Brandenburgisches Ärztebaltt 5/2008 - Landesärztekammer ...
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Kammerinformationen/Gesundheitspolitik<br />
Modellprojekt „Gemeindeschwester“<br />
Ziele und erste Ergebnisse<br />
DAGMAR ZIEGLER<br />
Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit<br />
und Familie des Landes Brandenburg<br />
Das von der Landesregierung Brandenburg<br />
initiierte Modellprojekt „Gemeindeschwester“<br />
hat verschiedentlich für Aufregung im Gesundheitswesen<br />
gesorgt, aber auch positive<br />
Reaktionen aus anderen Bundesländern hervorgerufen.<br />
Dabei wurden einige Informationslücken<br />
und Missverständnisse über die Ziele<br />
und Inhalte dieses Forschungsprojektes deutlich.<br />
Deshalb gleich zu Beginn eine Klarstellung:<br />
Es geht nicht um den Aufbau einer „Dritten<br />
Säule“ in der ambulanten medizinischen<br />
Betreuung neben oder anstelle der hausärztlichen<br />
Versorgung und auch nicht um eine<br />
Konkurrenz zu bestehenden Pflegediensten. Es<br />
geht um die Prüfung der Frage, inwieweit<br />
nichtärztliche Gesundheitsberufe in enger Abstimmung<br />
mit den Hausärztinnen und Hausärzten,<br />
diese in der medizinischen Versorgung<br />
vor allem älterer Menschen unterstützen und<br />
entlasten können. Das schließt die Prüfung so<br />
wichtiger Fragen wie die ein, welche berufsrechtlichen<br />
Voraussetzungen und Qualifikationen<br />
eine solche Tätigkeit erfordert.<br />
Ausgangspunkt des Modellprojekts ist zum<br />
einen die demographische Entwicklung, zum<br />
anderen die niedrige Arztdichte in den ländlichen<br />
Regionen Brandenburgs. Bis zum Jahr<br />
2030 wird die Bevölkerung in Brandenburg<br />
gegenüber dem Jahr 2004 um zirka 13 Prozent<br />
sinken. Gleichzeitig werden bis dahin<br />
mehr als ein Drittel der Brandenburger<br />
65 Jahre und älter sein und die Zahl der<br />
Hochbetagten von 80 Jahren und älter wird<br />
stark zunehmen. Dieser Trend gilt zwar<br />
deutschlandweit, verläuft aber in Brandenburg<br />
und den anderen neuen Bundesländern<br />
wegen der ungünstigeren Altersstruktur und<br />
der Abwanderung junger Menschen in zugespitzter<br />
Form. Die Alterung der Bevölkerung<br />
wird zwangsläufig mit einer Zunahme an<br />
<strong>Brandenburgisches</strong> Ärzteblatt 5/<strong>2008</strong> · 18. Jahrgang<br />
Dagmar Ziegler<br />
Foto: MASGF<br />
chronisch kranken und multimorbiden Patienten<br />
einhergehen, was den Behandlungsbedarf<br />
vor allem in der hausärztlichen Versorgung<br />
entsprechend verändert und erhöht.<br />
Diese Entwicklung trifft in Brandenburg auf<br />
die bundesweit geringste Arztdichte in der<br />
ambulanten Versorgung mit derzeit 825 Einwohnern<br />
je Vertragsarzt (Bund: 640). Rund<br />
170 Hausarzt- und 20 Facharztsitze sind aktuell<br />
in Brandenburg unbesetzt. Bereits heute<br />
sind viele Praxen überlastet, können keine Termine<br />
mehr vergeben oder müssen lange Wartezeiten<br />
einräumen. Diese Entwicklung wird<br />
sich in den kommenden Jahren noch dadurch<br />
verschärfen, dass etwa ein Drittel der Hausärzte<br />
in Brandenburg 60 Jahre und älter sind.<br />
Mit jedem in den Ruhestand gehenden Hausarzt<br />
wächst nicht nur die Zahl der Patienten<br />
pro Praxis, sondern auf dem Land auch der<br />
räumliche Versorgungsradius ihrer verbleibenden<br />
Kolleginnen und Kollegen.<br />
Vor diesem Hintergrund können wir nicht darauf<br />
warten, dass durch irgendeine plötzliche<br />
Fügung jüngere Ärztinnen und Ärzte auf einmal<br />
die Vorzüge der Mark Brandenburg entdecken<br />
und sich dort zahlreich niederlassen<br />
wollen. Auch lässt sich das Problem nicht allein<br />
durch eine verbesserte Vergütung für die hausärztliche<br />
Versorgung lösen, die zweifelsohne<br />
dringend erforderlich ist und mit der ab 2009<br />
geltenden Regelung auch ermöglicht wird. Attraktivere<br />
Arbeitsbedingungen für Hausärzte<br />
lassen sich auch durch Entlastung von bestimmten<br />
Tätigkeiten erreichen, die durch Kooperation<br />
und Vernetzung der Arztpraxen mit<br />
nichtärztlichen Gesundheitsberufen entstehen<br />
können. Nicht alle Aufgaben der Krankheitsund<br />
Therapieüberwachung sowie der Vorbeugung<br />
und Betreuung muss der Hausarzt selbst<br />
erbringen; vieles kann delegiert werden, ohne<br />
dass damit die ärztliche Gesamtverantwortung<br />
in Frage gestellt wird.<br />
Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern,<br />
wie z.B. in Skandinavien, den Niederlanden<br />
oder der Schweiz, verfügen wir über keine<br />
Erfahrungen zu den damit verbundenen Fragen<br />
der praktischen Umsetzung. Außerdem<br />
lassen die besonderen Strukturen unseres Vertragsarztsystems<br />
keine einfache Übertragung<br />
der dort praktizierten Modelle zu. Wir wissen<br />
nicht genau, welche Qualifikationen die mit<br />
diesen arztunterstützenden Tätigkeiten betrauten<br />
Fachkräfte benötigen und wie sich die Arbeitsabläufe<br />
und Abstimmungen zwischen den<br />
verantwortlichen Hausärzten und den nichtärztlichen<br />
Gesundheitsberufen konkret gestalten.<br />
Auch müssen die berufsrechtlichen Vor-<br />
aussetzungen und Haftungsprobleme geprüft<br />
werden, die sich notwendig in diesem Zusammenhang<br />
stellen. All das wird derzeit im<br />
Rahmen von Modellprojekten nicht nur in<br />
Brandenburg, sondern auch in Mecklenburg-<br />
Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt erprobt.<br />
Diese Vorhaben sind zeitlich befristet.<br />
Sie werden durch das Institut für Community<br />
Medicine der Universität Greifswald wissenschaftlich<br />
begleitet und aus Mitteln des<br />
Europäischen Sozialfonds sowie der jeweiligen<br />
Sozialministerien der Bundesländer und zunehmend<br />
von verschiedenen Kostenträgern ambulanter<br />
medizinischer Versorgung finanziert.<br />
In Brandenburg läuft seit Juli 2006 am Medizinischen<br />
Versorgungszentrum Lübbenau das<br />
Modellprojekt „Gemeindeschwester“, in dem<br />
drei ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerinnen<br />
eng mit im MVZ praktizierenden<br />
Hausärzten zusammenarbeiten. Sie haben in<br />
Abstimmung mit dem jeweiligen Hausarzt und<br />
auf dessen Weisung bisher rund 2.250 Hausbesuche<br />
durchgeführt. Dort überprüfen sie<br />
den allgemeinen Gesundheitszustand und den<br />
Krankheitsverlauf der Patienten. Sie führen bei<br />
den rund 250 Patienten, die von den Hausärzten<br />
für das Modellprojekt ausgewählt wurden,<br />
vom jeweiligen Hausarzt angeordnete<br />
krankheits- und therapieüberwachende sowie<br />
vorbeugende und betreuende Tätigkeiten<br />
durch. Zu ihnen gehören insbesondere eine<br />
standardisierte Einschätzung des allgemeinen<br />
Befindens, die Messung verschiedenster Vitalwerte,<br />
die Entnahme von Untersuchungsmaterialien<br />
sowie die Beurteilung und Behandlung<br />
von Wunden. Zu den vorbeugenden und betreuenden<br />
Tätigkeiten gehören insbesondere<br />
das geriatrische Assessment, die Medikamentenanamnese,<br />
die Sturzprophylaxe, die Schulung<br />
an telemedizinischen Geräten sowie eine<br />
schmerztherapeutische Versorgung. Die Kommunikation<br />
mit dem Hausarzt wird durch zeitnahe<br />
gemeinsame Fallbesprechungen und mit<br />
Hilfe von Laptop und Webcam sichergestellt,<br />
so dass im Bedarfsfall schnell geprüft werden<br />
kann, ob und ggf. in welcher Frist ein persönlicher<br />
Arztkontakt erforderlich ist. So kann<br />
für Patienten, die wegen zu großer Entfernung<br />
bzw. ihres Gesundheitszustandes nicht oder<br />
nur unter erschwerten Bedingungen in die<br />
Sprechstunde kommen können, eine kontinuierliche<br />
gesundheitliche Betreuung sichergestellt<br />
werden.<br />
Die beteiligten Hausärzte bewerten die Versorgungsqualität<br />
im Modellprojekt durch den<br />
Einsatz der Gesundheits- und Krankenpflegerinnen<br />
als hochwertig. Sie werden von Haus-