Klicken Sie hier, um sich die Ausgabe Nummer - Generation Plus
Klicken Sie hier, um sich die Ausgabe Nummer - Generation Plus
Klicken Sie hier, um sich die Ausgabe Nummer - Generation Plus
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
[Gp-bsc]. Während andere in der Sitzreihe<br />
leicht gelangweilt wirken, erscheinen <strong>die</strong><br />
beiden Frauen mit Mütze zusammenzuhalten.<br />
Offenbar fühlen sie <strong>sich</strong> beim Stu<strong>die</strong>ren<br />
pudelwohl. Eine altersübergreifende verschworene<br />
Gemeinschaft? Vielleicht! Jeden -<br />
falls spricht viel dafür, dass <strong>sich</strong> beim ge -<br />
meinsamen Lernen von Älteren und Jün -<br />
geren unvermutet neue Ideen entwickeln.<br />
Manches, wovon Ältere wis sen, hat den<br />
Praxistest schon bestanden.<br />
Jüngere sehen <strong>sich</strong> gefordert, bringen eigene<br />
Einfälle ein. Der Funke springt über. Im<br />
Idealfall entwickelt <strong>sich</strong> daraus sogar<br />
Learning by doing über Universitätsmauern<br />
hinaus. Die etwas altbacken klingende pädagogische<br />
Weisheit, dass für das Leben, nicht<br />
für <strong>die</strong> Schule gelernt werde, müsste in der<br />
heutigen Bildungswüste eigentlich als<br />
Aufruf zur Veränderung verstanden werden.<br />
Aber Elitedenken und Drang zu universitärer<br />
Exzellenz sind <strong>hier</strong>zulande stark entwickelt<br />
und lassen ka<strong>um</strong> noch Zeit z<strong>um</strong> Atemholen<br />
und Innehalten.<br />
Im föderativen deutschen Bildungssystem<br />
haben <strong>die</strong> wirklichen Reformer oft ange<strong>sich</strong>ts<br />
immer mehr verschulter Stu<strong>die</strong>n -<br />
gänge einen schweren Stand. Daher setzt<br />
<strong>sich</strong> das Wettrennen <strong>um</strong> gute Noten und<br />
Abschlüsse fort. Nicht wenige bleiben dabei<br />
auf der Strecke.<br />
Aber es ist fraglich, ob das so sein muss.<br />
Denn wenn Ältere und Jüngere wechselseitig<br />
voneinander lernen, ist das häufig lohnende<br />
Exkursion und Expedition zugleich.<br />
Dabei geht es weniger <strong>um</strong> eine Anhäufung<br />
von Wissen als <strong>um</strong> aus Lebenserfahrungen<br />
resultierende Haltungen und Einschät -<br />
zungen, ohne <strong>die</strong> manchmal Erkenntnisse<br />
nicht zu haben sind.<br />
Dabei erfahren Personen unterschiedlichen<br />
Alters viel voneinander. Im Rahmen eines<br />
speziellen und praxisnahen Studi<strong>um</strong>s mit<br />
An schluss ist das in Göttingen derzeit nicht<br />
möglich. Gedacht wird aber schon seit langem<br />
an <strong>die</strong> dritte Lebensperiode, <strong>die</strong><br />
beginnt, wenn <strong>die</strong> Kinder erwachsen sind,<br />
neue Aufgaben und Sinngebungen gesucht<br />
werden. Hier setzt <strong>die</strong> UDL an, <strong>die</strong> Universität<br />
des Dritten Lebens alters.<br />
Wie nach einem Baukastensystem können<br />
<strong>hier</strong> Schwerpunkte gesetzt und Interessen<br />
aktiviert werden, <strong>die</strong> beruflich oft keine Rolle<br />
spielen. Die Palette reicht von Geschichte<br />
und Kunstgeschichte über Theater und<br />
Literatur bis zu Gesundheit, Musik, Philo -<br />
sophie, Theo logie und Islamwissenschaften.<br />
Dass lokale Bezüge in der „Stadt, <strong>die</strong> Wissen<br />
schafft“, auch eine Rolle spielen, versteht<br />
<strong>sich</strong>. Prof. Frank Möbus, Projektleiter der Ar -<br />
beits stelle zur Ermittlung von nationalsozialistischem<br />
Raub- und Beutegut in Göttinger<br />
universitären Seminarbibliotheken, wird im<br />
Sommersemester 2011 <strong>die</strong> Resul tate zu seinen<br />
Recherchen über den systematischen<br />
Raub von Kulturgütern, vor allem Büchern,<br />
während der NS-Zeit ins Blickfeld rücken.<br />
Gleich vor der Haustür liegt für viele Göt -<br />
tinger ein ihnen schon vertrautes Refugi<strong>um</strong>,<br />
der Alte Botanische Garten. Dr. Gabriele<br />
Weis, als Dozentin in <strong>die</strong>sem Kleinod dank<br />
ihrer Führungen nicht wenigen längst eine<br />
gute Bekannte, wird ältere Stu<strong>die</strong>rende mit<br />
auf <strong>die</strong> Reise in <strong>die</strong>ses Reich nehmen und<br />
dabei in „ihrem“ Biotop als Animateurin wie<br />
üblich positiv ansteckend wirken – eine<br />
Entdeckungsreise ins pflanzliche Leben mit<br />
Bezügen z<strong>um</strong> Alltag.<br />
Ange<strong>sich</strong>ts von Umweltkatastrophen und<br />
strahlendem Müll in unserer Region ist es<br />
wichtig, mehr über den uns nahen Natur -<br />
reicht<strong>um</strong> zu erfahren, der unsere Lebens -<br />
grundlage bildet. Eine Erforschung im<br />
Kleinen. Kein Schatz ist zu verteidigen. Es<br />
geht, ganz im Sinn Lichten bergs, <strong>um</strong> Ver -<br />
stehen-Lernen als Chance, Zusammen hänge<br />
zu erkennen, Ressourcen zu erschließen,<br />
auch durch Wissen, das bildet und erlaubt,<br />
<strong>die</strong> Zukunft von Natur und Mensch nachhaltig<br />
zu gestalten.<br />
Eine gute Voraussetzung dafür, <strong>die</strong>ses Ziel<br />
anzusteuern, ist es womöglich auch, im Be -<br />
ruf glücklich zu werden. Das kommt nicht<br />
sehr häufig vor, aber Robert Wahsner (73),<br />
einem Bremer Doktor des Arbeitsrechts, ist<br />
es nach einem einschneidenden Ereignis ge -<br />
lungen: Noch auf der Intensivstation – er<br />
hatte einen schwere Operation über lebt –<br />
beschloss er, sein Leben zu ändern. Es gelang<br />
ihm schrittweise an seinen früheren Arbeits -<br />
platz zurückzukehren – als Yoga lehrer.<br />
Seine Bemühungen wurden anfangs von<br />
den Arbeitskollegen belächelt. Aber auch sie<br />
spürten bald: Es ging ihm dar<strong>um</strong>, ins<br />
Gleichgewicht zu kommen, wieder Kontrolle<br />
GENERATIONplus+ RATGEBER 41<br />
über seinen Körper zu gewinnen. Über<br />
Tanzen kam er zu Yoga und schließlich z<strong>um</strong><br />
Einklang mit <strong>sich</strong> selbst, z<strong>um</strong> Zusammen -<br />
wirken von Körper und Geist. Das gibt er an<br />
Ältere 65 plus weiter. Er versteht das nicht als<br />
Ashram für Seelenverwandte. Längst sind<br />
Yoga-Kurse für Ältere auch über Bremen hinaus<br />
keine Randerscheinung mehr.<br />
Viel über andere und <strong>sich</strong> erfahren hat auch<br />
<strong>die</strong> aktive Bauzeichnerin Wiltrud S., eine<br />
Mittfünfzigerin, <strong>die</strong> ihren Job verlor. <strong>Sie</strong><br />
ahnte, dass sie ohne eigene Bemühung und<br />
Anstrengung keine Chance hatte, wieder in<br />
angemessen bezahlte Arbeit zu kommen.<br />
Dann las sie in einer Zeitschrift von einem<br />
besonderen Angebot für Ältere an der TU<br />
Berlin. Dieses Studi<strong>um</strong> mit Abschluss war<br />
schon in den 1980er Jahren entwickelt worden,<br />
damals als eine nicht sehr verbindliche<br />
Spielweise für Rentner und Frauen nach der<br />
Familienphase. Aber vielleicht konnte das,<br />
was in dem Blatt „nachberuflich“ genannt<br />
wurde, Einstieg in einen neuen dritten<br />
Lebensabschnitt werden.<br />
Wiltrud S. stürzte <strong>sich</strong> mit Feuereifer ins<br />
Studi<strong>um</strong>. <strong>Sie</strong> musste lernen, nicht geballt<br />
zusammen mit anderen älteren Stu<strong>die</strong>ren -<br />
den aufzutreten, es zu vermeiden, <strong>sich</strong> mit<br />
ihnen im Hörsaal in <strong>die</strong> erste Reihe zu setzen.<br />
Das Studi<strong>um</strong> entpuppte <strong>sich</strong> als<br />
Mischung aus Kernfächern, entweder Stadt -<br />
entwicklung-Umwelt oder Gesund heit-<br />
Ernährung, verbunden mit speziellen Kursen<br />
für Ältere. Vier Scheine waren Pflicht für den<br />
Abschluss.<br />
<strong>Sie</strong> lernte das Internet zu nutzen. Ihr drittes<br />
Leben mit dem Lernen in Bereichen, <strong>die</strong> im<br />
Berufsalltag ausgeblendet waren – Kunst,<br />
Pädagogik, Soziologie und Philosophie –<br />
nahm Gestalt an. Dass sie Einblick in den<br />
Wissenschaftsbetrieb erhielt, gefiel ihr. Auch<br />
ihre Erfahrungen aus Alltag und Beruf konnte<br />
sie einbringen und erfuhr, was Jüngere<br />
über aktuelle Themen, z<strong>um</strong> Beispiel Zukunft<br />
der Arbeit und Grundeinkommen, denken.<br />
Inzwischen, mit 62 und Abschluss, begleitet<br />
Wiltrud S. Erstsemester beim Uni-Start. <strong>Sie</strong><br />
lernt als Lesepatin an einer Berliner Brenn -<br />
punktschule weiter. Und freut <strong>sich</strong> darüber,<br />
dass Schilderungen älterer Stu<strong>die</strong>render<br />
z<strong>um</strong> Thema „Wie war das 1968?“ dazu führten,<br />
dass einige Jüngere ihren Eltern zu<br />
Weihnachten einen Gutschein für 60 Euro<br />
Stu<strong>die</strong>ngebühren schenkten.<br />
So viel kostet es für Ältere, teils zusammen<br />
mit Jüngeren, nach dem Berliner<br />
Modell zu stu<strong>die</strong>ren.