Brandenburgisches Ärztebaltt 5/2008 - Landesärztekammer ...
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Kammerinformationen/Gesundheitspolitik<br />
Nachgefragt: Brandenburgische Bundestagsabgeordnete äußern sich<br />
zur Gesundheitsreform<br />
Ärzteblatt lässt Politiker zu Wort kommen<br />
Viel wurde diskutiert über das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz<br />
(GKV-WSG), welches<br />
zum 1. April 2007 in Kraft trat. Nach gut einem<br />
Jahr ist es an der Zeit, eine erste Bilanz<br />
zu ziehen. Das Brandenburgische Ärzteblatt<br />
befragte aus diesem Grund die brandenburgischen<br />
Bundestagsabgeordneten: Wie beurteilen<br />
diese das deutsche Gesundheitswesen?,<br />
Wie sieht es mit einer ausreichenden<br />
medizinischen Versorgung in der Zukunft<br />
aus?, Welche Vorteile hat die brandenburgische<br />
Bevölkerung von der Gesundheitsreform?<br />
– Von 21 brandenburgischen Bundestagsabgeordneten<br />
melden sich an dieser<br />
Stelle Vertreter von vier Parteien in Interviews<br />
oder mit Statements zu Wort. Den<br />
Anfang machen Ernst Bahr (SPD) und Dr.<br />
Dagmar Enkelmann (DIE LINKE).<br />
Ernst Bahr (SPD):<br />
„Die Reform ist erfolgreich, aber eben nur<br />
als Kompromiss.“<br />
1. Wie sehen Sie die Zukunft des Gesundheitswesens?<br />
Ernst Bahr: Die Grundausrichtung stimmt. Es<br />
wird aber mehr konstruktive Begleitung der<br />
Beteiligten – Ärzte, Pharmazeuten, etc. – er-<br />
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):<br />
„Diese Gesundheitsreform ist untauglich.“<br />
Bevor die Gesundheitsreform von der Großen<br />
Koalition durchs Parlament gejagt wurde,<br />
hatte ich im November 2006 Ärzte, Krankenkassen<br />
und Patienten meines Wahlkreises im<br />
Barnim und Märkisch-Oderland zu Gesprächen<br />
eingeladen. Der Tenor war einhellig: Die<br />
Gesundheits„reform“ wird neue Belastungen<br />
für die Bürgerinnen und Bürger mit sich bringen,<br />
zugleich werden aber die Bedingungen<br />
<strong>Brandenburgisches</strong> Ärzteblatt 5/<strong>2008</strong> · 18. Jahrgang<br />
ERNST BAHR – Zur Person:<br />
wünscht, um die Wirksamkeit der Reform zu<br />
erhöhen.<br />
2. Wird es noch eine ausreichende medizinische<br />
Versorgung geben – besonders in Brandenburg,<br />
dem Bundesland mit der geringsten<br />
Arztdichte?<br />
Ernst Bahr: Es liegt in erster Linie in der Zuständigkeit<br />
der Kassenärztlichen Vereinigung,<br />
eine ausreichende medizinische Versorgung<br />
zu sichern. Geschieht das nicht zufriedenstellend,<br />
werden wir jedoch gesetzliche Regelungen<br />
schaffen müssen.<br />
3. Wie beurteilen Sie die Entwicklung der<br />
Gesundheitskosten?<br />
Ernst Bahr: Die Gesundheitskosten könnten<br />
sich nach den bisherigen Reformen moderater<br />
entwickeln als ohne, wenn alle Kostenträger<br />
die Potenziale verantwortungsbewusst<br />
handhaben. Aber es wird wegen der immer<br />
besseren Medikamente, medizinischen Geräte<br />
und Heilmethoden eine Kostensteigerung<br />
geben. Dämpfend könnte eine Patientenquittung,<br />
die Auskunft über die jeweilige Behandlung<br />
und deren Kosten gibt, wirken. Sie<br />
würde auch das Verantwortungsbewusstsein<br />
der Patienten für ihre Gesundheit stärken.<br />
· Diplomlehrer für Mathematik/Astronomie<br />
· 1990 bis 1994 Landrat im Kreis Neuruppin<br />
· Mitglied des Bundestages seit 1994<br />
· 1998 bis 2002 Sprecher der Landesgruppe der brandenburgischen<br />
Abgeordneten und der Landesgruppe der ostdeutschen Abgeordneten<br />
der SPD-Fraktion<br />
· Mitgliedschaft in Gremien des Bundestages:<br />
· Ordentliches Mitglied im Rechnungsprüfungs- und Haushaltsausschuss<br />
· Stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft<br />
und Verbraucherschutz<br />
für Ärzte und Krankenhäuser keineswegs verbessert.<br />
Für mich war nach diesen Gesprächen klar:<br />
Diese Reform hat vergessen, dass Gesundheit<br />
etwas mit Menschen, ihren Sorgen zu tun hat<br />
und nicht mit Budgets, Fallpauschalen und<br />
anderen betriebswirtschaftlichen Größen. Für<br />
Zuwendung an die Patienten und den Berufsethos<br />
der Mediziner wird kein Platz mehr<br />
sein. Auch das Versprechen, die Gesundheitsreform<br />
werde die Beiträge zu den Kran-<br />
4. Inwiefern wurde mit der Reform das anvisierte<br />
Ziel „Stärkung des Wettbewerbs“<br />
erreicht?<br />
Ernst Bahr: Der Wettbewerb ist deutlich gestärkt<br />
worden. Krankenkassenmitglieder können<br />
nun z.B. jederzeit die Kasse wechseln<br />
und dabei ihre Altersrückstellungen in einen<br />
anderen Tarif oder zu einem anderen Versicherungsunternehmen<br />
im Umfang des Basistarifs<br />
übertragen. Das erleichtert einen Wechsel<br />
ohne finanzielle Verluste und erhöht somit<br />
auch den Wettbewerb.<br />
5. Welche Vorteile hat die brandenburgische<br />
Bevölkerung von der Reform?<br />
Ernst Bahr: Wir haben uns dafür eingesetzt,<br />
dass das Solidaritätsprinzip der gesetzlichen<br />
Krankenversicherung erhalten bleibt, die allgemeine<br />
Versicherungspflicht zum 01. Januar<br />
2009 durchgesetzt wird, keine Leistungskürzungen<br />
erfolgen, keine weiteren Zuzahlungen nötig<br />
werden und der Wettbewerb erhöht wurde. Das<br />
sind alles Vorteile der Reform, die auch der<br />
Brandenburger Bevölkerung zugute kommen.<br />
6. Ist die Gesundheitsreform in Ihren Augen<br />
gescheitert oder hat sie die Erwartungen –<br />
negativen wie positiven – erfüllt?<br />
Ernst Bahr: Die Reform ist erfolgreich, aber<br />
eben nur als Kompromiss. Das Ziel muss<br />
weiterhin die solidarische Bürgerversicherung<br />
sein. Sie bleibt unser Modell für eine sozial<br />
gerechte Finanzierung unseres Gesundheitswesens.<br />
Gerade vor dem Hintergrund, dass<br />
der Anteil älterer Menschen in unserer Gesellschaft<br />
zunimmt.<br />
7. Wie beurteilen Sie die aktuelle Diskussion<br />
um den Gesundheitsfonds?<br />
Ernst Bahr: Der Gesundheitsfonds sichert als<br />
Kompromiss die Finanzierbarkeit und die Beitragsstabilität.<br />
Zurzeit gibt es keine umsetzbare<br />
Alternative dazu.<br />
kenkassen senken, war unglaubwürdig. Der<br />
zu diesem Zweck zwischen den Kassen angefachte<br />
Wettbewerb wird – im Gegenteil –<br />
noch die Reste an solidarischem Ausgleich<br />
unter sich begraben.<br />
Verlierer sind die Patientinnen und Patienten,<br />
die in wachsendem Umfang Leistungen, Zuzahlungen<br />
und Praxisgebühren aus eigener<br />
Tasche zahlen müssen. Das Netz von Praxen<br />
und Krankenhäusern bekommt immer mehr<br />
und größere Löcher. Gerade außerhalb der