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Aufzeichnungen zweier Haslitaler : I. Chronik 1792-1821 ... - admin.ch

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Weissenfluh, Johann von der Ältere<br />

Weissenfluh, Johann von der Jüngere<br />

Fis<strong>ch</strong>er, Andreas<br />

<strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong> <strong>zweier</strong> <strong>Haslitaler</strong> :<br />

I. <strong>Chronik</strong> <strong>1792</strong>-<strong>1821</strong> von Johann v.<br />

Weissenfluh dem Aeltern; II. Alpenreisen<br />

1850-1851 von Johann v. Weissenfluh dem<br />

Jüngern / Johann v. Weissenfluh der Ältere ;<br />

Joha<br />

Verlag von A. Francke<br />

Bern<br />

1910


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A u f A i r l m m M Zweier M M u l e r<br />

I. <strong>Chronik</strong> 17S2—1S21<br />

von Johann b. WetlzenSuh dem Äettern<br />

II. Apenreilen isso—issi<br />

von Johann b. Wetlzenüuy dem Jüngern<br />

Herausgegeben von vr. Andreas Fis<strong>ch</strong>er


Einleitung.<br />

ie hierna<strong>ch</strong> veröffentli<strong>ch</strong>ten Manuskripte der beiden<br />

Johann von Weißenfluh, senior und junior,<br />

von Mühlestalden bei Gadmen, wurden in den Se<strong>ch</strong>zigerjahren<br />

des vorigen Jahrhunderts von dem bekannten Pionier<br />

im Triftgebiet, Albert Hoffmann-Burckhardt, erworben,<br />

na<strong>ch</strong> Basel gebra<strong>ch</strong>t und später der Bibliothek der Sektion<br />

Basel 8. L. ges<strong>ch</strong>enkt, in deren Besitz sie si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> heute<br />

befinden. Ob außer dem alten Katalog irgendwas oder<br />

irgendwer um ihr Dasein wußte, s<strong>ch</strong>eint fragli<strong>ch</strong>; jedenfalls<br />

blieben sie jahrzehntelang ungelesen und unbea<strong>ch</strong>tet. Ihre<br />

vor kurzer Zeit erfolgte Wiederentdeckung verdanke i<strong>ch</strong><br />

Herrn Bibliothekar H. Stickelberger und die Erlaubnis,<br />

sie zu publizieren, dem Vorstand der Sektion Basel<br />

8. L. Ferner bin i<strong>ch</strong> zu Dank verpfli<strong>ch</strong>tet dem Vorstand<br />

der Sektion Bern 8.N.L. für die Freundli<strong>ch</strong>keit,<br />

mit der er mir (behufs Ergänzung der Reisebes<strong>ch</strong>reibung)<br />

Einblick in den hands<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>laß<br />

Gottlieb Studers gewährte, sowie au<strong>ch</strong> Herrn Charles<br />

Montandon in Bern für man<strong>ch</strong>en nützli<strong>ch</strong>en Hinweis<br />

und willig geleistete Mitarbeit beim Su<strong>ch</strong>en und Kopieren.<br />

Obglei<strong>ch</strong> die „Nessenthal-Ehronik" und die<br />

„Reisebes<strong>ch</strong>reibung" zum Teil wesentli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene<br />

Dinge behandeln, ers<strong>ch</strong>einen sie do<strong>ch</strong> hier verbunden;<br />

denn Vater und Sohn Weißenfluh, die in demselben<br />

alten Hause zu Mühlestalden wohnten und s<strong>ch</strong>rieben,


4<br />

Plutar<strong>ch</strong> auf Mühlestalden<br />

gehören mit ihren hinterlassenen Werken um so mehr<br />

zusammen, als sie beide von glei<strong>ch</strong>em Geiste beseelt sind<br />

und mit glei<strong>ch</strong> starker Heimatliebe von der S<strong>ch</strong>weiz und<br />

ihren S<strong>ch</strong>icksalen beri<strong>ch</strong>ten, auf jeden Fall zwei Männer<br />

besonderer Art, die dur<strong>ch</strong> Charaktertü<strong>ch</strong>tigkeit und Intelligenz<br />

hervorragen aus der Menge und als Persönli<strong>ch</strong>keiten<br />

unsere volle Sympathie gewinnen.<br />

über Johannes v. Weißenfluh den Altern<br />

und seinen Lebensgang ließ si<strong>ch</strong> leider nur wenig in<br />

Erfahrung bringen. Er lebte von 1762 bis <strong>1821</strong> und<br />

war ein s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ter Bauersmann. Eine Zeitlang besorgte<br />

er au<strong>ch</strong> die „Wirts<strong>ch</strong>aft" bei dem Eisenwerk im<br />

Mühlethal, dessen Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te er in so anziehender<br />

Weise erzählt. Wie der Mann im 18. Jahrhundert da<br />

droben zu seiner s<strong>ch</strong>önen Hands<strong>ch</strong>rift kam, ist mir Geheimnis<br />

geblieben, und ebenso rätselhaft — wenn au<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t so pikant als „Plautus im Nonnenkloster" — ers<strong>ch</strong>eint<br />

es, wie si<strong>ch</strong> ein mit zahlrei<strong>ch</strong>en Holzs<strong>ch</strong>nitten<br />

geziertes Pra<strong>ch</strong>texemplar des Plutar<strong>ch</strong> unter sein bes<strong>ch</strong>eidenes<br />

Da<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Mühlestalden verirrte. Aber da sind<br />

sie, Hands<strong>ch</strong>rift und Plutar<strong>ch</strong>*), und was mehr ist:<br />

Weißenfluh studierte den alten Heiden gründli<strong>ch</strong>, nährte<br />

und stärkte daraus den ihm angeborenen Sinn für historis<strong>ch</strong>e<br />

Dinge, und was ges<strong>ch</strong>ah? Unser Bäuerlein ma<strong>ch</strong>te<br />

si<strong>ch</strong> daran, selbst Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te zu s<strong>ch</strong>reiben. An Stoff gebra<strong>ch</strong><br />

es ihm ja keineswegs, denn abgesehen von allerlei lokalen<br />

Ereignissen, wie Lawinenunglück, Übers<strong>ch</strong>wemmungen,<br />

Teuerung u. dgl., erlebte er die letzte Phase der Herrli<strong>ch</strong>keit<br />

von Min Gnädig Herren, die große Revolution,<br />

den Zusammenbru<strong>ch</strong> der alten Eidgenossens<strong>ch</strong>aft, Helvetik,<br />

Mediation und Restauration, war Augenzeuge, sogar Mithandelnder<br />

bei etli<strong>ch</strong>en Aktionen in dem denkwürdigen<br />

Gebirgskrieg der Franzosen gegen die Österrei<strong>ch</strong>er und<br />

Russen, half Kanonen über den Sustenpaß s<strong>ch</strong>leppen —<br />

*) Dieser wird no<strong>ch</strong> jetzt von dem Enkel des <strong>Chronik</strong>s<strong>ch</strong>reibers,<br />

Andreas v. Weißensiuh zu Mühlestalden, als em ehrwürdiges<br />

Familienerbstück in Ehren gehalten.


Der Strahler in der Trift 5<br />

kurzum, Plutar<strong>ch</strong> selbst hätte si<strong>ch</strong> kaum eine historis<strong>ch</strong> interessantere<br />

Zeit vorstellen können. Damit soll ni<strong>ch</strong>t etwa<br />

gesagt sein, daß Weißenfluh als Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>reiber sein<br />

großes Vorbild errei<strong>ch</strong>t habe; der grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e und der mühlestaldens<strong>ch</strong>e<br />

Philosoph hatten zu vers<strong>ch</strong>iedene S<strong>ch</strong>ulen dur<strong>ch</strong>gema<strong>ch</strong>t.<br />

Au<strong>ch</strong> die Weißenfluhs<strong>ch</strong>en Kapitel selbst sind<br />

unter si<strong>ch</strong> von unglei<strong>ch</strong>em Werte, über die Ursa<strong>ch</strong>en der<br />

französis<strong>ch</strong>en Revolution z. B. oder über die S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t von<br />

Marengo mag man ja mit Vorteil no<strong>ch</strong> andere Autoren<br />

zu Rate ziehen. (Die Darstellung der letzteren ist übrigens<br />

ein hübs<strong>ch</strong>es Beispiel von prompter Legendenbildung.)<br />

Aber was Weißenfluh selbst sah, selbst erlebte oder au<strong>ch</strong><br />

von seinen Freunden und Mitbürgern, die „dabei gewesen",<br />

brühwarm erzählen hörte (einer seiner Vettern diente<br />

in der helvetis<strong>ch</strong>en Legion), besonders au<strong>ch</strong>, was er über<br />

Volksstimmungen und ihren We<strong>ch</strong>sel beri<strong>ch</strong>tet, das verdient<br />

gelesen und bea<strong>ch</strong>tet zu werden, um so mehr, da si<strong>ch</strong> aus<br />

jener Gegend und aus jenem Stande bisher no<strong>ch</strong> kein<br />

<strong>Chronik</strong>s<strong>ch</strong>reiber über diese Dinge zum Wort gemeldet hat.<br />

Der Verfasser der Reisebes<strong>ch</strong>reibung, Johann<br />

v. Weißenfluh der Jüngere, geboren 1799, gestorben<br />

1885, bedarf den Kennern unserer alpinen Literatur<br />

gegenüber eigentli<strong>ch</strong> keiner weiteren Vorstellung, denn<br />

sein Name war re<strong>ch</strong>t wohl bekannt unter den s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />

Pionieren der Glets<strong>ch</strong>erwelt, und des „Vater Weißenfluh"<br />

und seines gastli<strong>ch</strong>en Hauses auf Mühlestalden gedenkt<br />

man<strong>ch</strong>e Ehrenmeldung aus alten entdeckungsfreudigen<br />

Tagen. Ein eifriger „Strahler", d. h. Kristallsu<strong>ch</strong>er, war<br />

er von Jugend auf besonders mit dem Triftgebiet vertraut<br />

und galt au<strong>ch</strong> weithin unbestritten als der beste<br />

Kenner dieses lange Zeit gefür<strong>ch</strong>teten und unerfors<strong>ch</strong>t<br />

gebliebenen Bergreviers. Es gibt kaum einen anderen<br />

Namen, der mit der Eroberungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te irgend eines bedeutenden<br />

Alpengebiets so innig verknüpft wäre, wie der<br />

Name Weißenfluh (Vater und Söhne) mit derjenigen<br />

der Trift. Hier lernten namhafte Bergsteiger den Strahler<br />

kennen und s<strong>ch</strong>ätzen, und so kam es, daß Weißenfluh mehr


6 Bekannts<strong>ch</strong>aft mit Gottlieb Studer<br />

wurde, als ein „tü<strong>ch</strong>tiger Lokalführer"; seine „Herren"<br />

nahmen ihn gerne mit auf größeren Alpenreisen ins<br />

Wallis, na<strong>ch</strong> Italien und Graubünden, und wenn i<strong>ch</strong> es<br />

re<strong>ch</strong>t übersehe, so hat von seiner, d. h. also der ältesten<br />

Führergeneration (es war die Zeit des liötel 6es Neuckatelois<br />

und der Aplanalp, Bannholzer, Leuthold, Jaun,<br />

Madutz usw.) keiner so ausgedehnte Fahrten unternommen<br />

wie Joh. v. Weißenfluh. Von den Alpenwanderern, die<br />

ihn wiederholt engagierten und Jahre lang im Verkehr<br />

mit ihm blieben, seien besonders genannt: Gottlieb Studer,<br />

Fr. Bürki, v. Fellenberg, Abraham Roth, R. S<strong>ch</strong>aub,<br />

Alb. Hoffmann-Burckhardt.<br />

S<strong>ch</strong>ade, daß si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ermitteln läßt, wie weit der<br />

junge Strahler aus eigenem Antrieb ins Ho<strong>ch</strong>gebirge<br />

vorgedrungen, bevor die Männer aus dem Fla<strong>ch</strong>lande<br />

kamen und ihn zum Führer begehrten! Kein Geringerer<br />

als Gottlieb Studer war es, der als erster seine<br />

Dienste in Anspru<strong>ch</strong> nahm, als er Anno 1839 seine Entdeckungsfahrt<br />

dur<strong>ch</strong> das Eisrevier der Trift antrat. „Auf<br />

eingezogene Erkundigungen na<strong>ch</strong> einem zuverlässigen Begleiter<br />

auf der beabsi<strong>ch</strong>tigten Wanderung wurde i<strong>ch</strong> an<br />

den Gemeindes<strong>ch</strong>reiber Johannes von Weißenfluh,<br />

Mineraliensammler in Mühlestalden, gewiesen, der zwar<br />

das Firnjo<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en Bern und Wallis (Tristlimmi)<br />

niemals überstiegen hatte, jedo<strong>ch</strong> bis auf dasselbe gelangt<br />

war. Luft und Betriebsamkeit führten ihn öfters auf<br />

jene Felsfirften und Eiswüsten, die si<strong>ch</strong> vom Sustenhorn<br />

bis zur Grimselkette ausdehnen, bald um den Gemsen<br />

na<strong>ch</strong>zustellen, bald um seltenes Gestein zu erbeuten.<br />

Bei dem mir bezei<strong>ch</strong>neten Hause am Mühlestalden<br />

klopfte i<strong>ch</strong> an, und na<strong>ch</strong> kurzer Unterredung war der<br />

rüstige Weißenfluh bereit, mi<strong>ch</strong> zu begleiten."*)<br />

Die Bekannts<strong>ch</strong>aft war gema<strong>ch</strong>t; sie hat gegen ein<br />

halbes Jahrhundert, bis zum Tode, gedauert.<br />

*) G. Studer, Topogr. Mitteilungen, 10 ff.


Charakteristik Weißenfluhs 7<br />

Die Beiden übers<strong>ch</strong>ritten glückli<strong>ch</strong> den Paß von der<br />

Trift na<strong>ch</strong> dem Rhoneglets<strong>ch</strong>er, und damit war ni<strong>ch</strong>t nur<br />

eine neue, s<strong>ch</strong>öne Route im Ho<strong>ch</strong>gebirge gewonnen, sondern<br />

au<strong>ch</strong> der ents<strong>ch</strong>eidende S<strong>ch</strong>ritt getan zur Ers<strong>ch</strong>ließung des<br />

interessanten Gebiets. Und aus dem Mineraliensammler<br />

Weißenfluh lvar ein Bergführer geworden.<br />

Zwei Jahre später ers<strong>ch</strong>ien Studer abermals im<br />

Gadmertal. „Bei der Wohnung von Johann v. Weißenfluh<br />

in Mühleftalden hielt i<strong>ch</strong> an, begrüßte meinen alten<br />

Bekannten, und freudig waren Vater und Sohn Heinri<strong>ch</strong>*)<br />

bereit, mit mir irgend eine wagli<strong>ch</strong>e Glets<strong>ch</strong>erwanderung<br />

zu unternehmen. Na<strong>ch</strong> kurzer Überlegung war der Gipfel<br />

des Sustenhorns zum Ziele unseres Strebens erkoren."<br />

Und nun folgt eine Stelle, die trotz des glänzenden Lobes,<br />

das man<strong>ch</strong>e der späteren Führer davontrugen, viellei<strong>ch</strong>t das<br />

Beste ist, das je zur Anerkennung eines wackeren Mannes<br />

von diesem Stande ges<strong>ch</strong>rieben worden, eben weil es ni<strong>ch</strong>t<br />

bloß spezielle Führereigens<strong>ch</strong>aften, sondern die gesamte<br />

Mannestü<strong>ch</strong>tigkeit würdigt. „Mir wurde es wohl im<br />

Kreise dieser biederen Leute. Weißenfluh, ein Mann von<br />

kräftiger Gestalt und gesunden Sinnen, zu Hause der Leute<br />

Ratgeber, thätig und keiner fremden Hülfe bedürfend,<br />

s<strong>ch</strong>ien mir ein zweiter Tell, wie ihn uns der Di<strong>ch</strong>ter<br />

in seinem häusli<strong>ch</strong>en Leben s<strong>ch</strong>ildert, wenn er, die Art<br />

des Zimmermanns oder das Feldgeräthe aus der Hand<br />

legend, zwar ni<strong>ch</strong>t das treffende Ges<strong>ch</strong>oß, wohl aber das<br />

Werkzeug des Kristallbeuters ergriff, um auf Pfaden, die<br />

sonst nur die Gemse betreten darf, die Regionen der starren<br />

Felsenwelt oder des ewigen Eises zu dur<strong>ch</strong>streifen und dort<br />

unbekannte Minerals<strong>ch</strong>ätze zu erspähen und zu gewinnen<br />

si<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>ickte, während auf dessen Kraft und Besonnenheit<br />

*) Heinri<strong>ch</strong> hatte als 14jähriger Jun^e s<strong>ch</strong>on die Fahrt über<br />

die Tristlimmi mitgema<strong>ch</strong>t und war, wie sein Bruder Andreas<br />

no<strong>ch</strong> heute versi<strong>ch</strong>ert, „der unternehmendste und stärkste von uns<br />

allen", der Stolz der Familie. Er s<strong>ch</strong>ien dazu bestimmt, einer<br />

der bravsten und tü<strong>ch</strong>tigsten Bergführer im Oberland zu werden,<br />

fand aber s<strong>ch</strong>on mit zroeiundzrvanzig Jahren beim Holzflößen<br />

im Genthalba<strong>ch</strong> den Tod.


8 Jungfraubesteigung von 1842 — Rud. S<strong>ch</strong>aub<br />

und auf Gottes S<strong>ch</strong>utz vertrauend, sein treues Weib ohne<br />

ängstli<strong>ch</strong>e Besorgnis am stillen Heerde zurückblieb, um<br />

unterdessen des Hauses Ges<strong>ch</strong>äften zu warten."*) — Am<br />

7. August wurde das Sustenhorn erobert; daran s<strong>ch</strong>loß<br />

si<strong>ch</strong> der Übergang über die Steinlimmi na<strong>ch</strong> der Sennhütte<br />

im „Graggi" (aus der re<strong>ch</strong>ten Seite des Triftglets<strong>ch</strong>ers),<br />

wel<strong>ch</strong>e jahrelang die Bedeutung einer Klubhütte behauptete;<br />

von hier aus gelangten die Wanderer über das<br />

Steinhaushorn und den Furtwang na<strong>ch</strong> Guttannen.<br />

Als Studer si<strong>ch</strong> im August 1842 mit seinem Freund<br />

Bürki an die Besteigung der Jungfrau wagte — es<br />

war die vierte und zu jener Zeit no<strong>ch</strong> ein außerordentli<strong>ch</strong>es<br />

Unternehmen, dem nur sehr wenige Führer gewa<strong>ch</strong>sen<br />

waren — nahm er „aus dem Gadmerthal den<br />

oft bewährten Johann v. Weißensiuh mit, wel<strong>ch</strong>er uns<br />

beide s<strong>ch</strong>on als Führer in die Ho<strong>ch</strong>regionen jener Gegend<br />

begleitet hatte und jetzt ni<strong>ch</strong>t minder große Lust bezeugte,<br />

au<strong>ch</strong> eine der hö<strong>ch</strong>sten Spitzen des Alpengebirges mit<br />

uns zu erklimmen". Die Tour gelang aufs beste und<br />

ma<strong>ch</strong>te au<strong>ch</strong> auf Weißenfluh einen unauslös<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Eindruck.<br />

Bald na<strong>ch</strong> Studer tau<strong>ch</strong>te der originelle Basler Bu<strong>ch</strong>binder<br />

Rud. S<strong>ch</strong>aub im Triftgebiet auf und wurde<br />

jahrelang einer der „Stammgäste", sowohl im Weißenfluhs<strong>ch</strong>en<br />

Haus zu Mühleftalden als au<strong>ch</strong> in den Sommerresidenzen<br />

Ahorni und Graggi. Zusammen mit Weißenfluh,<br />

oder do<strong>ch</strong> beraten von diesem, führte er mehrere Erstbesteigungen<br />

aus, und au<strong>ch</strong> er s<strong>ch</strong>ätzte an seinem Begleiter<br />

die e<strong>ch</strong>te, vom Gelderwerb unabhängige Begeisterung für<br />

die Großartigkeit des Ho<strong>ch</strong>gebirgs. „Unterhalb der Alphütte<br />

im Graggi, auf dem Felswall, wo längs seiner<br />

südli<strong>ch</strong>en Seite hin der Glets<strong>ch</strong>er die so imposante Biegung<br />

ma<strong>ch</strong>t: dort geht kaum ein Alpinist vorüber, ohne stille<br />

zu stehen, um das große Meisterwerk der erhabenen Natur<br />

anzustaunen und zu bewundern. So erging es, trotz der zunehmenden<br />

Dämmerung, au<strong>ch</strong> mir. Niemalen, glei<strong>ch</strong> Vater<br />

*) Topogr. Mitteilungen, 79 ff.


Weißenfluh' ging i<strong>ch</strong> da vorüber, ohne auf dem Felswall<br />

einige Zeit abzusitzen und von der nahe dabei<br />

losten'") Quelle den Göttertrank zu<br />

^.«"akteristik des Mannes gibt Ab-<br />

„ » m Roth in seinen „Glets<strong>ch</strong>ersahrten". Da heißt es<br />

°"d"em: „Unser Herr Weißenfluh ist no<strong>ch</strong> stolz auf<br />

s men Stamm und führt dessen Wurzeln in das alte<br />

Fr-esland hinauf. Er zählt (I8S8) bereits SS ^«hre<br />

Bera"^nd^ Bes<strong>ch</strong>werde no<strong>ch</strong> die anstrengendsten<br />

und Glets<strong>ch</strong>erwanderungen trotz einem Iunaen<br />

We<strong>ch</strong>enfluh ist außerdem Privatgelehrter und ein biß<strong>ch</strong>en<br />

Phllosoph; unter seinem bes<strong>ch</strong>eidenen Da<strong>ch</strong> beherberat e?<br />

W 7 n n V ß ^ ^utar<strong>ch</strong> i? B ? S m ^<br />

T^enn -U5e<strong>ch</strong>enfluh m Stimmung gerät, dann überffieken<br />

seine Lippen von weisen Sprü<strong>ch</strong>en und klassis<strong>ch</strong>en Sentenzen,<br />

dur<strong>ch</strong>würzt mit den Resultaten selbsteigener Naturphüosophle.<br />

Findet er vollends, daß sein „Plutarckum"<br />

diese letzteren bestätigt, dann s<strong>ch</strong>wört er draus wie auf<br />

Jedenfalls aber ist Weißenfluh ein<br />

Hu^r^eZt'"» ni°""^ ^-°s°ph- denn der gute<br />

Also wieder der famose Plutar<strong>ch</strong>, ein vornehmstes<br />

° < - «<br />

^^"^^°?^"ungzum "Aufzei<strong>ch</strong>nen" merkwürdiger<br />

^ kein Wunder, daß der lebhafte Geist des<br />

abenteuerlustigen Sohnes si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t damit begnügte Geme.ndere<strong>ch</strong>nungen,<br />

Protokolle und derglei<strong>ch</strong>en abzufassen<br />

Gottlieb Studer ist wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> der erste gewesen dem<br />

als °°" Mühlestalden" si<strong>ch</strong><br />

als Reises<strong>ch</strong>riststeller zu erkennen gab. Am Tage na<strong>ch</strong> der<br />

zahnten Jungstaubesteigung von 1842 hielten die Sieaer<br />

fäbrt-n'^ ^ Märjelenalp, und während seine Gefahrten<br />

dem Eggishorn einen Besu<strong>ch</strong> abstatteten, verfaßte<br />

*) R. S<strong>ch</strong>aub, Bergreisen III (Manuskript).


10<br />

Weißenfluhs Zei<strong>ch</strong>nungen<br />

Weißenfluh sein erstes uns bekanntes Werk, nämli<strong>ch</strong> die<br />

„Reise auf die Jungfrau". Der ni<strong>ch</strong>t ganz kurze Aufsatz<br />

ist mit Munterkeit und Laune ges<strong>ch</strong>rieben, und Wer da<br />

aus Erfahrung weiß, Wie ungern selbst musenvertrautere<br />

Leute unmittelbar na<strong>ch</strong> einer langen und anstrengenden<br />

Tour zum S<strong>ch</strong>reibgeräte greifen, der Wird in dem literaris<strong>ch</strong>en<br />

Versu<strong>ch</strong> des Führers und Trägers, „aufgesetzt<br />

auf der Merjelen am 15ten Äugst und ausgefertigt<br />

auf Mühlistalden am 26ten Äugst 1842", eine a<strong>ch</strong>tungswerte<br />

Leistung erkennen. Weißenfluh bereitete seinen<br />

zurückkehrenden Gefährten eine frohe Stunde mit der<br />

Vorlesung, und Gottlieb Studer fand den Aufsatz interessant<br />

genug, um ihn (etwas gekürzt) seiner eigenen<br />

prä<strong>ch</strong>tigen S<strong>ch</strong>ilderung einzuverleiben. (Topogr. Mitteilungen<br />

141—144.) Dieser Erfolg — viellei<strong>ch</strong>t kam no<strong>ch</strong><br />

eine freundli<strong>ch</strong>e Ermunterung Studers hinzu — blieb<br />

ni<strong>ch</strong>t ohne Folgen; Weißenfluh, so Wie er fortfuhr zu<br />

Wandern, fuhr au<strong>ch</strong> fort „aufzusetzen und auszufertigen",.<br />

und i<strong>ch</strong> habe ihn im Verda<strong>ch</strong>t, er mö<strong>ch</strong>te die meisten<br />

seiner größeren Reisen bes<strong>ch</strong>rieben haben. Aber no<strong>ch</strong> mehr:<br />

er illustrierte seine Aufsätze mit zahlrei<strong>ch</strong>en Bildern,<br />

d. h. Wo irgend eine große Ers<strong>ch</strong>einung den Geist ganz<br />

besonders fesselte, konnte er „ni<strong>ch</strong>t ubergehen (unterlassen),<br />

eine kleine Zei<strong>ch</strong>nung vorzunehmen". Der Fall ist selten,<br />

viellei<strong>ch</strong>t einzig in seiner Art, und man wird gestehen<br />

müssen, daß in dem einfa<strong>ch</strong>en Strahler von Mühleftalden<br />

das keu sacr6 stärker brannte, als in vielen „Alpinisten"<br />

unseres großen, kodakbeflissenen Zeitalters. Für das<br />

Panoramenzei<strong>ch</strong>nen allerdings War ni<strong>ch</strong>t der „Plutar<strong>ch</strong>um",<br />

sondern zweifellos das Beispiel Gottlieb Studers ents<strong>ch</strong>eidend,<br />

und gerne stellt man si<strong>ch</strong> vor, Wie der Meister<br />

seinem hart mit der Kunst ringenden Begleiter über die<br />

S<strong>ch</strong>ulter sah, Wohl au<strong>ch</strong> ihn anwies und korrigierte. —<br />

Bei der Auswahl zur Reproduktion etli<strong>ch</strong>er Weißenfluhs<strong>ch</strong>er<br />

Ansi<strong>ch</strong>ten mußte hier freili<strong>ch</strong> mehr auf die<br />

S<strong>ch</strong>ärfe als auf die Genauigkeit der Linienführung<br />

Rücksi<strong>ch</strong>t genommen werden; — möge denno<strong>ch</strong> das „Mat-


Alpenreisen 11<br />

terhoren" mit dem „wilden Girens<strong>ch</strong>nabel na<strong>ch</strong> Morgen"<br />

wie im Text so au<strong>ch</strong> im Bilde Vergnügen bereiten!<br />

Man<strong>ch</strong>es von Weißenfluhs <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong> muß als<br />

verloren gelten, was besonders in bezug auf die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

des Triftgebiets sehr zu bedauern ist. Was aber den<br />

Mann selbst betrifft, seinen Geist und seine Art, läßt<br />

unser Manuskript klar erkennen. Es enthält die S<strong>ch</strong>ilderung<br />

folgender drei vers<strong>ch</strong>iedener Alpenreisen:<br />

1. Gemmi, Visp-Zermatt, lveisstor^Macugnaga,<br />

Monte Moro, Simplon, Lukmanier,<br />

Panixerpaß, Pragel, Vierwaldstättersee-Brünig.<br />

Unternommen mit Fr. Vürki,<br />

1850.<br />

2. Die Erstbesteigung des ^Kierbergs, mit<br />

Pfr. C. L. Gerster, 1850.<br />

3. Dur<strong>ch</strong> die Alpen na<strong>ch</strong> Turin. Erstbesteigung<br />

des Oombin äe kordassiere u.a.m. Mit Gottlieb<br />

Studer, 1851.<br />

Der Herausgeber wagt zu hoffen, daß man<strong>ch</strong>e Bergfreunde,<br />

denen die Alpen vielerorts dur<strong>ch</strong> all den modernen<br />

Graus von Jahr zu Jahr mehr verleidet werden,<br />

si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Weißenfluh's treuherzigen Beri<strong>ch</strong>t aus „alten<br />

Zeiten" gerne wieder daran erinnern lassen, was die<br />

S<strong>ch</strong>weiz einst gewesen und wie die geheimnisvolle, hehre<br />

Gebirgswelt auf einfa<strong>ch</strong>e, ni<strong>ch</strong>t blasierte Gemüter gewirkt.<br />

— Das bes<strong>ch</strong>eidene Werklein wüns<strong>ch</strong>t besonders au<strong>ch</strong><br />

deswegen freundli<strong>ch</strong> aufgenommen zu werden, weil es<br />

dem Enkel des Ehroniks<strong>ch</strong>reibers und Sohn des Reises<strong>ch</strong>ilderers,<br />

Andreas v. Weißenfluh auf Mühleftalden, eine<br />

Freude bereiten mö<strong>ch</strong>te. Der Mann, vormals selbst ein<br />

ausgezei<strong>ch</strong>neter Bergführer, zählt jetzt 75 Jahre, und sein<br />

Ges<strong>ch</strong>ick hat si<strong>ch</strong> so gestaltet, daß selbst der vielvermögende<br />

Plutar<strong>ch</strong> als Tröster ni<strong>ch</strong>t mehr völlig ausrei<strong>ch</strong>en will.<br />

Und darum tritt die „Philosophie" der Väter so spät<br />

no<strong>ch</strong> hervor ans Li<strong>ch</strong>t.


12 S<strong>ch</strong>lußbemerkung des Herausgebers<br />

Zum S<strong>ch</strong>luß sei no<strong>ch</strong> bemerkt, daß an den Weißenfluhs<strong>ch</strong>en<br />

Manuskripten keinerlei S<strong>ch</strong>ulmeisterkünste verübt<br />

worden sind. <strong>Chronik</strong> und Reisebes<strong>ch</strong>reibung ers<strong>ch</strong>einen in<br />

Satzbau und mundartli<strong>ch</strong>er Färbung, wie sie ursprüngli<strong>ch</strong><br />

lauten; nur die Interpunktion und, seltener, au<strong>ch</strong> die<br />

Orthographie haben im Interesse der Lesbarkeit eine Änderung<br />

erfahren.<br />

Basel, im September 1909.<br />

knäreas Ziselier.


<strong>Chronik</strong> <strong>1792</strong>-<strong>1821</strong><br />

von<br />

Johann v. Weißenfluh dem Altern


ieweil i<strong>ch</strong> eine Luft und Freude daran habe, die<br />

Historien zu dur<strong>ch</strong>gehen, wel<strong>ch</strong>e uns unsere Voreltren<br />

ruhmwyrdigst hinderlassen haben, so habe i<strong>ch</strong> mier<br />

vorgenomen, etli<strong>ch</strong>y Kleinikeiten aufzuzei<strong>ch</strong>nen und der<br />

Na<strong>ch</strong>welt zu ubergeben. Zwar ni<strong>ch</strong>t aus der Ursa<strong>ch</strong>e,<br />

etwan meinen Verstand zu zeigen oder mi<strong>ch</strong> mit meinem<br />

S<strong>ch</strong>ryben groß zu ma<strong>ch</strong>en oder jemand zu verlemden,<br />

sonderbar aber aus bloßer Einseitigkeit und für die Langeweyli;<br />

dieses bewegte mi<strong>ch</strong> hierzu<br />

<strong>1792</strong><br />

Dysers Jar ist sonderli<strong>ch</strong><br />

merkwyrdig, sowol in unsrer Gegend wegen seyner ru<strong>ch</strong>en<br />

Witrung, als au<strong>ch</strong> in andren Gegenden wegen dem Krieg,<br />

wel<strong>ch</strong>er in diesem Jar heftig anfieng in Flamen auszubre<strong>ch</strong>en<br />

und gantz Erupa in For<strong>ch</strong>t und S<strong>ch</strong>recken bra<strong>ch</strong>te.<br />

Diesers hat si<strong>ch</strong> also zugetragen: Ludwig der 16te, Koenig<br />

von Frankri<strong>ch</strong>, wäre ein seer träger einfälttiger Man;<br />

seyne Minister und Unteramtleuthe hatten ihn seer hindergangen<br />

und bestollen; zudem no<strong>ch</strong> wäre die Frau Koenigin<br />

des remis<strong>ch</strong>en Keisers S<strong>ch</strong>wester, wel<strong>ch</strong>em sey gleubli<strong>ch</strong><br />

große Geltsummen fürges<strong>ch</strong>ossen, um den Tirkenkrieg zu<br />

fieren. Zudem hat s<strong>ch</strong>on sein Vatter im siebenjährigen Krieg<br />

große Geldsummen vers<strong>ch</strong>wendet. Hiermit war er ein<br />

Koenig one Geld und alles Volk in Frankri<strong>ch</strong> wäre sehr<br />

mißvergniegt über den uns<strong>ch</strong>uldigen Koenig, daß er si<strong>ch</strong><br />

ents<strong>ch</strong>ließen mußte, Frankri<strong>ch</strong> zu verlassen und sein Leben<br />

mit der Flu<strong>ch</strong>t zu retten. Der gute, uns<strong>ch</strong>uldige Kinig<br />

aber ist unglickli<strong>ch</strong>er Weise ergriffen worden, und na<strong>ch</strong><br />

Paris zurückgebra<strong>ch</strong>t, allwo sie ihn im Temppell gefangen<br />

hielten. Die S<strong>ch</strong>witzergarde wurde Hieruber dermaßen<br />

aufgebra<strong>ch</strong>t, daß sie si<strong>ch</strong> ents<strong>ch</strong>lossen, ihren Kinig zu retten.<br />

Aber sie waren zu s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> ; denn sie wurden na<strong>ch</strong> emem<br />

hitzigen Gefe<strong>ch</strong>t fast alle umgebra<strong>ch</strong>t. Nun ging es über<br />

den unglückli<strong>ch</strong>en Kinig; der wurde vor Geri<strong>ch</strong>t gefordret,


16<br />

Revolution und Krieg<br />

dermaßen verklagt, daß ihm das Todesurteil gespro<strong>ch</strong>en<br />

worden, wel<strong>ch</strong>es bald herna<strong>ch</strong> an ihm vollzogen und der<br />

unglickli<strong>ch</strong>e Kinig enthauptet worden. — Der remis<strong>ch</strong>e<br />

Keiser, der Kinig in Preußen und der Kinig in Engelland<br />

sähe dieses ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>giltig an, sondern deklerierten si<strong>ch</strong><br />

findli<strong>ch</strong> gegen Frankri<strong>ch</strong>, aber sehr unvorsi<strong>ch</strong>tig; denn die<br />

Franken kamen ihnen zuvor, versamleten ihre Heere sehr<br />

s<strong>ch</strong>nell und überzogen ihnen wie Rupen das Land. Diesers<br />

Feur hat s<strong>ch</strong>nell um si<strong>ch</strong> gefressen, und gantz Erupa war ein<br />

S<strong>ch</strong>uplatz des Kriegs. Unser wertes Vatterland wurde au<strong>ch</strong><br />

bald mitgenommen, denn s<strong>ch</strong>on im Frieling mußten die<br />

Kanonier Compagnien na<strong>ch</strong> Basel, weillen die Franken<br />

da einzubre<strong>ch</strong>en droheten. Allein es wurden keine Findseligkeiten<br />

ausgeuebt. — Im Herbstmonat desselben Jars<br />

kam s<strong>ch</strong>nell eine Bots<strong>ch</strong>aft von Bern, es sollen beyde<br />

Granediercompagniefligel s<strong>ch</strong>nell na<strong>ch</strong> Genf oder Neuß<br />

(Nyon) kommen, denn es stehe da um Genf eine ansehnli<strong>ch</strong>e<br />

französis<strong>ch</strong>e Armee, die werden bei dem Genfersee<br />

einbre<strong>ch</strong>en, wenn die Grentzen ni<strong>ch</strong>t besetzt werden. Unsere<br />

Granedier verließen das Vatterland in seinen Neten ni<strong>ch</strong>t,<br />

sondern ilten mit ents<strong>ch</strong>lossenem Mut gegen die Grentzen.<br />

Allein die Franzosen drangen in das Herzogtum Savoi<br />

ein und ließen unser Vatterland für diesmal bei seiner<br />

alten Ruhe verblyben. Also kamen unsere Landsleuth<br />

glickli<strong>ch</strong> und gesund wieder na<strong>ch</strong> Hasli, zu Anfang des<br />

Jars 1793.<br />

Der Herbst des <strong>1792</strong> Jars wäre sehr angenem, der<br />

Winter anfangs lie<strong>ch</strong>t und ni<strong>ch</strong>t sonderbar kalt; um<br />

den kirziften Tag fienge es an, etwas kelter zu werden<br />

und zu s<strong>ch</strong>neien, und als das neue Jar 1793 hereingetreten,<br />

läge wirkli<strong>ch</strong> ein großer S<strong>ch</strong>nee. Dieser wurde so<br />

hart, daß man mit Fi<strong>ch</strong> darüber fahren konnte bis auf<br />

den hö<strong>ch</strong>sten Berg; do<strong>ch</strong> wäre der Himel heiter und das<br />

Wätter angenem bis im Hornig; da fienge es an zu<br />

s<strong>ch</strong>neien gar sitli<strong>ch</strong>; aber bald veränderte si<strong>ch</strong> das angeneme<br />

Wetter, denn ein starker, ungestiemer Wind begleitete<br />

den so stark vom Himel fallenden S<strong>ch</strong>nee, daß no<strong>ch</strong><br />

heutte mein Herz zitret, wenn i<strong>ch</strong> daran gedenke. Dieses<br />

werete 8 Tag und Na<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> einandren unaufhörli<strong>ch</strong><br />

fort. Jetz stand man in banger Erwarttung der S<strong>ch</strong>neelowynenfälle;<br />

denn der S<strong>ch</strong>nee wäre wyrkli<strong>ch</strong> 6 bis 7


Lawinen 17<br />

S<strong>ch</strong>uh tief und s<strong>ch</strong>neite es ohne Underlas denno<strong>ch</strong> immer<br />

fort. Den 10. Hornung herete man bytere Klagen über<br />

die Lowynen; denn Innert der Kir<strong>ch</strong>en erzeigte si<strong>ch</strong> die<br />

Lowynen mit sol<strong>ch</strong>er Ungestieme, daß etli<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>enfenster<br />

davon zers<strong>ch</strong>metret, und eine Parti S<strong>ch</strong>indelmes, wel<strong>ch</strong>e<br />

innert des Hans Hubers Haus aufgetis<strong>ch</strong>et lagen, rourden<br />

wie S<strong>ch</strong>neefliegen in dem Derflin herumgetryben. Den<br />

12. hat die Lowynen dem Hans Stocker großen S<strong>ch</strong>aden<br />

getan; denn ob seinen Gietren auf der Füren hatte geda<strong>ch</strong>ter<br />

Stocker einen großen, f<strong>ch</strong>enen Bu<strong>ch</strong>wald; den hat<br />

die Lowynen nidergeworfen und dem Stocker herab auf<br />

seine Bieter getragen; zudem hat sie ihm no<strong>ch</strong> eine S<strong>ch</strong>yr<br />

gebro<strong>ch</strong>en und alles verwiestet.<br />

Den 13. kam der fatale Zeitpunkt, daß die S<strong>ch</strong>neelowynen<br />

mir mein kleines Vermegen fast mitgenomen, die<br />

S<strong>ch</strong>ier gebro<strong>ch</strong>en und die Fürs<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t mit Steinen überal<br />

uberfiert. Der Ho<strong>ch</strong>grund ist über das Wasser bey einem<br />

kleinen Blattens<strong>ch</strong>uß *) bis zur Düben Kropfs<strong>ch</strong>euer gegangen<br />

; man kan lie<strong>ch</strong>t gedenken, wie tief der Lowys<strong>ch</strong>nee<br />

muß gewäsen sein; denn die lesten Tage im Brä<strong>ch</strong>et konnte<br />

man no<strong>ch</strong> über den S<strong>ch</strong>nee wie über eine Brick über<br />

das Wasser gehen.<br />

Die Kreiskumb Lowynen ließe au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts underwegen,<br />

ihre Ma<strong>ch</strong>t zu erzeigen, sie kam eine Viertelstunde später<br />

als die hier in der Fürs<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t. Es war Morgen um<br />

7 21hr. I<strong>ch</strong> glaube, dieselbe sey in diesem Jahrhundert<br />

niemalen so groß komen; denn dieselbe hat gar große<br />

Waldungen, worunter viele steinalte Tannen und Bu<strong>ch</strong>en<br />

waren, umgeworfen. Sie hat auf des Melker Denis<br />

(Thönis) Kreiskumb viele starke Ahoren umgeworfen, sie<br />

hat eine S<strong>ch</strong>euer in der Bergwerk Ey Sonnseiten au<strong>ch</strong><br />

niedergeworfen; an allem diesem konte sie ihre Wut no<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t stillen, sondern der Staub ist mit Krisesten bis hinauf<br />

an die Ortfluh gefaren. Was die Blattenlowynen<br />

und Grundlowy und Nessenlowy anbelangt, die sind dyses<br />

Jahr gar ni<strong>ch</strong>t komen. Man gäbe es dem starken Wind<br />

die S<strong>ch</strong>uld, wel<strong>ch</strong>er den S<strong>ch</strong>nee an diesen Orten ni<strong>ch</strong>t<br />

ligen lassen, sondern denselben allezeit inhin getryben ;<br />

zum Exempel ußerst der Worbes Egg, wo die Nessenlowy<br />

*) Kleine Steinwurfsweite,<br />

v. Weißenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>.


18 Harter Winter<br />

entspringt, hat es keinen lygen lassen, sondern über die<br />

Egg getrieben und daselbften fallen lassen; dieses wäre<br />

glaubli<strong>ch</strong> die Ursa<strong>ch</strong>e, daß die Kreiskumb- und Fuhrs<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tlowy<br />

dermaßen groß komen sind. Es ist s<strong>ch</strong>on <strong>1792</strong> zu<br />

oder ob Färriftetten au<strong>ch</strong> eine große S<strong>ch</strong>neelowenen komen;<br />

dieselbe hat etli<strong>ch</strong>e hundert Zimmerbeim Bäume) nebst<br />

andrem großen und kleinen Holtz mit Wurtzlen und Esten<br />

herab auf die Vorsaßgieter getragen. Aber disers Jar<br />

ist dieselbe no<strong>ch</strong> viel greßer komen, denn sie hat von Ferristetten<br />

bis zur Brick im Genttel alles vermiestet — man<br />

sagte mir, diese Lowynen sei jetz siebenzig Jar gar ni<strong>ch</strong>t<br />

komen. — I<strong>ch</strong> kente von dem vielen S<strong>ch</strong>nee und denen<br />

Lowinen no<strong>ch</strong> mehr s<strong>ch</strong>ryben; denn selbige haben an andren<br />

Orten au<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>aden getan; aber i<strong>ch</strong> werde es der<br />

Lowmen halb hierbi bewenden lassen.<br />

Vom 1^92.<br />

I<strong>ch</strong> habe droben erwent von dem vielen S<strong>ch</strong>nee, der<br />

^636 und von dem unaufhörli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>neien und<br />

endli<strong>ch</strong> darus erfolgten ungeheuren Lowynen. So folgte<br />

nun wie natirli<strong>ch</strong> ein ser speter und ru<strong>ch</strong>er Frielyng, daß<br />

man das arme Feh großen Hunger mußte leiden lassendenn<br />

es wäre s<strong>ch</strong>on im vorigen Jahr gar wenig gewa<strong>ch</strong>sen<br />

und konnte man kein Fuhter bekamen, weder teur no<strong>ch</strong><br />

wolfeil. Es war fryli<strong>ch</strong> zu eingendem Meien das meiste<br />

aaber >) und der S<strong>ch</strong>nee ges<strong>ch</strong>moltzen. Es konnte aber<br />

wägen der großen Kelte das Laub und Gras ni<strong>ch</strong>t wa<strong>ch</strong>sen,<br />

daß der S<strong>ch</strong>afhirt erst na<strong>ch</strong> dem Meienmert anfieng zu<br />

hieten hier im Nessentalberg. Den 25. Mey fienge es wyder<br />

an zu s<strong>ch</strong>neien, nun s<strong>ch</strong>neite es wyderum alle Tage, dem<br />

Boden na<strong>ch</strong> 2) ni<strong>ch</strong>t gar viel, aber viel in den<br />

B^gen. Denn i<strong>ch</strong> hatte eben das Unglick, eine Party<br />

S<strong>ch</strong>af zu «untren; dieselben mußte i<strong>ch</strong> dem S<strong>ch</strong>afhirten<br />

neben andren helfen su<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e in dem Berg hin und<br />

her zerstreut waren; dieses wäre gewis ein Stuck harter<br />

Arbeit, denn es wäre der Lowynen halb große Gefar.<br />

Es wäre der 30. Meyen und läge der S<strong>ch</strong>nee dermaßen<br />

reif, daß man in dem S<strong>ch</strong>afweg kum dur<strong>ch</strong>waten mo<strong>ch</strong>te;<br />

') S<strong>ch</strong>neefrei, y Unten im Tal.


Futternot 19<br />

do<strong>ch</strong> gelang es uns, daß wir diese gefarvolle Arbeit mit<br />

Glick verri<strong>ch</strong>teten, ob uns gli<strong>ch</strong> die Lowynen den Tod<br />

droheten. — Jetz herete man bitere Klagen fast bey jedermann;<br />

das Fuhter wäre alles verzert, der Erdboden<br />

mit mehr als S<strong>ch</strong>uh hohem S<strong>ch</strong>nee bedeckt, der Wald<br />

voller S<strong>ch</strong>nee und Eis, das arme Fi<strong>ch</strong> hungrig. Jetz<br />

war ni<strong>ch</strong>ts besseres als Gedult und Uners<strong>ch</strong>rockenst über<br />

diese Sa<strong>ch</strong>en; denn die Klagenden wurden no<strong>ch</strong> mer<br />

dur<strong>ch</strong> ihre Klagen gemartret als dur<strong>ch</strong> den S<strong>ch</strong>nee selbst;<br />

denn der S<strong>ch</strong>nee fieng jetzt s<strong>ch</strong>on wieder an zu s<strong>ch</strong>meltzen.<br />

Aber dieser S<strong>ch</strong>nee hat no<strong>ch</strong> bey witem ni<strong>ch</strong>t so viel ges<strong>ch</strong>adet<br />

als die Kelte, die darus erfolget; denn den lesten<br />

Tag im Meien fieng der Himel an heiter zu werden,<br />

die darauffolgende Na<strong>ch</strong>t dermaßen heiter und kalt, daß<br />

an der S<strong>ch</strong>aftelen das in der Straß zusammengeronnene<br />

S<strong>ch</strong>neewasser dermaßen gefroren, daß man wägen dem<br />

Eis mit Rindfi<strong>ch</strong> unmögli<strong>ch</strong> den 1. Brä<strong>ch</strong>et hette faren<br />

kennen. I<strong>ch</strong> glaube, diese kalte Na<strong>ch</strong>t sey an der großen<br />

Teurung, die hierauf erfolgt, eine große Ursa<strong>ch</strong>e gewesen;<br />

denn der Reis hat den Reben nebst allerhand Pflanzungen<br />

ser ges<strong>ch</strong>adet. Der Brä<strong>ch</strong>et fieng si<strong>ch</strong> an etwas milter zu<br />

erzeigen; die liebli<strong>ch</strong>e Sonne fienge an zu s<strong>ch</strong>einen. Jetz<br />

glaubte man, alle S<strong>ch</strong>wirikeitten weren vers<strong>ch</strong>wunden, denn<br />

das Gras wu<strong>ch</strong>s jetz, daß man das fast verhungerte Fi<strong>ch</strong><br />

kontte weiden lassen. Der Himmel war jetzt meiftendeils<br />

heiter und das Wetter angenem; der S<strong>ch</strong>nee auf denen<br />

Bergen fienge an zu s<strong>ch</strong>meltzen, daß eine Freude war;<br />

aber a<strong>ch</strong>, w:r armen Mens<strong>ch</strong>en, anstat daß wir den Se<strong>ch</strong>sten<br />

hatten loben sollen, daß er uns das Gras wa<strong>ch</strong>sen lassen,<br />

fiengen d:e meisten Mens<strong>ch</strong>en an zu klagen wegen der<br />

Hitze und der Dürrung; denn es fieng an trocken zu<br />

werden, und ni<strong>ch</strong>t fast mer zu tauen und wenig zu regnen.<br />

Der Sommer 1595.<br />

I<strong>ch</strong> habe droben erwent, daß es anfieng trocken zu<br />

werden; nun wurde es je lenger je trockener; denn es<br />

hat von Mitte Brä<strong>ch</strong>et bis zu Ende desselben ni<strong>ch</strong>t<br />

mer geregnet. Hätte es ni<strong>ch</strong>t dermaßen getrecknet, so<br />

hätti man dieses Jahr no<strong>ch</strong> später als anno 1770 auf<br />

die Alpen faren kennen; denn desselben Jars sind die


20 Krieg und Teurung<br />

) erst den 16. Heumonat auf die Alp gefarensÄ!«<br />

^ ^ dieselben dieses (Jahr) den 8. ge-<br />

^"dieser Zeit regnete es gar ni<strong>ch</strong>t; der ganze Heumonat<br />

wäre ohne Regen; das Fuhter und die Pflantzen<br />

sahen ser ubel drem wegen der großen Hitze. Jetz stand man<br />

As? ^^artung, denn jederman glaubte, es kente auf<br />

dlse uberaus große Dürrung ein zimli<strong>ch</strong>er Regen und<br />

Ungeuntter komen; do<strong>ch</strong> regnete es gar sitlick der ersten<br />

Tagen :m Augften. Aber das Fuhter wäre seer ^)<br />

(wären) ni<strong>ch</strong>t in unsrem lieben Vatterlande Lebensmittel<br />

gewesen, so hatte man großen Hunger liden mießen- denn<br />

aus andren Landen konnte man bey hoher Straf keine<br />

Lebensmittel bekommen, denn der Krieg hatte si<strong>ch</strong> dermaßen<br />

ausgebreitet, daß die Kriegsflammen rings um<br />

?^S<strong>ch</strong>w<strong>ch</strong>erland zusammens<strong>ch</strong>lugen und man alle Auaenser<strong>ch</strong>tete,<br />

das wietende Feuer werde unser liebes<br />

^<strong>ch</strong>w<strong>ch</strong>erland au<strong>ch</strong> angreifen. Allein unsre ho<strong>ch</strong>wise Ober-<br />

^ war dermaßen fürsi<strong>ch</strong>tig, daß sey die ersten Funken<br />

dempferc und unser kebwertes Vatterland dur<strong>ch</strong><br />

<strong>ch</strong>re wyse Regierung und der Hilfe Gottes bim Friden<br />

^ ^ Ä konnten —, denn der verderbli<strong>ch</strong>e<br />

Kr^ hatte ;etz s<strong>ch</strong>on mer als zwei Jar lang qewert<br />

wel<strong>ch</strong>er an GrausanMt alle vergangene und forigen Krieae<br />

^ ^ Franzosen wolten entweder<br />

alle sterben, oder aber eme fteye Republik verbleiben; —<br />

^ andren Ma<strong>ch</strong>te aber sahen dieses, daß die franzesis<strong>ch</strong>e<br />

lhren Koenlg uns<strong>ch</strong>uldig hingeri<strong>ch</strong>tet hatte, als eine<br />

z:mll<strong>ch</strong>e Krenkung an und woltten denen Franzosen ni<strong>ch</strong>t<br />

gestatten eme freye Republik zu verbleyben. Dieses ma<strong>ch</strong>te,<br />

M sy hart aneinandren setzten und viele Länder und<br />

«tet m Grund verwiestet wurden.<br />

Der Sumer ^94.<br />

I<strong>ch</strong> habe droben erwenet, daß der Frielina dieses Jars<br />

anfangs bls nn Meien trocken wäre; allein der Sumer<br />

wäre seer fru<strong>ch</strong>tbar, denn es wäre fast alle Tage Regen<br />

Fuß^°?M?d°nst°ck°!'' nördli<strong>ch</strong> °°n Sadmen. am<br />

') Hier fehlen vier Seiten im Manuskript.


übers <strong>ch</strong>rv emmung en 21<br />

und Sonnens<strong>ch</strong>ein; das Futter und (die) Pflanzungen<br />

waren über die Maßen s<strong>ch</strong>en und seer s<strong>ch</strong>en gedert; do<strong>ch</strong><br />

im Heumonat fiele ein so starker Regen, wel<strong>ch</strong>er nnt Hagel<br />

vermis<strong>ch</strong>t war, daß die Bä<strong>ch</strong>e an etli<strong>ch</strong>en Orten, sonderbar<br />

im Gadmertal, großen S<strong>ch</strong>aden getan hatten, sonderbar<br />

dem Melker*) Fis<strong>ch</strong>er, dem Joseph Küster und vielen<br />

andren mehr. Dem Andres Byseth, der im Mühkthal<br />

Holtzmeister war, etli<strong>ch</strong>e hundert Klafter Holtz weggetragen,<br />

wel<strong>ch</strong>es teils im Landwasser, und dessen Ufren, teils aber<br />

im teifen Graben und andren Orten von dem vielen<br />

Wasser, wel<strong>ch</strong>es von den Bergen herab stremte, in das<br />

Landwasser getragen, den Rä<strong>ch</strong>en im Mühlithal gebro<strong>ch</strong>en<br />

und das Holtz das Land hinabgetragen. Hierauf bekäme<br />

das Wetter eine gantz andre Wendung, denn anstat Treckne<br />

fiel jetz gar viel Regen. Es stunde zwar das Emd gar<br />

s<strong>ch</strong>en und dermaßen viel, daß es ein großer Luft war,<br />

aber wegen Nässe des Herbstmonats konnte man selbiges<br />

gar s<strong>ch</strong>lä<strong>ch</strong>t einsamlen; do<strong>ch</strong> dessen ungea<strong>ch</strong>tet war das<br />

Fi<strong>ch</strong> gar teur und no<strong>ch</strong> von Tag zu Tag teurer. Der<br />

Preis einer braven Kuh war 8 bis 12 Dublonen, eine<br />

Geis 80 bis 100 Batzen, ein Pferd 20 bis 40 Dublonen.<br />

Der Herbst 1794.<br />

I<strong>ch</strong> habe droben erwenet, daß der Somer anfangs<br />

gar trocken, dahingegen war der Herbst gar naß und unlustig<br />

und konnte man gar kümmerli<strong>ch</strong> Strewy und die<br />

späten Pflanzungen samlen. Alle eßbaren Sa<strong>ch</strong>en waren<br />

theur und ser rar, und fast alle Sonttag drei oder vier<br />

Mandat wegen der Ausfuhr aus miner gnädigen Herren<br />

Landen; denn es wurde außer dem Käs und Wein alles<br />

ohne Unters<strong>ch</strong>eid verbotten, allerhand Isen, alle Erdfri<strong>ch</strong>t<br />

alles Fi<strong>ch</strong>, allerhand Samen, in Summa alles, was man<br />

erdenken kontte wurde (alles) verbotten, ausgenomen Käs<br />

und Wein.<br />

Der Mmtter 179Z. (^94^^95 )<br />

Was dysen Wintter anbelangt, werde i<strong>ch</strong> kirtzli<strong>ch</strong> anzeigen,<br />

daß derselbige über die Maaßen kalt und ru<strong>ch</strong><br />

*) Mel<strong>ch</strong>ior.


22 Teurung. Untergang von Weggis<br />

gewesen. Etli<strong>ch</strong>e haben denselben sogar für den keltisten<br />

dieses Jahrhunderts gehalten; do<strong>ch</strong> hat es ni<strong>ch</strong>t gar viel<br />

ges<strong>ch</strong>neit. In Ansehen des Fuhters ist das Gegenteil erfolgt;<br />

denn im Herbst glaubte man, es werde von Viele<br />

wegen wenig oder gar ni<strong>ch</strong>ts gelten. Aber im Frieling<br />

wurde das Fuhter no<strong>ch</strong> rar und gallte 8 bis 12 Kronen (?).<br />

Die Lebensmittel! waren allezeitt teur und rar. Der landsverderbli<strong>ch</strong>e<br />

Krieg werete unterdessen unaufherli<strong>ch</strong> fort.<br />

Der Drieling 1^95.<br />

Obwoll dieser Wintter ser kalt und ru<strong>ch</strong> gewesen, so<br />

folgete do<strong>ch</strong> wyder Vermuthen ein guter Frieling, daß<br />

man hier im Nessental zu Ende des Aprils Gras hatte.<br />

— Do<strong>ch</strong> fienge es an zu trecknen. Es fiele wenig Regen<br />

und Thau den Meyen dur<strong>ch</strong>, do<strong>ch</strong> fiele zu Ende desselben<br />

ein starker Reif, wel<strong>ch</strong>er den Reben an etli<strong>ch</strong>en Orten sehr<br />

ges<strong>ch</strong>adet; denn derselbige Win wäre s<strong>ch</strong>on das vorige<br />

Jahr teur, diesers Jahr wäre derselbige dermaßen teur,<br />

daß ein Saum Landwein 16 L gälte, derglei<strong>ch</strong>en man<br />

vor diesem ni<strong>ch</strong>t erhert. Der Alpkäs wäre au<strong>ch</strong> teur,<br />

hundert Pfund galten 16 L. Jedo<strong>ch</strong> wäre die Theurung<br />

no<strong>ch</strong> am greßten im Eisen; die S<strong>ch</strong>uhnegel hatten jetz in<br />

zwey Jaren mer denn um den halben Theil aufges<strong>ch</strong>lagen,<br />

in summa: es wäre alles theur. — Das Futter stand<br />

ni<strong>ch</strong>t zum s<strong>ch</strong>eusten, weilen der Mey und Brä<strong>ch</strong>et sehr<br />

getrecknet, der Heumonat dermaßen naß, daß man das<br />

Futter gar s<strong>ch</strong>lä<strong>ch</strong>t einsamlen kennen; den 27. Heumonat<br />

hat es dermaßen geregnet, daß man eine Übers<strong>ch</strong>wemmung<br />

fer<strong>ch</strong>ten mußte; denn das Erdri<strong>ch</strong> fienge an etli<strong>ch</strong>en Orten<br />

an zu bre<strong>ch</strong>en, do<strong>ch</strong> hat das S<strong>ch</strong>nien demselben Einhalt<br />

getan.<br />

Au<strong>ch</strong> ist sehr merkwirdig der s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>e und grawenvolle<br />

Unttergang des Dorfs Weggis am Lutzernersee.<br />

Diesers Dorf wurde samt dem nebst daby liegenden Ertri<strong>ch</strong><br />

von dem überflißigen Regen dermaßen wei<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t,<br />

daß es das Ertri<strong>ch</strong> anfieng zu bre<strong>ch</strong>en und si<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> *) anfieng<br />

zu sinken, also daß selbiges na<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>en Tagen von<br />

dem See auf die grusamste Weyse und s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>ste Art<br />

vers<strong>ch</strong>lungen.<br />

*) Oder: sitli<strong>ch</strong>, allmähli<strong>ch</strong>?


23<br />

Der Augftmonat fienge an, si<strong>ch</strong> etwas liebli<strong>ch</strong>er zu<br />

erzeigen, die liebli<strong>ch</strong>e Sonne fienge an zu s<strong>ch</strong>einen; man<br />

konnte das spete Futter gar guth einsamlen. Das Emd<br />

aber konnte ni<strong>ch</strong>t wol wa<strong>ch</strong>sen, denn es fienge an trocken<br />

zu werden na<strong>ch</strong> Mittem Äugst; den Herbstmonet dur<strong>ch</strong><br />

ist wenig Regen und Thau vom Himel gefallen; es<br />

wäre au<strong>ch</strong> dermaßen trocken und so heiß, daß fast alles<br />

stehende Gras dürr und verstorben wäre und man wunderselten<br />

eine griene Wiese sähe; do<strong>ch</strong> hat man no<strong>ch</strong> im Ansehen<br />

der Herbstweid einen gemeinen Herbst gehabt. Obs<strong>ch</strong>on<br />

alles dür und trocken, so wäre das Wetter ser angenem;<br />

was das Fi<strong>ch</strong> anbelangt, hat man diesen Herbst<br />

ni<strong>ch</strong>t fast darum gehandlet; eine gemeine Meis<strong>ch</strong>en *) galt<br />

20 Kronen, eine Kuh 30; aber das Fuhter wäre theur und<br />

rar; es war fast unmigli<strong>ch</strong> zu bekommen. — Diesen Herbst<br />

hatte ein Knab das Unglick, in der Gadmerfluh zwis<strong>ch</strong>en<br />

der Horlowy Kälen und dem Alpligerftock unterhalb dem<br />

s<strong>ch</strong>warzen Mann herabzufallen, als er daselbst Gitzene<br />

(Zicklein) wegtun wellen. — Es ist diesen Sommer au<strong>ch</strong><br />

ein s<strong>ch</strong>ener junger Gesell in Urba<strong>ch</strong> zum Bergheuen zu<br />

Tod gefallen. — I<strong>ch</strong> Hab droben erwent, daß das<br />

Fuhter theur und rar, zudem hat es jetz no<strong>ch</strong> frie ges<strong>ch</strong>neit;<br />

den 9. Wintermanet hat es den Boden mit S<strong>ch</strong>nee bedeckt<br />

und fienge an, kalt und fast ru<strong>ch</strong> zu werden, daß die<br />

meisten kaum Streuwe sammeln kennen. Jedo<strong>ch</strong> hat es<br />

wenig ges<strong>ch</strong>neit der Zäme na<strong>ch</strong>; aber an wilden Orten<br />

wäre der Winter zimli<strong>ch</strong> ru<strong>ch</strong> und streng; denn es hat<br />

der Zäme na<strong>ch</strong> gar viel geregnet, dargegen es an der<br />

Wilde ges<strong>ch</strong>neit.<br />

Oer Drieling 1^96.<br />

Der Frieling diesers Jahrs ist über die maßen ru<strong>ch</strong><br />

und streng gewesen, denn das Fuhter und die Lebensmittel<br />

waren s<strong>ch</strong>on im Herbst theuer und rar; jetzt aber<br />

wäre gar ni<strong>ch</strong>t migli<strong>ch</strong>, Fuhter zu bekommen, denn der<br />

Mangel war in Ansehen des Fuhters fast allgemein im<br />

Land und äußert Land. Der Centner Fuhter gälte 3<br />

Kronen und no<strong>ch</strong> mehr. Der Frieling war denn no<strong>ch</strong><br />

*) Junges Rind.


24<br />

Ein gutes Jahr<br />

ni<strong>ch</strong>t so streng und kalt als 1793; aber die Noth wäre<br />

viel greßer, denn es Ware der Mangel äußert Landes<br />

no<strong>ch</strong> greßer als hier in unserm Land; die Lebensmittel<br />

waren au<strong>ch</strong> theuer und fast rar; ein Mes Erdäpfel galten<br />

7 bis 8 Batzen, derglei<strong>ch</strong>en man no<strong>ch</strong> vor diesem ni<strong>ch</strong>t<br />

erhert hatte. Das Koren wäre au<strong>ch</strong> theuer; ein Muth<br />

kostete 48 Kronen; darzu wurde dur<strong>ch</strong> ein oberkeitli<strong>ch</strong>es<br />

Mandat verbotten, daß die Becker für einen Kreutzer kein<br />

Brot backen sollten; au<strong>ch</strong> wurde das Pastetenbacken und<br />

Kie<strong>ch</strong>lifeilhaben verbotten. Denn unsere ho<strong>ch</strong>weise Oberkeit<br />

rvere(n)ten dem Mangel dur<strong>ch</strong> Klugheit und Sparsamkeit;<br />

denn aus andren Landen konnte man wegen dem<br />

si<strong>ch</strong> allenthalben ausbreitenden Krieg ni<strong>ch</strong>ts bekommen, als<br />

etwas wenigs Reis.<br />

Oer Sommer 1^96.<br />

Gott unserem Vatter und liebrei<strong>ch</strong>en Erhalter sei Dank<br />

gesagt für die fru<strong>ch</strong>tbaren und angenehmen Zeiten. Kaum<br />

wäre der kalte Frieling zu Ende, so erzeigte si<strong>ch</strong> der<br />

Himmel etwas milter. Es fiele viel fru<strong>ch</strong>tbarer Ragen; das<br />

Fuhter und alle Pflanzungen waren sehr s<strong>ch</strong>en, do<strong>ch</strong> konnte<br />

man das frie<strong>ch</strong>e Fuhter wegen der Nässe ni<strong>ch</strong>t wohl<br />

sammeln. Allein dieses werete ni<strong>ch</strong>t lang, denn um Mitten<br />

Heumonat fienge es an zimli<strong>ch</strong> zu s<strong>ch</strong>onen *). Jedo<strong>ch</strong> fiele<br />

denno<strong>ch</strong> Regen genug. Das Fuhter und alle Pflanzungen<br />

waren über die maßen s<strong>ch</strong>en. Es fiele die Koren Ernd in<br />

meisten Lendren gar gut aus. Das Kohren fienge an abzus<strong>ch</strong>lagen.<br />

Jedo<strong>ch</strong> fiele den 10. Äugst an Kaltenbrunnen<br />

und mehreren Orten ein starker Hagel, wel<strong>ch</strong>er die Bä<strong>ch</strong>e<br />

sehr ungeftiem ma<strong>ch</strong>te, daß selbige an mehreren Orten,<br />

sonderbar in der Fal<strong>ch</strong>eren und der Enden großen S<strong>ch</strong>aden<br />

getan haben, und ganz aus ihren Ufren getreten; allein<br />

fleißige Arbeit wird diesers in kurzer Zeit wieder zure<strong>ch</strong>t<br />

bringen. Das Kohren s<strong>ch</strong>lüge je lenger je sterker ab, ja<br />

es hatte jetz in einem Jahr mehr denn um den halben<br />

Teil abges<strong>ch</strong>lagen. Wegen dem Vie<strong>ch</strong> handelte man eben<br />

ni<strong>ch</strong>t fast, denn man sagte, es werde diesen Herbst gar<br />

nit gelten; do<strong>ch</strong> galten die S<strong>ch</strong>af einen s<strong>ch</strong>enen Preis.<br />

*) Sonnens<strong>ch</strong>ein geben.


Oer Herbst 1^96.<br />

25<br />

Dieser Herbst wäre mittelmäßig warm; das Vie<strong>ch</strong> gälte<br />

einen gemeinen Preis, aber das Kohren wäre sehr wolseil<br />

und das Brot sehr groß.<br />

Vom Mnter 1796.<br />

Dieser Winter wäre sehr angenehm, ja man konnte<br />

ihn allerdings dem 1793 vergli<strong>ch</strong>en.<br />

Oer Drieling 1797.<br />

Die vielen Ges<strong>ch</strong>äfte und stete Arbeit nebst der Geburt<br />

einer To<strong>ch</strong>ter, wel<strong>ch</strong>e mir den 6. April geboren, hatten<br />

mi<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>ermaßen von meinem Vorhaben, die wi<strong>ch</strong>tigsten<br />

Ereignisse meines Zeitalters aufzus<strong>ch</strong>ryben, abgezogen;<br />

allein der s<strong>ch</strong>wierige Zeitpunkt, der jetzt mit vollen S<strong>ch</strong>ritten<br />

herbizunahen s<strong>ch</strong>ien, ma<strong>ch</strong>te die Triebsedren meines Geistes<br />

wieder dermaßen rege, daß i<strong>ch</strong> wieder anfieng, mein Werk<br />

fortzusetzen. Na<strong>ch</strong>dem jetzt die französis<strong>ch</strong>en Waffen allenthalben<br />

den Sieg behalten, denn der General! Buonaparte<br />

hatte diesers Jahr fast das ganze Ittalier Land der franzesis<strong>ch</strong>en<br />

Republik unterwirfig gema<strong>ch</strong>t. Au<strong>ch</strong> dem heiligen<br />

Vatter zu Rom ein große Kontrabution aufgelegt, wel<strong>ch</strong>e<br />

mehr denn zweihundert Zentner Gold betrüge; au<strong>ch</strong> verwerte<br />

er die Republik Venedig, au<strong>ch</strong> fierte er zu Genua<br />

die franzesis<strong>ch</strong>e Konstitution ein, worüber die vier gemeinen<br />

eidgeneßis<strong>ch</strong>en Landvogteien enert dem Gotthart, als nemli<strong>ch</strong><br />

Lowis, Lugaris, Mendreis und Meintall, au<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>ermaßen<br />

aufgebra<strong>ch</strong>t wurden, jasogar, daß der Landmeyor<br />

Wurstemberger nebst andren eidgeneßis<strong>ch</strong>en Gesandten im<br />

Monat Mey dahin reisten und dieselbigen wiederum beruhigten.<br />

Allein diesers werete ni<strong>ch</strong>t lange, denn die<br />

Franzosen hatten si<strong>ch</strong> allem Ansehen na<strong>ch</strong> vorgesetzt, das<br />

S<strong>ch</strong>witzerland au<strong>ch</strong> zu gewinnen und fiengen an, ihr Spill<br />

zu treiben und den Samen der Zwiytra<strong>ch</strong>t im S<strong>ch</strong>witzerland<br />

zu säien. Au<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>ten sie den Eidgenossen den Auftrag,<br />

daß sie den englis<strong>ch</strong>en Gesandten von Beren sollten<br />

wegs<strong>ch</strong>icken. Diesers ges<strong>ch</strong>ähe den 11. Winmonat 1797.<br />

Anstatt aber daß man jetzt hoffte, die Franzosen sollten


26<br />

Franzosen in der Waadt<br />

etli<strong>ch</strong>ermaßen befriedigt sein, wurden (sie) jetzt erst aufgebra<strong>ch</strong>t,<br />

ihre Forderungen ho<strong>ch</strong> zu spannen, denn sie glaubten,<br />

weilen sie den englis<strong>ch</strong>en Ambasstdoren auf Begehren der<br />

Franzosen wegges<strong>ch</strong>ickt, so kennten sie ,etzt den Eidgnossen<br />

befehlen, was sie wollten; denn die Franzosen befahlen<br />

jetzt den Eidgenossen, alle emigrierten und deportierten<br />

Franzosen wegzus<strong>ch</strong>icken, wel<strong>ch</strong>es au<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ähe, Jetz fwngen<br />

die Franzosen an, die wels<strong>ch</strong>en Berner nnt aller Ma<strong>ch</strong>t<br />

geqen die theuts<strong>ch</strong>en zu verhetzen; au<strong>ch</strong> su<strong>ch</strong>ten sie die Stadt<br />

Beren mit Verräterey zu gewinnen. Diesers ges<strong>ch</strong>ah zu<br />

Ende des Jahrs 1797.<br />

Vom ?akr 1/98.<br />

Der fatal Zeitpunkt rückte je länger, je näher; die<br />

sieghaften Franzosen waren je länger, je unruwiger;<br />

fingen an, ihre Truppen gegen die Grenzen des S<strong>ch</strong>weitzerlandes<br />

anrücken zu lassen, sonderbar (besonders) gegen<br />

den Genfersee. Die wels<strong>ch</strong>en Berner, wel<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>on langst<br />

auf eine bequeme Zeit gewartet, um das Jo<strong>ch</strong> der Stadt<br />

Bern abzuwerfen, glaubten, daß es jetzt eben die re<strong>ch</strong>te<br />

Heit wäre, ihre s<strong>ch</strong>on längst gefaßte Resolution auszufuhren,<br />

qriffen s<strong>ch</strong>nell zu denen Wasen und verweben alle regierenden<br />

Landvögte in dem ganzen wels<strong>ch</strong>en Berngebiet,<br />

an der Zahl zwölf. Die Franken sumten si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t lange,<br />

namen also ohne den geringsten Widerstand das ganze<br />

Wels<strong>ch</strong>land ein und strömten wie eine Wasserflut bis gen<br />

Murten. Die Herren von Bern sahen dieses alles ni<strong>ch</strong>t<br />

gli<strong>ch</strong>giltig an, versamleten ihr Heer so ges<strong>ch</strong>wind sie immer<br />

mo<strong>ch</strong>ten, trafen alle Anstalten zu einer verzweifleten<br />

Gegenwehr. Es wurden beide Grenadier-, beide Musgetier-<br />

Eompagneien, au<strong>ch</strong> die Jeger und Kanonier s<strong>ch</strong>on im<br />

Jenner von Oberhasli abgerufen; und ob au<strong>ch</strong> d^<br />

Herren von Bern s<strong>ch</strong>on bitli<strong>ch</strong> die andren Kanton au<strong>ch</strong><br />

ersu<strong>ch</strong>ten, ihnen zu Hilfe zu ilen, ma<strong>ch</strong>ten selbige allerhand<br />

Einwendungen, als nemli<strong>ch</strong>: daß dieser Krieg nur<br />

die Berner angehe; weillen es nur etwas Streits zwis<strong>ch</strong>en<br />

den teuts<strong>ch</strong>en und wels<strong>ch</strong>en Bernern sey, greifen ste ni<strong>ch</strong>t<br />

zu denen Waffen; wenn aber die Franzosen die S<strong>ch</strong>weiz<br />

angreifen, alsdann werden sie au<strong>ch</strong> zu denen Waffen<br />

greifen. Dieses Kru<strong>ch</strong>ten die andren Stände zu emem


Uneinigkeit der Eidgenossen 27<br />

Fürwort, denn das S<strong>ch</strong>weizerland war wirkli<strong>ch</strong> angegriffen,<br />

weilen die Franzosen das wels<strong>ch</strong>e Berngebiet<br />

jetzt s<strong>ch</strong>on mit Truppen besetzt hatten. Die Bürger von<br />

Züri<strong>ch</strong>, als der größte und ri<strong>ch</strong>ste Stand na<strong>ch</strong> Bern,<br />

wollten zwar geren helfen; allein die Landleute von<br />

Züri<strong>ch</strong> wollten si<strong>ch</strong> darin gar ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>icken; denn die<br />

Beleidigungen, wel<strong>ch</strong>e vor zweyen Jahren denen Landleuten<br />

von Züri<strong>ch</strong> von einer Stadt Bern widerfahren,<br />

waren ihnen no<strong>ch</strong> in fris<strong>ch</strong>er Gedä<strong>ch</strong>tnus. Denn als die<br />

drey Gemeinden Horgen, Stefen und Kisna<strong>ch</strong>t in etwas<br />

Streit und Unwillen wegen ihren alten Freiheiten gegen<br />

denen Bürgren und Ratsherren von Züri<strong>ch</strong> gestanden,<br />

daß selbige beynahe beiderseits zu denen Wasen gegriffen,<br />

hat die Stadt Bern si<strong>ch</strong> darin gemis<strong>ch</strong>t und die Landleut<br />

sehr helfen unterdrücken und beleidigen. Diesers wäre<br />

jetzt für die Zür<strong>ch</strong>er ein gewüns<strong>ch</strong>ter Zeitpunkt, daß nemli<strong>ch</strong><br />

die Franken dem Stande Bern mit Krieg drohten;<br />

denn sie fordreten jetzund von der Stadt Bern Genugtuung<br />

wegen der Beleidigung. Au<strong>ch</strong> fordreten selbige<br />

von ihrer Oberkeit alle ihre Privilegien und alte Freyheit<br />

wieder; au<strong>ch</strong> sollten alle die, so si<strong>ch</strong> von denen drey<br />

Gemeinden gefli<strong>ch</strong>tet, wieder in das Land gerufen und<br />

die, wel<strong>ch</strong>e die Bürger von Züri<strong>ch</strong> gefangen und in der<br />

Stadt ganz unehrli<strong>ch</strong> gehalten, auf freien Fuß stellen,<br />

au<strong>ch</strong> alle Strafen an Geld und Gut wieder geben. Der<br />

Rat von Züri<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>te hierüber zwar allerley Vorstellungen<br />

und su<strong>ch</strong>ten die Buren mit guten Worten zu<br />

befriedigen. Allein diesers wollte ni<strong>ch</strong>t angehen, denn der<br />

Freyheitss<strong>ch</strong>windel wu<strong>ch</strong>s jetz alle Tag, ja sogar, daß<br />

man zu Horgen den franzesys<strong>ch</strong>en Freyheitsbaum offenli<strong>ch</strong><br />

aufstellte und alle die, wel<strong>ch</strong>e nur ein gutes Wort für<br />

die Oberkeit redten, auf das ergste mishandleten und die<br />

Ratsdeputierten, wel<strong>ch</strong>e aus der Stadt kamen um die<br />

Landleuth zu begietigen, wieder mit Steinen in die Stadt<br />

jagten. Jetzt standen die Bürger von Züri<strong>ch</strong> in der<br />

greßten Verlegenheit, denn in ihrem Land herrs<strong>ch</strong>ete<br />

Gerung und greßte Unordnung; zu dem kam ein Eilbote<br />

na<strong>ch</strong> dem andren von Bern und batten fle<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> um<br />

s<strong>ch</strong>linige Hilfe. Zwis<strong>ch</strong>en diesen Dingen gingen die Sa<strong>ch</strong>en<br />

HU Basel ni<strong>ch</strong>t besser, den selbige kamen mit ihren<br />

Untertanen au<strong>ch</strong> in Misverstendnus, daß der Stadt


28<br />

Zwietra<strong>ch</strong>t und Empörungen<br />

getrungen wurde, die Regierung etli<strong>ch</strong>ermaßen abzuendren<br />

und den Eidgenessis<strong>ch</strong>en Bundesbrief von gemeinen E:danossen<br />

herusfordreten. Diesem bösen Exempel folgete<br />

S<strong>ch</strong>affhausen bald na<strong>ch</strong>. Neuenburg ergrtff d:e<br />

Neutralität; Biel wäre wirkli<strong>ch</strong> von französis<strong>ch</strong>en Truppen<br />

besetzt; Wallis hatte mit si<strong>ch</strong> selbst zu thun, denn dre<br />

Untren oder wels<strong>ch</strong>en Walleser, wel<strong>ch</strong>e von den Obren<br />

oder teuts<strong>ch</strong>en Walsren beherrs<strong>ch</strong>t wurden, wollten au<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t mehr gehorsam seyn. — Die Untterwaldner<br />

bezeigten wenig Luft zum Krieg, weillen selbige von dem<br />

Stande Bern im Herbst 1794 etli<strong>ch</strong>ermaßen beleidiget<br />

worden, weil sie ihnen feillen Kauf abges<strong>ch</strong>lagen; —<br />

Glaris hatte au<strong>ch</strong> keine Zeit, si<strong>ch</strong> in diesen Krieg zu<br />

mis<strong>ch</strong>en; denn die Katholis<strong>ch</strong>en und Evangelis<strong>ch</strong>en — denn<br />

der Stand Glaris bestand von beyderley Glauben*) —<br />

diese waren in großer Zweytra<strong>ch</strong>t, ja sogar, daß selbige<br />

droheten, gegen einandren die Wafen zu ergrifen.<br />

Luzern, Ury und S<strong>ch</strong>wytz kamen zwar zu Hylfe,<br />

aber sehr leu (lau) und langsam. — Diesers Alles mo<strong>ch</strong>te<br />

denen Franzosen im geringsten ni<strong>ch</strong>t verborgen blyben<br />

— und ob man s<strong>ch</strong>on wol sehen konnte, daß die S<strong>ch</strong>weitz<br />

wegen der innerli<strong>ch</strong>en Empörung keinen ernsthaften Widerstand<br />

thun konnte, so versamleten do<strong>ch</strong> die Franken zwey<br />

ansehnli<strong>ch</strong>e Kriegsheer von den allerauserlesensten Kriegern,<br />

das eine bey der Stadt Biel, das zweyte bey dem Stedtli<br />

Milden, unseren von der Stadt Murten. Jetz lag aller<br />

Last des Kriegs auf dem Stande Bern, wel<strong>ch</strong>e jetz ihre<br />

Truppen bis zu der Stadt Murten vorrücken ließe, au<strong>ch</strong><br />

die Stadt Murten besetzten und si<strong>ch</strong> anfiengen zu vers<strong>ch</strong>antzen.<br />

— Jetz s<strong>ch</strong>yne es, die Ra<strong>ch</strong>egetter haben der<br />

Stadt Bern den wahren Untergang ges<strong>ch</strong>woren denn<br />

es entstand jetz in der Stadt Aar au im Berngebiet eine<br />

fer<strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>e Emperung, ja sogar, daß die Aarauer den<br />

Freiheitsbaumb aufstellten. — Die Bürger von Bern<br />

s<strong>ch</strong>ickten den Herren von Beuren, selbige wyder zum Gehorsam<br />

zu bringen, wel<strong>ch</strong>er mit etli<strong>ch</strong>en Draguner S<strong>ch</strong>waderohnen<br />

und etwas Fußvolk vor die Stadt Aarau ruckte<br />

*) Seit 1683 hielten beide Konfessionen ihre besonderen<br />

Landsgemeinden. Die Katholiken tagten in S<strong>ch</strong>neymgen bei<br />

Näfels.


Berns Rüstungen zur Gegenwehr 29<br />

und die von Aarau mit Ungestiem wieder zum Gehorsam<br />

bra<strong>ch</strong>te. Es haben si<strong>ch</strong> aber die fürnemsten von denen<br />

Redelsfierern fli<strong>ch</strong>tig gema<strong>ch</strong>t. — Zwis<strong>ch</strong>en diesen Dingen<br />

wurden die Vyrger von Ziry<strong>ch</strong> mit ihren Unttertanen<br />

etli<strong>ch</strong>ermaßen versient, daß selbige dem Stande Bern<br />

zwey Dusend und fünf hundert Mann Hilfstruppen<br />

s<strong>ch</strong>ickten, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> bei dem Stedtli Nidau postierten.<br />

Jetz hatte man no<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>ermaßen Hoffnung, das Vatterland<br />

kennte viellei<strong>ch</strong>t behauptet werden; denn man Hoffete,<br />

es kennten mehrere Stende dem rühmli<strong>ch</strong>en Beyspiell der<br />

Zir<strong>ch</strong>er na<strong>ch</strong>folgen und si<strong>ch</strong> gegen einandren versienen, wie<br />

vormals die zwey edle grie<strong>ch</strong>es<strong>ch</strong>en Haubtleuth Arysteides<br />

und Temistoklis au<strong>ch</strong> getan haben, als dieselben von den<br />

Persren mit Krieg überzogen — denn die Franzosen<br />

tonnten no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t die ganze Kriegsma<strong>ch</strong>t gegen das<br />

S<strong>ch</strong>weizerland anrucken lassen, weilten die Franzosen und<br />

Engellender no<strong>ch</strong> in einem fer<strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>en Krieg mit<br />

einandren verwicklet waren, denn es wollten weder die<br />

Franzosen no<strong>ch</strong> Engellender na<strong>ch</strong>geben. — Die Ratsherren<br />

von Bern versäumten Ni<strong>ch</strong>ts, si<strong>ch</strong> zur Gegenwehr zu<br />

stellen; aber der mehrere Teil von denen Byrgren waren<br />

dermaßen von dem Freyheitss<strong>ch</strong>windel angesteckt, daß<br />

selbige dermaßen wider einandren kamen, daß man<br />

si<strong>ch</strong> fer<strong>ch</strong>ten mußte, das Kriegsseur werde zuerst in<br />

der Stadt Bern seine verherenden Flammen erzeigen. —<br />

Anstatt aber, daß man gehofft hatte, die Eidgnossen<br />

kennten no<strong>ch</strong> versienet werden, so erfolgte jetz leider das<br />

Gegenteil; darzu kam no<strong>ch</strong>, damit die. Verlegenheit vollkommen<br />

wurde, Mistrauen und die greßte Verwirrung<br />

untter denen Truppen des Standes Bern. Denn die<br />

bernis<strong>ch</strong>en Truppen waren greßtenteils unverftendige<br />

Bursleuth, die Offizier aber meistens Birger von Bern;<br />

diese hatten etwas mehr Kenntnus von dem Kriegen als<br />

die Buren, denn die Bursleuthe wollten die Franzosen<br />

mit Ungestiem angreifen, denn ihnen wäre ihre kleine<br />

Anzahl von den Haubtleuthen auf das sorgfältigste verborgen;<br />

denn die Haubtleuthe wußten gar wol, wenn<br />

denen Soldaten ihre kleine Anzahl bekannt wäre, daß<br />

selbige kleinmietig und verzagt würden, ja sogar in Sorgen<br />

stunden, sie könnten sogar wieder heim ziehen. Die Haubtleuth<br />

su<strong>ch</strong>ten alle Findseligkeiten auf das sorgfeltigste zu


30 Mißtrauen der Truppen. Erste Gefe<strong>ch</strong>te<br />

verhieten, denn die Unterhandlungen zwis<strong>ch</strong>en der Republik<br />

Frankri<strong>ch</strong> und der Stadt Bern waren no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gantz<br />

abgebro<strong>ch</strong>en und die Hoffnung zu der Wiederherstellung<br />

des Frydens no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gentzli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>wunden.<br />

Unsere Truppen^) standen zwis<strong>ch</strong>en diesen Dingen<br />

ruhwig bey dem Stedtli Murten und waren über den<br />

Verzug sehr misvergniegt; denn sie meinten, ihrer Haubtleuthen<br />

Sorgfeltigkeit (sei) Zagheit und For<strong>ch</strong>t, der Verzug<br />

aber — Verretterey und Fals<strong>ch</strong>heit. — Zwis<strong>ch</strong>en<br />

diesen Dingen neigte si<strong>ch</strong> der Wafenstilstand zum Ende.<br />

Die Franken ließen ihre Truppen in einer Na<strong>ch</strong>t gegen<br />

Freyburg und Solenturen vorrucken. Freyburg wurde<br />

mit lie<strong>ch</strong>ter Miehe erobret; bey Soloturen aber wäre<br />

das Gefe<strong>ch</strong>t etwas hartnekig; ni<strong>ch</strong>tsdestoweniger wurde<br />

Soloturen au<strong>ch</strong> erobret. Es stunde bey Soloturen ein<br />

Vatalion Oberlender, von Untersewen und Grindelwalt,<br />

wel<strong>ch</strong>e von dem Obrist Wurftenberger angefiert wurden;<br />

diese haben in dem Gefe<strong>ch</strong>t starck geliten. — Diese Begebenheit<br />

wäre für die Truppen, wel<strong>ch</strong>e bey Murten<br />

stunden, von großer Wi<strong>ch</strong>tigkeit, denn sie stunden in Gefar,<br />

daß sie me<strong>ch</strong>ten umringet werden von denen Franken,<br />

wel<strong>ch</strong>e bey Freyburg stunden. Jetz war gutter Rath deur,<br />

denn die Buren um Murten weigreten si<strong>ch</strong>, unsere Truppen<br />

abziehen zu lassen. Allein der Ents<strong>ch</strong>luß mußte s<strong>ch</strong>leinigft<br />

gefaßt sein, ob man abziehen oder si<strong>ch</strong> von denen Franken<br />

umringen lassen (wolle); allein sie verließen Murten und<br />

riterrierten bis Gimenen, zwey Stund von Murten. —<br />

Jetz wurde der Ruf der Verretterrei algemein; au<strong>ch</strong><br />

standen die Haubtleuth in greßter Gefar, ers<strong>ch</strong>ossen zu<br />

werden'). Denn die Lage auf dem Gimenenstutz, wo<br />

unsere Felker ihr Lager hatten, wäre von Natur sehr<br />

') Die von Oberhasli.<br />

2) Oberstleutnant von Wattenwyl s<strong>ch</strong>rieb am 3. März von<br />

Gümmenen an den Kriegsrat in Bern: Heute nehme die Unruhe<br />

unter seinen Truppen mä<strong>ch</strong>tig zu; sie brennen vor Begierde,<br />

gegen die Franzosen vorzurücken, aber die Sendung eines Parlamentärs<br />

zu General Brune erwecke den Glauben, sie werden<br />

si<strong>ch</strong> weiter zurückziehen müssen. „Der Ruf ist allgemein unter<br />

den Soldaten, daß man sie verkauft habe und daß keine Regierung<br />

mehr existiere." Ein großer Teil sei mit Gepäck- und<br />

Ges<strong>ch</strong>irrwagen und Pferden ohne Erlaubnis weggezogen. —<br />

Strickler, Akten I, Nr. 963.


Grauholz 31<br />

fest, ja sogar unuberrvintli<strong>ch</strong>. Diesers wäre denen Franken<br />

unverborgen. Ni<strong>ch</strong>tsdestoweniger droheten die Franken,<br />

diesen Posten zu bestirmen, aber nur unter dem S<strong>ch</strong>ein,<br />

damit si<strong>ch</strong> unsere Truppen daselbst stillhalten miesten und<br />

denen, wel<strong>ch</strong>e auf der Solenturren Straße postiert waren,<br />

keine Hilfe leisten konnten. Denn die Franken hatten ihre<br />

sterkeste Kriegsma<strong>ch</strong>t auf die Solenturenstraße geri<strong>ch</strong>tet;<br />

au<strong>ch</strong> stand ein Heer bey Freyburg und Laupen. Bey<br />

Gimenen wäre ni<strong>ch</strong>t mer Volk von denen Franken, als<br />

dasselbige unsere Truppen aufhalten konnten. — Zwis<strong>ch</strong>en<br />

diesen Dingen entstünde ein hitziges Gefe<strong>ch</strong>t di<strong>ch</strong>t an dem<br />

Stedtli Laupen; die Franken aber wurden mit Verlust<br />

zurückgetriben. Es wäre bey diesem Gefe<strong>ch</strong>t eine Kompagney<br />

von Oberhasli, allein es wurde kein Man davon<br />

weder verwundet no<strong>ch</strong> gededet.<br />

Jetz entlarfete sy<strong>ch</strong> das S<strong>ch</strong>icksall s<strong>ch</strong>nell. Montags<br />

den 5. Merz wurden die Berntruppen, wel<strong>ch</strong>e an der<br />

Syl (?) stunden, von der französis<strong>ch</strong>en Armee mit sol<strong>ch</strong>er<br />

Wuth angegryfen, daß dieselben si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> einer kurzen<br />

Gegenwer in die Flu<strong>ch</strong>t begaben. Der Generali Erla<strong>ch</strong>,<br />

wel<strong>ch</strong>er die Bernertruppen daselbst komendierte, date auf<br />

diesem unglickli<strong>ch</strong>en Tage zwar alles, was man von<br />

einem erfarnen und einsy<strong>ch</strong>tsvollen Man nur fordren<br />

konte, denn er hat si<strong>ch</strong> mit etli<strong>ch</strong>en wenigen Truppen<br />

zum finften male gegen den finden gewendet, au<strong>ch</strong> viele<br />

derselben gededet; do<strong>ch</strong> dessen ungea<strong>ch</strong>tet mußte er der<br />

Uberma<strong>ch</strong>t stets wei<strong>ch</strong>en. Den weilen sein Heer blos aus<br />

einseitigen ungeiebten Buhren bestünde, wel<strong>ch</strong>e in aller<br />

Verzweiflung s<strong>ch</strong>arenweyse von ihme flohen, hat er sie<br />

do<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> stets gebetten, der Stadt Veren gemeinen Nutz<br />

ni<strong>ch</strong>t auf eine so strafbare Weise zu verlassen. Denn er<br />

hat oftmals mit lutter Stimme gerufen: seine Felker<br />

sollen ine do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t verlassen, denn es seye no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

alles verloren. Die Verzweiflung hatte sie aber dergestalten<br />

getrofen, daß sie keiner Vermanung Geher gaben und<br />

ihn greßtentheils auf eine strafbare gotlose Weise verließen.<br />

Zu dem wäre jetz no<strong>ch</strong> dieser Unfal darzu komen:<br />

als er jetz seyne Felker auf dem Breittenfelde zune<strong>ch</strong>st<br />

vor der Stadt Beren in S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tordnung stelte, wurde<br />

von denen berner Kanonier auf der Flange eine Vaterey<br />

erri<strong>ch</strong>tet, und weillen Alles in Verwirrung wäre, sähe


32<br />

Neuenegg<br />

der Generall Erla<strong>ch</strong> dieselben für Franken an. Jetz sähe<br />

er die Sa<strong>ch</strong>en für verloren an, denn die sranzesis<strong>ch</strong>en<br />

Reiter hatten ihn beynahe umringet, au<strong>ch</strong> einer von seynen<br />

Dieneren wurde ihm an der Seiten ers<strong>ch</strong>ossen. Jetzt mußte<br />

er si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ents<strong>ch</strong>ließen zu fliehen. — Dieser unglickli<strong>ch</strong>e<br />

Man hatte vorher seine Frau und Kinder na<strong>ch</strong> Unttersewen<br />

gebra<strong>ch</strong>t, denn die Verner hatten allerhand Kriegsmunition,<br />

au<strong>ch</strong> allerhand Lebensmittel und Geld na<strong>ch</strong><br />

Unttersewen als einem Verhaften Orte gebra<strong>ch</strong>t; die Verner<br />

glaubten, si<strong>ch</strong> daselbst no<strong>ch</strong> zu behaubten, denn daselbsten<br />

waren zwey große Stuck, au<strong>ch</strong> eine unzälbare Menge<br />

Flinten, in Summa, allerhand, was man im Kriege<br />

bru<strong>ch</strong>t. — Dahin wolte dieser unglickli<strong>ch</strong>e Man jetz<br />

fliehen. —<br />

Es ginge bey Neuenegg auf der Straße, wel<strong>ch</strong>e gegen<br />

Freyburg fieret, diesen Tag au<strong>ch</strong> sehr hitzig. Die bernis<strong>ch</strong>en<br />

Trupen, wel<strong>ch</strong>e daselbst postiert und von einem Herren<br />

von Grafenried angefiert wurden, gryfen die Franken mit<br />

Ungestiem an. Die Berner mußten si<strong>ch</strong> ungea<strong>ch</strong>t ihrer<br />

Gegenwer zurückziehen; ihnen wurden 18 Kanonnen abgenommen.<br />

Der Her von Grafenried rit na<strong>ch</strong> diesem<br />

Trefen in die Stadt Beren und begert fris<strong>ch</strong>e Stuck und<br />

Trupen; ihme wurden au<strong>ch</strong> 3 Stuck und etli<strong>ch</strong>e Compagneien<br />

gegäben. Mit diesem Volk samlete er die Trimer<br />

von seinen Trupen, wel<strong>ch</strong>e ihm die Franken am Morgen<br />

zerstreut hatten. Jetz ftelte er seine Trupen in S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tordnung,<br />

griffe die Franken mit sol<strong>ch</strong>er Wuth an, daß<br />

dieselben anfiengen zu wei<strong>ch</strong>en, ja sogar eine s<strong>ch</strong>entli<strong>ch</strong>e<br />

Flu<strong>ch</strong>t ergrifen, daß sie alle ihre Kanonen nebst denen,<br />

wel<strong>ch</strong>e selbege am Morgen denen von Beren abgenomen<br />

hatten, im Sti<strong>ch</strong> ließen. Allein kaum war das Gefe<strong>ch</strong>t<br />

zu Ende, und der Sig mit Bluth erkauft, so käme die<br />

trurige Zeitung — die Franken haben das bernis<strong>ch</strong>e Heer<br />

auf der Solenturenftraß im Grawholz genzli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>lagen<br />

und seye das sighafte Heer der franzesis<strong>ch</strong>en Reppuplic<br />

triumphierend in die Stadt Beren eingezogen. — Unsere<br />

Truppen standen zwis<strong>ch</strong>en diesen Dingen fast ruhwig auf<br />

Giminen; eine matte Eanonade wäre Alles, was da<br />

vorgegangen. Als ihnen aber die trurige Zeittung zu<br />

Ohren komen, daß die Stadt Beren albereit verloren,<br />

hat die Truppen von Oberhasli, wel<strong>ch</strong>e bey vorgemelttem


Erla<strong>ch</strong>s Ermordung 33<br />

Gimenen stunden, eine dermaßen große For<strong>ch</strong>t und Verzweyflung<br />

dur<strong>ch</strong>trungen — ni<strong>ch</strong>t nur die einfeltrgen und<br />

unerfarnen Bauren, sondern au<strong>ch</strong> die Haubtleuth und<br />

Byrger von Bären waren no<strong>ch</strong> am meisten verzagt, denn<br />

alle glaubten, wan seye jetz von dänen Franzosen, von<br />

wel<strong>ch</strong>en man jetz gäntzli<strong>ch</strong> umringet, gefangen wirden, so<br />

Wirde man an Ketten gebunden und na<strong>ch</strong> Engellande<br />

ges<strong>ch</strong>lept werden; — fiengen also an, in aller Unornung<br />

zu fliehen. Etli<strong>ch</strong>e kamen berubt, etli<strong>ch</strong>e unberubt, do<strong>ch</strong><br />

alle fris<strong>ch</strong> und gesund wieder na<strong>ch</strong> Oberhasli.<br />

Zwis<strong>ch</strong>en diesen Dingen allen wurde der Landsturm<br />

allenthalben ausgerufen. Die Stam-Eomppagneien aus<br />

dem Oberland eilten na<strong>ch</strong> Beren in einer großen Raserey,<br />

denn sie hatten au<strong>ch</strong> Heren sagen, daß alles verreteris<strong>ch</strong><br />

zugienge, wel<strong>ch</strong>es das dumme Pepelvolk mit Freuden<br />

glaubte, ni<strong>ch</strong>t einmal an die große Ma<strong>ch</strong>t der Franken<br />

und an die Verwirrung der Eidgnoßen denkend — das<br />

Land hinabzogen; spra<strong>ch</strong>en viel von ihren beistehenden<br />

Heldendaten, denn ihnen wäre no<strong>ch</strong> unbekant, was diesen<br />

Tag im Grawholtz vorgegangen, und daß nemli<strong>ch</strong> das<br />

berneris<strong>ch</strong>e Heer genzli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>lagen, wegen der großen<br />

Verwirrung no<strong>ch</strong> verborgen. Waren allso bis Minsigen<br />

das Land hinab mars<strong>ch</strong>iert hier begegnete ihnen der<br />

unglikli<strong>ch</strong>e General von Erla<strong>ch</strong>, wel<strong>ch</strong>er selbege mit disen<br />

Worten anredete: „Ihr, Leuthe, — i<strong>ch</strong> bin der Mann,<br />

von wel<strong>ch</strong>em man saget, er sey ein Verrether des Vatterlandes;<br />

— aber der Himmel soll Zeuge sein, daß sol<strong>ch</strong>es<br />

ni<strong>ch</strong>t war ist, denn mein Hertz brennet in meinem Leibe<br />

für die Liebe zum Vatterland" — kaum hatte er diese<br />

Worte geredet, so wurde er von dem gottlosen Bepelvolk<br />

ab dem Pfert gezert und auf eine unmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e, gottlose<br />

Weise gemartret und gedetet, wel<strong>ch</strong>es denen von Oberhasle,<br />

wel<strong>ch</strong>e die greßte S<strong>ch</strong>ult an seinem Dote gewesen,<br />

eine ewige S<strong>ch</strong>ande ist. Hier kan man sehen, wie es gehet,<br />

wenn das blinde Pepelfolk ni<strong>ch</strong>t mehr im Zume zu halten<br />

ist. — Denn were der General von Erla<strong>ch</strong> ein Verreter<br />

gewesen, wie ihn seine Misgenner verlemdet, — wofir<br />

were er denn ni<strong>ch</strong>t auf dem Breitenselde, alwo er von<br />

denen Franken beynahe umringet gewesen, hmuber gegangen?<br />

— Kaum hatten unsere Stam Eompagneien<br />

diese Helden Dat an dem uns<strong>ch</strong>uldigen General vollbra<strong>ch</strong>t,<br />

v. Weißenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>.


34 Der Oberländer Landsturm<br />

so kamen jetz die Granedier und Musgetier Compagneien,<br />

wel<strong>ch</strong>e, wie vor geda<strong>ch</strong>t, auf Gymenen gelagret waren,<br />

au<strong>ch</strong> sü<strong>ch</strong>tig daher; denn die Franken haben dieselben<br />

ni<strong>ch</strong>t gefangen genomen, sondern nur berubt und den<br />

(alsdann) gehen lassen. Diese verkindigeten ihnen jetz, daß<br />

die Berner genzli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>lagen, au<strong>ch</strong> die Stadt Beren<br />

wirkli<strong>ch</strong> von französis<strong>ch</strong>en Truppen besetzt seye. Hieruber<br />

wurden die Stam Compagneien seer beftürtzt, kerenten<br />

also wider na<strong>ch</strong> Hasli zuruck, denn sie glaubten, jetz viel<br />

ausgeri<strong>ch</strong>tet zu haben, daß sey den uns<strong>ch</strong>uldigen General<br />

auf eine mei<strong>ch</strong>elmerderris<strong>ch</strong>e Weise umgebra<strong>ch</strong>t hatten. —<br />

I<strong>ch</strong> kann hier ni<strong>ch</strong>t ubergehen, eine seer lä<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong>e<br />

Begebenheit zu melden, wel<strong>ch</strong>e denen Stam Compagneien<br />

auf diesen Tag begegnet ist. Denn als die Stam Compagneien<br />

jetz zuruck gekert, haben selbege allen Muthwillen<br />

getnben, au<strong>ch</strong> in allen Wirtsheusren tapfer getrunken und<br />

anstadt der Bezalung den Myrten s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Wort angeboten.<br />

Käme diesers Lumpengesindel auf Thun, kereten<br />

im Freienhofe ein und gaben dem Wirt zu verstehen,<br />

daß er ihnen ohne Gelt zu trinken geben sollte. Der<br />

listege Wirt sagte, er welle diesers gar gären, allein<br />

dieweil es no<strong>ch</strong> frü<strong>ch</strong> und sey no<strong>ch</strong> greßtendeils nie<strong>ch</strong>ter,<br />

wolle er ihnen zuerst einen Trunk Kafe ma<strong>ch</strong>en, damit<br />

seye ni<strong>ch</strong>t krank werden. — Gienge also zur Tür hinaus<br />

und beredete einen von seinen Kne<strong>ch</strong>ten. Der käme und<br />

geberdete si<strong>ch</strong> als ob ihm seer Angst were, sprang mit<br />

bloßem Haubt m die Gaststube, wo unsere Helden mit<br />

Verlangen auf den Kafe wartenten und fienq an zu<br />

s<strong>ch</strong>reien. „Ahr Lenthe, fliehet, o Jesu, Dehet! denn es<br />

komt em S<strong>ch</strong>waderohn franzesis<strong>ch</strong>e Reuter daher sprengen,<br />

wel<strong>ch</strong>e alles gefangen nemen und teden." Aber jetz wolten<br />

unsere Helden ni<strong>ch</strong>t lange auf den Kafe warten, sondern<br />

sprangen in aller Jhle zur Dür hinaus und begerten<br />

ni<strong>ch</strong>t meer umsonst zu trinken, riterierten na<strong>ch</strong> Untersewen,<br />

driben daselbsten allen Mutwillen, s<strong>ch</strong>emten si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t,<br />

dem Haubtman Mi<strong>ch</strong>el den Wein, wel<strong>ch</strong>en sey ni<strong>ch</strong>t saufen<br />

mo<strong>ch</strong>ten, in Keller laufen zu lassen; denn ob da sy<strong>ch</strong><br />

jetz s<strong>ch</strong>on viel Haubtleuth und Osezier versamlet hatten,<br />

vermo<strong>ch</strong>ten dieselben den Pebel ni<strong>ch</strong>t zu stillen. Jedo<strong>ch</strong><br />

wurde no<strong>ch</strong> Kriegsrat gehalten, ob man sy<strong>ch</strong> daselbst<br />

no<strong>ch</strong> defendieren wolte; allein es felte jetz an einem


Erhebung der kleinen Kantone 35<br />

Generall; denn der Erla<strong>ch</strong> wäre jetz getedet; zudem waren<br />

die Buren des Kriegens sat und kereten in aller Verzweiflung<br />

ein jeder lieber heim.<br />

Kaum waren sey heim, so s<strong>ch</strong>ikte der franzefis<strong>ch</strong>e Obergenerall<br />

Brune die Kunstutution in gantz Helfetzien aus<br />

nebst einem Dekret, wie man wieder neu Oberkeitten er-<br />

Wellen solte; denn die Burger und Buren tonten dieselben<br />

selbst erwellen. Es wurde von hundert allemal einer mit<br />

dem Meer erwelt. Diese kamen auf Thun, woselbst dieselben<br />

no<strong>ch</strong> einmal gemeret und von ze<strong>ch</strong>en allemal zween<br />

ausgemeret (wurden) um auf Luzern zu gehen, wel<strong>ch</strong>e<br />

daselbst neue Gesetz verfassen und an Oberkeites statt<br />

regieren solten. — Als jetz die kleinen Stende sahen,<br />

daß ihnen die Kunstituzion au<strong>ch</strong> aufgetrungen wurde,<br />

fienge sey an zu gereuen, daß seye den Stand Beren<br />

also im Sti<strong>ch</strong> gelassen; denn Uri, S<strong>ch</strong>witz, Unterwalden,<br />

Zug und Glaris glaubten, seye kenten bey ihrer reinen<br />

demokratis<strong>ch</strong>en Verfassung verbliben. Ihnen wurde ni<strong>ch</strong>ts<br />

destoweniger die Konstution aufgetrungen, wel<strong>ch</strong>e sey<br />

aber ni<strong>ch</strong>t annemen wolten sondren si<strong>ch</strong> zur Gegenwer<br />

stellen. Ihr Kriegsher wurde in zwey Haufen geteilt;<br />

der greste Deil solten gegen die Stadt Baden vorruken,<br />

der kleinre solte über den Brienig das Land hinab und<br />

den Franken in Ruken fallen. Diesers gäbe in unserem<br />

Land einen starken Lermen; denn es waren viel seer<br />

misvergniegt, sonderbar die Lumpen und Bettler; denn<br />

diese meinten, die Franken werden alle S<strong>ch</strong>ulden s<strong>ch</strong>enken,<br />

jene aber, die Franken, werden eine sol<strong>ch</strong>e Freyheit und<br />

Gli<strong>ch</strong>heit einfieren, daß die Rei<strong>ch</strong>en ihr Guth mit denen<br />

Armen deilen miesten. Da si si<strong>ch</strong> aber in ihrer Hofnung<br />

betrogen sahen, wolten sey au<strong>ch</strong> helfen die Franken vertryben,<br />

versamleten eine Landsgemeind und datten seer<br />

kriegeris<strong>ch</strong>. Die von Unterwalden waren zwis<strong>ch</strong>en diesen<br />

Dingen aufgebro<strong>ch</strong>en, hatten den Brinig, Hofluh, au<strong>ch</strong><br />

das Dorf Weiller*) mit etwas Trupen besetzt, sagten,<br />

ihrer wären dryzehen dusend, aber die große Arme, wel<strong>ch</strong>e<br />

gegen Baden agieren solte, seye a<strong>ch</strong>tzig dusend Man<br />

stark. — Der greßre Deill aber von Hasli Voltten sy<strong>ch</strong><br />

in einen dermaßen geferli<strong>ch</strong>en Krieg ni<strong>ch</strong>t so lie<strong>ch</strong>t mis<strong>ch</strong>en<br />

*) Brienzwyler.


36 Einbru<strong>ch</strong> ins Haslital<br />

und si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> bloße Wort verfieren lassen; denn man<br />

zweiflete, ob sey eine dermaßen starke Ma<strong>ch</strong>t versamlet<br />

hatten. S<strong>ch</strong>ickten zwey Menner über den Brienig, die<br />

Sa<strong>ch</strong>en zu untersu<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e fanden, daß das Geri<strong>ch</strong>t<br />

seer ubertryben und anstadt dreyzehn dusend ni<strong>ch</strong>t einmal<br />

dreyzehnhundert Man werren — und ein Felklein, daß<br />

man ni<strong>ch</strong>t wußte, ob man weinen oder la<strong>ch</strong>en wolte,<br />

wenn man dieselben ansahe. Die meisten waren fast ohne<br />

Kleidung, hatten anstadt der Vi<strong>ch</strong>sen helzerne Briggel;<br />

zudem hatten sy ni<strong>ch</strong>t für drey Tag Profiant. — Als<br />

man diesers erfahren, hat man diese Krieger wieder zuruk<br />

na<strong>ch</strong> Unterwalden gewisen mit dem Verdeuten, wenn seye<br />

ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>leunig abziehen, so werde man Gewalt mit Gewalt<br />

abtreyben. — Diesem aber wolten seye ni<strong>ch</strong>t erwartten,<br />

sondren zugen si<strong>ch</strong> zuruk, legreten si<strong>ch</strong> ehnert<br />

dem Brienig in denen Unterwaldner Vorsäßen, alwo sey<br />

no<strong>ch</strong> mit se<strong>ch</strong>shundert Glarner versterkt wurden. Jetz<br />

glubten sey stark genug zu sein, den Franken unter<br />

Augen zu träten, bra<strong>ch</strong>en ihr Lager auf und kamen bis<br />

an die Gassen (Meiringen), fordreten in einem gebietris<strong>ch</strong>en<br />

Thon Mans<strong>ch</strong>aft von Hasli, hieben die Freiheitsbeim um<br />

und erzeigten si<strong>ch</strong> gantz muthwillig, sonderbar die von<br />

Glaris. Man mußte abermal eine Landsgemeind halten;<br />

es wurde bes<strong>ch</strong>lossen, daß man au<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>ließen und die<br />

Franken fortjagen helfen wolle*). Zwis<strong>ch</strong>en diesen Dingen<br />

kam es bei Baden zwis<strong>ch</strong>en denen Franken und der kleinen<br />

Stende Truppen zu einem Gefe<strong>ch</strong>t. Allein die Franken<br />

behielten das Felt und namen wie ein Strom das Land<br />

ein; denn die s<strong>ch</strong>weitzris<strong>ch</strong>en Truppen mußten der Uberma<strong>ch</strong>t<br />

ungea<strong>ch</strong>tet ihrer Tapferkeit stets wei<strong>ch</strong>en. Es hat<br />

an mereren Ortten, als nemli<strong>ch</strong> vor Einsidlen, in der<br />

Hollen Gaß, bey Kisna<strong>ch</strong>t seer blutige Gefe<strong>ch</strong>t gegäben,<br />

au<strong>ch</strong> seer viel Franken getetet worden. Allein alles wäre<br />

umsonst; die Franken behielten den Sig aller Ortten. —<br />

Als jetz die von Glaris und die von Untterwalden diesers<br />

vernommen, haben dieselbigen ni<strong>ch</strong>t meer viel von ihren<br />

bevorstehenden Heldendatten geredet, sondren in aller Stille<br />

abgezogen. — Die fon Urry hatten den Sattelberg zwis<strong>ch</strong>en<br />

*) über den Versuck einer Gegenrevolution im Oberland<br />

vergl. Anhang hierna<strong>ch</strong>.


Kampf der Walliser 37<br />

dem Entlibu<strong>ch</strong> und Gisrveil mit siben hundert Manen<br />

besetzt. Diese kam eine dermaßen große For<strong>ch</strong>t an, daß<br />

dieselben ni<strong>ch</strong>t einmall gegen Stanz keren durften, sondren<br />

über den Brienig kamen und über den miehsamen Sustenberg<br />

reiseten. Es waren hier in Nessendall auf einen<br />

Abend sybenhundert uberna<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>es fast über unser<br />

Vermegen war; denn es wäre im Monet Mey, da die<br />

Lebensmittel grestendeils verzert waren.<br />

Hierauf wurde alles eine Stunde still und ruhwig.<br />

Aber ni<strong>ch</strong>t lang, denn die Walleser wolten die Konstitution<br />

ni<strong>ch</strong>t annemen. Der Generali S<strong>ch</strong>auenburg ließe<br />

seine Trupen gegen das Walles Land anruken. Die Walleser<br />

ftelten sy<strong>ch</strong> zu einer s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Gegenwer, ma<strong>ch</strong>ten<br />

etli<strong>ch</strong>e seer dume Strei<strong>ch</strong>e, denn erstli<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>ossen die Walleser<br />

die franzesis<strong>ch</strong>en Trumpeter, da dieselben ihnen no<strong>ch</strong><br />

den Fryden anbieten wolten, worüber der Generall<br />

S<strong>ch</strong>auenburg seer erzirnt und die Walleser angegrifen,<br />

wel<strong>ch</strong>e sy<strong>ch</strong> aber s<strong>ch</strong>lä<strong>ch</strong>t geweret und fli<strong>ch</strong>tig in die Stadt<br />

Sitten komen und fels<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> die weyße Fahnen ausgestekt,<br />

aber heimli<strong>ch</strong> ihr Stuck mit Kartets<strong>ch</strong>en beladen, und als<br />

die Franken in Sitten einziehen wolten, dieselben auf<br />

die Franken gefeiret, au<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>e gededet. Der Generall<br />

S<strong>ch</strong>auenburg ließe hierauf die Stadt Sytten mit Sturm<br />

emnemen und plündren, au<strong>ch</strong> die Redelsfierer gefangen<br />

nemen, au<strong>ch</strong> mußte das ganze Land ein starke Brands<strong>ch</strong>azung<br />

geben, sonst drohede er, alle Heuser zu vervrenen.<br />

— Hierauf wurde alles still und ruhwig, denn<br />

es wäre jetz ganz Helfetzien arriganisiert.<br />

Aber die Ruhe wurde balt gesteret; denn man solte<br />

den Bürgeret s<strong>ch</strong>weren. Diesem wiedersetzten sy<strong>ch</strong> die<br />

Emwoner von S<strong>ch</strong>witz und Stantz, denn die Pfafen su<strong>ch</strong>ten<br />

die Leuthe zu verblenden und zur Enperung zu verleitten.<br />

Der Stadthalter, well<strong>ch</strong>er denen Leuten verninftige Vorstellungen<br />

ma<strong>ch</strong>te und ihnen zeigte, in wel<strong>ch</strong> Unglik sey<br />

komen werden, wen seye der Regierung ni<strong>ch</strong>t gehor<strong>ch</strong>en<br />

wollen, hätten ihn der blinde Pebel beynahe gededet.<br />

Diese Enperung käme der Regierung balt zu Ohren;<br />

dieselben su<strong>ch</strong>ten die S<strong>ch</strong>wyzer und Stanzer bald dur<strong>ch</strong><br />

Verspre<strong>ch</strong>en, bald dur<strong>ch</strong> Drohung wieder zum Gehorsam<br />

zu bringen. Aber alles wäre vergebens; es s<strong>ch</strong>eint, die<br />

Gottheit habe ihr Ra<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>wert für seye gewetzet, denn


38<br />

Bürgereid und Widerstand<br />

wenn seye ni<strong>ch</strong>t mit Blindheit weren ges<strong>ch</strong>lagen gewäsen,<br />

so hätten sälbige lei<strong>ch</strong>t sähen kenen, daß seye einer so<br />

großen Ma<strong>ch</strong>t im geringsten ni<strong>ch</strong>t gewa<strong>ch</strong>sen waren.<br />

Denno<strong>ch</strong> wußte der bere<strong>ch</strong>tigte Patter Paul*) von<br />

S<strong>ch</strong>witz die einseitigen Leutte dermaßen zu verblenden,<br />

daß man keinen Friedensvors<strong>ch</strong>legen meer Geher geben<br />

wolte, denn die drey Mattstedt Ury, S<strong>ch</strong>witz und Unterwalden<br />

waren no<strong>ch</strong> ser stoltz auf die unsterbli<strong>ch</strong>en Heldendatten,<br />

wel<strong>ch</strong>e ihre Voreltren im S<strong>ch</strong>wytzerbunde vor fierhundert<br />

und neinunda<strong>ch</strong>tzig Jaren volbra<strong>ch</strong>t hatten; denn<br />

obbemältte drey Kanton waren im S<strong>ch</strong>wytzerbund die ersten,<br />

wel<strong>ch</strong>e das keiserli<strong>ch</strong>e Jo<strong>ch</strong> abwarfen und die tirannis<strong>ch</strong>en<br />

Landfegte theils detteden, etli<strong>ch</strong>e veriagten. Äben diesers<br />

wäre es, was die guthen Leute in das greßte Unglük<br />

stirtzte; denn seye meinten, ni<strong>ch</strong>t weniger Helden zu sein<br />

alls Winkelriedt und Däll, wel<strong>ch</strong>es sey au<strong>ch</strong> zur Geniege<br />

bewisen und erzeigt haben, denno<strong>ch</strong> aber bey allen ihren<br />

unsterbli<strong>ch</strong>en Heldendatten ni<strong>ch</strong>ts gewonen sondren unaussprä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

viel verloren; denn es wäre kein lei<strong>ch</strong>te Arbeit,<br />

etwan sybenzig oder a<strong>ch</strong>tzigdusend wolgeiebten Franken<br />

Wiederstand zu tun. Denn die Armee, wel<strong>ch</strong>e die Franken<br />

in der S<strong>ch</strong>weitz hatten, wäre no<strong>ch</strong> beynahe 100 dusend<br />

Man stark, wel<strong>ch</strong>e der neuen Regierung bey allen Enperungen<br />

Hilf leisten solten. Na<strong>ch</strong>dem jetz, wie droben gemeldet,<br />

die Bewoner von S<strong>ch</strong>witz und Stantz den Byrgereid<br />

ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>weren Volten, au<strong>ch</strong> die von Stantz den<br />

Stathalter beinahe gededet hätten und der Regierung auf<br />

frintli<strong>ch</strong>e Vermanungen kein Geher gäben wolten, so wäre<br />

die Regierung getrungen, dem Gänerall S<strong>ch</strong>auenburg den<br />

Austrag zu ma<strong>ch</strong>en, die Rebällen mit gewerter Hand zum<br />

Gehorsam zu bryngen. Der Gänerall S<strong>ch</strong>auenburg ließe<br />

hierauf seyne Truppen gägen die unglikli<strong>ch</strong>en Orts<strong>ch</strong>aften<br />

anruken: ein Theill kamen das Land von Bären herauf<br />

und über den Brienig, viele kamen dur<strong>ch</strong> das Entlibu<strong>ch</strong><br />

über den Sattel und über den Seerenberg, die greßte<br />

Kriegsma<strong>ch</strong>t samlete si<strong>ch</strong> bey Luzären. Als jetz die von<br />

S<strong>ch</strong>witz die große Uberma<strong>ch</strong>t sahen, haben si<strong>ch</strong> sälbege auf<br />

Gnade und Ungnade ubergäben. Jetz lag aller Last des<br />

Kriegs einzig auf dem unglikli<strong>ch</strong>en Districkt Stantz; diese<br />

*) Der Kapuziner P. Styger von Rothenturm, streitbarer<br />

Feldprediger der S<strong>ch</strong>rvyzer.


Die S<strong>ch</strong>reckenstage von Nidwalden 39<br />

aber woltten si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> gar ni<strong>ch</strong>t ergäben. Der Gänerall<br />

S<strong>ch</strong>auenburg ließe also seine Trupen zuerst gägen dem<br />

Dra<strong>ch</strong>enkäppeli anruken; die Stantzer stellten si<strong>ch</strong> zur Gägenrver,<br />

mer als die Franken geglubt hätten, denn die Stantzer<br />

streckten eine zimli<strong>ch</strong>e Anzall Franken hin, ehe die Franken<br />

nur einen Stanzer sehen kontten; denn die Stantzer mo<strong>ch</strong>ten<br />

mit ihren gezognen Gerverren die Franken auf eine unglubli<strong>ch</strong>e<br />

Weite errei<strong>ch</strong>en, auf wel<strong>ch</strong>e sey aus denen Weldren<br />

ein starkes Feur ma<strong>ch</strong>ten. Weil aber die Attake erst na<strong>ch</strong>mittag<br />

anfing, so ents<strong>ch</strong>ied dieser Tag ni<strong>ch</strong>ts; denno<strong>ch</strong><br />

sahen die Franken, daß ihr sänli<strong>ch</strong>er Wuns<strong>ch</strong> gutgelingen<br />

rvoltte; denn die Franken haben ser gewins<strong>ch</strong>et, daß sy<strong>ch</strong><br />

die Stantzer nur werten, damit sey*) tapfer plindren<br />

tonten. Es hat aber bey dem Spas des Plindrens<br />

man<strong>ch</strong>er brafe Franke vergäßen, denn morgens fru<strong>ch</strong><br />

wurden die Stantzer aller Ortten angegrifen. Die Franken<br />

su<strong>ch</strong>ten in S<strong>ch</strong>yffen über den See zu komen, die Stantzer<br />

ließen die Franken ni<strong>ch</strong>t landen, sondren ri<strong>ch</strong>teten ihre<br />

S<strong>ch</strong>ife zu Grunde. Die Stantzer hatten zwelf Stuk, wel<strong>ch</strong>e<br />

sey auf die geserli<strong>ch</strong>sten Posten verdeilt haten. Es wereten<br />

si<strong>ch</strong> die Weiber und Kinder so beispillos wie die Männer,<br />

ja es stellen die Mäner näbben ihren Weibren, desglei<strong>ch</strong>en<br />

die Weyber näben ihren Mänern, die Brut an der Seitten<br />

des Breitigams, die Kinder näben ihren Eltren, alle mit<br />

den Wasen in den Henden soll Heldenmuth dahin und<br />

wyH<strong>ch</strong>ten ihren Geliebten no<strong>ch</strong> sterbend Glick und Sig.<br />

7^ Franken zwar fiehlen ni<strong>ch</strong>t nur einer hier der ander<br />

dort, nem diese fiehlen gantzer S<strong>ch</strong>aren dott darnider,<br />

worüber die Franken so bes<strong>ch</strong>emt wurden, daß sie ihre<br />

Dotten in großer Anzall in die nä<strong>ch</strong>sten Heußer und<br />

S<strong>ch</strong>eiren s<strong>ch</strong>leppten und den alles mit einandren verbrenten.<br />

Der Kampf war hart, die Franken waren ihrer<br />

verri<strong>ch</strong>ten großen Heldendatten bewußt, wolten einer<br />

Handfohl Buren ni<strong>ch</strong>t gären den Kampfblatz uberlaßen.<br />

Die Stantzer hingägen strytten für ihr Guth und Bluth,<br />

Freyheit und Lüben. Der Streit wärte den gantzen Tag;<br />

die Franken ma<strong>ch</strong>ten aus S<strong>ch</strong>eiren Fleße und su<strong>ch</strong>ten daruf<br />

über den See zu komen; die Stantzer zersterten dur<strong>ch</strong> die<br />

gutte Ri<strong>ch</strong>tung ihrer Kanonen dieselben gar lie<strong>ch</strong>t. Die<br />

Franken ruckten indessen jelenger je sterker gägen dem<br />

*) Die Franzosen.


40 Zerstörung von Stans<br />

Traken-Moos an; die Stanzer mußten entli<strong>ch</strong> der Uberma<strong>ch</strong>t<br />

anfangen zu wei<strong>ch</strong>en, bis entli<strong>ch</strong> die Franken mit<br />

stirmender Hand in das unglikli<strong>ch</strong>e Stanzeres<strong>ch</strong>e Dorf Bu<strong>ch</strong>s<br />

eindrangen und dassälbige anzindeten. Die Stanzer riterierten<br />

si<strong>ch</strong> entli<strong>ch</strong> auf die Dä<strong>ch</strong>er ihrer Heuser, ob dieselben<br />

s<strong>ch</strong>on in sollen Feurflamen stunden, und feurenten no<strong>ch</strong> in<br />

greßter Wuth auf die Franken herab. Ja die Wuth und<br />

Verzweiflung war so ho<strong>ch</strong> bei den Stanzeren, daß sey<br />

no<strong>ch</strong> ab denen Hausdä<strong>ch</strong>ren herab auf die Franken s<strong>ch</strong>oßen,<br />

ob man sey glei<strong>ch</strong> vor dem Ru<strong>ch</strong> und Flamen ni<strong>ch</strong>t mer<br />

sähen konte. Als jetz die Stanzer sahen, daß die Franken<br />

albereit in Bu<strong>ch</strong>s eingetrungen waren und no<strong>ch</strong> allerorten<br />

mit fris<strong>ch</strong>en Trupen untterftitzt wurden, sint die meisten<br />

fli<strong>ch</strong>tig dafon komen und haben das unglikli<strong>ch</strong>e Stantz<br />

dem sighaften fränkes<strong>ch</strong>en Her uberlaßen. — I<strong>ch</strong> mag<br />

der Mens<strong>ch</strong>heit die Greuel ni<strong>ch</strong>t erzellen, wel<strong>ch</strong>e die<br />

Franken daselbst begangen haben; ja mein ganzes Härtz<br />

enpert si<strong>ch</strong>, mein Leib s<strong>ch</strong>udret, die Haare sten mier gen<br />

Berg, an jedem dersälben hanget ein Angsttropfen, und<br />

das so oft mi<strong>ch</strong> meine Gedanken in das vormals so s<strong>ch</strong>ene,<br />

jetz aber so unglikli<strong>ch</strong>e und verwiestete Stantz hinderen;<br />

denn die Soldaten waren dergestalten in Raserey, daß<br />

die sälbigen von ihren Haubtleuten ni<strong>ch</strong>t gestillent würden<br />

kontten. Man sähe hier die s<strong>ch</strong>uderhaftes<strong>ch</strong>ten Auftryte; es<br />

waren Miettren, wel<strong>ch</strong>e mit ihren getedeten, no<strong>ch</strong> blutenden<br />

Seiglingen vol Verzweiflung davon flohen; andere uns<strong>ch</strong>uldige<br />

Kinder sähe man, wel<strong>ch</strong>e no<strong>ch</strong> an den Bryften<br />

ihrer doten Muter sugten. Etli<strong>ch</strong>e Soldaten begniegten si<strong>ch</strong><br />

damit, um Kinder in das Feuhr zu warfen; in Suma,<br />

es war ni<strong>ch</strong>t darum zu thun, alles na<strong>ch</strong> seynem gottlosen<br />

Willen zu verri<strong>ch</strong>ten, nein, es war darum zu thun, etwas<br />

Unmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es zu erdenken und sälbiges mit Freuden auszuleben.<br />

Die Stanzer wurden also genetiget, die Konftituzion<br />

wiederum anzunemen.<br />

(Fehlt eine Zeile ^abgerissene im Manuskript.)<br />

Crla<strong>ch</strong> *) nebst andren Emigrantten ließen indessen ni<strong>ch</strong>ts<br />

ermangeln, den remis<strong>ch</strong>en Keiser in Helfetzien zu (rufen?)—;<br />

au<strong>ch</strong> wurde der Keiser von denen Pintneren zu Behaubtung<br />

dar Neuttralitedt um Hilf angerufen. Der Keiser besetzt<br />

hierauf Binten mit Truppen. Die Franken besezten Ury<br />

*) Für: v. Steiger?


Krieg von 1799 41<br />

und bis Urs<strong>ch</strong>elen hinauf. Seye bra<strong>ch</strong>ten a<strong>ch</strong>t Stuk grobes<br />

Gös<strong>ch</strong>itz bis Urs<strong>ch</strong>elen hinauf. Die französis<strong>ch</strong>e Linie rei<strong>ch</strong>te<br />

jetz eine ungeheure Weite, nemli<strong>ch</strong> aus Holland dem Rhein<br />

hinauf dur<strong>ch</strong> Helfetzien und Jtallien bys an das mittellendes<strong>ch</strong>e<br />

Meer; In dieser Stellung waren sowol der Keyser<br />

als die Franken den Winter ruhwig, aber im Frieling<br />

wurde der Krieg wieder (Fehlt eine Zeile)<br />

wieder fort gesetzt. Der französis<strong>ch</strong>e Generali Jourdan<br />

versamlete seine Arme bey Strasburg, Gäneral Massena<br />

bey Sant Gallen, Gänerall S<strong>ch</strong>ärrer in Italien.<br />

Die Keiserli<strong>ch</strong>en versamleten si<strong>ch</strong> bey Kur und dem<br />

Kloster Disentis. Gäneral Jourdan ereffnete zuerst den<br />

Fältzug für diesers 1799 Jar; er zog bey Strasburg<br />

über den Rhein. Seine Armee nähme den Namen an<br />

Danauarmee. Er ruckte wie ein unaufhaltsamer Strom<br />

den Rhein hinauf; die keiserli<strong>ch</strong>en Belker vermo<strong>ch</strong>ten ihm<br />

keinen Widerstand zu thun. Während dieser Zeit griffe<br />

Gäneral Massena die vereinigten Keiserli<strong>ch</strong>en und Pintner,<br />

wel<strong>ch</strong>e bey dem Stetli Kur und da herum ihre Stellung<br />

hatten, mit Ungestiem an. Die Buren aus Vinten waren<br />

greßtendeils mit Briglen (Prügeln) anstadt mit Bi<strong>ch</strong>sen<br />

bewafnet; — diese aber haben üben ni<strong>ch</strong>t große Heldendaten<br />

vollbra<strong>ch</strong>t, denn sie haben der Franken ungeftiemen<br />

Angrif ni<strong>ch</strong>t lang erdulden kennen, sondern ihre Brygell,<br />

mit wel<strong>ch</strong>en sälbige zuvor so seer gepranget, balt wäg<br />

geworfen und der Hasen Panier ergrifen, daß man seye<br />

bey Kur ni<strong>ch</strong>t meer gesehen. Diesem rühmli<strong>ch</strong>en Exempel<br />

folgeten die Keiserli<strong>ch</strong>en balt na<strong>ch</strong>. Das unglickli<strong>ch</strong>e Bintnerland<br />

stand also denen Franken gantz offen; Massena nahm<br />

es in kurzer Zeit ein. Er war wirkli<strong>ch</strong> bis in Tiroll vorgetrungen,<br />

inzwis<strong>ch</strong>en General Jourdan mit seinen Truppen<br />

bis Pfüllendorf vorgeruckt, alwo ihme Herzog Carll mit<br />

einer seer überlägenen Ma<strong>ch</strong>t begägnete und ihme ein<br />

Träfen listete, wel<strong>ch</strong>es dry Tage in der großen Hitze durete.<br />

Das Glick aber war Jourdan ni<strong>ch</strong>t ginstig; er mußte das<br />

S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tfelt dem heldenmietigen Carl uberlassen und si<strong>ch</strong><br />

zurückziehen, wel<strong>ch</strong>es denno<strong>ch</strong> in der besten Ornung ges<strong>ch</strong>ähe.<br />

Denn die Franken zogen si<strong>ch</strong> nur S<strong>ch</strong>ritt für S<strong>ch</strong>ritt<br />

und allezit fä<strong>ch</strong>tend zurück.<br />

Also kam ein Teil von der stenkes<strong>ch</strong>en Armee bey<br />

S<strong>ch</strong>afhusen über den Rhein zuruck in Helvetzien, ein Teil


42 Geplante Mordna<strong>ch</strong>t<br />

Key Basel, Jourdan mit dem Hauptheer na<strong>ch</strong> Strasburg,<br />

alroo er krenkli<strong>ch</strong> ankam und das Obercomando niderlegte,<br />

wel<strong>ch</strong>es der Untter Gäneral Massena ubernam. — Dieser<br />

unglickli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>lag, wel<strong>ch</strong>er den Jourdan betrafen, setzte<br />

den Massena, wel<strong>ch</strong>er no<strong>ch</strong> in Winten stand, in große<br />

Verlegenheit, denn das Unglick hatte in dieser Zeit die<br />

frenkes<strong>ch</strong>e Armee, wel<strong>ch</strong>e Gäneral S<strong>ch</strong>ärer in Italien comendiert,<br />

au<strong>ch</strong> seer getrofen. Massena wäre also in greßter<br />

Gefar, von denen Keiserli<strong>ch</strong>en und iren Verbinten, den<br />

Rußen, umringet (zu) würden; er name indessen einen<br />

s<strong>ch</strong>nellen Ruckzug bis Santgallen, alwo er eine feste Stellung<br />

nam. — Diesers so manigfaltige Unglick der Franken<br />

ma<strong>ch</strong>te ihren Misginstigen in Helvetien, wel<strong>ch</strong>e no<strong>ch</strong> immer<br />

in großer Anzahl waren, von neuem Muth, abermal eine<br />

neue Emperung anzuspinnen; denn die hers<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>tigenByrger<br />

in den Steten, wel<strong>ch</strong>e vorher alle Regierung in Henden<br />

hatten, konten die Verendrung der Dinge ni<strong>ch</strong>t wohl ertragen.<br />

Man merkte zwar wol, daß es um eine algemeine<br />

Emperung zu thun wäre; denn es waren hier im Hasle-<br />

Land au<strong>ch</strong> mehrere Personen, wel<strong>ch</strong>e mit um die Sa<strong>ch</strong>e<br />

wußten. Es sotten nemli<strong>ch</strong> auf die erste Na<strong>ch</strong>t im Monat<br />

May alle Franken in ihren Quatieren uberfallen und ermordet<br />

werden*). Aber dur<strong>ch</strong> die unermiedete Wa<strong>ch</strong>tsamkeit<br />

der Franken wurde der Plan endeckt und viele der<br />

Redlesführer gefangen na<strong>ch</strong> Frankri<strong>ch</strong> gefiert. Dieser so<br />

s<strong>ch</strong>nelle Zufall setzte zwar die Rebellen in Verwirrung;<br />

denno<strong>ch</strong> waren etli<strong>ch</strong>e Orts<strong>ch</strong>aften dermaßen unglikli<strong>ch</strong>,<br />

daß seye gegen die Franken die Wafen ergrifen, als<br />

nämli<strong>ch</strong> die Walleser, die von Uhry, S<strong>ch</strong>witz und Glaris;<br />

au<strong>ch</strong> in unserem Kanton waren sol<strong>ch</strong>e Thoren, fürnemli<strong>ch</strong><br />

die stolzen Sybentaller, die von Spietz, As<strong>ch</strong>e und von<br />

Frutigen, wy au<strong>ch</strong> die Helden aus Grindelwalt ohne<br />

Unders<strong>ch</strong>eid ausgezogen und hatten derer von Hasli in<br />

Untersewen gewarttet. Die von Hasli aber wollten si<strong>ch</strong><br />

in ein so witaussehendes und geferli<strong>ch</strong>es Ges<strong>ch</strong>eft so li<strong>ch</strong>t<br />

ni<strong>ch</strong>t mis<strong>ch</strong>en, obgli<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>e unruhwige und verlumppete<br />

Kepfe die Sa<strong>ch</strong>e von einer gar ni<strong>ch</strong>t geferli<strong>ch</strong>en Seite<br />

zeigten und sy<strong>ch</strong> versamleten. Der Kaspar Brog von<br />

*) Dazu eine beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Anzahl von „Patrioten". Die Erinnerung<br />

an eine große Mordna<strong>ch</strong>t, d. h. an den Plan, hat si<strong>ch</strong><br />

no<strong>ch</strong> lange erhalten.


Aufruhr im Oberland 43<br />

Hausen ^), wel<strong>ch</strong>er s<strong>ch</strong>on erwelter Haubtman där Rebällen<br />

wäre, kam das Land von Äs<strong>ch</strong>e herauf, um seine Truppen<br />

zu versamlen; aber er wurde in Brientz als verdä<strong>ch</strong>tig in<br />

Gefangens<strong>ch</strong>aft gesetzt. Wärend dieser Zeit ist die Zeit zu<br />

einer großen Unternemung verloffen und die von Hasli zu<br />

ihrem greßten Glik ni<strong>ch</strong>t wieder die Franken ausgezogen.<br />

Als die aus Grindelwalt sahen, daß die von Hasli ni<strong>ch</strong>t<br />

komm woltten, haben sey an där gantzen Sa<strong>ch</strong>e verzweiflet<br />

und sint also stils<strong>ch</strong>weigend wiederum abgezogen. Die von<br />

Spietz, Äs<strong>ch</strong>e, Frutigen und Sybendall waren weit mer<br />

unglikli<strong>ch</strong>, denn diesälbigen versamleten si<strong>ch</strong> mit ihren<br />

verlumppeten Gänerallen auf der Thunalment und sahen<br />

ser kriegeris<strong>ch</strong> aus. Där Cantonsstathaltter Joneli, wel<strong>ch</strong>er<br />

seinen Sitz in Thun hatte, s<strong>ch</strong>ikte ihnen etli<strong>ch</strong>e Comppagneien<br />

von dänen helvetis<strong>ch</strong>en Legiohnen entgegen, wozu<br />

no<strong>ch</strong> etwan zähen oder zwelf reitende Franken kamen.<br />

Diese grifen die Rebellen hertzhaft an; die Rebellen stelten<br />

si<strong>ch</strong> zur Gägenwer; där Streit wäre lä<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong>; balt flohen<br />

diese, balt jene; denno<strong>ch</strong> wärte der Streit den gantzen<br />

Tag; es wurden etli<strong>ch</strong>e blesiert und etli<strong>ch</strong>e gededet. Als<br />

aber in der folgenden Na<strong>ch</strong>t die von der Legion no<strong>ch</strong> mit<br />

etli<strong>ch</strong>en Franken und etwas Landtruppen versterkt wurden<br />

und die Rebellen es gemerkt, glubten seye jetz Ehre genug<br />

erftriten zu haben; denn sey meinten, sey hätten albereit<br />

mit Saul dusend und mit Dafit zähen dusend ges<strong>ch</strong>lagen<br />

und sint in aller Stille ein jeder heim ges<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en. Die<br />

Franken, wel<strong>ch</strong>e der Regierung von Massena wärend der<br />

Zit zu Hilf ges<strong>ch</strong>ikt, mit samt den Legiohnen folgeten ihnen<br />

auf dem Fuhße na<strong>ch</strong> und namen alles, was sey untter<br />

dänen Wasen fanden, gefangen, wel<strong>ch</strong>e als Soldaten untter<br />

dänen Helfetis<strong>ch</strong>en Legiohnen dienen muhßten, — eine lä<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong>e<br />

Strafe für sol<strong>ch</strong>e unruwige Kepfe^).<br />

Alle diese Enperungen setzten den Gäneral Massena<br />

etli<strong>ch</strong>er maßen in Verwirrung; denn ob er gli<strong>ch</strong> wol sähe,<br />

daß der S<strong>ch</strong>weitzer Tapferkeit seer gelämt wäre, so stand er<br />

denno<strong>ch</strong> in steten Sorgen, die unruwigen S<strong>ch</strong>weitzer kenten<br />

ihm einmal einen besen Strei<strong>ch</strong> thun. Er, Massena, wäre<br />

deils von den Efterri<strong>ch</strong>eren, deils dur<strong>ch</strong> die unruwigen<br />

S<strong>ch</strong>weitzer genetiget, sein Hauptlager bei Santgallen zu ver-<br />

') Bei Meiringen. . ^ ^ ^ ^<br />

über den Aufruhr vom Fühlmg 1799 vergl. Anhang.


laßen und si<strong>ch</strong> teifer in Helfetzien zu lassen; name also seine<br />

^temng auf denen Bergen um die Stadt Züri<strong>ch</strong>, alwo er<br />

si<strong>ch</strong> auf das sterkeste vers<strong>ch</strong>anzete. Dur<strong>ch</strong> diesen Rückzug der<br />

Franken wurden die Esterri<strong>ch</strong>er dermaßen hertzhast, grifen<br />

die Franken auf der ganzen Linien aus Italien bis na<strong>ch</strong><br />

-Lasel an. Die Franken mußten allerorten wei<strong>ch</strong>en, denn die<br />

Nußen untter Comando des tapferen Gänerall Suwarou<br />

verewiget mit dänen Teudts<strong>ch</strong>en, erftirmten eine S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t<br />

na<strong>ch</strong> der andren. Die unbezwingbare Veftung Mantua<br />

wurde den Franken au<strong>ch</strong> wieder abgenomen, weillen Suwaru<br />

elb:ge dur<strong>ch</strong> Hungersnoth bezwungen. Die Deuts<strong>ch</strong>en namen<br />

sowoll Un alls Walles in Besitz; die Franken besetzten<br />

hierauf unser Land') mit Trupen. Es käme eine Compagney<br />

na<strong>ch</strong> Gatmen und zwey Compagnien na<strong>ch</strong> Guthdannen.<br />

Weillen aber die von Gatmen die Einauatieruna<br />

der Franken ni<strong>ch</strong>t wol leiden konten, so wurde denen<br />

Deuts<strong>ch</strong>en von denen Buren von Gatmen zu ihrem und<br />

der Franken S<strong>ch</strong>aden alles endeckt. Es kamen also in einer<br />

Uta<strong>ch</strong>t bei fünf hundert teuts<strong>ch</strong>er Soldaten na<strong>ch</strong> Gatmen,<br />

Franken, wel<strong>ch</strong>e daselbst postiert waren gefanaen,<br />

ers<strong>ch</strong>ossen einen Buren von Gatmen, berubten die semtli<strong>ch</strong>en<br />

Emwoner und zogen si<strong>ch</strong> zuruk. Die von Gatmen merkten<br />

also, was sey bey der Verreterey der Franken gewonen<br />

dewi es wurden ihnen jetz zwey Eompagneien einauatiertau<strong>ch</strong><br />

wu^e das gantze Land mit drei Dusend und drei<br />

hundert Man besetzt. Wir von Nessendall mußten au<strong>ch</strong><br />

eine Compagnei emquatieren. Indessen stand man in<br />

^ ^ Dmgen. die da komen sollten. Denn<br />

d e Reballen wms<strong>ch</strong>eten die Deuts<strong>ch</strong>en; sey meinten, wenn<br />

die Franken ges<strong>ch</strong>lagen würden, daß sey alsdan die stillen<br />

und ruhwigen Landleute mishandlen kenten. Als man<br />

Lo<strong>ch</strong>en in einer sol<strong>ch</strong>en Ungewißheit gestanden,<br />

grifen die Franken unvermuttet zu denen Wasen; denn<br />

? ^3 unter Comando des Generalen<br />

^os<strong>ch</strong> ) aus die se<strong>ch</strong>s Dusend Man Franken na<strong>ch</strong> Gatmen<br />

Oberhasli.<br />

-) General Loison, der am 14. August 1799 mit seinen<br />

m ernem gewaltigen Mars<strong>ch</strong>e bei bösem Wetter<br />

und^Ä^Ä vou En^elberg über den Jo<strong>ch</strong>paß ins Gadmental<br />

^ ^^rden Susten ms Meyental gelangte und am folgenden<br />

Tag d:e berühmte Meyens<strong>ch</strong>anze bei Wasen erstürmte.


Gebirgskrieg. Erstürmung der Meiens<strong>ch</strong>anze 45<br />

und bey sieben Dusend untter Generall Guidan') na<strong>ch</strong><br />

Guthdanen. Indessen wurde alle Mans<strong>ch</strong>aft im gantzen<br />

Lande in starki Requisition genomen, um Stuck, Munzion<br />

und Lebensmittel über das Gebürg hinüber zu bringen.<br />

Unser zweiundfierzig Man waren bestimt, zwei Stuk samt<br />

dazugehöriger Munzion über den Sustenberg zu tragen,<br />

wel<strong>ch</strong>es eine miesame und ser geferli<strong>ch</strong>e Arbeit wäre, denn<br />

wier mußten die Stuk bis auf die Paterey tragen,<br />

wärend der Zeit eine starke Atake von den Franken auf<br />

die Keiserli<strong>ch</strong>en gema<strong>ch</strong>t worden. Der Keiserli<strong>ch</strong>en waren<br />

in der S<strong>ch</strong>anze bey finfhundert Man, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> in diesem<br />

festen Orte wie die Teufel werkten, denn ihnen käme ni<strong>ch</strong>t<br />

nur die feste S<strong>ch</strong>antze zu statten, sondren selbst die Natur<br />

hate daselbst einen dermaßen festen Ort gebildet, denn der<br />

Berg, wel<strong>ch</strong>er zur rä<strong>ch</strong>ten Hand liegt, ist unersteigli<strong>ch</strong> ho<strong>ch</strong>,<br />

woruf die Keiserli<strong>ch</strong>en postirt warren und große Steine<br />

auf die Franken herabrolten, wofon seer viele gedetet<br />

wurden; au<strong>ch</strong> hatten die Keiserli<strong>ch</strong>en etli<strong>ch</strong>e Kanonen in<br />

der S<strong>ch</strong>antze. Dessen alles ungea<strong>ch</strong>tet bestirmten die Franken,<br />

wel<strong>ch</strong>e ungefehr se<strong>ch</strong>sdusend Man stark warren, diesen fast<br />

unuberwintli<strong>ch</strong>en Ort mit ihrem gewenli<strong>ch</strong>en Leuenmuth<br />

in der greßten Hitze. Der Kampf war hart; es fielen<br />

viele Franken, denno<strong>ch</strong> setzten sey imer mit neuer Wuth<br />

an, bis die Franken entli<strong>ch</strong> in die S<strong>ch</strong>antze hinein sprangen,<br />

woruf die Keiserli<strong>ch</strong>en das Hasenpanier aufsteckten und die<br />

S<strong>ch</strong>antze nebst ihren Kanonen den siegenden Franken uberließen.<br />

Die Franken haben dreyunda<strong>ch</strong>zig Keiserli<strong>ch</strong>e gefangen;<br />

d:e ubngen haben sey wie Heus<strong>ch</strong>reken hinauf<br />

na<strong>ch</strong> Urs<strong>ch</strong>elen gewben, denn daselbst hatten sey das Haubtlager,<br />

au<strong>ch</strong> hatten si<strong>ch</strong> alle Buren von Uhri mit ihren<br />

Habseligkeitten na<strong>ch</strong> Urs<strong>ch</strong>elen, als einen unuberwintli<strong>ch</strong>en<br />

Ort, gefli<strong>ch</strong>tet^). Weylen aber die Keiserli<strong>ch</strong>en sowol untten<br />

1) Gudin. Über ihn und die Kämpfe auf der Grimsel vergl.<br />

R. Günther: Der Feldzug der Division Lecourbe<br />

im s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>gebirge 1799, 116 ff.<br />

2) Es ist niHt uninteressant, die S<strong>ch</strong>ilderung des Augenzeugen<br />

Weißenfluh mit dem offiziellen Rapport des franz. Obergenerals<br />

zu verglei<strong>ch</strong>en. Massöna beri<strong>ch</strong>tet an das Direktorium:<br />

„I<strong>ch</strong> hatte dem General Loison befohlen, mit der 109. Halbbrigade<br />

und vier Grenadier Compagnien dur<strong>ch</strong> das Gadmental<br />

na<strong>ch</strong> Wasen im Urserental vorzudringen. — Na<strong>ch</strong> einem langen<br />

und bes<strong>ch</strong>werli<strong>ch</strong>en Mars<strong>ch</strong>e auf vers<strong>ch</strong>neiten und vereisten Pfa-


46 Zweite S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t bei Züri<strong>ch</strong><br />

im Walles, auf der Grimsel und auf der Furken angegryfen<br />

worden, mo<strong>ch</strong>ten die Keiserli<strong>ch</strong>en denen Franken<br />

keinen Widerstand thun. Die Keiserli<strong>ch</strong>en wurden über den<br />

Gothart zuruk getrengt und die Franken bis Jerels (Airolo)<br />

vorgerukt. Jetz attmete man im Hasleland etwas freier;<br />

aber um Ziri<strong>ch</strong> zogen si<strong>ch</strong> die s<strong>ch</strong>warzen Wolken je mer<br />

zusamen. Als aber die Franken teifer am Rhein, nemli<strong>ch</strong><br />

unter Straßburg, über den Rhein getrungen und die<br />

Deuts<strong>ch</strong>en ges<strong>ch</strong>lagen, so mußte Herzog Karel mit einem<br />

Teill seiner Armee Ziri<strong>ch</strong> verlassen, um den esterri<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />

Erblanden zu Hilfe zu eillen. Kum hatte Karel mit einem<br />

Teill seiner Armee Ziri<strong>ch</strong> verlassen, so grif Massena die<br />

vereinigten Rußen und Keiserli<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e bey Ziri<strong>ch</strong><br />

standen, hertzhaft an. Die Keiserli<strong>ch</strong>en und Rußen mußten<br />

den konnte dieser General erst am Abend des 27. (Thermidor)<br />

^ ^SHanze gelangen, wel<strong>ch</strong>e den Zugang zum Reußtale<br />

deckt. Dieses Werk, ein gemauertes und ausgebessertes Se<strong>ch</strong>seck,<br />

bildet ein unüberwindli<strong>ch</strong>es Hindernis und s<strong>ch</strong>ließt das Tal vollständiaab,<br />

da es si<strong>ch</strong> auf der einen Seite über Abgründen an die<br />

wilde Mayen, auf der andern Seite an steile Felswände anlehnt.<br />

Es wurde dur<strong>ch</strong> vierhundert Mann und zwei Ges<strong>ch</strong>ütze verteidigt.<br />

So war das Hindernis bes<strong>ch</strong>affen, das die Eolonne Loison zu<br />

überwinden hatte. Er mußte mögli<strong>ch</strong>st ras<strong>ch</strong> ins Reußtal vordringen,<br />

um si<strong>ch</strong> mit der 38. zu vereinigen und den Angriff des<br />

Generals Gudin auf den Gotthard zu unterstützen. — Die Na<strong>ch</strong>t<br />

und d:e Ermüdung seiner Truppen zwangen ihn, die Erstürmunq<br />

des Wi<strong>ch</strong>tigen Postens auf den nä<strong>ch</strong>sten Tag zu vers<strong>ch</strong>ieben.<br />

Am Morgen des 28. verlangten sämtli<strong>ch</strong>e Manns<strong>ch</strong>aften den<br />

Sturm. Die Grenadiere bewiesen eine beispiellose Kühnheit; da<br />

aber auf dem einzigen gangbaren Weg zum Fort die vorrückenden<br />

Truppen si<strong>ch</strong> für einige Zeit dem feindli<strong>ch</strong>en Artillerie- und Kleingewehrfeuer<br />

aussetzen mußten, erlitten sie starke Verluste. Die<br />

S<strong>ch</strong>anze wurde samt den beiden Ges<strong>ch</strong>ützen erobert, und man<br />

ma<strong>ch</strong>te 2—300 Gefangene.<br />

Die Haltung der Grenadiere war bei dieser Gelegenheit über<br />

legli<strong>ch</strong>es Lob erhaben; alle Offiziere und Soldaten der 109. haben<br />

den größten Mut bewiesen; der Brigade-Chef Houpert, der Va°<br />

taillons-Chef Du<strong>ch</strong>et, der Grenadier-Hauptmann Langlois und<br />

der Lieutenant Lancereau haben si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> ihre Tapferkeit hervorgetan;<br />

die Jäger-Compagnie vom 2. Leman hat si<strong>ch</strong> ausgezei<strong>ch</strong>net.<br />

— Unsere Verluste betragen zwanzig Tote, darunter<br />

drei Offiziere, und ungefähr se<strong>ch</strong>zig Verwundete."<br />

Moniteur XXIX, 791.)<br />

In einem andern zeitgenössis<strong>ch</strong>en Beri<strong>ch</strong>t (Helvetis<strong>ch</strong>e Ereignisse<br />

»>^hrhundert) lesen wir: Im Oberhasli waren in der<br />

Mitte August 1799 se<strong>ch</strong>s- bis siebentausend Franken. Die Kolonne


Suwarow am Gotthard 47<br />

der Franken Tapferkeit wei<strong>ch</strong>en; General! Hotz, ein geborner<br />

Zir<strong>ch</strong>er, wel<strong>ch</strong>er unter seinem Comando die Rußen<br />

gantz niederträ<strong>ch</strong>tig in sein Vaterland gefiert, wurde getedet.<br />

Die Rußen und Keiserli<strong>ch</strong>en wurden gäntzli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>lagen.<br />

Ein Teil der Rußen würfen si<strong>ch</strong> in Ziri<strong>ch</strong>, alwo<br />

sey von den Franken blokiert wurden; die Übrigen wurden<br />

mit großer Niderlag über den Rhein und gantz aus der<br />

S<strong>ch</strong>weitz getriben.<br />

Als General Suwarau, wel<strong>ch</strong>er mit einem zimli<strong>ch</strong>en<br />

Kor Rußen inzwis<strong>ch</strong>en bey Meiland stand, vernomen, daß<br />

die Rußen in Ziri<strong>ch</strong> einges<strong>ch</strong>loßen, wollte er ihnen zu<br />

Hilfe eillen; grife die Franken, wel<strong>ch</strong>e Jerels mit finfhundert<br />

Man besetzt hatten, mit dänen fier und zwanzig<br />

Dusend Man, wel<strong>ch</strong>e Suwarau bey si<strong>ch</strong> hatte, an. Die<br />

Franken werten si<strong>ch</strong> tapfer, denn dieselben werten si<strong>ch</strong> in<br />

unter General Loison zog dur<strong>ch</strong> das Gadmenthal. Ein Augenzeuge<br />

s<strong>ch</strong>reibt: „Alles war unter den Franken eine Seele, eine<br />

Stimme, ein Wuns<strong>ch</strong>, bald den Feind zu errei<strong>ch</strong>en; der Weg<br />

über das Gebirg na<strong>ch</strong> Meyen wird selten betreten; er ist so steil,<br />

so zerrissen, so mit Abgründen besetzt, daß i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t erinnere,<br />

je einen für<strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>eren Bergweg gesehen zu haben. Die Bauern<br />

im Gadmenthal versi<strong>ch</strong>erten, daß no<strong>ch</strong> nie Pferde hinübergeführt<br />

worden seyen. Aber die Franken überwanden alle S<strong>ch</strong>wierigkeiten:<br />

die wackern S<strong>ch</strong>arfs<strong>ch</strong>ützen vom Waadtland zogen voran, zwei<br />

Kanonen wurden auf den A<strong>ch</strong>seln getragen und wo es ni<strong>ch</strong>t ging,<br />

Stricken von Klippen zu Klippen hinaufgewunden. Glückli<strong>ch</strong><br />

erri<strong>ch</strong>ten die Truppen die Berghohe, fanden den Feind, überras<strong>ch</strong>ten<br />

ihn; der si<strong>ch</strong> m S<strong>ch</strong>recken zurückzog und bey Meyen unter<br />

seinem Retramhement, wo Kanonen stunden, festsetzte. Hier war<br />

der Kampf s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>. Das Blut der französis<strong>ch</strong>en Grenadiere<br />

bespritzte den General Loison, der aber unverwundet blieb. Mit<br />

Sturm nahmen die Franken die S<strong>ch</strong>anze ein, ma<strong>ch</strong>ten 140 Mann<br />

gefangen und eroberten zwei Kanonen. Darauf eilten sie na<strong>ch</strong><br />

Wasen; in zwei (?) Stunden waren sie dort; au<strong>ch</strong> hier wurden<br />

sie Meister. — Die Lemaner oder Waadtländer haben si<strong>ch</strong> hier<br />

vortreffli<strong>ch</strong> gehalten".<br />

Von der Grimsel „sandten die Franken 400 gefangene Osterrei<strong>ch</strong>er<br />

na<strong>ch</strong> dem Oberhasli, wo man sie in die Kir<strong>ch</strong>e und auf<br />

freyem Felde in Pfer<strong>ch</strong>e eins<strong>ch</strong>loß. So ausgehungert kamen sie<br />

an, daß sie hastig vers<strong>ch</strong>langen, was man ihnen zu essen gab;<br />

da Brod in jener Gegend rar ist, so speiste man sie Mit Käs".<br />

Jedenfalls bilden die Märs<strong>ch</strong>e und Kämpfe am Susten und<br />

auf der Grimsel besonders glänzende Beweise für die überlegene<br />

Kriegstü<strong>ch</strong>tigkeit der damaligen französis<strong>ch</strong>en Armee, und man<br />

begreift, daß Weißenfluh, der sie bei der Arbeit sah, zu lebhafter<br />

Bewunderung hingerissen wurde.


48 Rückzug der Franzosen<br />

ihrer forteilhaften Stellung so hertzhaft, daß die Rußen,<br />

24,000 Man stark, von dänen 500 Franken drei Tag<br />

lang aufgehalten worden. Als aber eine Kolonien (Colonne)<br />

Keiserli<strong>ch</strong>er den Franken droheten in den Ruken<br />

zu fallen, so mußten die Franken entli<strong>ch</strong> wei<strong>ch</strong>en. Sey<br />

wurden über den Gotthart getrengt; bey Hospitall wurden<br />

die Franken von Rußen in einer Na<strong>ch</strong>t gentzli<strong>ch</strong> umringet;<br />

die Franken aber haben mit ftirmender Hand die Linien<br />

der Rußen gebro<strong>ch</strong>en, da ein Teil der Franken fli<strong>ch</strong>tig<br />

über die Furken und über die Grimsel na<strong>ch</strong> Guthannen<br />

und entli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Nessendall und Gatmen komen. Denn<br />

die Franken wollten über den Sustenberg ziehen und ihren<br />

Cameraden, wel<strong>ch</strong>e von den Rußen na<strong>ch</strong> Urs<strong>ch</strong>elen getrengt<br />

worden, zu Hilfe eilen. Denn die finstre Na<strong>ch</strong>t und die<br />

Verwirrung wäre S<strong>ch</strong>uld, daß die Franken bey Hospitall<br />

getrent worden, da, wie geredt, der eine Teill über die<br />

Furken, der andere aber na<strong>ch</strong> Urs<strong>ch</strong>elen und die Teufelsbrick<br />

getrengt wurden. Die Franken aber mußten aller<br />

ihrer Tapferkeit ungea<strong>ch</strong>tet denno<strong>ch</strong> der Ueberma<strong>ch</strong>t wei<strong>ch</strong>en,<br />

(so) daß die, wel<strong>ch</strong>e über Susten ziehen wollten, zu spet<br />

kamen. Der Vortrab der Franken wäre wirkli<strong>ch</strong> bis Weyßenmad<br />

vorgeruckt; da sey aber merkten, daß die Rußen wirkli<strong>ch</strong><br />

Massen s<strong>ch</strong>on passiert hatten, haben si<strong>ch</strong> die Franken<br />

zurückgezogen. Es sind etli<strong>ch</strong>e Franken bey der Teufelsbrik<br />

blessiert worden; die sind mit etli<strong>ch</strong>en frenkes<strong>ch</strong>en<br />

Marketenter und Soldatenfrauen fli<strong>ch</strong>tig dur<strong>ch</strong> das Meientall<br />

zu Uhri na<strong>ch</strong> dem Sustenberg komen. Diese Unglickli<strong>ch</strong>en<br />

sind unweit der Meienkir<strong>ch</strong>e von etli<strong>ch</strong>en Bewonren<br />

des Meiendals geblindret worden, — zum Unglik des<br />

Meiendals; denn die Franken haben na<strong>ch</strong>mals mit Ungestiem<br />

ihre Tros wieder gefordret. — Diesers Hin- und<br />

Hermars<strong>ch</strong>ieren hat unser Land beynahe ruiniert, denn<br />

die Franken bekamen wegen der Verwirrung keinen Solt,<br />

und mußte man etli<strong>ch</strong>e Dusend Man hier im Land<br />

erhalten.<br />

Wärend der Zit diesers auf dem Gotthart vorgefallen,<br />

haben die Franken die Stadt Ziri<strong>ch</strong> mit Sturm eingenomen,<br />

und bey se<strong>ch</strong>s Dusend Rußen nebst ihrer Kriegskassa<br />

und dem Feldlazaret, au<strong>ch</strong> Tie<strong>ch</strong>er, die gantze Armee<br />

neu zu kleiden, alles fiel den siegenden Franken in die<br />

Hende. Gänerall Suwarau kam erst drey Tag darna<strong>ch</strong>


Suroarorvs Ausgang. Bonaparte Konsul 49<br />

mit seinen Truppen an den Fierwaldstettersee und also<br />

zu spät, seine Cameraden in Ziri<strong>ch</strong> zu ents<strong>ch</strong>itten. Dieser<br />

fatale Strei<strong>ch</strong> setzte die Rußen in große Verwirrung, denn<br />

die Franken hatten jetz den Rußen die Paßage über den<br />

Gothart abges<strong>ch</strong>nitten. Die Rußen mußten si<strong>ch</strong> gägen das<br />

Glarnerland wenden und zogen dur<strong>ch</strong> das Muther Dall,<br />

alwo sey von den Franken umringt worden. Die Rußen<br />

haben si<strong>ch</strong> zwar tapfer gehalten und die Linien der Franken<br />

gebro<strong>ch</strong>en; denno<strong>ch</strong> haben die Russen eine s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>e Niderlag<br />

erlitten. Diesers so manigfaltige Unglik, wel<strong>ch</strong>es die<br />

Rußen in der S<strong>ch</strong>weitz erlitten, und die Bes<strong>ch</strong>impfung,<br />

Wel<strong>ch</strong>e denen Rußen in der Stadt Ankona in Italien von<br />

den Keiserli<strong>ch</strong>en, ihren Verpinten, wiederfahren, waren<br />

die Ursa<strong>ch</strong>, daß der rußis<strong>ch</strong>e Keiser seine Belker wieder<br />

heim berief.<br />

Dieser so glenzende Sig, wel<strong>ch</strong>en Gänerall Massena<br />

in und um Ziri<strong>ch</strong> erfo<strong>ch</strong>ten, wäre für Hevletzien eine Sa<strong>ch</strong><br />

von großer Wi<strong>ch</strong>tigkeit, weillen beynahe die gantze Armee<br />

des Massena auf Kosten der S<strong>ch</strong>weitzer lebte; denn man<br />

wurde der ungebättenen Gesten jetz greßten Deils los.<br />

Denn die Keiserli<strong>ch</strong>en waren dur<strong>ch</strong> dieses so unglikli<strong>ch</strong>e<br />

Trefen und den Abzug der Rußen seer ges<strong>ch</strong>we<strong>ch</strong>t worden<br />

und konnten den Franken keinen Wiederstand thun; denn<br />

sey waren in wenig Tagen eine ziemli<strong>ch</strong>e Weite von den<br />

Grenzen Helfetziens getriben — und wäre zu großer<br />

Fredde der Franken Gänerall Bonaparte au<strong>ch</strong> wieder<br />

aus Egypten na<strong>ch</strong> Frankri<strong>ch</strong> komen. Denn Frankri<strong>ch</strong> wäre<br />

der Zeit wagen dem Barteigeist, wel<strong>ch</strong>er in Paris ruhete,<br />

m emer seer nnsli<strong>ch</strong>en Lage, und die Rebellen in der Vende<br />

setzten die Guthgesinten in For<strong>ch</strong>t und S<strong>ch</strong>recken. Bonaparte<br />

aber wußte die Parteien dur<strong>ch</strong> sein viel geltend Wort<br />

zu versienen; au<strong>ch</strong> war mit den Rebällen in der Vende<br />

ein Wafenstilstand ges<strong>ch</strong>loßen. Die frenkes<strong>ch</strong>en Armeen<br />

wurden auf Befehl Bonapartes beßer underhalten. Als<br />

dieses dermaßen in der Stadt Paris und Helfetzien gehandlet,<br />

erzeigte si<strong>ch</strong> das S<strong>ch</strong>iksal den Franken in Italien<br />

auf einer widrigen Seitten, denn der keiserli<strong>ch</strong>e Gänerall<br />

Melas drengt den frenkes<strong>ch</strong>en Gäneral S<strong>ch</strong>ampionet tägli<strong>ch</strong><br />

zuruk, und mußte Massena mit einem Teill seiner Armee<br />

na<strong>ch</strong> Italien eillen, um wo migli<strong>ch</strong> den Melas in seiner<br />

Laufbahn zu hemmen. Er, Massena, wäre ni<strong>ch</strong>t glickli<strong>ch</strong><br />

v. Weißenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>. 4


in Italien; denn na<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>en für die Franken unaliklick<br />

ausgefalenen Trefen ist Massen« mit 25 Dußend Man<br />

fll<strong>ch</strong>tlg :n dle Stadt Gänewa (Genua) kommen, alwo er<br />

kelserk<strong>ch</strong>en Gänerall Oth auf das engste einae-<br />

Moßen. Drewerl aber von dänen Engellenderen der Merhafen<br />

von Ganava au<strong>ch</strong> blokiert wäre, daß also die Franken<br />

keme Labensmlttel hinein bringen konten, so stelte si<strong>ch</strong> in<br />

der Stadt Ganawa bald eine entzezli<strong>ch</strong>e Hungersnoth ein;<br />

ja, der Hunger lft auf einen so hohen Grat in der Stadt<br />

Ganawa gestlegen, daß dur<strong>ch</strong> Hunger und peftartege Krankhettten<br />

bey fünf und zwanzig Dußend Mens<strong>ch</strong>en wäaqera<br />

t worden Dle Noth der Stadt Gänawa mo<strong>ch</strong>te in-<br />

Konsul Bonaparte ni<strong>ch</strong>t verborgen bleiben<br />

ein Reserfenkoor von<br />

70—80 Dußend Man, um mit demsälben die Stadt<br />

Vortr^ Ma? kam- der<br />

^ n Reserfenarmee unter Anfierung Vonapartes<br />

m, Walles an; fast alle Pfertte und Mulesel in ganz<br />

Helfetzien mußte man hergäben, um Stuk und Muntion,<br />

au<strong>ch</strong> Labensnnttel über das Gebürg zu tragen. Gänerall<br />

Bonaparte giena mit 56 dußend Man Uber dän Sant<br />

-Sernhartsbarg; Gänerall kÄkencourl gieng mit 10 dußend<br />

Man über den Simbelbärg, Gänerall «scclonsw qiena<br />

mit S dußend Man über den Gotthart, Gänerall lurresu<br />

meng mit 19 dußend Man über dän Ron7ceniI DÄ<br />

Samelplatz dar Franken wäre die Stadt Manland Dieler<br />

so unerwartete Zufall setzte die Keiserli<strong>ch</strong>en in Verwirf<br />

Trumen be» ^l°rli<strong>ch</strong>e Gänerall Melas seine<br />

Messandria und Tortona^<br />

allwo die verrumte Felts<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t den 14^ Brä<strong>ch</strong>et<br />

d e r ^ r 7 ^ ^ ^<strong>ch</strong>iksal Italiens zu Gunsfen<br />

Die Felts<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t von Marengo ist eine der areßten<br />

wel<strong>ch</strong>e m dlesem ganzen Krieg vorgefallen, denn die<br />

Franken waren beynahe 100 dußend Man stark, die<br />

Kelserk<strong>ch</strong>en waren 80 dußend Mann; zudem waren die<br />

oeldseltlgen Truppen von den allererfarneften Gänerallen<br />

angeftert. Dle Franken untter Anfiehrung Ponapartes<br />

hab^l denen Kelserli<strong>ch</strong>en die zwey ersten Tage des Trefens<br />

wel<strong>ch</strong>en mleßen; au<strong>ch</strong> am driten Tage wäre die Verzweiflung<br />

und dle Flu<strong>ch</strong>t der Franken algemein. Als der


Marengo und Hohenlinden 51<br />

General! Bonaparte dermaßen in Noth und Engsten gestanden,<br />

ist er von seinem Pfert abgestiegen und sol zu<br />

seinen Adiudanten geredt haben: „Vor uns der siegende<br />

Find, hinder uns der Pofluß ohne Bruken; Gott, wel<strong>ch</strong><br />

ein S<strong>ch</strong>iksal!" — kum waren diese Worte aus seinem<br />

Munde, so käme ein Reutter daher wie vom Wind getragen,<br />

oder plitzs<strong>ch</strong>nel; der bra<strong>ch</strong>te dem Generali Ponaparte<br />

Bots<strong>ch</strong>aft, daß der franzesis<strong>ch</strong>e Gänerall vesaix in<br />

diesem Augenblick mit 18 Dusend Man aus Aegipten<br />

komen und den Keiserli<strong>ch</strong>en in den Ruken gefallen. Auf<br />

diese Worte hat Ponaparte seine Trupen wieder gesamlet<br />

und gägen den Fint gefiert, da entli<strong>ch</strong> die Keiserli<strong>ch</strong>en den<br />

Kampfplatz, wel<strong>ch</strong>er mit doten Lei<strong>ch</strong>namen bedeckt, nebst<br />

80 Canonen den siegenden Franken uberlaßen. Man sagt,<br />

daß in denen drey Tagen — denn so lang het dise Felts<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t<br />

gewärt — bey 18 Dusend, sage a<strong>ch</strong>tzähen Dusend<br />

Mens<strong>ch</strong>en gestorben! Der Gänerall Ve8six ist so s<strong>ch</strong>wär<br />

verwundet, daß er an seinen Wunden gestorben. — Hierauf<br />

hat der Gänerall Melas den Franken einen Wafenstilstand<br />

angebotten, wel<strong>ch</strong>er von dänen Franken angenomen<br />

worden.<br />

I<strong>ch</strong> habe in meiner Erzellung einen Deil der siegenden<br />

Armee der Franken auf den Grentzen Helfetziens verlaßen,<br />

wärend derzeit Gänerall Moreau mit seiner Armee,<br />

wel<strong>ch</strong>e inzwis<strong>ch</strong>en teifer am Rhein gestanden, von der<br />

Stat Straßburg heraufkomen und das Obercomando der<br />

beiden Armeen ubernam. Die Keiserli<strong>ch</strong>en mo<strong>ch</strong>ten den<br />

Franken kernen Widerstand thun; sey wurden tägli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>lagen.<br />

Denn der Ertzherzog Carel hatte die Stelle<br />

nidergelegt und die keiserli<strong>ch</strong>e Armee verlaßen, — worauf<br />

des Carels Bruder, Herzog Johann, zum großen Na<strong>ch</strong>teil<br />

des Keisers zum Obergänerall ernant worden — denn<br />

das wäre eine unbesonnene und unüberlegte Sa<strong>ch</strong>e, einen<br />

so jungen, unerfarnen Man einem untter den Wasen ergrauten<br />

Moreau entgegen zu stellen. Der Ausgang hat<br />

diesers in der S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>e zwis<strong>ch</strong>en diesen beiden Heerfiereren<br />

bey Hohenlinden vorgefallen, zur Genüge bewisen.<br />

Denn der Gänerall Moreau hat den jungen Krieger<br />

der maßen*) irregefiert; denn als Gänerall Moreau<br />

*) Lies: der mäßen -- außerordentli<strong>ch</strong>, über die Maßen.


52 Frieden von I^unöville<br />

Hohenlinden von dem Herzog Johann angegrifen,<br />

hat si<strong>ch</strong> Moreau etli<strong>ch</strong>e Stund zurukgezogen, alrvo er eine<br />

der maßen gute Stellung genomen. Dur<strong>ch</strong> diesen Rukzua<br />

der Franken wurde der junge Krieger unforsi<strong>ch</strong>tig, denn<br />

er glaubte, die Franken werden ihm keinen Widerstand<br />

thun kennen. Ließe also seine Truppen in aller Unordnung<br />

Ae" allem vorteil guth postierten Franken in einem<br />

IA^^^^rerfen. Allein der erfarne Moreau wußte seine<br />

Wendungen so ges<strong>ch</strong>wind zu ma<strong>ch</strong>en, daß die keiserli<strong>ch</strong>e<br />

k ? Franken einges<strong>ch</strong>loßen und bey<br />

c?- ? nebst hundert und a<strong>ch</strong>tzig Eanonen den<br />

ftgenden Franken m die Hende fielen; die Übrigen wurden<br />

genzk<strong>ch</strong> zerstreut. - Dieser fatale Strei<strong>ch</strong> bra<strong>ch</strong>te die<br />

Keiserk<strong>ch</strong>en m Verlegenheit; denn die ganze Armee der<br />

Franken lebte indessen gäntzli<strong>ch</strong> auf Kosten der Esterri<strong>ch</strong>er<br />

der Haubtstat Wien gedrout. Damallen<br />

wäre bey den Keiserli<strong>ch</strong>en guter Rath seer teur; man<br />

wußte mdessen kem Mittel, Esterrei<strong>ch</strong> zu retten, als s<strong>ch</strong>leimgen<br />

Fnden, wel<strong>ch</strong>er von denen Franken angenomen.<br />

Es wurde die Stadt Leünüwili (I^un^ville) dazu bestimt,<br />

dieses witaussehende Ges<strong>ch</strong>eft daselbst wo miali<strong>ch</strong><br />

beyzulegen und dem betrengten Europa wo miali<strong>ch</strong> den<br />

Fnden wider zu geben. Es wurden die Ge anten von<br />

allen Staten Euruppens daselbst versamlet. Helfetzien wäre<br />

m diesem Fnden für eine freie Reppublik erklert. Der<br />

ku<strong>ch</strong>7u1wn7'S°<strong>ch</strong>t»)" ^ d°m Hau- Esterri<strong>ch</strong><br />

«urye Scbiläerung


Helvetis<strong>ch</strong>e Verfassung. Wahlen 53<br />

Gänerall Brun war der Man, wel<strong>ch</strong>er eine neue Ferfaßung<br />

in der S<strong>ch</strong>weitz ordnete; denn die S<strong>ch</strong>weitz mußte<br />

aus Befel der Franken nur ein einziger Stst sein. Denn<br />

vor diesem Krieg war die S<strong>ch</strong>weitz in 13 Kantone und<br />

8 zugewan Orte eingeteilt, wel<strong>ch</strong>e zwar einandren in<br />

Kriegszeitten treuli<strong>ch</strong> beygestanden, bis daß entli<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>e<br />

Stende dur<strong>ch</strong> die Länge der Zeit so ri<strong>ch</strong> worden und<br />

sälbege die ermren Stende mit Vera<strong>ch</strong>tung angesehen, und<br />

ist also der S<strong>ch</strong>weitzer Tapferkeit dur<strong>ch</strong> Rei<strong>ch</strong>tum und<br />

Luxus gelämt worden.<br />

Das Decret, wel<strong>ch</strong>es der französis<strong>ch</strong>e Gäneral Brun<br />

na<strong>ch</strong> Hasli s<strong>ch</strong>ikte, befalle, wie man eine neue Oberkeit<br />

bilden solte; diesers mußte also gehen: es mußte si<strong>ch</strong><br />

alle Mans<strong>ch</strong>aft in jedem Lande versamlen, und alsdann<br />

wurden die, wel<strong>ch</strong>e man vor Ges<strong>ch</strong>ickte hielt, vorges<strong>ch</strong>lagen<br />

und von jedem hundert allemal Einer erwelt. Das Land<br />

Hasli erwelte zähen. Der Sammelplatz aller dieser Walmänner<br />

im gantzen Oberland wäre die Stadt Thun; daselbst<br />

wurden selbege no<strong>ch</strong> einmal gemeret und von Zehen<br />

zween erwelet. Das Land Hasli gab also zween für die<br />

neue Helfetes<strong>ch</strong>e Regierung zu besetzen, als nemli<strong>ch</strong> alt<br />

Landamman Willi von Hofluh und alt Landsvenner<br />

von Bergen von Willigen, wel<strong>ch</strong>e Folcks Represantanten<br />

genant wurden*). Der Sammelplatz aller Folcks Represantanten<br />

in gantz Helfetzien war die Stadt Aarau. Es<br />

waren ihrer Etli<strong>ch</strong>e und Dreyhundert. Dieweil aber in<br />

der Stadt Aarau für eine dermaßen große Menge Folck<br />

kem gerümig Zimmer wäre, so mußten, wie natirli<strong>ch</strong>, die<br />

Folcks Represantanten ein Zimmer erbuwen lassen und<br />

zwar mit seer großen Kosten; denn es waren die meisten<br />

von dänen Helfetis<strong>ch</strong>en Reppresentanten üben ni<strong>ch</strong>t fast zur<br />

Sparsamkeit geneigt. Denn die Wahlen fielen greßtendeils<br />

auf Adfocaten und bangrottirte Kaufleith, wel<strong>ch</strong>e<br />

man für seer ges<strong>ch</strong>ikte Leuthe hielt; denn man hat in<br />

denen Wahlen, wie i<strong>ch</strong> leider selbst getan, meine Stimme<br />

denen gegäben, wel<strong>ch</strong>e mier lieb gewäsen, ob i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on im<br />

Zweifel gestanden, ob er ein brafer Man sey, und i<strong>ch</strong><br />

glaube, die Wahlen seien dur<strong>ch</strong> die niderträ<strong>ch</strong>tige Eigen-<br />

*) Willi wurde Kantonsri<strong>ch</strong>ter, v. Bergen Senator.


liebe seer verderbt worden i). — Denn die Folckes-Repreei<br />

^ ^ liederli<strong>ch</strong> gehauset und den gemeinen Nutz<br />

ni<strong>ch</strong>t fast m a<strong>ch</strong>t genomen; denn sey hatten damit aenua<br />

Ä ihnen (si<strong>ch</strong>) große Lenung zu bestimmen ^) und<br />

s<strong>ch</strong>ene Kleider zu tragen. — Als aber die Franken inzrms<strong>ch</strong>en<br />

dle klemen Cantone au<strong>ch</strong> eingenomen, so war<br />

die Stadt Lutzaren für die Haubtstadt Helfetiens beftimt.<br />

Reppresentanten kamen also na<strong>ch</strong> Luzären,<br />

daselbst seye Wiederum in einem Jesuwitter Kloster anfingen<br />

mit großen Kosten zu Kurven; es wurden große<br />

Geltsummen vers<strong>ch</strong>wendet. Die helvetis<strong>ch</strong>en Folks Reppresentanten<br />

fingen an, seer uneinig zu werden und trenten<br />

si<strong>ch</strong> m zwey Parteyen, die eine Partey nenten si<strong>ch</strong> Demokraten,<br />

die andere Partey Arristokratten, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> heftia<br />

m:t emandren zankten und bald diese, bald jene den Meister<br />

sputen. Denn die unglikli<strong>ch</strong>e Verbrennung der Derfer<br />

Wel<strong>ch</strong>e auf Befehl der Helfetis<strong>ch</strong>en Regierung<br />

ges<strong>ch</strong>ehen, hat die Erbittrung no<strong>ch</strong> mer angefa<strong>ch</strong>et. —<br />

Als aber un Frieling 1800 (1799) der Ertzherzog Carll<br />

bey Stoka<strong>ch</strong> und Pfullendorf die ftänkes<strong>ch</strong>en Krieasheere<br />

gäntzn<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>lagen und darna<strong>ch</strong> die oestli<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>weitz au<strong>ch</strong><br />

emgenomen, so wurde die Helfetis<strong>ch</strong>e Regierung aetrunaen<br />

Luzeren zu verlaßen, da seye fli<strong>ch</strong>tig na<strong>ch</strong> Bern komen. —<br />

Es hat si<strong>ch</strong> mdessen der Stoltz der Helfetis<strong>ch</strong>en Regierunq<br />

denn der französis<strong>ch</strong>e Generali Massen«<br />

fordrete der Zeit eme Kontrebution über die andere; zu-<br />

MM?»<br />

Helvetiens Sohne zur Freyhert reif sind und würdig!<br />

emst Enkel die As<strong>ch</strong>e der Wähler verehren.<br />

^ Volkes, befördert Tugend und Wohlstand,<br />

Gebt jedem Burger das Seine, folgt nur dem edeln Gemeinaeist<br />

vergißt, auf's Beste des Ganzen beda<strong>ch</strong>t ist!<br />

ges<strong>ch</strong>ehenes Unglück, vergebt dem irrenden Bruder.<br />

Worüber ist der Orkan, bald wallet die göttli<strong>ch</strong>e Freyheit<br />

Helvetiens Thalern hinab am Arme des segnenden Friedens.<br />

Gesetzgeber: 275 Dublonen, d.h. minde-<br />

Fr. na<strong>ch</strong> heutigem Geldwert. Die Direktoren erdie<br />

Minister je 400, die Regierungsstatt°<br />

nebst Amtswohnung. — Diese Ansätze wurden im<br />

^)un bedeutend reduziert.


Brands<strong>ch</strong>atzungen und Empörung 55<br />

dem wäre der Geltmangel dermaßen groß, daß die Bursleut<br />

gar sparsam den Tribut bezalten, wel<strong>ch</strong>er von der<br />

Regierung gefordret worden. Der Feltzug dieses 1799<br />

Jars, wel<strong>ch</strong>er von dem Massena ges<strong>ch</strong>ehen, hat die Helfetis<strong>ch</strong>e<br />

Regierung gar seer viel gekostet; denn die ganze<br />

Armee des Massena, wel<strong>ch</strong>e bey 100 Dusent Man stark<br />

rvare, lebte greßten deils auf Kosten der Helfetier.<br />

Die Volks Represantanten konten in Bern au<strong>ch</strong> in<br />

vielen Sa<strong>ch</strong>en einandren gar ni<strong>ch</strong>t verstehen, denn ein<br />

Jeder meinte, man solte nur Ruksi<strong>ch</strong>t auf seine Orts<strong>ch</strong>aft<br />

nemen. Das Clima in der S<strong>ch</strong>weitz und die alten Gewonheiten<br />

waren so vers<strong>ch</strong>iden, daß es fast unmigli<strong>ch</strong> war,<br />

die vormaligen vielen von einandren getrenten Kantone<br />

auf einmahl zu vereinigen und dur<strong>ch</strong> Einerley Gesetz zu<br />

regieren. Denn Fru<strong>ch</strong>t-Land und Weinberg und Fie<strong>ch</strong>-<br />

Land (Weide) kennen untter einerley Gesetzen ni<strong>ch</strong>t wohl<br />

bestehen; denn die Gesetz, die einem Lande dienen, sint<br />

dem andren oftmahl zuwider.<br />

Die Regierung in Bern vers<strong>ch</strong>wendete die Zeit unnutzli<strong>ch</strong><br />

und vergebli<strong>ch</strong>; ni<strong>ch</strong>ts des minder s<strong>ch</strong>riben sey<br />

eine Brands<strong>ch</strong>atzung na<strong>ch</strong> der andren aus. Die Stantzer,<br />

wel<strong>ch</strong>en ihre Wunden no<strong>ch</strong> eitrig waren, konten die vielen<br />

Brands<strong>ch</strong>atzungen der ihnen ohne diesers seer verhaßten<br />

Regierung ni<strong>ch</strong>t wohl ertragen; fiengen si<strong>ch</strong> abermahl an,<br />

zu em^erren. Die von S<strong>ch</strong>wiz und Glaris, au<strong>ch</strong> ein Deil<br />

von Zni<strong>ch</strong>, stimten au<strong>ch</strong> mit denen von Stantz; das Feur<br />

der Emperrung wurde allenthalben angefa<strong>ch</strong>et. Man<br />

merkte h:er im Lande Hasle au<strong>ch</strong>, daß es abermahl in<br />

Flamen aufzulodren drote; die von Unterwalden ftelten<br />

si<strong>ch</strong> kriegeris<strong>ch</strong> und besetzten den Brinig mit Trupen. Die<br />

Regierung s<strong>ch</strong>ikten den Generali Andermatt mit ihren<br />

Trupen und den helvetis<strong>ch</strong>en Husaren na<strong>ch</strong> Luzären und<br />

etli<strong>ch</strong>e Compagnien auf den Brinig. Generali Andermatt<br />

besetzte die Rengg am Lutzernersee; die von Stantz aber<br />

grifen selbige mit Wuth an und drengten sey zuruk.<br />

Diesers Misges<strong>ch</strong>ik des Gänerall Andermatt ma<strong>ch</strong>te<br />

den Jubel hier im Lande Hasle bey denen, wel<strong>ch</strong>e der<br />

Verendrung begierig waren, algemein. Es kahmen etli<strong>ch</strong>e<br />

Herren von Bern und beredten das meiste Volk zu einem<br />

Feltzug gegen die Regierung; denn der Plan wäre gema<strong>ch</strong>t,<br />

die Regierung gefangen zu nemen und abzusetzen.


Ende der Helvetik. Rapp in Lausanne<br />

Es bra<strong>ch</strong>en wirkli<strong>ch</strong> bey zweyhundert Man von Hasli auf<br />

und mars<strong>ch</strong>ierten das Land hinab na<strong>ch</strong> Bern. Die Unter-<br />

Waidner, Stantzer und S<strong>ch</strong>witzer, au<strong>ch</strong> ein Theill Glarner<br />

kamen au<strong>ch</strong> ueber den Brinig und sahen seer kriegris<strong>ch</strong><br />

aus. Ganerall Andermatt belegrete indessen die Stadt<br />

Zyn<strong>ch</strong> und verbrente etli<strong>ch</strong>e Häuser mit Bommen und<br />

Wasen ^ (Aargauer) grifen au<strong>ch</strong> zu den<br />

Wasen und zogen m namhaften Haufen vor die Stadt<br />

Bern. Diesers wäre eme Sa<strong>ch</strong>e von großer Wi<strong>ch</strong>ttiakeit<br />

für die Regierung und für Generali Andermatt. Andermatt<br />

mußte also die Plokade von Zyri<strong>ch</strong> aufgeben und<br />

der Regierung zu Hilft eillen. Die helvetis<strong>ch</strong>e Regierung<br />

m Bern trauten dem Spiel ni<strong>ch</strong>t zum besten; stellten si<strong>ch</strong><br />

^ ^egenwer; als sie aber merkten,<br />

daß die Emperung algemein worden, so Pakten seye ibren<br />

Plunder und die letzten abges<strong>ch</strong>lifenen Halb-Batzen, wel<strong>ch</strong>e<br />

^ Kenten denen Buren vor dem Mund weggehas<strong>ch</strong>t<br />

hatten, m Eile zusamen und verließen fli<strong>ch</strong>tig die Stadt<br />

Bern und sind also fli<strong>ch</strong>tig na<strong>ch</strong> Losanen kommen. Die<br />

^pertten Baurren folgten ihnen auf dem Fuß na<strong>ch</strong>.<br />

Die Helfttis<strong>ch</strong>en Husaren samt den wels<strong>ch</strong>en Bärneren<br />

stelten si<strong>ch</strong> zur Gegenwer; es käme bey Freyburg und<br />

Milden zu etli<strong>ch</strong>en hitzigen Gefe<strong>ch</strong>ten. Die Helfetis<strong>ch</strong>en<br />

Trupen aber mußten uberal wey<strong>ch</strong>en, (also) daß die Rew<br />

B?rn." ^ so ^nge Kleider trüge, als<br />

Als die Negierung dermaßen in Engsten aestanden<br />

^ 7?^ französis<strong>ch</strong>er Generall mit einer Bedekuna<br />

nnt-> Losanen mit einer Fridensnote,<br />

daß nemli<strong>ch</strong> die emperten Baurren die Wasen ablegen<br />

und m aller (Älille heimkeren sollen. Die Regierung<br />

Zurukkehren, denen helfethis<strong>ch</strong>en<br />

^ ^ . geben und die Regierung einftweylen<br />

fortsetzen. Indessen soltten von allen emperten Orts<strong>ch</strong>aften<br />

5 komen; die Helfetis<strong>ch</strong>e Regierung<br />

rÄn- ^^^falls ihre Befolme<strong>ch</strong>tigten na<strong>ch</strong> Paris senden, daselbst<br />

we^>e der Konsul Ponaparte die streitenden Parteien<br />

dur<strong>ch</strong> seine Minister verHeren laßen und den Streit<br />

oeylegen. Die Fridens Underhandlung gienge zwar lana-<br />

Friden käme aber entli<strong>ch</strong> under folgenden<br />

Artiklen zu stände: '


Charakteristik der helvetis<strong>ch</strong>en Regenten F/<br />

Die Helfetis<strong>ch</strong>e Regierung solle aufHeren. Ein jeder<br />

dieser Herren solle mit seinem wohlverdienten Helfetis<strong>ch</strong>en<br />

Ehrennamen und zusamenges<strong>ch</strong>napten und den bedrengten<br />

Bauren weggehas<strong>ch</strong>ten Gelde, wel<strong>ch</strong>es sey no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bey<br />

Nr. 13 mit den s<strong>ch</strong>enen Nimpfen werend der Zeit, als<br />

seye für das beträngt Vatterland hätten Sorge tragen<br />

sollen, vers<strong>ch</strong>wendet: heimkeren und daselbst still und ruhwig<br />

seyn, wenn ihr abgenutztes und von freywilliger<br />

Kriegsfteur, Kadaster-, Agenten- und Munizipallbrands<strong>ch</strong>atzungen<br />

abges<strong>ch</strong>liffenes, kurzes und krummes Gewißen<br />

ihnen diesers erlaube, ihre Pfeifen im Friden ru<strong>ch</strong>en, mit<br />

Vermelden, daß man sey in Regierungsges<strong>ch</strong>eften so lie<strong>ch</strong>t<br />

ni<strong>ch</strong>t meer bru<strong>ch</strong>en werde; denn man sey gesonnen, zu<br />

der kinftigen Regierung so viel migli<strong>ch</strong> brafe Mäner zu<br />

bru<strong>ch</strong>en und die nidertre<strong>ch</strong>tigen Agenten und Munizipaler<br />

und kostbaren Gemeindskamervorsteher verabs<strong>ch</strong>eiden. Denn<br />

wenn diese sauberen Herren no<strong>ch</strong> lenger die blutige Geisel<br />

in Henden gehabt hätten, dann wirde das Beyspil jenes<br />

blinden Manns bey ihnen au<strong>ch</strong> anwendbar gewesen sein:<br />

Es wahr einmal ein blinder Mann, wel<strong>ch</strong>er ein so s<strong>ch</strong>arpf<br />

Gede<strong>ch</strong>tnuß hatte, daß er, wenn er eine Sa<strong>ch</strong>e betasten<br />

konte, wußte und sagen konte, ob es weiß oder s<strong>ch</strong>wartz<br />

sey. Da haben ihn etli<strong>ch</strong>e bese Buben versu<strong>ch</strong>t und haben<br />

ihm etli<strong>ch</strong>e junge Welfe in die Hende gegäben und begert,<br />

daß er ihnen sage, was dieses vor Thier seien; seye gluben,<br />

daß es junge Hunde seien. Als der Blind die Welfe<br />

no<strong>ch</strong>mal genau betastet, da hat er gesagt: das kan i<strong>ch</strong><br />

el<strong>ch</strong> sagen, daß es Hunde ni<strong>ch</strong>t sind; was es aber für<br />

Thier sind, weiß i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t; aber das weiß i<strong>ch</strong> gewiß, wenn<br />

diese lang leben, daß sey grimig und fresig werden. —<br />

Wenn also die Helfetis<strong>ch</strong>en Herren lenger regiert hätten,<br />

dann weren selbeg no<strong>ch</strong> grimiger und freseger worden.<br />

Die S<strong>ch</strong>weitz wäre hierauf in neue Cantone vertheilt;<br />

die wels<strong>ch</strong>en Berner waren von der Stadt Bärn abgerißen;<br />

die Stadt Losane wäre zur Haubstadt erwelt. Die<br />

Ergeuer woltten äbenfalls mit denen von Bern ni<strong>ch</strong>ts zu<br />

thun haben; die Stadt Aarau wurde zur Haubtstadt des<br />

Ergeues bestimt. Der Stadt Bern wurden ihre stoltzen<br />

Pfäkenfligel dur<strong>ch</strong> diesen Zufal zimli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>melert, denn<br />

es blibe der Stadt Bern ni<strong>ch</strong>ts übrig als das in S<strong>ch</strong>ulden<br />

stekende Oberland. Denno<strong>ch</strong> meinten Viele, daß es jetzt


gewonnen SM sei, weylen man jetzt von der Helfetis<strong>ch</strong>en<br />

Regierung los sei. Das Jubelges<strong>ch</strong>rey aber wärete ni<strong>ch</strong>t<br />

^ Franken fordreten eine große Suma Geld,<br />

daß seye den Friden wieder hergeftelt hatten.<br />

^reg wärete indessen zwys<strong>ch</strong>en Frankri<strong>ch</strong> und<br />

au<strong>ch</strong> sähe es in Deuts<strong>ch</strong>land äben-<br />

^ ^enn die Engellender su<strong>ch</strong>ten<br />

deuts<strong>ch</strong>en als au<strong>ch</strong> den russis<strong>ch</strong>en Keiser a?aen<br />

Frankri<strong>ch</strong> zu verhetzen. Der Krieg aber wurde Müs<strong>ch</strong>en<br />

^aukn<strong>ch</strong> und dem Keiser ni<strong>ch</strong>t lange gefiert, denn die<br />

teiserk<strong>ch</strong>en Belker wurden in kurzer Zeit gänzli<strong>ch</strong> aescklaaen<br />

und die Haubtstadt des deuts<strong>ch</strong>en Keisers wurde von den<br />

Iran en besetzt Der König in Preißen. wel<strong>ch</strong>er i<strong>ch</strong> mee?<br />

als zehen Jahre em ruhwiger und mießiger Zus<strong>ch</strong>uer des<br />

Kriegs gewesen und im trieben Waßer geM?t ^<br />

fienge an, seme Torheit zu bereuen, daß er bey der Ver-<br />

dln"ver"bren7 Franzosen seinen Freun-<br />

Ä ^ ^ ruhwlg gewärmet hatte. Denn die<br />

Franken su<strong>ch</strong>ten den König m Preißen zimli<strong>ch</strong> zu untersten<br />

Der Kenig in Preißen su<strong>ch</strong>te zwar Hilfe bey<br />

den nordis<strong>ch</strong>en Velkren, als nemli<strong>ch</strong> bey dem rußis<strong>ch</strong>en<br />

Keiser, wie au<strong>ch</strong> bey dem Kenig in S<strong>ch</strong>weden und Denemark,<br />

wel<strong>ch</strong>e ime mit s<strong>ch</strong>enen Verheißungen beyzustehen<br />

verspro<strong>ch</strong>en Die Hilfe aber des rußis<strong>ch</strong>en Keisers w^e<br />

au<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>wedens und Denemark käme zu spät denn die<br />

Franken gnfen den Kenig in Preußen an, ehe er sick des<br />

versähe und vertnben ihn ungea<strong>ch</strong>t der tapfresten Geaenwer<br />

aus den preißis<strong>ch</strong>en Staten. Als dieses de^<br />

discken gehandlet, versamleten die nor-<br />

^ wähl hundert Dusent Manlein??<br />

Ä ? ^ Preußen versamlete ebenfals die Trimmer<br />

semer Felker und vereinigte si<strong>ch</strong> mit denen Russen. Inessen<br />

wurde der Krieg mit der greßten Hitze gefiert. Die<br />

Nek^ etü<strong>ch</strong>e große Felts<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>ten; die Franken<br />

keineswegs ers<strong>ch</strong>reken, sondern setzten mit<br />

!? Ä5uth an, daß die nordis<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong>e von dem<br />

franzesis<strong>ch</strong>en Kaiser Ponaparte den Frieden begerten. Dieses<br />

alles ges<strong>ch</strong>ähe im Jar 1807. '


Qualität des Eisens 59<br />

Vom Iksen-kergxverk im MübUtkal.*)<br />

Das viele und mahnigfaltige Unglik, so das Mühlithalis<strong>ch</strong>e<br />

Jhsen-Bergrverk bey meinen Lebzeitten betrofen,<br />

hat mi<strong>ch</strong> bewogen, etli<strong>ch</strong>e namhafte Verenderungen der<br />

Na<strong>ch</strong>welt zu hinderlaßen.<br />

Der erste Verwaltter Key meinen Lebzeiten wäre ein<br />

Burger von Beren, Nahmens Friedri<strong>ch</strong> Walter. Dieser<br />

erbute die S<strong>ch</strong>weli und den Re<strong>ch</strong>en bei der Neßen-Lowi<br />

mit unsegli<strong>ch</strong>en Kosten um das Jar 1770. Das meiste<br />

Holz ließe er bei dem Ergili Hinunterwerts in dem sogenanten<br />

Bitmiwalt hauen. Das Mietende Waßer aber<br />

zerbra<strong>ch</strong>e merere Mahle den Re<strong>ch</strong>en und vertrüge das<br />

Holtz. Dieser Walter hatte einen S<strong>ch</strong>afner nahmens Johannes<br />

Witmer, ein Mann von ges<strong>ch</strong>winder Faßung und<br />

fürtrefli<strong>ch</strong>en Gemietsgaben. Er bra<strong>ch</strong>te die mühlithalis<strong>ch</strong>e<br />

Jhsen-Manifactur in Aufname (Aufs<strong>ch</strong>wung). Do<strong>ch</strong> wäre das<br />

Jhsen allezeit im Ruf, es seye von gar s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter Qualitet.<br />

Der Walter su<strong>ch</strong>te die Qualitet womigli<strong>ch</strong> zu verbeßren,<br />

wel<strong>ch</strong>es ime beynahe gelungen, wenn die leidege Misgunst<br />

ihr Spill mit dem S<strong>ch</strong>afner Witmer ni<strong>ch</strong>t so ser getriben<br />

hette, wel<strong>ch</strong>en der Kaspar Huber, na<strong>ch</strong>dem er in das<br />

meiste von seinen Wißens<strong>ch</strong>aften in Aufri<strong>ch</strong>tigkeit gelernet,<br />

bey dem Walter, wel<strong>ch</strong>er den Winter dur<strong>ch</strong> zu Beren<br />

wonte, anzus<strong>ch</strong>wertzen wußte, das der Witmer verstoßen<br />

und an deßen Stat der Huber zum S<strong>ch</strong>afner angenomen<br />

rvurde, wel<strong>ch</strong>er für sein Jntreße weit mer, denn um des<br />

Walters bekimret wäre; und das Jhsen war allezeit<br />

s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t.<br />

Der Walter aber herete, daß (sie) in Spanien das allerbeste<br />

Eisen aus bloßer Ertz, ohne vorher im S<strong>ch</strong>melzofen<br />

zu s<strong>ch</strong>melzen, nur im Leuterfeur preperieren konten. Dem<br />

Walter weßrete das Maul dermaßen na<strong>ch</strong> dieser Kunst,<br />

*) Über die frühere Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te dieses Eisenbergwerks beri<strong>ch</strong>tet<br />

am ausführli<strong>ch</strong>sten A. Willi, Berner Tas<strong>ch</strong>enbu<strong>ch</strong> 1884,<br />

S. 246 ff. Für die letzte Periode jedo<strong>ch</strong> ließ si<strong>ch</strong> aus den Akten<br />

nur wenig gewinnen. — Weißenfluh erlebte, was er erzählt,<br />

und hatte em persönli<strong>ch</strong>es Interesse an der „Jhsen Manifactur".<br />

Sein lebensvoller Beri<strong>ch</strong>t bildet eine eigenartige und wertvolle<br />

Ergänzung zu dem, was über die letzten S<strong>ch</strong>icksale des Unglückli<strong>ch</strong>en<br />

Bergwerkes bekannt geworden.


daß er etli<strong>ch</strong>e und fierzig Centner Planplattenertz in<br />

^nn oberkeitli<strong>ch</strong>en Kosten,<br />

wurde das Eisenwerk auf oberkeitli<strong>ch</strong>en<br />

«oke Kunft^^ der Hofnung, diese<br />

große ^unst daselbst zu erlernen. Denn er alubte die<br />

R ^ Suth als die in Hispanien; wolte<br />

st<strong>ch</strong> hm und wieder, wie denn einem sol<strong>ch</strong>en Herren und<br />

Burger von Beren gar wol gebühren' maa w Svanlen<br />

sehen laßen. Die Spanier aber konten unaea<strong>ch</strong>t ikrer<br />

großen Kunst aus des Walters Ertz gar kein Esien ma<strong>ch</strong>en<br />

Also muhßte der gutte Walter, na<strong>ch</strong>dem er viel^ Nt<br />

vergebens vers<strong>ch</strong>lissen und unsegli<strong>ch</strong>e Geltsumen vers<strong>ch</strong>wendet<br />

?urukke?ren^M^ ni<strong>ch</strong>ts gelernet, wieder na<strong>ch</strong> Beren<br />

zurukkerren. Als er jetz dieser Reise wegen vor seinen<br />

gnadigen Herren und Obren die Rä<strong>ch</strong>nung abaeleat da^<br />

bey aber bekent, daß er ni<strong>ch</strong>ts gelernet, fiengen seine Misgmftigen<br />

an, in zu verlemden, als ob er das Werk un<br />

besonen und Mit gar zu großem Kosten betribe; drohen<br />

im emen ^AMister Pryßen komen zu laßen Also<br />

^ ^ ^ n ges<strong>ch</strong>riben. denn da sotten gän, wrtrefli<strong>ch</strong>e<br />

Meister m dar Ihsen-Laberattion sein. Also käme<br />

Herr Wellen (Wähler) von Berlin aus Preyken<br />

um da- Jahr 1787 in das Mühlitall; hatte au<strong>ch</strong> ^nen<br />

UwWett Diese Mengen ?n d«<br />

^y,en ^5err m^ viellen Verendrunaen zu betriben und<br />

das, was der Walter vorher mit großem Fleiß und Kosten<br />

erbuen, umzuwerfen und zu zersterren, wel<strong>ch</strong>es den Walter<br />

großen, daß er seine Stelle niderleate und<br />

MU d« 'Zrbeit'^ de^weniger ab°?wurd!<br />

d!n fterten ?/iss S<strong>ch</strong>meltzosen wurde um<br />

m r. gema<strong>ch</strong>t. Es warren der maßen<br />

und s^ ?^ ^ ^ ""5 dem Werk; denn der Her Weelen<br />

und sem S<strong>ch</strong>afner namen allerhand junge und alte Leute<br />

ganz' s<strong>ch</strong>aren S<strong>ch</strong>uhs<br />

^ oder viellmer auf den Taalon<br />

meisten waren mer bekimret, wenn der<br />

winickwn^^ ^ die Arbeitsleuthe<br />

wmj<strong>ch</strong>enten alle, daß diesers in die Lenge werren me<strong>ch</strong>te;<br />

wo Bergrücken westli<strong>ch</strong> vom Gental, 2237 in. ho<strong>ch</strong><br />

weiter nord«k5^^"""^v wurde. Andere Gruben befanden si<strong>ch</strong><br />

werter nordöstli<strong>ch</strong> am Valmeregghorn und an der Erzegg ' ^


Mühletal ein „ungesegneter Ort" 61<br />

den daselbsten konten alte Greise und gantz junge Knaben<br />

mit lei<strong>ch</strong>ter Arbeit viel Gelt verdienen. Den die Herren<br />

warren wegen der großen Menge ni<strong>ch</strong>t im Stand, einem<br />

jeden die beherige Arbeit anzuweisen. Do<strong>ch</strong> mußte mit<br />

dem Ges<strong>ch</strong>eft seer geeillet sein, denn sey fer<strong>ch</strong>tenten, daß<br />

sey wegen Kirtze des Sommers ni<strong>ch</strong>t lang s<strong>ch</strong>melzen kentten;<br />

denn es muhßte vorher alles verendret seyn, was<br />

der Walter mit Fleiß, Kosten und Ges<strong>ch</strong>ikli<strong>ch</strong>keit erbuen<br />

hatte.<br />

Na<strong>ch</strong>dem jetz fast alles verendret, fiengen sey an zu<br />

s<strong>ch</strong>melzen, ma<strong>ch</strong>ten große Pralerey von ihrem guthen Eysen,<br />

sagten frey heraus, die Helfte were Stahel, das Eisen<br />

volkomen guth, wel<strong>ch</strong>es si<strong>ch</strong> aber herna<strong>ch</strong> zu ihrer S<strong>ch</strong>and<br />

erzeigte. — Na<strong>ch</strong>dem seye jetz etli<strong>ch</strong>e Wo<strong>ch</strong>en lang ges<strong>ch</strong>meltzet<br />

hatten, und viele S<strong>ch</strong>wyrigkeit und Verdruß<br />

erlitten, kerenten seye ietz wider na<strong>ch</strong> Beren zuruk, um<br />

daselbst die große Re<strong>ch</strong>nung abzulegen, worüber die Oberkeit<br />

wegen der ungeheuren vers<strong>ch</strong>wendenten Geltsumen<br />

dermaßen bedurete, das Selbige sol geredt und gesagt<br />

haben: das Mühlitall mieße do<strong>ch</strong> in der Dat ein seer<br />

ungesegnetter Ort sein; denn allerortten, wo auf oberkeitli<strong>ch</strong>en<br />

Kosten etwas erbuen werde, kenne man mit Gelt<br />

etwas ausri<strong>ch</strong>ten; im Mühlidall aber kenne man mit vielem<br />

Gelt im geringsten ni<strong>ch</strong>ts ausri<strong>ch</strong>ten.<br />

Na<strong>ch</strong>dem jetz der Herr Wellen und sein S<strong>ch</strong>afner oder<br />

Professor die Re<strong>ch</strong>nung abgelegt, wurden dieselben au<strong>ch</strong><br />

führ ihre Miehe und Arbeit bezalt, und dem Herr Wellen<br />

no<strong>ch</strong> über seinen gefordreten Lon hundert neue Dubelonen<br />

zum Trinkgelt gegäben, worüber er denno<strong>ch</strong> gantz misvergniegt,<br />

daß er ni<strong>ch</strong>t meer empfangen, na<strong>ch</strong> Berlin in<br />

Preißen zurukkert.<br />

Als jetz die Bergwerk-Komission gesehen, wel<strong>ch</strong>e ungeheure<br />

Geltsumen von denen Herren Berlinerren gantz<br />

unnüzli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>wendet, denn das Eisen wäre gar ni<strong>ch</strong>t<br />

besser als des Walters, fiengen sey ietz an zu bereuen,<br />

daß sie den Walter dermaßen grob behandlet hatten;<br />

wollen ihne wieder einsetzen. Der Walter aber ents<strong>ch</strong>uldigte<br />

si<strong>ch</strong> ganz hefli<strong>ch</strong> der Bes<strong>ch</strong>werli<strong>ch</strong>keit seines Alters.<br />

Also blib das Eisenwerk jetz ein Jahr ruhwig stehen; den<br />

es warre nothwendig, das es von dem Getimmel der<br />

Berliner Herren ein wenig ausruhwen kontte.


62 Verwalter Gienath<br />

Als ietz diesers Geri<strong>ch</strong>t sy<strong>ch</strong> hm und wieder verbreittet,<br />

daß nemli<strong>ch</strong> das Mühletalis<strong>ch</strong>e Eisenwerk ruhwig stehe,<br />

kam diesers Geri<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> einem theuts<strong>ch</strong>en Herren zu Ohren,<br />

wel<strong>ch</strong>er mit seinem eltren Vruhder bei Trybstat au<strong>ch</strong> zwey<br />

Eisenwerke hatte. Wurde der eine dieser Herren begierig,<br />

diesers Werk zu betryben, käme na<strong>ch</strong> Beren und nähme<br />

das Werk von meinen Gnädigen Herren 24 Jare zu Lehen.<br />

Also käme um das Jahr 1791<br />

Herr Geynand (Ludwig Gienath)<br />

in das Mühlithall.<br />

Er war ein junger Herr von 24 Jarren und von so<br />

volkomener S<strong>ch</strong>enheit, daß man in anders ni<strong>ch</strong>t als mit<br />

großer Verwundrung ans<strong>ch</strong>auen konte. Er war ein Man<br />

von ges<strong>ch</strong>winder Fassung und führtrefli<strong>ch</strong>en Gemietsgaaben<br />

Darzu war er über die maßen rei<strong>ch</strong>. Ja, es s<strong>ch</strong>inn, als<br />

ob d:e sollende Nathur alle ihre Gaaben diesem Mens<strong>ch</strong>en<br />

mithgeteilt hätte.<br />

Dieser fienge an, das Werk na<strong>ch</strong> des Walters Mode<br />

einzuri<strong>ch</strong>ten, ließe das, was die Berliner den S<strong>ch</strong>meltzofen<br />

verHe<strong>ch</strong>t hatten, wieder abbre<strong>ch</strong>en, ri<strong>ch</strong>tete alles na<strong>ch</strong> seinem<br />

Gefallen und vorteil ein. Dieser hätte weggen seyner<br />

mäßigen Sparsamkeit und fleißigen Arbeit das Eisenwerk<br />

mit Profit und zu seinem Nutzen getryben.<br />

Es stunde aber wars<strong>ch</strong>ynli<strong>ch</strong> in dem Bu<strong>ch</strong> des S<strong>ch</strong>icksals<br />

ges<strong>ch</strong>ryben, daß auf dem Mühlithalis<strong>ch</strong>en Eisenwerk<br />

keiner :m geringsten ni<strong>ch</strong>ts gewinen solte, hinaeaen aber<br />

em ,eder S<strong>ch</strong>aden und Verdruß dabey haben mieße, denn<br />

^tte er das Werk aufgeri<strong>ch</strong>tet und in Ornung<br />

gebra<strong>ch</strong>t, so ftengen die französis<strong>ch</strong>en Unruhen jetz an auszubre<strong>ch</strong>en,<br />

und die sigenden Here der Franken sy<strong>ch</strong> allenthalben<br />

auszubreitten. Also wurde Herr Gienath getrungen,<br />

uneder na<strong>ch</strong> Teuts<strong>ch</strong>land zurukzukerren und womigli<strong>ch</strong><br />

seme Werker vor der Verbrennung der Franzosen zu retten.-<br />

Denn seyn elttrer Bruhder warre zwis<strong>ch</strong>en dieser<br />

Zeit gestorben. — Kerete also, na<strong>ch</strong>dem er alles in Ornung<br />

gebra<strong>ch</strong>t und denen Armen von Nessenthall in einem<br />

Tummelt, so weggen der Gießer (?) entstanden, hilfrei<strong>ch</strong>e<br />

Hand gebotten, wieder na<strong>ch</strong> Theuts<strong>ch</strong>land zuruk, s<strong>ch</strong>ikte<br />

emen S<strong>ch</strong>afner Nahmens<br />

Friedri<strong>ch</strong> Chölius aus Theuts<strong>ch</strong>land von Trybstadt<br />

hmauf m das Mihlidall.


S<strong>ch</strong>affner Chölius. Feuersbrunst 63<br />

Er war ein guthhertziger, liebri<strong>ch</strong>er Man. Dieser fienge<br />

an zu s<strong>ch</strong>meltzen und das Werk zu betryben; denn seyn<br />

Her s<strong>ch</strong>ikte im S<strong>ch</strong>melzer und Hammers<strong>ch</strong>mit, au<strong>ch</strong> einen<br />

Gießer hinauf, wel<strong>ch</strong>e alle seer ges<strong>ch</strong>ikte Leuthe waren.<br />

Das Werk käme etli<strong>ch</strong>ermaßen in Aufnam. Allein der<br />

guthe S<strong>ch</strong>afner wurde das erste Iar von einner alltten<br />

Maggt und seinem Mezger Andres Faner auf eine himels<strong>ch</strong>ryende<br />

Weise betroggen und fast um sein gantzes Vermeggen<br />

gebra<strong>ch</strong>t, nemli<strong>ch</strong> um seyn eigenes Vermeggen.<br />

Er blib aber uners<strong>ch</strong>ittret und trybe das Werk fort. Das<br />

Holtz ließe er greßtendeils in dem Bir<strong>ch</strong>lowiwald hauen.<br />

Er ließe viel Bohnertz von Aarau oder aus derselben<br />

Gegend herauffieren mit unsegli<strong>ch</strong>em großen Kosten, worüber<br />

er si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>mals seer beklagte, daß er diese Ertz zu<br />

seines Herren großen S<strong>ch</strong>aden herauf fieren lassen. Er<br />

trib aber das Werk mitt der greßten Sorgfalt immer fort,<br />

wurde aber von weggen seiner Härtzensgiette von der<br />

Ungere<strong>ch</strong>tigkeit der Arbeitsleuten gar oft und viel angefiert<br />

und betrogen; denn der gute Mann glubte, die<br />

Landleute von Hasli weren so guth gesinnet als er, wel<strong>ch</strong>es<br />

si<strong>ch</strong> aber oft zu seinem großen S<strong>ch</strong>aden — und derren<br />

von Hasli großer S<strong>ch</strong>and erzeigte.<br />

Um die Herbstzeit 1799 kam der fatale Zeitpunkt, daß<br />

das Mihlidalis<strong>ch</strong>e Jhsenwerk ein für<strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>es Unglik auszustehen<br />

hatte; denn es bra<strong>ch</strong>e dur<strong>ch</strong> einen unbekantten<br />

Zufall in der Hamers<strong>ch</strong>miten ein Feuhr aus um die<br />

Mitterna<strong>ch</strong>tzeit, daß selbiges niemand gesehen, bis es<br />

heftig in Flamen ausgebro<strong>ch</strong>en und ni<strong>ch</strong>t mer gelös<strong>ch</strong>t<br />

werden konte; den weil es gegen der Winterzeit wäre,<br />

hate der Verwalter die meisten seiner Arbeitsleuthen kurtz<br />

vor diesem unglikli<strong>ch</strong>en Zufall fortgehen laßen und muhßten<br />

also das gantze Werk mit samt dem neuen Eisenmagazin,<br />

wo Her Geynand selbst erbuen lyß an den S<strong>ch</strong>meltzofen,<br />

gentzli<strong>ch</strong> verbrenen laßen und muhßten si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> glikli<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>etzen, daß ni<strong>ch</strong>t das ganze Werk mit samt denen Kohls<strong>ch</strong>iren<br />

und dem Haus au<strong>ch</strong> abgebrunnen; wel<strong>ch</strong>es au<strong>ch</strong><br />

gewis widerfarren, wen ni<strong>ch</strong>t die Feurspryzen zugegen<br />

gewesen wern. — Dur<strong>ch</strong> diesers große Unglik wurde dieser<br />

Verwalter dermaßen ers<strong>ch</strong>ittret, daß er bynahe aus aller<br />

Fassung kam; denn cr war in großen Sorgen, seyn Herr<br />

me<strong>ch</strong>te ihme Vorwirfe darüber ma<strong>ch</strong>en, als ob er das


64 AbHolzung der Wälder<br />

Werk lie<strong>ch</strong>tsinnig betrybe. — Der Spru<strong>ch</strong> des weltweisen<br />

Heiden Diogenis wurde an dem Verrvaltter Chelius au<strong>ch</strong><br />

erfült, denn dieser Diogenes einmall soll geredt und gesagt<br />

haben: Die Lenge der Zeit ma<strong>ch</strong>e dem Mens<strong>ch</strong>en sein<br />

Unglik je lenger je lie<strong>ch</strong>ter — denn kaum hatte er si<strong>ch</strong><br />

ein wenig von diesem S<strong>ch</strong>reken erholet, so ma<strong>ch</strong>te er<br />

Anstalten, das Werk wiederum aufzuri<strong>ch</strong>ten. Ließe eine<br />

ungeheure Menge s<strong>ch</strong>ener Beimen in dem Flieliwalt<br />

ob dem Stegs<strong>ch</strong>leif oder dem S<strong>ch</strong>wibogen niderfellen und<br />

in das Mühletall fieren; denn dieser Zeit wurden eine<br />

so unglubli<strong>ch</strong>e Menge s<strong>ch</strong>ener Beime aus demselben Flieliwalt<br />

von vielen Leuthen genomen, daß man darab ein<br />

Verwundren haben muhßte*). Ja, es wäre ni<strong>ch</strong>t anders<br />

als ob ein bestendiger Brunnen dieselben tegli<strong>ch</strong> aus der<br />

Erden Herfür bre<strong>ch</strong>te. — Die Wendelbeime und andere<br />

große Helzer ließe der Verwalter in dem Hopflowinen<br />

Walt fellen. Das S<strong>ch</strong>iksal fienge an, si<strong>ch</strong> etwas milter<br />

zu erzeigen, weillen die Witrung den Winter dur<strong>ch</strong> seer<br />

angenem, ja sogar daß die meiste Zeit weder Reif no<strong>ch</strong><br />

S<strong>ch</strong>nee läge.<br />

Der Verwalter Chelius fienge si<strong>ch</strong> wiederum an wie<br />

von einer s<strong>ch</strong>werren Krankheit zu erholen, denn derselbe<br />

wäre dur<strong>ch</strong> die unglikli<strong>ch</strong>e Brunft der Maßen abgemattet<br />

^ er si<strong>ch</strong> beynahe ents<strong>ch</strong>loßen, das fast jederman unglikk<strong>ch</strong>e<br />

MMtall zu verlaßen — wel<strong>ch</strong>es den Kaspar Huber<br />

eben m<strong>ch</strong>t fast würde bekimret haben; denn derselbiae<br />

hatte allezeü die Hoffnung, no<strong>ch</strong> einmall S<strong>ch</strong>affner zu<br />

werden. Da<strong>ch</strong>te also viele Lift und Renke aus, wie er<br />

^^ri<strong>ch</strong>tlgen Chelius aus dem Mühlidall verstoßen<br />

me<strong>ch</strong>te denn der Kaspar Huber wäre der Einzige, dem<br />

das Eysenwerk im Mühlidall mer Nuzen als Verdrus<br />

und S<strong>ch</strong>aden gebra<strong>ch</strong>t. — Es s<strong>ch</strong>iene aber, als ob das<br />

S<strong>ch</strong>iksal bes<strong>ch</strong>loßen hätte, keinen Mens<strong>ch</strong>en ungestraft weggehen<br />

zu laßen, denn der Kaspar Huber wurde na<strong>ch</strong>her<br />

selbften von dem Glik seer benidet — ob es gli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>inen,<br />

die vielen Ungliksfälle und kostbaren Verenderungen<br />

des Mühlidaller Eisenwerks weren dem Kaspar Huber<br />

lautter Glik und Freude. Denn derselbe wonete zunä<strong>ch</strong>st<br />

. *) Da das Eisenwerk die s<strong>ch</strong>önen Wälder fraß, war es früher<br />

emmal (1628) von den erbitterten Haslern gründli<strong>ch</strong> zerstört


Wiederaufbau des Werkes 65<br />

an dem Werk, nemli<strong>ch</strong> ob dem S<strong>ch</strong>wybogen oder der<br />

Straß, äußert dem Genttelba<strong>ch</strong>. Er besorgete alle Zeit<br />

die Wirts<strong>ch</strong>aften des Mühlidalls zu seinem großen Nutzen;<br />

darzu ma<strong>ch</strong>te er widerum den Plan für die Wiederaufburvung<br />

der Hammers<strong>ch</strong>mitten zu seinem Nutzen, denn er<br />

rvoltte seinen Profit von allem haben, ob er s<strong>ch</strong>on kaum<br />

die Hand an das Werk legte.<br />

Na<strong>ch</strong>dem jetz alli Matteryalien auf dem Platz waren,<br />

so fienge der Verwaltter jetz mit der greßten Sorgfalt und<br />

meßiger Sparsamkeit an, das Werk wiederum aufzubuwen.<br />

Hatte viele Taglener, da er denn dem gemeinen Taglener<br />

tegli<strong>ch</strong> zehen Bazen zalte. — Das Werk wurde in kurzer<br />

Zeit volkomen wider Hergestelt, denn die Arbeit gienge<br />

s<strong>ch</strong>leinig und guth von statten. Na<strong>ch</strong>dem jetz alles wieder<br />

Hergestelt wäre, fienge er wieder an zu s<strong>ch</strong>melzen und das<br />

Werk zu betryben. Allein der gute Ehelius muhßte leider<br />

abermal ein neues Unglik erleben; denn es entstund den<br />

neunten Heumonat ein aus der Maßen starker Regen,<br />

wel<strong>ch</strong>er mit Hagel vermis<strong>ch</strong>t wäre, dardur<strong>ch</strong> die Ahrren<br />

(Aare) dermaßen angewa<strong>ch</strong>sen, daß selbige den Re<strong>ch</strong>en<br />

ganz zerbro<strong>ch</strong>en und nebst vielem Holz weggetragen, worüber<br />

er si<strong>ch</strong> aber ni<strong>ch</strong>t viel bekimrete, denn er sagte: man<br />

kenne der Gewalt des Waßers weder dur<strong>ch</strong> Klugheit no<strong>ch</strong><br />

Sterke Widerstand thun, glaube also, seyn Herr werde<br />

ime deshalben gar kein Vorwirfe ma<strong>ch</strong>en.<br />

Zwis<strong>ch</strong>en dieser Zeit gruben etli<strong>ch</strong>e Menner von Brienz<br />

gegen dem sogenanten Birkendall in der Erde um Erz,<br />

waren au<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> dermaßen glikli<strong>ch</strong>, eine Ader Erz anzutrefen,<br />

worüber selbige seer freidig waren, denn seye<br />

meinten, diese ihre Erz were so guth als die, wel<strong>ch</strong>e der<br />

Verwaltter Chelius von Aarau herauf fieren laßen;<br />

s<strong>ch</strong>ikten au<strong>ch</strong> viel von dieser Erz in das Mühlidall. Sie<br />

kontten aber aus derselben Erz kein Eisen ma<strong>ch</strong>en, daß<br />

man es bru<strong>ch</strong>en konte und hätten darzu no<strong>ch</strong> beynahe die<br />

ganze S<strong>ch</strong>melze verderbt und muhßten also mit S<strong>ch</strong>impf<br />

und S<strong>ch</strong>aden darvon abstehen, und eine große Qantetät<br />

Erz blibe auf der Stelle ligen. — Ni<strong>ch</strong>t lange darna<strong>ch</strong><br />

kam ein anderer, Namens Christian Lowiner, der gäbe<br />

dem Verwaltter Chelius vor, wie daß er ein zimli<strong>ch</strong> guthe<br />

Ertz in dem Urba<strong>ch</strong>dall oder derselbigen Gegend funden<br />

hätte; ma<strong>ch</strong>te au<strong>ch</strong> einen Acord für etli<strong>ch</strong> hundert Centner<br />

v. Weißenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>. 5


66 Ein S<strong>ch</strong>elmenstrei<strong>ch</strong><br />

und ließe selbige in das Mihledall fieren mit großen<br />

? A. ' ^ selbige vers<strong>ch</strong>melzen wellen, hat die<br />

selbtge Ertz ni<strong>ch</strong>t Eisen sondren nur S<strong>ch</strong>laken geben, und<br />

olibe seer vil von dieser Ertz hin und wieder unvers<strong>ch</strong>melzt<br />

liegen. Der Verwaltter Ehelius gäbe hieraus allem fremden<br />

Ertz Abs<strong>ch</strong>eit, denn er hatte jetz dreierley Ertz zu<br />

semes Hern großen S<strong>ch</strong>aden in das Mihledall fierren<br />

laßen, als nemli<strong>ch</strong> die Vonertz von Aarau, die von Brienz<br />

Name im also for, das Werk mit<br />

bloßer Planblatten Ertz zu betryben, wel<strong>ch</strong>es au<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ähe.<br />

Dem gutten Kaspar Huber wurde die Zeit seer lana<br />

denn er hatte d:e Hoffnung no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gantz aufgegäben'<br />

no<strong>ch</strong> emmall S<strong>ch</strong>affner zu werden; uberlegte bey si<strong>ch</strong><br />

selber, wenn der Verwaltter abermalen ein neues Unalik<br />

erleben nneßte so wurde er gewiß das Mühlentall als<br />

für lhne he<strong>ch</strong>ft unglikli<strong>ch</strong>en Ort verlaßen; denn er<br />

wußte wol, daß ihn die vorigen Ungliksfälle seer miede<br />

gema<strong>ch</strong>t hatten; sähe mit Freuden allen s<strong>ch</strong>wartzen<br />

Wolken na<strong>ch</strong>, die gegen das Mühlentall hin fuhren, denn<br />

er wäre so begierig, das Unglik des Mühlentalls zu sehen,<br />

wie Jonas (das) der Stadt Nineve. Der Verwalter Ehelius<br />

aber wäre bey der kleinsten Sa<strong>ch</strong>e dermaßen sorafeltlg<br />

daß der gute Huber die gefaßte Hoffnung, daß<br />

nemb<strong>ch</strong> das Muhlentall dur<strong>ch</strong> ein no<strong>ch</strong>maliges Unalik<br />

gekrenkt werden solte, aufgeben (mußte). Weilen ihme,<br />

Huber, aber das gantze Gebeu des Mühlentaller Eisen-<br />

^k^^^bekant wäre - denn er war des Herrn<br />

Weelens aus Pre<strong>ch</strong>en obrister Werkmeister in der Zimmerarbeit,<br />

als derselbige das Werk betryben — so erinrete<br />

er >!<strong>ch</strong>, wie das Sagencanal ho<strong>ch</strong> ob dem großen Haubtl^he;<br />

s<strong>ch</strong>k<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> also bey finsterer Na<strong>ch</strong>t zu dem<br />

geda<strong>ch</strong>ten Sagen Kanal, und weilen er das selbige selbsten<br />

erbuen, aus Befel<strong>ch</strong> der Berliner Herren, so ftirtzte er<br />

das selbtge Eanal mit wenig Miehe hinab auf das große<br />

^ ^^nung, es solte das ganze Waßerwerk<br />

zers<strong>ch</strong>metren und zerfteren, wel<strong>ch</strong>es aber zu des Hubers<br />

greßtem Glik ni<strong>ch</strong>t ges<strong>ch</strong>ähe. Denn der einfeltige Thor<br />

wurde von einem Hammers<strong>ch</strong>mid, wel<strong>ch</strong>en er vormals beleidigt<br />

hatte, gesehen und erkant, und muhßte also in seinen<br />

eigenen Kesten zu seiner allergrößten S<strong>ch</strong>ande dieses Eanal<br />

wieder ufbuen laßen; zudem wurde er no<strong>ch</strong> von vielen


Frei na<strong>ch</strong> Plutar<strong>ch</strong> 67<br />

brafen Leuthen in Verda<strong>ch</strong>t gezogen, als ob er an dem<br />

unglikli<strong>ch</strong>en Brand der Hammers<strong>ch</strong>mitten au<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>ermaßen<br />

me<strong>ch</strong>te die S<strong>ch</strong>uld gewesen sein. Were dem Huber<br />

sein teri<strong>ch</strong>ter Ans<strong>ch</strong>lag gelungen, daß dur<strong>ch</strong> disers das<br />

gantze Waßerwerk rvere zerstert worden, so werre der<br />

Huber gewiß ruiniert worden, denn er hätte selbiges gewiß<br />

in seinen eigenen Kesten wieder aufri<strong>ch</strong>ten mießen.<br />

Zudem mußte er die Hoffnung, no<strong>ch</strong> einmall S<strong>ch</strong>affner<br />

zu werden, genzli<strong>ch</strong> aufgeben, denn er wurde von Jederman<br />

wegen dieser tore<strong>ch</strong>ten Frefeltat als ein außrest boshafter<br />

Mens<strong>ch</strong> angesehen und verla<strong>ch</strong>et.<br />

4- -I-<br />

(5ato unct Oesar*).<br />

Als der Cesar, wel<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t lange vor Christo lebte<br />

und ein seer beriemter Feldher und tapferer Krieger wäre —<br />

hatte aus Befehl des Remis<strong>ch</strong>en Raths in Brytanien,<br />

Holand und daherum mit fielem Glücke Krieg geführt,<br />

au<strong>ch</strong> man<strong>ch</strong>e Nation überwunden. Darna<strong>ch</strong> wurden die<br />

Deuts<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e höher am Rhein wohnten, wider den<br />

Willen des Remis<strong>ch</strong>en Raths, wel<strong>ch</strong>er Frieden mit demselben<br />

großen Lande gema<strong>ch</strong>t, au<strong>ch</strong> mit Krieg uberzogen.<br />

Die Deuts<strong>ch</strong>en wurden aus der maßen ges<strong>ch</strong>ediget; das<br />

Land wäre verheret und dreymalenhundert dusend der<br />

besten Krieger wurden von den Remren ers<strong>ch</strong>lagen. Hierauf<br />

s<strong>ch</strong>ikt der siegestrunkene Cesar seine Legaten gen Rom,<br />

um bey dem Remis<strong>ch</strong>en Rath zu werben und anzuhaltten,<br />

daß er einen herli<strong>ch</strong>en Treiumpf halten me<strong>ch</strong>te, wel<strong>ch</strong>es<br />

damahlen eine ausnehmende Ehre war. Die meisten<br />

Rathsherren neigten si<strong>ch</strong> hierauf zu dem Cesar, um demselben<br />

in seinem Begeren zu wilfaren<br />

Da stund der weyse Cato auf und sagte: Dieweil der<br />

Cesar die Deuts<strong>ch</strong>en als unsere Bundesgenossen unabgesagt<br />

angegrifen und so merkli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ediget hat, so glaube i<strong>ch</strong>,<br />

es were weit besser, den Cesar gebunden und gefangen<br />

denselben zu ubergeben, wel<strong>ch</strong>e er wider den Willen des<br />

Remis<strong>ch</strong>en Raths ges<strong>ch</strong>edigt, als in tryumpfieren zu laßen.<br />

*) Vermutli<strong>ch</strong> hat der <strong>Chronik</strong>s<strong>ch</strong>reiber zur Übung man<strong>ch</strong>e<br />

Anekdote aus seinem Plutar<strong>ch</strong> „bearbeitet", do<strong>ch</strong> findet si<strong>ch</strong> m<br />

unserem Manuskript nur diese eine, <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong>e Probe. Offenbar<br />

hätte Weißenfluh mit Cato gestimmt.


68 Zerstörung von Obermad<br />

Von etli<strong>ch</strong>en onerierten Scknee-Lauvvenen<br />

im Jakr 1808.<br />

In diesem 1808 Jahr wäre der Augstmonat und der<br />

Herbst dermaßen naß, daß man das spete Fuhter und<br />

Amd seer s<strong>ch</strong>lä<strong>ch</strong>t und mit der greßten Miehe samlen<br />

konte. Seer friehe s<strong>ch</strong>neite es in Berg und Thal, ja es<br />

s<strong>ch</strong>neite fast tägli<strong>ch</strong> von Mi<strong>ch</strong>aeli bis den se<strong>ch</strong>sten Christmonat;<br />

da fienge es erst re<strong>ch</strong>t an, in den di<strong>ch</strong>testen Gestebren<br />

an zu s<strong>ch</strong>neien, wel<strong>ch</strong>es mit dem s<strong>ch</strong>rekli<strong>ch</strong>sten<br />

Orkan begleitet wäre. Au<strong>ch</strong> hers<strong>ch</strong>te eine grausame Kelte<br />

bis den 12. Christmonat abends um vier Uhr: da riß<br />

si<strong>ch</strong> die Fürs<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t-Lowe auf einmal los, und zwar von<br />

dem Märenhorn über den blauen Glets<strong>ch</strong>er hinaus bis<br />

an das Rothe Bergli bra<strong>ch</strong>e die gantze S<strong>ch</strong>neelast los.<br />

Die s<strong>ch</strong>enen Waldungen vom Fürs<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t-Graben hinein<br />

bis etwan zwanzig Klafter innert den S<strong>ch</strong>warzen-Graben<br />

wurden beynahe nider geworfen; es bliben ob dem Berstein<br />

und zune<strong>ch</strong>st ußert dem S<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en Graben no<strong>ch</strong><br />

etli<strong>ch</strong>e Hundert junge Dannen stehen, wovon die greßten<br />

ein gemeinen Zimmerbaum geben me<strong>ch</strong>ten; — das Übrige<br />

alles ward nider geworfen. Diese Lowe hat die altten<br />

S<strong>ch</strong>euren im Dubenkropf, wel<strong>ch</strong>e bey zweyhundert Jaren<br />

gestanden, au<strong>ch</strong> zers<strong>ch</strong>metret, einen jungen Gesellen nebst<br />

sieben Kienen (Kühen) und drei Meis<strong>ch</strong>en gedetet; ein<br />

Man aber und etwas S<strong>ch</strong>malfie<strong>ch</strong> ist no<strong>ch</strong> lebendig hervorgegraben<br />

worden und zwar mit großer Miehe, denn der<br />

Lowis<strong>ch</strong>nee wäre fierzehn S<strong>ch</strong>uh ho<strong>ch</strong>. Es hat in der<br />

Fürs<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t, grad ein Tiers<strong>ch</strong>utz ob der Erlebrik, au<strong>ch</strong><br />

eine S<strong>ch</strong>euer gebro<strong>ch</strong>en und eine S<strong>ch</strong>eur in Heinri<strong>ch</strong><br />

Mezeners und eine S<strong>ch</strong>eur in des Mel<strong>ch</strong>er Lu<strong>ch</strong>sen Weid<br />

au<strong>ch</strong> gebro<strong>ch</strong>en.<br />

Den glei<strong>ch</strong>en Tag, nemli<strong>ch</strong> den 12ten Christmonat 1808,<br />

wurde das Derflin Obermat abends um 10 Uhr von<br />

einer Staublauine verwiestet. Von siebenzig Mens<strong>ch</strong>en<br />

kamen dreiundzwanzig um das Leben; mehrere Häuser<br />

wurden gantz zerstert, und kein einziges blieb unbes<strong>ch</strong>ädiget.<br />

Der Verlörst an Vie<strong>ch</strong> war glei<strong>ch</strong>fals beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>.


Bergsturz von Goldau 69<br />

Von etlieken Kerg-Stirtzen un


70 Bergsturz von Biasca<br />

zwey einander gegenüber stehenden Bergen so zusamen,<br />

daß der zwis<strong>ch</strong>en ihnen fließende Vlegnoftrom in seinem<br />

Lauf festgehalten und dermaßen aufgedemt wurde, daß<br />

das heutege Bolenzerthal auf ein Par Jahrhunderte lang<br />

zum See verwandlet ward*). Ob bey diesem entsetzli<strong>ch</strong>en<br />

Ereigniße viele Mens<strong>ch</strong>en umkamen, weis man ni<strong>ch</strong>t.<br />

Genug, es war nun ein großer See da, wo sonst Heerden<br />

weideten; es entstanden und vergiengen darüber Mens<strong>ch</strong>enges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter;<br />

man erinrete si<strong>ch</strong> entli<strong>ch</strong> kaum no<strong>ch</strong>, das<br />

iemals vorzeitten daselbst trokenes Land gewesen war.<br />

Volle zweyhundert und zwey Jahre aber nagte der gefesselte<br />

Vlegnoftrom an dem ungeheuren Felsens<strong>ch</strong>utt Dam<br />

Entli<strong>ch</strong> und pletzli<strong>ch</strong> erst im Jahr 1714 bra<strong>ch</strong> er Mietend<br />

heraus und weltzte si<strong>ch</strong> die ungeheure Waßermenge alles<br />

verni<strong>ch</strong>tend dur<strong>ch</strong> die weitte Rifiera hinab in Lago magiore.<br />

Hitten und Kir<strong>ch</strong>en, Herden und Mens<strong>ch</strong>en wurden<br />

weggespielt. Se<strong>ch</strong>s hundert Bewoner des ehemals so<br />

fru<strong>ch</strong>tbaren Rifiera Tals fanden ihren Tod in den<br />

Flutten. Die Hitten sind heut zu tag am fru<strong>ch</strong>tbaren<br />

Gebirge. Ede (öde) ist das darunter ligende Land, der<br />

meiste Deil Sumpf und Moor, dessen hehre (höhere)<br />

Teill S<strong>ch</strong>uthigel sint, wo zwis<strong>ch</strong>en dem Gesteine Dornen<br />

stehen. Es fehlte zwar ni<strong>ch</strong>t an Versu<strong>ch</strong>en, die ehemals<br />

so blrehenden Fluhren unter dem S<strong>ch</strong>utte Hervorzugraben,<br />

aber neue Bergstirtze und Wolkenbri<strong>ch</strong>e im Jahr 1747<br />

riefen den Flu<strong>ch</strong> über den unglikli<strong>ch</strong>en Boden zurik, der<br />

nun auf Jahrhunderte lang ede bleiben wirt. —<br />

Von ungewollten Jakrgangen.<br />

Allemal, wen etwa ein Jahrgang dur<strong>ch</strong> irgend etwas,<br />

sey es Trökne oder Näße oder sonst etwas, si<strong>ch</strong> auszei<strong>ch</strong>net,<br />

so sagen die Leute: es ist do<strong>ch</strong> unser Leben lang nie so<br />

gewesen. Und denno<strong>ch</strong> geht die Welt ihren gewonten<br />

Gang immer fort, und es war zu allen Zeiten man<strong>ch</strong>erley<br />

sonderbare Witterung.<br />

*) Es handelt si<strong>ch</strong> um den Anno 1512 niedergegangenen<br />

Bergsturz vom Pizzo Magno, zirka eine Viertelstunde oberhalb<br />

^ Dur<strong>ch</strong>bru<strong>ch</strong> der Wassermassen dur<strong>ch</strong> den „Felsens<strong>ch</strong>utt-Damm"<br />

ließ ni<strong>ch</strong>t so lange auf si<strong>ch</strong> warten, als unser<br />

^yromks<strong>ch</strong>relber annimmt, sondern erfolgte vierzehn Monate na<strong>ch</strong>


Weißenfluh und Justinger 71<br />

Anno 1362 war zu Bern ein ubermäßig heißer Sommer,<br />

wo Matten und Weiden verbranten und alles Futter,<br />

Heu und Emd verdarb. Daruf folgete anno 1363 ein<br />

großes Viehsterben, sonderli<strong>ch</strong> im Monat Hornung, Merz<br />

und April. Viel Vieh starb vor Hunger; vieles mußte<br />

ges<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tet werden, damit es ni<strong>ch</strong>t Hungers sterbe. Man<br />

futterte an vielen Orten Ebaumb (oberhasli: Eboin ^<br />

Epheu) und Tannkries; etli<strong>ch</strong>e dekten die Strohdä<strong>ch</strong>er ab<br />

und legten das Stroh dem Vieh vor ^).<br />

Hingegen anno 1420 war ein so friehes Jahr, daß<br />

man zu angehendem Mayen reife Kirs<strong>ch</strong>en und auf den<br />

22. Heuet reiffe Trauben fand. Die meisten Baume verbieten<br />

im Merzen. Der April war no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ener; den<br />

?ten hatte man zu Basel Erdbeeren feil. Zu S<strong>ch</strong>wytz<br />

blieten etli<strong>ch</strong>e Reben den 5. Aprill. Zu Bern fieng man<br />

an, den Wein zu lesen den lezten Augstmonat. Zu Basel<br />

s<strong>ch</strong>enkte man neuen Wein auf Bartlomä Tag, die Mas<br />

um 1 Pfenig, zu Bern um 4, 5, 6 und 7 Pfenig^). —<br />

Anno 1514 war ein gar kaltter Wintter und viel S<strong>ch</strong>nee.<br />

Der Ziri<strong>ch</strong>see uberfror, daß man von Rappers<strong>ch</strong>weil gen<br />

Ziri<strong>ch</strong> mit S<strong>ch</strong>litten fuhr. Die Müller in Wintertur<br />

1) Vergl. Justinger, Berner-<strong>Chronik</strong>, 124 f. „Do man zalte<br />

von gots geburt HlLLL^XIII jar, waz der kalt winter in allen<br />

tüts<strong>ch</strong>en landen, und was gefroren von dem anevang untz (bis)<br />

in den mertzen." — Und für 1364: „Von den höw stufflen.<br />

?? 5"lte von gots geburt NLL(^XIIII jar, kamen die<br />

höwstuffel m daz land mit helnen, und fraßen Korn, loube und<br />

graz, und taten großen s<strong>ch</strong>aden." —<br />

2) Justinger, 287: „Do man zalte von Gots geburt IVlLecLXX<br />

jar, waz der winter milt, gut und hat ein besser ende, das glentz<br />

(der Lenz) no<strong>ch</strong> besser, der mertz hat keinen sne, der sumer früh.<br />

Es verbluten der merteil alle böme im mertzen. Am fünften tag<br />

aberellen hat man ze basel ertber veil, ze spietz bluten etli<strong>ch</strong><br />

reden im aberellen; der geburen regel wart vals<strong>ch</strong>, wan alle<br />

mertzenblust wart gut und wart allerley obs, über die Massen<br />

vil Korns und roin anug. Man vieng ze kern an lesen am<br />

lesten tag ougsten, do<strong>ch</strong> wart ein ban gema<strong>ch</strong>t XII tag; der win<br />

wart zemale gut und sunderli<strong>ch</strong> ze bern. Bi basel in des margrafen<br />

lant s<strong>ch</strong>ankt man nüwen win laurencii (10. Aug.), ze<br />

basel nuwen win uf bartholomee (24. Aug.), ein maß umb einen<br />

phenning; der berner wart vast gut, den s<strong>ch</strong>ankt man dez ersten<br />

ein maß umb vier phenning, über a<strong>ch</strong>t tag umb fünf, über XIIII<br />

tag umb se<strong>ch</strong>s und um siben; daruf gestund er. Darna<strong>ch</strong> gab<br />

man ein müt Dinkel umb IX s<strong>ch</strong>., den habern um VI s<strong>ch</strong>., den<br />

roggen umb X s<strong>ch</strong>., und galt ein guldin I Pf. IX s<strong>ch</strong>."


72 Teurung. Lawinen<br />

konten in 14 Tagen ni<strong>ch</strong>t mahlen. Man fuhr von S<strong>ch</strong>affhausen<br />

gen Andelfingen zu Mühli. Der Rhein war oberhalb<br />

der Brike so gefroren, daß man dariber reitten und<br />

gehen konnte; man hat daselbst ein Haasen auf dem Rhein<br />

gejagt und gefangen. Zu Basel hat man auf dem Rhein<br />

getanzet und gespilt. —<br />


Tod des <strong>Chronik</strong>s<strong>ch</strong>reibers 73<br />

die andren waren unverletzt hervorgegraben worden.<br />

Die Huser auf Mühliftalden wurden stark bes<strong>ch</strong>ediget, die<br />

Pfeifter einges<strong>ch</strong>lagen, die Tü<strong>ch</strong>er abgeworfen, und die<br />

Hüser ganz unbrau<strong>ch</strong>bar gema<strong>ch</strong>t. Da i<strong>ch</strong> die erste Person<br />

war, wo auf diesem verunglikten Platz ers<strong>ch</strong>in, und mi<strong>ch</strong><br />

aller Gefahr aussetzte, um diese vers<strong>ch</strong>iteten Mens<strong>ch</strong>en zu<br />

reten, so erhielt i<strong>ch</strong> eine Gradevekation von der Hohen<br />

Regierung, L. 20.<br />

1812.<br />

Rütte der Kaiser Nappolion gegen Rußland vor.<br />

Spanier, Franzosen, Holender, S<strong>ch</strong>witzer und Duts<strong>ch</strong>e,<br />

eine Armee von 600,000 Man, solte das Rußis<strong>ch</strong>e Ri<strong>ch</strong><br />

einnehmen. Wirkli<strong>ch</strong> mußten die Rußen dieser ungehüren<br />

Ma<strong>ch</strong>t wi<strong>ch</strong>en, und zogen si<strong>ch</strong> fe<strong>ch</strong>tent bis Moskau zuruk.<br />

Dieße ungehüre Stadt wurde von den Rußen sebst in<br />

Brand gestekt, daß die französis<strong>ch</strong>e Armee kein Obda<strong>ch</strong><br />

und kein Lebensmittel fand; in dieser bedenkli<strong>ch</strong>en Lage<br />

wurde die französis<strong>ch</strong>e Armee angegrifen und zum Theill<br />

zum Rukzug genetiget. Eine ungehüre Kälte bra<strong>ch</strong> ein;<br />

tägli<strong>ch</strong> kamen 1000 und 1000 vor Frost und Kelte um<br />

das Leben. Die Pferd konten die Stuk ni<strong>ch</strong>t mehr fortbringen<br />

und bliben in dem Morast steken; auf allen<br />

Punkten wurde die französis<strong>ch</strong>e Armee angegrifen, und<br />

für Hunger (und) Frost kam binahe alles um das Leben;<br />

denn nur 40,000 Man kamen bey Willna zurük.<br />

<strong>1821</strong> ist der Verfasser dieses Bu<strong>ch</strong>s gestorben; er<br />

ermant sinen Sohn no<strong>ch</strong> in finen lesten Tagen, die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

der Jahrbü<strong>ch</strong>er fortzusetzen, er endet hiemit den<br />

ersten Theil dieses Bu<strong>ch</strong>s. Hans von Ulisenslu.<br />

Nesenthal, den 29. May <strong>1821</strong>.<br />

Ende des Ersten Theils.<br />

Den Zweiten setzt der Sohn gli<strong>ch</strong>es Namens fort,<br />

der zu siner Zitt au<strong>ch</strong> zum Vors<strong>ch</strong>in komen wird*).<br />

*) Ist leider bis jetzt ni<strong>ch</strong>t ges<strong>ch</strong>ehen.


Anhang.<br />

l>ie „Gegenrevolution" im Oberlanct,<br />

April unä Mai ^98.<br />

Weißenfluhs Beri<strong>ch</strong>t über den Einbru<strong>ch</strong> der Waldstätter-Truppen<br />

ins Haslital und über die Haltung der<br />

Oberländer enthält mehrere Einzelheiten, die sonst ni<strong>ch</strong>t<br />

gemeldet werden und wei<strong>ch</strong>t in etli<strong>ch</strong>en Punkten ziemli<strong>ch</strong><br />

stark von anderen Darstellungen ab. Jedenfalls kannte<br />

der Ehroniks<strong>ch</strong>reiber von Mühlestalden die Stimmung<br />

seiner oberhaslis<strong>ch</strong>en Mitbürger besser als der General<br />

Aufdermaur oder der Pater Paul Styger. Da er aber<br />

zu dieser Zeit offenbar ganz „helvetis<strong>ch</strong>" geri<strong>ch</strong>tet war,<br />

als klarsehender und urteilender Kopf wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />

d:e Aussi<strong>ch</strong>tslosigkeit einer kontrarevolutionären Erhebung<br />

von Anfang an erkannte, ers<strong>ch</strong>eint er, trotz aller Sympathie<br />

für die unglückli<strong>ch</strong>en Nidwaldner, do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t völlig<br />

unparteiis<strong>ch</strong> — wer hätte es überhaupt damals sein können!<br />

Und weil im Oberhasli selbst die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te jener<br />

interessanten Frühlingstage sehr wenig mehr bekannt ist,<br />

möge hier, zur besseren Würdigung des Weißenfluhs<strong>ch</strong>en<br />

Textes, eme kurze Übersi<strong>ch</strong>t folgen, wel<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong> den „anderen<br />

^6tl zum Worte kommen läßt. Helvetikkundige Leser<br />

werden dann wenig Neues finden, da das meiste in der<br />

„Äktensammlung aus derZeit der helvetis<strong>ch</strong>en<br />

Republik" von Johannes Strickler enthalten ist,<br />

nur daß einige wenige der daselbst kurz <strong>ch</strong>arakterisierten<br />

S<strong>ch</strong>riftstücke (betreffend Untersu<strong>ch</strong>ung und Strafverfahren<br />

gegen die „Rebellen" im Oberhasli) hier vollständig mitgeteilt<br />

werden.<br />

»<br />

5<br />

Als im April 1798 die Kantone Uri, S<strong>ch</strong>wyz, Nidwalden<br />

und Glarus si<strong>ch</strong> gegen die helvetis<strong>ch</strong>e Verfassung<br />

zum Kampfe erhoben und dur<strong>ch</strong> eine kräftige Offensive<br />

au<strong>ch</strong> einen Teil der übrigen S<strong>ch</strong>weiz mitzureißen hofften,


Erster Einbru<strong>ch</strong> der Waldstätter ins Haslital 75<br />

rückte der linke Flügel ihrer Streitma<strong>ch</strong>t gegen den Brünig<br />

vor, um, wenn die Stimmung „drüben" günstig sei, ins<br />

Haslital einzubre<strong>ch</strong>en und gemeinsam mit den Berner<br />

Oberländern wohl bis na<strong>ch</strong> Thun vorzudringen. Die<br />

Hauptführer dieser Expedition waren Aufdermaur<br />

von S<strong>ch</strong>wyz und Hauser von Glarus. Ein erster Vorstoß,<br />

der am 23. April mit ungefähr 1000 Mann „in die<br />

Lands<strong>ch</strong>aft Oberhasli bis hinunter in die Gegenden ob<br />

Brienz" unternommen wurde, s<strong>ch</strong>lug fehl; die Oberländer<br />

wollten ni<strong>ch</strong>t mitma<strong>ch</strong>en, und die Truppen von Unterwalden<br />

mußten, „genöthiget von den Haslithalern", den<br />

Rückzug antreten. Dadur<strong>ch</strong> wurde die ohnehin s<strong>ch</strong>wierige<br />

Lage für die Jnners<strong>ch</strong>weizer auf dem Vrünig bedeutend<br />

vers<strong>ch</strong>limmert. Gwerder, einer ihrer Kommandanten, entwirft<br />

in seinem Brief an Alois Neding (25. April) davon<br />

ein sehr düsteres Bild. „Mit innigsten S<strong>ch</strong>merzen und<br />

aus Not gedrungen muß i<strong>ch</strong> Ihnen s<strong>ch</strong>leunigst melden,<br />

wie si<strong>ch</strong> die Umstände sowohl bei meinen als au<strong>ch</strong> bei<br />

den Truppen von Unterwalden tägli<strong>ch</strong> ändern und von<br />

Tage zu Tage zum Bösern neigen. Bei den Truppen<br />

von Unterwalden herrs<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> ein allgemeines Klagen;<br />

die elende Logis und Quartierung, die rauhe kalte Witterung<br />

in dieser Gegend, der Mangel an nötigen Lebensmitteln<br />

ma<strong>ch</strong>en diese Leute immer wankender, zaghafter,<br />

(so daß) zu für<strong>ch</strong>ten ist, daß diese Leute gar in desperate<br />

Unordnungen verfallen, wie es letzte Na<strong>ch</strong>t bei den Unter-<br />

Waldnern bald ges<strong>ch</strong>ehen wäre.... I<strong>ch</strong> kann für gewiß<br />

sagen, wir wohnen auf einem wilden kalten Berge, daß<br />

es beinahe unmögli<strong>ch</strong> ist für diese Leute, länger auszuhalten."<br />

Kein Brot mehr, und andere Lebensmittel<br />

nur na<strong>ch</strong> langem Zuwarten und mit harter Mühe herbeizus<strong>ch</strong>affen;<br />

Erkrankungen und Entlassungen.<br />

Weißenfluh hat also in seiner Charakteristik dieses<br />

ersten Einbru<strong>ch</strong>s ni<strong>ch</strong>t übertrieben. Natürli<strong>ch</strong> blieben<br />

die von Gwerder ges<strong>ch</strong>ilderten Zustände den Oberhaslern<br />

ni<strong>ch</strong>t verborgen, und lei<strong>ch</strong>t begreift es si<strong>ch</strong>, daß unter<br />

sol<strong>ch</strong>en Umständen niemand Lust verspürte, den Freiheitsbaum<br />

in Meiringen umzuhauen.<br />

In den nä<strong>ch</strong>sten Tagen besserte si<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> die Lage<br />

und Stimmung der „Kriegsvölker" am Brünig, besonders<br />

dur<strong>ch</strong> die Unterstützung Obwaldens (das die helvetis<strong>ch</strong>e


76 Der zweite Einbru<strong>ch</strong><br />

Verfassung angenommen hatte und zuerst still bleiben<br />

wollte); au<strong>ch</strong> andere Verstärkung rückte na<strong>ch</strong>, und dur<strong>ch</strong><br />

das Eingreifen Aufdermaurs, der jetzt, am 26. April,<br />

das Kommando am Brünig übernahm, kehrten Ordnung<br />

und Zuversi<strong>ch</strong>t wieder. „Euer Ho<strong>ch</strong>wohledelgeboren bewiesene<br />

Klugheit, Thätigkeit, Heldenmuth und alle übrigen<br />

zu einem so wi<strong>ch</strong>tigen Posten erforderli<strong>ch</strong>en Tugenden<br />

und Eigens<strong>ch</strong>aften, die Sie in einem außerordentli<strong>ch</strong>en<br />

Grade besitzen, verspre<strong>ch</strong>en uns s<strong>ch</strong>on zum voraus unter<br />

Gottes S<strong>ch</strong>utz den glückli<strong>ch</strong>sten Erfolg." (Der Kriegsrat<br />

von Nidwalden an Aufdermaur.) S<strong>ch</strong>on am nä<strong>ch</strong>sten<br />

Tage lautet denn au<strong>ch</strong> der Beri<strong>ch</strong>t vom Brünig her<br />

ganz anders als jener Gwerders<strong>ch</strong>e Nots<strong>ch</strong>rei; eine Armee<br />

von Uri, S<strong>ch</strong>wyz, Unterwalden, Glarus und Engelberg<br />

stehe auf dem Vrümg und Sattel (Grenze gegen Entlebu<strong>ch</strong>),<br />

mit festem Ents<strong>ch</strong>luß, Vaterland, Eigentum, Freiheit<br />

und Religion bis zum Äußersten zu verteidigen.<br />

Am 28. April erfolgte der zweite Einbru<strong>ch</strong> ins Haslital.<br />

Wie der s<strong>ch</strong>wyzeris<strong>ch</strong>e Repräsentant Belmont und Oberst<br />

Hauser übereinstimmend beri<strong>ch</strong>ten, hatte man diesmal die<br />

Stimmung der Oberhasler vorerst sondiert und ermutigende<br />

Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t erhalten. Belmont s<strong>ch</strong>reibt am 29. morgens<br />

8 Uhr von Meiringen: „Na<strong>ch</strong>dem wir dur<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>ere Auskunds<strong>ch</strong>aftung<br />

vernommen, daß ein großer Theil des Volkes<br />

in dem Haslithal wüns<strong>ch</strong>e, daß unsere Truppen vorrüken<br />

mö<strong>ch</strong>ten, zuglei<strong>ch</strong> aber die Anzeige gema<strong>ch</strong>t werde, daß<br />

wenn man länger warten würde, das gutdenkende Volk<br />

mismuthig werden dürfte, so ents<strong>ch</strong>lossen si<strong>ch</strong> die Herren<br />

Kommandanten der Truppen, diese Erpedition vorzunehmen.<br />

Sie rükten also gestern auf den Abend mit<br />

1300 Mann in das Haslithal, besetzten Brienz, Brienzwyler<br />

und Meiringen als den Hauptort."<br />

Ausführli<strong>ch</strong>er meldet Oberst Hauser am 30. April<br />

von Brienz dem „Statthalter und Rath katholis<strong>ch</strong>er<br />

Religion in Näfels": „Da i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts thun wollte, ohne<br />

zuvor alle mögli<strong>ch</strong>e Beri<strong>ch</strong>te eingezogen zu haben, so<br />

begaben wir uns in das unten an dem Brünig gelegene<br />

Dorf Lungern, wo uns s<strong>ch</strong>on alles versi<strong>ch</strong>erte, daß die<br />

Stimmung der Haslithaler erwüns<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> wäre. Den<br />

27. s<strong>ch</strong>ickten wir vom Brünig aus Kunds<strong>ch</strong>after in's<br />

Thal, um bestimmte Beri<strong>ch</strong>te zu bekommen; Herr Auf-


Volksstimmung im Haslital 77<br />

dermaur gesellte si<strong>ch</strong> selbften zu ihnen, und i<strong>ch</strong> blieb auf<br />

dem Berg, wo i<strong>ch</strong> den ganzen Tag über Bots<strong>ch</strong>aften<br />

bekam, die alle die dringendsten Einladungen zu unserm<br />

Vorrücken ma<strong>ch</strong>ten. Als abends die Kunds<strong>ch</strong>aften zurückkamen<br />

und den glei<strong>ch</strong>en Beri<strong>ch</strong>t bra<strong>ch</strong>ten, wurde in Lungern<br />

auf den andern Tag früh ein Kriegsrath der Kommandanten<br />

der auf dem Vrünig si<strong>ch</strong> befindenden Truppen<br />

angesagt. Sehr erfreuli<strong>ch</strong> war mir, den Herrn Belmont<br />

von S<strong>ch</strong>wyz dort als verordneten Kriegsrath und Repräsentanten<br />

von den vereinigten Ständen anzutreffen.<br />

Es wurde bes<strong>ch</strong>lossen, no<strong>ch</strong> den nämli<strong>ch</strong>en Tag mit 1300<br />

Mann, so auf dem Brünig und Na<strong>ch</strong>bars<strong>ch</strong>aft waren,<br />

vorzurücken und die 600 bereiten Obwaldner sowohl als<br />

unsere 100 andere Glarner den anderen Tag, da es die<br />

Entfernung ni<strong>ch</strong>t früher erlaubte, an uns zu ziehen. Bis<br />

alles Nötige beordert war, wurde es über 1 Uhr abends,<br />

bis das Volk abmars<strong>ch</strong>ieren konnte."<br />

Eine „Übersi<strong>ch</strong>t der Truppen im Haslital" führt auf:<br />

Brienz: von S<strong>ch</strong>wyz 200, von Unterwalden 400;<br />

Meiringen: von S<strong>ch</strong>wyz 200, von Unterwalden 150;<br />

Brienz-Wyler: von S<strong>ch</strong>wyz 50, von Unterwalden 100;<br />

Hohenflue (Hohfluh): von S<strong>ch</strong>wyz 50, von Unterwalden<br />

150. In Brienz Oberst Hauser und L. H. Zelger;<br />

in Meiringen Aufdermaur und Gwerder. — (Die Urner<br />

und Glarner ers<strong>ch</strong>einen hier merkwürdigerweise vergessen.)<br />

über die Volksstimmung im Haslital widerspre<strong>ch</strong>en<br />

si<strong>ch</strong> die Beri<strong>ch</strong>te, do<strong>ch</strong> gewinnt man den Eindruck, Weißenfluh<br />

sei etwas zu ras<strong>ch</strong> fertig mit dem Wort, wenn er<br />

die Gegner der Helvetik „Lumpen und Bettler" benamset.<br />

Anderseits ist die Behauptung Aufdermaurs (Meiringen,<br />

29. April): „Das Volk neigt si<strong>ch</strong> auf unsere Seite, mit<br />

Ausnahme einiger Beamter", mit Vorsi<strong>ch</strong>t aufzunehmen.<br />

Hatte do<strong>ch</strong> Belmont beim Einrücken in Meiringen bemerkt,<br />

daß „einige no<strong>ch</strong> ziemli<strong>ch</strong> saure Gesi<strong>ch</strong>ter ma<strong>ch</strong>ten",<br />

und Oberst Hauser s<strong>ch</strong>ildert den Empfang folgendermaßen:<br />

„Als wir in dem Thal anlangten, fanden wir die s<strong>ch</strong>önste<br />

Bevölkerung, so man si<strong>ch</strong> nur denken kann, in einer Niederges<strong>ch</strong>lagenheit,<br />

die i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t einmal mögli<strong>ch</strong> glaubte; alles<br />

segnete uns mit Thränen und wüns<strong>ch</strong>te uns Glück; aber<br />

mithelfen wollten sie ni<strong>ch</strong>t und erklärten sogar, daß sie<br />

Willig von jedem, der käme, alles Ungema<strong>ch</strong> auszuhalten


78 Landsgemeinde in Meiringen<br />

gesinnt wären. Als man vermuthen ließ, daß Wir uns<br />

wieder zurückziehen Wollten, kamen Bots<strong>ch</strong>aften von Gutgesinnten,<br />

die anhielten, daß Wir no<strong>ch</strong> einige Tage bleiben<br />

sollten. Da laut eingegangenen Beri<strong>ch</strong>ten mittlerweile<br />

ni<strong>ch</strong>ts von dem Feind zu för<strong>ch</strong>ten Ware, blieben Wir."<br />

Ein Beispiel tat not, und damit es gegeben werde,<br />

half man, wie ganz natürli<strong>ch</strong>, der Begeisterung na<strong>ch</strong>, da sie<br />

si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t von selbst einstellen wollte. Der Oberkommandant<br />

Aufdermaur s<strong>ch</strong>eint dabei das meiste getan zu haben; jedenfalls<br />

ri<strong>ch</strong>tete er in Meiringen mehr aus, als seine Waffengefährten<br />

in Brienz. In dem Beri<strong>ch</strong>t eines Augenzeugen<br />

über den „Zug des Glarneris<strong>ch</strong>en Succurs-Bataillons na<strong>ch</strong><br />

Unterwalden und ins Haslithal" heißt es u. a.: „Die Lage<br />

und die bangen Erwartungen dieses sonst so glückli<strong>ch</strong>en<br />

Landes kann man si<strong>ch</strong> kaum vorstellen; aber zur Steuer<br />

der Wahrheit sei es gesagt, die Municipalität von Meiringen<br />

betrug si<strong>ch</strong> brav. Aufdermaur von S<strong>ch</strong>wyz, Eommandant<br />

über sämtli<strong>ch</strong>e Truppen, ein Mann voll Feuer,<br />

aber wenig Überlegung, forderte, das Zeughaus sollte<br />

geöffnet und eine neue provisoris<strong>ch</strong>e Regierung eingesetzt<br />

werden. Das erste ges<strong>ch</strong>ah, se<strong>ch</strong>s unbrau<strong>ch</strong>bare Gewehre<br />

waren die Ausbeute; auf das letztere Begehren erhielt<br />

man keine Antwort." — Wohl aber vermo<strong>ch</strong>te der energis<strong>ch</strong>e<br />

Aufdermaur die Hasler dazu, daß sie no<strong>ch</strong> am<br />

28. April eine Landsgemeinde abhielten, bei der es re<strong>ch</strong>t<br />

lebhast mag zu- und hergegangen sein. Ob willig oder<br />

anders — „an heute allhier gehaltener Landsgemeinde<br />

ward einhellig erkennt, daß man si<strong>ch</strong> gegen einen auswärtigen<br />

Femd defendiren werde, um Religion, Eigenthum,<br />

Freiheit und Gere<strong>ch</strong>tigkeit zu s<strong>ch</strong>ützen und zu s<strong>ch</strong>irmen,<br />

dafür au<strong>ch</strong> unser Blut zu wagen."<br />

Wie stark diese Volksversammlung gewesen und wel<strong>ch</strong>e<br />

Rolle Aufdermaurs Krieger dabei gespielt, wird uns leider<br />

ni<strong>ch</strong>t mitgeteilt. Genug, die „Alts<strong>ch</strong>weier" siegten, und<br />

die andern waren dergestalt einges<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>tert, daß im Augenblick<br />

keiner si<strong>ch</strong> laut zur helvetis<strong>ch</strong>en Ordnung bekennen<br />

durste. Jetzt wurde der Freiheitsbaum in Meiringen niedergelegt;<br />

im Gegensatz zu Weißenfluh behauptet General<br />

Aufdermaur, diese Tat sei von den Haslern selbst vollbra<strong>ch</strong>t<br />

worden. Dazu kam der Bes<strong>ch</strong>luß, man wolle mit den<br />

Eingedrungenen gemeinsame Sa<strong>ch</strong>e ma<strong>ch</strong>en.


Die Brienzer helvetis<strong>ch</strong> 79<br />

Ganz anders hatten si<strong>ch</strong> die Dinge in Vrienz gestaltet.<br />

Die beiden Mitglieder des helvetis<strong>ch</strong>en Gr. Rates,<br />

Joh. Fis<strong>ch</strong>er von Brienz und Chr. Mi<strong>ch</strong>el von Bönigen,<br />

die, häusli<strong>ch</strong>er Ges<strong>ch</strong>äfte wegen, am 22. April von Aarau<br />

heimgekehrt waren, beri<strong>ch</strong>ten an das Direktorium: Glei<strong>ch</strong><br />

auf die Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t von dem (ersten) Einbru<strong>ch</strong> „ließ die<br />

Municipalität von Brienz s<strong>ch</strong>leunig diejenigen von Jnterlaken<br />

und Unterseen von diesem Einfall bena<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tigen,<br />

sowie au<strong>ch</strong> den commandirenden Offizier der fränkis<strong>ch</strong>en<br />

Truppen in Thun; zuglei<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ickten obige Municipalitäten<br />

Abgeordnete an die eingefallenen Abtheilungen der waldstättis<strong>ch</strong>en<br />

Truppen und forderten na<strong>ch</strong>drückli<strong>ch</strong>st ihren Rückmars<strong>ch</strong><br />

über die Grenzen. Tags darauf, den 24., versammelte<br />

si<strong>ch</strong> die ganze Gemeinde Brienz, erklärte, daß sie<br />

mit den kleinen Cantonen s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terdings ni<strong>ch</strong>ts zu thun<br />

haben und si<strong>ch</strong> ihnen ni<strong>ch</strong>t ans<strong>ch</strong>ließen wolle; s<strong>ch</strong>ickte au<strong>ch</strong><br />

wiederum Bots<strong>ch</strong>aften an dieselben, um sie na<strong>ch</strong>drückli<strong>ch</strong> zum<br />

Rückzug anzumahnen. Dies gelang, und s<strong>ch</strong>on wüns<strong>ch</strong>ten<br />

si<strong>ch</strong> die Einwohner der dortigen Gegenden Glück, dieser<br />

drohenden Gefahr entgangen zu sein. Allein Samstag den<br />

28. April ruckten die Truppen der kleinen Eantone in sehr<br />

großer Anzahl in die Dörfer Wyler, Hofstetten, Brienz<br />

^ ^ Lands<strong>ch</strong>aft Oberhasli bis na<strong>ch</strong> Meiringen und<br />

MMgen hinauf, und zwar dieses mal so stark, daß einzig<br />

m dem Dorfe Brienz 500 Mann verlegt waren, woselbst<br />

^ Hauptquartier ihrer Eommandanten befand.<br />

Auf die Anfrage, was diese Manns<strong>ch</strong>aft begehre, antwortete<br />

dieselbe, sowie die Offiziere, sie kommen ni<strong>ch</strong>t als Feinde,<br />

sondern als Freunde, und wer si<strong>ch</strong> an sie s<strong>ch</strong>ließen wolle,<br />

der könne es thun. Unglückli<strong>ch</strong>erweise gelangte im nämli<strong>ch</strong>en<br />

Zeitpunkte die Requisition des Bürgers Rouhiöre<br />

(stanz. Eommissär in Helvetien) in jene Gegenden, dur<strong>ch</strong><br />

wel<strong>ch</strong>e er von dem Eanton Oberland Lieferungen in<br />

Naturalien forderte, die ein jeder bei der geringsten Kenntnis<br />

der Lage und Kräfte dieses Cantons als dur<strong>ch</strong>aus<br />

uners<strong>ch</strong>wingli<strong>ch</strong> ansehen mußte. Diese Anforderung ma<strong>ch</strong>te<br />

ni<strong>ch</strong>t nur in allen anderen Gegenden des Cantons die<br />

heftigste Wirkung auf die Gemüther, weil der Landmann<br />

na<strong>ch</strong> den ges<strong>ch</strong>ehenen Zusi<strong>ch</strong>erungen der großen Nation<br />

glaubte, die Franken wären bloß als ihre Befreier ins<br />

Land gekommen; sondern vorzügli<strong>ch</strong> stark wirkte dieser


80 Aufdermaur in Brienz<br />

Umstand auf die mit den Waldftättern besetzten Gegenden.<br />

Häufig hörte man die Ausdrücke, sol<strong>ch</strong>e Lieferungen seien<br />

dem ohnehin armen Lande unmögli<strong>ch</strong>, und lieber wolle<br />

man plötzli<strong>ch</strong> sterben, als an einer langsamen Auszehrung<br />

verderben. Kurz, die Gährung war außerordentli<strong>ch</strong>, die<br />

beiden Repräsentanten in der größten Lebensgefahr und<br />

das ganze Land auf die Gemeinde Brienz mit gespannter<br />

Aufmerksamkeit geheftet, um einen völligen Auss<strong>ch</strong>lag zu<br />

nehmen. Ni<strong>ch</strong>ts destoweniger gelang es do<strong>ch</strong>, die aufbrausenden<br />

Gemüther wiederum in etwas zu besänftigen,<br />

die Wankenden zu unterstützen und die standhaften Patrioten<br />

in ihrer Ents<strong>ch</strong>lossenheit zu befestigen, wozu si<strong>ch</strong><br />

die unterzei<strong>ch</strong>neten Repräsentanten s<strong>ch</strong>mei<strong>ch</strong>eln können, alles<br />

was in ihren Kräften lag, beigetragen zu haben. S<strong>ch</strong>on<br />

vorher war der Befehl na<strong>ch</strong> Jnterlaken und Brienz gekommen,<br />

die dortigen Waffen auf den 1. Mai na<strong>ch</strong> Bern<br />

zu liefern. Sonntags den 29. April versammelte si<strong>ch</strong> die<br />

ganze Kir<strong>ch</strong>gemeinde Brienz, eine der größten in dortiger<br />

Gegend, und es wurde bes<strong>ch</strong>lossen, in Befolgung obigen<br />

Befehls des folgenden Tages die Waffen abzugeben und<br />

einzus<strong>ch</strong>iffen, so lebhaft au<strong>ch</strong> die dortigen Bewohner dieser<br />

Verlust bei dem Gefühl s<strong>ch</strong>merzen mußte, daß sie in Betra<strong>ch</strong>tung<br />

ihrer Standhaftigkeit allerdings würdig gewesen<br />

wären, dieselben no<strong>ch</strong> ferner zu allfälliger Verteidigung<br />

der Freiheit und Glei<strong>ch</strong>heit zu tragen. Allein diese Eins<strong>ch</strong>iffung<br />

konnte ni<strong>ch</strong>t vor si<strong>ch</strong> gehen; sowie die Bewohner<br />

jener Gegenden ihre Waffen dazu hervorbra<strong>ch</strong>ten, bemä<strong>ch</strong>tigten<br />

si<strong>ch</strong> die waldstättis<strong>ch</strong>en Truppen derselben und<br />

nahmen sie weg, da jeder gewaltsame Widerstand unmögli<strong>ch</strong><br />

gewesen wäre."<br />

General Aufdermaur, der mit Belmont si<strong>ch</strong> am 29. April<br />

voller Hoffnung und Tatenlust von Meiringen na<strong>ch</strong> Brienz<br />

zum Kriegsrate begab, erlebte eine s<strong>ch</strong>merzli<strong>ch</strong>e Enttäus<strong>ch</strong>ung.<br />

„I<strong>ch</strong> glaubte", s<strong>ch</strong>rieb er am Abend desselben Tages,<br />

„von diesen Herren (den Commandanten Hauser und<br />

Zelger) zu vernehmen, daß sie dur<strong>ch</strong> ihr Vorgehen dieses<br />

Volk, das leider dur<strong>ch</strong> den französis<strong>ch</strong>en Namen zu stark<br />

terrorisiert ist, dazu vermo<strong>ch</strong>t hätten, si<strong>ch</strong> zu bewaffnen<br />

und gemeinsame Sa<strong>ch</strong>e mit uns zu ma<strong>ch</strong>en; — aber<br />

wel<strong>ch</strong>es war meine Überras<strong>ch</strong>ung, als i<strong>ch</strong> bemerkte, daß<br />

die Herren Commandanten, da es ihnen ni<strong>ch</strong>t gelungen


Hasler wollen mitma<strong>ch</strong>en 81<br />

War, die Bevölkerung zu elektrisieren und ihr jene Begeisterung<br />

einzuflößen, die wie in den Herzen der braven<br />

Leute von Meiringen zu entfa<strong>ch</strong>en das Glück hatten, jegli<strong>ch</strong>e<br />

Hoffnung verloren hatten und daran da<strong>ch</strong>ten, si<strong>ch</strong><br />

zum zweiten mal zurück zu ziehen ... I<strong>ch</strong> habe aus kein<br />

Rückzugsprojekt eintreten wollen, da i<strong>ch</strong> zu sehr überzeugt<br />

war, daß die Umstände es ni<strong>ch</strong>t geböten, und i<strong>ch</strong> bin aus<br />

meinen Posten (na<strong>ch</strong> Meiringen) zurückgekehrt." Hier gewährte<br />

ihm das contrarevolutionäre Gebaren der Oberhasler<br />

einen wahren Trost. „Wel<strong>ch</strong>e Freude ergriff mi<strong>ch</strong>,<br />

als i<strong>ch</strong> das ganze Volk um die Trümmer des Freiheitsbaumes<br />

sah, den es selbst umgehauen hatte, als i<strong>ch</strong> eine<br />

fast allgemeine Freude erkannte auf den Gesi<strong>ch</strong>tern dieser<br />

braven Leute, die si<strong>ch</strong> an den Klängen unsrer Türkenmusik<br />

ergötzten! Unmittelbar na<strong>ch</strong> der Ceremonie, die, wie Sie<br />

denken können, eine rührende Scene verursa<strong>ch</strong>t hat, hat<br />

man mir im Namen der Gemeinde 400 gut bewaffnete<br />

Männer verspro<strong>ch</strong>en, die mit unsern Truppen mars<strong>ch</strong>ieren<br />

werden, und mir versi<strong>ch</strong>ert, daß eine glei<strong>ch</strong> große Zahl<br />

bereit sein würde, den erstern zu folgen, sobald die Umstände<br />

es erheis<strong>ch</strong>ten. I<strong>ch</strong> beeile mi<strong>ch</strong>, Ihnen diese Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t<br />

mitzutheilen, die um so angenehmer ist, als der Erfolg<br />

unserer politis<strong>ch</strong>en Operationen unsere Hoffnungen übertroffen<br />

hat. Die Bewohner dieses Landes werden wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong><br />

morgen einen Repräsentanten zu Ihnen (Kriegscommission<br />

in Art) s<strong>ch</strong>icken, damit wir gemeinsam vorgehen."<br />

Jedenfalls war die Kunde von der am 29. erfolgten<br />

Einnahme Luzerns dur<strong>ch</strong> die Hauptma<strong>ch</strong>t Redings von<br />

bestimmendem Einfluß gewesen. Au<strong>ch</strong> die Kommandanten<br />

in Brienz wurden jetzt zuversi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er, da si<strong>ch</strong> infolge<br />

jener Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t „die Stimmung um vieles gebessert", wie<br />

Oberst Hauser am 30. s<strong>ch</strong>reibt. Und da Meiringen jetzt<br />

bei 900 Mann aufgeboten habe, die si<strong>ch</strong> soglei<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>ließen<br />

werden, hoffen die Führer, „die übrigen Gemeinden werden<br />

au<strong>ch</strong> aus ihrem Todess<strong>ch</strong>lummer mit Gottes Hilf gerissen<br />

werden. Sollte dieses ges<strong>ch</strong>ehen, so würden wir dann<br />

gegen Thun allgema<strong>ch</strong> vorrücken, bis uns von dem gemein-eidgenössis<strong>ch</strong>en<br />

Kriegsrath weitere Verhaltungsbefehle<br />

würden gegeben werden. I<strong>ch</strong> muß au<strong>ch</strong> meinen gnädigen<br />

Herren und Oberen anzeigen, daß von den bena<strong>ch</strong>barten<br />

Thälern Frutigen, Grindelwald, Simmenthal (Abgeordnete)<br />

v. Wetßenfluh. <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>. 6


ei uns gewesen und alles Gute verspro<strong>ch</strong>en, wenn si<strong>ch</strong><br />

dieses Thal (für uns) erklären sollte. Auf diese Werse<br />

^ ^gnen Würde, könnte no<strong>ch</strong> eine beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />

Armee hier si<strong>ch</strong> vorfinden."<br />

Wirkli<strong>ch</strong> erhielt die kleine Armee der Jnners<strong>ch</strong>weizer<br />

bedeutende Verstärkung; vom Sattel, wo sie ni<strong>ch</strong>ts ansu<strong>ch</strong>ten<br />

konnten wurden die Glarner, 400 Mann stark,<br />

unter Maior Zopfi herbeigerufen und gelangten na<strong>ch</strong><br />

emem starken Mars<strong>ch</strong>e über den Brünig bis na<strong>ch</strong> Hofstetten<br />

(oberhalb Brienz), willig, no<strong>ch</strong> weiter zu mars<strong>ch</strong>ieren<br />

^ nötig wäre, „was mit Re<strong>ch</strong>t von unsern sämtli<strong>ch</strong>en<br />

Herren Offiziers bewundert wurde"; au<strong>ch</strong> aus den<br />

andern Kantonen war Na<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ub eingetroffen, so daß na<strong>ch</strong><br />

Hausers bestimmten Angaben die vom Hasleberg bis<br />

Brienz verteilte Streitma<strong>ch</strong>t am 30. April 3050 Mann<br />

stark war. Nämli<strong>ch</strong>: 600 Mann von Uri, 500 von S<strong>ch</strong>wyz<br />

^"stedlen, 600 von Obwalden, 900 von Nidwalden,<br />

400 von Glarus und 50 von Gersau. — Der Gemeinde<br />

Bnenz die als die „s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>test gesinnte" ihre Waffen den<br />

abliefern wollte, habe er, gegen Empfangs<strong>ch</strong>eine,<br />

über 800 Gewehre weggenommen, d. h. „etwas zurück-<br />

^ ü do<strong>ch</strong> hoffte er, diese Gemeinde werde sie<br />

ihm bald „zu gutem biederem S<strong>ch</strong>weizergebrau<strong>ch</strong>" wieder<br />

abfordern.<br />

^ s<strong>ch</strong>ien denn am Abend des 30. April das Glück<br />

si<strong>ch</strong> für die alteidgenöffis<strong>ch</strong>en Patrioten erklären zu wollen.<br />

Wenn letzt no<strong>ch</strong> die 900 Oberhasler si<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>lössen die<br />

Grmdelwaldner, Frutiger, Simmentaler in Masse die<br />

I" .konnte der ans<strong>ch</strong>wellende Bergstrom<br />

wohl si<strong>ch</strong> Aastigli<strong>ch</strong> ins Fla<strong>ch</strong>land hinunterwälzen. Na<strong>ch</strong><br />

Thun, viellei<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> Bern! Es war der Höhepunkt in<br />

diesem dreitägigen Abenteuer.<br />

Am 1. Mai war's zu Ende. S<strong>ch</strong>on hatte Zug kapituliert,<br />

und die von den Franzosen bedrohte Heimat rief ihre<br />

Sohne zur Verteidigung herbei. Eine wahre Neuenegg-<br />

' immung muß über sie gekommen sein, als der Befehl<br />

zum Rückzug gegeben wurde, und ni<strong>ch</strong>t ohne Teilnahme<br />

vermag man si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> diese Heimkehr vorzustellen, die,<br />

jo ras<strong>ch</strong> sie au<strong>ch</strong> erfolgte, dem Vaterland keine Hülfe mehr<br />

bra<strong>ch</strong>te. -- über das Verhalten der Waldstätter im Oberland<br />

verdient ein Urteil von gegneris<strong>ch</strong>er Seite besondere


Beri<strong>ch</strong>t des Kantons-Statthalters FZ<br />

Bea<strong>ch</strong>tung. Die Deputierten Fis<strong>ch</strong>er und Mi<strong>ch</strong>el erklärten<br />

in ihrem Beri<strong>ch</strong>t an das Direktorium: „übrigens müssen<br />

wir diesen Truppen die Gere<strong>ch</strong>tigkeit widerfahren lassen,<br />

daß sie si<strong>ch</strong> sonst (d. h. abgesehen von der Wegnahme der<br />

Gewehre in Brienz) weder an Personen no<strong>ch</strong> an Eigenthum<br />

im mindesten vergriffen haben."<br />

Am 4. Mai, als alles vorüber war, erstattete Joneli,<br />

der Statthalter des Kantons Oberland, auf eingezogene<br />

Erkundigungen hin dem Direktorium folgenden Beri<strong>ch</strong>t<br />

über den ganzen Verlauf der Dinge: „Den 28. April<br />

mars<strong>ch</strong>ierten in die Gegenden von Hasle und Brienz ungefähr<br />

1400 Mann Unterwaldner, S<strong>ch</strong>wyzer und Glarner<br />

Truppen; diese, vereint mit eini<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t denkenden<br />

Leuten des Haslethales, zwangen die Municipalität von<br />

Meiringen, no<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong>en Tags eine Landsgemeinde versammlen<br />

zu lassen. Dur<strong>ch</strong> die Drohungen und Verspre<strong>ch</strong>ungen<br />

dieser einmars<strong>ch</strong>ierten Truppen wurden die Gemüther<br />

der dasigen Bewohner so erhitzt, daß kein einziger Wohlgesinnter<br />

es wagen durfte, bei dieser Versammlung die<br />

Sa<strong>ch</strong>e der Constitution zu verteidigen. Tags darauf wagte<br />

es der hiesige Cantonsri<strong>ch</strong>ter Wille, bei der Municipalität<br />

seinen Ents<strong>ch</strong>luß, bei der neuen Constitution zu<br />

bleiben, s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong> einzugeben. Dieser herzhafte Ents<strong>ch</strong>luß<br />

hatte eine so gute Wirkung, daß s<strong>ch</strong>on glei<strong>ch</strong>en Tags sehr<br />

viele Particularen und Tags darauf ganze Gemeinden<br />

diesem Beispiel gemäß si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong> für die neue Constitution<br />

erklärten, so daß si<strong>ch</strong> die Zahl der Anhänger der<br />

eingezogenen Truppen stündli<strong>ch</strong> verminderte. Was aber<br />

ihr Vorhaben gänzli<strong>ch</strong> vereitelte, war eine Ordre vom<br />

1. Mai, die diesen Truppen den gänzli<strong>ch</strong>en Rückzug innert<br />

ihren Grenzen anbefahl." Vierhundert Urner hätten si<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t getraut, über den Brünig zurückzugehen und daher<br />

am 2. Mai den Weg über Hasle einges<strong>ch</strong>lagen. (Da Hauser<br />

von 600 Urnern spri<strong>ch</strong>t, ers<strong>ch</strong>eint die Angabe bei Weißenfluh<br />

ziemli<strong>ch</strong> zutreffend.) Obs<strong>ch</strong>on jetzt gänzli<strong>ch</strong>e Ruhe<br />

herrs<strong>ch</strong>e, werde er die Leute, die si<strong>ch</strong> vorzügli<strong>ch</strong> für diese<br />

Gegenrevolution geäußert, ungesäumt einziehen lassen und<br />

ihr Betragen genau untersu<strong>ch</strong>en.<br />

Das ges<strong>ch</strong>ah, „ungesäumt" allerdings, aber mit der<br />

Genauigkeit und mit dem Erfolg hatte es so seine Mucken.<br />

Glei<strong>ch</strong> am nä<strong>ch</strong>sten Tag (5. Mai) erließ der Bürger Kan-


84 Strafverfahren gegen die Rädelsführer<br />

tonsstatthalter an die Munizipalität von Meiringen folgendes<br />

S<strong>ch</strong>reiben: „Bürger und Freunde! Die si<strong>ch</strong> unlängst<br />

in den Gegenden Ihrer Municipalität ereigneten<br />

hö<strong>ch</strong>st gefährli<strong>ch</strong>en, der allgemeinen Ruh und Si<strong>ch</strong>erheit<br />

na<strong>ch</strong>theiligen und strafbaren Auftritte erfordern allerdings<br />

eine s<strong>ch</strong>leunige Untersu<strong>ch</strong>ung und Bestrafung derjenigen,<br />

so si<strong>ch</strong> als Hauptredelsführer bey dieser ers<strong>ch</strong>einenden Gegenrevolution<br />

haben erzeigt und die Gährung anzuspinnen<br />

getra<strong>ch</strong>tet. — Na<strong>ch</strong> einer deswegen von dem allhiesigen<br />

französis<strong>ch</strong>en Commandant erhaltenen Ordre werdet Ihr<br />

hierdur<strong>ch</strong> bei eurer Pfli<strong>ch</strong>t und persönli<strong>ch</strong>er Verantwortung<br />

aufgefordert, ungesäumt alle Hauptanstifter dieser Gegen-<br />

Revolution, unter denen i<strong>ch</strong> Eu<strong>ch</strong> persönli<strong>ch</strong> vernamse den<br />

Bürger alt Landsvenner Brog, gegen den i<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>e Beweise in Händen habe, alle übrigen aber,<br />

unter denen insonderheit diejenigen zu verstehen sind, so<br />

den Einzug dieser Truppen entweders mündli<strong>ch</strong> oder s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong><br />

begehrt und Hieruber eini<strong>ch</strong>er Verda<strong>ch</strong>t auf sie waltet,<br />

sowie au<strong>ch</strong> diejenigen, wel<strong>ch</strong>e auf Zusamen-Beruffung<br />

der den 28. Aprill auf eine conftitutionswidrige und sträfli<strong>ch</strong>e<br />

Manier abgehaltene Landsgemeinde anbegehrt, und<br />

in derselben dur<strong>ch</strong> Vorstellungen zu dem daörtigen Bes<strong>ch</strong>luß<br />

Anlaß gegeben.<br />

Mit dem belügenden Anhang, daß im Fall die Municipalität<br />

diesem Auftrag ni<strong>ch</strong>t ein sattsames Genügen leisten,<br />

so wurde alsdann die Folge davon seyn, daß ein bewafnetes<br />

französis<strong>ch</strong>es Truppencorps in Euere Gegenden ziehen, um<br />

diese Untersu<strong>ch</strong>ung mit militäris<strong>ch</strong>er Ma<strong>ch</strong>t und Strenge<br />

vorzunehmen. Republikanis<strong>ch</strong>er Gruß."<br />

Das waren s<strong>ch</strong>limme Na<strong>ch</strong>wehen für die Munizipalität<br />

von Meiringen, und die nä<strong>ch</strong>sten paar Tage gehörten<br />

zweifellos zu jenen, von denen sie sagen mo<strong>ch</strong>te: sie gefallen<br />

uns ni<strong>ch</strong>t. Am 10. Mai glaubte sie, vorläufig genug untersu<strong>ch</strong>t<br />

zu haben und s<strong>ch</strong>rieb na<strong>ch</strong> Thun: „Bürger Eanton<br />

Statthalter! Sobald na<strong>ch</strong> dero erhaltenem S<strong>ch</strong>reiben vom<br />

5. dies haben wir ni<strong>ch</strong>t ermanglet, die hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>sten Anstifter<br />

und Ruhestörer, den Mel<strong>ch</strong>ior Zyba<strong>ch</strong> ab Brünigen,<br />

Jakob Jaun den Tambour zu Meiringen, und Mel<strong>ch</strong>ior<br />

Abplanalp von Jsenbolgen, au<strong>ch</strong> andere mehr, um sol<strong>ch</strong>e<br />

in gefängli<strong>ch</strong>en VerHaft zu setzen, aufsu<strong>ch</strong>en zu lassen.<br />

Allein ohngea<strong>ch</strong>tet dieser und seitheriger Na<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>ung


Eine bedrängte Munizipalität 85<br />

konnten wir keiner als der zwey ersteren, des Mel<strong>ch</strong>ior<br />

Zyba<strong>ch</strong>s und Jakob Jauns habhaft werden, die wir soglei<strong>ch</strong><br />

au<strong>ch</strong> in Gefangens<strong>ch</strong>aft sezen lassen: allein glei<strong>ch</strong>enmals<br />

als diese eingesteckt worden, versamleten si<strong>ch</strong> nä<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>erweis<br />

eine Menge von Männeren, wohl bey 80 bis<br />

100 an der Zahl, mit Stecken und anderen Instrumenten<br />

versehen, die ohngea<strong>ch</strong>tet der in 10 Personen ausgestellten<br />

Wa<strong>ch</strong>t den einten, Mel<strong>ch</strong>ior Zyba<strong>ch</strong> (der si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> anfängli<strong>ch</strong><br />

geweigeret haben soll, die Gefangens<strong>ch</strong>aft zu verlaßen)<br />

dur<strong>ch</strong> voneinandren Drukung der eisernen Stangen in der<br />

Gefangens<strong>ch</strong>aft denselben mit Gewalt losgema<strong>ch</strong>t haben: der<br />

zweyte Jakob Jaun, der in der Gefangens<strong>ch</strong>aft geblieben,<br />

der vers<strong>ch</strong>iedene Mahl dur<strong>ch</strong> Rürung seiner Drommel im<br />

Dorf Meyringen Lerm und Versammlung ges<strong>ch</strong>lagen, haben<br />

wir den Tag darauf na<strong>ch</strong> seiner Gefangennehmung in<br />

Verhör genommen; seine Ents<strong>ch</strong>uldigung wäre: er seye<br />

dazu von denen Mel<strong>ch</strong>ior Abplanalp und Jakob Mätzener,<br />

die ihme sonsten sein Vehausungli umzustoßen- und sonsten<br />

in andereweg angetrohet, glei<strong>ch</strong>sam gezwungen worden;<br />

wel<strong>ch</strong>en wir auf diese Ents<strong>ch</strong>uldigung hin einstweilen bis<br />

zu fernerer Untersu<strong>ch</strong>ung looß gelaßen.<br />

Und sobald wir obiger angegebener habhaft werden<br />

können, wozu wir no<strong>ch</strong> heute al mögli<strong>ch</strong> Vorkehren gema<strong>ch</strong>t,<br />

werden wir sol<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong> einstecken und in ihrer<br />

Verantwortung vernehmen und deren Verhör ohngesaumt<br />

einberi<strong>ch</strong>ten.<br />

Eins erlauben Sie, Bürger Eanton Statthalter, zu<br />

bemerken geben zu dürfen, daß weilen eine so große<br />

Mänge den bemelten Mel<strong>ch</strong>ior Zyba<strong>ch</strong> nä<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>erweis der<br />

Gefangens<strong>ch</strong>aft mit Gewalt losgema<strong>ch</strong>t haben, wir besorgen,<br />

daß wann au<strong>ch</strong> mehrere eingesteckt und eine weitläufige<br />

Untersu<strong>ch</strong>ung angestellt werden muß, ni<strong>ch</strong>t nur<br />

sehr viele, die in minderem oder mehrerem interessiert<br />

befunden, sondern die Einsteckenden au<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong> den Ersteren<br />

der Gefangens<strong>ch</strong>aft zu entreißen mit Gewalt wiederum<br />

versu<strong>ch</strong>t werden mö<strong>ch</strong>te, wel<strong>ch</strong>es denn au<strong>ch</strong> wegen dem<br />

allzugroßen Anhang zu einem zimli<strong>ch</strong>en Aufstand und<br />

gar zu würkli<strong>ch</strong>en verdrießli<strong>ch</strong>en Tätli<strong>ch</strong>keiten Anlaß<br />

geben könnte, und um dieses wo mögli<strong>ch</strong> zu verhüten,<br />

wüns<strong>ch</strong>ten wir, daß bloß die Hauptanstifter und Redelsführer<br />

zur Verantwortung und Straf zu ziehen seyn sollten.


. r ^ dißfahls aber in fernerem zu verhalten<br />

haben sollen, beten wir Sie, Bürger Canton Statthalter,<br />

um gutigen Rath und Wegweisung aus. Den Landtsvenner<br />

Vrog zu überlieferen haben wir al mögli<strong>ch</strong>e Vorkehren<br />

gema<strong>ch</strong>t und der ohne Zweifel allbereits in Thun<br />

eingetroffen sein wird."<br />

Die Munizipalität von Meiringen mußte am besten<br />

wissen, wie sie mit ihren Landsleuten dran war, und<br />

ihr Beri<strong>ch</strong>t an den Kantonsstatthalter darf zweifellos als<br />

die zuverlässigste Kunde über die Volksstimmung im Oberhaslr<br />

gelten. Er enthält ni<strong>ch</strong>ts weniger als das Geständnisdie<br />

helvetis<strong>ch</strong>e Behörde sei dem Volksunwillen gegenüber<br />

ohnmä<strong>ch</strong>tig und bitte daher, Gnade für Re<strong>ch</strong>t ergehen zu<br />

^ ^ Statthalter hatte kein französis<strong>ch</strong>es Militär<br />

N? energis<strong>ch</strong> einzus<strong>ch</strong>reiten; „als i<strong>ch</strong> den<br />

s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Erfolg der Eivilgewalt gesehen, bediente i<strong>ch</strong><br />

Mi<strong>ch</strong> der gelindesten Mittel". Wohl aus demselben Grunde<br />

er jetzt, na<strong>ch</strong> überstandener Gefahr, dem Polizeiund<br />

Justizminister die ganze Bewegung als ziemli<strong>ch</strong><br />

harmlos darzustellen; die Vorfälle im Oberhasli „bestunden<br />

b los in einem im Affekt genommenen Ents<strong>ch</strong>luß,<br />

N an we Truppen der kleinen Cantons anzus<strong>ch</strong>ließen".<br />

Als Ursa<strong>ch</strong>en der Bewegung führt er an: „1 die<br />

Drohungen und Verspre<strong>ch</strong>ungen der in diese Gegenden<br />

fanatis<strong>ch</strong>em Enthusiasmus beseelten<br />

Truppen aus den kleinen Cantons, 2. den im glei<strong>ch</strong>en<br />

A ^langten Befehl zur Entwaffnung, ?nd<br />

n Befehl des Eommissärs Rouhikre zur Erri<strong>ch</strong>tung<br />

eines Fourage- und Proviantmagazins in diesem Eanton,<br />

dessen Unkosten si<strong>ch</strong> wenigstens an 150,000 K beloffen,<br />

das aber no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t erri<strong>ch</strong>tet ist."<br />

In Meiringen s<strong>ch</strong>eint man ni<strong>ch</strong>ts mehr untersu<strong>ch</strong>t und<br />

gegen die S<strong>ch</strong>uldigen vom 28. April keine weiteren S<strong>ch</strong>ritte<br />

6" haben. Wohl aber ließ Joneli die beiden<br />

„Rädelsführer" Brog und alt Lands<strong>ch</strong>reiber Zopfi in<br />

Thun dur<strong>ch</strong> das Kantonsgeri<strong>ch</strong>t ins Verhör nehmen.<br />

Es waren ni<strong>ch</strong>t hartgesottene Sünder, ni<strong>ch</strong>t Männer vom<br />

e<strong>ch</strong>ten Rebellenholz, und weder der Statthalter no<strong>ch</strong> das<br />

Geri<strong>ch</strong>t vermo<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> von ihrer Gefährli<strong>ch</strong>keit zu übergestanden<br />

alles, und na<strong>ch</strong>dem ihnen der<br />

(Statthalter ernstli<strong>ch</strong>e Vorstellungen gema<strong>ch</strong>t, „bereuten sie


Belobung der Getreuen 87<br />

ihr Betragen mit Thränen und s<strong>ch</strong>ienen von dem Ungrund<br />

und der Gefahr ihrer Absi<strong>ch</strong>ten gänzli<strong>ch</strong> überzeugt.<br />

Auf dieses hin wurde geda<strong>ch</strong>ten zwey Personen, als ehemaligen<br />

ersten Vorgesetzten und no<strong>ch</strong> dato den dasigen<br />

Einwohnern beliebten und eines sonst unbes<strong>ch</strong>oltenen<br />

Wandels berü<strong>ch</strong>tigten Männern von der Eriminalcommission<br />

die Erlaubniß ertheilt, einstweilen wieder<br />

na<strong>ch</strong> Hause zu kehren". Milde empfahl si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> deswegen,<br />

weil der eine (Zopfi?) ein 70jähriger, leidender<br />

Greis war, der „ni<strong>ch</strong>t ohne Lebensgefahr Gefängnis oder<br />

Arrest ausstehen konnte". Beide verspra<strong>ch</strong>en „Besserung"<br />

und stellten „wegen ihrer Entwei<strong>ch</strong>ung si<strong>ch</strong>ere Bürgen".<br />

Auf diesen Beri<strong>ch</strong>t des Statthalters Joneli hin und<br />

mit Rücksi<strong>ch</strong>t auf die na<strong>ch</strong>gewiesenen Ursa<strong>ch</strong>en der Gärung,<br />

„wel<strong>ch</strong>e beinahe die ganze Bevölkerung ergriffen",<br />

beantragte der Justizminister am 22. Mai dem Direktorium,<br />

die vom General S<strong>ch</strong>auenburg erklärte Amnestie<br />

(für die kleinen Kantone) au<strong>ch</strong> auf das Oberland auszudehnen,<br />

und am folgenden Tage trat das Direktorium<br />

dieser Ansi<strong>ch</strong>t bei.<br />

Somit kamen die „Rebellen" glimpfli<strong>ch</strong> davon, und<br />

sehr viel freigebiger, als mit Strafen gegen die Widerspenstigen,<br />

erwies si<strong>ch</strong> die eine und unteilbare helvetis<strong>ch</strong>e<br />

Republik mit Anerkennung und Lob für die getreuen<br />

Patrioten neuen Stils. Man ma<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong> damals na<strong>ch</strong><br />

französis<strong>ch</strong>em Muster re<strong>ch</strong>t häufig und ni<strong>ch</strong>t unbemerkt<br />

„um das Vaterland verdient"; es war die Zeit der<br />

Akkoladen und der mentions konorables. In den helvetis<strong>ch</strong>en<br />

Räten zu Aarau wurde die Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t von der<br />

konstitutionstreuen Haltung der Gemeinde Brienz und<br />

der Bürger Willi, Fis<strong>ch</strong>er, Mi<strong>ch</strong>el und Großmann mit<br />

lautem Beifall aufgenommen, Mi<strong>ch</strong>el vom Großratspräsidenten<br />

mit dem Bruderkuß beehrt und allen vier<br />

Genannten die ehrenvolle Erwähnung im Protokoll zuerkannt.<br />

Alle Getreuen (und Halbgetreuen) erhielten ihr<br />

Teil; das Direktorium goß einen wahren Lob- und Danksegen<br />

in das Oberland. Kantonsri<strong>ch</strong>ter Willi kam<br />

zuerst, am 7. Mai, an die Reihe; ihm s<strong>ch</strong>rieb das Direktorium:<br />

„Bürger! In einem Augenblick, wo die Stimmung<br />

der Bewohner Eures Thüles s<strong>ch</strong>on wankte, wo sie,<br />

irregeleitet von ihren fanatis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>barn, im Begriffe


88 Ums Vaterland verdient gema<strong>ch</strong>t<br />

stunden, ihre friedli<strong>ch</strong>en Gegenden in den Bürgerkrieg zu<br />

verwickeln, den Priester einer fremden Religionspartei<br />

angefa<strong>ch</strong>t hatten, war es Euer Muth, Eure männli<strong>ch</strong>e<br />

Ents<strong>ch</strong>lossenheit, Bürger, wel<strong>ch</strong>e Eure Mitbürger zur<br />

Besinnung zurückbra<strong>ch</strong>te. Eure Erklärung, der Konstitution<br />

getreu zu bleiben, ward zum Loosungsworte, das<br />

die aufgeklärtern Freiheitsfreunde unter Eu<strong>ch</strong> wieder vereinigte,<br />

ihnen neue Kraft gab, ihre Gesinnung dur<strong>ch</strong><br />

Wort und Tat laut werden zu lassen. Das Direktorium<br />

hat den g. g. Rüthen dur<strong>ch</strong> eine Bots<strong>ch</strong>aft diese edle<br />

Handlung angezeigt und beeilt si<strong>ch</strong>, Eu<strong>ch</strong> anmit seinen<br />

lauten Beifall und sein Wohlgefallen zu erkennen zu<br />

geben." — Aber ni<strong>ch</strong>t nur einzelne Personen, sondern<br />

au<strong>ch</strong> ganze Gemeinden wurden na<strong>ch</strong>drückli<strong>ch</strong> belobt,<br />

und unter ihnen steht natürli<strong>ch</strong> Brienz in erster Linie.<br />

Die Hauptsätze des an sie geri<strong>ch</strong>teten S<strong>ch</strong>reibens lauten:<br />

„Eure Kir<strong>ch</strong>gemeinde, Bürger, hat si<strong>ch</strong> in diesen Tagen<br />

große Verdienste um ihr Vaterland erworben. — An<br />

Euren Grenzen fanden die Ruhestörer den Damm, der<br />

ihrem unglückli<strong>ch</strong>en Vorhaben si<strong>ch</strong> entgegensetzte, und<br />

unser dur<strong>ch</strong> den Krieg s<strong>ch</strong>on so hart mitgenommenes<br />

Vaterland freute si<strong>ch</strong> wieder des Friedens und der hergestellten<br />

gesetzli<strong>ch</strong>en Ordnung. — Gerne geben Eu<strong>ch</strong> die<br />

Vorsteher der vollziehenden Gewalt das öffentli<strong>ch</strong>e Zeugnis,<br />

daß Ihr mithälfet, das bedrängte Vaterland von dieser<br />

neuen Gefahr zu retten; gerne stiften sie Eu<strong>ch</strong> das Denkmal<br />

des öffentli<strong>ch</strong>en Dankes, den Eu<strong>ch</strong> unsere Nation<br />

laut zugerufen hat. Empfanget von ihnen die Versi<strong>ch</strong>erung<br />

ihres Beifalls, liebevollen Gruß und den Ausdruck ihrer<br />

ununterbro<strong>ch</strong>enen Bruderliebe." Au<strong>ch</strong> Jnterlaken<br />

und ^Meiringen haben „unser gesammtes Vaterland<br />

von einer fur<strong>ch</strong>tbaren Gefahr gerettet. Das Direktorium<br />

hat die gesetzgebenden Räthe von eurem standhaften, preiswürdigen<br />

Betragen unterri<strong>ch</strong>tet und giebt eu<strong>ch</strong> anmit das<br />

öffentli<strong>ch</strong>e Zeugnis, daß ihr eu<strong>ch</strong> rühmli<strong>ch</strong>st um das Vaterland<br />

verdient gema<strong>ch</strong>t habt".<br />

Alle diese Erlasse sollte der Kantonsstatthalter re<strong>ch</strong>t<br />

wirksam kund ma<strong>ch</strong>en, z. B. von den Kanzeln verlesen<br />

lassen. Er kam dieser Weisung au<strong>ch</strong> mit Eifer und Freude<br />

na<strong>ch</strong> und empfahl dem Direktorium zu ähnli<strong>ch</strong>er Behandlung<br />

au<strong>ch</strong> die Gemeinde Unterseen, die si<strong>ch</strong> ebenfalls


Neuer Aufstand 89<br />

ausgezei<strong>ch</strong>net habe; ferner seien als verdiente Personen<br />

zu nennen: alt Venner Peter Ster<strong>ch</strong>i von Unterseen,<br />

alt Landsstatthalter Mühlemann von Jnterlaken und<br />

Säckelmeister Großmann von Brienz. Worauf das Direktorium<br />

s<strong>ch</strong>leunigst die erforderli<strong>ch</strong>en Ehrenkränze na<strong>ch</strong>lieferte.<br />

Am 16. Mai ging der für Unterseen ab, etwas<br />

verspäteter Ausdruck des Wohlgefallens, aber „ebenso<br />

wahr und innig" als alle früheren. — Und damit endete<br />

das Stück. Der Tambour zu Meiringen ist ni<strong>ch</strong>t die am<br />

wenigsten interessante Ers<strong>ch</strong>einung darin. Ein etwas<br />

festeres Behausungli, und er würde vermutli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gegen<br />

die gesetzli<strong>ch</strong>e Ordnung getrommelt haben.<br />

Turn im Obe^lancl<br />

vom frukling 1^99.<br />

No<strong>ch</strong> war seit dem Einbru<strong>ch</strong> der Waldstätter ins<br />

Haslital ni<strong>ch</strong>t ganz ein Jahr vergangen, da bra<strong>ch</strong>, diesmal<br />

ohne gewaltsame Einmis<strong>ch</strong>ung von „außen" her, im<br />

Kanton Oberland ein neuer Aufruhr aus, der einen viel<br />

gefährli<strong>ch</strong>eren Charakter annahm, als jene gegenrevolutionäre<br />

Bewegung von 1798. Er wurde um so bedrohli<strong>ch</strong>er<br />

für die helvetis<strong>ch</strong>e Ordnung, da das Kriegsglück<br />

si<strong>ch</strong> gewendet hatte und die Franzosen fast auf der ganzen<br />

Linie vom Unterrhein bis Italien empfindli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>lagen<br />

wurden. An tristigen Gründen zur Unzufriedenheit fehlte<br />

es ja ni<strong>ch</strong>t, und zu den bekannten alten gesellten si<strong>ch</strong> sehr<br />

starke neue; dazu kam eine energis<strong>ch</strong>e und ges<strong>ch</strong>ickte Wühlarbeit,<br />

eine Verdrehung und Verhetzung, die im einzelnen<br />

fast an das Unglaubli<strong>ch</strong>e grenzt. Im Rahmen dieses<br />

Werkleins ist ni<strong>ch</strong>t Raum für eine ausführli<strong>ch</strong>e Darstellung<br />

des an interessanten Details so rei<strong>ch</strong>en Aufstandes;<br />

aber unser <strong>Chronik</strong>s<strong>ch</strong>reiber befleißt si<strong>ch</strong> darüber einer<br />

sol<strong>ch</strong>en Kürze, daß eine kleine Ergänzung geboten s<strong>ch</strong>eint*).<br />

Zur Unterstützung der Franzosen, d. h. zur Verteidigung<br />

Helvetiens gegen die siegrei<strong>ch</strong> vordringenden Österrei<strong>ch</strong>er<br />

und Russen, sollte die S<strong>ch</strong>weiz im Frühjahr 1799 si<strong>ch</strong> zu<br />

einer großartigen militäris<strong>ch</strong>en Leistung aufraffen und<br />

*) Na<strong>ch</strong> Strickler, Aktensammlung, und den darin<br />

bezei<strong>ch</strong>neten Quellen.


90 Militäraushebung<br />

eine Streitma<strong>ch</strong>t ins Feld stellen, wie sie — eben nur<br />

auf dem Papier ges<strong>ch</strong>affen werden konnte. Vorgesehen<br />

waren nämli<strong>ch</strong>: » ' ^ '<br />

1. se<strong>ch</strong>s „Auxiliar-Brigaden", ^ 18,000 Mann, als<br />

Hulfstruppen;<br />

2. die „Eliten", 64,000 Mann;<br />

3. die „Reserven", ^ 128,000 Mann;<br />

die „Helvetis<strong>ch</strong>e Legion" (stehendes Heer zum S<strong>ch</strong>utze<br />

?er helvetis<strong>ch</strong>en Regierung), Artillerie, Husaren,<br />

1 Bataillon Llmemnfanterie und 1 Jäaerbataillon<br />

zusammen 3000 Mann. '<br />

Die Auxiliar-Brigaden sollten dur<strong>ch</strong> Werbung von<br />

Freiwilligen („eventuell dur<strong>ch</strong> Zwangskontingente der<br />

Gemeinden ) gebildet werden; aber weder sie no<strong>ch</strong> die<br />

Eliten wollten re<strong>ch</strong>t heran, und die Franzosen klagten<br />

wiederholt über den „Mangel an kriegeris<strong>ch</strong>em Geiste<br />

unt^ den befreiten Helvetiern", Die Hülss-Brigaden<br />

bra<strong>ch</strong>te man zwar bis Ende Mai zusammen, aber bei<br />

vollzählig; sie wurden der französis<strong>ch</strong>en<br />

Reservedlv<strong>ch</strong>on zugewiesen. An Eliten wurden<br />

gegen 20,000 Mann aufgebra<strong>ch</strong>t, die in der Osts<strong>ch</strong>weiz<br />

etwel<strong>ch</strong>e Verwendung fanden. Vollzählig war nur die<br />

Helvetis<strong>ch</strong>e L e g i o n, auf die von der s<strong>ch</strong>on 1798 formierten<br />

Waadtländerlegion der Name übergmg;<br />

sie ma<strong>ch</strong>te den Feldzug mit, zei<strong>ch</strong>nete si<strong>ch</strong> in man<strong>ch</strong>en<br />

Kämpfen aus, und ihre Kriegstü<strong>ch</strong>tigkeit wurde von<br />

den französis<strong>ch</strong>en Generälen lobend anerkannt.<br />

und Mobilma<strong>ch</strong>ung stieß man<strong>ch</strong>erorts<br />

sondern au<strong>ch</strong><br />

^ Widerstand und führte, im Zusammenhang<br />

k n? ^eln, Oberland zum bewaffneten Anfuhr<br />

). Diesmal war es der westli<strong>ch</strong>e Teil, der si<strong>ch</strong><br />

au<strong>ch</strong> in den Kantonen Solothurn, Waldstätten<br />

Wallisern su<strong>ch</strong>ten die Öberländer 'si<strong>ch</strong> in<br />

^ vornehmli<strong>ch</strong> über die Gemmi, weßhalb die<br />

BeHorden eine s<strong>ch</strong>arfe Bewa<strong>ch</strong>ung des Passes geboten. Der Wirt<br />

wurde als „Späher" in Leuk<br />

Kandersteg binüberaebra<strong>ch</strong>t,<br />

und wurden, si<strong>ch</strong> zu sammeln<br />

Oberlandern anzus<strong>ch</strong>ließen, um gegen die<br />

^ Verbindung mit den Waldstätten<br />

kk.a un7Zn-n/'-'°<strong>ch</strong>w'Z^dli<strong>ch</strong>- Haltung der Distrikte Jnter.


Weigerung zu mars<strong>ch</strong>ieren 91<br />

zuerst erhob, die Gemeinden um den Thunersee, dann<br />

Simmental und Frutigen; do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> im engeren Oberland<br />

gärte es bedenkli<strong>ch</strong> und einzelne Tals<strong>ch</strong>aften (Grindelwald)<br />

wurden sehr s<strong>ch</strong>wierig. Die Bewegung begann<br />

am 28. März in Sigriswil, einer Gemeinde, „wel<strong>ch</strong>e<br />

ine gut (d. h. helvetis<strong>ch</strong>) gesinnt gewesen". Der Kantonsstatthalter<br />

ließ einige Verhaftungen vornehmen, befür<strong>ch</strong>tete<br />

jedo<strong>ch</strong>, die Gefangenen könnten wieder befreit, ja sogar<br />

der Hauptort angezündet werden; rief das Direktorium<br />

um Hülfe an. Ras<strong>ch</strong> fraß das Feuer um si<strong>ch</strong>; in den<br />

nä<strong>ch</strong>sten Tagen empörten si<strong>ch</strong> Faulensee, Spiez und<br />

Wimmis, und bis zum 8. April war mit Ausnahme<br />

weniger Gemeinden (Brienz, Erlenba<strong>ch</strong>, Diemtigen) sozusagen<br />

das ganze Oberland rebellis<strong>ch</strong> geworden. Stürmis<strong>ch</strong>e<br />

Volksversammlungen fanden statt; die Freiheitsbäume<br />

wurden umgehauen; die ausgehobenen Wehrmänner<br />

weigerten si<strong>ch</strong>, zu „ziehen", wenn ni<strong>ch</strong>t alle<br />

zögen, und ers<strong>ch</strong>ienen entweder gar ni<strong>ch</strong>t oder nur vereinzelt<br />

auf den Sammelplätzen. Brienz erwies si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />

diesmal wieder als ein „Damm" und helvetis<strong>ch</strong>er Fels<br />

im Meer; Der Statthalter Joneli meldete: „Dieser ganze<br />

Distrikt wäre zu allem willig; sowohl das Piquet, als<br />

Eanoniers und S<strong>ch</strong>arfs<strong>ch</strong>ützen, alles zeigte die größte<br />

Bereitwilligkeit und ist unstreitig derjenige Distrikt, wel<strong>ch</strong>er<br />

si<strong>ch</strong> seit seiner Ernennung vorzügli<strong>ch</strong> an gutem Willen<br />

und Ordnung ununterbro<strong>ch</strong>en ausgezei<strong>ch</strong>net, und verdient<br />

allerdings den Dank und A<strong>ch</strong>tung der Regierung." —<br />

Im Oberhasli „ers<strong>ch</strong>ienen blos 16 Mann, die S<strong>ch</strong>arfs<strong>ch</strong>ützen<br />

ausgenommen, diese erklärten si<strong>ch</strong> insgesamt zu<br />

ziehen. In der Na<strong>ch</strong>t vom 7. auf den 8. wurden zu<br />

Meyringen und an etli<strong>ch</strong>en anderen Orten die Freyheitsbäume<br />

umgehauen, au<strong>ch</strong> wurden Versammlungen abgehalten,<br />

deren Erfolg no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bekannt ist ; am ersteren<br />

Ort ist alsobald Tags drauf auf Veranstaltung der Municipalität<br />

der Freyheitsbaum wieder aufgestellt worden".<br />

Im allgemeinen hatte si<strong>ch</strong> die Lage so s<strong>ch</strong>limm gestaltet,<br />

daß der Statthalter seinen Beri<strong>ch</strong>t an das Direktorium<br />

mit den Worten s<strong>ch</strong>loß: „Es ist kein Augenblick zu verlieren,<br />

wenn ni<strong>ch</strong>t gänzli<strong>ch</strong> Anar<strong>ch</strong>ie eintreten soll; kein<br />

Beamteter darf keinen Befehl mehr erteilen, und die<br />

gute Claße ist zu Boden gedrückt. Also ist es nötig, die


92 Andere Ursa<strong>ch</strong>en der Unzufriedenheit<br />

Rädelsführer zu packen. ?. 8. Heute wenden wir uns<br />

au<strong>ch</strong> an General S<strong>ch</strong>auenburg."<br />

Sofort na<strong>ch</strong> dem ersten Nots<strong>ch</strong>rei des Statthalters<br />

Joneli ernannte das Direktorium zwei landeskundige<br />

Regierungskommissäre, den vom Vorjahre her bekannten<br />

Chr. Mi<strong>ch</strong>el von Bönigen und Joh. S<strong>ch</strong>neider von<br />

Frutigen, und sandte sie ins Oberland, den Sturm zu<br />

stillen; am 5. April wurde no<strong>ch</strong> der Senator Joh. Karlen<br />

von Erlenba<strong>ch</strong> zur Unterstützung na<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>ickt. Militär<br />

sollte folgen — sobald man es zur Verfügung hätte.<br />

Der Generalberi<strong>ch</strong>t der Kommissäre enthält u. a. folgendes<br />

Stimmungsbild: „Wir vernehmen von allen Seiten her,<br />

wie s<strong>ch</strong>amlos man si<strong>ch</strong> bestrebet, das Volk zu betrügen<br />

und aufzubringen: die aufgebotene Manns<strong>ch</strong>aft werde<br />

unter die Franzosen verstoßen werden und ihr Vaterland<br />

ni<strong>ch</strong>t mehr sehen; man wolle die Religion aufheben, weswegen<br />

der Pfarrer in Lauterbrunnen besonders wegen<br />

Abs<strong>ch</strong>affung des Heidelbergis<strong>ch</strong>en Kate<strong>ch</strong>ismus s<strong>ch</strong>on Vorstellungen<br />

habe ma<strong>ch</strong>en müssen; für die Zukunft seyen die<br />

Abgaben so bestimmt, daß von 1 Ju<strong>ch</strong>arten jährli<strong>ch</strong><br />

L. 20, von einem Kuhbergre<strong>ch</strong>t Batzen 100 oder L. 10,<br />

von einem Geißre<strong>ch</strong>t Batzen 10 oder L. 1, sodann von<br />

jedem Fenster, jeder Thüre, jedem Kopfe und sonst von<br />

allen mögli<strong>ch</strong>en Sa<strong>ch</strong>en besondere Steuern bezahlt werden<br />

müßen. Dabey sagten sie: daß sie im ferndrigen Jahr<br />

ausgezogen, indem man ihnen gesagt: die ganze S<strong>ch</strong>weiz<br />

gegen Frankrei<strong>ch</strong>; als sie aber auf dem<br />

S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tfeld gestanden, seyen sie von allen ihren Mitbrüdern<br />

verlaßen und s<strong>ch</strong>ändli<strong>ch</strong> hintergangen worden.<br />

Sie wüns<strong>ch</strong>ten daher vorerst versi<strong>ch</strong>ert zu sein, daß die<br />

anderen Cantone au<strong>ch</strong> an die Gränzen ziehen wollen. —<br />

Und so waren die Reden beynahe in dem ganzen Canton<br />

mehr oder weniger." Von privater Seite wurde dem<br />

Direktor Bay über die unruhigen Oberländer mitgeteilt:<br />

... „Sie glauben dur<strong>ch</strong>aus 1. die hö<strong>ch</strong>sten Gewalten handlen<br />

nur aus Eigennutz, 2. der Kaiser habe sein Hauptquartier<br />

s<strong>ch</strong>on in der S<strong>ch</strong>weiz, 3. er habe sie aufgefordert,<br />

ni<strong>ch</strong>t gegen ihn zu mars<strong>ch</strong>ieren, 4. es seie dur<strong>ch</strong> die ganze<br />

S<strong>ch</strong>weiz kein Mann mars<strong>ch</strong>iert, 5. man habe der helvetis<strong>ch</strong>en<br />

Legion verspro<strong>ch</strong>en, in der S<strong>ch</strong>weiz zu bleiben, und<br />

do<strong>ch</strong> müße sie jetzt mit den Franken streiten, und 6. die


Charakteristik der Rebellen 93<br />

Räthe zu Luzern seien wirkli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on auseinandergesprengt;<br />

darum seie der Bürger Repräsentant Mi<strong>ch</strong>el s<strong>ch</strong>on hier<br />

und die übrigen werden au<strong>ch</strong> zurückkommen. Gegen jeden,<br />

der nur den Ans<strong>ch</strong>ein hat, mit der Regierung in Relation<br />

zu stehen, sind sie dur<strong>ch</strong>aus mistrauis<strong>ch</strong>", u. s. w. — Laut<br />

einem spätern Beri<strong>ch</strong>t (des Kommissärs Müller) an das<br />

Direktorium glaubte man man<strong>ch</strong>erorts im Oberland: der<br />

Kaiser sei s<strong>ch</strong>on in Unterwalden, er werde bald na<strong>ch</strong> Vrienz<br />

kommen; sie sollen stürmen. „Seit langer Zeit her standen<br />

die Chefs von den vers<strong>ch</strong>iedenen Dörfern miteinander<br />

in Correspondenz; sie waren sehr thätig, erhielten öfters<br />

Briefe und warteten nur eine Gelegenheit ab, um loszubre<strong>ch</strong>en.<br />

Die Gelegenheit ers<strong>ch</strong>eint; je mehr si<strong>ch</strong> die Kaiserli<strong>ch</strong>en<br />

unsern Grenzen nähern, desto thätiger, eifriger und<br />

fre<strong>ch</strong>er bezeigen si<strong>ch</strong> die Anstifter. Sie erklären si<strong>ch</strong> öffentli<strong>ch</strong><br />

; mit einer S<strong>ch</strong>nelligkeit, über die man erstaunen muß,<br />

wußte man hier alle üblen Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten, nämli<strong>ch</strong> die Processen<br />

der Oesterrei<strong>ch</strong>er*)."<br />

In der Charakteristik der Rebellen stimmt Mi<strong>ch</strong>el so<br />

ziemli<strong>ch</strong> mit Weißenfluh überein; „es sind meistens nur<br />

Lumpenkärl", s<strong>ch</strong>reibt er dem Direktor Bay, und weiter:<br />

„Sobald wir jetz Hülfe haben, wollen wir dann hinter<br />

die Donners Lumpenkärl her; das Land muß gesäubert<br />

werden." — Daß viele der Aufständis<strong>ch</strong>en arme Leute<br />

*) über den „großen Bers<strong>ch</strong>rvörungsplan" vgl. z. B. K. L.<br />

v. Haller: Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der Wirkungen und Folgen des oesterrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />

Feld^ugs; oder Gemälde der S<strong>ch</strong>weiz während ihrer versu<strong>ch</strong>ten<br />

Widerbefreyung. Da heißt es u. a.: „Es war die antirevolutionäre<br />

Parthey in allen Theilen der S<strong>ch</strong>weiz organisiert:<br />

es existierten in den vers<strong>ch</strong>iedenen Haupt- und Provinzialstädten<br />

geheime Comitc:, die einander untergeordnet und dur<strong>ch</strong><br />

feyerli<strong>ch</strong>e Verspre<strong>ch</strong>ungen zu dem gemeinsamen Endzweck ver-<br />

Kunden waren. Sie unterhielten theüs unter si<strong>ch</strong>, theils mit den<br />

Häuptern der bey der Kayserl. Armee befindli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>weizer,<br />

besonders aber mit dem General Hotze eine genaue Korrespondenz<br />

und hatten alle Maßregeln zu einem allgemeinen Aufstand<br />

gegen die Franzosen getroffen. Die Manns<strong>ch</strong>aft war in drei bis<br />

vier Eantonen unter der Hand in Bataillons und Regimenter<br />

eingetheilt, mit den nöthigen Offiziers versehen...; die Sammelpläye<br />

waren angewiesen; Pulver und Munition hatte man si<strong>ch</strong><br />

meist von den Franzosen selbst anges<strong>ch</strong>M; an Geld und Lebensmitteln<br />

mangelte es ebenfalls ni<strong>ch</strong>t. Geld wurde vorgesckossen,<br />

und Subsidien waren gewiß, Einverständnis mit Genf und Savoyen,<br />

Bisthum Basel ?c. eingeleitet." S. 337 f.


94 Bes<strong>ch</strong>wi<strong>ch</strong>tigungsversu<strong>ch</strong>e der Kommissäre<br />

waren, ist zweifellos; aber die „besseren Herren" der Helvetik<br />

wußten do<strong>ch</strong> sonst von Glei<strong>ch</strong>heit und Brüderli<strong>ch</strong>keit<br />

so s<strong>ch</strong>ön zu deklamieren! übrigens ergibt si<strong>ch</strong> aus dem<br />

^camensverzei<strong>ch</strong>nis der na<strong>ch</strong>mals verhörten und bestraften<br />

Gebellen, daß Leute der vers<strong>ch</strong>iedensten Stände „mitgehatten,<br />

u. a. au<strong>ch</strong> Geistli<strong>ch</strong>e, Ärzte, Viehärzte, angesehene<br />

Bauern, Beamte aus der Oligar<strong>ch</strong>enzeit zc.; do<strong>ch</strong><br />

hlevon au<strong>ch</strong> abgesehen, durften si<strong>ch</strong> die „Lumpenkärl" gar<br />

wohl neben vielen ihrer helvetis<strong>ch</strong>en, in Franzosenfur<strong>ch</strong>t<br />

ersoffenen Gegnern sehen lassen.<br />

Im Simmental und Frutigland ri<strong>ch</strong>teten die Kommissare<br />

zunä<strong>ch</strong>st sehr wenig aus; S<strong>ch</strong>neider und Karlen<br />

wurden sogar „abges<strong>ch</strong>nitten" und erlebte mehr als einen<br />

MÄUVSI8 qusr-t äAeure. Etwas besseren Erfolg hatte<br />

Mi<strong>ch</strong>el nn oberen Kantonsteil. Am 10. April versammelte<br />

dem Gasthaus zu Jnterlaken, und<br />

unterstützt von seinen Freunden Ster<strong>ch</strong>i, Mühlemann u. a.<br />

gelang ihm die Bes<strong>ch</strong>wi<strong>ch</strong>tigung der Gemüter; „nur etwel<strong>ch</strong>e<br />

aus Grindelwald bezeigten si<strong>ch</strong> aufbrausend, wel<strong>ch</strong>e<br />

„Munizipaler" waren ni<strong>ch</strong>t<br />

das Volk. Wahrend sie des Landes Wohl auf dem Gasthaus<br />

berieten, ers<strong>ch</strong>ienen zwei kaiserli<strong>ch</strong>e Soldaten, die von<br />

Bern entwi<strong>ch</strong>en waren, in Jnterlaken; man steckte sie ein-<br />

"ber der Na<strong>ch</strong>t darauf stürmten eine Menge Rebellen<br />

von Wilderswyl und Matten mit Drohungen auf den<br />

^ Matten hin, zwangen ihn zur<br />

hergab der S<strong>ch</strong>lußel und ma<strong>ch</strong>ten die zwey Gefangenen<br />

los . Am nä<strong>ch</strong>sten Tag wollte Mi<strong>ch</strong>el na<strong>ch</strong> Oberhasli<br />

reisen, „um au<strong>ch</strong> dort die Leute anno<strong>ch</strong> im Näheren zu<br />

unterri<strong>ch</strong>ten. Allein da i<strong>ch</strong> in der Na<strong>ch</strong>t ein S<strong>ch</strong>reiben<br />

vom Distriktsstatthalter allda erhielte, wel<strong>ch</strong>er es mir mißriete,<br />

so reisete i<strong>ch</strong> wieder na<strong>ch</strong> Thun". Do<strong>ch</strong> glaubte er,<br />

die Hasler und Grindelwaldner würden dur<strong>ch</strong> die Festigkeit<br />

der Brienzer und Böniger uns<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t.<br />

> Unterdessen waren etli<strong>ch</strong>e helvetis<strong>ch</strong>-französis<strong>ch</strong>e Truppen<br />

m Thun eingetroffen, 150 Mann von dem Hülfscorps,<br />

50 von der 14. Halbbrigade und 13 Legionshusaren, —<br />

5U Wenig, wie Joneli klagte; do<strong>ch</strong> wolle er ver-<br />

^<strong>ch</strong>en, die Aufwiegler in den näheren Orten zu packen.<br />

Etwel<strong>ch</strong>e Unterstützung dur<strong>ch</strong> „Gutgesinnte", sowie Abfall<br />

m oen Be<strong>ch</strong>en der Gegner, wo man<strong>ch</strong>e nur gezwungen


Gefe<strong>ch</strong>t auf der S<strong>ch</strong>oren-Almend 95<br />

mars<strong>ch</strong>ierten, stand mit Si<strong>ch</strong>erheit zu erwarten. Platzkommandant<br />

Dolder und Quartierkommandant Fellenberg<br />

führten die Streiter der gesetzli<strong>ch</strong>en Ordnung. Am 13. April<br />

fand der von Weißenfluh ges<strong>ch</strong>ilderte, erste Zusammenstoß<br />

statt, und der offizielle Beri<strong>ch</strong>t (von Joneli, Mi<strong>ch</strong>el und<br />

Dolder) beweist, daß der <strong>Chronik</strong>s<strong>ch</strong>reiber über den Verlauf<br />

des Kampfes re<strong>ch</strong>t gut informiert war. Am 12.,<br />

abends 9 Uhr, war na<strong>ch</strong> Thun gemeldet worden, daß die<br />

Aufrührer aus dem Simmental heranrücken, worauf Dolder<br />

sofort seine Manns<strong>ch</strong>aft besammelte und Posten ausstellte.<br />

Do<strong>ch</strong> erfolgte kein Angriff. Am folgenden Morgen<br />

wurde in Spiez, Aes<strong>ch</strong>i und Wimmis Sturm geläutet,<br />

und nun zog Dolder dem Feind entgegen. Jenseits der<br />

Kanderbrücke empfing er den ersten Kugelgruß, geriet mit<br />

der Reiterei in „sehr s<strong>ch</strong>wierige Gegend", und als ihm<br />

bald ein Mann verwundet wurde, zog er si<strong>ch</strong> zurück.<br />

„Hierauf griffen ihn die etwa 1500 5 2000 Mann starken<br />

Rebellen wüthend an. Er befände si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> auf seinem<br />

Vorposten, von etwa 40 Mann nebst einer Kanone (umgeben),<br />

und zog si<strong>ch</strong> immer bis auf die S<strong>ch</strong>oren-Almend<br />

zurück, wo er si<strong>ch</strong> postirte und soutenierte, bis eine Verstärkung<br />

von braven Bürgern und den in der Stadt zurückgebliebenen<br />

Soldaten erfolgte, und (er) wieder auf<br />

die Rebellen avancirte und mit seinem eigenen Säbel<br />

6 Mann, und der Capitän von der 14. Halbbrigade<br />

4 Mann niedergema<strong>ch</strong>t." Denno<strong>ch</strong> wurde, wegen Mangels<br />

an Munition, der Rückzug bis zur Stadt angeordnet, aber<br />

alle Posten wohl besetzt. Die Gegner hatten an Toten,<br />

Verwundeten und Gefangenen „viellei<strong>ch</strong>t 200 Mann" eingebüßt;<br />

diesseits 20—25 Mann vermißt. — Die Zahl<br />

der Gefallenen wurde s<strong>ch</strong>on am nä<strong>ch</strong>sten Tag als übertrieben<br />

befunden.<br />

Obglei<strong>ch</strong> nun die Rebellen keineswegs besiegt waren,<br />

traten sie do<strong>ch</strong> entmutigt den Rückzug an, und s<strong>ch</strong>on am<br />

14. April heißt es von den Distrikten Aes<strong>ch</strong>i und Frutigen:<br />

sie haben si<strong>ch</strong> zur Ruhe begeben. Es kam eben au<strong>ch</strong> bei<br />

dieser Erhebung zu keiner gemeinsamen Aktion. Die<br />

Obersimmentaler „zogen unter dem Commando der<br />

bekannten Bühlers, Marti gs und Zablis bis auf<br />

Reutigen und der Enden hervor, zogen si<strong>ch</strong> aber bald<br />

wieder na<strong>ch</strong> Wimmis zurück, wo ihnen s<strong>ch</strong>on viele Leute


96 Gärung im engern Oberland<br />

davon loffen, wel<strong>ch</strong>e sie ohne Zweifel gezwungen haben,<br />

mit ihnen zu kommen". Merligen „war sehr stürmis<strong>ch</strong><br />

und bes<strong>ch</strong>äftigte si<strong>ch</strong> außerordentli<strong>ch</strong>, die Oberländer<br />

ebenfalls an si<strong>ch</strong> zu ziehen. Der bekannte Rebell Fis<strong>ch</strong>er<br />

wußte es mit einem Zeller im Dorfe Wilderswil dahin<br />

zu bringen, daß (am 14. April) die Thals<strong>ch</strong>aft Grindelwald,<br />

die Dörfer Wilderswyl und Matten, zum<br />

Theil au<strong>ch</strong> etwel<strong>ch</strong>e aus dem Lüts<strong>ch</strong>enthal bis auf Jnterlaken<br />

bewafnet hervorruckten. Fis<strong>ch</strong>er sagte ihnen von den<br />

Anlagen (Steuern), was s<strong>ch</strong>on hievor gemeldet ist, und<br />

daß die Franken bereits zu Spiez seyen, die jungen<br />

Mannesleute auf Wägen s<strong>ch</strong>mieden und fortführen. Weil<br />

aber die Grindelwaldner, Wilderswiler und Matner<br />

sahen, daß si<strong>ch</strong> die übrigen Oberländer (von Jnterlaken<br />

und Oberhasli) ni<strong>ch</strong>t an sie s<strong>ch</strong>ließen wollten, so kehrten<br />

sie ruhig wieder in ihre Häuser zurück." — Im Oberhasli<br />

rumorte es längere Zeit. Anfängli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>einen nur<br />

die kleinen Gemeinden Hausen (wo Caspar Brog wohnte)<br />

und Hohfluh ents<strong>ch</strong>iedene Rebellionslust bekundet zu<br />

haben ; bis Mitte April jedo<strong>ch</strong> wu<strong>ch</strong>s die Zahl der Widerspenstigen<br />

beständig, und in den unteren Ämtern re<strong>ch</strong>neten<br />

beide Parteien mit dem Aufstande der Hasler. Die Simmentaler<br />

und Frutiger s<strong>ch</strong>ickten Emissäre hinauf, das Volk<br />

zu bearbeiten; aber die Brienzer ließen sie ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong>,<br />

sondern nahmen sie gefangen und lieferten sie na<strong>ch</strong> Thun.<br />

Die Isolierung mag in der Tat die Aufstandslustigen im<br />

Haslital entmutigt haben; zudem stand man hier den<br />

Franzosen näher und vernahm über ihre Stärke und<br />

Stellung, sowie über die allgemeine Situation in Helvetien<br />

Wesentli<strong>ch</strong> andere Kunde, als sie in den Gauen der<br />

Kander und der Simme verbreitet wurde. So s<strong>ch</strong>rieben die<br />

Kommissäre u. a.: „Wir können ni<strong>ch</strong>t umhin, einen gewissen<br />

Mel<strong>ch</strong>ior Frutiger im Grund, Distrikt Oberhasle,<br />

bestens zu empfehlen. Dieser kam von einer Reise,<br />

die er wegen Ges<strong>ch</strong>äften auf Züri<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t hatte, eben<br />

zur Zeit wiederum zurück, als die Oberhasler Landsgemeinde<br />

halten wollten, belehrte sie mit Na<strong>ch</strong>druck über<br />

die wahre Lage der Dingen und trug sehr vieles bey,<br />

dieselben von ihrem unsinnigen Beginnen abzuhalten."<br />

Der „Rebellenhauvtmann" Kaspar Vrog spielte<br />

eine bes<strong>ch</strong>eidenere Rolle, als Weißenfluh annimmt; mög-


Zweiter Vorstoß der Simmentaler 97<br />

li<strong>ch</strong> immerhin, daß ihm eine wi<strong>ch</strong>tigere zugeda<strong>ch</strong>t worden.<br />

Chr. Valmer von Wilderswil erklärte im Verhör, daß<br />

ein gewisser Johannes S<strong>ch</strong>mid von Frutigen, wohnhaft<br />

in Saanen, als Emissär auf Wilderswil gekommen,<br />

„vorgebend, er seye ausges<strong>ch</strong>ossen und habe vom Prinz<br />

(Erzherzog) Karl S<strong>ch</strong>riften bey si<strong>ch</strong>, au<strong>ch</strong> seien der Oberst<br />

und der Commissär Weiß seine Gevatermänner; er solle<br />

das Volk aufwecken und müße deswegen auf Oberhasle<br />

Hum Kaspar Brog zu Hausen, wohin der Balmer mit<br />

ihm gereiset*); auf der Reis habe der S<strong>ch</strong>mid alles bezahlt,<br />

und ohngea<strong>ch</strong>t er kein Vermögen besitzt, so habe es<br />

ges<strong>ch</strong>ienen, als hätte er viel Geld bey si<strong>ch</strong>". Als dann<br />

der Kommissär Mi<strong>ch</strong>el na<strong>ch</strong> Saanen kam, ließ er den<br />

Mann als einen „Haupträdelsführer" verhaften.<br />

Der voreilige Angriff und Miserfolg der Niedersimmentaler<br />

und Frutiger lähmte die ganze Bewegung.<br />

Bis zum 21. April wurden Merligen, Faulensee, Spiez,<br />

Wimmis, Äs<strong>ch</strong>i, Frutigen und Adelboden entwaffnet. Die<br />

Reste der Aufständis<strong>ch</strong>en, meist Simmentaler, hatten si<strong>ch</strong><br />

dur<strong>ch</strong> das Adelbodental zurückgezogen; am 20. gelangten<br />

sie über das Hahnenmoos an die Lenk und drohten nun,<br />

verstärkt mit einem zweiten Landsturm hervorzubre<strong>ch</strong>en.<br />

In Thun s<strong>ch</strong>lug man die neue Gefahr zunä<strong>ch</strong>st ni<strong>ch</strong>t eben<br />

ho<strong>ch</strong> an ; aber die Insurgenten ma<strong>ch</strong>ten Ernst. Am 21.<br />

kamen sie bis na<strong>ch</strong> St. Stephan, am 22. na<strong>ch</strong> Zweisimmen,<br />

hielten am 23. daselbst Rasttag und bra<strong>ch</strong>en am Abend<br />

des 24. auf, um talauswärts zu mars<strong>ch</strong>ieren, und nun<br />

merkten die Helvetier in Thun, daß es do<strong>ch</strong> gelte. No<strong>ch</strong><br />

war das vom General Nouvion verspro<strong>ch</strong>ene Bataillon,<br />

mit dem man „glei<strong>ch</strong>zeitig gegen Oberhasle hätte operieren<br />

können", ni<strong>ch</strong>t eingetroffen, also mußten Dolder<br />

und Fellenberg ohne diesen so sehnli<strong>ch</strong> erwarteten Sukkurs<br />

zu Felde ziehen. Da ihr Mars<strong>ch</strong> zum Teil dur<strong>ch</strong> „gutgesinnte<br />

Gemeinden" ging, war das Abenteuer eher zu<br />

riskieren. Am 25. April kam es am Laubeck st alden,<br />

zwis<strong>ch</strong>en Voltigen und Zweisimmen, zum Kampfe. Dolder<br />

stellt ihn in seinem Beri<strong>ch</strong>t an das Direktorium folgendermaßen<br />

dar:<br />

Balmer wurde vom Distriktstatthalter in Brienz arretiert.<br />

Da Brog wirkli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Spiez und As<strong>ch</strong>i gegangen war, erklärt<br />

si<strong>ch</strong> die Verwe<strong>ch</strong>slung bei Weißenfluh.<br />

7


98 Gefe<strong>ch</strong>t an der Laubeck<br />

(Zweisimmen, 25. April) „Gestern, morgens um 6 Uhr,<br />

bra<strong>ch</strong> i<strong>ch</strong> mit etwa 110 Mann Infanterie, theils fränkis<strong>ch</strong>en,<br />

theils Auriliar-Truppen, und 36 Jägern zu Pferd,<br />

unter Eommando von Lieut. O<strong>ch</strong>s, na<strong>ch</strong> Erlenba<strong>ch</strong> auf,<br />

wo i<strong>ch</strong> etwa 58 Mann Aunliairs, 200 Mann Infanterie<br />

und 60 S<strong>ch</strong>arfs<strong>ch</strong>ützen Miliztruppen angetroffen habe; also<br />

in allem 454 Mann. I<strong>ch</strong> theilte soglei<strong>ch</strong> meine Truppe<br />

m drei vers<strong>ch</strong>iedene Eolonnen; zwei mars<strong>ch</strong>irten auf meinem<br />

linken Flügel, die eine über Gestelen-Alp, die andere<br />

über Rütinen und Fromatt, wel<strong>ch</strong>e heute Morgens um<br />

8 Uhr unweit St. Steffan zusammentreffen sollten, um<br />

dann dem Feind, wel<strong>ch</strong>er si<strong>ch</strong> in dem Passage von Laubeck<br />

befand, in den Rücken fallen zu können, wel<strong>ch</strong>es au<strong>ch</strong><br />

wirkli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ehen; blos haben wir die Stunde, wel<strong>ch</strong>e<br />

zum Angreifen bestimmt war verändert, indeme sol<strong>ch</strong>e<br />

(die Rebellen) Morgens 4 Uhr über einige unserer Vorposten<br />

bei Wyßenburg*) hergefallen, sol<strong>ch</strong>e wirkli<strong>ch</strong> nebst<br />

mehreren Einquartierten im Dorfe gefangen gema<strong>ch</strong>t und<br />

bis Es<strong>ch</strong>i vorgedrungen und au<strong>ch</strong> darna<strong>ch</strong> Gefangene gema<strong>ch</strong>t.<br />

Die Offiziers und Soldaten zeigten meistens, daß<br />

sie no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t am besten reglirte Truppen seien; sie kamen<br />

bis in das Dorf Voltigen gelaufen, ohne daß sie den<br />

Feind nunmehr verfolgten; mit großer Mühe bra<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong><br />

sie endli<strong>ch</strong> wieder zusammen, und na<strong>ch</strong>dem i<strong>ch</strong> mit ihnen<br />

gespro<strong>ch</strong>en, rückten wir wiederum vor, fanden den Feind auf<br />

einer Anhöhe bei Es<strong>ch</strong>i, wel<strong>ch</strong>en i<strong>ch</strong> mit einem Kanonens<strong>ch</strong>uß<br />

auseinanderspringen ma<strong>ch</strong>te, worauf wir ihn na<strong>ch</strong><br />

und na<strong>ch</strong> verfolgten. Er nahm wiederum bei Laubeck<br />

Position, em Passage, wel<strong>ch</strong>es sehr vorteilhaft für ihn<br />

war; er wollte si<strong>ch</strong> dort ziemli<strong>ch</strong> hartnäckig stellen, wel<strong>ch</strong>es<br />

^ au<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> gekonnt hätte, wenn ni<strong>ch</strong>t die vereinte<br />

Colonne, die meistens aus S<strong>ch</strong>arfs<strong>ch</strong>ützen von Erlenba<strong>ch</strong><br />

und Diemtigen und einigen Franken bestund, ihme in den<br />

Rücken gefallen wäre. Diese bemeldte Truppen haben<br />

si<strong>ch</strong> zum voraus ausgezei<strong>ch</strong>net, und dadur<strong>ch</strong> haben wir<br />

wiederum unsere Gefangenen losgema<strong>ch</strong>t, eine Fahne erobert,<br />

50 bis 60 Gefangene gema<strong>ch</strong>t; er hat au<strong>ch</strong> einige<br />

Todte auf dem Platz gelassen; die übrigen haben si<strong>ch</strong> so<br />

gut mögli<strong>ch</strong> mit der Flu<strong>ch</strong>t gerettet; i<strong>ch</strong> lasse sie aber<br />

no<strong>ch</strong> immer über Berg und Thal verfolgen und hoffe,<br />

*) Weißenba<strong>ch</strong>.


Entwaffnung und Bestrafung der Rebellen 99<br />

no<strong>ch</strong> die meisten davon zu erwis<strong>ch</strong>en." — Da die Rebellen<br />

keine 200 Mann zählten, darf der mit einer Überma<strong>ch</strong>t<br />

von Artillerie, Kavallerie und Infanterie errungene Sieg<br />

ni<strong>ch</strong>t wohl als glorrei<strong>ch</strong> gelten.<br />

» q-<br />

Mit dem Gefe<strong>ch</strong>t an der Laubeck war die Niederlage<br />

der Aufrührer ents<strong>ch</strong>ieden; jetzt folgte die vollständige<br />

Entwaffnung des ganzen Kantons und die Bestrafung<br />

der S<strong>ch</strong>uldigen, — ein langwieriges, unglückli<strong>ch</strong>es<br />

Ges<strong>ch</strong>äft. Ende April bere<strong>ch</strong>nete die Verwaltungskammer<br />

des Kantons Oberland, daß die Kosten der Insurrektion<br />

für sie rei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> 40,000 Fr. betragen; bis zum<br />

Juli waren es s<strong>ch</strong>on 78,000 Fr. Hierfür sollten die rebellis<strong>ch</strong>en<br />

Gemeinden aufkommen, und überdies wurden<br />

ihnen gemäß dem Gesetz vom 28. April 1799 no<strong>ch</strong> Kontributionen<br />

auferlegt, „dreimal so ho<strong>ch</strong>, als die Vermögenssteuer<br />

ausges<strong>ch</strong>rieben ist". Die Gemeinden konnten alsdann<br />

auf die einzelnen Strafbaren zurückgreifen. Das<br />

Direktorium sandte den Senator Karlen und den „Repräsentanten"<br />

(Großrat) Fis<strong>ch</strong>er hin, die Angelegenheit zu<br />

betreiben, aber die Kontributions-Kommission sah si<strong>ch</strong> vor<br />

eine unendli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wierige Aufgabe gestellt, weil „Geld an<br />

einigen Orten s<strong>ch</strong>wer zu finden sei". Daher die Verfügung,<br />

daß die dreifa<strong>ch</strong>e Strafsteuer zu zwei Dritteln in Vieh<br />

bezahlt werden dürfe').<br />

An Gefangenen waren mehrere hundert Mann<br />

eingebra<strong>ch</strong>t worden; ihre Zahl wu<strong>ch</strong>s s<strong>ch</strong>on na<strong>ch</strong> dem<br />

ersten Kampfe dergestalt an, daß der Kantonsstatthalter<br />

sie kaum mehr zu versorgen wußte, und dur<strong>ch</strong> spätere<br />

Verhaftungen in allen Gemeinden kam no<strong>ch</strong> eine beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />

Menge hinzu. Jnterlaken und Oberhasli stellten<br />

au<strong>ch</strong> ihre Contingente. Am 11. und 12. Mai war der<br />

Kommissär Müller*) in Grindelwald, wo er eine neue<br />

') Die den Insurgenten (Gemeinden und einzelnen Bürgern)<br />

auferlegte Geldbuße von L. 63,312.10 s. wurde im Mai 1800 um<br />

V» heruntergesetzt.<br />

') Unterstatthalter von Altorf. Er sollte Mi<strong>ch</strong>el, Karlen und<br />

S<strong>ch</strong>neider als Regierungskommissär ersetzen und traf am 26. April<br />

in Thun ein. Da er Land und Leute gar ni<strong>ch</strong>t kannte, fand er<br />

die Ges<strong>ch</strong>äfte voller Dornen.


100 Bühler und Zabli gefangen. Kriegsgeri<strong>ch</strong>t in Thun<br />

Munizipalität einsetzte und u. a. au<strong>ch</strong> den Pfarrer Rü feil<br />

a <strong>ch</strong> t arretieren ließ, der den Aufruhr gepredigt habe und<br />

dafür vor Kriegsgeri<strong>ch</strong>t gestellt werden sollte; vom 13.<br />

bis 16. arbeitete der Regierungsmann in Meiringen, entwaffnete<br />

das Volk und verhaftete die „Hauptrebellen".<br />

Mit hoher Befriedigung meldeten die Kommissäre dem<br />

Direktorium, daß unter den Gefangenen in Thun „si<strong>ch</strong> alle<br />

Hauptanstifter befinden, ausgenommen ein gewisser alt<br />

Lieutenant und Seckelmeister Fis<strong>ch</strong>er von Merligen; dieser<br />

hat si<strong>ch</strong> flü<strong>ch</strong>ten können."<br />

Au<strong>ch</strong> die Hauptanführer der Simmentaler, Mi<strong>ch</strong>el<br />

Vühler und Johannes Zabli, waren den Häs<strong>ch</strong>ern<br />

zunä<strong>ch</strong>st entgangen, aber ihre eigenen Landsleute halfen<br />

sie „liefern". Und des unglückli<strong>ch</strong>en Andreas Hofer auf der<br />

Pfandl-Alm muß man gedenken, wenn man liest, wie der<br />

Erstgenannte gefangen wurde. „Den 28. Aprill ist endli<strong>ch</strong><br />

au<strong>ch</strong> der Rebellen Eommandant Bühler dur<strong>ch</strong> die Oberweiler<br />

unter Anführung des Distriktsri<strong>ch</strong>ters Joh. Es<strong>ch</strong>ler (?) von<br />

daselbsten an einem entlegenen Ort, in einem Alpgema<strong>ch</strong><br />

unter Zaunringen entdeckt und mit einem alten preußis<strong>ch</strong>en<br />

Soldaten gefangen gema<strong>ch</strong>t und na<strong>ch</strong> Erlenba<strong>ch</strong> gebra<strong>ch</strong>t<br />

worden." Bühler kam am 29. na<strong>ch</strong> Thun, und<br />

am nä<strong>ch</strong>sten Tage langte au<strong>ch</strong> sein Mitstreiter Zabli daselbst<br />

an. Die Verhaftung muß ungemütli<strong>ch</strong> gewesen sein;<br />

Zabli, der Messers<strong>ch</strong>mied, setzte si<strong>ch</strong> zur Wehr und „blessirte"<br />

zwei Soldaten, die ihn greifen wollten, mit einem<br />

Messer; sehr wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> hat au<strong>ch</strong> Bühler si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

gutwillig fesseln lassen.<br />

Am Abend des 16. Mai langte „das sämtli<strong>ch</strong>e Kriegsgeri<strong>ch</strong>t,<br />

so zur Beurteilung der Oberländis<strong>ch</strong>en Insurgenten<br />

na<strong>ch</strong> Thun beordert ward, daselbst an und formierte des<br />

folgenden Tags ihre Sizungen". Viele der Gefangenen<br />

wurden freigespro<strong>ch</strong>en; andere kamen mit Geldstrafen<br />

davon oder wurden unter die Hülfstruppen gesteckt; wer<br />

dienstuntaugli<strong>ch</strong> war, sollte je zwei Ersatzmänner stellen. —<br />

Man kann ni<strong>ch</strong>t behaupten, daß die Justiz na<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>ablone<br />

arbeitete, wenn man z. B. die folgenden Fälle miteinander<br />

verglei<strong>ch</strong>t:<br />

s) Jakob Stalder von Spiez, hatte mehrmals „Stafetendienft"<br />

getan, war bewaffnet mitgezogen. Urteil: Einjährige<br />

Gefangens<strong>ch</strong>aft an Ketten, Bezahlung der Kosten.


Urteilssprü<strong>ch</strong>e 101<br />

d) Abraham Röthlisperger von Hilterfingen, wohnhaft<br />

zu Därstetten; habe den ganzen Rebellenzug bewaffnet<br />

mitgema<strong>ch</strong>t. Urteil: unbedingt freigespro<strong>ch</strong>en.<br />

c) Johannes Känel von Rei<strong>ch</strong>enba<strong>ch</strong>, Salpetersieder; habe<br />

den Jnsurgentenzug bewaffnet mitgema<strong>ch</strong>t. Urteil:<br />

heimgelassen, der Salpetersiederey obzuliegen.<br />

6) Jakob Känel von Rei<strong>ch</strong>enba<strong>ch</strong>, Salpetergraber. Vergehen<br />

ähnli<strong>ch</strong> wie bei b und c. Urteil (erst in Oron<br />

gefällt): Se<strong>ch</strong>s Jahre Auss<strong>ch</strong>ließung von allen bürgerli<strong>ch</strong>en<br />

Stellen und Diensten; Kosten.<br />

Von den übrigen in Thun erledigten Fällen seien als<br />

von besonderem Interesse no<strong>ch</strong> die folgenden zwei angeführt<br />

:<br />

Abraham Rüfena<strong>ch</strong>t von Thun, 57jährig, Pfarrer<br />

in Grindelwald. Eingeständniße: Habe si<strong>ch</strong> zu<br />

viel in politis<strong>ch</strong>e Angelegenheiten gemis<strong>ch</strong>t, — die vorhandene<br />

Insurrektion eher begünstigt als zu unterdrücken<br />

gesu<strong>ch</strong>t; habe si<strong>ch</strong> aber deßtwegen so verhalten müßen,<br />

weil er auf jede Fälle ni<strong>ch</strong>t genugsam bes<strong>ch</strong>ützt gewesen<br />

wäre, weil Grindelwald ein entlegener Ort, und keine<br />

militäris<strong>ch</strong>e Besazungen da waren. Urteil: für ein halb<br />

Jahr lang von allen psstorsl Funktionen eingestellt, —<br />

vicarium in eigenen Kösten; Kösten an si<strong>ch</strong> selbst.<br />

Caspar Brog von Oberhasli, 33jährig, Landarbeiter.<br />

Anzeige der Municipalität: 1. seye mit anderen<br />

verdä<strong>ch</strong>tigen Personen in Gemeins<strong>ch</strong>aft gestanden; 2. bey<br />

ihme seyen eini<strong>ch</strong>e dahin gekommene Bots<strong>ch</strong>after der Insurgenten<br />

eingekehrt.<br />

Eingeständnis : 1. seyen mehrere Stafeten zu ihm gekommen,<br />

die er unentgelti<strong>ch</strong> bewirthet habe. 2. Er seye<br />

mit einem derselben herunter auf Spiez und Äs<strong>ch</strong>i gegangen<br />

— bloß die Wahrheit zu vernehmen, weswegen<br />

die Stafeten von den Oberhaslern Hülfe begehrt. Urteil:<br />

unbedingt frey erkennt.<br />

Untersu<strong>ch</strong>ung und Bestrafung besserten natürli<strong>ch</strong> die<br />

Volksstimmung im Oberlande keineswegs, und auf Wuns<strong>ch</strong><br />

des Kantonsstatthalters Joneli wurden zu Anfang Juli<br />

die Haupts<strong>ch</strong>uldigen der Insurgenten „mehr gegen die


102 Die Gefangenen von Oron. Entwei<strong>ch</strong>ungen<br />

ftanMs<strong>ch</strong>e Grenze hin" transportiert, na<strong>ch</strong> Oron, woselbst<br />

das Kriegsgeri<strong>ch</strong>t seine Arbeit fortsetzte. (In Moukn"<br />

passendes Lokal, und in dem romantis<strong>ch</strong>en<br />

Chillon war s<strong>ch</strong>on für die gefangenen Freiburger<br />

genug Raum gewesen.) Es waren<br />

, ^nder, die hier, zusammen mit einer Anzahl<br />

S<strong>ch</strong>icksalsgenossen aus dem Wallis, abgeurteilt werden<br />

sollten. Aber ihrer se<strong>ch</strong>s, just die „Besten", warteten die<br />

Sentenz m<strong>ch</strong>t ab. Mit großer Betrübnis mußte das<br />

Geri<strong>ch</strong>t dem helvetis<strong>ch</strong>en Kriegsminister am 15. Juli melden:<br />

„Ohngea<strong>ch</strong>t aller... getroffenen Anstalten zu si<strong>ch</strong>erer<br />

Verwahrung der allhier gefangen sitzenden oberländis<strong>ch</strong>en<br />

Insurgenten, haben denno<strong>ch</strong> se<strong>ch</strong>s davon Mittel gefunden<br />

aus der Gefangens<strong>ch</strong>aft si<strong>ch</strong> in der verstri<strong>ch</strong>enen Na<strong>ch</strong>t zu<br />

» - mittelst Zusammenknüpfung vers<strong>ch</strong>nittener<br />

Leintü<strong>ch</strong>er si<strong>ch</strong> von einem hohen S<strong>ch</strong>loßthurm herunter zu<br />

Assen. Zum Unglück sind diese se<strong>ch</strong>s von den stärksten<br />

Verbre<strong>ch</strong>ern, — sie sind:<br />

Mi<strong>ch</strong>el Bühler von Oberweil,<br />

Christian Zahler von Zweysimmen,<br />

Jobannes Zabli von Voltigen,<br />

Rudolf Müller von Thun,<br />

Christen Balmer von Wildersweil, und<br />

Johannes Stuki von Diemtigen."<br />

.Gegen die Entwi<strong>ch</strong>enen fällte das Tribunal «einen<br />

.. fünfzehn übrigen (drei Wilderswiler, zwei Frutiger,<br />

sieben Simmentaler und drei Saaner) wurden, wie<br />

übrigens au<strong>ch</strong> die meisten der in Thun Verurteilten, viel<br />

s<strong>ch</strong>onender angefaßt, als man es von einem Kriegsgeri<strong>ch</strong>t<br />

m sol<strong>ch</strong>en Zeitläuften hätte erwarten sollen. Die Urteile<br />

lauteten: Auss<strong>ch</strong>ließung von allen bürgerli<strong>ch</strong>en Stellen<br />

und Diensten auf 1—6 Jahre (in drei Fällen allerdings<br />

lebenslängli<strong>ch</strong>), Geldbußen von 10—100 Bern-Kronen<br />

und Bezahlung der Procedurkosten und S<strong>ch</strong>reibgebühren.<br />

Emer nur, der jüngste von allen, der kurz zuvor eines<br />

andern Vergehens wegen „für 6 Jahre aus Helvetien<br />

vanisirt worden", erhielt ein Jahr S<strong>ch</strong>ellenwerk. Ni<strong>ch</strong>t<br />

nur Weißenfluh, sondern au<strong>ch</strong> der Statthalter Joneli fand


Sündenregister der Hauptrebellen 103<br />

sol<strong>ch</strong>e Praris zu milde; sie zähme die Bösen ni<strong>ch</strong>t und<br />

errege die MisftimmuNg aller guten Patrioten*).<br />

Die Interessantesten unter der gesamten Rebellens<strong>ch</strong>ar<br />

sind ohne Zweifel Bühler und Zabli, deren lehrrei<strong>ch</strong>es<br />

Sündenregister dieses Kapitel bes<strong>ch</strong>ließen mag.<br />

Mi<strong>ch</strong>el Bühler von Oberwil, zu Zweysimmen wohnhaft,<br />

45jährig, verheirathet, 7 Kinder, Feldarbeiter.<br />

Anzeige der Municipalität:<br />

1. seye Hauptanstifter und Kommandant der Rebellen,<br />

2. habe am 8. April im Namen eines Theils der kanoniere<br />

bedingter Weise den Zug verweigert,<br />

3. habe den Agenten Zeller mishandelt,<br />

4. Viele unter Bedrohungen zum Ziehen aufgefordert,<br />

5. sey überhaupt einer der Haupt Rädelsführer gewesen,<br />

6. habe der Municipalität aus die fre<strong>ch</strong>ste Weise erklärt,<br />

das Distriksgeri<strong>ch</strong>t sey aufgehoben, der Präsident gefangen,<br />

und alle Re<strong>ch</strong>te seyen eingestellt,<br />

7. habe gesagt: Kapitulation gehen sie keine ein, als in<br />

Thun mit dem Regierungsstatthalter-, dieser müße<br />

aber zuerst sein Amt niederlegen, und denno<strong>ch</strong> riskiere<br />

er, den Kopf zu lassen,<br />

8. habe vers<strong>ch</strong>iedene Patrioten wollen fassen lassen, wenn<br />

sie si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t hätten flü<strong>ch</strong>ten können.<br />

Eingestandene Vergehen:<br />

1. Er sey als Kommandant mit den Rebellen gezogen,<br />

2. habe dem Agent zu St. Stephan befohlen zu stürmen<br />

(läuten),<br />

3. habe Vers<strong>ch</strong>iedene mit Gewehren zum Zug versehen,<br />

*) Das Direktorium und die gesetzgebenden Räte waren entrüstet<br />

über die Sprü<strong>ch</strong>e von Oron. „Auffallend ist au<strong>ch</strong> für den<br />

kältesten Mens<strong>ch</strong>en die Hinläßigkeit und selbst die Treulosigkeit,<br />

womit das Kriegsgeri<strong>ch</strong>t ein so heiliges Amt erfüllt hat". Und<br />

weil das Kriegsgeri<strong>ch</strong>t auf eine höckst ungere<strong>ch</strong>te und strafwürdige<br />

Art verfahren sei, wurde im Ortober 1799 bes<strong>ch</strong>lossen, „diese<br />

Ri<strong>ch</strong>ter geri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> verfolgen zu lassen". — In s<strong>ch</strong>roffstem Gegensatz<br />

zu der Milde von Oron steht die Härte, mit der das Kriegsgeri<strong>ch</strong>t<br />

im Kanton Solothurn die Rebellen wegen ganz ähnli<strong>ch</strong>er<br />

Vergehen bestrafte. Drei Urteile lauteten auf Tod (z. B.<br />

Urs Bohner, Wirt zu Herbetswyl, wegen Fällung des Freiheitsbaumes:<br />

Hinri<strong>ch</strong>tung mit Pulver und Blei); andere auf zehn<br />

Jahre S<strong>ch</strong>ellenwerk m Ketten.


104 Sündenregister der Hauptrebellen<br />

4. Viele mit Bedrohungen zum Zug verführt,<br />

5. den sämtli<strong>ch</strong>en Insurgenten zu Wimmis den Eyds<strong>ch</strong>wur<br />

abgenommen,<br />

6. an mehrere Orte Eilboten ausgesandt,<br />

^ vers<strong>ch</strong>iedene Beamte arretieren und einstecken<br />

lassen unter s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>en Drohungen und Flü<strong>ch</strong>en,<br />

8. den ganzen Rebellenzug in Uniform, Evaulettes und<br />

Degen mitgema<strong>ch</strong>t,<br />

9. Dabei die roth und s<strong>ch</strong>warze Eokarde getragen,<br />

10. andere geheißen sol<strong>ch</strong>e tragen,<br />

11. zur bevorstehenden Aufruhr Zusammenkünste mit<br />

mehreren gehalten,<br />

12. vorher verdä<strong>ch</strong>tigen Briefwe<strong>ch</strong>sel geführt,<br />

13. von den Aunliar-Truppen zu Weißenba<strong>ch</strong> Gefangene<br />

^ ihnen die Waffen abgenommen,<br />

14. vers<strong>ch</strong>iedene ihm vorgelegte auftühreris<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>riften<br />

ges<strong>ch</strong>rieben zu haben.<br />

Johannes Zabli von Boltigen, 49jährig, verheiratet,<br />

2 Kinder, von Beruf ein Messers<strong>ch</strong>mied, hatte<br />

^ Wnse ausgezei<strong>ch</strong>net. Seye, laut Anzeige<br />

der Mumcipalität, einer der ersten Rebellen und Erz<br />

Insurgent, habe als sol<strong>ch</strong>er den ganzen Zug von Anfana<br />

bis zu End mitgema<strong>ch</strong>t zc. zc. Gestand u. a?<br />

haus zum Zuge abgefordert, in Wimmis dazu ges<strong>ch</strong>woren<br />

u. a. m.<br />

Einer der Entwi<strong>ch</strong>enen, Rudolf Müller (laut Anzeige<br />

des Statthalters zu Thun „der Urheber der ferndrigen<br />

3^1? ^ General von Erla<strong>ch</strong> begangenen Mordthat")<br />

wurde später wieder ergriffen und dem Cantonsgen<strong>ch</strong>t<br />

zur Beurteilung überwiesen.<br />

Frutigen und Oberfimmental blieben no<strong>ch</strong> längere Zeit<br />

s<strong>ch</strong>wierig und s<strong>ch</strong>ufen den Behörden viel Sorge und Verdruß.<br />

Der Kantonsstatthalter klagte, daß versteckte Ausreißer<br />

und Flü<strong>ch</strong>tlinge Verwirrung anstiften, „wozu die<br />

-lveiber no<strong>ch</strong> mehr beitragen als die Männer"; die hel


Oberländer und Inners<strong>ch</strong>weizer 105<br />

vetis<strong>ch</strong>en Beamten werden mit dem Tode bedroht; ohne<br />

militäris<strong>ch</strong>e Unterstützung sei es unmögli<strong>ch</strong>, „die Gesetze zu<br />

handhaben und die Auflagen einzutreiben". Hierauf ließ<br />

das Direktorium zwei Kompagnien von der Legion na<strong>ch</strong><br />

Frutigen und Zweisimmen mars<strong>ch</strong>ieren. — Die verblüffende<br />

Wendung des Kriegsglückes im Herbst 1799 benahm<br />

au<strong>ch</strong> den Oberländer Rebellen die Hoffnung auf einen<br />

baldigen allgemeinen Umsturz, und Mi<strong>ch</strong>el Vühler bra<strong>ch</strong>te<br />

1800 zu Zweisimmen wohl no<strong>ch</strong> einen „Wirtshauslärm",<br />

ni<strong>ch</strong>t aber einen eigentli<strong>ch</strong>en Aufstand zuwege. Immerhin<br />

übte man si<strong>ch</strong> hier und dort weiter in der Widersetzli<strong>ch</strong>keit,<br />

besonders beim Steuerzahlen, und hielt si<strong>ch</strong> warm für den<br />

Generalsturm von 1802.<br />

Trotz man<strong>ch</strong>er Ähnli<strong>ch</strong>keit in den Tendenzen sowohl<br />

als in den äußeren Verhältnissen kommt der Aufruhr im<br />

Oberland an Wu<strong>ch</strong>t und Hartnäckigkeit den Erhebungen<br />

der Waldstätter und Oberwalliser bei weitem ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>.<br />

Ein Teil der Oberländer war dur<strong>ch</strong> die „Erhöhung" ihres<br />

Landes zu einem eigenen Kanton für die Helvetik gewonnen<br />

worden; man<strong>ch</strong>e kamen zu Ämtern und Ehren,<br />

die Min Gnädig Herren ihnen niemals zugestanden hatten<br />

oder verleihen konnten, und fanden Ges<strong>ch</strong>mack am Regiment.<br />

Wieviel Selbstsu<strong>ch</strong>t und Franzosenfur<strong>ch</strong>t dabei wirksam<br />

gewesen und wieviel e<strong>ch</strong>te helvetis<strong>ch</strong>-patriotis<strong>ch</strong>e Begeisterung<br />

samt Regentenweisheit, läßt si<strong>ch</strong> kaum ermessen;<br />

jedenfalls entwickelten die Würdenträger eine rege und<br />

man<strong>ch</strong>erorts erfolgrei<strong>ch</strong>e Tätigkeit zur Bes<strong>ch</strong>wi<strong>ch</strong>tigung des<br />

Volkszornes. Daher Eins<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>terung und Resignation, au<strong>ch</strong><br />

Uneinigkeit innerhalb der einzelnen Tals<strong>ch</strong>aften selbst; keine<br />

kernige Ents<strong>ch</strong>lossenheit der Massen zum äußersten Widerstand.<br />

Vor allem fehlte den Oberländern jener religiöse<br />

Fanatismus, der die Jnners<strong>ch</strong>weizer und Walliser in todvera<strong>ch</strong>tende<br />

Kämpfe trieb.


Alpenreisen 18Z0-18Z1<br />

von<br />

Johann v. Weißenfluh dem Jüngern.


I. Gemmi, Visp-Termatt,<br />

Meisstor, Monte Woro, Siniplon, Lakmanier,<br />

Panixerpass, pragel, krünig.<br />

ugust 11. 1850. Verließ i<strong>ch</strong> Mühlistalden und kam<br />

abends um 9 Uhr in Bern bey Herrn Leutenant<br />

Vürki an, den i<strong>ch</strong> begleiten wolte.<br />

Aug. 12. Unsere Reise gieng na<strong>ch</strong> das Frutig-Land<br />

und Gemmi; in Mühlenen, einem kleinen Weiler an der<br />

Kander, nahmen wir eine Erquickung; von hier sieht man<br />

die Steins<strong>ch</strong>iefergrube am Fuße des Niesen.<br />

Die wilde Kander dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nidet das Thal und verstört<br />

oftmalen den Fleis siner Bewohner; au<strong>ch</strong> gehet man<br />

thaleinwärts über alte Steinbrü<strong>ch</strong>e, die Wieland (weiland)<br />

größtenteils vom Niesen her in das Thal stürzten. Die<br />

einzelnen Hüser, die im Thale hin und wieder stehen, sind<br />

von Holz gebaut, na<strong>ch</strong> der Art vom Oberhasler (daß der<br />

Oberhasler und Frutiger eines Volkes Stamm, namentli<strong>ch</strong><br />

aus S<strong>ch</strong>weden, s<strong>ch</strong>int ni<strong>ch</strong>t unwahrs<strong>ch</strong>inli<strong>ch</strong>, indem das<br />

eine wie das andre sine Sitten beybehielten und i<strong>ch</strong> keinen<br />

Wesentli<strong>ch</strong>en Unters<strong>ch</strong>ied fand). Das Dorf Frutigen, wo<br />

wir eben errei<strong>ch</strong>ten, ist ungefehr vor 25 Jahren abgebrant,<br />

jetz aber na<strong>ch</strong> stettis<strong>ch</strong>er Art aufgebaut; es befinden si<strong>ch</strong><br />

hier zwen Gasthöfe und zwo Pinten, au<strong>ch</strong> stoßt man Thal<br />

einwerts auf mehrere Pmten. Das Dorf Frutigen stehet<br />

am Bergrücken der Niesenkette, auf einem aus der Urzeit<br />

heruntergefallenen Bergruts<strong>ch</strong>; au<strong>ch</strong> bemerkte i<strong>ch</strong> viele Bergstürze,<br />

die von Zit zu Zit in (den) Thalgrund stürzten.<br />

Wir nahmen ein Fuhrwerk; die Räder flogen ras<strong>ch</strong><br />

vorwärts na<strong>ch</strong> Kandersteg; der Weg ist gut. In Kandersteg<br />

ist eine Kapsle, oder «ir<strong>ch</strong>e, wie selbige jetz heißen mag;<br />

s<strong>ch</strong>int katholis<strong>ch</strong>en Ursprungs zu sin.<br />

Kandersteg ist eine s<strong>ch</strong>öne Wildnis, ein kleiner Weiller,<br />

und zerstreute Hüser und einzelne s<strong>ch</strong>warze Hüten nebst<br />

etli<strong>ch</strong>en wilden Kirs<strong>ch</strong>bäumen stehen auf diesem ohnedem<br />

heimatli<strong>ch</strong>en Boden. Wilde Bergbä<strong>ch</strong>e drohen au<strong>ch</strong> diesem<br />

den Untergang, und wird beinahe alle Jahre heimgesu<strong>ch</strong>t. —


110 S<strong>ch</strong>warenba<strong>ch</strong> und Gemmi<br />

Unser Fuhrmann bra<strong>ch</strong>te uns s<strong>ch</strong>nell an den Fus des<br />

Berges, wo uns ein Saumweg der Gemi zuführte. Ein<br />

finsterer Wald nahm uns auf; dicker Nebel verhüllte unsere<br />

Aussi<strong>ch</strong>t. Das Gebürg bestehet aus Kalkstein; au<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>t<br />

hier ni<strong>ch</strong>t die S<strong>ch</strong>nee-S<strong>ch</strong>melze die Mar<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en Bern<br />

und Wallis, sondren der Walliser hat auf den Abhengen<br />

der nördli<strong>ch</strong>en Site bedeutend Grasbenutzungen.<br />

Wir gelangten abends 8 Uhr bey dem Wirtshus auf<br />

der Gemi an ^). Der Wirth war gastfreundli<strong>ch</strong>, ni<strong>ch</strong>t Wolfeil<br />

und au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t thür; man trinkt hier Walliser Win,<br />

wel<strong>ch</strong>er zimli<strong>ch</strong> gut ist; Fleis<strong>ch</strong> und Buter und Geiskäs<br />

ist hier die Nahrung des Reisenden. Das Hus ist fest gebaut,<br />

aber klein; wenn vile Reisende hier zusamenstoßen,<br />

wirkli<strong>ch</strong> zu klein. Das Hus gehert den Wallisern, ist aber<br />

an einen Berner verpa<strong>ch</strong>tet.<br />

Äugst 13. Morgens 6 Uhr verließen wir das Gasthus<br />

auf der Gemi. Der Nebel hatte si<strong>ch</strong> allmelig zerstreut;<br />

die Bergspitzen des Altels und Rinderhoren traten hervor.<br />

Bald öffnete si<strong>ch</strong> eine Bergs<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>t; wir giengen entlang<br />

dieser S<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>t, wo si<strong>ch</strong> bald ein See zeigt, der Tubensee<br />

genant. Dieser See hat bedeutenden Zuflus und zwar von<br />

wilden Glets<strong>ch</strong>erbä<strong>ch</strong>en, aber kein oberflä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Ausflus;<br />

er findet seinen Ausflus in verborgenen Bergkliften, und<br />

Gott weis, wo dieses Wasser wieder zum Vors<strong>ch</strong>in komt.<br />

Auf ru<strong>ch</strong>en Kalkblaten mit mageren Begrasunaen ae-<br />

Engten wir auf den Höhe-Paß Paßhöhe) der Gemi.<br />

Wirkli<strong>ch</strong> überras<strong>ch</strong>end ist diese Aussi<strong>ch</strong>t; wohl etwas bes<strong>ch</strong>renkt<br />

dur<strong>ch</strong> die Nebel, zeigte si<strong>ch</strong> die südli<strong>ch</strong>e Bergkette<br />

des Wamserlandes, wehrend das Leukerbad in einer fur<strong>ch</strong>tbaren<br />

Tiefe vor unsren Augen lag, und zuglei<strong>ch</strong> Reisende,<br />

theus auf Maultieren, theils Fusgenger, den Felstobel<br />

heranklimten und athemlos zu unsren Füßen auf dem<br />

Höheneins<strong>ch</strong>nitt anlangten, wehrend wir die Augen na<strong>ch</strong><br />

allen vier Siten drähten und die große S<strong>ch</strong>öpfung Gottes<br />

ehrfur<strong>ch</strong>tsvol angaften. Der Weg hinunter in's Bad ist<br />

bald dur<strong>ch</strong> die Natur und au<strong>ch</strong> bald dur<strong>ch</strong> Mens<strong>ch</strong>enkunft<br />

so wit gebra<strong>ch</strong>t, daß er, obwohl streng, aber ni<strong>ch</strong>t ^ gefahrvoll<br />

ist, wie dieser Berg oft ges<strong>ch</strong>ildret wird; be-<br />

!) Wassers<strong>ch</strong>eide.<br />

') S<strong>ch</strong>warenba<strong>ch</strong>.


Das Leukerbad III<br />

sonders für Fusgenger fand i<strong>ch</strong> ihn ganz gefahrlos; hingegen<br />

den Berg hinunterzurüten kente ein Pferd im unginstigen<br />

Fal wohl stru<strong>ch</strong>len und stürzen.<br />

Der Ruckblick von dem Leukerbad na<strong>ch</strong> der Gemi, der<br />

mit jeder Art von Reisenden, als Rütren und Fusgengren,<br />

besetzt war, kam mir als etwas Ungewöhnli<strong>ch</strong>es und Seltsames<br />

vor; das Maultier s<strong>ch</strong>in oft mit sinem Ritter in<br />

ein Fels zu krie<strong>ch</strong>en, wehrend höher hinauf ein andres<br />

aus einem andren Fels hervorzukomen s<strong>ch</strong>in, und wo si<strong>ch</strong><br />

anderweitig ein Fusgenger einem Felsvorsprung entwand,<br />

und vorwerts zog, und wieder vers<strong>ch</strong>wand. Vom Bad<br />

bis auf die Gemi ist es wenigstens zwei Stunden.<br />

Ein kleiner Tobel trennt das Leukerbad in zwei Theile;<br />

auf dem nördli<strong>ch</strong>en Ufer stehet no<strong>ch</strong> das alte Dorf in unverändreter<br />

alter Walliser Tra<strong>ch</strong>t; hingegen auf dem südli<strong>ch</strong>en<br />

Ufer, wo die Badeinri<strong>ch</strong>tung ist, sind jetz große<br />

Hüser und prä<strong>ch</strong>tige Paläste im Bau begrifen. — Es<br />

ist hier ein reges Leben; es wimlete no<strong>ch</strong> von Badgesten<br />

jeder Art. Das Baden ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t Grottenwise, mehr einem<br />

kleinen See als einem Badkasten gli<strong>ch</strong>; der Reisende kann<br />

alles beoba<strong>ch</strong>ten; die Wibli<strong>ch</strong>en und Menli<strong>ch</strong>en sind dur<strong>ch</strong><br />

eine Breterwand getrent, do<strong>ch</strong> müsten mi<strong>ch</strong> mine Augen<br />

tüs<strong>ch</strong>en, wenn i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t wibli<strong>ch</strong>e Gesi<strong>ch</strong>ter unter den Mänren<br />

gesehen hätte. Es sitzen a<strong>ch</strong>t bis zehn in einer Grotte<br />

bisamen; i<strong>ch</strong> sähe s<strong>ch</strong>wimende Tis<strong>ch</strong>e mit Servisen umhers<strong>ch</strong>wimen,<br />

und jede Art Kurzwilen; der Badende mus<br />

gewöhnli<strong>ch</strong> 7 Stunden bliben, daher im Bad essen; daher<br />

die Tis<strong>ch</strong>e auf dem Wasser. Das Badwasser ist zimli<strong>ch</strong><br />

warm, es ru<strong>ch</strong>t gewaltig und dampft, wo es auf der Oberfle<strong>ch</strong>e<br />

ers<strong>ch</strong>int; das Wasser hat aber, wenn man es trinkt,<br />

keine andre Kust und wesentli<strong>ch</strong>e Theile als unser gemeines<br />

Brunnenwasser, wenn man es am Für gewärmt<br />

hat. — Die Gastwirte im Leukerbad mus man mehrere<br />

Mall manen, ehe selbige dem Reisenden etwas vorsetzen.<br />

Sie spre<strong>ch</strong>en eine französis<strong>ch</strong>e Batwa und s<strong>ch</strong>inen zimli<strong>ch</strong><br />

ful zu sin.<br />

Wir verließen diesen Ort, giengen entlang dem Berg,<br />

anftadt der Hauptftras na<strong>ch</strong> Leuk, na<strong>ch</strong> Albinen. Wir<br />

kamen bald an einen hohen Felsen, an dessen Fus uns<br />

etli<strong>ch</strong>e fremde Herrn begegneten, die uns diesen Weg als<br />

gefahrvol darftelten; wir ließen uns aber ni<strong>ch</strong>t abs<strong>ch</strong>recken


112 Das Rhonethal. Übers<strong>ch</strong>wemmung von 1846<br />

und erklimten diesen Weg, der mittelst Leitren von einem<br />

Felsvorsprung auf den andren in Verbindung stehet. Die<br />

unsi<strong>ch</strong>ere Stelle mag cirka 300 Fus ho<strong>ch</strong> sin. Wir gelangten<br />

wirkli<strong>ch</strong> über Albinen, ist ein geringes Bergdorf;<br />

hier hat man an der Natur no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts verpfus<strong>ch</strong>t; die<br />

Bienstöck sind aus ausgehöhlten runden Ler<strong>ch</strong>en-Trömel;<br />

der stotzige Boden ist mit Roggen gebaut und ist ihre Hauptnahrung;<br />

den Dünger lassen sie dur<strong>ch</strong> die Gassen laufen.<br />

Die Stadt Leuk ist auf einem hervorstehenden Felsvorsprung,<br />

auf der nördli<strong>ch</strong>en Site des Rotten (N. B.<br />

Rodan); ist ein zimli<strong>ch</strong>er Flecken. Dieser Flecken s<strong>ch</strong>int<br />

ni<strong>ch</strong>t von gestern entstanden zu sin, denn sine alten Gebäude,<br />

besonders der Hypothekenbewahrer, s<strong>ch</strong>int von dem<br />

ältesten Alterthum zu zügen. Hier ist kein Verkehr; i<strong>ch</strong><br />

sah ni<strong>ch</strong>t einmal einen Tu<strong>ch</strong>laden.<br />

Wir gelangten von da auf die Simplonstraße vermittelst<br />

einer hölzernen Brücke, über den Rotten, merkwürdig<br />

wegen sinem wilden Daherrus<strong>ch</strong>en und wilden Ausbrü<strong>ch</strong>en.<br />

Der Thalgrund zwis<strong>ch</strong>en Susten, ein kleiner<br />

Willer, und Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> (Visp), eine Strecke von vier<br />

Stunden, ist eine Wüstem; nur das Dorf Turtmann ist<br />

an einem Bergabhang und etwas Grün; das übrige (ist)<br />

mit Widen und wildem Gestrü<strong>ch</strong> besetzt. Mais, Türkenkorn,<br />

die sehr groß und s<strong>ch</strong>ön sind, nebst etli<strong>ch</strong>en Kartoflen<br />

und Hanf ist no<strong>ch</strong> das einzige Erzügnis dieses unglickli<strong>ch</strong>en<br />

Bodens. Nur etli<strong>ch</strong>e Mutterpferde mit ihren<br />

Fohlen und etli<strong>ch</strong>e magere Kühe erblickten wir, die da<br />

weideten und die Lis<strong>ch</strong>enrohr aus dem bemosten Boden<br />

hervorzogen.<br />

Das Dorf Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> ist gut gebaut am Eingang des<br />

Visperthales; aber au<strong>ch</strong> hier versiert die wilde Visp, ein<br />

rißender Bergstrom; Felder, Gärten, Bäume und Hüser<br />

müßen diesem fur<strong>ch</strong>tbaren Wasser-Element unterligen. Im<br />

Jahr 1846 zerbra<strong>ch</strong> die Visp den Damm, ma<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong><br />

graden Lauf na<strong>ch</strong> Norden, dem Rotten zu; ruinierte<br />

Matten, dürre Bäume, läre S<strong>ch</strong>üren, öde Hüser sind Zügen<br />

dieses Unglicks.<br />

Bey dem Dorfe oder Stadt Leuk*) wird no<strong>ch</strong> auf der<br />

Sonsite Win gezogen; mir s<strong>ch</strong>in aber dieser Weinbau sehr<br />

* Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>rieben für Visp.


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5-«<br />

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Die Visp und der Rotten 113<br />

verna<strong>ch</strong>läßiget, denn die Stöcke werden ni<strong>ch</strong>t aufgebunden,<br />

sondern liegen unregelmeßig in den Bergabhengen wie<br />

unsre Brombeerftuden aufeinandren; daher wars<strong>ch</strong>inli<strong>ch</strong><br />

die rohe Herdkuft des Walliser Weins. Zu Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong><br />

kehrten wir im Gasthofe bey der Sonne ein; ein me<strong>ch</strong>tiges<br />

Wetter (Ungewitter) zieht über die Thäler.<br />

Äugst 14. Morgens 3 Uhr Donnren und Blitzen;<br />

unsre Reise mußte eingestellt werden wegen dem vielen<br />

Regen. Die wilde Visp drohet dur<strong>ch</strong> ihre starke Ans<strong>ch</strong>wellung<br />

den Ausbru<strong>ch</strong> zu erneuern. Zu gli<strong>ch</strong>er Zit wird<br />

gemeldet, daß die große Simplonstraße zwis<strong>ch</strong>en dem Dorfe<br />

Susten und Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> an vielen Orten unter Wasser stehe;<br />

den Pferden gehe das Wasser an den Bu<strong>ch</strong>, und für Fusgenger<br />

sei kein Dur<strong>ch</strong>kommen. Wir hatten Ursa<strong>ch</strong>, uns zu<br />

freuen, daß wir am 13. abends mit einem s<strong>ch</strong>nelläufigen<br />

lei<strong>ch</strong>ten Fuhrwerk dieser anwa<strong>ch</strong>senden Gefahr entwis<strong>ch</strong>ten<br />

und no<strong>ch</strong> in re<strong>ch</strong>ter Zeit Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> errei<strong>ch</strong>ten. Au<strong>ch</strong> komt<br />

neuer Beri<strong>ch</strong>t an, daß der Rotten ungefehr eine halbe<br />

Stunde ob Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> den Damm dur<strong>ch</strong>bro<strong>ch</strong>en und denjenigen<br />

Boden, wo im Jahr 1846 von den Fluten ist vers<strong>ch</strong>ont<br />

geblieben, no<strong>ch</strong> verwüstet und den Fliß dieser Leute<br />

vollends verstört. Es unterligt keinem Zweisel, daß in<br />

kurzen Jahren der Thalgrund im Wallis zu einer vollkommenen<br />

Wüfteny umgewandelt wird; ^ein^ ri<strong>ch</strong>tiger Beoba<strong>ch</strong>ter,<br />

der dur<strong>ch</strong> das Wallis reiset, wird finden, daß<br />

dur<strong>ch</strong> das mors<strong>ch</strong>e Verfallen der Walliser Ho<strong>ch</strong>gebürge und<br />

Verfallen derselben die Thal- und Sitenbä<strong>ch</strong>e so viel<br />

Steine, Grien und Geröl in den Rotten führen, daß in<br />

dessen niedriger Lage der Morast liegen bleibt und diejenigen<br />

Stellen, wo no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t verwüstet, in Zit zehen<br />

Jahren verwüstet sin werden. Der im Thalgrund wohnende<br />

Walliser wird wohl thun, wenn er si<strong>ch</strong> in re<strong>ch</strong>ter Zit um<br />

eine andre Heimat umsihet und diesen unglickli<strong>ch</strong>en Boden<br />

verläßt.<br />

Als das Wetter etwas besser geworden, besahen wir<br />

den Flecken Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong>. Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> ist gut gebaut, hat zwei<br />

große Kir<strong>ch</strong>en, hohe Hüser, dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> vier Stock ho<strong>ch</strong>.<br />

Zu unsrer Freude trafen wir hier den Gebirgszei<strong>ch</strong>ner<br />

G. Studer und H. Professor Ulri<strong>ch</strong> von Züri<strong>ch</strong> an;<br />

das stürmis<strong>ch</strong>e Wetter hatte sie aus den Ho<strong>ch</strong>gebürgen<br />

hinunter getriben. Hier in Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> ist aber kein reges<br />

v. Wetßenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>. 8


114 Dur<strong>ch</strong>s Nikolaital<br />

Leben; die Gassen mens<strong>ch</strong>enlär, voll Mist und Morast, das<br />

den Walliser Flecken und Dörfren s<strong>ch</strong>int angethan zu sin;<br />

der fremde Reisende thut rvol, wenn er die überstrümvs<br />

ni<strong>ch</strong>t vergißt.<br />

Um vier Uhr verließen wir unsre Herberg, mars<strong>ch</strong>ierten<br />

wirkli<strong>ch</strong> das Thal einwerts. Der Eingang in das<br />

Thal ist ganz eng, zieht si<strong>ch</strong> ganz na<strong>ch</strong> Süden, Sardinien<br />

zu. Am Eingang des Thals finden wir große Nusbäume;<br />

au<strong>ch</strong> wird hier Win gebaut, oder vilmehr wild gezogen.<br />

Wenn man diesen Windau von ferne stehet, so s<strong>ch</strong>mt es<br />

wildes Geftrü<strong>ch</strong> zu sin; die Rebe dreht si<strong>ch</strong> über wilde<br />

Felswinde (?), wo mitunter au<strong>ch</strong> Reckholdergestrü<strong>ch</strong> und<br />

wilde Bir<strong>ch</strong>en wa<strong>ch</strong>sen, hinauf und haltet si<strong>ch</strong> an vergli<strong>ch</strong>en<br />

Geftrü<strong>ch</strong> fest und hilft so mit der Natur na<strong>ch</strong>, was<br />

der Mens<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Trägheit verna<strong>ch</strong>leßiget.<br />

Wenn man thal einwerts komt, so verengt si<strong>ch</strong> das<br />

Thal allmelig; gringe Hüser und Spi<strong>ch</strong>er, wel<strong>ch</strong>e einzeln<br />

hm und wieder stehen, sind si<strong>ch</strong>tbar. Das Dorf Erben<br />

(Erb) mag cirka zwei Stunden linker Hand auf einem<br />

Bergrücken ligen. Das Dorf Stalden ligt zwei Stunden<br />

hinter Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> auf einem Felsvorsprung; hier theilt si<strong>ch</strong><br />

das Thal, das linke führt na<strong>ch</strong> Saaß und das re<strong>ch</strong>te na<strong>ch</strong><br />

Sermat. Der Kaplan besorgt auf Stalden die Wirts<strong>ch</strong>aft.<br />

Der Weg ist sehr s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t, in einem engen Tobel eingeengt<br />

an meisten Orten 2V- S<strong>ch</strong>uh breit; au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong><br />

Stemstürze und Rüts<strong>ch</strong>e und Waldbä<strong>ch</strong>e war der Weg<br />

bes<strong>ch</strong>ediget. Wern wir ein wenig for<strong>ch</strong>tsam gewesen, so<br />

haten wir umgekehrt. Wir kamen abends 8 Uhr in St.<br />

NMausen an, kehrten im Gasthof Bunderkeil ein und<br />

wurden gastfreundli<strong>ch</strong> und gut beherberget. Dieses Velklin<br />

?st no<strong>ch</strong> rein Wallis<strong>ch</strong>er Sitte, ist aufri<strong>ch</strong>tig und offenherzig;<br />

die ganze Thals<strong>ch</strong>aft haltet ungefehr 1400 Seelen; das<br />

Velklin lebt von Rindvi<strong>ch</strong>- und S<strong>ch</strong>afzu<strong>ch</strong>t, au<strong>ch</strong> wird bis<br />

ho<strong>ch</strong> in's Gebürge Roggen gebaut; man fi<strong>ch</strong>t Korenäker<br />

auf Felsvorsprüngen thalwerts hinein, daß es uns wunderbar<br />

s<strong>ch</strong>ien, wie die Mens<strong>ch</strong>en dahin kamen.<br />

Äugst 15. Donstag den 15ten wieder Regen und S<strong>ch</strong>nee<br />

im Ho<strong>ch</strong>gebürge. Es war Firtag und lütete zur Kir<strong>ch</strong>e;<br />

um 11 Uhr gieng der Gottesdienst zu Ende. Was die<br />

ältere Mennerklasse betrist, ers<strong>ch</strong>in (sie) in ihren groben<br />

buntbrunen Kitlen, hingegen miwnter sahen wir au<strong>ch</strong>


St. Niklaus, Rauda, Täs<strong>ch</strong> 115<br />

junge Burs<strong>ch</strong>e stolz dahers<strong>ch</strong>riten, wel<strong>ch</strong>e ihre altertümli<strong>ch</strong>e<br />

Kleidungstra<strong>ch</strong>t verlassen haten und fremde Tü<strong>ch</strong>er trugen;<br />

au<strong>ch</strong> das s<strong>ch</strong>öne Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>int ihre groben Kutten abzus<strong>ch</strong>affen.<br />

Ihre Spra<strong>ch</strong>e fand i<strong>ch</strong> etwas angenehmer als<br />

(die) der im Thalgrund wohnenden Walliser; sie bru<strong>ch</strong>en<br />

mehr lutstimmende Vokalen, daher klingt sie angenehmer.<br />

Um 11 Uhr verließen wir St. Klausen. Der Weg führt<br />

der wilden Visp entlang einwärts, wel<strong>ch</strong>e in einem tiefen<br />

Tobel wild daher rus<strong>ch</strong>t, si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>umend um die in ihrem<br />

Bette si<strong>ch</strong> befindli<strong>ch</strong>en großen Felsblöke windet und alles,<br />

was bewegli<strong>ch</strong> ist, na<strong>ch</strong> Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> führet. Wir fanden<br />

no<strong>ch</strong> eine Stunde hinter St. Klausen Kirs<strong>ch</strong>bäume, aber<br />

nur mehr gestrü<strong>ch</strong>artig, die hö<strong>ch</strong>sten 15 und 20 Fus ho<strong>ch</strong>.<br />

So wie man das Thal einwerts gehet, findet man an<br />

dem re<strong>ch</strong>ten Ufer der Visp und (am) Bergabhang die<br />

pre<strong>ch</strong>tigsten Bir<strong>ch</strong>enwelder und zur Linken me<strong>ch</strong>tige Ler<strong>ch</strong>enwelder.<br />

Es ist au<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> kein Comers und Verkehr<br />

aus einem Dorf in das andre; Stunden wit begegnete<br />

uns kein Mens<strong>ch</strong>. Es ist man<strong>ch</strong>mal s<strong>ch</strong>wer, den re<strong>ch</strong>ten<br />

Weg zu erfors<strong>ch</strong>en, denn wohl trift man vile Eruzefire<br />

an, aber kein Wegwiser; der Reisende komt ni<strong>ch</strong>t selten<br />

in Fal, daß es ihm s<strong>ch</strong>wer wird si<strong>ch</strong> zure<strong>ch</strong>t zu finden.<br />

Wir wandleten den einsamen Weg vorwerts, und ob si<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>on das Auge an den fris<strong>ch</strong> auftu<strong>ch</strong>enden Naturgegenständen<br />

oft erquiken kan, so ma<strong>ch</strong>t do<strong>ch</strong> die mens<strong>ch</strong>enlere<br />

Gegend oft lange Weille, daß wir oft Gesprä<strong>ch</strong>e hervorsu<strong>ch</strong>en,<br />

um selbe zu verkürzen. Das Dorf Randen (Randa)<br />

liegt zwei starke Stunden hinter St. Klausen anmutig<br />

an einem grünen Bergabhang. Die Hüser sind gewöhnli<strong>ch</strong><br />

vier Stok ho<strong>ch</strong>, wel<strong>ch</strong>e Bauart dem Wallis ganz eigen<br />

ist. Eine s<strong>ch</strong>öne Kir<strong>ch</strong>e ist hier. Der Pfahrher, bey dem<br />

wir einkehrten, besorgt die Wirths<strong>ch</strong>aft; der Reisende kan<br />

hier eine gute Flas<strong>ch</strong>e Mus<strong>ch</strong>giteller und alten Walliser-<br />

Käs haben, der voll Milben ist. Aussi<strong>ch</strong>t ist auf beiden<br />

Siten keine; me<strong>ch</strong>tige Felsvorsprünge verdecken re<strong>ch</strong>ts und<br />

links die Aussi<strong>ch</strong>t. Diese Felsvorsprünge sind oft 1000 Fus<br />

ho<strong>ch</strong>, wo dann erst auf deren Rücken Bergdörfer ers<strong>ch</strong>inen,<br />

die oft3bis4Stund vom Thalgrund aufwärts ligen. Von da<br />

kamen wir auf Täs<strong>ch</strong>, auf der linken Site am Bergabhang der<br />

Visp ; hat ein zimli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>öne Kir<strong>ch</strong>e, stehet auf einem alten<br />

Bergruts<strong>ch</strong>. Au<strong>ch</strong> hier hat die Visp den Thalgrund überführt.


116<br />

Das alte Zermatt<br />

Der Weg na<strong>ch</strong> Sermat führet dur<strong>ch</strong> dike Ler<strong>ch</strong>welder;<br />

eine hölzerne Brüte führet von der lenken Site über einen<br />

wohl 300 Fus tiefen Tobel auf das re<strong>ch</strong>te Ufer Hinuber.<br />

Bald fi<strong>ch</strong>t man das Dorf Sermat; stehet an dem Fuße<br />

des Kühbergs. S<strong>ch</strong>öne grüne Matten zieren diese Gegend<br />

und sind bis jetz von der Visp vers<strong>ch</strong>ont geblieben. Der<br />

dasige Gastgeber, Joseph Lauber, ist Gastwirth, aber in<br />

Warheit ein wunderli<strong>ch</strong>er Mann. Aus siner Wohnstube<br />

hinauf in die Kü<strong>ch</strong>e ist eine Stege angebra<strong>ch</strong>t; i<strong>ch</strong> sähe<br />

den Wirth blos zuwilen den Kopf dur<strong>ch</strong> das angebra<strong>ch</strong>te<br />

Lo<strong>ch</strong> hinauf in die Ku<strong>ch</strong>i steken; nur ein mal, als er aus<br />

der Kü<strong>ch</strong>e zurük kam, hatten wir die Ehre, den Wirth<br />

ganz zu sehen. Im übrigen war die Wirts<strong>ch</strong>aft langwilig,<br />

aber do<strong>ch</strong> suber und reinli<strong>ch</strong>; überhaupt kan man<br />

den Walliser-Wirtshüsren die Unreinli<strong>ch</strong>keit ni<strong>ch</strong>t mehr<br />

vorwerfen, wofür sie in frühren Ziten sind bes<strong>ch</strong>uldiget<br />

worden; do<strong>ch</strong> wit entfernt der nördli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>wiz und<br />

der Berner Oberlender. Die Gassen in Sermat sind, wie<br />

in andren Dörfren, voll Koth; das s<strong>ch</strong>öne Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t, wo<br />

eben zur Kir<strong>ch</strong>e zog, mußte, um ni<strong>ch</strong>t ihre Kuten zu bes<strong>ch</strong>muzen,<br />

dieselben emporheben, daß die Knie hervorguckten.<br />

Die Hüser in Sermat find mit s<strong>ch</strong>önen Granit-<br />

Blaten gedekt; s<strong>ch</strong>ade, daß die Gassen ni<strong>ch</strong>t damit belegt<br />

sind! Die Ofen sind von Gültstein, wo jede Gegend im<br />

Uberflus hat. Re<strong>ch</strong>ts und lenks ist von Sermat die Aussi<strong>ch</strong>t<br />

bes<strong>ch</strong>renkt; blos erblikt man Thal einwerts bei gutem<br />

Wetter das me<strong>ch</strong>tige Matterhoren, mehr auf der re<strong>ch</strong>ten<br />

Site, wohingegen der Rifelberg die hohen Wipfel der<br />

Südost ligenden Montrose verdekt.<br />

Wenn ein Reisender überhaupt die obenligenden Regionen<br />

erfors<strong>ch</strong>en wil, besonders auf den südli<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>gebirgen<br />

(Walliseralpen), so mus er gli<strong>ch</strong> die hervorstehenden<br />

Felsabsätze und Bergrüken erstigen, um in die<br />

Geheimnisse der Glets<strong>ch</strong>erwelt zu sehen; denn immer verdeken<br />

im Thalgrunde die uberhangenden Felsvorsprünge<br />

dem Reisenden die s<strong>ch</strong>öne Aussi<strong>ch</strong>t. — Es gibt hier Gemsen<br />

und Murmelthier, erstre in kleiner Zahl. Da das Thal<br />

den wilden Bergbä<strong>ch</strong>en allzu sehr unterworfen ist, so sind<br />

au<strong>ch</strong> die Thalbewohner erfindris<strong>ch</strong>, Verbindungs-Brüken<br />

ab dem einen Ufer auf das andere zu ma<strong>ch</strong>en. Es werden<br />

auf beiden Ufren s<strong>ch</strong>were Holzblöke hinausgestoßen« die


Vorrücken des Gornerglets<strong>ch</strong>ers. Das Hörnli 11/<br />

mehrere Fus über das Wasser ligen; am Rand werden<br />

sol<strong>ch</strong>e mit s<strong>ch</strong>weren Steinen belegt, und erst auf diesen<br />

S<strong>ch</strong>ipfen wird die Brük angesetzt, wel<strong>ch</strong>es die Traghölzer<br />

der Brük sehr verkürzt.<br />

Äugst 16. Immer Regen und im Ho<strong>ch</strong>gebürge S<strong>ch</strong>nee.<br />

Wir ma<strong>ch</strong>ten, für die lange Weile zu vertriben, ein Ausflug<br />

in die nahen Umgebungen von Sermat, Dorf einwerts.<br />

Wir stießen auf die kleinen Dörfer Winkelmat und<br />

Zum See; in beiden Dörfren sind Kapellen. Der Gorner<br />

Glets<strong>ch</strong>er, eine halbe Stunde hinter See, ma<strong>ch</strong>t gewaltige<br />

Forts<strong>ch</strong>rite; dur<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>re Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten vernahmen wir,<br />

daß sit 20 bis 30 Jahren zwanzig bis drißig Gebäude<br />

theils verstört, theils abgebro<strong>ch</strong>en werden mußten. Wir<br />

fanden ein Vorsäshuslin, das 6 Fus von der aufgeworfenen<br />

Glets<strong>ch</strong>er-Gand') auf einem grünen Rasen stehet<br />

und da sin Verstörung abwartet. Der Glets<strong>ch</strong>er wühlt sine<br />

wilde Gand dur<strong>ch</strong> die s<strong>ch</strong>önen Matten, Boden genant,<br />

vorwerts; im Gandgeröl fanden wir Durmelin, Serpatin,<br />

au<strong>ch</strong> Stralsteine 2).<br />

Äugst 17. Morgens abermal Regen, do<strong>ch</strong> um 9 Uhr<br />

zogen die Wolken etwas auf. Um ni<strong>ch</strong>t ganz still zu<br />

bleiben, ma<strong>ch</strong>ten wir eine Reise auf das Hörnerlin<br />

(Hörnli); ist ein Vorsprung vom Matterhoren. Wir mars<strong>ch</strong>ierten<br />

den Galen hinauf zu dem S<strong>ch</strong>warzen See; es<br />

ist ein klein Bergbeken oder Kessel; es stehet eine Kapelle<br />

dabei. Wenn es zu lang troken ist, so ma<strong>ch</strong>en die Thalbewohner<br />

eine Prozession dahin, von den Göttren Regen<br />

zu erbiten; hingegen wenn es zu lang s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t Wetter<br />

ma<strong>ch</strong>t, so geht die Prozession auf die Höhe von Findelen,<br />

wo ebenfals eine Kapelle stehet; ist ein trokener Bergrüken,<br />

um die Götter um trokenes Wetter anzuflehen. —<br />

Der Galen ist eine zwar s<strong>ch</strong>öne, aber magere Vi<strong>ch</strong>alp;<br />

lenker Hand führt der Dur<strong>ch</strong>paß über das Matterjo<strong>ch</strong>,<br />

au<strong>ch</strong> Tutul (Theodul)-Paß genant, wo der Glets<strong>ch</strong>er einen<br />

zimli<strong>ch</strong>en Eins<strong>ch</strong>nitt bildet, na<strong>ch</strong> Sardinien.<br />

Von der Kapelle am S<strong>ch</strong>warzen See gehet es na<strong>ch</strong><br />

das Hörnelin eine Glets<strong>ch</strong>ergand hmauf, wo eine Familie<br />

Murmelthier huset. Au<strong>ch</strong> stießen wir auf die Fährte von<br />

Berghühnren und Hasen. Regen, mit S<strong>ch</strong>nee vermis<strong>ch</strong>t,<br />

') Moräne. ") Kristalle.


118 Matterhorn und Monterosa<br />

begrüßte uns auf dem Hörnelin; do<strong>ch</strong> gegen Morgen sahen<br />

wir mitunter (unter) dem Nebel die Sonne dur<strong>ch</strong>bliken,<br />

wo wir die Höhen de Magane (Macugnaga) und Wißthor<br />

erblikten; au<strong>ch</strong> sahen wir miten unter Nebel die<br />

Fusgeftelle der zwei Riesen, als namentli<strong>ch</strong> Monterose in<br />

zimli<strong>ch</strong>er Entfernung grad gegen Morgen, wo hingegen<br />

das Matterhoren grad zu unsren Füßen aus dem Glets<strong>ch</strong>ermeer<br />

auftau<strong>ch</strong>te; aber Nebel verdekte ihre Häupter, die<br />

sie jez s<strong>ch</strong>on a<strong>ch</strong>t Tage vor dem Reisenden verbargen. —<br />

Wir legten no<strong>ch</strong> einige Steine auf die da gemureten<br />

Männer und verließen traurig diesen Ort, daß es uns<br />

für unsre Mühe so wenig Aussi<strong>ch</strong>t gewehrte.<br />

Äugst 18. Sonntag. Jez war das Wetter s<strong>ch</strong>ön. Das<br />

Matterhoren, der me<strong>ch</strong>tige Riese, war der erste Gegenstand,<br />

wo mir in die Augen fiel und wel<strong>ch</strong>es wir zum ersten<br />

mal in vollkomener Gestalt erblikten. Sine oberste Spize<br />

ma<strong>ch</strong>t einen wilden Girens<strong>ch</strong>nabel oder Adlers<strong>ch</strong>nabel na<strong>ch</strong><br />

Morgen und si<strong>ch</strong>t stolz auf seine Na<strong>ch</strong>baren hinunter.<br />

Nur die wilde Monterose s<strong>ch</strong>int ihr etwas Respekt einzuflößen,<br />

indem selbe etli<strong>ch</strong>e Fus höher, letztere aber, da<br />

erstere unersteigbar, den Stolz wohl mit Re<strong>ch</strong>t behalten<br />

mag.<br />

Am 18. na<strong>ch</strong>mittags begaben wir uns na<strong>ch</strong> die Augftgum<br />

(Riffelalp); zwei Walliser, als namentli<strong>ch</strong> Joseph<br />

Wels<strong>ch</strong>en und Joseph Zdrugwald, wollten uns über den<br />

Höhepaß de Wisthor führen. Wir legten unsres Gepeke<br />

ab in einer kleinen, aber re<strong>ch</strong>t suberen Alpenhüte.<br />

I<strong>ch</strong> gieng mit meinem Herrn hinauf zu dem<br />

Rüfenhoren (Risfelhorn), ligt zwo Stunden ob Augstgum;<br />

hier erblikten wir die Monterose in aller ihrer Pra<strong>ch</strong>t,<br />

denn eben warf die Abendsonne, die si<strong>ch</strong> zu neigen begann,<br />

die goldenen Stralen an ihre Spitzen. I<strong>ch</strong> vergli<strong>ch</strong>e<br />

sie einem großen politis<strong>ch</strong>en König, wo sine Minister und<br />

Hofgesinde oft mehr Staat ma<strong>ch</strong>en als der König selbst.<br />

Wenn man sin Hofgesinde um sie herum sihet, als namentli<strong>ch</strong><br />

Breithoren, die zwei Zwillinge, die Montblans<strong>ch</strong><br />

(Dent Blan<strong>ch</strong>e), so bedarf es einen s<strong>ch</strong>arfen Auges, die<br />

hö<strong>ch</strong>ste Spize heraus zufinden; denn lie<strong>ch</strong>t kann einer von<br />

diesen Gipflen für die Monterose selbst angesehen werden.<br />

Au<strong>ch</strong> zeigt si<strong>ch</strong> die Montrose auf der nördli<strong>ch</strong>en Site ni<strong>ch</strong>t<br />

so me<strong>ch</strong>tig, was sie wirkli<strong>ch</strong> ist, denn das nördli<strong>ch</strong>e Fus-


Aufstieg zum Weißtor. Ein fur<strong>ch</strong>tbarer Abgrund Hg<br />

gestel falt nur langsam ab. I<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>te eine kleine<br />

Zei<strong>ch</strong>nung über die nördli<strong>ch</strong>e Site, und begaben uns<br />

wieder hinunter in die Augstgum, roo uns unsre<br />

Führer erwarteten. Zuglei<strong>ch</strong> war ein dikbeiniges Walliser<br />

Mäd<strong>ch</strong>en unsre Wirthe. Wir s<strong>ch</strong>lüpften bald in<br />

das nasse Futter.<br />

Äugst 19. Morgens um zwei Uhr kro<strong>ch</strong>en wir hervor,<br />

und ras<strong>ch</strong> gieng es dem Rifilihoren zu. Als wir hinter<br />

das Rifelhoren kamen, so zeigte si<strong>ch</strong> m der Morgendämrung<br />

die Montrose mit ihren s<strong>ch</strong>arfen Kanten gespensterartig.<br />

Bald enthülte si<strong>ch</strong> das blendende Wiß, und an<br />

dessen Stelle trat die goldene Morgensonne, die wir an<br />

der Montrosa etli<strong>ch</strong>e Sekunden s<strong>ch</strong>neller erbliken als am<br />

Matterhoren. Zugli<strong>ch</strong> zeigten si<strong>ch</strong> an dem Himelsgewelbe<br />

harte Wassers<strong>ch</strong>upen in so finen Regenbogenfarben und<br />

m so vilartigen Farben, die der s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e Sterbli<strong>ch</strong>e<br />

ni<strong>ch</strong>t zu s<strong>ch</strong>ildren vermag. Wir eilten dem S<strong>ch</strong>afberg<br />

entlang, dem Gornen-Glets<strong>ch</strong>er re<strong>ch</strong>ter Hand vorwerts;<br />

bald betraten wir den me<strong>ch</strong>tigen Gornen-Glets<strong>ch</strong>er. Ein<br />

s<strong>ch</strong>önres Glets<strong>ch</strong>erfeld um das andre, das nur binahe unvermerkt<br />

aufstigt und si<strong>ch</strong> dem Höhepaß Wisthor zuzieht,<br />

nam uns auf, und wir stöbreten s<strong>ch</strong>nelfüßig gefahrlos<br />

unsrer Bestimmung vorwerts. Zu der Re<strong>ch</strong>ten haten wir<br />

s<strong>ch</strong>öne, pre<strong>ch</strong>tige abgerundete S<strong>ch</strong>nehubel und den Nordspiz<br />

der Montrose, und zur Lenken das me<strong>ch</strong>tige Stralhoren<br />

in sinem ewigen Winterkleid. Seltene Insekten,<br />

als namentli<strong>ch</strong> Na<strong>ch</strong>tvögel, die hin und wider auf dem<br />

Firen erftart lagen, ließen uns erraten, daß diese von<br />

der südli<strong>ch</strong>en Site herkomen und wir uns dem südli<strong>ch</strong>en<br />

Theile nahe befinden. Auf einmal stehen unsre Walliser,<br />

die vorausgiengen, still, und wir stehen auf<br />

einem for<strong>ch</strong>tbaren Abgrund: zu unsren Füßen, wohl<br />

10,000 Fus tief, Macugnaga, vor unsren Augen das<br />

ferne Jtallien mit S<strong>ch</strong>afwolken verdekt, wo in näheren<br />

Umgebungen die Berge von Macugnaga gespensterartig<br />

ers<strong>ch</strong>inen.<br />

Der Joseph Zrugwald wolte behaupten, er habe hier<br />

auf einer Gemsenjagd vor ungefehr a<strong>ch</strong>t Jahren einen<br />

näheren Ubergang gefunden; er kletrete von einem Felsvorsprung<br />

in dieser s<strong>ch</strong>windlenden Höhe, von einem Absatz<br />

auf den andren und wolte dieses erzwingen. Wir selbst


120 Abstieg. Lawinengefahr<br />

fors<strong>ch</strong>ten underdessen mit spehendem Blike eben na<strong>ch</strong> einem<br />

Ausgang; aber wie mehr wir untersu<strong>ch</strong>ten, wie s<strong>ch</strong>rekhafter<br />

ers<strong>ch</strong>inen die re<strong>ch</strong>ter Hand Hangenden Glets<strong>ch</strong>er an der<br />

Montrose. Der Walliser glubte si<strong>ch</strong> selbst zu tus<strong>ch</strong>en, und<br />

wir bes<strong>ch</strong>lossen, den Weg einzus<strong>ch</strong>lagen, den voriges Jahr<br />

Joseph Wels<strong>ch</strong>en einges<strong>ch</strong>lagen hatte und si<strong>ch</strong> mehr lenker<br />

Hand um einen abgerundeten S<strong>ch</strong>neehubel zog. Bald<br />

erblikten wir eine Felsklipe, wo Wels<strong>ch</strong>en daby stehen<br />

blib und aus einer Felsspalte ein Papier hervorkrazte,<br />

wel<strong>ch</strong>es no<strong>ch</strong> lesbar war und die Namen enthielt, wel<strong>ch</strong>e<br />

voriges Jahr dur<strong>ch</strong>gingen. Wir hatten den Glets<strong>ch</strong>er,<br />

wo na<strong>ch</strong> Saas ausmündet, zur Lenken, und das Thal<br />

Macugnaga zur Re<strong>ch</strong>ten, wel<strong>ch</strong>e hier mit (von) einem s<strong>ch</strong>wenden<br />

Firengrat ges<strong>ch</strong>eiden sind, (der) folgli<strong>ch</strong> dem neuen<br />

S<strong>ch</strong>nee ganz ausgespizt war. Wir mußten diese Firen-<br />

Kanten ubergehen. Wir namen das Seil zur Hand;<br />

zum Glik war der Firen ganz milt (wei<strong>ch</strong>), und wir kamen<br />

ohne S<strong>ch</strong>wirigkeit zu einem abgerundeten S<strong>ch</strong>neehubel,<br />

wel<strong>ch</strong>er mußte umgangen werden, wo aber albereit eine<br />

S<strong>ch</strong>neelaui (Lawine) abges<strong>ch</strong>oßen war. Wir mußten besorgen,<br />

wenn wir die harte Rinde des S<strong>ch</strong>nees dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>riten,<br />

daß wir die S<strong>ch</strong>neelaui antreten würden; die<br />

Rinde war aber an meisten Orten loker, und wir kamen<br />

glikli<strong>ch</strong> Hinuber und entwi<strong>ch</strong>en einer Gefahr, wo am meisten<br />

Gemsenjeger in Tod gehen, namentli<strong>ch</strong> wenn man<br />

?.?"S<strong>ch</strong>nee dur<strong>ch</strong>gehet. Wir ließen uns bald auf die<br />

dur<strong>ch</strong> ein zerklifteten Kegel hinunter. Die<br />

südli<strong>ch</strong>e Sonnenhize erwei<strong>ch</strong>te unter dieser Zeit den S<strong>ch</strong>nee,<br />

"auinen massenwis von den Hangenden Glets<strong>ch</strong>ren<br />

der Montrosa ins Thal na<strong>ch</strong> Macugnaga stürzten, — wirkli<strong>ch</strong><br />

keine beliebige (angenehme) Vorboten, denn es war<br />

bald ersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>, daß wir viele Laui-S<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>ten ubers<strong>ch</strong>riten<br />

müßten, um in's Thal zu gelangen. Wels<strong>ch</strong>en sprang<br />

voraus, um der Laui-Gefahr s<strong>ch</strong>nel zu entwi<strong>ch</strong>en, wehrend<br />

l<strong>ch</strong> und Zrugwald mit dem Herrn langsam na<strong>ch</strong>kamen,<br />

denn der S<strong>ch</strong>nee war so wei<strong>ch</strong>, daß wir oft bis zum<br />

Nabel im S<strong>ch</strong>nee stekten. Der Walliser stuzte oftmal,<br />

wenn ein fris<strong>ch</strong>er Lowe-Tobel zu ubers<strong>ch</strong>riten war; i<strong>ch</strong><br />

gab ihm Muth, „wir wollen do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ewig leben," und<br />

der Herr la<strong>ch</strong>te sorgenfri über unsrem Gesprä<strong>ch</strong>. Und so<br />

kamen wir endli<strong>ch</strong> auf den grünen Rasen, wo wir uns


Macugnaga 121<br />

ausstrekten und den gefahrvollen Weg, wo wir eben zurukgelegt<br />

haten, mit einem dankbaren Süfzer für Gottes<br />

S<strong>ch</strong>uz zurukgaften.<br />

Wir tranken hier unsren roten Win, wurden munter<br />

und hüpften freudig die grünen Grasabhenge dem Dorfe<br />

Magana zu. Die Senhüten, auf die wir stießen, sind<br />

aus Stein re<strong>ch</strong>t artig und fest gebaut, die Alpen sind<br />

feter als die im Wallis-Land, aber die Küh klein.<br />

Das Dorf Macugnaga ist in einem engen Thal; die<br />

Hüser sind aus Ler<strong>ch</strong>enholz gebaut, haben runde, in Zin befestigte<br />

S<strong>ch</strong>iben. Wir kehrten im dasigen Wirtshuse ein. Die<br />

Wirtshüser haben aber hier keine S<strong>ch</strong>ilde. Eine alte Frau,<br />

Werren genant, war unsre Gastgebrin; die Hemlisermel<br />

hiengen lang hinunter; i<strong>ch</strong> hatte immer bang, daß selbige<br />

in die Supen fallen, aber sie kamen immer darneb. Das<br />

Essen war sehr gut, au<strong>ch</strong> gute Betten; aber wir mußten<br />

au<strong>ch</strong> gut bezahlen.<br />

Magana hat dri Kir<strong>ch</strong>en; ist zwar ein kleines Dorf;<br />

aber die größten (der Kir<strong>ch</strong>en) sind ni<strong>ch</strong>t ausgema<strong>ch</strong>t, —<br />

denn bis selbige außen ausgema<strong>ch</strong>t sind, brau<strong>ch</strong>en sie dem<br />

König keine Grundstür zu bezahlen. Es wird hiermit<br />

mit dem größten Heiligthum gegen Gott und den König<br />

der greste Betrug geführt. — Die Goldbergwerke sind<br />

ein Stund tiefer dem Dorf; es wird tägli<strong>ch</strong> 60 Luder<br />

gebütet, wovon aber 50 wieder ausgegeben werden mus,<br />

namentli<strong>ch</strong> für die Kosten. — Eine me<strong>ch</strong>tige Linde bes<strong>ch</strong>attet<br />

den Kir<strong>ch</strong>hof und das Beinhus; der Geistli<strong>ch</strong>en,<br />

die gestorben, haben die Todenköpfe s<strong>ch</strong>warze Kepli auf<br />

zum Zei<strong>ch</strong>en; im wesentli<strong>ch</strong>en sah i<strong>ch</strong> an den Kno<strong>ch</strong>en<br />

kein großen Unters<strong>ch</strong>eid, ob es Geistli<strong>ch</strong>e oder Weltli<strong>ch</strong>e<br />

gewesen wären.<br />

Wir eilten dem Passe Monte Moro zu, der in<br />

Kanton Wallis führt, namentli<strong>ch</strong> (nämli<strong>ch</strong>) dur<strong>ch</strong> das<br />

Saas-Thal hinaus auf Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong>. Ein zimli<strong>ch</strong> stark ab-<br />

Hangender Bergrüken nam uns auf. Als wir ungefehr<br />

die Mitte der Höhe errei<strong>ch</strong>t hatten, ents<strong>ch</strong>leierte si<strong>ch</strong><br />

die Montrose einige Augenblike von den Nebelwolken<br />

und zeigte die Südseite in einem Ganzen in siner ni<strong>ch</strong>tigen<br />

Gestalt.<br />

Ehrfur<strong>ch</strong>tsvoll sahen wir diesen Risen an. Sin ni<strong>ch</strong>tiges<br />

Fusgestel setzt sie den Na<strong>ch</strong>barlendren, als dem nahen


122 Monte Moro und Ostabsturz des Monterosa<br />

Sardinien wie der fernen Lombardei, auf den Raken;<br />

diese Lender s<strong>ch</strong>inen sine Sklaven zu sin; ihre größte<br />

Zehen an ihrem Fusgestel mag wohl das mittellendis<strong>ch</strong>e<br />

Meer verbergen. So wie man das me<strong>ch</strong>tige Fusgestel<br />

siner geograsis<strong>ch</strong>en Lage übersihet und ein Blik na<strong>ch</strong><br />

sinen himmelanstrebenden Firen-Piramiden ri<strong>ch</strong>tet, die si<strong>ch</strong><br />

stolz über alles Me<strong>ch</strong>tige erheben, so mag man den glikli<strong>ch</strong><br />

nennen, der die Ehre hat, auf den Kanten der Montrose<br />

ein paar Minuten zu verwilen. Die südli<strong>ch</strong>e Site<br />

ist mit Eis und ewigem Firen angepanzret; nur hin und<br />

wider ers<strong>ch</strong>inen s<strong>ch</strong>nidende Felskanten, die si<strong>ch</strong> dem Firen<br />

vonZit zuZit entwinden; denn hier exestiert ein ewiger<br />

Strit zwis<strong>ch</strong>en kalten und warmen Elementen und für<br />

Werden und Vergehen. In den hohen Regionen s<strong>ch</strong>int<br />

der S<strong>ch</strong>nee in diesen südli<strong>ch</strong>en Theilen massenwis zu fallen,<br />

wo hingegen die südli<strong>ch</strong>e Wärme die me<strong>ch</strong>tigen S<strong>ch</strong>neemassen<br />

auflöst, wel<strong>ch</strong>e in immerwehrendem Donner und<br />

Kra<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> ihrem Fundament entwinden und in me<strong>ch</strong>tigen<br />

Glets<strong>ch</strong>erlauenen hinunter in einen me<strong>ch</strong>tigen Kessel<br />

fallen, si<strong>ch</strong> da zu einem Glets<strong>ch</strong>ermeer bilden, wel<strong>ch</strong>es Alpen,<br />

Welder, Matten mit siner wilden Gand und wild hervors<strong>ch</strong>umenden<br />

Glets<strong>ch</strong>erba<strong>ch</strong> verstört und sogar dem Thale<br />

Magana den Untergang drohet.<br />

I<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>te sogli<strong>ch</strong> vom Passe Monte Moro eine kleine<br />

Zei<strong>ch</strong>nung über die südli<strong>ch</strong>e Site der Montrose; hingegen<br />

unsre Begleiter, die zween Walliser, pflikten unterdessen<br />

Heidberen.<br />

Es sind auf dem Ubergang vom Bergpasse von Monte<br />

Moro no<strong>ch</strong> Spuren vorhanden, wo weiland ein starker<br />

Bergpaß hinübergegangen; es hers<strong>ch</strong>et hier eine Volkssage,<br />

Hanibal habe hier mit einem Theil der Armee das Gebürg<br />

ubers<strong>ch</strong>riten. Me<strong>ch</strong>tige Granit-Blaten sind hin und<br />

wider mit Mens<strong>ch</strong>enhenden zusamengetis<strong>ch</strong>t, aber auf der<br />

Höhe mit ewigem Firen bedekt, daß si<strong>ch</strong> darus entnehmen<br />

läßt, daß au<strong>ch</strong> hier die Kelte des Nordens algema<strong>ch</strong> vordringt;<br />

denn die Mens<strong>ch</strong>enwerke gehen au<strong>ch</strong> auf dem südli<strong>ch</strong>en<br />

Abhang unter den ewigen Firen.<br />

Auf der Höhe Monte Moore ist ein Krüz zum Zei<strong>ch</strong>en<br />

der Grenzmar<strong>ch</strong>. Wir gelangten s<strong>ch</strong>nel thalabwerts, kamen<br />

zu einem kleinen Dorf von Senhüten, wel<strong>ch</strong>e sehr fest<br />

gebaut sind zum S<strong>ch</strong>uze der Lauenen; sie gli<strong>ch</strong>en wirkli<strong>ch</strong>


Das Saastal 123<br />

einer Art Festungswerk. Dieser Stafel haltet 180 Küh,<br />

aber magre Weid und magre Küh. Bald erblikten unr<br />

ein See, dessen Abflus von vornen herein mit einem<br />

Glets<strong>ch</strong>er verspert ist. Gegenwertig hat das Wasser unter<br />

dem Glets<strong>ch</strong>er hindur<strong>ch</strong> eine ordentli<strong>ch</strong>e Galary; wenn<br />

aber diese einmal vom Glets<strong>ch</strong>er ges<strong>ch</strong>lossen wird, so kann<br />

der See lie<strong>ch</strong>t zu einer Höhe anftigen bis 250 Fus, V? Stund<br />

lang und V-t Stund breit. Dies erinrete uns an den<br />

Ausbru<strong>ch</strong> vom Bagnethal-See. Eine 75 Jahre alte Frau,<br />

die an dem Wege saß, sagte uns: eine alte Volkssage<br />

hers<strong>ch</strong>e im Thal, daß dieser See s<strong>ch</strong>on einmal ausgebro<strong>ch</strong>en<br />

und alles, was denzumal an den Ufren angebaut gewesen,<br />

Mens<strong>ch</strong>en, Bi<strong>ch</strong> und Wiesen wegges<strong>ch</strong>wemt worden sie. —<br />

Die me<strong>ch</strong>tigen, vorges<strong>ch</strong>obenen, großen Banden und Steine<br />

zügten bald, daß diese Volkssagen reine Warheit enthalten;<br />

es unterligt keinem Zwifel, daß über kurz oder lang si<strong>ch</strong><br />

diese trurige Tragedy wider erneuret.<br />

Ab der Höhe von Monte Moore bis auf Saas ist es<br />

vier Stunden. Das Thal ist sehr eng, hat hin und wider<br />

große Holzhüser; wir erblikten ein Hus mit 60 runden<br />

Pfenftren blos von vornen, alle mit Granit-Blaten gedekt,<br />

das übrige (von) Ler<strong>ch</strong>enholz; deshalben sehen die Huser<br />

hier so s<strong>ch</strong>warz aus.<br />

Saas ist ein gutgebautes Dorf, alles von Holz, alle<br />

Hüser vier Stok ho<strong>ch</strong>. Unser Gastgeber war Joseph Mooriz,<br />

ein s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ter Bursmann. Vor drei Jahren verstörete<br />

eine Staublaui ihm ein Hus, das an dem jezigen gebaut<br />

war, tödete ihm drei Kinder; eine To<strong>ch</strong>ter wurde in das<br />

Wasser geworfen, und in Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> hervorgezogen, also<br />

in dem fur<strong>ch</strong>tbaren Tobel se<strong>ch</strong>s Stund getriben worden.<br />

— Es ist hier ni<strong>ch</strong>ts Seltenes, ab einem Ufer auf<br />

das andre Verbindungsbrüken anzutreffen von 250 bis<br />

300 Fus.<br />

Äugst 21. Dieses Wirtshus war das beste, wo unr<br />

im Wallis antrafen. Mein Herr verabs<strong>ch</strong>eidete hier unsre<br />

Wallis Führer, und wir eilten Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> zu. Wir aßen<br />

bi dem Sonnenwirth zu Mittag, weilten aber ni<strong>ch</strong>t lange.<br />

Der Wirth führte uns dem Fleken Brieg zu ; überall<br />

trafen wir Ausbrü<strong>ch</strong>e vom Rotten von den letzten Tagen,<br />

und was diesem übrig blieb, verwüsten die wilden Bergbä<strong>ch</strong>e,<br />

die aus den Toblen wild hervorbre<strong>ch</strong>en.


124 Das Feens<strong>ch</strong>loß zu Berisal<br />

Unsre Bestimmung war na<strong>ch</strong> Domedosela, jenseits den<br />

Alpen. Wir s<strong>ch</strong>wenkten vor Brieg der südli<strong>ch</strong>en Site zu;<br />

bald haten wir Brieg unter uns. Brig ist ein zimli<strong>ch</strong><br />

großer Fleken mit vilen Kir<strong>ch</strong>en. Auf einer Site drohet<br />

dem ganzen Fleken der Rotten den Untergang, wehrend<br />

aus einem Tobel von hinten dur<strong>ch</strong> die Thals<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>ten vom<br />

Simplon der Untergang drohet. Ein Fuspfad führte uns<br />

den Briger-Berg hinauf. Bald nam uns die me<strong>ch</strong>tige<br />

Simplonftraße auf, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> in langsamen Windungen<br />

dur<strong>ch</strong> Tobel und Bergs<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>ten empor zieht. Alle Stunden<br />

ist ein Hus, für im Fal der Noth anzuklopfen; diese<br />

Hüser sind alle mit Nr. 1. 2. 3. und so fort bezei<strong>ch</strong>net.<br />

Wir kamen abends 7 Uhr auf Persal Alp (Berisal)<br />

an, einem S<strong>ch</strong>loß ähnli<strong>ch</strong>en Gebäu. Als wir da ankamen,<br />

sahen wir uns na<strong>ch</strong> dem Wirtshauss<strong>ch</strong>ild um. Ein artiges<br />

Mäd<strong>ch</strong>en saß auf einem Bank, s<strong>ch</strong>in aber ni<strong>ch</strong>t einmal<br />

die Augen auf uns zu werfen. Wir ma<strong>ch</strong>ten uns etwas<br />

beherzter und neherten uns dem Mäd<strong>ch</strong>en und fragten<br />

na<strong>ch</strong> dem Wirtshus. Jez wurde das gute Kind ganz<br />

lie<strong>ch</strong>tfüßig, flog mit uns dur<strong>ch</strong> große Genge und führte<br />

uns in einen großen Saal; von da gieng es wieder dur<strong>ch</strong><br />

mehrere Genge, wo dem Herrn ein grün fürtapeziertes<br />

prä<strong>ch</strong>tiges Zimmer verzeigt wurde. Mit mir gieng es<br />

wider witer, dur<strong>ch</strong> mehrere Genge; — das erste Mäd<strong>ch</strong>en<br />

war vers<strong>ch</strong>wunden; ein zweites, eine große Kerze in der<br />

Hand, flog lie<strong>ch</strong>tfüßig voran. Es tu<strong>ch</strong>te by uns bald der<br />

Gedanke auf, wir befänden uns in einem der alten verwüns<strong>ch</strong>ten<br />

Feens<strong>ch</strong>lößren, denn i<strong>ch</strong> zwiflete wenigstes,<br />

minen Herrn diese Na<strong>ch</strong>t wider zu finden; das Mäd<strong>ch</strong>en<br />

ging aber so s<strong>ch</strong>nel, daß i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t Zit hate, miner<br />

For<strong>ch</strong>t re<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>zudenken, blos weis i<strong>ch</strong>, daß si<strong>ch</strong> min<br />

Har anfieng zu strüben. Das Med<strong>ch</strong>en führte mi<strong>ch</strong> in<br />

ein zimli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>önes Zimmer, hieß mi<strong>ch</strong> min Gepek ablegen<br />

; i<strong>ch</strong> hate hier aber no<strong>ch</strong> kein Blibens; das Med<strong>ch</strong>en<br />

hieß mi<strong>ch</strong> wieder folgen und führte mi<strong>ch</strong> in ein mit<br />

Gemelden verziertes Zimmer, sezte mir ein S<strong>ch</strong>open auf<br />

den Tis<strong>ch</strong>. Bald ers<strong>ch</strong>inen no<strong>ch</strong> zwei andre Med<strong>ch</strong>en; die<br />

erste sezte si<strong>ch</strong> nider, war sehr freundli<strong>ch</strong>, sagte, die Übrigen<br />

sien ihre S<strong>ch</strong>westren, und die zwei Buben, wo si<strong>ch</strong> unterdessen<br />

minem Tis<strong>ch</strong> näherten, das sigen ihre Brüder. Min<br />

For<strong>ch</strong>t vers<strong>ch</strong>wand, in einem der vorermelten S<strong>ch</strong>lößren


Die Simplonstraße ein Kaiserwerk 125<br />

zu sin, denn jedesmal, wenn der Herr zu mir oder i<strong>ch</strong><br />

zu ihm roolte, flog ein Med<strong>ch</strong>en voran mit einer Kerze,<br />

damit wir uns in den vilen Gengen ni<strong>ch</strong>t verirren. Ein<br />

pre<strong>ch</strong>tiges Na<strong>ch</strong>tessen war bei der Hand, und alles, was<br />

im Anfang unsründli<strong>ch</strong> und s<strong>ch</strong>uerli<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>in, wurde alles<br />

ganz stündli<strong>ch</strong>. Wir verzogen den Mäd<strong>ch</strong>en, daß sie uns<br />

anfengli<strong>ch</strong> so unsründli<strong>ch</strong> ansahen, denn die Reise bey dem<br />

neuen S<strong>ch</strong>nee über das Wißthor na<strong>ch</strong> Magana und dazu<br />

die südli<strong>ch</strong>e Hitze hate uns die Gesi<strong>ch</strong>ter so verbrant, daß<br />

wir mehr einem Volksstam aus Affrika gli<strong>ch</strong>en, als<br />

S<strong>ch</strong>wizren; daher als wir in den Spiegel sahen, verzogen<br />

wir den Med<strong>ch</strong>en die Unfründli<strong>ch</strong>keit.<br />

Äugst 22. Am Morgen bey Tagesanbru<strong>ch</strong> verließen<br />

wir diesen artigen Gasthof und eilten dem Hospiz zu.<br />

Die vilen Gallarien, die wir dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>riten, zeigten uns<br />

an, daß die Simplonstraße wirkli<strong>ch</strong> ein Wunderwerk ist.<br />

Zum Kloster soll no<strong>ch</strong> Napolion das erste Stokwerk gelegt<br />

haben. Sowohl das Kloster als die Straße s<strong>ch</strong>int ein<br />

Kaiserwerk zu sin. Die Klosterherrn sind sehr fründs<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Lüte; es erhaltet hier jedermann, sie er ri<strong>ch</strong> oder<br />

arm, sin standesgemeßes Essen. Geld wird von den baremherzigen<br />

Brüdren keines abgenomen; wer will, kan etwas<br />

in den Opferstok legen; derjenige Kne<strong>ch</strong>t, wo dem Fremden<br />

im Kloster alles zeigt, darf ein Ges<strong>ch</strong>enk abnehmen. Das<br />

Kloster ist sehr groß; es haltet von vornen 75 Pfenster,<br />

ist 75 S<strong>ch</strong>rite lang und 36 breit. Es enthaltet im Jnren<br />

eine sehr s<strong>ch</strong>öne Eappelle, wel<strong>ch</strong>e ri<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> ausges<strong>ch</strong>mükt ist.<br />

Im Jahr 1846 wurde dem Kloster dur<strong>ch</strong> eine Staublaue<br />

großer S<strong>ch</strong>aden zugefügt, ist aber wider alles hergestellt.<br />

Vom Kloster gehet es abwerts, anfengli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Alpen;<br />

endli<strong>ch</strong> stoßt man auf das Dorf Simplon, wel<strong>ch</strong>es no<strong>ch</strong><br />

dem Kanton Wallis gehört, ob es s<strong>ch</strong>on bedütend auf<br />

den südli<strong>ch</strong>en Abhengen hinligt. Bald nimt den Reisenden<br />

eine Felss<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>t auf, die von dem wilden Bergba<strong>ch</strong>e<br />

Wedro*) dur<strong>ch</strong>strömt wird. Dur<strong>ch</strong> einen der ni<strong>ch</strong>tigsten<br />

Tobel, den i<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> gesehen, führt die Straße dur<strong>ch</strong> mehrere<br />

Galarye. Bemerkenswert ist die 200 S<strong>ch</strong>rit lange<br />

Galary; hier s<strong>ch</strong>int, dur<strong>ch</strong> Kunst und Anstrengung haben<br />

die Mens<strong>ch</strong>en der Natur einen Dur<strong>ch</strong>paß abgetrozt, der<br />

*) Doveria.


126 Domodossola<br />

früher die südli<strong>ch</strong>en Belker von dem Verkehr der Nördli<strong>ch</strong>en<br />

trente; auf einer Site der wild s<strong>ch</strong>umende Wedroba<strong>ch</strong><br />

mit einem me<strong>ch</strong>tigen Wasserfall, zugli<strong>ch</strong> an der<br />

Mündung der Galary ein senkre<strong>ch</strong>t hinunterfallender Berzba<strong>ch</strong>.<br />

Diese Galary kan mit einem Thor vers<strong>ch</strong>loßen<br />

werden. Unstritig haben si<strong>ch</strong> zwei Element, als namentli<strong>ch</strong><br />

(nämli<strong>ch</strong>) Fels und Wasser, hier vereiniget und ein<br />

natürli<strong>ch</strong>e Festung und Bolwerk ges<strong>ch</strong>affen, um unser<br />

Vatterland vor fremden Velkren zu si<strong>ch</strong>ren; denn nur<br />

Feigherzigkeit oder Verrath kann diesen Ort gewinnen.<br />

(D. h. nur in Folge von Feigherzigkeit oder Verrat der<br />

Verteidiger kann der Ort vom Feind gewonnen werden.) —<br />

Wir eilten mit lie<strong>ch</strong>ten S<strong>ch</strong>ritten Sardinien zu. Bald<br />

errei<strong>ch</strong>ten wir das Grenzbiro; ein bes<strong>ch</strong>muzter Polizi<br />

Diener bemerkte uns: ob wir Gunterband trügen. I<strong>ch</strong><br />

warf ihm unsre Seke vor die Nase; er dur<strong>ch</strong>wühlte sie<br />

und gab uns das Zei<strong>ch</strong>en zum Einpaken; auf einem<br />

zweiten Biro mußten wir unsre Pässe laßen visieren.<br />

Jetzt gieng es wieder vorwerts. Bald zeigten die großen<br />

Köste (— Kastanien)-Welder, daß wir uns jensits der<br />

Alpen befänden. Me<strong>ch</strong>tige Felsstürze aus der Urzit, grünbelaubte<br />

Hügel und im Thale Reben zieren dieses Thal.<br />

Die Berge verlieren si<strong>ch</strong> allmelig; an (ihrem) Plaz<br />

treten nidrige Hügel hervor; das Land wird allmelig<br />

unter; wo bis dato s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Hüten, geringe Hüser waren,<br />

treten i<strong>ch</strong> pre<strong>ch</strong>tige Fleken und Stedte hervor. Bald<br />

^ Stadt Domedosala an einem Bergabhang;<br />

vor ihr ein me<strong>ch</strong>tiges Feld. In diesem Feld<br />

munden fünf Sitenthäler ihre wilden Bergbä<strong>ch</strong>e, alle von<br />

bedütender Größe, aus, wel<strong>ch</strong>e der Hauptstrom Dosa aufmmt.<br />

Diese Wasser triben hier im Thalgrunde ihr Unwesen,<br />

lassen ihre Gand ligen, und was ni<strong>ch</strong>t albereit<br />

verwüstet, gehet s<strong>ch</strong>nel dem Untergang entgegen. Die<br />

Bergabhenge sind hingegen wie ein Garten, wo alles mit<br />

südli<strong>ch</strong>em üpigem Grün bekleidet, wo hin und wider<br />

pre<strong>ch</strong>tige S<strong>ch</strong>lößer hervorragen.<br />

Zu Domedosola gelangten wir abends 8 Uhr an; wir<br />

erwndigten uns, wann die Post hinunter an Langen See<br />

führe; es hieß: morgens 2 Uhr. — Domedosela ist ein<br />

artiger Ort, an einen Bergrüken angebaut; pre<strong>ch</strong>tige<br />

Huser, s<strong>ch</strong>muzige Gassen, s<strong>ch</strong>muzige Wirthe.


Auf dem Langensee 127<br />

Um 2 Uhr morgens sezten wir uns in die Post, fuhren<br />

in finsterer Na<strong>ch</strong>t dem Langen See zu. Wir gelangten<br />

an den Flus Dosa, ist zwei mal so gros alls die Ar bey<br />

Bern; die Brüten waren s<strong>ch</strong>on im Jahr 1846 wegges<strong>ch</strong>wemt.<br />

Es ist eine Art S<strong>ch</strong>iff-Brüken erri<strong>ch</strong>tet; bald<br />

hies es, zahlen, bald hies es ausstigen; aber mein Herr<br />

merkte den Possen und wolte ni<strong>ch</strong>t immer in die Tas<strong>ch</strong>en<br />

reken. Ein Engellender sagte, er häte am Ende, wenn<br />

man ihn häte s<strong>ch</strong>lafen laßen, gerne das Doplete bezahlt.<br />

Am frühen Morgen hörte man das S<strong>ch</strong>leglen von Steinhauren<br />

an der ganzen Straß; auf dem ganzen Weg sind<br />

pre<strong>ch</strong>tige gehauene Sülen und Steingruben in Menge.<br />

Um 8 Uhr langten wir an dem Langen See an.<br />

Bald fielen uns die Paromefis<strong>ch</strong>en Jnslen in die Augen,<br />

drei an der Zahl; waren ni<strong>ch</strong>t in großer Entfernung vor<br />

uns. Die erste ist einem kleinen Fleken ähnli<strong>ch</strong>, mit<br />

me<strong>ch</strong>tigen Kastanien umgeben; die zweite befasset ein<br />

me<strong>ch</strong>tiges S<strong>ch</strong>loß, gehere einem Grafen der Lomparti an;<br />

die dritte ist mit kleinen Hüsren besetzt, wel<strong>ch</strong>e von Fis<strong>ch</strong>ren<br />

größtenteils bewohnt sind. Der See ist ni<strong>ch</strong>t gar breit;<br />

wir sahen gar dütli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> die Lomparti Hinuber. Bald<br />

sahen wir in unter Ferne das ru<strong>ch</strong>ende Dampfs<strong>ch</strong>if Roor.<br />

Es wurde an dem Ufer alles reg ; bald nam uns ein<br />

Barke auf, wel<strong>ch</strong>es uns auf den Dampfer bra<strong>ch</strong>te. Das<br />

S<strong>ch</strong>iff war voll Mens<strong>ch</strong>en von jeder Gegend, aber vorzügli<strong>ch</strong><br />

Jtaljener ; i<strong>ch</strong> glaubte mi<strong>ch</strong> allbereit unter einen<br />

Stamm Afrikaner versezt. Alles lif verwirt auf dem<br />

S<strong>ch</strong>iff herum; die Matrosen ohne Hemd, — hat kein<br />

gutes Aussehen. Anderwertig sah i<strong>ch</strong> einen gutgekleideten<br />

Herrn; er nam zuweilen eine grafetätis<strong>ch</strong>e Stellung an.<br />

Speter nährete er si<strong>ch</strong> einem Hünerkorb; als einer der<br />

Hähnen aus dem Korbe bra<strong>ch</strong>, warf dieser Herr denselben<br />

wider hinein; bald erzeigte es si<strong>ch</strong>, daß dieser Herr ein<br />

Hünerhendler sie.<br />

Auf dem ganzen Ufer gehen immer S<strong>ch</strong>alupen zum<br />

Dampfs<strong>ch</strong>iff und oavon. Wir landeten wirkli<strong>ch</strong> an dem<br />

südli<strong>ch</strong>en Ufer; der Fleken heißt — ^Luino). Ein Kaiserli<strong>ch</strong>er<br />

Grenzpolizi diener winkte uns; unsre Pässe wurden<br />

dur<strong>ch</strong>gesehen und visiert; au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>in es, unsre Seke müßen<br />

dur<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>t werden, do<strong>ch</strong> uberblib dieses; hingegen ihren<br />

eigenden Landeslüten wurde alles dur<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>t.


128<br />

Lugano<br />

Jez gieng es im Postwagen na<strong>ch</strong> Lugano zu. Es<br />

gieng anfengli<strong>ch</strong> zimli<strong>ch</strong> stil ein Berg hinauf; als wir<br />

auf der Höhe ankamen, bra<strong>ch</strong> der Wagen, wurde aber,<br />

so gut es gehen konnte, mit einer Kette geflikt. Jez<br />

flogen die Reder s<strong>ch</strong>nel ein einsames Thal Lugano zu,<br />

wo wir abends 8 Uhr unter gewaltigen Regenströmen<br />

ankamen.<br />

Wir kehrten im Gasthof zur Krone ein. Drei Keiner<br />

erwis<strong>ch</strong>ten unsre Efekten und führten uns vile Steigen<br />

hinauf; dem Herrn wurde ein s<strong>ch</strong>önes Zimmer eingerumt.<br />

Die Böden waren reinli<strong>ch</strong> und die Tis<strong>ch</strong>e aus Marmor.<br />

Der Eßsaal ist mit Marmorsülen —; hier spisen die<br />

Jteljener zu Mittag in großen Gesells<strong>ch</strong>aften und unterhalten<br />

si<strong>ch</strong> mit einem uns lestigen Ges<strong>ch</strong>wez. Es gehet<br />

hier unter der vornehmen Klaße just wie an unsren politis<strong>ch</strong>en<br />

Einwohnergemeinden ; i<strong>ch</strong> gab dieses Ges<strong>ch</strong>wez dem<br />

starken jtalljenis<strong>ch</strong>en Win s<strong>ch</strong>uld. Das Essen war gut;<br />

auf dem Buter lag ein Stük Eis. Wenn dem Gast ein<br />

S<strong>ch</strong>üssel oder Geri<strong>ch</strong>t aufgetragen wird, so wird er gefragt,<br />

ob er mehr verlange; wer wenig Geld hat, thut wohl,<br />

wenn er das Essen vorläufig (zum voraus) mertet.<br />

Die Betten sind ungemein groß, au<strong>ch</strong> gut; ein kleiner<br />

Mann kan (quer) darüber ligen, und würde auf die Art<br />

wenig fehlen, es kente se<strong>ch</strong>s Mann fassen.<br />

Am Morgen dur<strong>ch</strong>stöbreten wir die Straßen von<br />

Lugano, wel<strong>ch</strong>e zimli<strong>ch</strong> eng und stinkend sind. Lugano<br />

hat drei zimli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>öne Kir<strong>ch</strong>en, ein gerümigen, s<strong>ch</strong>önen<br />

Landungsplaz; i<strong>ch</strong> Hehlte auf diesem vierundfünfzig Barken<br />

angebunden, ein z:mli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>önes Dampfs<strong>ch</strong>if. Aber auf<br />

diesem Plaz traf i<strong>ch</strong> die ärmste und geringste Mens<strong>ch</strong>enklaße<br />

an, die i<strong>ch</strong> je gesehen habe. Um die Umgegend<br />

etwas besser in die Augen zu fassen, begaben wir uns<br />

auf die nördli<strong>ch</strong>e Site ob der Stadt. Die ganze Gegend<br />

bietet ni<strong>ch</strong>ts anders dar als ein Garten, in wel<strong>ch</strong>em keine<br />

Ordnung hers<strong>ch</strong>et und do<strong>ch</strong> die üppigsten Boden entfaltet;<br />

es wa<strong>ch</strong>sen Mulber, Reben, Bir<strong>ch</strong>en, Haselstuden, Castanjen,<br />

alles bunt dur<strong>ch</strong>einander. Der Jttaljener trozt der Natur<br />

im geringsten ni<strong>ch</strong>ts ab ; er ligt am S<strong>ch</strong>atten und uberläßt<br />

Gott und der Natur das übrige. Wenn hier auf<br />

diesem üppigen Boden mehr Flis verwendet würde, so<br />

kenten hier 4—5 mal so viel Mens<strong>ch</strong>en leben. — Der


Bellinzona und Blegnotal 129<br />

Jttaljener ist ges<strong>ch</strong>wezig; drei Jttaljener s<strong>ch</strong>wazen mehr<br />

als zehn Düts<strong>ch</strong>e. Obs<strong>ch</strong>on die Gasthöfe s<strong>ch</strong>ön anzusehen,<br />

so enthalten sie do<strong>ch</strong> alle etwas Unsuberli<strong>ch</strong>s, denn in den<br />

ersten Gasthöfen ist in den Abtriten alle Morgen so vil<br />

Unflat, daß ein nördli<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>wizer hier oft in die größte<br />

Verlegenheit verfalt. I<strong>ch</strong> bemerkte aber, daß diese Unsuberkeit<br />

ni<strong>ch</strong>t von gestern entstanden, denn in allen Abtriten<br />

ist eine zimli<strong>ch</strong>e Efnung angebra<strong>ch</strong>t, wo der Uberflus<br />

hinunterges<strong>ch</strong>oret wird.<br />

Um drei Uhr verließen wir Lugano; ein Guts<strong>ch</strong>ner<br />

wolte uns auf Belenzona führen. Uberall Eastanien<br />

Bäume mit Reben, wie oben gesagt. Um se<strong>ch</strong>s Uhr<br />

kamen wir auf ein klein Berg Metshouri (?); ungemeine<br />

Massen von Regen fielen. Bald erblikten wir den wilden<br />

Tessin wie ein s<strong>ch</strong>warzen Kohlenstrom daherrus<strong>ch</strong>en und<br />

dem Langensee zueilen; der Flus war so stark angelaufen,<br />

daß wir oft bang haten, dur<strong>ch</strong>zukomen. Abends a<strong>ch</strong>t Uhr<br />

kamen wir auf Belenzona an; bey dem Hotel Engel kehrten<br />

wir ein. Bellenzona ist ein artiger Fleken; zwo Festung,<br />

namentli<strong>ch</strong> auf Felsvorsprüngen, bestri<strong>ch</strong>en hier den Thalgrund<br />

und bes<strong>ch</strong>üzen die nördli<strong>ch</strong>en Völker vor den südli<strong>ch</strong>en<br />

Einfällen. Wir wurden in Bellenzona billi<strong>ch</strong> gehalten.<br />

Um 6 Uhr (morgens) verließen wir diese anmutige<br />

Gegend und s<strong>ch</strong>wenden dem Blegno Thal zu, wel<strong>ch</strong>es<br />

dem Luqumener-Paß zu führt. Ein pre<strong>ch</strong>tiges, a<strong>ch</strong>t Stunden<br />

langes Thal mit einem s<strong>ch</strong>önen Sträßli nahm uns auf.<br />

Mehrere pre<strong>ch</strong>tige Wasserfälle, im Thale Reben, in der<br />

Mite der Berge Wisen, höher Eastanien Welder und höher<br />

in Bergen Alpen, ma<strong>ch</strong>en dieses Thal zu einem irdis<strong>ch</strong>en<br />

Paradis. Im löten Jahrhundert *) ist hier ein Berg eingestürzt<br />

; dieser Bergsturz hemte den Lauf des Ba<strong>ch</strong>s, daß<br />

ein See darus worden; ob derselbe allgema<strong>ch</strong> abgelaufen<br />

oder verhörend hervorgebro<strong>ch</strong>en, darüber konten wir keine<br />

Kunde einziehen.<br />

Abends 7 Uhr kamen wir in Ariwohne (Olivone) an.<br />

Ein re<strong>ch</strong>t wunderli<strong>ch</strong>er Man war unsrer Wirt; als wir<br />

ankamen bey finem Hus, das kein Wirthss<strong>ch</strong>ild hate, lies<br />

er uns vorby gehen und gukte uns na<strong>ch</strong> und la<strong>ch</strong>te; do<strong>ch</strong><br />

*) 1512. Vergl. <strong>Chronik</strong> S. 7V.<br />

v. Wetßenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>. 9


130<br />

Lukmanier und Disentis<br />

als wir zuruk kamen, nam er uns stündli<strong>ch</strong> auf und hate<br />

uns gut gehalten.<br />

Morgens 7 Uhr verließen wir diese Wirts<strong>ch</strong>aft. Der<br />

Weg geht anfengli<strong>ch</strong> zimli<strong>ch</strong> steil; der Höhepaß hat ein<br />

zimli<strong>ch</strong> breiten Bergrüken, wel<strong>ch</strong>er no<strong>ch</strong> anfengli<strong>ch</strong> etwas<br />

Wald haltet. Allmelig vers<strong>ch</strong>windet der Holzwu<strong>ch</strong>s und<br />

an deßen Plaz treten pre<strong>ch</strong>tige Wisen, auf wel<strong>ch</strong>en Pferde<br />

weideten. Wir gelangten auf St. Jose-Mary; hier ist<br />

eine Capelle und mehr ein Küherhus als ein Wirthshus.<br />

Ohne anzuklopfen, lifen wir bis in die Stube; der Meister<br />

war mit finen Kindren bey dem Tis<strong>ch</strong>e und verzehrten<br />

ein Pallentenku<strong>ch</strong>en. Wir verlangten eine Rissupe, wel<strong>ch</strong>e<br />

bald bey der Hand war; au<strong>ch</strong> kriegten wir hier ein<br />

S<strong>ch</strong>open guten Italiener und Geis-käs. Wir stöbreten<br />

dem Mitelrhin zu; denn just hier bey St. Jose-Mary<br />

entspringt die Quelle vom Mitelrhin. Das Thall falt<br />

zimli<strong>ch</strong> stark ab; die Huser sind klein, mit wenig Pfenstren;<br />

der Weg ist s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t,' voll Geröl und mit Waßer bespült.<br />

Es wird hier die remontis<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e geredet; es spri<strong>ch</strong>t<br />

binahe kein Thal die gli<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e wie das andre; es<br />

ist daher für die Reisenden s<strong>ch</strong>wer, den re<strong>ch</strong>ten Namen<br />

der Bergdörffer und der Berge zu erfors<strong>ch</strong>en. Au<strong>ch</strong> sind<br />

die Bintner, besonders in den Bergen, ni<strong>ch</strong>t stundli<strong>ch</strong>.<br />

Wir verirten uns auf dem Weg na<strong>ch</strong> Disendiß und kamen<br />

in ein Bergdorf. Wir fors<strong>ch</strong>ten dem Wirth na<strong>ch</strong>; zuerst<br />

la<strong>ch</strong>te man unser; endli<strong>ch</strong> zeigte uns ein Wibsperson,<br />

wel<strong>ch</strong>e ungefehr redete wie der Papagay, das Wirthshus.<br />

Eine alte hüftli<strong>ch</strong>e Frau war die Wirthin, wel<strong>ch</strong>e am<br />

Fla<strong>ch</strong>ssamen arbeitete; diese ma<strong>ch</strong>te zuerst mit allem fertig;<br />

erst denn gab sie uns ein S<strong>ch</strong>oppen Win. Es wird hier<br />

sehr vill Fla<strong>ch</strong>s und Rogen gebauen.<br />

Bald erblickten wir das Dorf Desendis. Hier nimt der<br />

Hinderrhin, wel<strong>ch</strong>er auf Oberalp entspringt, den Mittelrhin<br />

auf. Disentis hat ein s<strong>ch</strong>ön Kloster, ist an einem<br />

Bergabhang, und ein ungemein große Kir<strong>ch</strong>en. Es ist<br />

aber, (als) wenn die Götter Ra<strong>ch</strong>e über dis Kloster ges<strong>ch</strong>woren<br />

hätten. Die Franzosen brenten es im Jahr 1799<br />

ab; im Jahr 1837 wurde es wider abgebrant; jez steht<br />

es wider hergeftelt. Hier stehen Holghuser und Steinhuser,<br />

re<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>öne Gebäue, neben einanoren; das Wirthshus<br />

war ni<strong>ch</strong>t zu den guten zu re<strong>ch</strong>nen. Wir muften


Der Ahorn von Truns 131<br />

hier wegen dem villen Regen lenger willen, als uns<br />

lieb war.<br />

Die Bintner haben mit ihren Kupfer Münzen em ganz<br />

besondre Einri<strong>ch</strong>tung: Wenn i<strong>ch</strong> ein Silberstük we<strong>ch</strong>slete,<br />

so wurden mir 6 Bluzger für ein Bazen eingere<strong>ch</strong>net;<br />

hingegen, wenn i<strong>ch</strong> bezahlte, so mußte i<strong>ch</strong> 9 hergeben.<br />

I<strong>ch</strong> klagte das minem Herrn; er zog mi<strong>ch</strong> aus der Verlegenheit,<br />

indem er sagte, i<strong>ch</strong> solle es behalten, wir wollen<br />

selbige den Bettleren geben, wel<strong>ch</strong>es wir au<strong>ch</strong> gethan.<br />

Hin und wider sieht man sowohl in den Höhen als<br />

in den Thällren alte Zwingherren-Burgen, wel<strong>ch</strong>e zügen,<br />

daß Binten hart bedrukt war. — Als wir einsam das<br />

Thal abwerts s<strong>ch</strong>riten, stießen wir auf den Ahoren bey<br />

Truns. Dieser Baum, ein Stammvater aus dem grauen<br />

Alterthum, flöste uns by sinem Anblik eine Art Ehrfur<strong>ch</strong>t<br />

ein. Wir da<strong>ch</strong>ten: „Denzumal, als die Bintner unter<br />

dinen Zwigen den ersten Bund bes<strong>ch</strong>woren, warst du kreftig;<br />

jez bist du ein abgelebter Gris." Sin Umfang war<br />

sehr groß; er hat nur no<strong>ch</strong> ein einzigen grünen Ast; der<br />

Stok ist hohl und gehet stark in Moder über. Der Ahoren<br />

ist mit einer Ringmuren umgeben und der Eingang mit<br />

einem eisrenen Thor vers<strong>ch</strong>loßen. In die Hülle des alten<br />

Papa Ahorens wurde ein junger Ahoren eingesezt, wel<strong>ch</strong>er<br />

aber in den Eingweiden des alten Risen ni<strong>ch</strong>t fortleben<br />

konte, sondren abgestorben ist. Au<strong>ch</strong> ist die eisrene Tür,<br />

wo den Eingang vers<strong>ch</strong>ließt, vers<strong>ch</strong>lagen. Neben dem<br />

Ahoren ist eine zimli<strong>ch</strong> große Kapele, wel<strong>ch</strong>e mit mehreren<br />

Ins<strong>ch</strong>riften von vornen ubers<strong>ch</strong>riben ist. Bald were mir bey<br />

dem Abs<strong>ch</strong>eid des alten Grisen ein Thräne über die Wange<br />

gerolt, und zwar deswegen, daß der junge Stam ni<strong>ch</strong>t leben<br />

wolte und, wie es s<strong>ch</strong>in, das eisrene Thor boshafter Weise<br />

vers<strong>ch</strong>lagen worden: trurige Vorboten für Bünten!<br />

Des Herrn Plan war, über den Panirerpaß na<strong>ch</strong><br />

dem Kanton Glaris zu gehen und no<strong>ch</strong> am gli<strong>ch</strong>en Abend<br />

im Dorfe Pank unser Na<strong>ch</strong>tquartier aufzus<strong>ch</strong>lagen. Der<br />

Herr hate s<strong>ch</strong>on in Truns Kunde eingezogen, wo wir uns<br />

na<strong>ch</strong> Panir zu wenden hätten, wurden aber irrig gewisen.<br />

Wir verließen zu s<strong>ch</strong>nel das Thal, kamen auf das Dorf<br />

Herbligen, ein s<strong>ch</strong>öner Bergrüken, wo wir das ganze Thal<br />

bis tief in's Thal ubersehen konten. Die Na<strong>ch</strong>t bra<strong>ch</strong> an;<br />

zur Re<strong>ch</strong>ten haten wir ein Tobel, zur Linken Bergs<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>ten


132<br />

Der Panirerpaß<br />

und Erdruts<strong>ch</strong>e. Endli<strong>ch</strong> hörten wir in der Ferne die<br />

Gloken von Pank; aber dunkle Na<strong>ch</strong>t verhülte unsre Trite.<br />

Wir sahen die Lie<strong>ch</strong>ter von Panix, aber ein tiefer Tobel<br />

trente uns no<strong>ch</strong>. Kein mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es Wesen tonten wir auffinden,<br />

das uns den Weg zeigte. Wir tabten im Finstren<br />

herum, bis uns gelang, die Verbindungsbrüg zu finden<br />

und eilten den Lie<strong>ch</strong>tren zu, die no<strong>ch</strong> ersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> waren.<br />

Wir klopften an, fragten: ob das Vanix sei? Ein ru<strong>ch</strong>e,<br />

halb düts<strong>ch</strong>e Stime sagte: „das heißt ni<strong>ch</strong>t Panir", und<br />

gab ihm ein andren Namen. Wir ers<strong>ch</strong>raken ; do<strong>ch</strong> kam<br />

ein zweiter herby, der sagte uns, daß wir wirkli<strong>ch</strong> in<br />

Panix sien, führte uns zum Wirth, wel<strong>ch</strong>er Jtaljenis<strong>ch</strong><br />

und duts<strong>ch</strong> redete ; gab uns alles netige, was man von<br />

einem Bergbur fordren kan, und konten wir no<strong>ch</strong> in guten<br />

Betten unsre ermüdeten Glider ausstreken.<br />

Morgens namen wir Kaffe und Geiskäs zum Frühstük.<br />

Jez zeigte uns der Wirth den Weg na<strong>ch</strong> dem Höhepaß.<br />

Der Himel wurde heiter; die Bintnerberge tu<strong>ch</strong>ten<br />

bis hinunter auf Kur, bis na<strong>ch</strong> dem fernen Splügen in<br />

hunderfältigen (Sestalten vor uns auf: bald in blendendem<br />

Wiß bis himelan, wo (während) si<strong>ch</strong> tiefer begraste<br />

Bergrüken und grüne Alpen und Dörfer vor dem Reisenden<br />

bergen. Ja, wenn er die höhren Regionen Bintens<br />

ni<strong>ch</strong>t bestigt, so kan er von Binten kein Begrif faßen. I<strong>ch</strong><br />

konte ni<strong>ch</strong>t ubergehen (unterlassen), eine Zei<strong>ch</strong>nung vorzunehmen<br />

der nördli<strong>ch</strong>en Bergkete, die si<strong>ch</strong> dem Höhepaß<br />

Panix zukehrt; hingegen die Namen der Berge konte uns<br />

in ihrer Landesspra<strong>ch</strong>e niemand hersagen.<br />

Der Weg führt anfengli<strong>ch</strong> von Panir dur<strong>ch</strong> Welder;<br />

algema<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>windet der Wald, und man betrit die begrasten<br />

Alpen. Allmelig komt man zu den Senhütten.<br />

Es hers<strong>ch</strong>t hier die üble Gewohnheit, daß das Bi<strong>ch</strong> allemal<br />

zu den Hütten getriben wird. Der Mist lauft maßenwis<br />

von den Hütten und erzügt eine Menge von Legerkrut,<br />

daß ganze Streken davon überwa<strong>ch</strong>sen werden. Hingegen,<br />

wenn die Küh auf ihren PlAen gemolken würden,<br />

fette Waiden erzügen würde. Die (vranitfelsen Heren allgema<strong>ch</strong><br />

auf: Kalkgebürg trit an die Stelle; bald vers<strong>ch</strong>winden<br />

die üppigen, grasri<strong>ch</strong>en Wiesen; an deren Plaz<br />

tritet ru<strong>ch</strong>es Geröl hervor ; endli<strong>ch</strong> höret au<strong>ch</strong> dieses auf;<br />

an deßen Plaz treten S<strong>ch</strong>neefelder, wo mitunter kahle


Glarus 133<br />

Relsblaten hin und wider aus dem S<strong>ch</strong>nee Hervortu<strong>ch</strong>en<br />

und si<strong>ch</strong> allmelig na<strong>ch</strong> Norden in den Kanton Glans zieht<br />

und si<strong>ch</strong> zimli<strong>ch</strong> stark senkt. S<strong>ch</strong>nel dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ien wir die<br />

Beraabhenge; pre<strong>ch</strong>tige Alpen, wohl die s<strong>ch</strong>önsten, wo i<strong>ch</strong><br />

je gesehen, große Küh, zog alle Aufmerksamkeit auf si<strong>ch</strong>.<br />

S<strong>ch</strong>öne Vorsäs, s<strong>ch</strong>öne Hüser, aus Holz gebaut, pra<strong>ch</strong>tige<br />

Ahoren-Welder, steundli<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong>en, dies alles fanden<br />

wir in diesem Thal. Wir namen in dem Dorfe Elm<br />

unser Mittagessen.<br />

Jez ging es vorwerts dem Fleken Glans zu. .Der<br />

O<strong>ch</strong>sen-Wirth in Glaris war unsrer Guts<strong>ch</strong>ner (Kuts<strong>ch</strong>er),<br />

wel<strong>ch</strong>er uns ras<strong>ch</strong> vorwerts dur<strong>ch</strong> die s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Straß Thal<br />

abwerts führte. Unterwegs stießen wir auf die S<strong>ch</strong>iffergruben,<br />

wo die finen S<strong>ch</strong>ribtaf'len zu Tusenden verfertiget<br />

werden. Es arbeiten ganze Dorfs<strong>ch</strong>aften daruf und kente<br />

no<strong>ch</strong> doplet so vil daruf verwendet werden. Das Thal<br />

senkt si<strong>ch</strong> 4 ganze Stunden bis auf Glaris. Glaris ist<br />

ein anmutiger Fleken an der Limmat und am Fuse des<br />

Glaris<strong>ch</strong> (Glärms<strong>ch</strong>), me<strong>ch</strong>tiger Kalkberg zwis<strong>ch</strong>en Glans<br />

und S<strong>ch</strong>wiz. Uns sielen zuerst die großen Ferberyen ins<br />

Auae; die me<strong>ch</strong>tigen Gebäude waren um und um umhangen<br />

mit geferbten Tü<strong>ch</strong>ren. Bald sahen wn das rege<br />

Leben von Mens<strong>ch</strong>en von jedem Alter und Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t, die<br />

eben, da es abends 6 Uhr war, aus den Fabriken Aeils<br />

na<strong>ch</strong> Hus, theils in ihre Kosthüser wanderten. Jedes<br />

Kind grüßt den fremden Reisenden und hebt ehrbietig das<br />

Käpli ab. Morgens früh wetten uns die Hammers<strong>ch</strong>lege<br />

von Keßleren und S<strong>ch</strong>miden aller Art und wir sahen<br />

bald ein, daß wir uns am Abend ni<strong>ch</strong>t getüs<strong>ch</strong>t haten, in<br />

einem gewerbflißigen Orte eingezogen zu sin.<br />

Am Morgen 8 Uhr verließen wir diesen gewerbn<strong>ch</strong>en<br />

Ort Der Reiseplan war über Klöhnthal und Bragelpaß<br />

in Kanton S<strong>ch</strong>wiz. S<strong>ch</strong>wülle Regenwolken ruhten an<br />

den Bergen ; wir kehrten unsrer Bestimung zu. das Thall<br />

einwerts. Aber von einem unges<strong>ch</strong>ikten Glarner irrig gewisen,<br />

kamen wir in einen großen Wald, wo wir uns<br />

dermaßen verirten, daß wir uns erst m 2 Stunden<br />

s<strong>ch</strong>weißtreiffend an der Ausmündung des Kwhnthal-Sees<br />

wider auf der re<strong>ch</strong>ten Ban befanden. Wir s<strong>ch</strong>nten s<strong>ch</strong>nel<br />

entlang dem Swnd langen und Stund breiten Klöhn-<br />

See thaleinwerts. Hier an den grünen Ufren hers<strong>ch</strong>te die


134 Klöntal und Pragelpaß<br />

Todesstille. Nur am Ende des Sees ist eine Barke angebunden<br />

und ein Köhler Familie tribt hier sin gesvensterartlges<br />

Unwesen.<br />

Bald gelangten wir an den Bergabhang, wo der Berg<br />

allmelig sine Stigung annimt. Hier ist eine Wirts<strong>ch</strong>aft;<br />

wn einkehrten; aber unfreundli<strong>ch</strong> war die Wirtin; sie<br />

flme einen alten Kitel, und wenn wir na<strong>ch</strong> dem Wege<br />

fragten, so gab sie uns wenig oder keine Auskunft. Wir<br />

waren so frey, ihr zu bemerken, daß sie das Kleid ein<br />

wemg bey Siten legen und mit uns reden mö<strong>ch</strong>te; es blib<br />

aber bey dem Alten. Ni<strong>ch</strong>t mit großer Wemuth verließen<br />

wir dieses unfreundli<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong>, giengen mit langen Gest<strong>ch</strong>tren<br />

vorwerts. Pre<strong>ch</strong>tige Matten, große Ahoren-Welder,<br />

deren Ansi<strong>ch</strong>t pre<strong>ch</strong>tig war, ents<strong>ch</strong>ednete uns wider<br />

für die Unfreundli<strong>ch</strong>keit der Wirthin. Aber a<strong>ch</strong>! das Vergnügen<br />

der so s<strong>ch</strong>önen Naturgegenstende solte uns au<strong>ch</strong><br />

m<strong>ch</strong>t lange ergözen; die Wolken zogen di<strong>ch</strong>ter heran, lärten<br />

si<strong>ch</strong> ob unsren Köpfen. Der Weg ist ohnedis sumpfiger<br />

Natur; er ist große Streken mit Hölzren belegt. Bald<br />

venrten wir uns wider. Na<strong>ch</strong> unsrem Zure<strong>ch</strong>tkomen begegnete<br />

uns ein Herr mit einem Frauenzimmer und einem<br />

Bedienten. Das Frauenzimer hate ein wißen Rok ursprüngli<strong>ch</strong><br />

und sähe aber so miserabel darin, daß i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong><br />

des La<strong>ch</strong>ens ni<strong>ch</strong>t erwehren konte; sie war, als wenn man<br />

sie im Koth herumgezogen häte. Sie wolte uns ma<strong>ch</strong>en<br />

umzukehren, so war sie ers<strong>ch</strong>roken; wir la<strong>ch</strong>ten und ainaen<br />

vorwerts. Bald stießen wir auf einen Alpenrosen-Strus,<br />

den sie im Koth hate steken laßen. Der Regen fiel stromwlse<br />

herab; wir erblikten im diken Nebel eine Hütte; wir<br />

klopften an ; ein junger S<strong>ch</strong>wizer, 17 Jahre alt, nam uns<br />

ganz freundli<strong>ch</strong> auf. Nur eine kleine S<strong>ch</strong>wester war bey<br />

ihm. Er ma<strong>ch</strong>te ein großes Feuer an; wir trokneten<br />

unsre Kleider. Der Knab ko<strong>ch</strong>te ein Brey, und na<strong>ch</strong> dem<br />

Eßen ko<strong>ch</strong>en wir in ein Futterbett, das uns der Knab<br />

ubergab. Wir s<strong>ch</strong>liefen bald ein; denn der vorige unangenehme<br />

Tag hatte uns ganz ermüdet. Morgens diker<br />

Nebel! Do<strong>ch</strong> um 9 Uhr verließen wir die Hütte. Bald<br />

hatten wir die Höhe des Brägel errei<strong>ch</strong>t, und wir eilten<br />

nnt s<strong>ch</strong>nellen Füßen den ftilen Bergabhang hinunter dem<br />

Muten<strong>ch</strong>alle (Muotathal) zu, wel<strong>ch</strong>es vom Brägel bis<br />

zum Muota-Dorf sehr stark abfalt.


Am Vierwaldstättersee 135<br />

Das Mutenthal ist ein anmutige Gegend; es ist<br />

um so merkwürdiger, daß im Jahr 1799 der rußis<strong>ch</strong>e<br />

General Suwero mit finen Velkren aus den verborgenen<br />

S<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>ten des Brägel und Kinziko wie ein wilder<br />

Waldstrom unversehens hervorbra<strong>ch</strong> und die im Mutenthal<br />

biwenkierente französis<strong>ch</strong>e Arme uberfallen, das Thal<br />

auswerts getrengt bis zur Brüte, wo ein enger Tobel<br />

das Thall zimli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>ließt. Alles trengte si<strong>ch</strong> auf die<br />

Brücke, bis sie einstürzte. Kanon, Mens<strong>ch</strong>en, Pferde stürzten<br />

hinunter; no<strong>ch</strong> heute s<strong>ch</strong>udren die Thalbewohner, wenn<br />

sie diese S<strong>ch</strong>reckensges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te verzellen. Die Verbmdungsbrüke<br />

mag ab einem llffer auf das andre ungefehr 1/0<br />

Fuß ho<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>weben.<br />

Bald erblikten wir den s<strong>ch</strong>önen Fleken S<strong>ch</strong>wyz, merkwürdig<br />

wegen der S<strong>ch</strong>wizerges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und siner bezaubrend<br />

s<strong>ch</strong>önen Lage, wo au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>uld sin mag, daß hier ein neues<br />

^esuitenkloster gebauen stehet. Wir eilten dem Dorste<br />

Brunnen, wel<strong>ch</strong>es an den grasri<strong>ch</strong>en Fluren des Luzerner-<br />

See stehet, (zu). Im Gasthof Rösli kehrten wir em; hier<br />

ist gut lus<strong>ch</strong>iern: subere Genge, s<strong>ch</strong>öne Zimmer, reinli<strong>ch</strong>e<br />

Abtrite, reinli<strong>ch</strong>er als im rihen Jttallien. Wir bemerkten,<br />

daß hier mitunter au<strong>ch</strong> Sidenwäbery getriben wird, namentli<strong>ch</strong><br />

eine Verzwigung von den Faberrikherrn von Ä^<strong>ch</strong>-<br />

Unsre Reise war über Begenried (Bekenried) und na<strong>ch</strong><br />

dem Brinig; ein großes Alpenhoren zeigte uns an, daß<br />

das Dampfs<strong>ch</strong>if ankome; wir eilten dem Meehrgestade zu.<br />

Wunderbar ers<strong>ch</strong>inen die Dampfs<strong>ch</strong>ife; bald vers<strong>ch</strong>winden<br />

sie hinter einem Felsrüken in den villen Krimmungen;<br />

bald ers<strong>ch</strong>ine au<strong>ch</strong> das von Luzeren und krüzten si<strong>ch</strong> mit<br />

dem von Flülen ; bald sezt man Pferd und Mens<strong>ch</strong>en an<br />

das Land; bald wird wider einbargiert. Hier wetelften<br />

Waßer, Berge, Bäume, Dörfer, Fleken, grüne Melder,<br />

alles, was das Auge des Reisenden ergözen kan.<br />

Jez lendeten wir in Begenried; ist em anmutiger<br />

Fleken. Giengen über Stanz, ein pre<strong>ch</strong>tiges Dorf: große<br />

Kir<strong>ch</strong>e, s<strong>ch</strong>öner Plaz im Dorf, großer Brunnenstok, wenig<br />

Waßer in einem so großen Dorf; pre<strong>ch</strong>tiger Gottesaker<br />

mit villen Grabsteinen. Eine kleine Fahrstraße fuhrt bey<br />

der Winkelriedtobel vorbei). Wir dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ien s<strong>ch</strong>nel das<br />

Draken Moos; wir ließen uns au<strong>ch</strong> die Drakenhelle zeigen.<br />

Re<strong>ch</strong>ts in einer Felshule ni<strong>ch</strong>t wit davon ist ein alter


136 über den Brünig na<strong>ch</strong> Hause<br />

Bergsturz, auf dem jez ein Wald stehet. Um 2 Uhr kamen<br />

m das Dorf Kerenz (Kerns) und spiften daselbst zu<br />

Mltag, sehr Werli<strong>ch</strong> und Wolfeil. Uberhaupt find die<br />

Wlrthshüser in (den) kleinen Kantonen sehr gut.<br />

Wir mars<strong>ch</strong>ierten mit langen S<strong>ch</strong>ritten dem Brünig<br />

zu. Der S<strong>ch</strong>all der Betgloken, da es Samstag Fürabend<br />

war, und am Morgen als am Iten Herbst ein Festtag<br />

von Sarnen und Sa<strong>ch</strong>slen, und das S<strong>ch</strong>leglen der Drös<strong>ch</strong>er<br />

an den südli<strong>ch</strong>en Uffren des Sarnen Sees belebte die<br />

stille, einsame Gegend dieses friedli<strong>ch</strong>en Bergvelklins. Der<br />

Sarner See war spiegelgrün und no<strong>ch</strong> grüner die sanft<br />

abHangenden grünen Wisen des Seegestades. Am Abend<br />

8 Uhr als am 30ten Herbstmonat (31. August) kamen wir in<br />

Lungren an und kehrten in der Wirts<strong>ch</strong>aft des Mel<strong>ch</strong>ior<br />

wurden sehr gastfründli<strong>ch</strong> beherbergt und au<strong>ch</strong><br />

vlln<strong>ch</strong>. Wir trafen hier den Mel<strong>ch</strong>ior Meder an, der uns bey<br />

emer Reise na<strong>ch</strong> der Strallegg begleitet hat. Am Morgen<br />

7 Uhr glengen wir dem Brünig zu. Ein Rukblik na<strong>ch</strong><br />

dem Dorffe Lungren und sinen Umgebungen, besonders<br />

der Seeboden, wegen dem abgezogenen See merkwürdig.<br />

Wo vor wenigen Jahren See, na<strong>ch</strong> Abzug des Sees eine<br />

Wüsteny und jez an deßen Plaz s<strong>ch</strong>öne Matten, pre<strong>ch</strong>tige<br />

Hüser und reizende Gärten bund untereinander stehen;<br />

wo der Fleiß dieser biedren Unterwaldner für ihre Anstrengung<br />

belohnet wird.<br />

, Bald kehrten wir dieser stündli<strong>ch</strong>en Gegend den Rüken,<br />

so tu<strong>ch</strong>ten m unsrem Vorrüken unsre Na<strong>ch</strong>barn, der hintre<br />

Tlerberg, das Mehrenhoren, Rizli und endli<strong>ch</strong> die in<br />

ewigem Wiß bekleideten Wetterhörner in gigantis<strong>ch</strong>er Form<br />

hlmmelemporstrebend vor uns auf. Als wir diese Risen<br />

ein wienig übersehen, kehrten wir dem Brienzer See zu,<br />

der uns mit seinem hellgrünen Waßerspiegel tusende von<br />

Farben zuwarf, (auf dem) si<strong>ch</strong> die mllen kleinen Fahrzüge<br />

kruzten, und auf einmal kam der Tampfer vom Giesba<strong>ch</strong><br />

und drohte die kleinen zu vers<strong>ch</strong>lingen. Wir spiften<br />

bei dem Gastwirth Fuhrer zu Mitag; uberall reges Leben.<br />

Das Dampfs<strong>ch</strong>if gab das Zei<strong>ch</strong>en zur Abfahrt; i<strong>ch</strong> begleitete<br />

meinen Herrn auf das Dampfs<strong>ch</strong>if. Wir drükten<br />

hler einander brüderli<strong>ch</strong> die Hende. Er flog auf dem<br />

Dampfer davon na<strong>ch</strong> Bern, und i<strong>ch</strong> kehrte mmen fridli<strong>ch</strong>en<br />

Bergen zu.


Ausflug auf Mineralien 137<br />

II. Erstbesteigung cles ^Kierbergs.<br />

Fortsetzung der Bergreisen im Jahr 1850.<br />

Auf Seite 136 zeigte i<strong>ch</strong> an, daß i<strong>ch</strong> und Herr Bürki<br />

am Brienzer See von einander Abs<strong>ch</strong>ied nahmen und i<strong>ch</strong><br />

meiner Heimat zueilte. Am 2'°° Herbstmonat, morgens<br />

8 Uhr, begegnete mir Herr Pfahrer Ger st er bei der Eisens<strong>ch</strong>melze<br />

im Mühlithal. Unsre Unterredung ging dahin,<br />

no<strong>ch</strong> am gli<strong>ch</strong>en Abend in das Trift-Gragi zu uberna<strong>ch</strong>ten<br />

und am folgenden Tag ein Ausflug auf Mineralien zu<br />

ma<strong>ch</strong>en. Ein Herr von Basel, namentli<strong>ch</strong> S <strong>ch</strong> a u b, wolte<br />

unser Mitgefehrte sin. I<strong>ch</strong> langte bei miner Familie auf<br />

Mühliftalden an. Mine Lüte empfiengen mi<strong>ch</strong> mit Freuden.<br />

Bald wurden die netigen Voranstalten getroffen. Herr<br />

S<strong>ch</strong>aub und min Sohn Mel<strong>ch</strong>ior giengen voran na<strong>ch</strong> das<br />

Gragi; i<strong>ch</strong> und Herr Pfahrer Gerster giengen über das<br />

Ahorie, und in dem so geheißenen Klempen-Berg stießen<br />

wir zusamen. Ein gegenseitiges Jolen gab unsre Zusamenkunft<br />

kund, wel<strong>ch</strong>es an den Felswenden stnen Widerhal<br />

uns wider zuwarf. Die Abendsonne entwand si<strong>ch</strong><br />

allmelig des Trifttobels, an deren Stelle finstre Na<strong>ch</strong>taestalten<br />

traten, wo dagegen die goldene Abendsonne no<strong>ch</strong><br />

m höhren Regionen die mit S<strong>ch</strong>nee und Firn eingepanzreten<br />

Gebürge rötete und zuversi<strong>ch</strong>tsvol auf einen s<strong>ch</strong>önen<br />

kinftigen Morgen hoffen ließ.<br />

Bald paßierten wir die Klempen, ist ein Felsris in<br />

einer me<strong>ch</strong>tigen Granitblate, der einzige Zugang mit<br />

Vieh in das Gragi. Mit einer Falbrüg würde dieser<br />

Paß lie<strong>ch</strong>t zu vers<strong>ch</strong>ließen sin, ausgenohmen Jeger und<br />

der Berghirten. Am Ausgang der Klempen rislet eine<br />

silberlutre Bergquelle aus einem Fellsenris. Wir sezten<br />

uns auf einen grünen Rasen. Herr S<strong>ch</strong>aub gab S<strong>ch</strong>inken<br />

und Brod aus sinem Sak, wehrend i<strong>ch</strong> mine Mitgefehrten<br />

aus ener kühlenden Quelle trenkte. Wir warfen unsre<br />

Blike no<strong>ch</strong>malen na<strong>ch</strong> dem Horizont, wo die Sonne die<br />

lezten Abendstrahlen li<strong>ch</strong>ten ließ, die uns wider im Morgenlie<strong>ch</strong>t<br />

in entgegengesetzter Ri<strong>ch</strong>tung am Weterhoren zu<br />

ers<strong>ch</strong>inen verspra<strong>ch</strong>.<br />

Wir eilten hastig der Hüte im Graggi zu; denn auf<br />

einmal war es dunkle Na<strong>ch</strong>t. Die Hirten saßen im Kreise


138 Ein Abend im Graggi<br />

UM ein großes Alpenfür herum, die uns mit Freuden begrüßten<br />

und uns ihren Plaz am Für einrumten, wo wir<br />

unsre von S<strong>ch</strong>weis dur<strong>ch</strong>nezten Kleider trokneten. Unterdeßen<br />

kamen no<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>e Gemsenjeger an, namentli<strong>ch</strong> Kasper<br />

Jaggi und Hans Strei<strong>ch</strong>, die morgen mit uns Parti<br />

ma<strong>ch</strong>en wolten, und wehrend wir seltene Steine samlen<br />

würden, sie auf die Gemsen loszugehen. Unser Gespre<strong>ch</strong><br />

war heiter. Ein jeder von uns hate lebhafte Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />

und Äbentür vom wilden Glets<strong>ch</strong>er und Firen Wandlen.<br />

Wir s<strong>ch</strong>lupften bald alle in das Futer. S<strong>ch</strong>on 4 Uhr<br />

war alles reg. Herr S<strong>ch</strong>aub ko<strong>ch</strong>te allem Kaffe. Jez<br />

gieng es vorwärts. Herr S<strong>ch</strong>aub wollte ein Ausflug na<strong>ch</strong><br />

das Radlefhoren ma<strong>ch</strong>en; Herr Pfahrer, i<strong>ch</strong> und die Jeger<br />

na<strong>ch</strong> dem Tierberg und Winterberg. Wir stöbreten ras<strong>ch</strong>,<br />

lie<strong>ch</strong>tfießig das Glets<strong>ch</strong>erfeld der Trosilam vorbei; nur<br />

an etli<strong>ch</strong>en wenigen Orten boten si<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>wierigkeiten dar,<br />

die wir aber lie<strong>ch</strong>t überwunden. Die Morgensonne rötete<br />

die Spitzen des Nothorens, Wetter- und Mernhorens, alle<br />

Vorzei<strong>ch</strong>en eines pre<strong>ch</strong>tigen, klaren Tags waren si<strong>ch</strong>bar.<br />

Wir klimten den Tierberg mit behenden S<strong>ch</strong>riten an<br />

und zogen uns zwis<strong>ch</strong>en den klaren Bä<strong>ch</strong>en den Abhang<br />

dem Tölltiftok zu. Ein duftenter Blumenquell, wie ein<br />

liebli<strong>ch</strong>er Maientau, entgegnete hier unsrem Ges<strong>ch</strong>mak;<br />

denn die ho<strong>ch</strong>e Vegation der Blumenwelt entwiklete ihr<br />

Dasin dies Jahr erst im Herbstmonat. Wir pflikten alle<br />

Blumen und warfen sie weg, um no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>önere zu pfliken.<br />

Allmeli<strong>ch</strong> verließen wir diese liebli<strong>ch</strong>e Gegend. An deren<br />

Stelle nahm uns Geröll und Glets<strong>ch</strong>ergand auf, und so<br />

gelangten wir hinter den Tölltiftok. I<strong>ch</strong> gieng etli<strong>ch</strong>e<br />

S<strong>ch</strong>rite voran und stieß auf ein Gemsenbok, wehrend die<br />

Jeger mit ihren Ferengläsren auf einen entgegen gesezten<br />

Punkt kehrten, und so entgieng die Gemse der nahen Gefahr<br />

der mördres<strong>ch</strong>en Kugel, und mir blieb nur das Na<strong>ch</strong>sehen<br />

des hüpfenden Tiers übrig. Die Jeger s<strong>ch</strong>lugen<br />

hier einen andren Weg ein.<br />

I<strong>ch</strong> und der Pfahrer ftigen vorwerts. Bald verließen<br />

wir alle Vegationen des Wa<strong>ch</strong>stums. Wir betraten den<br />

ewigen Glets<strong>ch</strong>er und Firen und wandleten den Felsenspizen<br />

des Winterbergs zu. So wie wir da einsam ein<br />

Höheplatau Feld über das andere erstiegen, so legten die<br />

Die<strong>ch</strong>terhörner, Triftenstok und Tier- und Winterberg


Ein Berg statt der Kristalle 139<br />

im goldgelben Songlanz ihre Sontagskleider in voller<br />

Pra<strong>ch</strong>t an.<br />

So wie wir allmelig vorwerts wandleten, so uberzugten<br />

wir uns bald, daß der Winterberg no<strong>ch</strong> im S<strong>ch</strong>nee<br />

und Winterkleide stecke und an eine ginstige Christal-Samlung<br />

ni<strong>ch</strong>t zu denken sie. Wir haten den Thierberg grad<br />

vor uns, der, so vill i<strong>ch</strong> wußte, no<strong>ch</strong> nie von einem mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Fuß betreten worden war und mit sinem mit ewigem<br />

Eis und S<strong>ch</strong>nee eingehülten Haupte uns stolz entgegenstund.<br />

Wir waren bald des einen (einig), den Tierberg zu<br />

ersteigen, und mutig wandleten wir die Firnhalden hinauf,<br />

die mit verborgnen S<strong>ch</strong>rinden dur<strong>ch</strong>krüzt waren, und<br />

su<strong>ch</strong>ten auf die Tierbergkanten zu gelangen, die mit dem<br />

Teltistock in Verbindung stehet. Dieses, mit einiger S<strong>ch</strong>wierigkeit<br />

verbunden, war do<strong>ch</strong> bald uberwunden, und wir<br />

stunden auf dem Tierberggrad, wel<strong>ch</strong>er zu der obresten<br />

Spize zuführt; kein freundli<strong>ch</strong>es Aussehen für Köpfe, die<br />

dem S<strong>ch</strong>windel unterworfen sind! Vor uns eine 2000<br />

Fuß tiefe Firenwand mit wit aufklaffenden Bergs<strong>ch</strong>rinden<br />

boten ein grusen Anblik dar. Die S<strong>ch</strong>neekante war hart,<br />

die wir zu wandlen haten, und an etli<strong>ch</strong>en Orten bloß<br />

12 Zoll breit. Zur Vorsi<strong>ch</strong>t haten wir ein Seil; i<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>te<br />

es an meinen Herrn fest, nahm es in die Hand, und so<br />

kamen wir über diese unsi<strong>ch</strong>re Stelle mit Hülfe unsrer<br />

Bergstöke glikli<strong>ch</strong> hinüber. So gelangten wir erst an das<br />

Hören, wo wir eine kleine Granitkante errei<strong>ch</strong>ten, zu der<br />

zu gelangen wir eine Menge Trite ins Eis ma<strong>ch</strong>en mußten,<br />

deren Menge i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zelte, mi<strong>ch</strong> aber an die Jungfrauersteigung<br />

erinrete, indem man ähnli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wirigkeiten zu<br />

uberwinden hat, die aber mit der Bestigung der Jungfrau<br />

ni<strong>ch</strong>t dürfen verwe<strong>ch</strong>slet oder vergli<strong>ch</strong>en werden. Bald im Felsges<strong>ch</strong>ieb,<br />

bald mit Firen we<strong>ch</strong>slend, erklimten wir die Höhe.<br />

Ein kleiner, ebener Plaz ist diese geheiligte Stelle,<br />

die wir ehrfur<strong>ch</strong>tsvoll betraten. Da wir vorher<br />

ni<strong>ch</strong>t das Auge von unsrem s<strong>ch</strong>lipsrigen Pfad abwenden<br />

konten, um so mehr ers<strong>ch</strong>in, als wir eine si<strong>ch</strong>re Stelle haten,<br />

uns alles, was man mä<strong>ch</strong>tig heißt, auf einmal. Der Vorhang<br />

der heimatli<strong>ch</strong>en Berge fiel, und an deren Plaz<br />

traten fernere Berggestalten, in denen wir in südli<strong>ch</strong>er<br />

Ri<strong>ch</strong>tung bald das Matterhorn, die Montrosa mit ihren<br />

Nebentrabanten, als die Zwiling, Montblans<strong>ch</strong> und Wiß-


140 Aussi<strong>ch</strong>t vom Thierberg<br />

hören erblikten. Wir sahen hinter dem Wißhoren dur<strong>ch</strong><br />

eine Lüke hindur<strong>ch</strong> roars<strong>ch</strong>inli<strong>ch</strong> den Montblank, da i<strong>ch</strong><br />

aber deßen Haupt ni<strong>ch</strong>t kene, ni<strong>ch</strong>t daruf bestehen darf.<br />

Kein Tag in meinem Leben, in allen minen Bergreisen,<br />

bot so heitre Aussi<strong>ch</strong>t dar als dieser. Es s<strong>ch</strong>in, als were<br />

der Dunstkreis, der auf der Erde ruht, vers<strong>ch</strong>wunden, um<br />

dem Auge allen Genuß der Aussi<strong>ch</strong>t zu geftaten. Die<br />

Vintner- und Glarnerberge, in's fernre Tirol! ers<strong>ch</strong>inen<br />

wolkenlos; blos der Jura war in etwas von blauem<br />

Dunstkreis in siner nidrigen Lage eingehült, wo wir do<strong>ch</strong><br />

die ganze Kete gut unters<strong>ch</strong>eiden konten. Erst jez warfen<br />

wir unsren Na<strong>ch</strong>baren, als dem Titlis, Hinter Sustenhoren,<br />

Wetterhoren und Finfteraarhoren unsre Blike zu, die grad<br />

vor uns stunden. Wenn man in das Einzelne eingehen<br />

wolte, was die Aussi<strong>ch</strong>t vom Tierberg darbietet, so kente<br />

man in einem Tage ni<strong>ch</strong>t fertig werden.<br />

Wir aßen unsre mitgebra<strong>ch</strong>te Wurst, tranken ein Putele<br />

34er Wein und so traten wir unsren Rukzug an, der zwar<br />

s<strong>ch</strong>wirig und gefahrvoll war, und um so mehr, da unser<br />

nur 2 Personen waren, daß wir das Seil ni<strong>ch</strong>t mit Vortheil<br />

gebru<strong>ch</strong>en konten, und so gelangten wir am Abend<br />

glikli<strong>ch</strong> bei unsren Kameraden im Gragi wieder an.<br />

III. Vurck ctie Mpen naek ^urin.<br />

Reise-Beri<strong>ch</strong>t vom Jahr 1851.<br />

So wie i<strong>ch</strong> min Reiseberi<strong>ch</strong>t vom Jahr 1850 mit der<br />

Bestigung des Hindren Tierbergs bes<strong>ch</strong>loßen habe, so<br />

knipfe i<strong>ch</strong> den Faden mines Reiseberi<strong>ch</strong>ts vom Jahr 1851<br />

wieder an jenen an. Dur<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>es Ubereinkomen<br />

wolte i<strong>ch</strong> Herrn Gotlieb Studer, jeziger Regierungsstatthalter<br />

in Bern, na<strong>ch</strong> das südli<strong>ch</strong>e Wallis zu begleiten.<br />

Unser Zusamentreffen war die Stadt Thun als am 11'°°<br />

Äugst 1851 Morgens 8 Uhr.<br />

Am 10ten Äugst 1851 verließ i<strong>ch</strong> Mühlistalden; der<br />

Regen fiel stromwis herab. I<strong>ch</strong> gelangte na<strong>ch</strong> Jnterlaken.<br />

Die provisoris<strong>ch</strong>e Brüke, die i<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> das Stettin paßierte,<br />

erinrete mi<strong>ch</strong> an jenes Unglik, das vor 4 Tagen paßiert,<br />

nemli<strong>ch</strong> die Brük dur<strong>ch</strong> das Ans<strong>ch</strong>weln der Ar fortgerißen,<br />

wo 4 Mens<strong>ch</strong>enleben als Opfer der Waßerwuth fielen.


Postfahrt dur<strong>ch</strong>s Simmental 141<br />

Trurig verließ i<strong>ch</strong> diese unglikli<strong>ch</strong>e Stelle, eilte dem Thunersee<br />

zu. Das Dampfs<strong>ch</strong>if nam mi<strong>ch</strong> auf und bald kam<br />

i<strong>ch</strong> in Thun an. Dismal wurde i<strong>ch</strong> zum O<strong>ch</strong>sen gewisen,<br />

warhaftig ein s<strong>ch</strong>muziges, türes Wirthshus.<br />

Am Morgen, als i<strong>ch</strong> aufwa<strong>ch</strong>te, fieng si<strong>ch</strong> der Hime!<br />

an aufzuheitren. Min Herr ers<strong>ch</strong>in im Poswagen zur<br />

abgeredten Stunde. — Wir namen die Post von Sanen,<br />

und jez rollte der Postwagen dem Sibenthal zu. Merkwürdig<br />

ers<strong>ch</strong>in mir das S<strong>ch</strong>loß zu Wimmis am Fuse des<br />

Niesen; es erinret an das Mitelzitalter. So wle wir dem<br />

S<strong>ch</strong>loße unsre Blike zuwarfen, stunden unsre Pferde stlll.<br />

Es hieß, die Verbindungsbrüke von Wimmis auf die Hauptstraß<br />

sei von den lesten Waßerstuten eingerißen und zugu<strong>ch</strong><br />

die Straß am dissitigen Uffer weggefallen. Bald hieß es<br />

aussteigen. Die unsrige Post konte ni<strong>ch</strong>t vorwerts. Am<br />

inren Ende warteten andre Wagen, andre Pferde auf<br />

uns, die uns das Thal einwerts führten. Uberall stießen<br />

wir auf Verherungen der lesten Ubers<strong>ch</strong>wemung. Circa<br />

70—100 (XX) L. mag bloß hinrei<strong>ch</strong>en, die Straßen, Gebäude<br />

und Privatgüter in alten Stand zurukzustellen. Das<br />

Sibenthal hat s<strong>ch</strong>öne Wisen, prä<strong>ch</strong>tige Hüser und gute Berge.<br />

Bald fiel uns das Dorf Zweisimen in die Augen;<br />

am Fuße des Winterbergs, ungefehr ein Stund einwerts<br />

im fortlaufenden Thal, ers<strong>ch</strong>eint das S<strong>ch</strong>loß Blankenburg,<br />

Burgfiz der wieland regierenden Landvögte. Zum Glu bedeken<br />

me<strong>ch</strong>tige Bäume das unheimli<strong>ch</strong>e Dasin dieses alten<br />

S<strong>ch</strong>loßes. Bey dem Bären kehrten wir ein. Zweisimen ist<br />

ein gut gebautes Dorf, hat zwey Gasthöfe, zwo Kir<strong>ch</strong>en,<br />

s<strong>ch</strong>öne Wiesen. Das Volk vom Sibenthal ist freundli<strong>ch</strong> und<br />

(von) gutem Kerperbau. Die Wirthin, ein artige, betagte<br />

Frau, bra<strong>ch</strong>te uns eine Flas<strong>ch</strong>e guts<strong>ch</strong>mekenden Mattender,<br />

alten Siebenthal Käs. Wir wurden unterdeßen mit des<br />

Wirts Sohn einig, daß er uns no<strong>ch</strong> diesen Abend na<strong>ch</strong><br />

Saanen führe. Ein Hengst wurde vorgespant; jez gleng<br />

es ras<strong>ch</strong> den Berg hinauf. Die Straß ist gut und nut<br />

viller Arbeit und Fliß gebaut; denn eine Menge Verbindungs-Brügen<br />

über die villen Tobel erfordreten eme<br />

ausdurende Gedult der dennzumaligen Unternehmer. So<br />

wie wir allmelig die Höhe errei<strong>ch</strong>ten, bra<strong>ch</strong> der Mond<br />

hinter den Mattender Bergen hervor, in dessen S<strong>ch</strong>atten<br />

und Lis<strong>ch</strong>t wir bald im Saanen Dorf einrükten.


142<br />

Saanen und S6pey<br />

Sauen ist eine anmutige Lands<strong>ch</strong>aft mit Bergen umfaßt,<br />

der Lage na<strong>ch</strong> beßer zum Kanton Wadt geeignet,<br />

besonders ehe die Verbindungsstraße von Zrveisimmen<br />

gema<strong>ch</strong>t v?ard. Die Wirtshuser sind hier in Sanen re<strong>ch</strong>t<br />

gut, au<strong>ch</strong> billig. Unser Weg ging na<strong>ch</strong> das Malis.<br />

Am Morgen, als am 12ten August, gieng es vorwerts.<br />

Ein verfallenes S<strong>ch</strong>loß an der Grenze zwis<strong>ch</strong>en Wadt und<br />

Bern bey einem Engpaß ist die natürli<strong>ch</strong>e Lage der Grenze.<br />

Das gesagte alte S<strong>ch</strong>lößlin ist Uberblibsel aus dem grauen<br />

Altertum; denn alte Fi<strong>ch</strong>tenbäume, wo wieland Panzerkne<strong>ch</strong>te<br />

mögen Wa<strong>ch</strong>t gestanden haben, stehen jez am Plaz.<br />

Das Thal zieht si<strong>ch</strong> der Sane na<strong>ch</strong> hinunter na<strong>ch</strong> dem<br />

Fleken Os<strong>ch</strong>. Bey Os<strong>ch</strong> übers<strong>ch</strong>riten wir die Sanen,<br />

zogen uns lenks einem Saumpfad den Alen-Mesren zu.<br />

Der Weg ist einsam, fürt dur<strong>ch</strong> einen Tobel. Bloß etli<strong>ch</strong>e<br />

Holz-Sägemühlen fielen uns in die Augen, wo wir bey<br />

der lezten re<strong>ch</strong>ts s<strong>ch</strong>wenkten, und bald gelangten wir den<br />

mühsamen, bes<strong>ch</strong>muzten Saumweg hinauf auf den Höhe<br />

Paß der Ählen-Möser. Hier streckten die Waliser Ho<strong>ch</strong>gebürge<br />

s<strong>ch</strong>on in witter Ferne ihre wißen Heupter empor,<br />

die, wie es in witter Ferne immer der Fal ist, im Annähren<br />

ihre Ansi<strong>ch</strong>ten immer verendren. In dem kleinen<br />

Wirthshusli auf den Sanen-Mösren kehrten wir ein. Die<br />

Sa<strong>ch</strong>en sind hier gut und billig. Jez gieng es vorwerts,<br />

und bald ers<strong>ch</strong>inen die me<strong>ch</strong>tigen Diablerets-Hörner im<br />

glenzenden Firen-Wiß und kehrten uns jeni Site zu, wo<br />

Hr. Studer im vorigen Summer wehlte zum Erstigen.<br />

Es ist ein Kalkstok; die mir vorgezeigte Site bietet etwas<br />

unfreundli<strong>ch</strong>es dar, und Muth mit Ausdur ohne s<strong>ch</strong>windst<strong>ch</strong>tig<br />

zu sin, kan nur diese Bestihung zur Ausführung<br />

bringen. So wie allmelig beim Hmunterstigen diese unfrundli<strong>ch</strong>e<br />

Bergestalt vers<strong>ch</strong>wand, kamen wir im Sepey an.<br />

Sepey ist ein Bergdorf. Vor cirka 35 Jahren dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>rit<br />

i<strong>ch</strong> dieses Thal. Dazumal war dieses Dorf von<br />

jeder Crespondenz sozusagen abges<strong>ch</strong>niten; denn nur dur<strong>ch</strong><br />

kleine Steinesel und auf dem Rüken des Mens<strong>ch</strong>en wurden<br />

die fremden Bedürfnisse Herges<strong>ch</strong>ast; werend dieser Zit<br />

stehen jez pre<strong>ch</strong>tige Gasthuser, wo denzumal dürftige Hüten<br />

stunden. Uber die unwegsamen Tobel ist jez eine pre<strong>ch</strong>tige<br />

Straß angelegt, erstrekt si<strong>ch</strong> von der Stat Ahlen ins<br />

Zepi (Sepey). Dieses Streßli ist ein Meisterstuk. Es


Aigle, Ber, St. Maurice 143<br />

ist s<strong>ch</strong>ade, wenn die Verbindung vom Zepi über die Ahlenmeser<br />

aus die Stadt Os<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t verbunden wird.<br />

Soeben kamen wir in Ahlen an; dies ist ein zimli<strong>ch</strong>er<br />

Fleken. Zwar weder Kunstfliß no<strong>ch</strong> Akerbau s<strong>ch</strong>in mir<br />

hier zu Huse zu sin; hingegen der Windau wird hier mit<br />

Sorgsalt und zimli<strong>ch</strong>em Fleiß betriben. Man sieht in<br />

unwegsamen Gebürgen Muren angelegt, wel<strong>ch</strong>es vermittelst<br />

Leitren ges<strong>ch</strong>ehen muß. Hier wird der Natur vom mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Fliß Boden abgetruzt und üppige Wingärten angelegt,<br />

wel<strong>ch</strong>e lie<strong>ch</strong>t bey einer Fabarik-Stadt öde bliben<br />

würden. Es war abends 6 Uhr; wir glaubten, no<strong>ch</strong> aus<br />

St. Moriz zu sahren. Aber die Fuhren sind hier ni<strong>ch</strong>t<br />

regelmeßig. Wir wurden vom Wirth angelogen, der uns<br />

vorgab, es kome ein Omnibus daher. Unwillig über das<br />

fals<strong>ch</strong>e Vorgeben, gingen wir dem Stetlin Ber zu. Dieser<br />

Spazierweg war angenehm; pre<strong>ch</strong>tige Böume, gute Wisen<br />

stehen dem Rotten entlang na<strong>ch</strong> St. Morizen. Ungesehr<br />

9 Uhr abends langten wir in Ber an.<br />

Ber liegt an einem Bergabhange; es ist ein angenehmer<br />

Fleken. Bim Erwa<strong>ch</strong>en fielen uns die Gebürge<br />

in die Augen: Dent du Midi bey St. Maurice. Der Herr<br />

nahm hier ein Fuhrwerk; ein wißer S<strong>ch</strong>imel wurde vorgespant;<br />

jez flöge unser lie<strong>ch</strong>tes Fuhrwerk dem Wallis zu.<br />

Die Brük von St. Moriz ist gut gebut; die beidsitigen<br />

Fundament der Bruk ruhen auf Felsen. Rus<strong>ch</strong>end s<strong>ch</strong>lenglet<br />

si<strong>ch</strong> der wilde Rotten hier dem Genfer See zu. St. Morizen<br />

ist merkwürdig wegen siner festen Lage; das Eitentel<br />

lehnt si<strong>ch</strong> an ein me<strong>ch</strong>tigen Fels an. Das Stetlin St.<br />

Moriz ist aus dem Alterthum; einersits lehnt es si<strong>ch</strong> an<br />

einen Fels, wehrend auf der nördli<strong>ch</strong>en Site die wilde<br />

Rohnen das Fundament des Stetlins bespült. Der Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>lag<br />

ist hier ni<strong>ch</strong>t heiter; hin und wider komen Kretinen<br />

zum Vors<strong>ch</strong>in, das dem Wallis an villen Orten eigen ist.<br />

Um 9 Uhr morgens kamen wir in Martina<strong>ch</strong> an; ein<br />

angenehmer Ort; hier s<strong>ch</strong>wenkt die Straße na<strong>ch</strong> dem St.<br />

Bernhart re<strong>ch</strong>ts ab; zugli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wenkt ein Bergpfad na<strong>ch</strong><br />

das S<strong>ch</strong>amoni-Thal ab. Da Martina<strong>ch</strong>t der S<strong>ch</strong>eidepunkt<br />

der Simplonftraße, na<strong>ch</strong> St. Bernhart, Banithal und<br />

S<strong>ch</strong>amoni-Thal ist, so ist es hier re<strong>ch</strong>t lebhast ; es sind<br />

hier ville Gasthöfe, aber sehr wr, ja turer weder in Steten;<br />

i<strong>ch</strong> zahlte hier für min Frühftük ein S<strong>ch</strong>wizerfranken.


144 Dur<strong>ch</strong>s Bagnetal zum Corbassiöre-Glets<strong>ch</strong>er<br />

S<strong>ch</strong>on zwis<strong>ch</strong>en St. Morizen und Martina<strong>ch</strong>t zeigte mir<br />

Herr Studer den Risen Grand Combeng, das Zil unsrer<br />

kinstigen Bestigung. Sin wißes Haupt mit drey Höhepunkten,<br />

die alle gli<strong>ch</strong> ho<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>inen, und die wienigen<br />

s<strong>ch</strong>warzen Fleken, die wir Warnahmen, zugten, daß dieser<br />

ni<strong>ch</strong>t von gestern entstanden. Vor ihm stand ein 2ter in's<br />

blendent Wiße inghülter Gebürgsstok, der etli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>uh<br />

nidriger s<strong>ch</strong>in; es s<strong>ch</strong>in von Ferne einer siner Kinder zu<br />

sin oder Nebentrabanten, der s<strong>ch</strong>on zimli<strong>ch</strong> wohl gewa<strong>ch</strong>sen.<br />

Denn s<strong>ch</strong>on deßen unfrundli<strong>ch</strong>es Aussehen ließ uns die<br />

S<strong>ch</strong>wirigkeit des Bestigens untren. Speter wurde uns<br />

der kleine von den Wallisanern (als) der wirkli<strong>ch</strong>e Combeng<br />

bezei<strong>ch</strong>net und der groß als ein namenloses Gebürg.<br />

Der Herr wolte si<strong>ch</strong> aber mit den Namen ni<strong>ch</strong>t begnügen,<br />

sondren er behauptete, daß der Große wirkli<strong>ch</strong> der Grand<br />

Combeng sie und der kleine: Klein Combeng.<br />

In Martina<strong>ch</strong>t gieng es die Bernhardftraße vorwerts;<br />

bald verließen wir die St. Bernhardstraße und s<strong>ch</strong>wenkten<br />

mehr re<strong>ch</strong>ts dem Banithal zu. Das Banithal ist ein<br />

fru<strong>ch</strong>tbares, mit hohen Felskämen eingehülte S<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>t;<br />

no<strong>ch</strong> hin und wider zeigen si<strong>ch</strong> Spuren von dem lesten<br />

Seeausbru<strong>ch</strong>. Mehre Nebentheler münden in das Vanien-<br />

Thal aus, wo sie ihre Gand dem wilden Rohnen zus<strong>ch</strong>ieben.<br />

Wir eilten dem hindresten Bergdorf zu, mit<br />

Namen Lourtier; es ist ein klein Bergdorf. Der Herr<br />

su<strong>ch</strong>te hier einen Mann, der uns na<strong>ch</strong> die Ho<strong>ch</strong>gebürge<br />

begleiten solte. Na<strong>ch</strong> langem Hin- und herfragen ers<strong>ch</strong>in<br />

ein junger Walliser von gemeiner Größe, mit rotem Bart,<br />

Joseph Felm, wel<strong>ch</strong>er mir re<strong>ch</strong>t wohl gefiel und zwar um<br />

so mehr, da er eine zimli<strong>ch</strong>e Freude befugte, uns zn<br />

begleiten. Ein Seil, eme kleine Ax, ein Portion Wein,<br />

kurz, alles netige wurde eingepakt. S<strong>ch</strong>on fieng si<strong>ch</strong> die<br />

Sonne an zu neigen, als wir aufbra<strong>ch</strong>en, um no<strong>ch</strong> in die<br />

Alp zu komen. Vier volle Stunden entlegen war der<br />

obreste Staffel, den wir zu errei<strong>ch</strong>en wins<strong>ch</strong>ten. Ungea<strong>ch</strong>t<br />

unsrer S<strong>ch</strong>nelfüßigkeit errei<strong>ch</strong>te uns die Na<strong>ch</strong>t. Wir tabten<br />

in der Finsternis an (den) Gandges<strong>ch</strong>ieben des me<strong>ch</strong>tigen<br />

Corbassiöre-Glets<strong>ch</strong>ers entlang vorwerts, und mit Hilfe<br />

unsers Führers kamen wir in dem obresten Stafel Corbassiöre<br />

an. Die Hüte hat ein ni<strong>ch</strong>t erfreuli<strong>ch</strong>es Aussehen;<br />

do<strong>ch</strong> waren die Hirten freundli<strong>ch</strong>, belabten uns


Wel<strong>ch</strong>es ist der Grand Combin? 145<br />

mit fris<strong>ch</strong>en Alpspisen und rumten uns au<strong>ch</strong> ihre Betten<br />

oder zu sagen ihre S<strong>ch</strong>lafpleze ein. Geduldig roie ein<br />

Lam, das man zur S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tbank führet, warf si<strong>ch</strong> Herr<br />

Regierungsstathalter auf den naßen Boden hin; i<strong>ch</strong> that<br />

das gli<strong>ch</strong>e; 2 Geisfel waren unsre Deken, und so s<strong>ch</strong>liefen<br />

roir ein. Do<strong>ch</strong> die me<strong>ch</strong>tigen Gebürgssteke, deren wyßes<br />

Haupt uns von Martina<strong>ch</strong>t ins Aug fiel, als namentli<strong>ch</strong><br />

die zwey Eombeng, an dern Fuß roir ruhten, und denn<br />

das morgende Zill unser Beftigung war, ließen mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

ruhig eins<strong>ch</strong>lafen. Die ganze Na<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>webten mir diese<br />

wilden Berggestalten vor Augen.<br />

S<strong>ch</strong>on 4 Uhr Morgens war alles wa<strong>ch</strong>. Wir entkro<strong>ch</strong>en<br />

unsern Fellen wie aus einer amerikais<strong>ch</strong>en Jegger-<br />

Höhle, begaben uns vor unsre Hütte, und i<strong>ch</strong> warf minen<br />

ersten Blik na<strong>ch</strong> jenen Berggestalten, die mir min Herr<br />

s<strong>ch</strong>on von der Ebne zwis<strong>ch</strong>en St. Moriz und Martina<strong>ch</strong>t<br />

zeigte. Ein grad aus dem Glets<strong>ch</strong>er-Meer aussu<strong>ch</strong>ender<br />

Gebürgsftok, in's wiße Winterkleid eingepanzret, mit nur<br />

etwas wenigen Felskanten, sin obrester Wipfel mit einem<br />

lie<strong>ch</strong>ten Nebelsaum vers<strong>ch</strong>liret, stund grad vor unsren<br />

Augen. Der Wallser, wo unser Begleiter war, behauptete<br />

neuerdings, daß dis der wirkli<strong>ch</strong>e Grand Eombeng sie,<br />

wenigstens werde er von den dafigen Hirten so benent.<br />

Allein Herr Studer blib bey siner Meinung, daß der vor<br />

unsren Augen nur der Klein Eombeng sie und der Grand<br />

Eombeng no<strong>ch</strong> witer hinten stehe. Die Wolken stürmten im<br />

Äther des Dunstkreises und sezten si<strong>ch</strong> von Zit zu Zit auf die<br />

obresten Gebürgssteke, der diese vor unsren Augen oft verbarg<br />

und auf kein ginstige Unternehmung zu s<strong>ch</strong>ließen war.<br />

Do<strong>ch</strong> waren wir bald ents<strong>ch</strong>loßen, uns ins Gebürge<br />

zu wagen, uns von demjenigen zu uberzugen, was no<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t entzifret war, und so ging es bald vorwerts. Dur<strong>ch</strong><br />

anmutige S<strong>ch</strong>aftriften empor gelangten wir auf die Ebene<br />

des me<strong>ch</strong>tigen Eorbassiöre-Glets<strong>ch</strong>ers. Hier öfnete si<strong>ch</strong> auf<br />

einmal ein Thal des ewigen Winters und eiskalten Todeserstarrung<br />

aller Vegationen. Ein wenigstens 10 Stund<br />

langes, fortlaufendes Thal mit einer Menge Nebenthellren<br />

entfaltete si<strong>ch</strong> vor unsren Augen. Die Tus<strong>ch</strong>ung war in<br />

Betreff der von Martina<strong>ch</strong>t gesehenen Berggestalten jez bald<br />

entzifret. Denn hinten auf der lenken Site jenes S<strong>ch</strong>neethals<br />

erhob si<strong>ch</strong> ein me<strong>ch</strong>tiges Gebürg im Hintergrunde,<br />

v. Weißenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>. 19


146 Ersteigung des Combin de Corbassiöre<br />

deß kolossalis<strong>ch</strong>es Aussehen von selbst den Grand Combeng<br />

bezei<strong>ch</strong>net. Dieses bes<strong>ch</strong>ribene S<strong>ch</strong>neethal s<strong>ch</strong>eidet<br />

die beiden Risen, groß und klein Combeng, von einandren.<br />

Das unsi<strong>ch</strong>re, unbestendige Wetter, das diesem Sumer<br />

elgen war, ließ bezwiflen, ob es uns gelingen werde, den<br />

Grand Combeng zu erklimen. Au<strong>ch</strong> das Kra<strong>ch</strong>en von<br />

hmunters<strong>ch</strong>urenden S<strong>ch</strong>neelauen vom lestgefallenen S<strong>ch</strong>nee<br />

Mgte für eine gewagte Unternehmung. Na<strong>ch</strong> einer kurzen<br />

Berathung war bes<strong>ch</strong>loßen, den Klein Combeng zu erstigen.<br />

Wenn aber vom klein Combeng die Rede ist, so darf man<br />

ni<strong>ch</strong>t an ein Gebürg denken wie der Niesen oder Stokh<br />

o rn, sondren villmehr an die Jungfrau und der<br />

Große Combeng im Verglei<strong>ch</strong> zum Finsteraarhoren.<br />

das ungefehr Halbstund breite<br />

Glets<strong>ch</strong>erfeld. Allmehlig gelangten wir die platen S<strong>ch</strong>neeselder<br />

vorWerts. Pre<strong>ch</strong>tige, abgerundete S<strong>ch</strong>neehubel bilden<br />

des klem Combengs Fußgestell, auf die wir uns ungea<strong>ch</strong>t<br />

der wel<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>neemaße emporarbeiten. Eine Felswand<br />

oder Klipe fiel uns in die Augen, die wir mit viller<br />

Angrif des Stoks war sehr unsrundu<strong>ch</strong>.<br />

Die Bestigung war so ftil, als wenn man eine<br />

Letter an emem Baum ansetzt. Die Bestigung wehrete<br />

alberert m gli<strong>ch</strong>er Stigung fort, bis 1 Uhr. Wir waren<br />

alle ganz abgemattet, warfen uns auf eine Felsplate hin<br />

nahmen ein Glas Wein, ruhten ungefehr Stunden<br />

aus, warfen ein Blik na<strong>ch</strong> sin wißes Haupt, maßen die<br />

Ferne mit unsren Bliken. I<strong>ch</strong> bemerkte minen Reisegeferten,<br />

daß eme Zit von 3 Stunden netig stn werde,<br />

die obreste Spize zu errei<strong>ch</strong>en. Die Tüs<strong>ch</strong>ung in diesem<br />

Felsstok war so groß, daß sogar der Walliser glaubte,<br />

der wirkli<strong>ch</strong> em ausgezei<strong>ch</strong>neter Bergmann ist, daß wir<br />

diesen Höhepunkt in emer Halbstund errei<strong>ch</strong>en mö<strong>ch</strong>ten.<br />

Jez gmg es wider vorwerts. Die Felskanten fiengen an,<br />

elsig zu werden; die Kanten giengen entli<strong>ch</strong> in S<strong>ch</strong>nee<br />

über. Eine S<strong>ch</strong>nee-We<strong>ch</strong>te s<strong>ch</strong>in uns das Vordringen<br />

versperen zu wollen. Der Walliser glozte die Gewe<strong>ch</strong>te<br />

mtt großen Augen an und blib stehen. Jez hieß es, die<br />

lesten Krefte zusamen faßen. I<strong>ch</strong> grif die S<strong>ch</strong>nee-We<strong>ch</strong>te<br />

mutig an und gelangte glikli<strong>ch</strong> daruf. I<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>te das um<br />

gewiklete Seil los, warf das eine Ende hinunter.<br />

-Oer -Walliser band den Herrn an, und so kamen beide


147<br />

glikli<strong>ch</strong> zu mir. Eine wohl stile, aber ni<strong>ch</strong>t in Eis ubergehende<br />

S<strong>ch</strong>nee-Wand nam uns auf, und im Hui waren<br />

wir auf deßen Spize.<br />

Die Wolken stürmten me<strong>ch</strong>tig im Dunstkreise der Erden<br />

und berührten von Zit zu Zit die obresten Spizen der<br />

Gebürge. Au<strong>ch</strong> wurde der S<strong>ch</strong>leier mit einer Wolke über<br />

uns geworfen, die uns von Zeit zu Zeit mit einem kalten<br />

S<strong>ch</strong>neerisel besprengte. Die mit unsren Strapazen in Aussi<strong>ch</strong>t<br />

geftelte Hofnung für eine Rundaussi<strong>ch</strong>t auf die Umgebungen<br />

wurde leider mit daherziehenden Wolken bedekt.<br />

Der Grand Eombeng stund grad vor uns; deß wißes<br />

Haupt wurde jedesmal, wenn uns eine Wolke bedekte,<br />

etli<strong>ch</strong>e Minuten vor uns bedekt, daß wir darus s<strong>ch</strong>ließen<br />

konten, daß er etli<strong>ch</strong>e 100 S<strong>ch</strong>uh ob uns stehe. Traurig<br />

wegen der einges<strong>ch</strong>renkten Aussi<strong>ch</strong>t, verzehrten wir eine<br />

Wurst, die uns unser Herr mitbra<strong>ch</strong>te. Jmer finsterer war<br />

die Aussi<strong>ch</strong>t, die Wolken kamen imer tiefer; auf Aussi<strong>ch</strong>t<br />

war keine zu hoffen. Wir spehten jez ein Rukweg aus,<br />

den wir auf der Morgensite glikli<strong>ch</strong> fanden.<br />

Die Reise gieng vorwerts, die uns die wei<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>nee-<br />

Maße ungemein s<strong>ch</strong>wing ma<strong>ch</strong>te. Jedo<strong>ch</strong> uberwunden wir<br />

alle S<strong>ch</strong>wirigkeiten glikli<strong>ch</strong> und kamen glikli<strong>ch</strong> in unsrer<br />

Herberge an. Der Senn hate uns Mil<strong>ch</strong> mit Nidel vermis<strong>ch</strong>t<br />

hingerei<strong>ch</strong>t. Wir tranken so vill, daß wir speter<br />

darüber la<strong>ch</strong>ten. Wir konten gar ni<strong>ch</strong>t begrifen und i<strong>ch</strong><br />

kan no<strong>ch</strong> hüte ni<strong>ch</strong>t begrifen, wie groß unser Aptit und<br />

wie ausgedent unsre Magen darzumal gewesen. Wenn<br />

man aber bedenkt, daß diese Reise 15—16 Stunden<br />

wehrte und zwar in Regionen mit jeder Abwe<strong>ch</strong>slung<br />

von Temperatur, die bald in Hitze, bald mit s<strong>ch</strong>uerli<strong>ch</strong>e<br />

Kelte abwe<strong>ch</strong>slet, so ist unsre Aptit zu ents<strong>ch</strong>uldigen. Wir<br />

warfen uns auf unser altes Lager hin, strekten unsre maten<br />

Glider aus, — und die vorüberziehenden Traumbilder<br />

der vergangenen Na<strong>ch</strong>t störten mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr.<br />

Morgens wider Nebel, do<strong>ch</strong> ungefehr 9 Uhr verließen<br />

wir unsre Herberg; es hieß über den Col des Pauvres*),<br />

auf Düts<strong>ch</strong> Bettelpaß, ins Banithal zuruk, um von da<br />

*) „Ein armer Mens<strong>ch</strong>, der den Aloen na<strong>ch</strong>zog, um si<strong>ch</strong> seine<br />

Nahrung zu erbetteln, soll einst auf diesem Wege verunglückt<br />

sein. Von oaher der Name, den WeMenfluh treffend zur „Bettler»<br />

Lücke" umwandelte." G. Studer, Bergreisen VIII (Manuskript).


148 „Bettlerlücke", Chermontane, Col de Fenetre<br />

die Bergkette na<strong>ch</strong> Sardinen zu ubers<strong>ch</strong>riten. Als wir<br />

auf geda<strong>ch</strong>tem Vaß ankamen, fiel uns der Getros-<br />

Glet s<strong>ch</strong>er in die Augen, der im Jahr 1828 dem Thal-<br />

Waßer den Dur<strong>ch</strong>paß versperte und ein See bildete, deßen<br />

wilder Ausbru<strong>ch</strong> das Banienthal bis Martina<strong>ch</strong>t verherte.<br />

Allmeli<strong>ch</strong> begaben wir uns Thal einwerts. Etli<strong>ch</strong>e Familien<br />

Murmeltier fielen uns auf.<br />

Am Abend 6 Uhr kamen wir auf der Alp Nr. 2 (?) an,<br />

alls namentli<strong>ch</strong> bey unsers Führers S<strong>ch</strong>wager, ein starker,<br />

herzhafter, der dasigen Gebürgen kundiger Mann, Bernhard<br />

Trolliet, au<strong>ch</strong> ein lidens<strong>ch</strong>astli<strong>ch</strong>er Gemsjeger. Er habe<br />

albereit 170 Stuk erlegt. Er setzte ein tü<strong>ch</strong>tiges Quantum<br />

Gemsenfleis<strong>ch</strong> ob das Feuer; wir aßen uns sat, giengen in<br />

eine 2te Hüte zum S<strong>ch</strong>lafen. Am Morgen kam der Jeger<br />

Trolliet zu uns, fürte uns in Spi<strong>ch</strong>er, gab uns zu eßen. Hier<br />

erblikte i<strong>ch</strong> eine Ankenballe von Gewi<strong>ch</strong>t cirka 170 Pfund.<br />

Alsobald gieng unsre Reise vorwerts. Das Thal zieht<br />

si<strong>ch</strong> lenker Hand vorwerts. Das Thal wird imer einsamer.<br />

Bald gelangten wir an einen Glets<strong>ch</strong>er mit Namen<br />

Durand-Glets<strong>ch</strong>er, der das Thal versiert, und wo man<br />

glaubt, daß hier der Pflanzenwu<strong>ch</strong>s aufHeren werde. Aber<br />

geladene Saumthiere, mit Molken beladen, zeigten uns<br />

an, daß no<strong>ch</strong> einwerts Bi<strong>ch</strong> und Mens<strong>ch</strong>en wohnen. Bald<br />

öfnete si<strong>ch</strong> eine mit wohls<strong>ch</strong>mekenden Blumen bedekte<br />

Wise. Das Luten von Glocken, das Geblök der Lämer,<br />

das Johlen der Hirten gab uns Muth, diese artige<br />

Gegend aufzusu<strong>ch</strong>en. Warhaft ein irdis<strong>ch</strong>es Paradies.<br />

Ringsum ist die Alp Chermontane mit Glets<strong>ch</strong>ren umlagret.<br />

Früher war es Besiz der Sardinis<strong>ch</strong>en Belker; die Waliser<br />

Hüten sie aber von dieser s<strong>ch</strong>önen Alp verdrengt. Die<br />

Hüte ist wirkli<strong>ch</strong> fester Natur mit einer S<strong>ch</strong>wibogenwelbe;<br />

die Hirten waren fründli<strong>ch</strong>e Lüte.<br />

Als wir diese Gegend mit Freuden ubersehen, zogen<br />

wir dem Höhepaß zu, FenStre genannt. Wir ubers<strong>ch</strong>riten<br />

einen ungefehr 1 Stund langen Firen. Auf einmal,<br />

als wir die Höhe errei<strong>ch</strong>ten, öfneten si<strong>ch</strong> die endlosen<br />

Gebürge des Kinigri<strong>ch</strong>s Sardinien vor uns, die wir einige<br />

Minuten mit Erstunen ansahen. Es ist mir wirkli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

migli<strong>ch</strong>, die villen Berggestalten zu bes<strong>ch</strong>riben, die uns hier<br />

in die Augen fielen. Wohl der merkwürdigste von diesen Gebürgen<br />

ers<strong>ch</strong>in Pic de Cogne oder Pointe de la Grivola.


Valpelline 149<br />

Hier sollen no<strong>ch</strong> Steinböke einheimis<strong>ch</strong> stn. Jez mars<strong>ch</strong>ierten<br />

wir den Berg abwerts; eine pre<strong>ch</strong>tige Alp nahm<br />

uns auf. I<strong>ch</strong> zehlte hier 170 Küh; der S<strong>ch</strong>lag von dieser<br />

Sennery ist vom Berner Sibenthal-Vi<strong>ch</strong>. Jede Kuh hate<br />

eine Gloken; dieses Gelut gab im Gebürge ein anmutigen<br />

Widerhal. Ein großer Zu<strong>ch</strong>tstier kam mit der Trupelen<br />

Kühen voran. Der Zu<strong>ch</strong>tstier hate bei der Hüte still,<br />

ma<strong>ch</strong>te Frunt gegen uns mit einem fur<strong>ch</strong>baren Gebrüll.<br />

Er gab kund, daß wir Fremde waren, und wir dursten<br />

der Hüte ni<strong>ch</strong>t nahen.<br />

Jez sahen wir in das Thal Val Pellina, ein anmutiges<br />

Tal, hat mehrere kleine Waßerfelle, s<strong>ch</strong>öne Wiesen.<br />

Wir stießen anfangs auf 3 Personen; davon war der<br />

eine ein Kretiner (Kropfer), der 2. lam, der 3. ein ni<strong>ch</strong>t<br />

hübs<strong>ch</strong>er Jtalljener. Hier tüs<strong>ch</strong>ten wir uns gewaltig; in<br />

diesem s<strong>ch</strong>önen Thall glaubten wir die Natur were mit<br />

dem Mens<strong>ch</strong>en im Einklang, ja die Mens<strong>ch</strong>en eben so<br />

s<strong>ch</strong>ön; jez kamen wir in das Dörflein? — Hier sahen die<br />

Mens<strong>ch</strong>en erbärmli<strong>ch</strong> darin; es hate eine Aussi<strong>ch</strong>t, (als)<br />

wenn diese Mens<strong>ch</strong>en bloß aus Töpfererde weren gema<strong>ch</strong>t<br />

worden und der Töpfer si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bekümrete, ob die<br />

Creatur oder Bild ein Glid mehr oder weniger häte,<br />

namentli<strong>ch</strong> der eine ein Kropf, der 2. zwen Kröpfe, der<br />

drite ein kurzes Bein, der ein Bukel *)<br />

Wir kehrten bim Dorf-Presendenten ein, ein ebenfalls<br />

ni<strong>ch</strong>t hübs<strong>ch</strong>er Mann. Hier kriegten wir eine Flas<strong>ch</strong>e guten<br />

Italiener und s<strong>ch</strong>makhaften Jtaljener-Käs. Jez hüpften<br />

wir dem Dorfe Val Pellina zu; wir haten bloß das<br />

Dörflein betreten, so ers<strong>ch</strong>inen etli<strong>ch</strong>e bes<strong>ch</strong>muzte Polizeidiener<br />

und fordreten unsre Päße. Der Ä<strong>ch</strong>ef davon war<br />

anfangs brutal, sähe unsre Päße als mangelhast (an). Er<br />

gab uns mit sinen Geberden zu verstehen, daß er Gewalt<br />

über uns häte und alles von siner Gnade abhangete. Der<br />

Herr hate Freud an dem Kerel, sezte ihm Win vor. Die<br />

Polizei fand Vergnügen daran. Jez waren sie unsre<br />

Freunde. Der Hauptman servierte den Tis<strong>ch</strong> in unsrem<br />

*) „Weißenfluh vergli<strong>ch</strong> sie mit Witz den Figuren, aus Lehm<br />

gebrannt, nnt denen der Töpfer es ni<strong>ch</strong>t so genau nimmt, wenn<br />

er bei der einen die Nase vergißt, der andern ein Bein zu kurz<br />

ma<strong>ch</strong>t, einer dritten Hals oder Rücken allzurei<strong>ch</strong> ausstaffiert."<br />

G. Studer, Bergreisen VIII (Manuskript).


150 Aofta — Turin<br />

s<strong>ch</strong>muzlgen Wirthshus. Jez gieng es ins Futer oder in<br />

Distel und ni<strong>ch</strong>t ins Bet. Wir wa<strong>ch</strong>ten früh auf. Jez<br />

zahlte der Herr unsren Begleiter, den Walliser, aus.<br />

Dieser gieng über das Gebürge zuruk, und wir stöbreten<br />

der Ebene de Aofta zu.<br />

Im Anfang stießen wir auf Nußbäume, dann Kastanienbäume,<br />

dann Rebberge. So riesenhafte Bäume<br />

wie an der Ausmündung dieser Theler habe i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

lis<strong>ch</strong>t gesehen. Jez kamen wir in Aofta an; die Stadt ist<br />

m<strong>ch</strong>t groß, merkwürdig von den Triumphbegen der Remerwerke<br />

unter Kaiser (Auguftus) in den Jahren (24 v. Chr.).<br />

Der Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>lag ist hier ungefehr wie im Vale Pellina.<br />

DieHrze war hier s<strong>ch</strong>on ungemein groß, für aus dem S<strong>ch</strong>neegebürge<br />

kommende Mens<strong>ch</strong>en binahe unertregli<strong>ch</strong>. Der Herr<br />

nahm hier wieder ein Führer mit uns. Des Herrn Plan<br />

war, das Mitelgebürg, wo die Thäler Aofta und Vale de<br />

Cogne von einander s<strong>ch</strong>eidet, zu ersteigen, um von der<br />

südn<strong>ch</strong>en Bergkette der Alpen ein Panorama zu zei<strong>ch</strong>nen.<br />

Ungefehr 1 Uhr verließen wir Aofta, ubers<strong>ch</strong>riten<br />

die Dora, eine Brüke von 200 S<strong>ch</strong>rit, und stigen den<br />

Berg aufwerts der Senhüten zu.<br />

Hier bri<strong>ch</strong>t Weißenfluhs Beri<strong>ch</strong>t plötzli<strong>ch</strong> ab. Zweifellos<br />

hat er die ganze Reise bes<strong>ch</strong>rieben, war es do<strong>ch</strong><br />

die bedeutendste und interessanteste seines Lebens: allein<br />

die Fortsetzung hat si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t auffinden lassen. Aus<br />

^ ^ ^Mhrli<strong>ch</strong>er Bes<strong>ch</strong>reibung („Dur<strong>ch</strong> die Alpen<br />

""Z. ^ Sommer 1851", Bergreisen VIII, Manuftnpt<br />

im Besitze der Bibliothek 8. N. c. Bern) sei hier<br />

no<strong>ch</strong> mitgeteilt, was si<strong>ch</strong> auf Weißenfluh bezieht.<br />

Am 18. August gingen die Beiden über den Roc Blanc<br />

na<strong>ch</strong> Cogne, übers<strong>ch</strong>ritten am 19., begleitet von einem Lokalführer,<br />

den „Col de la Neuve" oder „Col d'Arretaz"<br />

hmüber na<strong>ch</strong> dem Val Soanna und gelangten am 20.<br />

^ Durin. Der folgende Tag wurde der<br />

der Stadt und Umgebung Weißenfluh<br />

besu<strong>ch</strong>te mit seinem Herrn au<strong>ch</strong> die „weltberühmte<br />

S^erga". „Der Eindruck dieses Gemäldes ist gewal-<br />

^ 's Studer, und gewiß hat au<strong>ch</strong> sein Begleiter<br />

mn lebhaftester Teilnahme da oben gestanden. Freitag<br />

den 22. August trennten si<strong>ch</strong> Herr und Führer. „Na<strong>ch</strong>


151<br />

3 Uhr morgens kam Weißenfluh auf mein Zimmer, um<br />

von mir Abs<strong>ch</strong>ied zu nehmen. Er sollte heute seinen Heimweg<br />

über Jvrea und das Matterjo<strong>ch</strong> antreten. Er war<br />

ein treuer, wohlgemuther Begleiter, voll Begeisterung für<br />

die großartigen Naturscenen."<br />

-i- -i-<br />

Gottlieb Studer und „Vater Weißenfluh" blieben si<strong>ch</strong><br />

treu in allem We<strong>ch</strong>sel der folgenden Jahre. Sie wurden<br />

alt und blieben jung in ihrer Liebe zu den Bergen.<br />

Und wenn sie fortan au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr oft zusammen wanderten,<br />

so nahm do<strong>ch</strong> jeder na<strong>ch</strong> seiner Art regen Anteil<br />

an des andern Leben und S<strong>ch</strong>icksal. Aus etli<strong>ch</strong>en Briefen<br />

Weißenfluhs, die Studer aufbewahrte, sowie aus späteren<br />

Aufsätzen des letzteren selbst erhellt, wie es dem Philosophen<br />

auf Mühleftalden weiter ergmg und wie dieser Herr<br />

und dieser Führer miteinander verkehrten; zuglei<strong>ch</strong><br />

liegt in und zwis<strong>ch</strong>en den Zeilen ein interessantes Stück<br />

Alpenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, das ein jeder si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Belieben ergänzen<br />

mag.<br />

Weißenfluh an Studer, Brief vom 10ten Bra<strong>ch</strong>monat<br />

1859. (Etwas gekürzt.)<br />

„In Nr. 16 (der) Sontagsbigabe zum Thuner Blat<br />

ers<strong>ch</strong>int die Beftigung vom Rinderhorn, wie i<strong>ch</strong> annehme<br />

von Eu<strong>ch</strong> in Poetis<strong>ch</strong>en Versen aufgesetzt. Diese Ers<strong>ch</strong>inung<br />

hat wohl mit Re<strong>ch</strong>t keine Familie mehr intreßiert<br />

als die unsrige, und zwar in dopleter Beziehung: daß<br />

diese Gedi<strong>ch</strong>te von einem Manne verfaßt sind, den i<strong>ch</strong><br />

persönli<strong>ch</strong> kenne und vill Gutthaten von ihm genossen,<br />

andersits (weil wir) mit den eisigen Risenhäuptren, deren<br />

in Euren Gedi<strong>ch</strong>ten Erwehnung ges<strong>ch</strong>ieht, als Mont<br />

Eervin in seinem s<strong>ch</strong>lanken Eiskleide, Eombin, wie andern<br />

in der Penninis<strong>ch</strong>en Alpenkette stehenden Risen Bekannt<strong>ch</strong>aft<br />

ma<strong>ch</strong>ten; so werden diese alten Gesellen uns ni<strong>ch</strong>t<br />

Är übel nehmen, wenn wir au<strong>ch</strong> unsrersits auf ihre Fründ<strong>ch</strong>aft<br />

re<strong>ch</strong>nen, und zwar umsomehr, da diese Riesengebirge<br />

Jttalien von der S<strong>ch</strong>wiz trennen und unsre Soldaten<br />

hinter diesen ewigen S<strong>ch</strong>anzen ruhig Wa<strong>ch</strong>e halten, wehrend<br />

die Fürsten ihre Belker zu hunderttausend na<strong>ch</strong> Jttalien<br />

triben, um den Po, die Sesta, den Ticino mit Blut


152<br />

3U färben und die Felder zwis<strong>ch</strong>en Turin und Meiland<br />

und Gott wers wie wit mit Blut zu trenken! *)<br />

» r. Gedi<strong>ch</strong>te gelesen, so konnte i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t widerstehe^<br />

Eu<strong>ch</strong> mem Lebeho<strong>ch</strong> zuzurufen, und zwar umsomehr,<br />

daß Sie unsre Alpenwelt in ein erhabenes Lie<strong>ch</strong>t bra<strong>ch</strong>ten<br />

und uns immer mehr fremde Reisende in die Ho<strong>ch</strong>gebirge<br />

vllle sind berufen, aber wenige auserwehlt.<br />

Obs<strong>ch</strong>on mi<strong>ch</strong> das finanzielle Glick eine Zeit lang im<br />

politis<strong>ch</strong>er Verfolgung ni<strong>ch</strong>t beginstigte (Streit<br />

Mit etli<strong>ch</strong>en einflußrei<strong>ch</strong>en Magiftratspersonen im Oberhasli)<br />

so erfteue i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong>, Gott sei Dank, einer guten<br />

Gesundheit; i<strong>ch</strong> gieng im Jahr 1858 mit Hr. Edmund<br />

Fellenberg m einem Tag ab (von) Mühliftalden auf<br />

das Sustenhorn, und m einem Tag im verwi<strong>ch</strong>enen<br />

?oth, Redaktor vom Bund, ab<br />

Mühliftalden über den Trist- und Rhoneglets<strong>ch</strong>er auf die<br />

Grimsel Auf meinen Kristall- und Mineralsamlungen<br />

begleitet mi<strong>ch</strong> mem jüngster Sohn Andres, wel<strong>ch</strong>er ein<br />

guter Bergmann ist; im Winter sitzen wir neben einandren<br />

m der Stube und ma<strong>ch</strong>en Holzs<strong>ch</strong>nizelarbeit. — Wenn<br />

uns.dlesen Sumer wieder Reisende, die unsre Gebürae<br />

zu dur<strong>ch</strong>stobren wins<strong>ch</strong>en, zuwisen können, so wird es uns<br />

freuen; Sie wissen, daß i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die Walliserberge dur<strong>ch</strong>trete,<br />

wie au<strong>ch</strong> emen Theil der Bintner Berge (und) daß<br />

l<strong>ch</strong> alle mögli<strong>ch</strong>e Sorgfalt tragen werde. I<strong>ch</strong> danke Ihnen<br />

daß Sie (uns) bei Herrn Doktor Roth anbefohlen, wie<br />

Is?-» Ä rudern Empfehlungen. Wir sind, Gott sei Dank,<br />

alle gesund; mme Frau Ehriftina erfteut si<strong>ch</strong> der besten<br />

And^Ä.'^ ^"ßen' ^ und mein Sohn<br />

s<strong>ch</strong>lcken Eu<strong>ch</strong> herzli<strong>ch</strong>en Gruß zu, mit dem Wuns<strong>ch</strong>e<br />

A^r Gesundheit ^uren s<strong>ch</strong>weren Amtsges<strong>ch</strong>esten. Ist<br />

die Eisenbahn fertig auf Thun, so laden wir Sie ein, no<strong>ch</strong>mal<br />

heraufzukommen; eine Antwort würde uns freuen." —<br />

Im Sommer 1864 reifte Studer abermals dur<strong>ch</strong> das<br />

Gadmertal hinauf na<strong>ch</strong> der Trift. „Die mä<strong>ch</strong>tigen Berge<br />

s<strong>ch</strong>auten m feierli<strong>ch</strong>em Ernst und in stiller Klarheit auf<br />

^ «e grünen Wiesen, die anspru<strong>ch</strong>slosen Hütt<strong>ch</strong>en,<br />

die dunklen Tannwälder, die üppigen Ahornbäume<br />

worden^" ^ S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t von Magenta ges<strong>ch</strong>lagen


Ein Wiedersehen 153<br />

la<strong>ch</strong>ten uns im hellen Sonnens<strong>ch</strong>ein entgegen. In jugendli<strong>ch</strong>em<br />

Ungestüm raus<strong>ch</strong>te die Gadmenaar s<strong>ch</strong>äumend und<br />

brausend daher. Na<strong>ch</strong> einem heiteren, gemütli<strong>ch</strong>en Gang<br />

von anderthalb Stunden hielten wir bei Vater Wyßenfluhs<br />

Hause im Mühleftalden an, setzten uns im Baumess<strong>ch</strong>atten<br />

auf grüner Wiese nieder und tranken ein paar<br />

Flas<strong>ch</strong>en Wein, um uns zur Weiterreise zu stärken. Es<br />

war der Platz vor dem glei<strong>ch</strong>en hölzernen Hause mit den<br />

kleinen Fenstern, der hölzernen Treppe, die zur Laube<br />

hinaufführt, wie i<strong>ch</strong> es vor 27 Jahren gefunden hatte.<br />

Aber statt des jungen, hübs<strong>ch</strong>en Weibes von damals trat<br />

mir nun die Hausmutter mit grauem Haar entgegen.<br />

Während wir uns zum Gruß die Hände s<strong>ch</strong>üttelten, meinte<br />

sie mit feinem Komplimente: „Jetzt will i<strong>ch</strong> gerne sterben,<br />

weil i<strong>ch</strong> Sie no<strong>ch</strong> gesehen habe." Der Vater war ni<strong>ch</strong>t<br />

da, sondern mit einem Herrn zu Berg gegangen. Do<strong>ch</strong><br />

sahen sie si<strong>ch</strong> am nämli<strong>ch</strong>en Abend in der Trift. „Als<br />

wir (Studer und seine Gefährten) ni<strong>ch</strong>t mehr fern von<br />

der Clubhütte zu sein s<strong>ch</strong>ienen, begegneten wir drei Männern,<br />

die im Heruntersteigen begriffen waren. Es waren<br />

Herr S<strong>ch</strong>warzenba<strong>ch</strong>-Hüni aus Züri<strong>ch</strong>, Vater Weißenfluh<br />

und no<strong>ch</strong> ein Führer, wel<strong>ch</strong>e heute das Die<strong>ch</strong>terhorn<br />

bestiegen hatten. Von der Clubhütte aus hatten sie uns<br />

gewahrt, als wir den Glets<strong>ch</strong>er übers<strong>ch</strong>ritten, und großmüthig<br />

ents<strong>ch</strong>lossen sie si<strong>ch</strong>, trotz der ungünstigen Witterung,<br />

no<strong>ch</strong> zu Thale zu steigen, damit wir den bes<strong>ch</strong>ränkten<br />

Raum der Hütte auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> benutzen könnten. Wie<br />

wir später vernahmen, blieben sie auf der Triftalp über<br />

Na<strong>ch</strong>t. Wir aber zollen ihnen na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong> unseren Dank<br />

für diese Dienstleistung, deren Werth wir erst erkannten,<br />

als wir das enge Clubhütt<strong>ch</strong>en betraten, das wir na<strong>ch</strong><br />

ungefähr einer Stunde anstrengenden Steigens errei<strong>ch</strong>ten."<br />

Im folgenden Jahre wanderten die beiden alten Pioniere<br />

zum letztenmal miteinander ins Gebirge; und wie<br />

vor mehr als einem Vierteljahrhundert ihre erste gemeinsame<br />

Tour, so galt au<strong>ch</strong> diese letzte dem alten Lieblingsgebiet<br />

der beiden, der Trist. Wie ein Hau<strong>ch</strong> von<br />

Wehmut liegt es über der S<strong>ch</strong>ilderung dieser Fahrt. Zwar<br />

wollte Studer au<strong>ch</strong> jetzt, wie immer, etwas Neues tun<br />

oder lernen; aber der Wuns<strong>ch</strong>, si<strong>ch</strong> des Vergangenen<br />

zu erinnern, die Eindrücke früherer Jahre wieder zu be-


154 Letzte gemeinsame Wanderung<br />

leben, spielte diesmal stärker hinein, und man fühlt, daß<br />

der Gedanke an s Abs<strong>ch</strong>iednehmen si<strong>ch</strong> des Gemüts bemä<strong>ch</strong>tigen<br />

will. „Na<strong>ch</strong>dem i<strong>ch</strong> unter vers<strong>ch</strong>iedenen Malen<br />

das Triftgebiet in man<strong>ch</strong>erlei Ri<strong>ch</strong>tungen dur<strong>ch</strong>kreuzt hatte",<br />

s<strong>ch</strong>reibt Studer, „zog es mi<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong>wohl auf's fris<strong>ch</strong>e wie-<br />

«5? ^ öiese großartige Glets<strong>ch</strong>erwelt; waren do<strong>ch</strong> die<br />

Eindrücke zu mä<strong>ch</strong>tig gewesen, die i<strong>ch</strong> dort empfangen,<br />

, . ""'se 6" lebhaft in meiner Erinnerung, die i<strong>ch</strong> erst<br />

no<strong>ch</strong> im vergangenen Jahr im S<strong>ch</strong>ooße jener erhabenen<br />

Natur gekostet, als daß i<strong>ch</strong> diesem Lieblingstummel-<br />

^iner Wanderungen s<strong>ch</strong>on für immer den<br />

Abs<strong>ch</strong>ied hätte geben können." In Jnnertkir<strong>ch</strong>en traf<br />

Studer mit „Papa Weißenfluh" zusammen, der tatenbereit<br />

seiner Ankunft harrte. „I<strong>ch</strong> hatte nämli<strong>ch</strong> meinem<br />

alten Freunde und Reisegefährten, unter dessen Führung<br />

i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on im Jahr 1839 den Übergang von der Trift<br />

na<strong>ch</strong> dem Rhoneglets<strong>ch</strong>er unternommen hatte — ni<strong>ch</strong>t<br />

ahnend, daß dieses abgelegene Glets<strong>ch</strong>ergebiet einst der<br />

Zielpunkt so man<strong>ch</strong>er rüstigen Alpensteiger sein werde —<br />

< " 6 gema<strong>ch</strong>t, mi<strong>ch</strong> auf meiner Wanderung von<br />

der Gelmeralp zur Elubhütte (in der Trift) zu begleiten<br />

und dur<strong>ch</strong> diesen Gang in jene uns befreundeten Regionen<br />

des ewigen Firns die Erinnerung an dieselben aufzufris<strong>ch</strong>en<br />

und im Geiste die Tage und die Scenen no<strong>ch</strong><br />

ö" dur<strong>ch</strong>leben, die uns damals eine neue mä<strong>ch</strong>tiae<br />

Glets<strong>ch</strong>erwelt ers<strong>ch</strong>lossen hatten. Weißenfluh war mit Freuden<br />

bereit, meinem Rufe zu folgen, und so reisten wir von<br />

cm Abend no<strong>ch</strong> die Handegg zu errei<strong>ch</strong>en."<br />

r. mo<strong>ch</strong>te man wüns<strong>ch</strong>en, die Trift hätte si<strong>ch</strong> ihren<br />

^"^uen guädig erwiesen und sie jetzt no<strong>ch</strong> einmal<br />

m strahlendem Sonnenglanz all' ihre Wunder s<strong>ch</strong>auen<br />

lassen; — aber sie war ebensowenig sentimental, wie die ge-<br />

^tmte übrige Natur, und behandelte Studer und Weißenfiuh<br />

so unfreundli<strong>ch</strong>, als wären sie zwei gänzli<strong>ch</strong> unbekannte<br />

und unberufene Eindringlinge gewesen. — Von<br />

^ ^"^563, wo Peter Sulzer von Guttannen als Hauptsührer<br />

si<strong>ch</strong> hinzugesellte, bra<strong>ch</strong>en sie des s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Wetters<br />

wegen erst in später Morgenstunde (1. August) auf, stiegen<br />

den alten (seit dem Abbru<strong>ch</strong> der Brücke di<strong>ch</strong>t oberhalb des<br />

-llZasserf


Vom Nebel bezwungen 155<br />

vier Uhr eine Übergangsstelle (Gwä<strong>ch</strong>tenlimmi) na<strong>ch</strong> dem<br />

Tristglets<strong>ch</strong>er. Aber s<strong>ch</strong>on während des Aufstiegs hatten<br />

Nebel die Orientierung ers<strong>ch</strong>wert, und vergebli<strong>ch</strong> spähte<br />

Studer jetzt na<strong>ch</strong> seinen alten Bekannten unter den Berggestalten<br />

des Triftgebiets. „Höhen und Tiefen waren<br />

von di<strong>ch</strong>tem Nebel umhüllt. Keine Spitze ragte aus demselben<br />

heraus, die mir zum Merkzei<strong>ch</strong>en hätte dienen<br />

können, und ni<strong>ch</strong>t ganz ohne Bangen kehrte i<strong>ch</strong> zu meinen<br />

Gefährten zurück, um mit ihnen das frugale Mahl zu<br />

Heilen, das sie aus ihren Rucksäcken hervorgezogen hatten.<br />

Ni<strong>ch</strong>t lange dauerte unsere Rast an den Felsen des<br />

Gwä<strong>ch</strong>tenhorns, denn die Zeit drängte zum Abmars<strong>ch</strong>; —<br />

aber wohin uns wenden? Sollen wir uns ni<strong>ch</strong>t getrost<br />

der Leitung Weißenfluhs überlassen, der den Triftglets<strong>ch</strong>er<br />

fast seine Wiege nennen kann und in diesem Gebiete, das<br />

er so oft in allen Ri<strong>ch</strong>tungen dur<strong>ch</strong>stöbert hat, am besten<br />

Bes<strong>ch</strong>eid weiß?" Geda<strong>ch</strong>t, getan, — und wie es ging, muß<br />

man im III. Bande des Jahrbu<strong>ch</strong>s 8. N. L. na<strong>ch</strong>lesen, wo<br />

die ganze Tour sehr ausführli<strong>ch</strong> und anziehend ges<strong>ch</strong>ildert<br />

wird. Es ist die famose Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von der „kühlen Herberg"<br />

am Triftstöckli. Kurz gesagt: die Tücke des Nebels<br />

siegte au<strong>ch</strong> über diese hundertfa<strong>ch</strong> erprobten Kämpen, und<br />

na<strong>ch</strong> hartnäckigster Gegenwehr mußten si<strong>ch</strong> die Drei am<br />

späten Abend gefangen geben. „Fast am obersten Rande<br />

des kahlen Absturzes fanden wir ein kleines, zur Lagernatte<br />

dienendes Plätz<strong>ch</strong>en, das si<strong>ch</strong> an ein aufre<strong>ch</strong>t stehendes<br />

Felsenband lehnte und uns von dieser Seite S<strong>ch</strong>utz<br />

vor den Winden gewährte. Auf der äußern, dem Abgrunde<br />

zugekehrten Seite wurde eine kleine Mauer aus<br />

Steinplatten hergestellt, um uns sowohl gegen das Hinunterfallen,<br />

als gegen den Windzug au<strong>ch</strong> von dieser Seite<br />

so gut als mögli<strong>ch</strong> zu si<strong>ch</strong>ern. Der Zwis<strong>ch</strong>enraum bot<br />

nothdürftig für zwei Mann Raum dar; der dritte mußte<br />

si<strong>ch</strong> ein anderes Quartier aussu<strong>ch</strong>en Als das Lager<br />

bereitet, d. h. die Steine größten Kalibers entfernt und<br />

über Bord ges<strong>ch</strong>missen waren, wickelte i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> vom Kopf<br />

bis zu den Zehen in den wollenen Shawl meiner Frau,<br />

den i<strong>ch</strong> statt eines englis<strong>ch</strong>en Plaids mit auf die Reise<br />

genommen hatte, zog meine wollene Kappe tief über das<br />

Gesi<strong>ch</strong>t hinab und legte mi<strong>ch</strong> resigniert auf das feu<strong>ch</strong>te,<br />

harte Lager nieder, das wenigstens den Vorzug hatte, daß


156 „Kühle Herberg"; Rückzug aus der Trift<br />

man die Beine, so lang sie waren, strecken konnte. Als<br />

Kopfkissen diente mir die Reisetas<strong>ch</strong>e, und so roar i<strong>ch</strong> bereit,<br />

den Gott des S<strong>ch</strong>lafes in meinen Armen zu empfangen.<br />

Di<strong>ch</strong>t an meiner Seite streckte si<strong>ch</strong> der wackere Peter nieder.<br />

Er hatte si<strong>ch</strong> das Nastu<strong>ch</strong> um den Kopf ges<strong>ch</strong>nallt<br />

und benutzte gern no<strong>ch</strong> einen Zipfel meines Shawls, um<br />

seiner kümmerli<strong>ch</strong>en Bedeckung na<strong>ch</strong>zuhelfen. In wel<strong>ch</strong>es<br />

Lo<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> Vater Weißenfluh hingelegt, ist mir verborgen<br />

geblieben. Er muß jedenfalls ni<strong>ch</strong>t viel von der inneren<br />

Erdrvärme verspürt haben. Für den S<strong>ch</strong>utz seines grauen<br />

Hauptes hatte er zwar gesorgt und dasselbe bis zu den<br />

S<strong>ch</strong>ultern hinab in den seines Inhalts entledigten<br />

Habersack gesteckt. Allein Körper und Füße s<strong>ch</strong>einen dieser<br />

Wärme-Conzentration ni<strong>ch</strong>t theilhaftig gewesen zu sein,<br />

denn wir hörten ihn während der Na<strong>ch</strong>t etli<strong>ch</strong>e male in<br />

dem Gestein herumstolpern, um si<strong>ch</strong> eine gesunde Bewegung<br />

zu geben. Do<strong>ch</strong> so lange wir keinen Regen oder S<strong>ch</strong>neefall<br />

hatten, und damit blieben wir Gott sei Dank vers<strong>ch</strong>ont,<br />

war es mir ni<strong>ch</strong>t bang um diese berggewohnten,<br />

abgehärteten Männer." — In der Tat kam keiner dur<strong>ch</strong><br />

das Abenteuer zu S<strong>ch</strong>aden, und am folgenden Morgen<br />

errei<strong>ch</strong>ten sie glückli<strong>ch</strong> die nahe Klubhütte, von wo sie,<br />

na<strong>ch</strong> tü<strong>ch</strong>tiger Erholung, über einen anderen Glets<strong>ch</strong>erpaß<br />

na<strong>ch</strong> Realp zu gelangen hofften. Aber die Trift hatte<br />

nun einmal kein Erbarmen. Zwar vers<strong>ch</strong>wanden die<br />

Nebel, und Heller Sonnens<strong>ch</strong>ein lag auf den Firnen und<br />

Glets<strong>ch</strong>ern; dafür bra<strong>ch</strong> aber ein s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>er Föhnsturm<br />

los, der die Wanderer ins Tal hinunter trieb. No<strong>ch</strong><br />

ehe sie drunten waren, wurde der Himmel wieder grau<br />

und s<strong>ch</strong>warz, „leerten die Wolken ihren Wasservorrat aus,<br />

und der Regen dauerte fast ohne Unterbre<strong>ch</strong>ung fort. Es<br />

ging lange auf s<strong>ch</strong>lüpferigen Pfaden den jähen Talwänden<br />

entlang und über nasse, von düsterem Wald umkränzte<br />

Tristen. Bevor wir na<strong>ch</strong> dem Hauvttale niederstiegen,<br />

trennten si<strong>ch</strong> unsere Wege. Weißenfluh gmg zur Linken seiner<br />

Heimat zu, Peter und i<strong>ch</strong> zur Re<strong>ch</strong>ten gegen die hohe Brücke<br />

hinunter, die über das wilde Triftwasser ges<strong>ch</strong>lagen ist".<br />

So hatte die letzte gemeinsame Bergfahrt do<strong>ch</strong> zu einem<br />

denkwürdigen Abenteuer geführt und Studer Gelegenheit<br />

gegeben, zum Abs<strong>ch</strong>iede das Bild seines alten Gefährten mit<br />

Ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>keit und Humor zu entwerfen. Versteht si<strong>ch</strong> von


Im entfernten Tal 157<br />

selbst, daß weder Nebel, no<strong>ch</strong> „kühle Herberg", no<strong>ch</strong> Föhn,<br />

no<strong>ch</strong> Regenguß dem „Berggeist" dieser Männer etwas anzuhaben<br />

vermo<strong>ch</strong>ten; do<strong>ch</strong> behielt Weißenfluh, obwohl er si<strong>ch</strong><br />

„über die ganze böse Zeit mannli<strong>ch</strong> gehalten", no<strong>ch</strong> lange<br />

einen gewissen Groll gegen das unwirtli<strong>ch</strong>e Triftstöckli.<br />

Besonders <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong> für den ferneren Verkehr zwis<strong>ch</strong>en<br />

den alten Freunden ist der nä<strong>ch</strong>ste erhaltene Brief<br />

Weißenfiuhs, der re<strong>ch</strong>t interessante Einzelheiten aus der<br />

mühletalis<strong>ch</strong>en Welt enthält und dur<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>e Stellen die<br />

Vermutung weckt, als hätte Studer beabsi<strong>ch</strong>tigt, seinem langjährigen<br />

Gefährten ein biographis<strong>ch</strong>es Denkmal zu setzen.<br />

Mühliftalden, den 28. Dezember 1869.<br />

Herrn Gottlieb Studer, alt Regierungsstatthalter!<br />

Euren Brief vom 22. dies habe i<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tig mit damit<br />

befindli<strong>ch</strong>en Pecklin erhalten. Daran da<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, denn<br />

das war wirkli<strong>ch</strong> unerwartet, obs<strong>ch</strong>on au<strong>ch</strong> i<strong>ch</strong> bim Ablauf<br />

des Jahrs einen Ruckblick auf die zurückgelegte Wanders<strong>ch</strong>aft<br />

werfe, au<strong>ch</strong> mir unsre Reisen mit fris<strong>ch</strong>er Lebenskraft<br />

in Erinnerung kommen, mi<strong>ch</strong> damit oft neu sterke<br />

und erinnre, wie i<strong>ch</strong> vertrauungsvoll an Euer Site wandlete,<br />

wie wir die üppigen, mit Alpenrosen ubersäten Halden<br />

dur<strong>ch</strong>stöbreten, wie wir uns am Abend müd in's Bett<br />

legeten, aber alle Morgen mit fris<strong>ch</strong>em Muth unsre Reise<br />

fortsetzten und Gottlob und Dank vor allem Unfall bewahrt<br />

blieben. Aber an eine so große Freunds<strong>ch</strong>aft durfte i<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t denken, daß Sie und Eure Frau an mi<strong>ch</strong> und meine<br />

Familie denket, an eine Familie in einem entfernten Thal,<br />

die Ihnen Ihre Freunds<strong>ch</strong>aft ni<strong>ch</strong>t ersezen (vergelten) kann.<br />

Der Postilion bra<strong>ch</strong>te mir das Pack in die Stube;<br />

min alte Frau lag eben an der Lungenentzindung im<br />

Bette, war aber auf bessren; sie freute si<strong>ch</strong> sehr bim Anblick<br />

aus die warmen S<strong>ch</strong>uhe und konnte ni<strong>ch</strong>t Worte genug<br />

finden, Ihnen zu danken. Jetzt stehet sie auf und ma<strong>ch</strong>t<br />

mir den Kaffee, und laust wie eine 30jährige in den<br />

warmen S<strong>ch</strong>uhen herum.<br />

Der Kaffee kam au<strong>ch</strong> zu re<strong>ch</strong>ter Zit; er leistet über<br />

das Neujahr treffli<strong>ch</strong>e Dienste. Endli<strong>ch</strong> komme i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />

zum Bu<strong>ch</strong>; es ist etwas das i<strong>ch</strong> mir lang wins<strong>ch</strong>te, aber<br />

so großartig konnte i<strong>ch</strong> es (mir) ni<strong>ch</strong>t vorstellen; was i<strong>ch</strong><br />

bisher erhielte, waren nur Flugbletter aus Zitungen.


158 Weihna<strong>ch</strong>tsges<strong>ch</strong>enke<br />

Diese Missionen erinnern an die ärmste (?) Zit, wo unser<br />

Heiland auf der Erde wandlete vor 1869 Jahren, wo<br />

der Herr, wie au<strong>ch</strong> seine Apostel, s<strong>ch</strong>on mit den gli<strong>ch</strong>en<br />

Verfolgungen zu thun und zu kämpfen hatten, roie die<br />

Aigen Missionare. Es liegt vor Augen und in dem<br />

Fingerzeig Gottes, daß die reine Lehre des Li<strong>ch</strong>ts mit der<br />

Zeit in alle finstren Winkel der Erde dur<strong>ch</strong>dringt und der<br />

Fürst der Finsternis zurücktreten muß. Dieses Bu<strong>ch</strong> ist<br />

lehrrei<strong>ch</strong>, verkürzt mir die langen Winterabend; i<strong>ch</strong> danke<br />

Ihnen herzli<strong>ch</strong> dafür. Das Nastu<strong>ch</strong> behalte (i<strong>ch</strong>) auf den<br />

Summer, wenn i<strong>ch</strong> einen Ausflug ma<strong>ch</strong>e, und danke dafür<br />

Wie es si<strong>ch</strong> ergibt, seid Ihr au<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> von der<br />

Lungenentzündung geheilet. Ihr habet eine s<strong>ch</strong>öne Reise<br />

gema<strong>ch</strong>t und seid gottlob und Dank gesund wieder heimgekommen.<br />

Hätte i<strong>ch</strong> Gelegenheit, (so) würdet Ihr mir<br />

wohl etwas von Eurer Reise verzellen; wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong><br />

habt Ihr das Merkwirdigste aufges<strong>ch</strong>ryben.<br />

Au<strong>ch</strong> etwas aus unseren Bergen!<br />

Heinri<strong>ch</strong> Egger, ein lidens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Jeger, starken<br />

Kerperbaus und beherzt, do<strong>ch</strong> mit den hohen Gebirgsrevieren<br />

zu wenig bekannt, kam am Ilten November letzthin<br />

zu minem Sohn Johann, um auf die Gemsenjagd na<strong>ch</strong><br />

dem Tnftgeblet (zu gehen); mine


Opfer der Berge 159<br />

Mann s<strong>ch</strong>lössen si<strong>ch</strong> an, und in der Na<strong>ch</strong>t vom 14ten auf<br />

den 15ten kamen die Leute hinauf. Es erzeigte si<strong>ch</strong> bald<br />

daß die Jeger einen Föhn-S<strong>ch</strong>ild abgetreten, (der) zu<br />

einer großen Laue (Lawine) geworden und die Jeger<br />

begraben; der Laue-S<strong>ch</strong>nee war an vers<strong>ch</strong>iedenen Stellen<br />

bis 14 Fuß (ho<strong>ch</strong>). Nirgends keine Spur; erst um Mittag<br />

stieß man auf die Li<strong>ch</strong>en: sie lagen nebeneinander, die<br />

Stöcke krampfhaft in Henden, Gewehr und Waidtas<strong>ch</strong>e am<br />

Rucken. Der S<strong>ch</strong>nee, wo sie bedeckte, mag a<strong>ch</strong>t S<strong>ch</strong>uh<br />

ho<strong>ch</strong> sin; wahrs<strong>ch</strong>inli<strong>ch</strong> haben die Jeger wegen der Na<strong>ch</strong>t<br />

geeitt, si<strong>ch</strong> auf den Hindren gesetzt, um s<strong>ch</strong>nell hinunter zu<br />

ruts<strong>ch</strong>en, wobei die Rinde vom S<strong>ch</strong>nee, das dem Föhns<strong>ch</strong>nee<br />

eigen ist, zersprungen, großartig auf vielen Punkten losgerissen<br />

und m die Tiefe ges<strong>ch</strong>leudret. Die Li<strong>ch</strong>en wurden<br />

Hus gebra<strong>ch</strong>t; es sind beide Familienvater,<br />

-Wrßenstuh von 7, Egger von 3 Kindren, aber keiner<br />

arm. — Die Berge fordren von Zit zu Zit ihre Opfer;<br />

wer d a umher wandlet, bri<strong>ch</strong>t oft Unglicksblumen. Gott<br />

behüte uns vor dergli<strong>ch</strong>en Unglicksfällen!<br />

Mine Söhne Hans und Andres ma<strong>ch</strong>ten im letzten<br />

Summer (Bergtouren) mit Herrn Häberlin aus Frankfurt.<br />

Da es Berge sind, die Sie lengst bes<strong>ch</strong>riben und<br />

^nnen, wird es sie um so mehr intreßiren. Es ist das<br />

Gespaltene Hören, die wilde Frau, Ebenenhoren und die<br />

Kameraden ringsum. Herr Häberlin ist ein guter Herr,<br />

au<strong>ch</strong> guter Bergmann; ma<strong>ch</strong>t aber starke Touren*). Au<strong>ch</strong><br />

dergli<strong>ch</strong>en Bekannts<strong>ch</strong>ast haben wir Ihnen zu verdanken;<br />

Sie legten den Grundstein zum S<strong>ch</strong>wizris<strong>ch</strong>en Alpenklub;<br />

wohl gesellten si<strong>ch</strong> wahrhaste Naturfreunde zu Ihnen binahe<br />

*) Die Eintragungen Herr E. I. Häberlins (damals swä. jur.)<br />

in Andreas v. Weißenfluhs Führerbu<strong>ch</strong> bestätigen die „Stärke"<br />

vollkommen, s<strong>ch</strong>on für die Campagne von 1868. Man bea<strong>ch</strong>te<br />

me Rasttage. Am 26. Aug.: von der Gös<strong>ch</strong>enenalp über das<br />

Maasplankjo<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> der Clubhütte in der Trift, lange und<br />

s<strong>ch</strong>wierige Erstbesteiguna. 27. Aua.: S<strong>ch</strong>neestock, Dammastock,<br />

Mittelstock, Rhonestock, Trift. 28. Aug.: Tristlimmi, Galenstock.<br />

Gnmsel. 29. Aug.: Oberaarjo<strong>ch</strong>, Rothlo<strong>ch</strong>. 30. Aug.: Wegen<br />

Ungunst des Wetters Finsteraarhorn aufgegeben; daher über<br />

Iiel<strong>ch</strong>erglets<strong>ch</strong>er, Grünhornlücke, Alets<strong>ch</strong>glets<strong>ch</strong>er na<strong>ch</strong> Fies<strong>ch</strong>.<br />

31. Aug.: Von Fiesck na<strong>ch</strong> Randa. 1. Sept.: Randa-D o m-Randa.<br />

2. Sept.: Von Randa über Zermatt na<strong>ch</strong> dem Riffel. 3. Sept -<br />

Sept.: Vom Riffel über Zermatt na<strong>ch</strong> den<br />

Zmutt-Hutten. 5. Sept.: über Col d'Hsrens na<strong>ch</strong> Evolena.


160<br />

Weißenfluhs Familie<br />

aus allen Gauen der S<strong>ch</strong>rviz, wie zum Bispill Herr Professor<br />

Ullri<strong>ch</strong>, Herr Großrath Linth, Hostnann in Basel,<br />

und mit der Zit so viele, die i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zu nennen vermag,<br />

die i<strong>ch</strong> aber als Bergfreunde alle ho<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>eze. Diese s<strong>ch</strong>öne<br />

Gesells<strong>ch</strong>aft bringt gegen dem Ausland A<strong>ch</strong>tung hervor,<br />

im Vaterland Verdienst und Erwiterung von nützli<strong>ch</strong>er<br />

Wissens<strong>ch</strong>aft. Wir sind Ihnen daher, au<strong>ch</strong> Euren Kollegen,<br />

den roermsten Dank s<strong>ch</strong>uldig.<br />

No<strong>ch</strong> etwas über mine Familien-Angelegenheit.<br />

Min Jahrzahl trägt das Datum vom 15. März*) 1799.<br />

Das Datum miner Frau trägt die Jahrzahl 1800 den<br />

5ten Hornung. I<strong>ch</strong> verheiratete mi<strong>ch</strong> im Merz 1823; i<strong>ch</strong><br />

dur<strong>ch</strong>lebte mit miner Frau eine Zit von 48 Jahren. I<strong>ch</strong><br />

habe jetz 22 Großenkel und zwei Urenklin, alles Gottlob<br />

und Dank ges<strong>ch</strong>ickte, s<strong>ch</strong>öne Kinder; alle lieben mi<strong>ch</strong>; mine<br />

Söhne sind re<strong>ch</strong>t gut gegen mi<strong>ch</strong>; i<strong>ch</strong> fühle mi<strong>ch</strong> glickli<strong>ch</strong><br />

in minem Alter. I<strong>ch</strong> war im verwi<strong>ch</strong>nen Summer no<strong>ch</strong><br />

viel in der Trift, eigentli<strong>ch</strong> min wahres Lieblingsort; i<strong>ch</strong><br />

gieng no<strong>ch</strong> mit einem Bindel Holz von der Windegg in<br />

Gallenstock und zurück zur Klübhütte. Sie können denken,<br />

daß i<strong>ch</strong> viel an Sie denke, wenn i<strong>ch</strong> in der Trift bin;<br />

aber das Triftsteckli sehe i<strong>ch</strong> immer mit s<strong>ch</strong>elen Augen<br />

an, indem es uns gefangen hielt.<br />

No<strong>ch</strong> etwas von miner und Herr Großrath<br />

Bürkis Reise.<br />

Am 21. Juli 1868 Mittag verreisten wir von Bern.<br />

S<strong>ch</strong>nell dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt die Eisenbahn die s<strong>ch</strong>önen Gaue von<br />

Freyburg; nur wenig Genuß hat der Reisende von der<br />

s<strong>ch</strong>önen Natur, wenn er in der Eisenbahn sitzt. Blos<br />

die alten S<strong>ch</strong>lößer hinter Vivis erinnren an lengft vers<strong>ch</strong>ollene<br />

Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter. Aellen und Bex, wo wir einst am<br />

lieben Na<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>atten wandleten, flogen wie flü<strong>ch</strong>tige Träume<br />

vorüber. In St. Moriz stund die Festung gedemütiget<br />

im Vordergrund, wo jez die Eisenbahn stolz hinter dem<br />

Rucken der Festung hindur<strong>ch</strong>rollte. Jetz sind wir s<strong>ch</strong>on<br />

in Martina<strong>ch</strong>t; fit wir hier waren, vers<strong>ch</strong>önren etli<strong>ch</strong>e<br />

*) Laut Auszug aus dem Taufrodel: 24. Februar.


Im Zeitalter der Eisenbahn 161<br />

neuerbaute Hütel den s<strong>ch</strong>on vorher angenehmen s<strong>ch</strong>önen<br />

Orth. Am 13ten morgens früh mars<strong>ch</strong>ieren wir der wild<br />

dahers<strong>ch</strong>umenden Dranse entlang Thal einwerts. Das<br />

Dörflein Lourtier ist errei<strong>ch</strong>t; i<strong>ch</strong> fragte unsrem damaligen<br />

Führer Felley na<strong>ch</strong>, aber wegen Unkundigkeit der Spra<strong>ch</strong>e,<br />

au<strong>ch</strong> vom Verfluß der Zit konnte (i<strong>ch</strong>) ni<strong>ch</strong>ts entdecken.<br />

I<strong>ch</strong> erkannte no<strong>ch</strong> den Weg, wo wir dazumal abs<strong>ch</strong>wenkten,<br />

um auf die Alp Corbassidre zu gelangen. Unsre sither<br />

hinter mir liegende Zit s<strong>ch</strong>in mir, wenn es blos etli<strong>ch</strong>e<br />

Tage vorbey wären; es kam mir vor, als weren Sie<br />

au<strong>ch</strong> by uns. Jez langen wir bim Glets<strong>ch</strong>er an, der einst<br />

der Dranse den Ausgang versperrte; disfits der Dranse<br />

ist ein neues Gasthefli, dabey eine Kapele; hier war alles<br />

gastfreundli<strong>ch</strong>. Wir sahen von da den Wasserfall vom<br />

Gstroz-Glets<strong>ch</strong>er; der Glets<strong>ch</strong>er ist zurückgetreten; er verhaltet<br />

si<strong>ch</strong> ruhig; er hat keinen Uberflus mehr, um die<br />

Straße zu hemmen. Wir ubers<strong>ch</strong>ritten den Glets<strong>ch</strong>er by<br />

(Col de) FenLtre; jez sind wir in Valpelina; aber keine<br />

Grenzwe<strong>ch</strong>ter sind da; alles ist freunds<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>. Im Thalgrund<br />

ist jez ein Kupferbergwerk; eine ziemli<strong>ch</strong> gute<br />

Straße re<strong>ch</strong>ter Hand führt uns na<strong>ch</strong> Aosta; es ist no<strong>ch</strong><br />

die gli<strong>ch</strong>e finstere Stadt mit verkripleten Einwohnern;<br />

aber 10 Minuten vor der Stadt (ist) ein neuer Gasthof,<br />

gut eingeri<strong>ch</strong>tet und billi<strong>ch</strong>. Wir bestiegen den Berg<br />

zwis<strong>ch</strong>en Aosta und Val de Cogne, aber (mehr) linker<br />

Hand als damals; aber au<strong>ch</strong> diesmal war der Mont blanc,<br />

wenn er jez s<strong>ch</strong>on französis<strong>ch</strong> ist, ni<strong>ch</strong>t höM<strong>ch</strong>; er guckte<br />

nur mistruwis<strong>ch</strong> von Zit zu Zit unter der Nebelkappe<br />

kervor *) Jez kamen wir über Chatillon na<strong>ch</strong> das Dorf<br />

?ornancke- alles ist für die Reisenden eingeri<strong>ch</strong>tet; in<br />

der Alp Breuil ist eine Wirts<strong>ch</strong>aft, au<strong>ch</strong> auf der Höhe<br />

"""I<strong>ch</strong> "bitte Ä Verzeihung daß i<strong>ch</strong> so viel S-f<strong>ch</strong>riben<br />

und Sa<strong>ch</strong>en hervorgehoben, die Sie lengst wußten. I<strong>ch</strong><br />

ende ie, Minen Brief und danke Ihnen für alle von Eu<strong>ch</strong><br />

und U.7r Frau erhaltenen Gutthaten und für Eure<br />

^ Dorste m°-^m<br />

da oben stand, war s ahnu<strong>ch</strong> g I ^ des Combm, des<br />

.»borgen.-<br />

G. Studer, Bergreisen VIII. ^<br />

v. Wetßenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>.


162<br />

Aus zähem Holz<br />

Freunds<strong>ch</strong>aft, die wir sit so vielen Jahren von Ihnen<br />

empfangen.<br />

I<strong>ch</strong> und mine Söhne und Frau rvms<strong>ch</strong>en Ihnen em<br />

glickli<strong>ch</strong>es neues Jahr und wenn wir unsre irdis<strong>ch</strong>e Laufbahn<br />

vollendet, ein seliges.<br />

Mit herzli<strong>ch</strong>em Grus und Werths<strong>ch</strong>ezung<br />

Joh. v. Weyßenfluh, Vater.<br />

Die zähe Lebenskraft des Alten hielt no<strong>ch</strong> eine gute<br />

Weile aus. Abgesehen von der letzten größeren Reise mit<br />

Bürki verzi<strong>ch</strong>tete Weißenfluh zwar na<strong>ch</strong> 1865 auf den<br />

Führerberuf und Herrendienst; aber der Mineraliensammler<br />

stieg no<strong>ch</strong> oft na<strong>ch</strong> seiner geliebten Trist empor,<br />

die ja re<strong>ch</strong>t eigentli<strong>ch</strong> zu seinem Leben gehörte. Auf<br />

eigene Faust, wie er einst begonnen, dur<strong>ch</strong>streifte er no<strong>ch</strong><br />

jahrelang das ihm vertraute Revier, ni<strong>ch</strong>t selten ganz<br />

allein, ein freier Mann mit selbstgewählten Zielen. Und<br />

mindestens einmal no<strong>ch</strong> spielte die Trift ihrem Bezwmger<br />

einen Strei<strong>ch</strong>, der s<strong>ch</strong>limmer und grausamer war, als der<br />

von 1865. Aber sie kriegte Hansen ni<strong>ch</strong>t unter! Was der<br />

Greis an jenem Tage unternahm und wie er sein Triftabenteuer<br />

bestand, wäre einer Ballade würdig; do<strong>ch</strong> liegt<br />

viellei<strong>ch</strong>t mehr Reiz in der s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ten Mitteilung des Sohnes<br />

Andreas. „In seinem 74ten Altersjahr ma<strong>ch</strong>te der Vater<br />

no<strong>ch</strong> einen Gang von der Grimsel na<strong>ch</strong> dem Galenstock,<br />

um Kristalle zu su<strong>ch</strong>en, also einzig. Von dort ist er<br />

über die Triftlimmi gegangen, kam m ein starkes Gewitter,<br />

und dur<strong>ch</strong>näßt kam er na<strong>ch</strong>ts 12 Uhr beim Thältistock<br />

an, wo er biwakieren mußte. Am folgenden Tag kam er<br />

fris<strong>ch</strong> und munter in Mühlestalden an."<br />

Von den zweifellos zahlrei<strong>ch</strong>en Briefen Studers an<br />

Weißenfluh hat si<strong>ch</strong> in Mühlestalden nur ein einziger erhalten<br />

; aber das ganze Verhältnis, alle gegenseitige Werts<strong>ch</strong>ätzung,<br />

Liebe und Treue, liegt in diesem einen. Studer stand<br />

im a<strong>ch</strong>tzigsten, Weißenfluh im fünfunda<strong>ch</strong>tzigsten Lebensjahr.<br />

Für beide war es Abend geworden und der Tag hatte si<strong>ch</strong><br />

geneiget. * 5 *<br />

Am 12. Februar 1885 starb Johann von Weißenfluh.


^» » »«^»»«^»-»'<br />

Die alten Freunde 163<br />

^ ^ ^' »' >» » -


164 Weißenfluhs letzter Aufsatz<br />

^


Studers letzte Ho<strong>ch</strong>gebirgstour 165<br />

" " " ^ -/'^. .,-i^m /»)<br />

^ ^e/-^.


Inkaltsverseicknis.<br />

Seite<br />

Einleitung g<br />

Lkronik 17V2—I82l von lokann v. lveikensluk 6em Altern<br />

<strong>1792</strong><br />

Vom Frielyng 1793<br />

Der Sommer 1793<br />

Der Sumer 1794 ' '<br />

Der Herbst 1794<br />

Der Wintter 1795 (1794—1795) .<br />

Drieling 1795<br />

Drieling 1796<br />

Sommer 1796. . . .<br />

Der Herbst 1796 . .<br />

Vom Winter 1796<br />

Der Frieling 1797 . . .<br />

Vom Jahr 1798<br />

Kurtze S<strong>ch</strong>ilderung der Helfetis<strong>ch</strong>en Regierung, von dem<br />

Jahr 1798 bis m das Jahr 1803<br />

Vom Jhsen-Bergwerk im Mühlithal<br />

Cato und Cesar<br />

13<br />

Ig<br />

18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

21<br />

22<br />

23<br />

24<br />

25<br />

25<br />

25<br />

26<br />

52<br />

59<br />

67<br />

Von etli<strong>ch</strong>en unerherten S<strong>ch</strong>nee-Lauwenen im Jahr 1808<br />

Von etli<strong>ch</strong>en Berg-Stirtzen und Felsen-Bri<strong>ch</strong>en in der<br />

S<strong>ch</strong>weiz<br />

Von ungewonten Jahrgängen<br />

lolb<br />

l»>2 ! ^ ^ ^ ^<br />

Anhang:<br />

68<br />

KS<br />

7g<br />

-70<br />

^<br />

im Oberland. April und Mai 1798 74<br />

»jum Aufruhr im Oberland vom Frühling 1799. . . 89<br />

Alpenreisen ILS0—lSSl von Zokann v. Veibenkluk äem<br />

Ungern<br />

l. Gemmi, Visp'Zermatt, Weißtor, Monte Moro, Simii<br />

Lukmamer, Panirerpaß, Pragel, Brünig. . 109<br />

... Astbeste,gung des Thierbergs 137<br />

UI. Dur<strong>ch</strong> die Alpen na<strong>ch</strong> Turin 140<br />

Au<strong>ch</strong> etwas aus unseren Bergen 158<br />

Uto<strong>ch</strong> etwas über mme Faminen-Anaelegenheit . . . 160<br />

etwA von miner und Herr Großrath Bürkis Reise 160<br />

»ers Brief an Vater Weißenfluh 163


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