und<br />
wieder forderte der Papst jeden einzelnen<br />
Gläubigen auf, „den Glauben ganz zu<br />
leben in unserem Heute“. In seiner Predigt<br />
in der Augustinerkirche erwähnte der<br />
Papst, dass es nicht darum gehen könne<br />
bei ökumenischen Begegnungen nur die<br />
„Trennungen und Spaltungen zu beklagen“,<br />
sondern „Gott für alles zu danken, was er<br />
uns an Einheit erhalten hat und immer<br />
neu schenkt“. Und für alle Christen gebe<br />
es ein gemeinsames Zeugnis, eine grundlegende<br />
Einheit und dies sei der Glaube<br />
an den dreieinigen Gott. Und auch in die-<br />
ökumene<br />
Foto: privat<br />
weiteres zustimmen – nur bleiben sie<br />
noch zu unbestimmt und ungenau, was<br />
die weiteren Schritte angeht.<br />
Dennoch: diese Aussagen laden dazu<br />
ein, ja ermutigen dazu, den Weg der<br />
Ökumene partnerschaftlich weiter zu<br />
beschreiten. Dafür hat die Begegnung in<br />
Erfurt ein Zeichen gesetzt – mehr zu erwarten<br />
wäre wohl auch nicht angebracht<br />
gewesen. “ Pfarrer G. Stark<br />
sem Zusammenhang hob der Papst wieder<br />
das persönliche Glaubenszeugnis<br />
hervor: Die Ernsthaftigkeit des Glaubens<br />
an Gott zeigt „sich im Leben seines<br />
Wortes […] ganz praktisch im Eintreten<br />
für das Geschöpf[…]“<br />
Entscheidend war für mich der pastorale<br />
und seelsorgliche Charakter seines<br />
Besuches. In einem Land, in dem<br />
der christliche Glaube immer mehr an<br />
Bedeutung verliert, stellte der Papst den<br />
„Glauben der Christen als Grundlage,<br />
aufder wir leben“ heraus.<br />
Papst Benedikt XVI. betonte mehrmals<br />
bei seinem Besuch die persönliche<br />
Entscheidung für den Glauben und die<br />
Ernsthaftigkeit, mit denen der Glauben<br />
gelebt werden muss. Die Worte, die der<br />
Papst in Freiburg sprach, sind für mich<br />
eine gute Zusammenfassung seines Besuches<br />
in Deutschland, auch in Bezug<br />
aufdie ökumenische Dimension.<br />
„Die selige Mutter Teresa wurde einmal<br />
gefragt, was sich ihrer Meinung nach als<br />
erstes in der Kirche ändern müsse. Ihre<br />
Antwort war: Sie und ich!“<br />
Gemeindereferent Michael Fass<br />
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