Aufzeichnungen zweier Haslitaler : I. Chronik 1792-1821 ... - admin.ch
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Weissenfluh, Johann von der Ältere<br />
Weissenfluh, Johann von der Jüngere<br />
Fis<strong>ch</strong>er, Andreas<br />
<strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong> <strong>zweier</strong> <strong>Haslitaler</strong> :<br />
I. <strong>Chronik</strong> <strong>1792</strong>-<strong>1821</strong> von Johann v.<br />
Weissenfluh dem Aeltern; II. Alpenreisen<br />
1850-1851 von Johann v. Weissenfluh dem<br />
Jüngern / Johann v. Weissenfluh der Ältere ;<br />
Joha<br />
Verlag von A. Francke<br />
Bern<br />
1910
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A u f A i r l m m M Zweier M M u l e r<br />
I. <strong>Chronik</strong> 17S2—1S21<br />
von Johann b. WetlzenSuh dem Äettern<br />
II. Apenreilen isso—issi<br />
von Johann b. Wetlzenüuy dem Jüngern<br />
Herausgegeben von vr. Andreas Fis<strong>ch</strong>er
Einleitung.<br />
ie hierna<strong>ch</strong> veröffentli<strong>ch</strong>ten Manuskripte der beiden<br />
Johann von Weißenfluh, senior und junior,<br />
von Mühlestalden bei Gadmen, wurden in den Se<strong>ch</strong>zigerjahren<br />
des vorigen Jahrhunderts von dem bekannten Pionier<br />
im Triftgebiet, Albert Hoffmann-Burckhardt, erworben,<br />
na<strong>ch</strong> Basel gebra<strong>ch</strong>t und später der Bibliothek der Sektion<br />
Basel 8. L. ges<strong>ch</strong>enkt, in deren Besitz sie si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> heute<br />
befinden. Ob außer dem alten Katalog irgendwas oder<br />
irgendwer um ihr Dasein wußte, s<strong>ch</strong>eint fragli<strong>ch</strong>; jedenfalls<br />
blieben sie jahrzehntelang ungelesen und unbea<strong>ch</strong>tet. Ihre<br />
vor kurzer Zeit erfolgte Wiederentdeckung verdanke i<strong>ch</strong><br />
Herrn Bibliothekar H. Stickelberger und die Erlaubnis,<br />
sie zu publizieren, dem Vorstand der Sektion Basel<br />
8. L. Ferner bin i<strong>ch</strong> zu Dank verpfli<strong>ch</strong>tet dem Vorstand<br />
der Sektion Bern 8.N.L. für die Freundli<strong>ch</strong>keit,<br />
mit der er mir (behufs Ergänzung der Reisebes<strong>ch</strong>reibung)<br />
Einblick in den hands<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>laß<br />
Gottlieb Studers gewährte, sowie au<strong>ch</strong> Herrn Charles<br />
Montandon in Bern für man<strong>ch</strong>en nützli<strong>ch</strong>en Hinweis<br />
und willig geleistete Mitarbeit beim Su<strong>ch</strong>en und Kopieren.<br />
Obglei<strong>ch</strong> die „Nessenthal-Ehronik" und die<br />
„Reisebes<strong>ch</strong>reibung" zum Teil wesentli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene<br />
Dinge behandeln, ers<strong>ch</strong>einen sie do<strong>ch</strong> hier verbunden;<br />
denn Vater und Sohn Weißenfluh, die in demselben<br />
alten Hause zu Mühlestalden wohnten und s<strong>ch</strong>rieben,
4<br />
Plutar<strong>ch</strong> auf Mühlestalden<br />
gehören mit ihren hinterlassenen Werken um so mehr<br />
zusammen, als sie beide von glei<strong>ch</strong>em Geiste beseelt sind<br />
und mit glei<strong>ch</strong> starker Heimatliebe von der S<strong>ch</strong>weiz und<br />
ihren S<strong>ch</strong>icksalen beri<strong>ch</strong>ten, auf jeden Fall zwei Männer<br />
besonderer Art, die dur<strong>ch</strong> Charaktertü<strong>ch</strong>tigkeit und Intelligenz<br />
hervorragen aus der Menge und als Persönli<strong>ch</strong>keiten<br />
unsere volle Sympathie gewinnen.<br />
über Johannes v. Weißenfluh den Altern<br />
und seinen Lebensgang ließ si<strong>ch</strong> leider nur wenig in<br />
Erfahrung bringen. Er lebte von 1762 bis <strong>1821</strong> und<br />
war ein s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ter Bauersmann. Eine Zeitlang besorgte<br />
er au<strong>ch</strong> die „Wirts<strong>ch</strong>aft" bei dem Eisenwerk im<br />
Mühlethal, dessen Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te er in so anziehender<br />
Weise erzählt. Wie der Mann im 18. Jahrhundert da<br />
droben zu seiner s<strong>ch</strong>önen Hands<strong>ch</strong>rift kam, ist mir Geheimnis<br />
geblieben, und ebenso rätselhaft — wenn au<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t so pikant als „Plautus im Nonnenkloster" — ers<strong>ch</strong>eint<br />
es, wie si<strong>ch</strong> ein mit zahlrei<strong>ch</strong>en Holzs<strong>ch</strong>nitten<br />
geziertes Pra<strong>ch</strong>texemplar des Plutar<strong>ch</strong> unter sein bes<strong>ch</strong>eidenes<br />
Da<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Mühlestalden verirrte. Aber da sind<br />
sie, Hands<strong>ch</strong>rift und Plutar<strong>ch</strong>*), und was mehr ist:<br />
Weißenfluh studierte den alten Heiden gründli<strong>ch</strong>, nährte<br />
und stärkte daraus den ihm angeborenen Sinn für historis<strong>ch</strong>e<br />
Dinge, und was ges<strong>ch</strong>ah? Unser Bäuerlein ma<strong>ch</strong>te<br />
si<strong>ch</strong> daran, selbst Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te zu s<strong>ch</strong>reiben. An Stoff gebra<strong>ch</strong><br />
es ihm ja keineswegs, denn abgesehen von allerlei lokalen<br />
Ereignissen, wie Lawinenunglück, Übers<strong>ch</strong>wemmungen,<br />
Teuerung u. dgl., erlebte er die letzte Phase der Herrli<strong>ch</strong>keit<br />
von Min Gnädig Herren, die große Revolution,<br />
den Zusammenbru<strong>ch</strong> der alten Eidgenossens<strong>ch</strong>aft, Helvetik,<br />
Mediation und Restauration, war Augenzeuge, sogar Mithandelnder<br />
bei etli<strong>ch</strong>en Aktionen in dem denkwürdigen<br />
Gebirgskrieg der Franzosen gegen die Österrei<strong>ch</strong>er und<br />
Russen, half Kanonen über den Sustenpaß s<strong>ch</strong>leppen —<br />
*) Dieser wird no<strong>ch</strong> jetzt von dem Enkel des <strong>Chronik</strong>s<strong>ch</strong>reibers,<br />
Andreas v. Weißensiuh zu Mühlestalden, als em ehrwürdiges<br />
Familienerbstück in Ehren gehalten.
Der Strahler in der Trift 5<br />
kurzum, Plutar<strong>ch</strong> selbst hätte si<strong>ch</strong> kaum eine historis<strong>ch</strong> interessantere<br />
Zeit vorstellen können. Damit soll ni<strong>ch</strong>t etwa<br />
gesagt sein, daß Weißenfluh als Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tss<strong>ch</strong>reiber sein<br />
großes Vorbild errei<strong>ch</strong>t habe; der grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e und der mühlestaldens<strong>ch</strong>e<br />
Philosoph hatten zu vers<strong>ch</strong>iedene S<strong>ch</strong>ulen dur<strong>ch</strong>gema<strong>ch</strong>t.<br />
Au<strong>ch</strong> die Weißenfluhs<strong>ch</strong>en Kapitel selbst sind<br />
unter si<strong>ch</strong> von unglei<strong>ch</strong>em Werte, über die Ursa<strong>ch</strong>en der<br />
französis<strong>ch</strong>en Revolution z. B. oder über die S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t von<br />
Marengo mag man ja mit Vorteil no<strong>ch</strong> andere Autoren<br />
zu Rate ziehen. (Die Darstellung der letzteren ist übrigens<br />
ein hübs<strong>ch</strong>es Beispiel von prompter Legendenbildung.)<br />
Aber was Weißenfluh selbst sah, selbst erlebte oder au<strong>ch</strong><br />
von seinen Freunden und Mitbürgern, die „dabei gewesen",<br />
brühwarm erzählen hörte (einer seiner Vettern diente<br />
in der helvetis<strong>ch</strong>en Legion), besonders au<strong>ch</strong>, was er über<br />
Volksstimmungen und ihren We<strong>ch</strong>sel beri<strong>ch</strong>tet, das verdient<br />
gelesen und bea<strong>ch</strong>tet zu werden, um so mehr, da si<strong>ch</strong> aus<br />
jener Gegend und aus jenem Stande bisher no<strong>ch</strong> kein<br />
<strong>Chronik</strong>s<strong>ch</strong>reiber über diese Dinge zum Wort gemeldet hat.<br />
Der Verfasser der Reisebes<strong>ch</strong>reibung, Johann<br />
v. Weißenfluh der Jüngere, geboren 1799, gestorben<br />
1885, bedarf den Kennern unserer alpinen Literatur<br />
gegenüber eigentli<strong>ch</strong> keiner weiteren Vorstellung, denn<br />
sein Name war re<strong>ch</strong>t wohl bekannt unter den s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en<br />
Pionieren der Glets<strong>ch</strong>erwelt, und des „Vater Weißenfluh"<br />
und seines gastli<strong>ch</strong>en Hauses auf Mühlestalden gedenkt<br />
man<strong>ch</strong>e Ehrenmeldung aus alten entdeckungsfreudigen<br />
Tagen. Ein eifriger „Strahler", d. h. Kristallsu<strong>ch</strong>er, war<br />
er von Jugend auf besonders mit dem Triftgebiet vertraut<br />
und galt au<strong>ch</strong> weithin unbestritten als der beste<br />
Kenner dieses lange Zeit gefür<strong>ch</strong>teten und unerfors<strong>ch</strong>t<br />
gebliebenen Bergreviers. Es gibt kaum einen anderen<br />
Namen, der mit der Eroberungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te irgend eines bedeutenden<br />
Alpengebiets so innig verknüpft wäre, wie der<br />
Name Weißenfluh (Vater und Söhne) mit derjenigen<br />
der Trift. Hier lernten namhafte Bergsteiger den Strahler<br />
kennen und s<strong>ch</strong>ätzen, und so kam es, daß Weißenfluh mehr
6 Bekannts<strong>ch</strong>aft mit Gottlieb Studer<br />
wurde, als ein „tü<strong>ch</strong>tiger Lokalführer"; seine „Herren"<br />
nahmen ihn gerne mit auf größeren Alpenreisen ins<br />
Wallis, na<strong>ch</strong> Italien und Graubünden, und wenn i<strong>ch</strong> es<br />
re<strong>ch</strong>t übersehe, so hat von seiner, d. h. also der ältesten<br />
Führergeneration (es war die Zeit des liötel 6es Neuckatelois<br />
und der Aplanalp, Bannholzer, Leuthold, Jaun,<br />
Madutz usw.) keiner so ausgedehnte Fahrten unternommen<br />
wie Joh. v. Weißenfluh. Von den Alpenwanderern, die<br />
ihn wiederholt engagierten und Jahre lang im Verkehr<br />
mit ihm blieben, seien besonders genannt: Gottlieb Studer,<br />
Fr. Bürki, v. Fellenberg, Abraham Roth, R. S<strong>ch</strong>aub,<br />
Alb. Hoffmann-Burckhardt.<br />
S<strong>ch</strong>ade, daß si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ermitteln läßt, wie weit der<br />
junge Strahler aus eigenem Antrieb ins Ho<strong>ch</strong>gebirge<br />
vorgedrungen, bevor die Männer aus dem Fla<strong>ch</strong>lande<br />
kamen und ihn zum Führer begehrten! Kein Geringerer<br />
als Gottlieb Studer war es, der als erster seine<br />
Dienste in Anspru<strong>ch</strong> nahm, als er Anno 1839 seine Entdeckungsfahrt<br />
dur<strong>ch</strong> das Eisrevier der Trift antrat. „Auf<br />
eingezogene Erkundigungen na<strong>ch</strong> einem zuverlässigen Begleiter<br />
auf der beabsi<strong>ch</strong>tigten Wanderung wurde i<strong>ch</strong> an<br />
den Gemeindes<strong>ch</strong>reiber Johannes von Weißenfluh,<br />
Mineraliensammler in Mühlestalden, gewiesen, der zwar<br />
das Firnjo<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en Bern und Wallis (Tristlimmi)<br />
niemals überstiegen hatte, jedo<strong>ch</strong> bis auf dasselbe gelangt<br />
war. Luft und Betriebsamkeit führten ihn öfters auf<br />
jene Felsfirften und Eiswüsten, die si<strong>ch</strong> vom Sustenhorn<br />
bis zur Grimselkette ausdehnen, bald um den Gemsen<br />
na<strong>ch</strong>zustellen, bald um seltenes Gestein zu erbeuten.<br />
Bei dem mir bezei<strong>ch</strong>neten Hause am Mühlestalden<br />
klopfte i<strong>ch</strong> an, und na<strong>ch</strong> kurzer Unterredung war der<br />
rüstige Weißenfluh bereit, mi<strong>ch</strong> zu begleiten."*)<br />
Die Bekannts<strong>ch</strong>aft war gema<strong>ch</strong>t; sie hat gegen ein<br />
halbes Jahrhundert, bis zum Tode, gedauert.<br />
*) G. Studer, Topogr. Mitteilungen, 10 ff.
Charakteristik Weißenfluhs 7<br />
Die Beiden übers<strong>ch</strong>ritten glückli<strong>ch</strong> den Paß von der<br />
Trift na<strong>ch</strong> dem Rhoneglets<strong>ch</strong>er, und damit war ni<strong>ch</strong>t nur<br />
eine neue, s<strong>ch</strong>öne Route im Ho<strong>ch</strong>gebirge gewonnen, sondern<br />
au<strong>ch</strong> der ents<strong>ch</strong>eidende S<strong>ch</strong>ritt getan zur Ers<strong>ch</strong>ließung des<br />
interessanten Gebiets. Und aus dem Mineraliensammler<br />
Weißenfluh lvar ein Bergführer geworden.<br />
Zwei Jahre später ers<strong>ch</strong>ien Studer abermals im<br />
Gadmertal. „Bei der Wohnung von Johann v. Weißenfluh<br />
in Mühleftalden hielt i<strong>ch</strong> an, begrüßte meinen alten<br />
Bekannten, und freudig waren Vater und Sohn Heinri<strong>ch</strong>*)<br />
bereit, mit mir irgend eine wagli<strong>ch</strong>e Glets<strong>ch</strong>erwanderung<br />
zu unternehmen. Na<strong>ch</strong> kurzer Überlegung war der Gipfel<br />
des Sustenhorns zum Ziele unseres Strebens erkoren."<br />
Und nun folgt eine Stelle, die trotz des glänzenden Lobes,<br />
das man<strong>ch</strong>e der späteren Führer davontrugen, viellei<strong>ch</strong>t das<br />
Beste ist, das je zur Anerkennung eines wackeren Mannes<br />
von diesem Stande ges<strong>ch</strong>rieben worden, eben weil es ni<strong>ch</strong>t<br />
bloß spezielle Führereigens<strong>ch</strong>aften, sondern die gesamte<br />
Mannestü<strong>ch</strong>tigkeit würdigt. „Mir wurde es wohl im<br />
Kreise dieser biederen Leute. Weißenfluh, ein Mann von<br />
kräftiger Gestalt und gesunden Sinnen, zu Hause der Leute<br />
Ratgeber, thätig und keiner fremden Hülfe bedürfend,<br />
s<strong>ch</strong>ien mir ein zweiter Tell, wie ihn uns der Di<strong>ch</strong>ter<br />
in seinem häusli<strong>ch</strong>en Leben s<strong>ch</strong>ildert, wenn er, die Art<br />
des Zimmermanns oder das Feldgeräthe aus der Hand<br />
legend, zwar ni<strong>ch</strong>t das treffende Ges<strong>ch</strong>oß, wohl aber das<br />
Werkzeug des Kristallbeuters ergriff, um auf Pfaden, die<br />
sonst nur die Gemse betreten darf, die Regionen der starren<br />
Felsenwelt oder des ewigen Eises zu dur<strong>ch</strong>streifen und dort<br />
unbekannte Minerals<strong>ch</strong>ätze zu erspähen und zu gewinnen<br />
si<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>ickte, während auf dessen Kraft und Besonnenheit<br />
*) Heinri<strong>ch</strong> hatte als 14jähriger Jun^e s<strong>ch</strong>on die Fahrt über<br />
die Tristlimmi mitgema<strong>ch</strong>t und war, wie sein Bruder Andreas<br />
no<strong>ch</strong> heute versi<strong>ch</strong>ert, „der unternehmendste und stärkste von uns<br />
allen", der Stolz der Familie. Er s<strong>ch</strong>ien dazu bestimmt, einer<br />
der bravsten und tü<strong>ch</strong>tigsten Bergführer im Oberland zu werden,<br />
fand aber s<strong>ch</strong>on mit zroeiundzrvanzig Jahren beim Holzflößen<br />
im Genthalba<strong>ch</strong> den Tod.
8 Jungfraubesteigung von 1842 — Rud. S<strong>ch</strong>aub<br />
und auf Gottes S<strong>ch</strong>utz vertrauend, sein treues Weib ohne<br />
ängstli<strong>ch</strong>e Besorgnis am stillen Heerde zurückblieb, um<br />
unterdessen des Hauses Ges<strong>ch</strong>äften zu warten."*) — Am<br />
7. August wurde das Sustenhorn erobert; daran s<strong>ch</strong>loß<br />
si<strong>ch</strong> der Übergang über die Steinlimmi na<strong>ch</strong> der Sennhütte<br />
im „Graggi" (aus der re<strong>ch</strong>ten Seite des Triftglets<strong>ch</strong>ers),<br />
wel<strong>ch</strong>e jahrelang die Bedeutung einer Klubhütte behauptete;<br />
von hier aus gelangten die Wanderer über das<br />
Steinhaushorn und den Furtwang na<strong>ch</strong> Guttannen.<br />
Als Studer si<strong>ch</strong> im August 1842 mit seinem Freund<br />
Bürki an die Besteigung der Jungfrau wagte — es<br />
war die vierte und zu jener Zeit no<strong>ch</strong> ein außerordentli<strong>ch</strong>es<br />
Unternehmen, dem nur sehr wenige Führer gewa<strong>ch</strong>sen<br />
waren — nahm er „aus dem Gadmerthal den<br />
oft bewährten Johann v. Weißensiuh mit, wel<strong>ch</strong>er uns<br />
beide s<strong>ch</strong>on als Führer in die Ho<strong>ch</strong>regionen jener Gegend<br />
begleitet hatte und jetzt ni<strong>ch</strong>t minder große Lust bezeugte,<br />
au<strong>ch</strong> eine der hö<strong>ch</strong>sten Spitzen des Alpengebirges mit<br />
uns zu erklimmen". Die Tour gelang aufs beste und<br />
ma<strong>ch</strong>te au<strong>ch</strong> auf Weißenfluh einen unauslös<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Eindruck.<br />
Bald na<strong>ch</strong> Studer tau<strong>ch</strong>te der originelle Basler Bu<strong>ch</strong>binder<br />
Rud. S<strong>ch</strong>aub im Triftgebiet auf und wurde<br />
jahrelang einer der „Stammgäste", sowohl im Weißenfluhs<strong>ch</strong>en<br />
Haus zu Mühleftalden als au<strong>ch</strong> in den Sommerresidenzen<br />
Ahorni und Graggi. Zusammen mit Weißenfluh,<br />
oder do<strong>ch</strong> beraten von diesem, führte er mehrere Erstbesteigungen<br />
aus, und au<strong>ch</strong> er s<strong>ch</strong>ätzte an seinem Begleiter<br />
die e<strong>ch</strong>te, vom Gelderwerb unabhängige Begeisterung für<br />
die Großartigkeit des Ho<strong>ch</strong>gebirgs. „Unterhalb der Alphütte<br />
im Graggi, auf dem Felswall, wo längs seiner<br />
südli<strong>ch</strong>en Seite hin der Glets<strong>ch</strong>er die so imposante Biegung<br />
ma<strong>ch</strong>t: dort geht kaum ein Alpinist vorüber, ohne stille<br />
zu stehen, um das große Meisterwerk der erhabenen Natur<br />
anzustaunen und zu bewundern. So erging es, trotz der zunehmenden<br />
Dämmerung, au<strong>ch</strong> mir. Niemalen, glei<strong>ch</strong> Vater<br />
*) Topogr. Mitteilungen, 79 ff.
Weißenfluh' ging i<strong>ch</strong> da vorüber, ohne auf dem Felswall<br />
einige Zeit abzusitzen und von der nahe dabei<br />
losten'") Quelle den Göttertrank zu<br />
^.«"akteristik des Mannes gibt Ab-<br />
„ » m Roth in seinen „Glets<strong>ch</strong>ersahrten". Da heißt es<br />
°"d"em: „Unser Herr Weißenfluh ist no<strong>ch</strong> stolz auf<br />
s men Stamm und führt dessen Wurzeln in das alte<br />
Fr-esland hinauf. Er zählt (I8S8) bereits SS ^«hre<br />
Bera"^nd^ Bes<strong>ch</strong>werde no<strong>ch</strong> die anstrengendsten<br />
und Glets<strong>ch</strong>erwanderungen trotz einem Iunaen<br />
We<strong>ch</strong>enfluh ist außerdem Privatgelehrter und ein biß<strong>ch</strong>en<br />
Phllosoph; unter seinem bes<strong>ch</strong>eidenen Da<strong>ch</strong> beherberat e?<br />
W 7 n n V ß ^ ^utar<strong>ch</strong> i? B ? S m ^<br />
T^enn -U5e<strong>ch</strong>enfluh m Stimmung gerät, dann überffieken<br />
seine Lippen von weisen Sprü<strong>ch</strong>en und klassis<strong>ch</strong>en Sentenzen,<br />
dur<strong>ch</strong>würzt mit den Resultaten selbsteigener Naturphüosophle.<br />
Findet er vollends, daß sein „Plutarckum"<br />
diese letzteren bestätigt, dann s<strong>ch</strong>wört er draus wie auf<br />
Jedenfalls aber ist Weißenfluh ein<br />
Hu^r^eZt'"» ni°""^ ^-°s°ph- denn der gute<br />
Also wieder der famose Plutar<strong>ch</strong>, ein vornehmstes<br />
° < - «<br />
^^"^^°?^"ungzum "Aufzei<strong>ch</strong>nen" merkwürdiger<br />
^ kein Wunder, daß der lebhafte Geist des<br />
abenteuerlustigen Sohnes si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t damit begnügte Geme.ndere<strong>ch</strong>nungen,<br />
Protokolle und derglei<strong>ch</strong>en abzufassen<br />
Gottlieb Studer ist wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> der erste gewesen dem<br />
als °°" Mühlestalden" si<strong>ch</strong><br />
als Reises<strong>ch</strong>riststeller zu erkennen gab. Am Tage na<strong>ch</strong> der<br />
zahnten Jungstaubesteigung von 1842 hielten die Sieaer<br />
fäbrt-n'^ ^ Märjelenalp, und während seine Gefahrten<br />
dem Eggishorn einen Besu<strong>ch</strong> abstatteten, verfaßte<br />
*) R. S<strong>ch</strong>aub, Bergreisen III (Manuskript).
10<br />
Weißenfluhs Zei<strong>ch</strong>nungen<br />
Weißenfluh sein erstes uns bekanntes Werk, nämli<strong>ch</strong> die<br />
„Reise auf die Jungfrau". Der ni<strong>ch</strong>t ganz kurze Aufsatz<br />
ist mit Munterkeit und Laune ges<strong>ch</strong>rieben, und Wer da<br />
aus Erfahrung weiß, Wie ungern selbst musenvertrautere<br />
Leute unmittelbar na<strong>ch</strong> einer langen und anstrengenden<br />
Tour zum S<strong>ch</strong>reibgeräte greifen, der Wird in dem literaris<strong>ch</strong>en<br />
Versu<strong>ch</strong> des Führers und Trägers, „aufgesetzt<br />
auf der Merjelen am 15ten Äugst und ausgefertigt<br />
auf Mühlistalden am 26ten Äugst 1842", eine a<strong>ch</strong>tungswerte<br />
Leistung erkennen. Weißenfluh bereitete seinen<br />
zurückkehrenden Gefährten eine frohe Stunde mit der<br />
Vorlesung, und Gottlieb Studer fand den Aufsatz interessant<br />
genug, um ihn (etwas gekürzt) seiner eigenen<br />
prä<strong>ch</strong>tigen S<strong>ch</strong>ilderung einzuverleiben. (Topogr. Mitteilungen<br />
141—144.) Dieser Erfolg — viellei<strong>ch</strong>t kam no<strong>ch</strong><br />
eine freundli<strong>ch</strong>e Ermunterung Studers hinzu — blieb<br />
ni<strong>ch</strong>t ohne Folgen; Weißenfluh, so Wie er fortfuhr zu<br />
Wandern, fuhr au<strong>ch</strong> fort „aufzusetzen und auszufertigen",.<br />
und i<strong>ch</strong> habe ihn im Verda<strong>ch</strong>t, er mö<strong>ch</strong>te die meisten<br />
seiner größeren Reisen bes<strong>ch</strong>rieben haben. Aber no<strong>ch</strong> mehr:<br />
er illustrierte seine Aufsätze mit zahlrei<strong>ch</strong>en Bildern,<br />
d. h. Wo irgend eine große Ers<strong>ch</strong>einung den Geist ganz<br />
besonders fesselte, konnte er „ni<strong>ch</strong>t ubergehen (unterlassen),<br />
eine kleine Zei<strong>ch</strong>nung vorzunehmen". Der Fall ist selten,<br />
viellei<strong>ch</strong>t einzig in seiner Art, und man wird gestehen<br />
müssen, daß in dem einfa<strong>ch</strong>en Strahler von Mühleftalden<br />
das keu sacr6 stärker brannte, als in vielen „Alpinisten"<br />
unseres großen, kodakbeflissenen Zeitalters. Für das<br />
Panoramenzei<strong>ch</strong>nen allerdings War ni<strong>ch</strong>t der „Plutar<strong>ch</strong>um",<br />
sondern zweifellos das Beispiel Gottlieb Studers ents<strong>ch</strong>eidend,<br />
und gerne stellt man si<strong>ch</strong> vor, Wie der Meister<br />
seinem hart mit der Kunst ringenden Begleiter über die<br />
S<strong>ch</strong>ulter sah, Wohl au<strong>ch</strong> ihn anwies und korrigierte. —<br />
Bei der Auswahl zur Reproduktion etli<strong>ch</strong>er Weißenfluhs<strong>ch</strong>er<br />
Ansi<strong>ch</strong>ten mußte hier freili<strong>ch</strong> mehr auf die<br />
S<strong>ch</strong>ärfe als auf die Genauigkeit der Linienführung<br />
Rücksi<strong>ch</strong>t genommen werden; — möge denno<strong>ch</strong> das „Mat-
Alpenreisen 11<br />
terhoren" mit dem „wilden Girens<strong>ch</strong>nabel na<strong>ch</strong> Morgen"<br />
wie im Text so au<strong>ch</strong> im Bilde Vergnügen bereiten!<br />
Man<strong>ch</strong>es von Weißenfluhs <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong> muß als<br />
verloren gelten, was besonders in bezug auf die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
des Triftgebiets sehr zu bedauern ist. Was aber den<br />
Mann selbst betrifft, seinen Geist und seine Art, läßt<br />
unser Manuskript klar erkennen. Es enthält die S<strong>ch</strong>ilderung<br />
folgender drei vers<strong>ch</strong>iedener Alpenreisen:<br />
1. Gemmi, Visp-Zermatt, lveisstor^Macugnaga,<br />
Monte Moro, Simplon, Lukmanier,<br />
Panixerpaß, Pragel, Vierwaldstättersee-Brünig.<br />
Unternommen mit Fr. Vürki,<br />
1850.<br />
2. Die Erstbesteigung des ^Kierbergs, mit<br />
Pfr. C. L. Gerster, 1850.<br />
3. Dur<strong>ch</strong> die Alpen na<strong>ch</strong> Turin. Erstbesteigung<br />
des Oombin äe kordassiere u.a.m. Mit Gottlieb<br />
Studer, 1851.<br />
Der Herausgeber wagt zu hoffen, daß man<strong>ch</strong>e Bergfreunde,<br />
denen die Alpen vielerorts dur<strong>ch</strong> all den modernen<br />
Graus von Jahr zu Jahr mehr verleidet werden,<br />
si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Weißenfluh's treuherzigen Beri<strong>ch</strong>t aus „alten<br />
Zeiten" gerne wieder daran erinnern lassen, was die<br />
S<strong>ch</strong>weiz einst gewesen und wie die geheimnisvolle, hehre<br />
Gebirgswelt auf einfa<strong>ch</strong>e, ni<strong>ch</strong>t blasierte Gemüter gewirkt.<br />
— Das bes<strong>ch</strong>eidene Werklein wüns<strong>ch</strong>t besonders au<strong>ch</strong><br />
deswegen freundli<strong>ch</strong> aufgenommen zu werden, weil es<br />
dem Enkel des Ehroniks<strong>ch</strong>reibers und Sohn des Reises<strong>ch</strong>ilderers,<br />
Andreas v. Weißenfluh auf Mühleftalden, eine<br />
Freude bereiten mö<strong>ch</strong>te. Der Mann, vormals selbst ein<br />
ausgezei<strong>ch</strong>neter Bergführer, zählt jetzt 75 Jahre, und sein<br />
Ges<strong>ch</strong>ick hat si<strong>ch</strong> so gestaltet, daß selbst der vielvermögende<br />
Plutar<strong>ch</strong> als Tröster ni<strong>ch</strong>t mehr völlig ausrei<strong>ch</strong>en will.<br />
Und darum tritt die „Philosophie" der Väter so spät<br />
no<strong>ch</strong> hervor ans Li<strong>ch</strong>t.
12 S<strong>ch</strong>lußbemerkung des Herausgebers<br />
Zum S<strong>ch</strong>luß sei no<strong>ch</strong> bemerkt, daß an den Weißenfluhs<strong>ch</strong>en<br />
Manuskripten keinerlei S<strong>ch</strong>ulmeisterkünste verübt<br />
worden sind. <strong>Chronik</strong> und Reisebes<strong>ch</strong>reibung ers<strong>ch</strong>einen in<br />
Satzbau und mundartli<strong>ch</strong>er Färbung, wie sie ursprüngli<strong>ch</strong><br />
lauten; nur die Interpunktion und, seltener, au<strong>ch</strong> die<br />
Orthographie haben im Interesse der Lesbarkeit eine Änderung<br />
erfahren.<br />
Basel, im September 1909.<br />
knäreas Ziselier.
<strong>Chronik</strong> <strong>1792</strong>-<strong>1821</strong><br />
von<br />
Johann v. Weißenfluh dem Altern
ieweil i<strong>ch</strong> eine Luft und Freude daran habe, die<br />
Historien zu dur<strong>ch</strong>gehen, wel<strong>ch</strong>e uns unsere Voreltren<br />
ruhmwyrdigst hinderlassen haben, so habe i<strong>ch</strong> mier<br />
vorgenomen, etli<strong>ch</strong>y Kleinikeiten aufzuzei<strong>ch</strong>nen und der<br />
Na<strong>ch</strong>welt zu ubergeben. Zwar ni<strong>ch</strong>t aus der Ursa<strong>ch</strong>e,<br />
etwan meinen Verstand zu zeigen oder mi<strong>ch</strong> mit meinem<br />
S<strong>ch</strong>ryben groß zu ma<strong>ch</strong>en oder jemand zu verlemden,<br />
sonderbar aber aus bloßer Einseitigkeit und für die Langeweyli;<br />
dieses bewegte mi<strong>ch</strong> hierzu<br />
<strong>1792</strong><br />
Dysers Jar ist sonderli<strong>ch</strong><br />
merkwyrdig, sowol in unsrer Gegend wegen seyner ru<strong>ch</strong>en<br />
Witrung, als au<strong>ch</strong> in andren Gegenden wegen dem Krieg,<br />
wel<strong>ch</strong>er in diesem Jar heftig anfieng in Flamen auszubre<strong>ch</strong>en<br />
und gantz Erupa in For<strong>ch</strong>t und S<strong>ch</strong>recken bra<strong>ch</strong>te.<br />
Diesers hat si<strong>ch</strong> also zugetragen: Ludwig der 16te, Koenig<br />
von Frankri<strong>ch</strong>, wäre ein seer träger einfälttiger Man;<br />
seyne Minister und Unteramtleuthe hatten ihn seer hindergangen<br />
und bestollen; zudem no<strong>ch</strong> wäre die Frau Koenigin<br />
des remis<strong>ch</strong>en Keisers S<strong>ch</strong>wester, wel<strong>ch</strong>em sey gleubli<strong>ch</strong><br />
große Geltsummen fürges<strong>ch</strong>ossen, um den Tirkenkrieg zu<br />
fieren. Zudem hat s<strong>ch</strong>on sein Vatter im siebenjährigen Krieg<br />
große Geldsummen vers<strong>ch</strong>wendet. Hiermit war er ein<br />
Koenig one Geld und alles Volk in Frankri<strong>ch</strong> wäre sehr<br />
mißvergniegt über den uns<strong>ch</strong>uldigen Koenig, daß er si<strong>ch</strong><br />
ents<strong>ch</strong>ließen mußte, Frankri<strong>ch</strong> zu verlassen und sein Leben<br />
mit der Flu<strong>ch</strong>t zu retten. Der gute, uns<strong>ch</strong>uldige Kinig<br />
aber ist unglickli<strong>ch</strong>er Weise ergriffen worden, und na<strong>ch</strong><br />
Paris zurückgebra<strong>ch</strong>t, allwo sie ihn im Temppell gefangen<br />
hielten. Die S<strong>ch</strong>witzergarde wurde Hieruber dermaßen<br />
aufgebra<strong>ch</strong>t, daß sie si<strong>ch</strong> ents<strong>ch</strong>lossen, ihren Kinig zu retten.<br />
Aber sie waren zu s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> ; denn sie wurden na<strong>ch</strong> emem<br />
hitzigen Gefe<strong>ch</strong>t fast alle umgebra<strong>ch</strong>t. Nun ging es über<br />
den unglückli<strong>ch</strong>en Kinig; der wurde vor Geri<strong>ch</strong>t gefordret,
16<br />
Revolution und Krieg<br />
dermaßen verklagt, daß ihm das Todesurteil gespro<strong>ch</strong>en<br />
worden, wel<strong>ch</strong>es bald herna<strong>ch</strong> an ihm vollzogen und der<br />
unglickli<strong>ch</strong>e Kinig enthauptet worden. — Der remis<strong>ch</strong>e<br />
Keiser, der Kinig in Preußen und der Kinig in Engelland<br />
sähe dieses ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>giltig an, sondern deklerierten si<strong>ch</strong><br />
findli<strong>ch</strong> gegen Frankri<strong>ch</strong>, aber sehr unvorsi<strong>ch</strong>tig; denn die<br />
Franken kamen ihnen zuvor, versamleten ihre Heere sehr<br />
s<strong>ch</strong>nell und überzogen ihnen wie Rupen das Land. Diesers<br />
Feur hat s<strong>ch</strong>nell um si<strong>ch</strong> gefressen, und gantz Erupa war ein<br />
S<strong>ch</strong>uplatz des Kriegs. Unser wertes Vatterland wurde au<strong>ch</strong><br />
bald mitgenommen, denn s<strong>ch</strong>on im Frieling mußten die<br />
Kanonier Compagnien na<strong>ch</strong> Basel, weillen die Franken<br />
da einzubre<strong>ch</strong>en droheten. Allein es wurden keine Findseligkeiten<br />
ausgeuebt. — Im Herbstmonat desselben Jars<br />
kam s<strong>ch</strong>nell eine Bots<strong>ch</strong>aft von Bern, es sollen beyde<br />
Granediercompagniefligel s<strong>ch</strong>nell na<strong>ch</strong> Genf oder Neuß<br />
(Nyon) kommen, denn es stehe da um Genf eine ansehnli<strong>ch</strong>e<br />
französis<strong>ch</strong>e Armee, die werden bei dem Genfersee<br />
einbre<strong>ch</strong>en, wenn die Grentzen ni<strong>ch</strong>t besetzt werden. Unsere<br />
Granedier verließen das Vatterland in seinen Neten ni<strong>ch</strong>t,<br />
sondern ilten mit ents<strong>ch</strong>lossenem Mut gegen die Grentzen.<br />
Allein die Franzosen drangen in das Herzogtum Savoi<br />
ein und ließen unser Vatterland für diesmal bei seiner<br />
alten Ruhe verblyben. Also kamen unsere Landsleuth<br />
glickli<strong>ch</strong> und gesund wieder na<strong>ch</strong> Hasli, zu Anfang des<br />
Jars 1793.<br />
Der Herbst des <strong>1792</strong> Jars wäre sehr angenem, der<br />
Winter anfangs lie<strong>ch</strong>t und ni<strong>ch</strong>t sonderbar kalt; um<br />
den kirziften Tag fienge es an, etwas kelter zu werden<br />
und zu s<strong>ch</strong>neien, und als das neue Jar 1793 hereingetreten,<br />
läge wirkli<strong>ch</strong> ein großer S<strong>ch</strong>nee. Dieser wurde so<br />
hart, daß man mit Fi<strong>ch</strong> darüber fahren konnte bis auf<br />
den hö<strong>ch</strong>sten Berg; do<strong>ch</strong> wäre der Himel heiter und das<br />
Wätter angenem bis im Hornig; da fienge es an zu<br />
s<strong>ch</strong>neien gar sitli<strong>ch</strong>; aber bald veränderte si<strong>ch</strong> das angeneme<br />
Wetter, denn ein starker, ungestiemer Wind begleitete<br />
den so stark vom Himel fallenden S<strong>ch</strong>nee, daß no<strong>ch</strong><br />
heutte mein Herz zitret, wenn i<strong>ch</strong> daran gedenke. Dieses<br />
werete 8 Tag und Na<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> einandren unaufhörli<strong>ch</strong><br />
fort. Jetz stand man in banger Erwarttung der S<strong>ch</strong>neelowynenfälle;<br />
denn der S<strong>ch</strong>nee wäre wyrkli<strong>ch</strong> 6 bis 7
Lawinen 17<br />
S<strong>ch</strong>uh tief und s<strong>ch</strong>neite es ohne Underlas denno<strong>ch</strong> immer<br />
fort. Den 10. Hornung herete man bytere Klagen über<br />
die Lowynen; denn Innert der Kir<strong>ch</strong>en erzeigte si<strong>ch</strong> die<br />
Lowynen mit sol<strong>ch</strong>er Ungestieme, daß etli<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>enfenster<br />
davon zers<strong>ch</strong>metret, und eine Parti S<strong>ch</strong>indelmes, wel<strong>ch</strong>e<br />
innert des Hans Hubers Haus aufgetis<strong>ch</strong>et lagen, rourden<br />
wie S<strong>ch</strong>neefliegen in dem Derflin herumgetryben. Den<br />
12. hat die Lowynen dem Hans Stocker großen S<strong>ch</strong>aden<br />
getan; denn ob seinen Gietren auf der Füren hatte geda<strong>ch</strong>ter<br />
Stocker einen großen, f<strong>ch</strong>enen Bu<strong>ch</strong>wald; den hat<br />
die Lowynen nidergeworfen und dem Stocker herab auf<br />
seine Bieter getragen; zudem hat sie ihm no<strong>ch</strong> eine S<strong>ch</strong>yr<br />
gebro<strong>ch</strong>en und alles verwiestet.<br />
Den 13. kam der fatale Zeitpunkt, daß die S<strong>ch</strong>neelowynen<br />
mir mein kleines Vermegen fast mitgenomen, die<br />
S<strong>ch</strong>ier gebro<strong>ch</strong>en und die Fürs<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t mit Steinen überal<br />
uberfiert. Der Ho<strong>ch</strong>grund ist über das Wasser bey einem<br />
kleinen Blattens<strong>ch</strong>uß *) bis zur Düben Kropfs<strong>ch</strong>euer gegangen<br />
; man kan lie<strong>ch</strong>t gedenken, wie tief der Lowys<strong>ch</strong>nee<br />
muß gewäsen sein; denn die lesten Tage im Brä<strong>ch</strong>et konnte<br />
man no<strong>ch</strong> über den S<strong>ch</strong>nee wie über eine Brick über<br />
das Wasser gehen.<br />
Die Kreiskumb Lowynen ließe au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts underwegen,<br />
ihre Ma<strong>ch</strong>t zu erzeigen, sie kam eine Viertelstunde später<br />
als die hier in der Fürs<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t. Es war Morgen um<br />
7 21hr. I<strong>ch</strong> glaube, dieselbe sey in diesem Jahrhundert<br />
niemalen so groß komen; denn dieselbe hat gar große<br />
Waldungen, worunter viele steinalte Tannen und Bu<strong>ch</strong>en<br />
waren, umgeworfen. Sie hat auf des Melker Denis<br />
(Thönis) Kreiskumb viele starke Ahoren umgeworfen, sie<br />
hat eine S<strong>ch</strong>euer in der Bergwerk Ey Sonnseiten au<strong>ch</strong><br />
niedergeworfen; an allem diesem konte sie ihre Wut no<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t stillen, sondern der Staub ist mit Krisesten bis hinauf<br />
an die Ortfluh gefaren. Was die Blattenlowynen<br />
und Grundlowy und Nessenlowy anbelangt, die sind dyses<br />
Jahr gar ni<strong>ch</strong>t komen. Man gäbe es dem starken Wind<br />
die S<strong>ch</strong>uld, wel<strong>ch</strong>er den S<strong>ch</strong>nee an diesen Orten ni<strong>ch</strong>t<br />
ligen lassen, sondern denselben allezeit inhin getryben ;<br />
zum Exempel ußerst der Worbes Egg, wo die Nessenlowy<br />
*) Kleine Steinwurfsweite,<br />
v. Weißenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>.
18 Harter Winter<br />
entspringt, hat es keinen lygen lassen, sondern über die<br />
Egg getrieben und daselbften fallen lassen; dieses wäre<br />
glaubli<strong>ch</strong> die Ursa<strong>ch</strong>e, daß die Kreiskumb- und Fuhrs<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tlowy<br />
dermaßen groß komen sind. Es ist s<strong>ch</strong>on <strong>1792</strong> zu<br />
oder ob Färriftetten au<strong>ch</strong> eine große S<strong>ch</strong>neelowenen komen;<br />
dieselbe hat etli<strong>ch</strong>e hundert Zimmerbeim Bäume) nebst<br />
andrem großen und kleinen Holtz mit Wurtzlen und Esten<br />
herab auf die Vorsaßgieter getragen. Aber disers Jar<br />
ist dieselbe no<strong>ch</strong> viel greßer komen, denn sie hat von Ferristetten<br />
bis zur Brick im Genttel alles vermiestet — man<br />
sagte mir, diese Lowynen sei jetz siebenzig Jar gar ni<strong>ch</strong>t<br />
komen. — I<strong>ch</strong> kente von dem vielen S<strong>ch</strong>nee und denen<br />
Lowinen no<strong>ch</strong> mehr s<strong>ch</strong>ryben; denn selbige haben an andren<br />
Orten au<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>aden getan; aber i<strong>ch</strong> werde es der<br />
Lowmen halb hierbi bewenden lassen.<br />
Vom 1^92.<br />
I<strong>ch</strong> habe droben erwent von dem vielen S<strong>ch</strong>nee, der<br />
^636 und von dem unaufhörli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>neien und<br />
endli<strong>ch</strong> darus erfolgten ungeheuren Lowynen. So folgte<br />
nun wie natirli<strong>ch</strong> ein ser speter und ru<strong>ch</strong>er Frielyng, daß<br />
man das arme Feh großen Hunger mußte leiden lassendenn<br />
es wäre s<strong>ch</strong>on im vorigen Jahr gar wenig gewa<strong>ch</strong>sen<br />
und konnte man kein Fuhter bekamen, weder teur no<strong>ch</strong><br />
wolfeil. Es war fryli<strong>ch</strong> zu eingendem Meien das meiste<br />
aaber >) und der S<strong>ch</strong>nee ges<strong>ch</strong>moltzen. Es konnte aber<br />
wägen der großen Kelte das Laub und Gras ni<strong>ch</strong>t wa<strong>ch</strong>sen,<br />
daß der S<strong>ch</strong>afhirt erst na<strong>ch</strong> dem Meienmert anfieng zu<br />
hieten hier im Nessentalberg. Den 25. Mey fienge es wyder<br />
an zu s<strong>ch</strong>neien, nun s<strong>ch</strong>neite es wyderum alle Tage, dem<br />
Boden na<strong>ch</strong> 2) ni<strong>ch</strong>t gar viel, aber viel in den<br />
B^gen. Denn i<strong>ch</strong> hatte eben das Unglick, eine Party<br />
S<strong>ch</strong>af zu «untren; dieselben mußte i<strong>ch</strong> dem S<strong>ch</strong>afhirten<br />
neben andren helfen su<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e in dem Berg hin und<br />
her zerstreut waren; dieses wäre gewis ein Stuck harter<br />
Arbeit, denn es wäre der Lowynen halb große Gefar.<br />
Es wäre der 30. Meyen und läge der S<strong>ch</strong>nee dermaßen<br />
reif, daß man in dem S<strong>ch</strong>afweg kum dur<strong>ch</strong>waten mo<strong>ch</strong>te;<br />
') S<strong>ch</strong>neefrei, y Unten im Tal.
Futternot 19<br />
do<strong>ch</strong> gelang es uns, daß wir diese gefarvolle Arbeit mit<br />
Glick verri<strong>ch</strong>teten, ob uns gli<strong>ch</strong> die Lowynen den Tod<br />
droheten. — Jetz herete man bitere Klagen fast bey jedermann;<br />
das Fuhter wäre alles verzert, der Erdboden<br />
mit mehr als S<strong>ch</strong>uh hohem S<strong>ch</strong>nee bedeckt, der Wald<br />
voller S<strong>ch</strong>nee und Eis, das arme Fi<strong>ch</strong> hungrig. Jetz<br />
war ni<strong>ch</strong>ts besseres als Gedult und Uners<strong>ch</strong>rockenst über<br />
diese Sa<strong>ch</strong>en; denn die Klagenden wurden no<strong>ch</strong> mer<br />
dur<strong>ch</strong> ihre Klagen gemartret als dur<strong>ch</strong> den S<strong>ch</strong>nee selbst;<br />
denn der S<strong>ch</strong>nee fieng jetzt s<strong>ch</strong>on wieder an zu s<strong>ch</strong>meltzen.<br />
Aber dieser S<strong>ch</strong>nee hat no<strong>ch</strong> bey witem ni<strong>ch</strong>t so viel ges<strong>ch</strong>adet<br />
als die Kelte, die darus erfolget; denn den lesten<br />
Tag im Meien fieng der Himel an heiter zu werden,<br />
die darauffolgende Na<strong>ch</strong>t dermaßen heiter und kalt, daß<br />
an der S<strong>ch</strong>aftelen das in der Straß zusammengeronnene<br />
S<strong>ch</strong>neewasser dermaßen gefroren, daß man wägen dem<br />
Eis mit Rindfi<strong>ch</strong> unmögli<strong>ch</strong> den 1. Brä<strong>ch</strong>et hette faren<br />
kennen. I<strong>ch</strong> glaube, diese kalte Na<strong>ch</strong>t sey an der großen<br />
Teurung, die hierauf erfolgt, eine große Ursa<strong>ch</strong>e gewesen;<br />
denn der Reis hat den Reben nebst allerhand Pflanzungen<br />
ser ges<strong>ch</strong>adet. Der Brä<strong>ch</strong>et fieng si<strong>ch</strong> an etwas milter zu<br />
erzeigen; die liebli<strong>ch</strong>e Sonne fienge an zu s<strong>ch</strong>einen. Jetz<br />
glaubte man, alle S<strong>ch</strong>wirikeitten weren vers<strong>ch</strong>wunden, denn<br />
das Gras wu<strong>ch</strong>s jetz, daß man das fast verhungerte Fi<strong>ch</strong><br />
kontte weiden lassen. Der Himmel war jetzt meiftendeils<br />
heiter und das Wetter angenem; der S<strong>ch</strong>nee auf denen<br />
Bergen fienge an zu s<strong>ch</strong>meltzen, daß eine Freude war;<br />
aber a<strong>ch</strong>, w:r armen Mens<strong>ch</strong>en, anstat daß wir den Se<strong>ch</strong>sten<br />
hatten loben sollen, daß er uns das Gras wa<strong>ch</strong>sen lassen,<br />
fiengen d:e meisten Mens<strong>ch</strong>en an zu klagen wegen der<br />
Hitze und der Dürrung; denn es fieng an trocken zu<br />
werden, und ni<strong>ch</strong>t fast mer zu tauen und wenig zu regnen.<br />
Der Sommer 1595.<br />
I<strong>ch</strong> habe droben erwent, daß es anfieng trocken zu<br />
werden; nun wurde es je lenger je trockener; denn es<br />
hat von Mitte Brä<strong>ch</strong>et bis zu Ende desselben ni<strong>ch</strong>t<br />
mer geregnet. Hätte es ni<strong>ch</strong>t dermaßen getrecknet, so<br />
hätti man dieses Jahr no<strong>ch</strong> später als anno 1770 auf<br />
die Alpen faren kennen; denn desselben Jars sind die
20 Krieg und Teurung<br />
) erst den 16. Heumonat auf die Alp gefarensÄ!«<br />
^ ^ dieselben dieses (Jahr) den 8. ge-<br />
^"dieser Zeit regnete es gar ni<strong>ch</strong>t; der ganze Heumonat<br />
wäre ohne Regen; das Fuhter und die Pflantzen<br />
sahen ser ubel drem wegen der großen Hitze. Jetz stand man<br />
As? ^^artung, denn jederman glaubte, es kente auf<br />
dlse uberaus große Dürrung ein zimli<strong>ch</strong>er Regen und<br />
Ungeuntter komen; do<strong>ch</strong> regnete es gar sitlick der ersten<br />
Tagen :m Augften. Aber das Fuhter wäre seer ^)<br />
(wären) ni<strong>ch</strong>t in unsrem lieben Vatterlande Lebensmittel<br />
gewesen, so hatte man großen Hunger liden mießen- denn<br />
aus andren Landen konnte man bey hoher Straf keine<br />
Lebensmittel bekommen, denn der Krieg hatte si<strong>ch</strong> dermaßen<br />
ausgebreitet, daß die Kriegsflammen rings um<br />
?^S<strong>ch</strong>w<strong>ch</strong>erland zusammens<strong>ch</strong>lugen und man alle Auaenser<strong>ch</strong>tete,<br />
das wietende Feuer werde unser liebes<br />
^<strong>ch</strong>w<strong>ch</strong>erland au<strong>ch</strong> angreifen. Allein unsre ho<strong>ch</strong>wise Ober-<br />
^ war dermaßen fürsi<strong>ch</strong>tig, daß sey die ersten Funken<br />
dempferc und unser kebwertes Vatterland dur<strong>ch</strong><br />
<strong>ch</strong>re wyse Regierung und der Hilfe Gottes bim Friden<br />
^ ^ Ä konnten —, denn der verderbli<strong>ch</strong>e<br />
Kr^ hatte ;etz s<strong>ch</strong>on mer als zwei Jar lang qewert<br />
wel<strong>ch</strong>er an GrausanMt alle vergangene und forigen Krieae<br />
^ ^ Franzosen wolten entweder<br />
alle sterben, oder aber eme fteye Republik verbleiben; —<br />
^ andren Ma<strong>ch</strong>te aber sahen dieses, daß die franzesis<strong>ch</strong>e<br />
lhren Koenlg uns<strong>ch</strong>uldig hingeri<strong>ch</strong>tet hatte, als eine<br />
z:mll<strong>ch</strong>e Krenkung an und woltten denen Franzosen ni<strong>ch</strong>t<br />
gestatten eme freye Republik zu verbleyben. Dieses ma<strong>ch</strong>te,<br />
M sy hart aneinandren setzten und viele Länder und<br />
«tet m Grund verwiestet wurden.<br />
Der Sumer ^94.<br />
I<strong>ch</strong> habe droben erwenet, daß der Frielina dieses Jars<br />
anfangs bls nn Meien trocken wäre; allein der Sumer<br />
wäre seer fru<strong>ch</strong>tbar, denn es wäre fast alle Tage Regen<br />
Fuß^°?M?d°nst°ck°!'' nördli<strong>ch</strong> °°n Sadmen. am<br />
') Hier fehlen vier Seiten im Manuskript.
übers <strong>ch</strong>rv emmung en 21<br />
und Sonnens<strong>ch</strong>ein; das Futter und (die) Pflanzungen<br />
waren über die Maßen s<strong>ch</strong>en und seer s<strong>ch</strong>en gedert; do<strong>ch</strong><br />
im Heumonat fiele ein so starker Regen, wel<strong>ch</strong>er nnt Hagel<br />
vermis<strong>ch</strong>t war, daß die Bä<strong>ch</strong>e an etli<strong>ch</strong>en Orten, sonderbar<br />
im Gadmertal, großen S<strong>ch</strong>aden getan hatten, sonderbar<br />
dem Melker*) Fis<strong>ch</strong>er, dem Joseph Küster und vielen<br />
andren mehr. Dem Andres Byseth, der im Mühkthal<br />
Holtzmeister war, etli<strong>ch</strong>e hundert Klafter Holtz weggetragen,<br />
wel<strong>ch</strong>es teils im Landwasser, und dessen Ufren, teils aber<br />
im teifen Graben und andren Orten von dem vielen<br />
Wasser, wel<strong>ch</strong>es von den Bergen herab stremte, in das<br />
Landwasser getragen, den Rä<strong>ch</strong>en im Mühlithal gebro<strong>ch</strong>en<br />
und das Holtz das Land hinabgetragen. Hierauf bekäme<br />
das Wetter eine gantz andre Wendung, denn anstat Treckne<br />
fiel jetz gar viel Regen. Es stunde zwar das Emd gar<br />
s<strong>ch</strong>en und dermaßen viel, daß es ein großer Luft war,<br />
aber wegen Nässe des Herbstmonats konnte man selbiges<br />
gar s<strong>ch</strong>lä<strong>ch</strong>t einsamlen; do<strong>ch</strong> dessen ungea<strong>ch</strong>tet war das<br />
Fi<strong>ch</strong> gar teur und no<strong>ch</strong> von Tag zu Tag teurer. Der<br />
Preis einer braven Kuh war 8 bis 12 Dublonen, eine<br />
Geis 80 bis 100 Batzen, ein Pferd 20 bis 40 Dublonen.<br />
Der Herbst 1794.<br />
I<strong>ch</strong> habe droben erwenet, daß der Somer anfangs<br />
gar trocken, dahingegen war der Herbst gar naß und unlustig<br />
und konnte man gar kümmerli<strong>ch</strong> Strewy und die<br />
späten Pflanzungen samlen. Alle eßbaren Sa<strong>ch</strong>en waren<br />
theur und ser rar, und fast alle Sonttag drei oder vier<br />
Mandat wegen der Ausfuhr aus miner gnädigen Herren<br />
Landen; denn es wurde außer dem Käs und Wein alles<br />
ohne Unters<strong>ch</strong>eid verbotten, allerhand Isen, alle Erdfri<strong>ch</strong>t<br />
alles Fi<strong>ch</strong>, allerhand Samen, in Summa alles, was man<br />
erdenken kontte wurde (alles) verbotten, ausgenomen Käs<br />
und Wein.<br />
Der Mmtter 179Z. (^94^^95 )<br />
Was dysen Wintter anbelangt, werde i<strong>ch</strong> kirtzli<strong>ch</strong> anzeigen,<br />
daß derselbige über die Maaßen kalt und ru<strong>ch</strong><br />
*) Mel<strong>ch</strong>ior.
22 Teurung. Untergang von Weggis<br />
gewesen. Etli<strong>ch</strong>e haben denselben sogar für den keltisten<br />
dieses Jahrhunderts gehalten; do<strong>ch</strong> hat es ni<strong>ch</strong>t gar viel<br />
ges<strong>ch</strong>neit. In Ansehen des Fuhters ist das Gegenteil erfolgt;<br />
denn im Herbst glaubte man, es werde von Viele<br />
wegen wenig oder gar ni<strong>ch</strong>ts gelten. Aber im Frieling<br />
wurde das Fuhter no<strong>ch</strong> rar und gallte 8 bis 12 Kronen (?).<br />
Die Lebensmittel! waren allezeitt teur und rar. Der landsverderbli<strong>ch</strong>e<br />
Krieg werete unterdessen unaufherli<strong>ch</strong> fort.<br />
Der Drieling 1^95.<br />
Obwoll dieser Wintter ser kalt und ru<strong>ch</strong> gewesen, so<br />
folgete do<strong>ch</strong> wyder Vermuthen ein guter Frieling, daß<br />
man hier im Nessental zu Ende des Aprils Gras hatte.<br />
— Do<strong>ch</strong> fienge es an zu trecknen. Es fiele wenig Regen<br />
und Thau den Meyen dur<strong>ch</strong>, do<strong>ch</strong> fiele zu Ende desselben<br />
ein starker Reif, wel<strong>ch</strong>er den Reben an etli<strong>ch</strong>en Orten sehr<br />
ges<strong>ch</strong>adet; denn derselbige Win wäre s<strong>ch</strong>on das vorige<br />
Jahr teur, diesers Jahr wäre derselbige dermaßen teur,<br />
daß ein Saum Landwein 16 L gälte, derglei<strong>ch</strong>en man<br />
vor diesem ni<strong>ch</strong>t erhert. Der Alpkäs wäre au<strong>ch</strong> teur,<br />
hundert Pfund galten 16 L. Jedo<strong>ch</strong> wäre die Theurung<br />
no<strong>ch</strong> am greßten im Eisen; die S<strong>ch</strong>uhnegel hatten jetz in<br />
zwey Jaren mer denn um den halben Theil aufges<strong>ch</strong>lagen,<br />
in summa: es wäre alles theur. — Das Futter stand<br />
ni<strong>ch</strong>t zum s<strong>ch</strong>eusten, weilen der Mey und Brä<strong>ch</strong>et sehr<br />
getrecknet, der Heumonat dermaßen naß, daß man das<br />
Futter gar s<strong>ch</strong>lä<strong>ch</strong>t einsamlen kennen; den 27. Heumonat<br />
hat es dermaßen geregnet, daß man eine Übers<strong>ch</strong>wemmung<br />
fer<strong>ch</strong>ten mußte; denn das Erdri<strong>ch</strong> fienge an etli<strong>ch</strong>en Orten<br />
an zu bre<strong>ch</strong>en, do<strong>ch</strong> hat das S<strong>ch</strong>nien demselben Einhalt<br />
getan.<br />
Au<strong>ch</strong> ist sehr merkwirdig der s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>e und grawenvolle<br />
Unttergang des Dorfs Weggis am Lutzernersee.<br />
Diesers Dorf wurde samt dem nebst daby liegenden Ertri<strong>ch</strong><br />
von dem überflißigen Regen dermaßen wei<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t,<br />
daß es das Ertri<strong>ch</strong> anfieng zu bre<strong>ch</strong>en und si<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> *) anfieng<br />
zu sinken, also daß selbiges na<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>en Tagen von<br />
dem See auf die grusamste Weyse und s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>ste Art<br />
vers<strong>ch</strong>lungen.<br />
*) Oder: sitli<strong>ch</strong>, allmähli<strong>ch</strong>?
23<br />
Der Augftmonat fienge an, si<strong>ch</strong> etwas liebli<strong>ch</strong>er zu<br />
erzeigen, die liebli<strong>ch</strong>e Sonne fienge an zu s<strong>ch</strong>einen; man<br />
konnte das spete Futter gar guth einsamlen. Das Emd<br />
aber konnte ni<strong>ch</strong>t wol wa<strong>ch</strong>sen, denn es fienge an trocken<br />
zu werden na<strong>ch</strong> Mittem Äugst; den Herbstmonet dur<strong>ch</strong><br />
ist wenig Regen und Thau vom Himel gefallen; es<br />
wäre au<strong>ch</strong> dermaßen trocken und so heiß, daß fast alles<br />
stehende Gras dürr und verstorben wäre und man wunderselten<br />
eine griene Wiese sähe; do<strong>ch</strong> hat man no<strong>ch</strong> im Ansehen<br />
der Herbstweid einen gemeinen Herbst gehabt. Obs<strong>ch</strong>on<br />
alles dür und trocken, so wäre das Wetter ser angenem;<br />
was das Fi<strong>ch</strong> anbelangt, hat man diesen Herbst<br />
ni<strong>ch</strong>t fast darum gehandlet; eine gemeine Meis<strong>ch</strong>en *) galt<br />
20 Kronen, eine Kuh 30; aber das Fuhter wäre theur und<br />
rar; es war fast unmigli<strong>ch</strong> zu bekommen. — Diesen Herbst<br />
hatte ein Knab das Unglick, in der Gadmerfluh zwis<strong>ch</strong>en<br />
der Horlowy Kälen und dem Alpligerftock unterhalb dem<br />
s<strong>ch</strong>warzen Mann herabzufallen, als er daselbst Gitzene<br />
(Zicklein) wegtun wellen. — Es ist diesen Sommer au<strong>ch</strong><br />
ein s<strong>ch</strong>ener junger Gesell in Urba<strong>ch</strong> zum Bergheuen zu<br />
Tod gefallen. — I<strong>ch</strong> Hab droben erwent, daß das<br />
Fuhter theur und rar, zudem hat es jetz no<strong>ch</strong> frie ges<strong>ch</strong>neit;<br />
den 9. Wintermanet hat es den Boden mit S<strong>ch</strong>nee bedeckt<br />
und fienge an, kalt und fast ru<strong>ch</strong> zu werden, daß die<br />
meisten kaum Streuwe sammeln kennen. Jedo<strong>ch</strong> hat es<br />
wenig ges<strong>ch</strong>neit der Zäme na<strong>ch</strong>; aber an wilden Orten<br />
wäre der Winter zimli<strong>ch</strong> ru<strong>ch</strong> und streng; denn es hat<br />
der Zäme na<strong>ch</strong> gar viel geregnet, dargegen es an der<br />
Wilde ges<strong>ch</strong>neit.<br />
Oer Drieling 1^96.<br />
Der Frieling diesers Jahrs ist über die maßen ru<strong>ch</strong><br />
und streng gewesen, denn das Fuhter und die Lebensmittel<br />
waren s<strong>ch</strong>on im Herbst theuer und rar; jetzt aber<br />
wäre gar ni<strong>ch</strong>t migli<strong>ch</strong>, Fuhter zu bekommen, denn der<br />
Mangel war in Ansehen des Fuhters fast allgemein im<br />
Land und äußert Land. Der Centner Fuhter gälte 3<br />
Kronen und no<strong>ch</strong> mehr. Der Frieling war denn no<strong>ch</strong><br />
*) Junges Rind.
24<br />
Ein gutes Jahr<br />
ni<strong>ch</strong>t so streng und kalt als 1793; aber die Noth wäre<br />
viel greßer, denn es Ware der Mangel äußert Landes<br />
no<strong>ch</strong> greßer als hier in unserm Land; die Lebensmittel<br />
waren au<strong>ch</strong> theuer und fast rar; ein Mes Erdäpfel galten<br />
7 bis 8 Batzen, derglei<strong>ch</strong>en man no<strong>ch</strong> vor diesem ni<strong>ch</strong>t<br />
erhert hatte. Das Koren wäre au<strong>ch</strong> theuer; ein Muth<br />
kostete 48 Kronen; darzu wurde dur<strong>ch</strong> ein oberkeitli<strong>ch</strong>es<br />
Mandat verbotten, daß die Becker für einen Kreutzer kein<br />
Brot backen sollten; au<strong>ch</strong> wurde das Pastetenbacken und<br />
Kie<strong>ch</strong>lifeilhaben verbotten. Denn unsere ho<strong>ch</strong>weise Oberkeit<br />
rvere(n)ten dem Mangel dur<strong>ch</strong> Klugheit und Sparsamkeit;<br />
denn aus andren Landen konnte man wegen dem<br />
si<strong>ch</strong> allenthalben ausbreitenden Krieg ni<strong>ch</strong>ts bekommen, als<br />
etwas wenigs Reis.<br />
Oer Sommer 1^96.<br />
Gott unserem Vatter und liebrei<strong>ch</strong>en Erhalter sei Dank<br />
gesagt für die fru<strong>ch</strong>tbaren und angenehmen Zeiten. Kaum<br />
wäre der kalte Frieling zu Ende, so erzeigte si<strong>ch</strong> der<br />
Himmel etwas milter. Es fiele viel fru<strong>ch</strong>tbarer Ragen; das<br />
Fuhter und alle Pflanzungen waren sehr s<strong>ch</strong>en, do<strong>ch</strong> konnte<br />
man das frie<strong>ch</strong>e Fuhter wegen der Nässe ni<strong>ch</strong>t wohl<br />
sammeln. Allein dieses werete ni<strong>ch</strong>t lang, denn um Mitten<br />
Heumonat fienge es an zimli<strong>ch</strong> zu s<strong>ch</strong>onen *). Jedo<strong>ch</strong> fiele<br />
denno<strong>ch</strong> Regen genug. Das Fuhter und alle Pflanzungen<br />
waren über die maßen s<strong>ch</strong>en. Es fiele die Koren Ernd in<br />
meisten Lendren gar gut aus. Das Kohren fienge an abzus<strong>ch</strong>lagen.<br />
Jedo<strong>ch</strong> fiele den 10. Äugst an Kaltenbrunnen<br />
und mehreren Orten ein starker Hagel, wel<strong>ch</strong>er die Bä<strong>ch</strong>e<br />
sehr ungeftiem ma<strong>ch</strong>te, daß selbige an mehreren Orten,<br />
sonderbar in der Fal<strong>ch</strong>eren und der Enden großen S<strong>ch</strong>aden<br />
getan haben, und ganz aus ihren Ufren getreten; allein<br />
fleißige Arbeit wird diesers in kurzer Zeit wieder zure<strong>ch</strong>t<br />
bringen. Das Kohren s<strong>ch</strong>lüge je lenger je sterker ab, ja<br />
es hatte jetz in einem Jahr mehr denn um den halben<br />
Teil abges<strong>ch</strong>lagen. Wegen dem Vie<strong>ch</strong> handelte man eben<br />
ni<strong>ch</strong>t fast, denn man sagte, es werde diesen Herbst gar<br />
nit gelten; do<strong>ch</strong> galten die S<strong>ch</strong>af einen s<strong>ch</strong>enen Preis.<br />
*) Sonnens<strong>ch</strong>ein geben.
Oer Herbst 1^96.<br />
25<br />
Dieser Herbst wäre mittelmäßig warm; das Vie<strong>ch</strong> gälte<br />
einen gemeinen Preis, aber das Kohren wäre sehr wolseil<br />
und das Brot sehr groß.<br />
Vom Mnter 1796.<br />
Dieser Winter wäre sehr angenehm, ja man konnte<br />
ihn allerdings dem 1793 vergli<strong>ch</strong>en.<br />
Oer Drieling 1797.<br />
Die vielen Ges<strong>ch</strong>äfte und stete Arbeit nebst der Geburt<br />
einer To<strong>ch</strong>ter, wel<strong>ch</strong>e mir den 6. April geboren, hatten<br />
mi<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>ermaßen von meinem Vorhaben, die wi<strong>ch</strong>tigsten<br />
Ereignisse meines Zeitalters aufzus<strong>ch</strong>ryben, abgezogen;<br />
allein der s<strong>ch</strong>wierige Zeitpunkt, der jetzt mit vollen S<strong>ch</strong>ritten<br />
herbizunahen s<strong>ch</strong>ien, ma<strong>ch</strong>te die Triebsedren meines Geistes<br />
wieder dermaßen rege, daß i<strong>ch</strong> wieder anfieng, mein Werk<br />
fortzusetzen. Na<strong>ch</strong>dem jetzt die französis<strong>ch</strong>en Waffen allenthalben<br />
den Sieg behalten, denn der General! Buonaparte<br />
hatte diesers Jahr fast das ganze Ittalier Land der franzesis<strong>ch</strong>en<br />
Republik unterwirfig gema<strong>ch</strong>t. Au<strong>ch</strong> dem heiligen<br />
Vatter zu Rom ein große Kontrabution aufgelegt, wel<strong>ch</strong>e<br />
mehr denn zweihundert Zentner Gold betrüge; au<strong>ch</strong> verwerte<br />
er die Republik Venedig, au<strong>ch</strong> fierte er zu Genua<br />
die franzesis<strong>ch</strong>e Konstitution ein, worüber die vier gemeinen<br />
eidgeneßis<strong>ch</strong>en Landvogteien enert dem Gotthart, als nemli<strong>ch</strong><br />
Lowis, Lugaris, Mendreis und Meintall, au<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>ermaßen<br />
aufgebra<strong>ch</strong>t wurden, jasogar, daß der Landmeyor<br />
Wurstemberger nebst andren eidgeneßis<strong>ch</strong>en Gesandten im<br />
Monat Mey dahin reisten und dieselbigen wiederum beruhigten.<br />
Allein diesers werete ni<strong>ch</strong>t lange, denn die<br />
Franzosen hatten si<strong>ch</strong> allem Ansehen na<strong>ch</strong> vorgesetzt, das<br />
S<strong>ch</strong>witzerland au<strong>ch</strong> zu gewinnen und fiengen an, ihr Spill<br />
zu treiben und den Samen der Zwiytra<strong>ch</strong>t im S<strong>ch</strong>witzerland<br />
zu säien. Au<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>ten sie den Eidgenossen den Auftrag,<br />
daß sie den englis<strong>ch</strong>en Gesandten von Beren sollten<br />
wegs<strong>ch</strong>icken. Diesers ges<strong>ch</strong>ähe den 11. Winmonat 1797.<br />
Anstatt aber daß man jetzt hoffte, die Franzosen sollten
26<br />
Franzosen in der Waadt<br />
etli<strong>ch</strong>ermaßen befriedigt sein, wurden (sie) jetzt erst aufgebra<strong>ch</strong>t,<br />
ihre Forderungen ho<strong>ch</strong> zu spannen, denn sie glaubten,<br />
weilen sie den englis<strong>ch</strong>en Ambasstdoren auf Begehren der<br />
Franzosen wegges<strong>ch</strong>ickt, so kennten sie ,etzt den Eidgnossen<br />
befehlen, was sie wollten; denn die Franzosen befahlen<br />
jetzt den Eidgenossen, alle emigrierten und deportierten<br />
Franzosen wegzus<strong>ch</strong>icken, wel<strong>ch</strong>es au<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ähe, Jetz fwngen<br />
die Franzosen an, die wels<strong>ch</strong>en Berner nnt aller Ma<strong>ch</strong>t<br />
geqen die theuts<strong>ch</strong>en zu verhetzen; au<strong>ch</strong> su<strong>ch</strong>ten sie die Stadt<br />
Beren mit Verräterey zu gewinnen. Diesers ges<strong>ch</strong>ah zu<br />
Ende des Jahrs 1797.<br />
Vom ?akr 1/98.<br />
Der fatal Zeitpunkt rückte je länger, je näher; die<br />
sieghaften Franzosen waren je länger, je unruwiger;<br />
fingen an, ihre Truppen gegen die Grenzen des S<strong>ch</strong>weitzerlandes<br />
anrücken zu lassen, sonderbar (besonders) gegen<br />
den Genfersee. Die wels<strong>ch</strong>en Berner, wel<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>on langst<br />
auf eine bequeme Zeit gewartet, um das Jo<strong>ch</strong> der Stadt<br />
Bern abzuwerfen, glaubten, daß es jetzt eben die re<strong>ch</strong>te<br />
Heit wäre, ihre s<strong>ch</strong>on längst gefaßte Resolution auszufuhren,<br />
qriffen s<strong>ch</strong>nell zu denen Wasen und verweben alle regierenden<br />
Landvögte in dem ganzen wels<strong>ch</strong>en Berngebiet,<br />
an der Zahl zwölf. Die Franken sumten si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t lange,<br />
namen also ohne den geringsten Widerstand das ganze<br />
Wels<strong>ch</strong>land ein und strömten wie eine Wasserflut bis gen<br />
Murten. Die Herren von Bern sahen dieses alles ni<strong>ch</strong>t<br />
gli<strong>ch</strong>giltig an, versamleten ihr Heer so ges<strong>ch</strong>wind sie immer<br />
mo<strong>ch</strong>ten, trafen alle Anstalten zu einer verzweifleten<br />
Gegenwehr. Es wurden beide Grenadier-, beide Musgetier-<br />
Eompagneien, au<strong>ch</strong> die Jeger und Kanonier s<strong>ch</strong>on im<br />
Jenner von Oberhasli abgerufen; und ob au<strong>ch</strong> d^<br />
Herren von Bern s<strong>ch</strong>on bitli<strong>ch</strong> die andren Kanton au<strong>ch</strong><br />
ersu<strong>ch</strong>ten, ihnen zu Hilfe zu ilen, ma<strong>ch</strong>ten selbige allerhand<br />
Einwendungen, als nemli<strong>ch</strong>: daß dieser Krieg nur<br />
die Berner angehe; weillen es nur etwas Streits zwis<strong>ch</strong>en<br />
den teuts<strong>ch</strong>en und wels<strong>ch</strong>en Bernern sey, greifen ste ni<strong>ch</strong>t<br />
zu denen Waffen; wenn aber die Franzosen die S<strong>ch</strong>weiz<br />
angreifen, alsdann werden sie au<strong>ch</strong> zu denen Waffen<br />
greifen. Dieses Kru<strong>ch</strong>ten die andren Stände zu emem
Uneinigkeit der Eidgenossen 27<br />
Fürwort, denn das S<strong>ch</strong>weizerland war wirkli<strong>ch</strong> angegriffen,<br />
weilen die Franzosen das wels<strong>ch</strong>e Berngebiet<br />
jetzt s<strong>ch</strong>on mit Truppen besetzt hatten. Die Bürger von<br />
Züri<strong>ch</strong>, als der größte und ri<strong>ch</strong>ste Stand na<strong>ch</strong> Bern,<br />
wollten zwar geren helfen; allein die Landleute von<br />
Züri<strong>ch</strong> wollten si<strong>ch</strong> darin gar ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>icken; denn die<br />
Beleidigungen, wel<strong>ch</strong>e vor zweyen Jahren denen Landleuten<br />
von Züri<strong>ch</strong> von einer Stadt Bern widerfahren,<br />
waren ihnen no<strong>ch</strong> in fris<strong>ch</strong>er Gedä<strong>ch</strong>tnus. Denn als die<br />
drey Gemeinden Horgen, Stefen und Kisna<strong>ch</strong>t in etwas<br />
Streit und Unwillen wegen ihren alten Freiheiten gegen<br />
denen Bürgren und Ratsherren von Züri<strong>ch</strong> gestanden,<br />
daß selbige beynahe beiderseits zu denen Wasen gegriffen,<br />
hat die Stadt Bern si<strong>ch</strong> darin gemis<strong>ch</strong>t und die Landleut<br />
sehr helfen unterdrücken und beleidigen. Diesers wäre<br />
jetzt für die Zür<strong>ch</strong>er ein gewüns<strong>ch</strong>ter Zeitpunkt, daß nemli<strong>ch</strong><br />
die Franken dem Stande Bern mit Krieg drohten;<br />
denn sie fordreten jetzund von der Stadt Bern Genugtuung<br />
wegen der Beleidigung. Au<strong>ch</strong> fordreten selbige<br />
von ihrer Oberkeit alle ihre Privilegien und alte Freyheit<br />
wieder; au<strong>ch</strong> sollten alle die, so si<strong>ch</strong> von denen drey<br />
Gemeinden gefli<strong>ch</strong>tet, wieder in das Land gerufen und<br />
die, wel<strong>ch</strong>e die Bürger von Züri<strong>ch</strong> gefangen und in der<br />
Stadt ganz unehrli<strong>ch</strong> gehalten, auf freien Fuß stellen,<br />
au<strong>ch</strong> alle Strafen an Geld und Gut wieder geben. Der<br />
Rat von Züri<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>te hierüber zwar allerley Vorstellungen<br />
und su<strong>ch</strong>ten die Buren mit guten Worten zu<br />
befriedigen. Allein diesers wollte ni<strong>ch</strong>t angehen, denn der<br />
Freyheitss<strong>ch</strong>windel wu<strong>ch</strong>s jetz alle Tag, ja sogar, daß<br />
man zu Horgen den franzesys<strong>ch</strong>en Freyheitsbaum offenli<strong>ch</strong><br />
aufstellte und alle die, wel<strong>ch</strong>e nur ein gutes Wort für<br />
die Oberkeit redten, auf das ergste mishandleten und die<br />
Ratsdeputierten, wel<strong>ch</strong>e aus der Stadt kamen um die<br />
Landleuth zu begietigen, wieder mit Steinen in die Stadt<br />
jagten. Jetzt standen die Bürger von Züri<strong>ch</strong> in der<br />
greßten Verlegenheit, denn in ihrem Land herrs<strong>ch</strong>ete<br />
Gerung und greßte Unordnung; zu dem kam ein Eilbote<br />
na<strong>ch</strong> dem andren von Bern und batten fle<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> um<br />
s<strong>ch</strong>linige Hilfe. Zwis<strong>ch</strong>en diesen Dingen gingen die Sa<strong>ch</strong>en<br />
HU Basel ni<strong>ch</strong>t besser, den selbige kamen mit ihren<br />
Untertanen au<strong>ch</strong> in Misverstendnus, daß der Stadt
28<br />
Zwietra<strong>ch</strong>t und Empörungen<br />
getrungen wurde, die Regierung etli<strong>ch</strong>ermaßen abzuendren<br />
und den Eidgenessis<strong>ch</strong>en Bundesbrief von gemeinen E:danossen<br />
herusfordreten. Diesem bösen Exempel folgete<br />
S<strong>ch</strong>affhausen bald na<strong>ch</strong>. Neuenburg ergrtff d:e<br />
Neutralität; Biel wäre wirkli<strong>ch</strong> von französis<strong>ch</strong>en Truppen<br />
besetzt; Wallis hatte mit si<strong>ch</strong> selbst zu thun, denn dre<br />
Untren oder wels<strong>ch</strong>en Walleser, wel<strong>ch</strong>e von den Obren<br />
oder teuts<strong>ch</strong>en Walsren beherrs<strong>ch</strong>t wurden, wollten au<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t mehr gehorsam seyn. — Die Untterwaldner<br />
bezeigten wenig Luft zum Krieg, weillen selbige von dem<br />
Stande Bern im Herbst 1794 etli<strong>ch</strong>ermaßen beleidiget<br />
worden, weil sie ihnen feillen Kauf abges<strong>ch</strong>lagen; —<br />
Glaris hatte au<strong>ch</strong> keine Zeit, si<strong>ch</strong> in diesen Krieg zu<br />
mis<strong>ch</strong>en; denn die Katholis<strong>ch</strong>en und Evangelis<strong>ch</strong>en — denn<br />
der Stand Glaris bestand von beyderley Glauben*) —<br />
diese waren in großer Zweytra<strong>ch</strong>t, ja sogar, daß selbige<br />
droheten, gegen einandren die Wafen zu ergrifen.<br />
Luzern, Ury und S<strong>ch</strong>wytz kamen zwar zu Hylfe,<br />
aber sehr leu (lau) und langsam. — Diesers Alles mo<strong>ch</strong>te<br />
denen Franzosen im geringsten ni<strong>ch</strong>t verborgen blyben<br />
— und ob man s<strong>ch</strong>on wol sehen konnte, daß die S<strong>ch</strong>weitz<br />
wegen der innerli<strong>ch</strong>en Empörung keinen ernsthaften Widerstand<br />
thun konnte, so versamleten do<strong>ch</strong> die Franken zwey<br />
ansehnli<strong>ch</strong>e Kriegsheer von den allerauserlesensten Kriegern,<br />
das eine bey der Stadt Biel, das zweyte bey dem Stedtli<br />
Milden, unseren von der Stadt Murten. Jetz lag aller<br />
Last des Kriegs auf dem Stande Bern, wel<strong>ch</strong>e jetz ihre<br />
Truppen bis zu der Stadt Murten vorrücken ließe, au<strong>ch</strong><br />
die Stadt Murten besetzten und si<strong>ch</strong> anfiengen zu vers<strong>ch</strong>antzen.<br />
— Jetz s<strong>ch</strong>yne es, die Ra<strong>ch</strong>egetter haben der<br />
Stadt Bern den wahren Untergang ges<strong>ch</strong>woren denn<br />
es entstand jetz in der Stadt Aar au im Berngebiet eine<br />
fer<strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>e Emperung, ja sogar, daß die Aarauer den<br />
Freiheitsbaumb aufstellten. — Die Bürger von Bern<br />
s<strong>ch</strong>ickten den Herren von Beuren, selbige wyder zum Gehorsam<br />
zu bringen, wel<strong>ch</strong>er mit etli<strong>ch</strong>en Draguner S<strong>ch</strong>waderohnen<br />
und etwas Fußvolk vor die Stadt Aarau ruckte<br />
*) Seit 1683 hielten beide Konfessionen ihre besonderen<br />
Landsgemeinden. Die Katholiken tagten in S<strong>ch</strong>neymgen bei<br />
Näfels.
Berns Rüstungen zur Gegenwehr 29<br />
und die von Aarau mit Ungestiem wieder zum Gehorsam<br />
bra<strong>ch</strong>te. Es haben si<strong>ch</strong> aber die fürnemsten von denen<br />
Redelsfierern fli<strong>ch</strong>tig gema<strong>ch</strong>t. — Zwis<strong>ch</strong>en diesen Dingen<br />
wurden die Vyrger von Ziry<strong>ch</strong> mit ihren Unttertanen<br />
etli<strong>ch</strong>ermaßen versient, daß selbige dem Stande Bern<br />
zwey Dusend und fünf hundert Mann Hilfstruppen<br />
s<strong>ch</strong>ickten, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> bei dem Stedtli Nidau postierten.<br />
Jetz hatte man no<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>ermaßen Hoffnung, das Vatterland<br />
kennte viellei<strong>ch</strong>t behauptet werden; denn man Hoffete,<br />
es kennten mehrere Stende dem rühmli<strong>ch</strong>en Beyspiell der<br />
Zir<strong>ch</strong>er na<strong>ch</strong>folgen und si<strong>ch</strong> gegen einandren versienen, wie<br />
vormals die zwey edle grie<strong>ch</strong>es<strong>ch</strong>en Haubtleuth Arysteides<br />
und Temistoklis au<strong>ch</strong> getan haben, als dieselben von den<br />
Persren mit Krieg überzogen — denn die Franzosen<br />
tonnten no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t die ganze Kriegsma<strong>ch</strong>t gegen das<br />
S<strong>ch</strong>weizerland anrucken lassen, weilten die Franzosen und<br />
Engellender no<strong>ch</strong> in einem fer<strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>en Krieg mit<br />
einandren verwicklet waren, denn es wollten weder die<br />
Franzosen no<strong>ch</strong> Engellender na<strong>ch</strong>geben. — Die Ratsherren<br />
von Bern versäumten Ni<strong>ch</strong>ts, si<strong>ch</strong> zur Gegenwehr zu<br />
stellen; aber der mehrere Teil von denen Byrgren waren<br />
dermaßen von dem Freyheitss<strong>ch</strong>windel angesteckt, daß<br />
selbige dermaßen wider einandren kamen, daß man<br />
si<strong>ch</strong> fer<strong>ch</strong>ten mußte, das Kriegsseur werde zuerst in<br />
der Stadt Bern seine verherenden Flammen erzeigen. —<br />
Anstatt aber, daß man gehofft hatte, die Eidgnossen<br />
kennten no<strong>ch</strong> versienet werden, so erfolgte jetz leider das<br />
Gegenteil; darzu kam no<strong>ch</strong>, damit die. Verlegenheit vollkommen<br />
wurde, Mistrauen und die greßte Verwirrung<br />
untter denen Truppen des Standes Bern. Denn die<br />
bernis<strong>ch</strong>en Truppen waren greßtenteils unverftendige<br />
Bursleuth, die Offizier aber meistens Birger von Bern;<br />
diese hatten etwas mehr Kenntnus von dem Kriegen als<br />
die Buren, denn die Bursleuthe wollten die Franzosen<br />
mit Ungestiem angreifen, denn ihnen wäre ihre kleine<br />
Anzahl von den Haubtleuthen auf das sorgfältigste verborgen;<br />
denn die Haubtleuthe wußten gar wol, wenn<br />
denen Soldaten ihre kleine Anzahl bekannt wäre, daß<br />
selbige kleinmietig und verzagt würden, ja sogar in Sorgen<br />
stunden, sie könnten sogar wieder heim ziehen. Die Haubtleuth<br />
su<strong>ch</strong>ten alle Findseligkeiten auf das sorgfeltigste zu
30 Mißtrauen der Truppen. Erste Gefe<strong>ch</strong>te<br />
verhieten, denn die Unterhandlungen zwis<strong>ch</strong>en der Republik<br />
Frankri<strong>ch</strong> und der Stadt Bern waren no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gantz<br />
abgebro<strong>ch</strong>en und die Hoffnung zu der Wiederherstellung<br />
des Frydens no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gentzli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>wunden.<br />
Unsere Truppen^) standen zwis<strong>ch</strong>en diesen Dingen<br />
ruhwig bey dem Stedtli Murten und waren über den<br />
Verzug sehr misvergniegt; denn sie meinten, ihrer Haubtleuthen<br />
Sorgfeltigkeit (sei) Zagheit und For<strong>ch</strong>t, der Verzug<br />
aber — Verretterey und Fals<strong>ch</strong>heit. — Zwis<strong>ch</strong>en<br />
diesen Dingen neigte si<strong>ch</strong> der Wafenstilstand zum Ende.<br />
Die Franken ließen ihre Truppen in einer Na<strong>ch</strong>t gegen<br />
Freyburg und Solenturen vorrucken. Freyburg wurde<br />
mit lie<strong>ch</strong>ter Miehe erobret; bey Soloturen aber wäre<br />
das Gefe<strong>ch</strong>t etwas hartnekig; ni<strong>ch</strong>tsdestoweniger wurde<br />
Soloturen au<strong>ch</strong> erobret. Es stunde bey Soloturen ein<br />
Vatalion Oberlender, von Untersewen und Grindelwalt,<br />
wel<strong>ch</strong>e von dem Obrist Wurftenberger angefiert wurden;<br />
diese haben in dem Gefe<strong>ch</strong>t starck geliten. — Diese Begebenheit<br />
wäre für die Truppen, wel<strong>ch</strong>e bey Murten<br />
stunden, von großer Wi<strong>ch</strong>tigkeit, denn sie stunden in Gefar,<br />
daß sie me<strong>ch</strong>ten umringet werden von denen Franken,<br />
wel<strong>ch</strong>e bey Freyburg stunden. Jetz war gutter Rath deur,<br />
denn die Buren um Murten weigreten si<strong>ch</strong>, unsere Truppen<br />
abziehen zu lassen. Allein der Ents<strong>ch</strong>luß mußte s<strong>ch</strong>leinigft<br />
gefaßt sein, ob man abziehen oder si<strong>ch</strong> von denen Franken<br />
umringen lassen (wolle); allein sie verließen Murten und<br />
riterrierten bis Gimenen, zwey Stund von Murten. —<br />
Jetz wurde der Ruf der Verretterrei algemein; au<strong>ch</strong><br />
standen die Haubtleuth in greßter Gefar, ers<strong>ch</strong>ossen zu<br />
werden'). Denn die Lage auf dem Gimenenstutz, wo<br />
unsere Felker ihr Lager hatten, wäre von Natur sehr<br />
') Die von Oberhasli.<br />
2) Oberstleutnant von Wattenwyl s<strong>ch</strong>rieb am 3. März von<br />
Gümmenen an den Kriegsrat in Bern: Heute nehme die Unruhe<br />
unter seinen Truppen mä<strong>ch</strong>tig zu; sie brennen vor Begierde,<br />
gegen die Franzosen vorzurücken, aber die Sendung eines Parlamentärs<br />
zu General Brune erwecke den Glauben, sie werden<br />
si<strong>ch</strong> weiter zurückziehen müssen. „Der Ruf ist allgemein unter<br />
den Soldaten, daß man sie verkauft habe und daß keine Regierung<br />
mehr existiere." Ein großer Teil sei mit Gepäck- und<br />
Ges<strong>ch</strong>irrwagen und Pferden ohne Erlaubnis weggezogen. —<br />
Strickler, Akten I, Nr. 963.
Grauholz 31<br />
fest, ja sogar unuberrvintli<strong>ch</strong>. Diesers wäre denen Franken<br />
unverborgen. Ni<strong>ch</strong>tsdestoweniger droheten die Franken,<br />
diesen Posten zu bestirmen, aber nur unter dem S<strong>ch</strong>ein,<br />
damit si<strong>ch</strong> unsere Truppen daselbst stillhalten miesten und<br />
denen, wel<strong>ch</strong>e auf der Solenturren Straße postiert waren,<br />
keine Hilfe leisten konnten. Denn die Franken hatten ihre<br />
sterkeste Kriegsma<strong>ch</strong>t auf die Solenturenstraße geri<strong>ch</strong>tet;<br />
au<strong>ch</strong> stand ein Heer bey Freyburg und Laupen. Bey<br />
Gimenen wäre ni<strong>ch</strong>t mer Volk von denen Franken, als<br />
dasselbige unsere Truppen aufhalten konnten. — Zwis<strong>ch</strong>en<br />
diesen Dingen entstünde ein hitziges Gefe<strong>ch</strong>t di<strong>ch</strong>t an dem<br />
Stedtli Laupen; die Franken aber wurden mit Verlust<br />
zurückgetriben. Es wäre bey diesem Gefe<strong>ch</strong>t eine Kompagney<br />
von Oberhasli, allein es wurde kein Man davon<br />
weder verwundet no<strong>ch</strong> gededet.<br />
Jetz entlarfete sy<strong>ch</strong> das S<strong>ch</strong>icksall s<strong>ch</strong>nell. Montags<br />
den 5. Merz wurden die Berntruppen, wel<strong>ch</strong>e an der<br />
Syl (?) stunden, von der französis<strong>ch</strong>en Armee mit sol<strong>ch</strong>er<br />
Wuth angegryfen, daß dieselben si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> einer kurzen<br />
Gegenwer in die Flu<strong>ch</strong>t begaben. Der Generali Erla<strong>ch</strong>,<br />
wel<strong>ch</strong>er die Bernertruppen daselbst komendierte, date auf<br />
diesem unglickli<strong>ch</strong>en Tage zwar alles, was man von<br />
einem erfarnen und einsy<strong>ch</strong>tsvollen Man nur fordren<br />
konte, denn er hat si<strong>ch</strong> mit etli<strong>ch</strong>en wenigen Truppen<br />
zum finften male gegen den finden gewendet, au<strong>ch</strong> viele<br />
derselben gededet; do<strong>ch</strong> dessen ungea<strong>ch</strong>tet mußte er der<br />
Uberma<strong>ch</strong>t stets wei<strong>ch</strong>en. Den weilen sein Heer blos aus<br />
einseitigen ungeiebten Buhren bestünde, wel<strong>ch</strong>e in aller<br />
Verzweiflung s<strong>ch</strong>arenweyse von ihme flohen, hat er sie<br />
do<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> stets gebetten, der Stadt Veren gemeinen Nutz<br />
ni<strong>ch</strong>t auf eine so strafbare Weise zu verlassen. Denn er<br />
hat oftmals mit lutter Stimme gerufen: seine Felker<br />
sollen ine do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t verlassen, denn es seye no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
alles verloren. Die Verzweiflung hatte sie aber dergestalten<br />
getrofen, daß sie keiner Vermanung Geher gaben und<br />
ihn greßtentheils auf eine strafbare gotlose Weise verließen.<br />
Zu dem wäre jetz no<strong>ch</strong> dieser Unfal darzu komen:<br />
als er jetz seyne Felker auf dem Breittenfelde zune<strong>ch</strong>st<br />
vor der Stadt Beren in S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tordnung stelte, wurde<br />
von denen berner Kanonier auf der Flange eine Vaterey<br />
erri<strong>ch</strong>tet, und weillen Alles in Verwirrung wäre, sähe
32<br />
Neuenegg<br />
der Generall Erla<strong>ch</strong> dieselben für Franken an. Jetz sähe<br />
er die Sa<strong>ch</strong>en für verloren an, denn die sranzesis<strong>ch</strong>en<br />
Reiter hatten ihn beynahe umringet, au<strong>ch</strong> einer von seynen<br />
Dieneren wurde ihm an der Seiten ers<strong>ch</strong>ossen. Jetzt mußte<br />
er si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ents<strong>ch</strong>ließen zu fliehen. — Dieser unglickli<strong>ch</strong>e<br />
Man hatte vorher seine Frau und Kinder na<strong>ch</strong> Unttersewen<br />
gebra<strong>ch</strong>t, denn die Verner hatten allerhand Kriegsmunition,<br />
au<strong>ch</strong> allerhand Lebensmittel und Geld na<strong>ch</strong><br />
Unttersewen als einem Verhaften Orte gebra<strong>ch</strong>t; die Verner<br />
glaubten, si<strong>ch</strong> daselbst no<strong>ch</strong> zu behaubten, denn daselbsten<br />
waren zwey große Stuck, au<strong>ch</strong> eine unzälbare Menge<br />
Flinten, in Summa, allerhand, was man im Kriege<br />
bru<strong>ch</strong>t. — Dahin wolte dieser unglickli<strong>ch</strong>e Man jetz<br />
fliehen. —<br />
Es ginge bey Neuenegg auf der Straße, wel<strong>ch</strong>e gegen<br />
Freyburg fieret, diesen Tag au<strong>ch</strong> sehr hitzig. Die bernis<strong>ch</strong>en<br />
Trupen, wel<strong>ch</strong>e daselbst postiert und von einem Herren<br />
von Grafenried angefiert wurden, gryfen die Franken mit<br />
Ungestiem an. Die Berner mußten si<strong>ch</strong> ungea<strong>ch</strong>t ihrer<br />
Gegenwer zurückziehen; ihnen wurden 18 Kanonnen abgenommen.<br />
Der Her von Grafenried rit na<strong>ch</strong> diesem<br />
Trefen in die Stadt Beren und begert fris<strong>ch</strong>e Stuck und<br />
Trupen; ihme wurden au<strong>ch</strong> 3 Stuck und etli<strong>ch</strong>e Compagneien<br />
gegäben. Mit diesem Volk samlete er die Trimer<br />
von seinen Trupen, wel<strong>ch</strong>e ihm die Franken am Morgen<br />
zerstreut hatten. Jetz ftelte er seine Trupen in S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tordnung,<br />
griffe die Franken mit sol<strong>ch</strong>er Wuth an, daß<br />
dieselben anfiengen zu wei<strong>ch</strong>en, ja sogar eine s<strong>ch</strong>entli<strong>ch</strong>e<br />
Flu<strong>ch</strong>t ergrifen, daß sie alle ihre Kanonen nebst denen,<br />
wel<strong>ch</strong>e selbege am Morgen denen von Beren abgenomen<br />
hatten, im Sti<strong>ch</strong> ließen. Allein kaum war das Gefe<strong>ch</strong>t<br />
zu Ende, und der Sig mit Bluth erkauft, so käme die<br />
trurige Zeitung — die Franken haben das bernis<strong>ch</strong>e Heer<br />
auf der Solenturenftraß im Grawholz genzli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>lagen<br />
und seye das sighafte Heer der franzesis<strong>ch</strong>en Reppuplic<br />
triumphierend in die Stadt Beren eingezogen. — Unsere<br />
Truppen standen zwis<strong>ch</strong>en diesen Dingen fast ruhwig auf<br />
Giminen; eine matte Eanonade wäre Alles, was da<br />
vorgegangen. Als ihnen aber die trurige Zeittung zu<br />
Ohren komen, daß die Stadt Beren albereit verloren,<br />
hat die Truppen von Oberhasli, wel<strong>ch</strong>e bey vorgemelttem
Erla<strong>ch</strong>s Ermordung 33<br />
Gimenen stunden, eine dermaßen große For<strong>ch</strong>t und Verzweyflung<br />
dur<strong>ch</strong>trungen — ni<strong>ch</strong>t nur die einfeltrgen und<br />
unerfarnen Bauren, sondern au<strong>ch</strong> die Haubtleuth und<br />
Byrger von Bären waren no<strong>ch</strong> am meisten verzagt, denn<br />
alle glaubten, wan seye jetz von dänen Franzosen, von<br />
wel<strong>ch</strong>en man jetz gäntzli<strong>ch</strong> umringet, gefangen wirden, so<br />
Wirde man an Ketten gebunden und na<strong>ch</strong> Engellande<br />
ges<strong>ch</strong>lept werden; — fiengen also an, in aller Unornung<br />
zu fliehen. Etli<strong>ch</strong>e kamen berubt, etli<strong>ch</strong>e unberubt, do<strong>ch</strong><br />
alle fris<strong>ch</strong> und gesund wieder na<strong>ch</strong> Oberhasli.<br />
Zwis<strong>ch</strong>en diesen Dingen allen wurde der Landsturm<br />
allenthalben ausgerufen. Die Stam-Eomppagneien aus<br />
dem Oberland eilten na<strong>ch</strong> Beren in einer großen Raserey,<br />
denn sie hatten au<strong>ch</strong> Heren sagen, daß alles verreteris<strong>ch</strong><br />
zugienge, wel<strong>ch</strong>es das dumme Pepelvolk mit Freuden<br />
glaubte, ni<strong>ch</strong>t einmal an die große Ma<strong>ch</strong>t der Franken<br />
und an die Verwirrung der Eidgnoßen denkend — das<br />
Land hinabzogen; spra<strong>ch</strong>en viel von ihren beistehenden<br />
Heldendaten, denn ihnen wäre no<strong>ch</strong> unbekant, was diesen<br />
Tag im Grawholtz vorgegangen, und daß nemli<strong>ch</strong> das<br />
berneris<strong>ch</strong>e Heer genzli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>lagen, wegen der großen<br />
Verwirrung no<strong>ch</strong> verborgen. Waren allso bis Minsigen<br />
das Land hinab mars<strong>ch</strong>iert hier begegnete ihnen der<br />
unglikli<strong>ch</strong>e General von Erla<strong>ch</strong>, wel<strong>ch</strong>er selbege mit disen<br />
Worten anredete: „Ihr, Leuthe, — i<strong>ch</strong> bin der Mann,<br />
von wel<strong>ch</strong>em man saget, er sey ein Verrether des Vatterlandes;<br />
— aber der Himmel soll Zeuge sein, daß sol<strong>ch</strong>es<br />
ni<strong>ch</strong>t war ist, denn mein Hertz brennet in meinem Leibe<br />
für die Liebe zum Vatterland" — kaum hatte er diese<br />
Worte geredet, so wurde er von dem gottlosen Bepelvolk<br />
ab dem Pfert gezert und auf eine unmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e, gottlose<br />
Weise gemartret und gedetet, wel<strong>ch</strong>es denen von Oberhasle,<br />
wel<strong>ch</strong>e die greßte S<strong>ch</strong>ult an seinem Dote gewesen,<br />
eine ewige S<strong>ch</strong>ande ist. Hier kan man sehen, wie es gehet,<br />
wenn das blinde Pepelfolk ni<strong>ch</strong>t mehr im Zume zu halten<br />
ist. — Denn were der General von Erla<strong>ch</strong> ein Verreter<br />
gewesen, wie ihn seine Misgenner verlemdet, — wofir<br />
were er denn ni<strong>ch</strong>t auf dem Breitenselde, alwo er von<br />
denen Franken beynahe umringet gewesen, hmuber gegangen?<br />
— Kaum hatten unsere Stam Eompagneien<br />
diese Helden Dat an dem uns<strong>ch</strong>uldigen General vollbra<strong>ch</strong>t,<br />
v. Weißenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>.
34 Der Oberländer Landsturm<br />
so kamen jetz die Granedier und Musgetier Compagneien,<br />
wel<strong>ch</strong>e, wie vor geda<strong>ch</strong>t, auf Gymenen gelagret waren,<br />
au<strong>ch</strong> sü<strong>ch</strong>tig daher; denn die Franken haben dieselben<br />
ni<strong>ch</strong>t gefangen genomen, sondern nur berubt und den<br />
(alsdann) gehen lassen. Diese verkindigeten ihnen jetz, daß<br />
die Berner genzli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>lagen, au<strong>ch</strong> die Stadt Beren<br />
wirkli<strong>ch</strong> von französis<strong>ch</strong>en Truppen besetzt seye. Hieruber<br />
wurden die Stam Compagneien seer beftürtzt, kerenten<br />
also wider na<strong>ch</strong> Hasli zuruck, denn sie glaubten, jetz viel<br />
ausgeri<strong>ch</strong>tet zu haben, daß sey den uns<strong>ch</strong>uldigen General<br />
auf eine mei<strong>ch</strong>elmerderris<strong>ch</strong>e Weise umgebra<strong>ch</strong>t hatten. —<br />
I<strong>ch</strong> kann hier ni<strong>ch</strong>t ubergehen, eine seer lä<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong>e<br />
Begebenheit zu melden, wel<strong>ch</strong>e denen Stam Compagneien<br />
auf diesen Tag begegnet ist. Denn als die Stam Compagneien<br />
jetz zuruck gekert, haben selbege allen Muthwillen<br />
getnben, au<strong>ch</strong> in allen Wirtsheusren tapfer getrunken und<br />
anstadt der Bezalung den Myrten s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Wort angeboten.<br />
Käme diesers Lumpengesindel auf Thun, kereten<br />
im Freienhofe ein und gaben dem Wirt zu verstehen,<br />
daß er ihnen ohne Gelt zu trinken geben sollte. Der<br />
listege Wirt sagte, er welle diesers gar gären, allein<br />
dieweil es no<strong>ch</strong> frü<strong>ch</strong> und sey no<strong>ch</strong> greßtendeils nie<strong>ch</strong>ter,<br />
wolle er ihnen zuerst einen Trunk Kafe ma<strong>ch</strong>en, damit<br />
seye ni<strong>ch</strong>t krank werden. — Gienge also zur Tür hinaus<br />
und beredete einen von seinen Kne<strong>ch</strong>ten. Der käme und<br />
geberdete si<strong>ch</strong> als ob ihm seer Angst were, sprang mit<br />
bloßem Haubt m die Gaststube, wo unsere Helden mit<br />
Verlangen auf den Kafe wartenten und fienq an zu<br />
s<strong>ch</strong>reien. „Ahr Lenthe, fliehet, o Jesu, Dehet! denn es<br />
komt em S<strong>ch</strong>waderohn franzesis<strong>ch</strong>e Reuter daher sprengen,<br />
wel<strong>ch</strong>e alles gefangen nemen und teden." Aber jetz wolten<br />
unsere Helden ni<strong>ch</strong>t lange auf den Kafe warten, sondern<br />
sprangen in aller Jhle zur Dür hinaus und begerten<br />
ni<strong>ch</strong>t meer umsonst zu trinken, riterierten na<strong>ch</strong> Untersewen,<br />
driben daselbsten allen Mutwillen, s<strong>ch</strong>emten si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t,<br />
dem Haubtman Mi<strong>ch</strong>el den Wein, wel<strong>ch</strong>en sey ni<strong>ch</strong>t saufen<br />
mo<strong>ch</strong>ten, in Keller laufen zu lassen; denn ob da sy<strong>ch</strong><br />
jetz s<strong>ch</strong>on viel Haubtleuth und Osezier versamlet hatten,<br />
vermo<strong>ch</strong>ten dieselben den Pebel ni<strong>ch</strong>t zu stillen. Jedo<strong>ch</strong><br />
wurde no<strong>ch</strong> Kriegsrat gehalten, ob man sy<strong>ch</strong> daselbst<br />
no<strong>ch</strong> defendieren wolte; allein es felte jetz an einem
Erhebung der kleinen Kantone 35<br />
Generall; denn der Erla<strong>ch</strong> wäre jetz getedet; zudem waren<br />
die Buren des Kriegens sat und kereten in aller Verzweiflung<br />
ein jeder lieber heim.<br />
Kaum waren sey heim, so s<strong>ch</strong>ikte der franzefis<strong>ch</strong>e Obergenerall<br />
Brune die Kunstutution in gantz Helfetzien aus<br />
nebst einem Dekret, wie man wieder neu Oberkeitten er-<br />
Wellen solte; denn die Burger und Buren tonten dieselben<br />
selbst erwellen. Es wurde von hundert allemal einer mit<br />
dem Meer erwelt. Diese kamen auf Thun, woselbst dieselben<br />
no<strong>ch</strong> einmal gemeret und von ze<strong>ch</strong>en allemal zween<br />
ausgemeret (wurden) um auf Luzern zu gehen, wel<strong>ch</strong>e<br />
daselbst neue Gesetz verfassen und an Oberkeites statt<br />
regieren solten. — Als jetz die kleinen Stende sahen,<br />
daß ihnen die Kunstituzion au<strong>ch</strong> aufgetrungen wurde,<br />
fienge sey an zu gereuen, daß seye den Stand Beren<br />
also im Sti<strong>ch</strong> gelassen; denn Uri, S<strong>ch</strong>witz, Unterwalden,<br />
Zug und Glaris glaubten, seye kenten bey ihrer reinen<br />
demokratis<strong>ch</strong>en Verfassung verbliben. Ihnen wurde ni<strong>ch</strong>ts<br />
destoweniger die Konstution aufgetrungen, wel<strong>ch</strong>e sey<br />
aber ni<strong>ch</strong>t annemen wolten sondren si<strong>ch</strong> zur Gegenwer<br />
stellen. Ihr Kriegsher wurde in zwey Haufen geteilt;<br />
der greste Deil solten gegen die Stadt Baden vorruken,<br />
der kleinre solte über den Brienig das Land hinab und<br />
den Franken in Ruken fallen. Diesers gäbe in unserem<br />
Land einen starken Lermen; denn es waren viel seer<br />
misvergniegt, sonderbar die Lumpen und Bettler; denn<br />
diese meinten, die Franken werden alle S<strong>ch</strong>ulden s<strong>ch</strong>enken,<br />
jene aber, die Franken, werden eine sol<strong>ch</strong>e Freyheit und<br />
Gli<strong>ch</strong>heit einfieren, daß die Rei<strong>ch</strong>en ihr Guth mit denen<br />
Armen deilen miesten. Da si si<strong>ch</strong> aber in ihrer Hofnung<br />
betrogen sahen, wolten sey au<strong>ch</strong> helfen die Franken vertryben,<br />
versamleten eine Landsgemeind und datten seer<br />
kriegeris<strong>ch</strong>. Die von Unterwalden waren zwis<strong>ch</strong>en diesen<br />
Dingen aufgebro<strong>ch</strong>en, hatten den Brinig, Hofluh, au<strong>ch</strong><br />
das Dorf Weiller*) mit etwas Trupen besetzt, sagten,<br />
ihrer wären dryzehen dusend, aber die große Arme, wel<strong>ch</strong>e<br />
gegen Baden agieren solte, seye a<strong>ch</strong>tzig dusend Man<br />
stark. — Der greßre Deill aber von Hasli Voltten sy<strong>ch</strong><br />
in einen dermaßen geferli<strong>ch</strong>en Krieg ni<strong>ch</strong>t so lie<strong>ch</strong>t mis<strong>ch</strong>en<br />
*) Brienzwyler.
36 Einbru<strong>ch</strong> ins Haslital<br />
und si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> bloße Wort verfieren lassen; denn man<br />
zweiflete, ob sey eine dermaßen starke Ma<strong>ch</strong>t versamlet<br />
hatten. S<strong>ch</strong>ickten zwey Menner über den Brienig, die<br />
Sa<strong>ch</strong>en zu untersu<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e fanden, daß das Geri<strong>ch</strong>t<br />
seer ubertryben und anstadt dreyzehn dusend ni<strong>ch</strong>t einmal<br />
dreyzehnhundert Man werren — und ein Felklein, daß<br />
man ni<strong>ch</strong>t wußte, ob man weinen oder la<strong>ch</strong>en wolte,<br />
wenn man dieselben ansahe. Die meisten waren fast ohne<br />
Kleidung, hatten anstadt der Vi<strong>ch</strong>sen helzerne Briggel;<br />
zudem hatten sy ni<strong>ch</strong>t für drey Tag Profiant. — Als<br />
man diesers erfahren, hat man diese Krieger wieder zuruk<br />
na<strong>ch</strong> Unterwalden gewisen mit dem Verdeuten, wenn seye<br />
ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>leunig abziehen, so werde man Gewalt mit Gewalt<br />
abtreyben. — Diesem aber wolten seye ni<strong>ch</strong>t erwartten,<br />
sondren zugen si<strong>ch</strong> zuruk, legreten si<strong>ch</strong> ehnert<br />
dem Brienig in denen Unterwaldner Vorsäßen, alwo sey<br />
no<strong>ch</strong> mit se<strong>ch</strong>shundert Glarner versterkt wurden. Jetz<br />
glubten sey stark genug zu sein, den Franken unter<br />
Augen zu träten, bra<strong>ch</strong>en ihr Lager auf und kamen bis<br />
an die Gassen (Meiringen), fordreten in einem gebietris<strong>ch</strong>en<br />
Thon Mans<strong>ch</strong>aft von Hasli, hieben die Freiheitsbeim um<br />
und erzeigten si<strong>ch</strong> gantz muthwillig, sonderbar die von<br />
Glaris. Man mußte abermal eine Landsgemeind halten;<br />
es wurde bes<strong>ch</strong>lossen, daß man au<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>ließen und die<br />
Franken fortjagen helfen wolle*). Zwis<strong>ch</strong>en diesen Dingen<br />
kam es bei Baden zwis<strong>ch</strong>en denen Franken und der kleinen<br />
Stende Truppen zu einem Gefe<strong>ch</strong>t. Allein die Franken<br />
behielten das Felt und namen wie ein Strom das Land<br />
ein; denn die s<strong>ch</strong>weitzris<strong>ch</strong>en Truppen mußten der Uberma<strong>ch</strong>t<br />
ungea<strong>ch</strong>tet ihrer Tapferkeit stets wei<strong>ch</strong>en. Es hat<br />
an mereren Ortten, als nemli<strong>ch</strong> vor Einsidlen, in der<br />
Hollen Gaß, bey Kisna<strong>ch</strong>t seer blutige Gefe<strong>ch</strong>t gegäben,<br />
au<strong>ch</strong> seer viel Franken getetet worden. Allein alles wäre<br />
umsonst; die Franken behielten den Sig aller Ortten. —<br />
Als jetz die von Glaris und die von Untterwalden diesers<br />
vernommen, haben dieselbigen ni<strong>ch</strong>t meer viel von ihren<br />
bevorstehenden Heldendatten geredet, sondren in aller Stille<br />
abgezogen. — Die fon Urry hatten den Sattelberg zwis<strong>ch</strong>en<br />
*) über den Versuck einer Gegenrevolution im Oberland<br />
vergl. Anhang hierna<strong>ch</strong>.
Kampf der Walliser 37<br />
dem Entlibu<strong>ch</strong> und Gisrveil mit siben hundert Manen<br />
besetzt. Diese kam eine dermaßen große For<strong>ch</strong>t an, daß<br />
dieselben ni<strong>ch</strong>t einmall gegen Stanz keren durften, sondren<br />
über den Brienig kamen und über den miehsamen Sustenberg<br />
reiseten. Es waren hier in Nessendall auf einen<br />
Abend sybenhundert uberna<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>es fast über unser<br />
Vermegen war; denn es wäre im Monet Mey, da die<br />
Lebensmittel grestendeils verzert waren.<br />
Hierauf wurde alles eine Stunde still und ruhwig.<br />
Aber ni<strong>ch</strong>t lang, denn die Walleser wolten die Konstitution<br />
ni<strong>ch</strong>t annemen. Der Generali S<strong>ch</strong>auenburg ließe<br />
seine Trupen gegen das Walles Land anruken. Die Walleser<br />
ftelten sy<strong>ch</strong> zu einer s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Gegenwer, ma<strong>ch</strong>ten<br />
etli<strong>ch</strong>e seer dume Strei<strong>ch</strong>e, denn erstli<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>ossen die Walleser<br />
die franzesis<strong>ch</strong>en Trumpeter, da dieselben ihnen no<strong>ch</strong><br />
den Fryden anbieten wolten, worüber der Generall<br />
S<strong>ch</strong>auenburg seer erzirnt und die Walleser angegrifen,<br />
wel<strong>ch</strong>e sy<strong>ch</strong> aber s<strong>ch</strong>lä<strong>ch</strong>t geweret und fli<strong>ch</strong>tig in die Stadt<br />
Sitten komen und fels<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> die weyße Fahnen ausgestekt,<br />
aber heimli<strong>ch</strong> ihr Stuck mit Kartets<strong>ch</strong>en beladen, und als<br />
die Franken in Sitten einziehen wolten, dieselben auf<br />
die Franken gefeiret, au<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>e gededet. Der Generall<br />
S<strong>ch</strong>auenburg ließe hierauf die Stadt Sytten mit Sturm<br />
emnemen und plündren, au<strong>ch</strong> die Redelsfierer gefangen<br />
nemen, au<strong>ch</strong> mußte das ganze Land ein starke Brands<strong>ch</strong>azung<br />
geben, sonst drohede er, alle Heuser zu vervrenen.<br />
— Hierauf wurde alles still und ruhwig, denn<br />
es wäre jetz ganz Helfetzien arriganisiert.<br />
Aber die Ruhe wurde balt gesteret; denn man solte<br />
den Bürgeret s<strong>ch</strong>weren. Diesem wiedersetzten sy<strong>ch</strong> die<br />
Emwoner von S<strong>ch</strong>witz und Stantz, denn die Pfafen su<strong>ch</strong>ten<br />
die Leuthe zu verblenden und zur Enperung zu verleitten.<br />
Der Stadthalter, well<strong>ch</strong>er denen Leuten verninftige Vorstellungen<br />
ma<strong>ch</strong>te und ihnen zeigte, in wel<strong>ch</strong> Unglik sey<br />
komen werden, wen seye der Regierung ni<strong>ch</strong>t gehor<strong>ch</strong>en<br />
wollen, hätten ihn der blinde Pebel beynahe gededet.<br />
Diese Enperung käme der Regierung balt zu Ohren;<br />
dieselben su<strong>ch</strong>ten die S<strong>ch</strong>wyzer und Stanzer bald dur<strong>ch</strong><br />
Verspre<strong>ch</strong>en, bald dur<strong>ch</strong> Drohung wieder zum Gehorsam<br />
zu bringen. Aber alles wäre vergebens; es s<strong>ch</strong>eint, die<br />
Gottheit habe ihr Ra<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>wert für seye gewetzet, denn
38<br />
Bürgereid und Widerstand<br />
wenn seye ni<strong>ch</strong>t mit Blindheit weren ges<strong>ch</strong>lagen gewäsen,<br />
so hätten sälbige lei<strong>ch</strong>t sähen kenen, daß seye einer so<br />
großen Ma<strong>ch</strong>t im geringsten ni<strong>ch</strong>t gewa<strong>ch</strong>sen waren.<br />
Denno<strong>ch</strong> wußte der bere<strong>ch</strong>tigte Patter Paul*) von<br />
S<strong>ch</strong>witz die einseitigen Leutte dermaßen zu verblenden,<br />
daß man keinen Friedensvors<strong>ch</strong>legen meer Geher geben<br />
wolte, denn die drey Mattstedt Ury, S<strong>ch</strong>witz und Unterwalden<br />
waren no<strong>ch</strong> ser stoltz auf die unsterbli<strong>ch</strong>en Heldendatten,<br />
wel<strong>ch</strong>e ihre Voreltren im S<strong>ch</strong>wytzerbunde vor fierhundert<br />
und neinunda<strong>ch</strong>tzig Jaren volbra<strong>ch</strong>t hatten; denn<br />
obbemältte drey Kanton waren im S<strong>ch</strong>wytzerbund die ersten,<br />
wel<strong>ch</strong>e das keiserli<strong>ch</strong>e Jo<strong>ch</strong> abwarfen und die tirannis<strong>ch</strong>en<br />
Landfegte theils detteden, etli<strong>ch</strong>e veriagten. Äben diesers<br />
wäre es, was die guthen Leute in das greßte Unglük<br />
stirtzte; denn seye meinten, ni<strong>ch</strong>t weniger Helden zu sein<br />
alls Winkelriedt und Däll, wel<strong>ch</strong>es sey au<strong>ch</strong> zur Geniege<br />
bewisen und erzeigt haben, denno<strong>ch</strong> aber bey allen ihren<br />
unsterbli<strong>ch</strong>en Heldendatten ni<strong>ch</strong>ts gewonen sondren unaussprä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
viel verloren; denn es wäre kein lei<strong>ch</strong>te Arbeit,<br />
etwan sybenzig oder a<strong>ch</strong>tzigdusend wolgeiebten Franken<br />
Wiederstand zu tun. Denn die Armee, wel<strong>ch</strong>e die Franken<br />
in der S<strong>ch</strong>weitz hatten, wäre no<strong>ch</strong> beynahe 100 dusend<br />
Man stark, wel<strong>ch</strong>e der neuen Regierung bey allen Enperungen<br />
Hilf leisten solten. Na<strong>ch</strong>dem jetz, wie droben gemeldet,<br />
die Bewoner von S<strong>ch</strong>witz und Stantz den Byrgereid<br />
ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>weren Volten, au<strong>ch</strong> die von Stantz den<br />
Stathalter beinahe gededet hätten und der Regierung auf<br />
frintli<strong>ch</strong>e Vermanungen kein Geher gäben wolten, so wäre<br />
die Regierung getrungen, dem Gänerall S<strong>ch</strong>auenburg den<br />
Austrag zu ma<strong>ch</strong>en, die Rebällen mit gewerter Hand zum<br />
Gehorsam zu bryngen. Der Gänerall S<strong>ch</strong>auenburg ließe<br />
hierauf seyne Truppen gägen die unglikli<strong>ch</strong>en Orts<strong>ch</strong>aften<br />
anruken: ein Theill kamen das Land von Bären herauf<br />
und über den Brienig, viele kamen dur<strong>ch</strong> das Entlibu<strong>ch</strong><br />
über den Sattel und über den Seerenberg, die greßte<br />
Kriegsma<strong>ch</strong>t samlete si<strong>ch</strong> bey Luzären. Als jetz die von<br />
S<strong>ch</strong>witz die große Uberma<strong>ch</strong>t sahen, haben si<strong>ch</strong> sälbege auf<br />
Gnade und Ungnade ubergäben. Jetz lag aller Last des<br />
Kriegs einzig auf dem unglikli<strong>ch</strong>en Districkt Stantz; diese<br />
*) Der Kapuziner P. Styger von Rothenturm, streitbarer<br />
Feldprediger der S<strong>ch</strong>rvyzer.
Die S<strong>ch</strong>reckenstage von Nidwalden 39<br />
aber woltten si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> gar ni<strong>ch</strong>t ergäben. Der Gänerall<br />
S<strong>ch</strong>auenburg ließe also seine Trupen zuerst gägen dem<br />
Dra<strong>ch</strong>enkäppeli anruken; die Stantzer stellten si<strong>ch</strong> zur Gägenrver,<br />
mer als die Franken geglubt hätten, denn die Stantzer<br />
streckten eine zimli<strong>ch</strong>e Anzall Franken hin, ehe die Franken<br />
nur einen Stanzer sehen kontten; denn die Stantzer mo<strong>ch</strong>ten<br />
mit ihren gezognen Gerverren die Franken auf eine unglubli<strong>ch</strong>e<br />
Weite errei<strong>ch</strong>en, auf wel<strong>ch</strong>e sey aus denen Weldren<br />
ein starkes Feur ma<strong>ch</strong>ten. Weil aber die Attake erst na<strong>ch</strong>mittag<br />
anfing, so ents<strong>ch</strong>ied dieser Tag ni<strong>ch</strong>ts; denno<strong>ch</strong><br />
sahen die Franken, daß ihr sänli<strong>ch</strong>er Wuns<strong>ch</strong> gutgelingen<br />
rvoltte; denn die Franken haben ser gewins<strong>ch</strong>et, daß sy<strong>ch</strong><br />
die Stantzer nur werten, damit sey*) tapfer plindren<br />
tonten. Es hat aber bey dem Spas des Plindrens<br />
man<strong>ch</strong>er brafe Franke vergäßen, denn morgens fru<strong>ch</strong><br />
wurden die Stantzer aller Ortten angegrifen. Die Franken<br />
su<strong>ch</strong>ten in S<strong>ch</strong>yffen über den See zu komen, die Stantzer<br />
ließen die Franken ni<strong>ch</strong>t landen, sondren ri<strong>ch</strong>teten ihre<br />
S<strong>ch</strong>ife zu Grunde. Die Stantzer hatten zwelf Stuk, wel<strong>ch</strong>e<br />
sey auf die geserli<strong>ch</strong>sten Posten verdeilt haten. Es wereten<br />
si<strong>ch</strong> die Weiber und Kinder so beispillos wie die Männer,<br />
ja es stellen die Mäner näbben ihren Weibren, desglei<strong>ch</strong>en<br />
die Weyber näben ihren Mänern, die Brut an der Seitten<br />
des Breitigams, die Kinder näben ihren Eltren, alle mit<br />
den Wasen in den Henden soll Heldenmuth dahin und<br />
wyH<strong>ch</strong>ten ihren Geliebten no<strong>ch</strong> sterbend Glick und Sig.<br />
7^ Franken zwar fiehlen ni<strong>ch</strong>t nur einer hier der ander<br />
dort, nem diese fiehlen gantzer S<strong>ch</strong>aren dott darnider,<br />
worüber die Franken so bes<strong>ch</strong>emt wurden, daß sie ihre<br />
Dotten in großer Anzall in die nä<strong>ch</strong>sten Heußer und<br />
S<strong>ch</strong>eiren s<strong>ch</strong>leppten und den alles mit einandren verbrenten.<br />
Der Kampf war hart, die Franken waren ihrer<br />
verri<strong>ch</strong>ten großen Heldendatten bewußt, wolten einer<br />
Handfohl Buren ni<strong>ch</strong>t gären den Kampfblatz uberlaßen.<br />
Die Stantzer hingägen strytten für ihr Guth und Bluth,<br />
Freyheit und Lüben. Der Streit wärte den gantzen Tag;<br />
die Franken ma<strong>ch</strong>ten aus S<strong>ch</strong>eiren Fleße und su<strong>ch</strong>ten daruf<br />
über den See zu komen; die Stantzer zersterten dur<strong>ch</strong> die<br />
gutte Ri<strong>ch</strong>tung ihrer Kanonen dieselben gar lie<strong>ch</strong>t. Die<br />
Franken ruckten indessen jelenger je sterker gägen dem<br />
*) Die Franzosen.
40 Zerstörung von Stans<br />
Traken-Moos an; die Stanzer mußten entli<strong>ch</strong> der Uberma<strong>ch</strong>t<br />
anfangen zu wei<strong>ch</strong>en, bis entli<strong>ch</strong> die Franken mit<br />
stirmender Hand in das unglikli<strong>ch</strong>e Stanzeres<strong>ch</strong>e Dorf Bu<strong>ch</strong>s<br />
eindrangen und dassälbige anzindeten. Die Stanzer riterierten<br />
si<strong>ch</strong> entli<strong>ch</strong> auf die Dä<strong>ch</strong>er ihrer Heuser, ob dieselben<br />
s<strong>ch</strong>on in sollen Feurflamen stunden, und feurenten no<strong>ch</strong> in<br />
greßter Wuth auf die Franken herab. Ja die Wuth und<br />
Verzweiflung war so ho<strong>ch</strong> bei den Stanzeren, daß sey<br />
no<strong>ch</strong> ab denen Hausdä<strong>ch</strong>ren herab auf die Franken s<strong>ch</strong>oßen,<br />
ob man sey glei<strong>ch</strong> vor dem Ru<strong>ch</strong> und Flamen ni<strong>ch</strong>t mer<br />
sähen konte. Als jetz die Stanzer sahen, daß die Franken<br />
albereit in Bu<strong>ch</strong>s eingetrungen waren und no<strong>ch</strong> allerorten<br />
mit fris<strong>ch</strong>en Trupen untterftitzt wurden, sint die meisten<br />
fli<strong>ch</strong>tig dafon komen und haben das unglikli<strong>ch</strong>e Stantz<br />
dem sighaften fränkes<strong>ch</strong>en Her uberlaßen. — I<strong>ch</strong> mag<br />
der Mens<strong>ch</strong>heit die Greuel ni<strong>ch</strong>t erzellen, wel<strong>ch</strong>e die<br />
Franken daselbst begangen haben; ja mein ganzes Härtz<br />
enpert si<strong>ch</strong>, mein Leib s<strong>ch</strong>udret, die Haare sten mier gen<br />
Berg, an jedem dersälben hanget ein Angsttropfen, und<br />
das so oft mi<strong>ch</strong> meine Gedanken in das vormals so s<strong>ch</strong>ene,<br />
jetz aber so unglikli<strong>ch</strong>e und verwiestete Stantz hinderen;<br />
denn die Soldaten waren dergestalten in Raserey, daß<br />
die sälbigen von ihren Haubtleuten ni<strong>ch</strong>t gestillent würden<br />
kontten. Man sähe hier die s<strong>ch</strong>uderhaftes<strong>ch</strong>ten Auftryte; es<br />
waren Miettren, wel<strong>ch</strong>e mit ihren getedeten, no<strong>ch</strong> blutenden<br />
Seiglingen vol Verzweiflung davon flohen; andere uns<strong>ch</strong>uldige<br />
Kinder sähe man, wel<strong>ch</strong>e no<strong>ch</strong> an den Bryften<br />
ihrer doten Muter sugten. Etli<strong>ch</strong>e Soldaten begniegten si<strong>ch</strong><br />
damit, um Kinder in das Feuhr zu warfen; in Suma,<br />
es war ni<strong>ch</strong>t darum zu thun, alles na<strong>ch</strong> seynem gottlosen<br />
Willen zu verri<strong>ch</strong>ten, nein, es war darum zu thun, etwas<br />
Unmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es zu erdenken und sälbiges mit Freuden auszuleben.<br />
Die Stanzer wurden also genetiget, die Konftituzion<br />
wiederum anzunemen.<br />
(Fehlt eine Zeile ^abgerissene im Manuskript.)<br />
Crla<strong>ch</strong> *) nebst andren Emigrantten ließen indessen ni<strong>ch</strong>ts<br />
ermangeln, den remis<strong>ch</strong>en Keiser in Helfetzien zu (rufen?)—;<br />
au<strong>ch</strong> wurde der Keiser von denen Pintneren zu Behaubtung<br />
dar Neuttralitedt um Hilf angerufen. Der Keiser besetzt<br />
hierauf Binten mit Truppen. Die Franken besezten Ury<br />
*) Für: v. Steiger?
Krieg von 1799 41<br />
und bis Urs<strong>ch</strong>elen hinauf. Seye bra<strong>ch</strong>ten a<strong>ch</strong>t Stuk grobes<br />
Gös<strong>ch</strong>itz bis Urs<strong>ch</strong>elen hinauf. Die französis<strong>ch</strong>e Linie rei<strong>ch</strong>te<br />
jetz eine ungeheure Weite, nemli<strong>ch</strong> aus Holland dem Rhein<br />
hinauf dur<strong>ch</strong> Helfetzien und Jtallien bys an das mittellendes<strong>ch</strong>e<br />
Meer; In dieser Stellung waren sowol der Keyser<br />
als die Franken den Winter ruhwig, aber im Frieling<br />
wurde der Krieg wieder (Fehlt eine Zeile)<br />
wieder fort gesetzt. Der französis<strong>ch</strong>e Generali Jourdan<br />
versamlete seine Arme bey Strasburg, Gäneral Massena<br />
bey Sant Gallen, Gänerall S<strong>ch</strong>ärrer in Italien.<br />
Die Keiserli<strong>ch</strong>en versamleten si<strong>ch</strong> bey Kur und dem<br />
Kloster Disentis. Gäneral Jourdan ereffnete zuerst den<br />
Fältzug für diesers 1799 Jar; er zog bey Strasburg<br />
über den Rhein. Seine Armee nähme den Namen an<br />
Danauarmee. Er ruckte wie ein unaufhaltsamer Strom<br />
den Rhein hinauf; die keiserli<strong>ch</strong>en Belker vermo<strong>ch</strong>ten ihm<br />
keinen Widerstand zu thun. Während dieser Zeit griffe<br />
Gäneral Massena die vereinigten Keiserli<strong>ch</strong>en und Pintner,<br />
wel<strong>ch</strong>e bey dem Stetli Kur und da herum ihre Stellung<br />
hatten, mit Ungestiem an. Die Buren aus Vinten waren<br />
greßtendeils mit Briglen (Prügeln) anstadt mit Bi<strong>ch</strong>sen<br />
bewafnet; — diese aber haben üben ni<strong>ch</strong>t große Heldendaten<br />
vollbra<strong>ch</strong>t, denn sie haben der Franken ungeftiemen<br />
Angrif ni<strong>ch</strong>t lang erdulden kennen, sondern ihre Brygell,<br />
mit wel<strong>ch</strong>en sälbige zuvor so seer gepranget, balt wäg<br />
geworfen und der Hasen Panier ergrifen, daß man seye<br />
bey Kur ni<strong>ch</strong>t meer gesehen. Diesem rühmli<strong>ch</strong>en Exempel<br />
folgeten die Keiserli<strong>ch</strong>en balt na<strong>ch</strong>. Das unglickli<strong>ch</strong>e Bintnerland<br />
stand also denen Franken gantz offen; Massena nahm<br />
es in kurzer Zeit ein. Er war wirkli<strong>ch</strong> bis in Tiroll vorgetrungen,<br />
inzwis<strong>ch</strong>en General Jourdan mit seinen Truppen<br />
bis Pfüllendorf vorgeruckt, alwo ihme Herzog Carll mit<br />
einer seer überlägenen Ma<strong>ch</strong>t begägnete und ihme ein<br />
Träfen listete, wel<strong>ch</strong>es dry Tage in der großen Hitze durete.<br />
Das Glick aber war Jourdan ni<strong>ch</strong>t ginstig; er mußte das<br />
S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tfelt dem heldenmietigen Carl uberlassen und si<strong>ch</strong><br />
zurückziehen, wel<strong>ch</strong>es denno<strong>ch</strong> in der besten Ornung ges<strong>ch</strong>ähe.<br />
Denn die Franken zogen si<strong>ch</strong> nur S<strong>ch</strong>ritt für S<strong>ch</strong>ritt<br />
und allezit fä<strong>ch</strong>tend zurück.<br />
Also kam ein Teil von der stenkes<strong>ch</strong>en Armee bey<br />
S<strong>ch</strong>afhusen über den Rhein zuruck in Helvetzien, ein Teil
42 Geplante Mordna<strong>ch</strong>t<br />
Key Basel, Jourdan mit dem Hauptheer na<strong>ch</strong> Strasburg,<br />
alroo er krenkli<strong>ch</strong> ankam und das Obercomando niderlegte,<br />
wel<strong>ch</strong>es der Untter Gäneral Massena ubernam. — Dieser<br />
unglickli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>lag, wel<strong>ch</strong>er den Jourdan betrafen, setzte<br />
den Massena, wel<strong>ch</strong>er no<strong>ch</strong> in Winten stand, in große<br />
Verlegenheit, denn das Unglick hatte in dieser Zeit die<br />
frenkes<strong>ch</strong>e Armee, wel<strong>ch</strong>e Gäneral S<strong>ch</strong>ärer in Italien comendiert,<br />
au<strong>ch</strong> seer getrofen. Massena wäre also in greßter<br />
Gefar, von denen Keiserli<strong>ch</strong>en und iren Verbinten, den<br />
Rußen, umringet (zu) würden; er name indessen einen<br />
s<strong>ch</strong>nellen Ruckzug bis Santgallen, alwo er eine feste Stellung<br />
nam. — Diesers so manigfaltige Unglick der Franken<br />
ma<strong>ch</strong>te ihren Misginstigen in Helvetien, wel<strong>ch</strong>e no<strong>ch</strong> immer<br />
in großer Anzahl waren, von neuem Muth, abermal eine<br />
neue Emperung anzuspinnen; denn die hers<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>tigenByrger<br />
in den Steten, wel<strong>ch</strong>e vorher alle Regierung in Henden<br />
hatten, konten die Verendrung der Dinge ni<strong>ch</strong>t wohl ertragen.<br />
Man merkte zwar wol, daß es um eine algemeine<br />
Emperung zu thun wäre; denn es waren hier im Hasle-<br />
Land au<strong>ch</strong> mehrere Personen, wel<strong>ch</strong>e mit um die Sa<strong>ch</strong>e<br />
wußten. Es sotten nemli<strong>ch</strong> auf die erste Na<strong>ch</strong>t im Monat<br />
May alle Franken in ihren Quatieren uberfallen und ermordet<br />
werden*). Aber dur<strong>ch</strong> die unermiedete Wa<strong>ch</strong>tsamkeit<br />
der Franken wurde der Plan endeckt und viele der<br />
Redlesführer gefangen na<strong>ch</strong> Frankri<strong>ch</strong> gefiert. Dieser so<br />
s<strong>ch</strong>nelle Zufall setzte zwar die Rebellen in Verwirrung;<br />
denno<strong>ch</strong> waren etli<strong>ch</strong>e Orts<strong>ch</strong>aften dermaßen unglikli<strong>ch</strong>,<br />
daß seye gegen die Franken die Wafen ergrifen, als<br />
nämli<strong>ch</strong> die Walleser, die von Uhry, S<strong>ch</strong>witz und Glaris;<br />
au<strong>ch</strong> in unserem Kanton waren sol<strong>ch</strong>e Thoren, fürnemli<strong>ch</strong><br />
die stolzen Sybentaller, die von Spietz, As<strong>ch</strong>e und von<br />
Frutigen, wy au<strong>ch</strong> die Helden aus Grindelwalt ohne<br />
Unders<strong>ch</strong>eid ausgezogen und hatten derer von Hasli in<br />
Untersewen gewarttet. Die von Hasli aber wollten si<strong>ch</strong><br />
in ein so witaussehendes und geferli<strong>ch</strong>es Ges<strong>ch</strong>eft so li<strong>ch</strong>t<br />
ni<strong>ch</strong>t mis<strong>ch</strong>en, obgli<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>e unruhwige und verlumppete<br />
Kepfe die Sa<strong>ch</strong>e von einer gar ni<strong>ch</strong>t geferli<strong>ch</strong>en Seite<br />
zeigten und sy<strong>ch</strong> versamleten. Der Kaspar Brog von<br />
*) Dazu eine beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e Anzahl von „Patrioten". Die Erinnerung<br />
an eine große Mordna<strong>ch</strong>t, d. h. an den Plan, hat si<strong>ch</strong><br />
no<strong>ch</strong> lange erhalten.
Aufruhr im Oberland 43<br />
Hausen ^), wel<strong>ch</strong>er s<strong>ch</strong>on erwelter Haubtman där Rebällen<br />
wäre, kam das Land von Äs<strong>ch</strong>e herauf, um seine Truppen<br />
zu versamlen; aber er wurde in Brientz als verdä<strong>ch</strong>tig in<br />
Gefangens<strong>ch</strong>aft gesetzt. Wärend dieser Zeit ist die Zeit zu<br />
einer großen Unternemung verloffen und die von Hasli zu<br />
ihrem greßten Glik ni<strong>ch</strong>t wieder die Franken ausgezogen.<br />
Als die aus Grindelwalt sahen, daß die von Hasli ni<strong>ch</strong>t<br />
komm woltten, haben sey an där gantzen Sa<strong>ch</strong>e verzweiflet<br />
und sint also stils<strong>ch</strong>weigend wiederum abgezogen. Die von<br />
Spietz, Äs<strong>ch</strong>e, Frutigen und Sybendall waren weit mer<br />
unglikli<strong>ch</strong>, denn diesälbigen versamleten si<strong>ch</strong> mit ihren<br />
verlumppeten Gänerallen auf der Thunalment und sahen<br />
ser kriegeris<strong>ch</strong> aus. Där Cantonsstathaltter Joneli, wel<strong>ch</strong>er<br />
seinen Sitz in Thun hatte, s<strong>ch</strong>ikte ihnen etli<strong>ch</strong>e Comppagneien<br />
von dänen helvetis<strong>ch</strong>en Legiohnen entgegen, wozu<br />
no<strong>ch</strong> etwan zähen oder zwelf reitende Franken kamen.<br />
Diese grifen die Rebellen hertzhaft an; die Rebellen stelten<br />
si<strong>ch</strong> zur Gägenwer; där Streit wäre lä<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong>; balt flohen<br />
diese, balt jene; denno<strong>ch</strong> wärte der Streit den gantzen<br />
Tag; es wurden etli<strong>ch</strong>e blesiert und etli<strong>ch</strong>e gededet. Als<br />
aber in der folgenden Na<strong>ch</strong>t die von der Legion no<strong>ch</strong> mit<br />
etli<strong>ch</strong>en Franken und etwas Landtruppen versterkt wurden<br />
und die Rebellen es gemerkt, glubten seye jetz Ehre genug<br />
erftriten zu haben; denn sey meinten, sey hätten albereit<br />
mit Saul dusend und mit Dafit zähen dusend ges<strong>ch</strong>lagen<br />
und sint in aller Stille ein jeder heim ges<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en. Die<br />
Franken, wel<strong>ch</strong>e der Regierung von Massena wärend der<br />
Zit zu Hilf ges<strong>ch</strong>ikt, mit samt den Legiohnen folgeten ihnen<br />
auf dem Fuhße na<strong>ch</strong> und namen alles, was sey untter<br />
dänen Wasen fanden, gefangen, wel<strong>ch</strong>e als Soldaten untter<br />
dänen Helfetis<strong>ch</strong>en Legiohnen dienen muhßten, — eine lä<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong>e<br />
Strafe für sol<strong>ch</strong>e unruwige Kepfe^).<br />
Alle diese Enperungen setzten den Gäneral Massena<br />
etli<strong>ch</strong>er maßen in Verwirrung; denn ob er gli<strong>ch</strong> wol sähe,<br />
daß der S<strong>ch</strong>weitzer Tapferkeit seer gelämt wäre, so stand er<br />
denno<strong>ch</strong> in steten Sorgen, die unruwigen S<strong>ch</strong>weitzer kenten<br />
ihm einmal einen besen Strei<strong>ch</strong> thun. Er, Massena, wäre<br />
deils von den Efterri<strong>ch</strong>eren, deils dur<strong>ch</strong> die unruwigen<br />
S<strong>ch</strong>weitzer genetiget, sein Hauptlager bei Santgallen zu ver-<br />
') Bei Meiringen. . ^ ^ ^ ^<br />
über den Aufruhr vom Fühlmg 1799 vergl. Anhang.
laßen und si<strong>ch</strong> teifer in Helfetzien zu lassen; name also seine<br />
^temng auf denen Bergen um die Stadt Züri<strong>ch</strong>, alwo er<br />
si<strong>ch</strong> auf das sterkeste vers<strong>ch</strong>anzete. Dur<strong>ch</strong> diesen Rückzug der<br />
Franken wurden die Esterri<strong>ch</strong>er dermaßen hertzhast, grifen<br />
die Franken auf der ganzen Linien aus Italien bis na<strong>ch</strong><br />
-Lasel an. Die Franken mußten allerorten wei<strong>ch</strong>en, denn die<br />
Nußen untter Comando des tapferen Gänerall Suwarou<br />
verewiget mit dänen Teudts<strong>ch</strong>en, erftirmten eine S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t<br />
na<strong>ch</strong> der andren. Die unbezwingbare Veftung Mantua<br />
wurde den Franken au<strong>ch</strong> wieder abgenomen, weillen Suwaru<br />
elb:ge dur<strong>ch</strong> Hungersnoth bezwungen. Die Deuts<strong>ch</strong>en namen<br />
sowoll Un alls Walles in Besitz; die Franken besetzten<br />
hierauf unser Land') mit Trupen. Es käme eine Compagney<br />
na<strong>ch</strong> Gatmen und zwey Compagnien na<strong>ch</strong> Guthdannen.<br />
Weillen aber die von Gatmen die Einauatieruna<br />
der Franken ni<strong>ch</strong>t wol leiden konten, so wurde denen<br />
Deuts<strong>ch</strong>en von denen Buren von Gatmen zu ihrem und<br />
der Franken S<strong>ch</strong>aden alles endeckt. Es kamen also in einer<br />
Uta<strong>ch</strong>t bei fünf hundert teuts<strong>ch</strong>er Soldaten na<strong>ch</strong> Gatmen,<br />
Franken, wel<strong>ch</strong>e daselbst postiert waren gefanaen,<br />
ers<strong>ch</strong>ossen einen Buren von Gatmen, berubten die semtli<strong>ch</strong>en<br />
Emwoner und zogen si<strong>ch</strong> zuruk. Die von Gatmen merkten<br />
also, was sey bey der Verreterey der Franken gewonen<br />
dewi es wurden ihnen jetz zwey Eompagneien einauatiertau<strong>ch</strong><br />
wu^e das gantze Land mit drei Dusend und drei<br />
hundert Man besetzt. Wir von Nessendall mußten au<strong>ch</strong><br />
eine Compagnei emquatieren. Indessen stand man in<br />
^ ^ Dmgen. die da komen sollten. Denn<br />
d e Reballen wms<strong>ch</strong>eten die Deuts<strong>ch</strong>en; sey meinten, wenn<br />
die Franken ges<strong>ch</strong>lagen würden, daß sey alsdan die stillen<br />
und ruhwigen Landleute mishandlen kenten. Als man<br />
Lo<strong>ch</strong>en in einer sol<strong>ch</strong>en Ungewißheit gestanden,<br />
grifen die Franken unvermuttet zu denen Wasen; denn<br />
? ^3 unter Comando des Generalen<br />
^os<strong>ch</strong> ) aus die se<strong>ch</strong>s Dusend Man Franken na<strong>ch</strong> Gatmen<br />
Oberhasli.<br />
-) General Loison, der am 14. August 1799 mit seinen<br />
m ernem gewaltigen Mars<strong>ch</strong>e bei bösem Wetter<br />
und^Ä^Ä vou En^elberg über den Jo<strong>ch</strong>paß ins Gadmental<br />
^ ^^rden Susten ms Meyental gelangte und am folgenden<br />
Tag d:e berühmte Meyens<strong>ch</strong>anze bei Wasen erstürmte.
Gebirgskrieg. Erstürmung der Meiens<strong>ch</strong>anze 45<br />
und bey sieben Dusend untter Generall Guidan') na<strong>ch</strong><br />
Guthdanen. Indessen wurde alle Mans<strong>ch</strong>aft im gantzen<br />
Lande in starki Requisition genomen, um Stuck, Munzion<br />
und Lebensmittel über das Gebürg hinüber zu bringen.<br />
Unser zweiundfierzig Man waren bestimt, zwei Stuk samt<br />
dazugehöriger Munzion über den Sustenberg zu tragen,<br />
wel<strong>ch</strong>es eine miesame und ser geferli<strong>ch</strong>e Arbeit wäre, denn<br />
wier mußten die Stuk bis auf die Paterey tragen,<br />
wärend der Zeit eine starke Atake von den Franken auf<br />
die Keiserli<strong>ch</strong>en gema<strong>ch</strong>t worden. Der Keiserli<strong>ch</strong>en waren<br />
in der S<strong>ch</strong>anze bey finfhundert Man, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> in diesem<br />
festen Orte wie die Teufel werkten, denn ihnen käme ni<strong>ch</strong>t<br />
nur die feste S<strong>ch</strong>antze zu statten, sondren selbst die Natur<br />
hate daselbst einen dermaßen festen Ort gebildet, denn der<br />
Berg, wel<strong>ch</strong>er zur rä<strong>ch</strong>ten Hand liegt, ist unersteigli<strong>ch</strong> ho<strong>ch</strong>,<br />
woruf die Keiserli<strong>ch</strong>en postirt warren und große Steine<br />
auf die Franken herabrolten, wofon seer viele gedetet<br />
wurden; au<strong>ch</strong> hatten die Keiserli<strong>ch</strong>en etli<strong>ch</strong>e Kanonen in<br />
der S<strong>ch</strong>antze. Dessen alles ungea<strong>ch</strong>tet bestirmten die Franken,<br />
wel<strong>ch</strong>e ungefehr se<strong>ch</strong>sdusend Man stark warren, diesen fast<br />
unuberwintli<strong>ch</strong>en Ort mit ihrem gewenli<strong>ch</strong>en Leuenmuth<br />
in der greßten Hitze. Der Kampf war hart; es fielen<br />
viele Franken, denno<strong>ch</strong> setzten sey imer mit neuer Wuth<br />
an, bis die Franken entli<strong>ch</strong> in die S<strong>ch</strong>antze hinein sprangen,<br />
woruf die Keiserli<strong>ch</strong>en das Hasenpanier aufsteckten und die<br />
S<strong>ch</strong>antze nebst ihren Kanonen den siegenden Franken uberließen.<br />
Die Franken haben dreyunda<strong>ch</strong>zig Keiserli<strong>ch</strong>e gefangen;<br />
d:e ubngen haben sey wie Heus<strong>ch</strong>reken hinauf<br />
na<strong>ch</strong> Urs<strong>ch</strong>elen gewben, denn daselbst hatten sey das Haubtlager,<br />
au<strong>ch</strong> hatten si<strong>ch</strong> alle Buren von Uhri mit ihren<br />
Habseligkeitten na<strong>ch</strong> Urs<strong>ch</strong>elen, als einen unuberwintli<strong>ch</strong>en<br />
Ort, gefli<strong>ch</strong>tet^). Weylen aber die Keiserli<strong>ch</strong>en sowol untten<br />
1) Gudin. Über ihn und die Kämpfe auf der Grimsel vergl.<br />
R. Günther: Der Feldzug der Division Lecourbe<br />
im s<strong>ch</strong>weizeris<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>gebirge 1799, 116 ff.<br />
2) Es ist niHt uninteressant, die S<strong>ch</strong>ilderung des Augenzeugen<br />
Weißenfluh mit dem offiziellen Rapport des franz. Obergenerals<br />
zu verglei<strong>ch</strong>en. Massöna beri<strong>ch</strong>tet an das Direktorium:<br />
„I<strong>ch</strong> hatte dem General Loison befohlen, mit der 109. Halbbrigade<br />
und vier Grenadier Compagnien dur<strong>ch</strong> das Gadmental<br />
na<strong>ch</strong> Wasen im Urserental vorzudringen. — Na<strong>ch</strong> einem langen<br />
und bes<strong>ch</strong>werli<strong>ch</strong>en Mars<strong>ch</strong>e auf vers<strong>ch</strong>neiten und vereisten Pfa-
46 Zweite S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t bei Züri<strong>ch</strong><br />
im Walles, auf der Grimsel und auf der Furken angegryfen<br />
worden, mo<strong>ch</strong>ten die Keiserli<strong>ch</strong>en denen Franken<br />
keinen Widerstand thun. Die Keiserli<strong>ch</strong>en wurden über den<br />
Gothart zuruk getrengt und die Franken bis Jerels (Airolo)<br />
vorgerukt. Jetz attmete man im Hasleland etwas freier;<br />
aber um Ziri<strong>ch</strong> zogen si<strong>ch</strong> die s<strong>ch</strong>warzen Wolken je mer<br />
zusamen. Als aber die Franken teifer am Rhein, nemli<strong>ch</strong><br />
unter Straßburg, über den Rhein getrungen und die<br />
Deuts<strong>ch</strong>en ges<strong>ch</strong>lagen, so mußte Herzog Karel mit einem<br />
Teill seiner Armee Ziri<strong>ch</strong> verlassen, um den esterri<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />
Erblanden zu Hilfe zu eillen. Kum hatte Karel mit einem<br />
Teill seiner Armee Ziri<strong>ch</strong> verlassen, so grif Massena die<br />
vereinigten Rußen und Keiserli<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e bey Ziri<strong>ch</strong><br />
standen, hertzhaft an. Die Keiserli<strong>ch</strong>en und Rußen mußten<br />
den konnte dieser General erst am Abend des 27. (Thermidor)<br />
^ ^SHanze gelangen, wel<strong>ch</strong>e den Zugang zum Reußtale<br />
deckt. Dieses Werk, ein gemauertes und ausgebessertes Se<strong>ch</strong>seck,<br />
bildet ein unüberwindli<strong>ch</strong>es Hindernis und s<strong>ch</strong>ließt das Tal vollständiaab,<br />
da es si<strong>ch</strong> auf der einen Seite über Abgründen an die<br />
wilde Mayen, auf der andern Seite an steile Felswände anlehnt.<br />
Es wurde dur<strong>ch</strong> vierhundert Mann und zwei Ges<strong>ch</strong>ütze verteidigt.<br />
So war das Hindernis bes<strong>ch</strong>affen, das die Eolonne Loison zu<br />
überwinden hatte. Er mußte mögli<strong>ch</strong>st ras<strong>ch</strong> ins Reußtal vordringen,<br />
um si<strong>ch</strong> mit der 38. zu vereinigen und den Angriff des<br />
Generals Gudin auf den Gotthard zu unterstützen. — Die Na<strong>ch</strong>t<br />
und d:e Ermüdung seiner Truppen zwangen ihn, die Erstürmunq<br />
des Wi<strong>ch</strong>tigen Postens auf den nä<strong>ch</strong>sten Tag zu vers<strong>ch</strong>ieben.<br />
Am Morgen des 28. verlangten sämtli<strong>ch</strong>e Manns<strong>ch</strong>aften den<br />
Sturm. Die Grenadiere bewiesen eine beispiellose Kühnheit; da<br />
aber auf dem einzigen gangbaren Weg zum Fort die vorrückenden<br />
Truppen si<strong>ch</strong> für einige Zeit dem feindli<strong>ch</strong>en Artillerie- und Kleingewehrfeuer<br />
aussetzen mußten, erlitten sie starke Verluste. Die<br />
S<strong>ch</strong>anze wurde samt den beiden Ges<strong>ch</strong>ützen erobert, und man<br />
ma<strong>ch</strong>te 2—300 Gefangene.<br />
Die Haltung der Grenadiere war bei dieser Gelegenheit über<br />
legli<strong>ch</strong>es Lob erhaben; alle Offiziere und Soldaten der 109. haben<br />
den größten Mut bewiesen; der Brigade-Chef Houpert, der Va°<br />
taillons-Chef Du<strong>ch</strong>et, der Grenadier-Hauptmann Langlois und<br />
der Lieutenant Lancereau haben si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> ihre Tapferkeit hervorgetan;<br />
die Jäger-Compagnie vom 2. Leman hat si<strong>ch</strong> ausgezei<strong>ch</strong>net.<br />
— Unsere Verluste betragen zwanzig Tote, darunter<br />
drei Offiziere, und ungefähr se<strong>ch</strong>zig Verwundete."<br />
Moniteur XXIX, 791.)<br />
In einem andern zeitgenössis<strong>ch</strong>en Beri<strong>ch</strong>t (Helvetis<strong>ch</strong>e Ereignisse<br />
»>^hrhundert) lesen wir: Im Oberhasli waren in der<br />
Mitte August 1799 se<strong>ch</strong>s- bis siebentausend Franken. Die Kolonne
Suwarow am Gotthard 47<br />
der Franken Tapferkeit wei<strong>ch</strong>en; General! Hotz, ein geborner<br />
Zir<strong>ch</strong>er, wel<strong>ch</strong>er unter seinem Comando die Rußen<br />
gantz niederträ<strong>ch</strong>tig in sein Vaterland gefiert, wurde getedet.<br />
Die Rußen und Keiserli<strong>ch</strong>en wurden gäntzli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>lagen.<br />
Ein Teil der Rußen würfen si<strong>ch</strong> in Ziri<strong>ch</strong>, alwo<br />
sey von den Franken blokiert wurden; die Übrigen wurden<br />
mit großer Niderlag über den Rhein und gantz aus der<br />
S<strong>ch</strong>weitz getriben.<br />
Als General Suwarau, wel<strong>ch</strong>er mit einem zimli<strong>ch</strong>en<br />
Kor Rußen inzwis<strong>ch</strong>en bey Meiland stand, vernomen, daß<br />
die Rußen in Ziri<strong>ch</strong> einges<strong>ch</strong>loßen, wollte er ihnen zu<br />
Hilfe eillen; grife die Franken, wel<strong>ch</strong>e Jerels mit finfhundert<br />
Man besetzt hatten, mit dänen fier und zwanzig<br />
Dusend Man, wel<strong>ch</strong>e Suwarau bey si<strong>ch</strong> hatte, an. Die<br />
Franken werten si<strong>ch</strong> tapfer, denn dieselben werten si<strong>ch</strong> in<br />
unter General Loison zog dur<strong>ch</strong> das Gadmenthal. Ein Augenzeuge<br />
s<strong>ch</strong>reibt: „Alles war unter den Franken eine Seele, eine<br />
Stimme, ein Wuns<strong>ch</strong>, bald den Feind zu errei<strong>ch</strong>en; der Weg<br />
über das Gebirg na<strong>ch</strong> Meyen wird selten betreten; er ist so steil,<br />
so zerrissen, so mit Abgründen besetzt, daß i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t erinnere,<br />
je einen für<strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>eren Bergweg gesehen zu haben. Die Bauern<br />
im Gadmenthal versi<strong>ch</strong>erten, daß no<strong>ch</strong> nie Pferde hinübergeführt<br />
worden seyen. Aber die Franken überwanden alle S<strong>ch</strong>wierigkeiten:<br />
die wackern S<strong>ch</strong>arfs<strong>ch</strong>ützen vom Waadtland zogen voran, zwei<br />
Kanonen wurden auf den A<strong>ch</strong>seln getragen und wo es ni<strong>ch</strong>t ging,<br />
Stricken von Klippen zu Klippen hinaufgewunden. Glückli<strong>ch</strong><br />
erri<strong>ch</strong>ten die Truppen die Berghohe, fanden den Feind, überras<strong>ch</strong>ten<br />
ihn; der si<strong>ch</strong> m S<strong>ch</strong>recken zurückzog und bey Meyen unter<br />
seinem Retramhement, wo Kanonen stunden, festsetzte. Hier war<br />
der Kampf s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>. Das Blut der französis<strong>ch</strong>en Grenadiere<br />
bespritzte den General Loison, der aber unverwundet blieb. Mit<br />
Sturm nahmen die Franken die S<strong>ch</strong>anze ein, ma<strong>ch</strong>ten 140 Mann<br />
gefangen und eroberten zwei Kanonen. Darauf eilten sie na<strong>ch</strong><br />
Wasen; in zwei (?) Stunden waren sie dort; au<strong>ch</strong> hier wurden<br />
sie Meister. — Die Lemaner oder Waadtländer haben si<strong>ch</strong> hier<br />
vortreffli<strong>ch</strong> gehalten".<br />
Von der Grimsel „sandten die Franken 400 gefangene Osterrei<strong>ch</strong>er<br />
na<strong>ch</strong> dem Oberhasli, wo man sie in die Kir<strong>ch</strong>e und auf<br />
freyem Felde in Pfer<strong>ch</strong>e eins<strong>ch</strong>loß. So ausgehungert kamen sie<br />
an, daß sie hastig vers<strong>ch</strong>langen, was man ihnen zu essen gab;<br />
da Brod in jener Gegend rar ist, so speiste man sie Mit Käs".<br />
Jedenfalls bilden die Märs<strong>ch</strong>e und Kämpfe am Susten und<br />
auf der Grimsel besonders glänzende Beweise für die überlegene<br />
Kriegstü<strong>ch</strong>tigkeit der damaligen französis<strong>ch</strong>en Armee, und man<br />
begreift, daß Weißenfluh, der sie bei der Arbeit sah, zu lebhafter<br />
Bewunderung hingerissen wurde.
48 Rückzug der Franzosen<br />
ihrer forteilhaften Stellung so hertzhaft, daß die Rußen,<br />
24,000 Man stark, von dänen 500 Franken drei Tag<br />
lang aufgehalten worden. Als aber eine Kolonien (Colonne)<br />
Keiserli<strong>ch</strong>er den Franken droheten in den Ruken<br />
zu fallen, so mußten die Franken entli<strong>ch</strong> wei<strong>ch</strong>en. Sey<br />
wurden über den Gotthart getrengt; bey Hospitall wurden<br />
die Franken von Rußen in einer Na<strong>ch</strong>t gentzli<strong>ch</strong> umringet;<br />
die Franken aber haben mit ftirmender Hand die Linien<br />
der Rußen gebro<strong>ch</strong>en, da ein Teil der Franken fli<strong>ch</strong>tig<br />
über die Furken und über die Grimsel na<strong>ch</strong> Guthannen<br />
und entli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Nessendall und Gatmen komen. Denn<br />
die Franken wollten über den Sustenberg ziehen und ihren<br />
Cameraden, wel<strong>ch</strong>e von den Rußen na<strong>ch</strong> Urs<strong>ch</strong>elen getrengt<br />
worden, zu Hilfe eilen. Denn die finstre Na<strong>ch</strong>t und die<br />
Verwirrung wäre S<strong>ch</strong>uld, daß die Franken bey Hospitall<br />
getrent worden, da, wie geredt, der eine Teill über die<br />
Furken, der andere aber na<strong>ch</strong> Urs<strong>ch</strong>elen und die Teufelsbrick<br />
getrengt wurden. Die Franken aber mußten aller<br />
ihrer Tapferkeit ungea<strong>ch</strong>tet denno<strong>ch</strong> der Ueberma<strong>ch</strong>t wei<strong>ch</strong>en,<br />
(so) daß die, wel<strong>ch</strong>e über Susten ziehen wollten, zu spet<br />
kamen. Der Vortrab der Franken wäre wirkli<strong>ch</strong> bis Weyßenmad<br />
vorgeruckt; da sey aber merkten, daß die Rußen wirkli<strong>ch</strong><br />
Massen s<strong>ch</strong>on passiert hatten, haben si<strong>ch</strong> die Franken<br />
zurückgezogen. Es sind etli<strong>ch</strong>e Franken bey der Teufelsbrik<br />
blessiert worden; die sind mit etli<strong>ch</strong>en frenkes<strong>ch</strong>en<br />
Marketenter und Soldatenfrauen fli<strong>ch</strong>tig dur<strong>ch</strong> das Meientall<br />
zu Uhri na<strong>ch</strong> dem Sustenberg komen. Diese Unglickli<strong>ch</strong>en<br />
sind unweit der Meienkir<strong>ch</strong>e von etli<strong>ch</strong>en Bewonren<br />
des Meiendals geblindret worden, — zum Unglik des<br />
Meiendals; denn die Franken haben na<strong>ch</strong>mals mit Ungestiem<br />
ihre Tros wieder gefordret. — Diesers Hin- und<br />
Hermars<strong>ch</strong>ieren hat unser Land beynahe ruiniert, denn<br />
die Franken bekamen wegen der Verwirrung keinen Solt,<br />
und mußte man etli<strong>ch</strong>e Dusend Man hier im Land<br />
erhalten.<br />
Wärend der Zit diesers auf dem Gotthart vorgefallen,<br />
haben die Franken die Stadt Ziri<strong>ch</strong> mit Sturm eingenomen,<br />
und bey se<strong>ch</strong>s Dusend Rußen nebst ihrer Kriegskassa<br />
und dem Feldlazaret, au<strong>ch</strong> Tie<strong>ch</strong>er, die gantze Armee<br />
neu zu kleiden, alles fiel den siegenden Franken in die<br />
Hende. Gänerall Suwarau kam erst drey Tag darna<strong>ch</strong>
Suroarorvs Ausgang. Bonaparte Konsul 49<br />
mit seinen Truppen an den Fierwaldstettersee und also<br />
zu spät, seine Cameraden in Ziri<strong>ch</strong> zu ents<strong>ch</strong>itten. Dieser<br />
fatale Strei<strong>ch</strong> setzte die Rußen in große Verwirrung, denn<br />
die Franken hatten jetz den Rußen die Paßage über den<br />
Gothart abges<strong>ch</strong>nitten. Die Rußen mußten si<strong>ch</strong> gägen das<br />
Glarnerland wenden und zogen dur<strong>ch</strong> das Muther Dall,<br />
alwo sey von den Franken umringt worden. Die Rußen<br />
haben si<strong>ch</strong> zwar tapfer gehalten und die Linien der Franken<br />
gebro<strong>ch</strong>en; denno<strong>ch</strong> haben die Russen eine s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>e Niderlag<br />
erlitten. Diesers so manigfaltige Unglik, wel<strong>ch</strong>es die<br />
Rußen in der S<strong>ch</strong>weitz erlitten, und die Bes<strong>ch</strong>impfung,<br />
Wel<strong>ch</strong>e denen Rußen in der Stadt Ankona in Italien von<br />
den Keiserli<strong>ch</strong>en, ihren Verpinten, wiederfahren, waren<br />
die Ursa<strong>ch</strong>, daß der rußis<strong>ch</strong>e Keiser seine Belker wieder<br />
heim berief.<br />
Dieser so glenzende Sig, wel<strong>ch</strong>en Gänerall Massena<br />
in und um Ziri<strong>ch</strong> erfo<strong>ch</strong>ten, wäre für Hevletzien eine Sa<strong>ch</strong><br />
von großer Wi<strong>ch</strong>tigkeit, weillen beynahe die gantze Armee<br />
des Massena auf Kosten der S<strong>ch</strong>weitzer lebte; denn man<br />
wurde der ungebättenen Gesten jetz greßten Deils los.<br />
Denn die Keiserli<strong>ch</strong>en waren dur<strong>ch</strong> dieses so unglikli<strong>ch</strong>e<br />
Trefen und den Abzug der Rußen seer ges<strong>ch</strong>we<strong>ch</strong>t worden<br />
und konnten den Franken keinen Wiederstand thun; denn<br />
sey waren in wenig Tagen eine ziemli<strong>ch</strong>e Weite von den<br />
Grenzen Helfetziens getriben — und wäre zu großer<br />
Fredde der Franken Gänerall Bonaparte au<strong>ch</strong> wieder<br />
aus Egypten na<strong>ch</strong> Frankri<strong>ch</strong> komen. Denn Frankri<strong>ch</strong> wäre<br />
der Zeit wagen dem Barteigeist, wel<strong>ch</strong>er in Paris ruhete,<br />
m emer seer nnsli<strong>ch</strong>en Lage, und die Rebellen in der Vende<br />
setzten die Guthgesinten in For<strong>ch</strong>t und S<strong>ch</strong>recken. Bonaparte<br />
aber wußte die Parteien dur<strong>ch</strong> sein viel geltend Wort<br />
zu versienen; au<strong>ch</strong> war mit den Rebällen in der Vende<br />
ein Wafenstilstand ges<strong>ch</strong>loßen. Die frenkes<strong>ch</strong>en Armeen<br />
wurden auf Befehl Bonapartes beßer underhalten. Als<br />
dieses dermaßen in der Stadt Paris und Helfetzien gehandlet,<br />
erzeigte si<strong>ch</strong> das S<strong>ch</strong>iksal den Franken in Italien<br />
auf einer widrigen Seitten, denn der keiserli<strong>ch</strong>e Gänerall<br />
Melas drengt den frenkes<strong>ch</strong>en Gäneral S<strong>ch</strong>ampionet tägli<strong>ch</strong><br />
zuruk, und mußte Massena mit einem Teill seiner Armee<br />
na<strong>ch</strong> Italien eillen, um wo migli<strong>ch</strong> den Melas in seiner<br />
Laufbahn zu hemmen. Er, Massena, wäre ni<strong>ch</strong>t glickli<strong>ch</strong><br />
v. Weißenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>. 4
in Italien; denn na<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>en für die Franken unaliklick<br />
ausgefalenen Trefen ist Massen« mit 25 Dußend Man<br />
fll<strong>ch</strong>tlg :n dle Stadt Gänewa (Genua) kommen, alwo er<br />
kelserk<strong>ch</strong>en Gänerall Oth auf das engste einae-<br />
Moßen. Drewerl aber von dänen Engellenderen der Merhafen<br />
von Ganava au<strong>ch</strong> blokiert wäre, daß also die Franken<br />
keme Labensmlttel hinein bringen konten, so stelte si<strong>ch</strong> in<br />
der Stadt Ganawa bald eine entzezli<strong>ch</strong>e Hungersnoth ein;<br />
ja, der Hunger lft auf einen so hohen Grat in der Stadt<br />
Ganawa gestlegen, daß dur<strong>ch</strong> Hunger und peftartege Krankhettten<br />
bey fünf und zwanzig Dußend Mens<strong>ch</strong>en wäaqera<br />
t worden Dle Noth der Stadt Gänawa mo<strong>ch</strong>te in-<br />
Konsul Bonaparte ni<strong>ch</strong>t verborgen bleiben<br />
ein Reserfenkoor von<br />
70—80 Dußend Man, um mit demsälben die Stadt<br />
Vortr^ Ma? kam- der<br />
^ n Reserfenarmee unter Anfierung Vonapartes<br />
m, Walles an; fast alle Pfertte und Mulesel in ganz<br />
Helfetzien mußte man hergäben, um Stuk und Muntion,<br />
au<strong>ch</strong> Labensnnttel über das Gebürg zu tragen. Gänerall<br />
Bonaparte giena mit 56 dußend Man Uber dän Sant<br />
-Sernhartsbarg; Gänerall kÄkencourl gieng mit 10 dußend<br />
Man über den Simbelbärg, Gänerall «scclonsw qiena<br />
mit S dußend Man über den Gotthart, Gänerall lurresu<br />
meng mit 19 dußend Man über dän Ron7ceniI DÄ<br />
Samelplatz dar Franken wäre die Stadt Manland Dieler<br />
so unerwartete Zufall setzte die Keiserli<strong>ch</strong>en in Verwirf<br />
Trumen be» ^l°rli<strong>ch</strong>e Gänerall Melas seine<br />
Messandria und Tortona^<br />
allwo die verrumte Felts<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t den 14^ Brä<strong>ch</strong>et<br />
d e r ^ r 7 ^ ^ ^<strong>ch</strong>iksal Italiens zu Gunsfen<br />
Die Felts<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t von Marengo ist eine der areßten<br />
wel<strong>ch</strong>e m dlesem ganzen Krieg vorgefallen, denn die<br />
Franken waren beynahe 100 dußend Man stark, die<br />
Kelserk<strong>ch</strong>en waren 80 dußend Mann; zudem waren die<br />
oeldseltlgen Truppen von den allererfarneften Gänerallen<br />
angeftert. Dle Franken untter Anfiehrung Ponapartes<br />
hab^l denen Kelserli<strong>ch</strong>en die zwey ersten Tage des Trefens<br />
wel<strong>ch</strong>en mleßen; au<strong>ch</strong> am driten Tage wäre die Verzweiflung<br />
und dle Flu<strong>ch</strong>t der Franken algemein. Als der
Marengo und Hohenlinden 51<br />
General! Bonaparte dermaßen in Noth und Engsten gestanden,<br />
ist er von seinem Pfert abgestiegen und sol zu<br />
seinen Adiudanten geredt haben: „Vor uns der siegende<br />
Find, hinder uns der Pofluß ohne Bruken; Gott, wel<strong>ch</strong><br />
ein S<strong>ch</strong>iksal!" — kum waren diese Worte aus seinem<br />
Munde, so käme ein Reutter daher wie vom Wind getragen,<br />
oder plitzs<strong>ch</strong>nel; der bra<strong>ch</strong>te dem Generali Ponaparte<br />
Bots<strong>ch</strong>aft, daß der franzesis<strong>ch</strong>e Gänerall vesaix in<br />
diesem Augenblick mit 18 Dusend Man aus Aegipten<br />
komen und den Keiserli<strong>ch</strong>en in den Ruken gefallen. Auf<br />
diese Worte hat Ponaparte seine Trupen wieder gesamlet<br />
und gägen den Fint gefiert, da entli<strong>ch</strong> die Keiserli<strong>ch</strong>en den<br />
Kampfplatz, wel<strong>ch</strong>er mit doten Lei<strong>ch</strong>namen bedeckt, nebst<br />
80 Canonen den siegenden Franken uberlaßen. Man sagt,<br />
daß in denen drey Tagen — denn so lang het dise Felts<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t<br />
gewärt — bey 18 Dusend, sage a<strong>ch</strong>tzähen Dusend<br />
Mens<strong>ch</strong>en gestorben! Der Gänerall Ve8six ist so s<strong>ch</strong>wär<br />
verwundet, daß er an seinen Wunden gestorben. — Hierauf<br />
hat der Gänerall Melas den Franken einen Wafenstilstand<br />
angebotten, wel<strong>ch</strong>er von dänen Franken angenomen<br />
worden.<br />
I<strong>ch</strong> habe in meiner Erzellung einen Deil der siegenden<br />
Armee der Franken auf den Grentzen Helfetziens verlaßen,<br />
wärend derzeit Gänerall Moreau mit seiner Armee,<br />
wel<strong>ch</strong>e inzwis<strong>ch</strong>en teifer am Rhein gestanden, von der<br />
Stat Straßburg heraufkomen und das Obercomando der<br />
beiden Armeen ubernam. Die Keiserli<strong>ch</strong>en mo<strong>ch</strong>ten den<br />
Franken kernen Widerstand thun; sey wurden tägli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>lagen.<br />
Denn der Ertzherzog Carel hatte die Stelle<br />
nidergelegt und die keiserli<strong>ch</strong>e Armee verlaßen, — worauf<br />
des Carels Bruder, Herzog Johann, zum großen Na<strong>ch</strong>teil<br />
des Keisers zum Obergänerall ernant worden — denn<br />
das wäre eine unbesonnene und unüberlegte Sa<strong>ch</strong>e, einen<br />
so jungen, unerfarnen Man einem untter den Wasen ergrauten<br />
Moreau entgegen zu stellen. Der Ausgang hat<br />
diesers in der S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>e zwis<strong>ch</strong>en diesen beiden Heerfiereren<br />
bey Hohenlinden vorgefallen, zur Genüge bewisen.<br />
Denn der Gänerall Moreau hat den jungen Krieger<br />
der maßen*) irregefiert; denn als Gänerall Moreau<br />
*) Lies: der mäßen -- außerordentli<strong>ch</strong>, über die Maßen.
52 Frieden von I^unöville<br />
Hohenlinden von dem Herzog Johann angegrifen,<br />
hat si<strong>ch</strong> Moreau etli<strong>ch</strong>e Stund zurukgezogen, alrvo er eine<br />
der maßen gute Stellung genomen. Dur<strong>ch</strong> diesen Rukzua<br />
der Franken wurde der junge Krieger unforsi<strong>ch</strong>tig, denn<br />
er glaubte, die Franken werden ihm keinen Widerstand<br />
thun kennen. Ließe also seine Truppen in aller Unordnung<br />
Ae" allem vorteil guth postierten Franken in einem<br />
IA^^^^rerfen. Allein der erfarne Moreau wußte seine<br />
Wendungen so ges<strong>ch</strong>wind zu ma<strong>ch</strong>en, daß die keiserli<strong>ch</strong>e<br />
k ? Franken einges<strong>ch</strong>loßen und bey<br />
c?- ? nebst hundert und a<strong>ch</strong>tzig Eanonen den<br />
ftgenden Franken m die Hende fielen; die Übrigen wurden<br />
genzk<strong>ch</strong> zerstreut. - Dieser fatale Strei<strong>ch</strong> bra<strong>ch</strong>te die<br />
Keiserk<strong>ch</strong>en m Verlegenheit; denn die ganze Armee der<br />
Franken lebte indessen gäntzli<strong>ch</strong> auf Kosten der Esterri<strong>ch</strong>er<br />
der Haubtstat Wien gedrout. Damallen<br />
wäre bey den Keiserli<strong>ch</strong>en guter Rath seer teur; man<br />
wußte mdessen kem Mittel, Esterrei<strong>ch</strong> zu retten, als s<strong>ch</strong>leimgen<br />
Fnden, wel<strong>ch</strong>er von denen Franken angenomen.<br />
Es wurde die Stadt Leünüwili (I^un^ville) dazu bestimt,<br />
dieses witaussehende Ges<strong>ch</strong>eft daselbst wo miali<strong>ch</strong><br />
beyzulegen und dem betrengten Europa wo miali<strong>ch</strong> den<br />
Fnden wider zu geben. Es wurden die Ge anten von<br />
allen Staten Euruppens daselbst versamlet. Helfetzien wäre<br />
m diesem Fnden für eine freie Reppublik erklert. Der<br />
ku<strong>ch</strong>7u1wn7'S°<strong>ch</strong>t»)" ^ d°m Hau- Esterri<strong>ch</strong><br />
«urye Scbiläerung
Helvetis<strong>ch</strong>e Verfassung. Wahlen 53<br />
Gänerall Brun war der Man, wel<strong>ch</strong>er eine neue Ferfaßung<br />
in der S<strong>ch</strong>weitz ordnete; denn die S<strong>ch</strong>weitz mußte<br />
aus Befel der Franken nur ein einziger Stst sein. Denn<br />
vor diesem Krieg war die S<strong>ch</strong>weitz in 13 Kantone und<br />
8 zugewan Orte eingeteilt, wel<strong>ch</strong>e zwar einandren in<br />
Kriegszeitten treuli<strong>ch</strong> beygestanden, bis daß entli<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>e<br />
Stende dur<strong>ch</strong> die Länge der Zeit so ri<strong>ch</strong> worden und<br />
sälbege die ermren Stende mit Vera<strong>ch</strong>tung angesehen, und<br />
ist also der S<strong>ch</strong>weitzer Tapferkeit dur<strong>ch</strong> Rei<strong>ch</strong>tum und<br />
Luxus gelämt worden.<br />
Das Decret, wel<strong>ch</strong>es der französis<strong>ch</strong>e Gäneral Brun<br />
na<strong>ch</strong> Hasli s<strong>ch</strong>ikte, befalle, wie man eine neue Oberkeit<br />
bilden solte; diesers mußte also gehen: es mußte si<strong>ch</strong><br />
alle Mans<strong>ch</strong>aft in jedem Lande versamlen, und alsdann<br />
wurden die, wel<strong>ch</strong>e man vor Ges<strong>ch</strong>ickte hielt, vorges<strong>ch</strong>lagen<br />
und von jedem hundert allemal Einer erwelt. Das Land<br />
Hasli erwelte zähen. Der Sammelplatz aller dieser Walmänner<br />
im gantzen Oberland wäre die Stadt Thun; daselbst<br />
wurden selbege no<strong>ch</strong> einmal gemeret und von Zehen<br />
zween erwelet. Das Land Hasli gab also zween für die<br />
neue Helfetes<strong>ch</strong>e Regierung zu besetzen, als nemli<strong>ch</strong> alt<br />
Landamman Willi von Hofluh und alt Landsvenner<br />
von Bergen von Willigen, wel<strong>ch</strong>e Folcks Represantanten<br />
genant wurden*). Der Sammelplatz aller Folcks Represantanten<br />
in gantz Helfetzien war die Stadt Aarau. Es<br />
waren ihrer Etli<strong>ch</strong>e und Dreyhundert. Dieweil aber in<br />
der Stadt Aarau für eine dermaßen große Menge Folck<br />
kem gerümig Zimmer wäre, so mußten, wie natirli<strong>ch</strong>, die<br />
Folcks Represantanten ein Zimmer erbuwen lassen und<br />
zwar mit seer großen Kosten; denn es waren die meisten<br />
von dänen Helfetis<strong>ch</strong>en Reppresentanten üben ni<strong>ch</strong>t fast zur<br />
Sparsamkeit geneigt. Denn die Wahlen fielen greßtendeils<br />
auf Adfocaten und bangrottirte Kaufleith, wel<strong>ch</strong>e<br />
man für seer ges<strong>ch</strong>ikte Leuthe hielt; denn man hat in<br />
denen Wahlen, wie i<strong>ch</strong> leider selbst getan, meine Stimme<br />
denen gegäben, wel<strong>ch</strong>e mier lieb gewäsen, ob i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on im<br />
Zweifel gestanden, ob er ein brafer Man sey, und i<strong>ch</strong><br />
glaube, die Wahlen seien dur<strong>ch</strong> die niderträ<strong>ch</strong>tige Eigen-<br />
*) Willi wurde Kantonsri<strong>ch</strong>ter, v. Bergen Senator.
liebe seer verderbt worden i). — Denn die Folckes-Repreei<br />
^ ^ liederli<strong>ch</strong> gehauset und den gemeinen Nutz<br />
ni<strong>ch</strong>t fast m a<strong>ch</strong>t genomen; denn sey hatten damit aenua<br />
Ä ihnen (si<strong>ch</strong>) große Lenung zu bestimmen ^) und<br />
s<strong>ch</strong>ene Kleider zu tragen. — Als aber die Franken inzrms<strong>ch</strong>en<br />
dle klemen Cantone au<strong>ch</strong> eingenomen, so war<br />
die Stadt Lutzaren für die Haubtstadt Helfetiens beftimt.<br />
Reppresentanten kamen also na<strong>ch</strong> Luzären,<br />
daselbst seye Wiederum in einem Jesuwitter Kloster anfingen<br />
mit großen Kosten zu Kurven; es wurden große<br />
Geltsummen vers<strong>ch</strong>wendet. Die helvetis<strong>ch</strong>en Folks Reppresentanten<br />
fingen an, seer uneinig zu werden und trenten<br />
si<strong>ch</strong> m zwey Parteyen, die eine Partey nenten si<strong>ch</strong> Demokraten,<br />
die andere Partey Arristokratten, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> heftia<br />
m:t emandren zankten und bald diese, bald jene den Meister<br />
sputen. Denn die unglikli<strong>ch</strong>e Verbrennung der Derfer<br />
Wel<strong>ch</strong>e auf Befehl der Helfetis<strong>ch</strong>en Regierung<br />
ges<strong>ch</strong>ehen, hat die Erbittrung no<strong>ch</strong> mer angefa<strong>ch</strong>et. —<br />
Als aber un Frieling 1800 (1799) der Ertzherzog Carll<br />
bey Stoka<strong>ch</strong> und Pfullendorf die ftänkes<strong>ch</strong>en Krieasheere<br />
gäntzn<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>lagen und darna<strong>ch</strong> die oestli<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>weitz au<strong>ch</strong><br />
emgenomen, so wurde die Helfetis<strong>ch</strong>e Regierung aetrunaen<br />
Luzeren zu verlaßen, da seye fli<strong>ch</strong>tig na<strong>ch</strong> Bern komen. —<br />
Es hat si<strong>ch</strong> mdessen der Stoltz der Helfetis<strong>ch</strong>en Regierunq<br />
denn der französis<strong>ch</strong>e Generali Massen«<br />
fordrete der Zeit eme Kontrebution über die andere; zu-<br />
MM?»<br />
Helvetiens Sohne zur Freyhert reif sind und würdig!<br />
emst Enkel die As<strong>ch</strong>e der Wähler verehren.<br />
^ Volkes, befördert Tugend und Wohlstand,<br />
Gebt jedem Burger das Seine, folgt nur dem edeln Gemeinaeist<br />
vergißt, auf's Beste des Ganzen beda<strong>ch</strong>t ist!<br />
ges<strong>ch</strong>ehenes Unglück, vergebt dem irrenden Bruder.<br />
Worüber ist der Orkan, bald wallet die göttli<strong>ch</strong>e Freyheit<br />
Helvetiens Thalern hinab am Arme des segnenden Friedens.<br />
Gesetzgeber: 275 Dublonen, d.h. minde-<br />
Fr. na<strong>ch</strong> heutigem Geldwert. Die Direktoren erdie<br />
Minister je 400, die Regierungsstatt°<br />
nebst Amtswohnung. — Diese Ansätze wurden im<br />
^)un bedeutend reduziert.
Brands<strong>ch</strong>atzungen und Empörung 55<br />
dem wäre der Geltmangel dermaßen groß, daß die Bursleut<br />
gar sparsam den Tribut bezalten, wel<strong>ch</strong>er von der<br />
Regierung gefordret worden. Der Feltzug dieses 1799<br />
Jars, wel<strong>ch</strong>er von dem Massena ges<strong>ch</strong>ehen, hat die Helfetis<strong>ch</strong>e<br />
Regierung gar seer viel gekostet; denn die ganze<br />
Armee des Massena, wel<strong>ch</strong>e bey 100 Dusent Man stark<br />
rvare, lebte greßten deils auf Kosten der Helfetier.<br />
Die Volks Represantanten konten in Bern au<strong>ch</strong> in<br />
vielen Sa<strong>ch</strong>en einandren gar ni<strong>ch</strong>t verstehen, denn ein<br />
Jeder meinte, man solte nur Ruksi<strong>ch</strong>t auf seine Orts<strong>ch</strong>aft<br />
nemen. Das Clima in der S<strong>ch</strong>weitz und die alten Gewonheiten<br />
waren so vers<strong>ch</strong>iden, daß es fast unmigli<strong>ch</strong> war,<br />
die vormaligen vielen von einandren getrenten Kantone<br />
auf einmahl zu vereinigen und dur<strong>ch</strong> Einerley Gesetz zu<br />
regieren. Denn Fru<strong>ch</strong>t-Land und Weinberg und Fie<strong>ch</strong>-<br />
Land (Weide) kennen untter einerley Gesetzen ni<strong>ch</strong>t wohl<br />
bestehen; denn die Gesetz, die einem Lande dienen, sint<br />
dem andren oftmahl zuwider.<br />
Die Regierung in Bern vers<strong>ch</strong>wendete die Zeit unnutzli<strong>ch</strong><br />
und vergebli<strong>ch</strong>; ni<strong>ch</strong>ts des minder s<strong>ch</strong>riben sey<br />
eine Brands<strong>ch</strong>atzung na<strong>ch</strong> der andren aus. Die Stantzer,<br />
wel<strong>ch</strong>en ihre Wunden no<strong>ch</strong> eitrig waren, konten die vielen<br />
Brands<strong>ch</strong>atzungen der ihnen ohne diesers seer verhaßten<br />
Regierung ni<strong>ch</strong>t wohl ertragen; fiengen si<strong>ch</strong> abermahl an,<br />
zu em^erren. Die von S<strong>ch</strong>wiz und Glaris, au<strong>ch</strong> ein Deil<br />
von Zni<strong>ch</strong>, stimten au<strong>ch</strong> mit denen von Stantz; das Feur<br />
der Emperrung wurde allenthalben angefa<strong>ch</strong>et. Man<br />
merkte h:er im Lande Hasle au<strong>ch</strong>, daß es abermahl in<br />
Flamen aufzulodren drote; die von Unterwalden ftelten<br />
si<strong>ch</strong> kriegeris<strong>ch</strong> und besetzten den Brinig mit Trupen. Die<br />
Regierung s<strong>ch</strong>ikten den Generali Andermatt mit ihren<br />
Trupen und den helvetis<strong>ch</strong>en Husaren na<strong>ch</strong> Luzären und<br />
etli<strong>ch</strong>e Compagnien auf den Brinig. Generali Andermatt<br />
besetzte die Rengg am Lutzernersee; die von Stantz aber<br />
grifen selbige mit Wuth an und drengten sey zuruk.<br />
Diesers Misges<strong>ch</strong>ik des Gänerall Andermatt ma<strong>ch</strong>te<br />
den Jubel hier im Lande Hasle bey denen, wel<strong>ch</strong>e der<br />
Verendrung begierig waren, algemein. Es kahmen etli<strong>ch</strong>e<br />
Herren von Bern und beredten das meiste Volk zu einem<br />
Feltzug gegen die Regierung; denn der Plan wäre gema<strong>ch</strong>t,<br />
die Regierung gefangen zu nemen und abzusetzen.
Ende der Helvetik. Rapp in Lausanne<br />
Es bra<strong>ch</strong>en wirkli<strong>ch</strong> bey zweyhundert Man von Hasli auf<br />
und mars<strong>ch</strong>ierten das Land hinab na<strong>ch</strong> Bern. Die Unter-<br />
Waidner, Stantzer und S<strong>ch</strong>witzer, au<strong>ch</strong> ein Theill Glarner<br />
kamen au<strong>ch</strong> ueber den Brinig und sahen seer kriegris<strong>ch</strong><br />
aus. Ganerall Andermatt belegrete indessen die Stadt<br />
Zyn<strong>ch</strong> und verbrente etli<strong>ch</strong>e Häuser mit Bommen und<br />
Wasen ^ (Aargauer) grifen au<strong>ch</strong> zu den<br />
Wasen und zogen m namhaften Haufen vor die Stadt<br />
Bern. Diesers wäre eme Sa<strong>ch</strong>e von großer Wi<strong>ch</strong>ttiakeit<br />
für die Regierung und für Generali Andermatt. Andermatt<br />
mußte also die Plokade von Zyri<strong>ch</strong> aufgeben und<br />
der Regierung zu Hilft eillen. Die helvetis<strong>ch</strong>e Regierung<br />
m Bern trauten dem Spiel ni<strong>ch</strong>t zum besten; stellten si<strong>ch</strong><br />
^ ^egenwer; als sie aber merkten,<br />
daß die Emperung algemein worden, so Pakten seye ibren<br />
Plunder und die letzten abges<strong>ch</strong>lifenen Halb-Batzen, wel<strong>ch</strong>e<br />
^ Kenten denen Buren vor dem Mund weggehas<strong>ch</strong>t<br />
hatten, m Eile zusamen und verließen fli<strong>ch</strong>tig die Stadt<br />
Bern und sind also fli<strong>ch</strong>tig na<strong>ch</strong> Losanen kommen. Die<br />
^pertten Baurren folgten ihnen auf dem Fuß na<strong>ch</strong>.<br />
Die Helfttis<strong>ch</strong>en Husaren samt den wels<strong>ch</strong>en Bärneren<br />
stelten si<strong>ch</strong> zur Gegenwer; es käme bey Freyburg und<br />
Milden zu etli<strong>ch</strong>en hitzigen Gefe<strong>ch</strong>ten. Die Helfetis<strong>ch</strong>en<br />
Trupen aber mußten uberal wey<strong>ch</strong>en, (also) daß die Rew<br />
B?rn." ^ so ^nge Kleider trüge, als<br />
Als die Negierung dermaßen in Engsten aestanden<br />
^ 7?^ französis<strong>ch</strong>er Generall mit einer Bedekuna<br />
nnt-> Losanen mit einer Fridensnote,<br />
daß nemli<strong>ch</strong> die emperten Baurren die Wasen ablegen<br />
und m aller (Älille heimkeren sollen. Die Regierung<br />
Zurukkehren, denen helfethis<strong>ch</strong>en<br />
^ ^ . geben und die Regierung einftweylen<br />
fortsetzen. Indessen soltten von allen emperten Orts<strong>ch</strong>aften<br />
5 komen; die Helfetis<strong>ch</strong>e Regierung<br />
rÄn- ^^^falls ihre Befolme<strong>ch</strong>tigten na<strong>ch</strong> Paris senden, daselbst<br />
we^>e der Konsul Ponaparte die streitenden Parteien<br />
dur<strong>ch</strong> seine Minister verHeren laßen und den Streit<br />
oeylegen. Die Fridens Underhandlung gienge zwar lana-<br />
Friden käme aber entli<strong>ch</strong> under folgenden<br />
Artiklen zu stände: '
Charakteristik der helvetis<strong>ch</strong>en Regenten F/<br />
Die Helfetis<strong>ch</strong>e Regierung solle aufHeren. Ein jeder<br />
dieser Herren solle mit seinem wohlverdienten Helfetis<strong>ch</strong>en<br />
Ehrennamen und zusamenges<strong>ch</strong>napten und den bedrengten<br />
Bauren weggehas<strong>ch</strong>ten Gelde, wel<strong>ch</strong>es sey no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bey<br />
Nr. 13 mit den s<strong>ch</strong>enen Nimpfen werend der Zeit, als<br />
seye für das beträngt Vatterland hätten Sorge tragen<br />
sollen, vers<strong>ch</strong>wendet: heimkeren und daselbst still und ruhwig<br />
seyn, wenn ihr abgenutztes und von freywilliger<br />
Kriegsfteur, Kadaster-, Agenten- und Munizipallbrands<strong>ch</strong>atzungen<br />
abges<strong>ch</strong>liffenes, kurzes und krummes Gewißen<br />
ihnen diesers erlaube, ihre Pfeifen im Friden ru<strong>ch</strong>en, mit<br />
Vermelden, daß man sey in Regierungsges<strong>ch</strong>eften so lie<strong>ch</strong>t<br />
ni<strong>ch</strong>t meer bru<strong>ch</strong>en werde; denn man sey gesonnen, zu<br />
der kinftigen Regierung so viel migli<strong>ch</strong> brafe Mäner zu<br />
bru<strong>ch</strong>en und die nidertre<strong>ch</strong>tigen Agenten und Munizipaler<br />
und kostbaren Gemeindskamervorsteher verabs<strong>ch</strong>eiden. Denn<br />
wenn diese sauberen Herren no<strong>ch</strong> lenger die blutige Geisel<br />
in Henden gehabt hätten, dann wirde das Beyspil jenes<br />
blinden Manns bey ihnen au<strong>ch</strong> anwendbar gewesen sein:<br />
Es wahr einmal ein blinder Mann, wel<strong>ch</strong>er ein so s<strong>ch</strong>arpf<br />
Gede<strong>ch</strong>tnuß hatte, daß er, wenn er eine Sa<strong>ch</strong>e betasten<br />
konte, wußte und sagen konte, ob es weiß oder s<strong>ch</strong>wartz<br />
sey. Da haben ihn etli<strong>ch</strong>e bese Buben versu<strong>ch</strong>t und haben<br />
ihm etli<strong>ch</strong>e junge Welfe in die Hende gegäben und begert,<br />
daß er ihnen sage, was dieses vor Thier seien; seye gluben,<br />
daß es junge Hunde seien. Als der Blind die Welfe<br />
no<strong>ch</strong>mal genau betastet, da hat er gesagt: das kan i<strong>ch</strong><br />
el<strong>ch</strong> sagen, daß es Hunde ni<strong>ch</strong>t sind; was es aber für<br />
Thier sind, weiß i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t; aber das weiß i<strong>ch</strong> gewiß, wenn<br />
diese lang leben, daß sey grimig und fresig werden. —<br />
Wenn also die Helfetis<strong>ch</strong>en Herren lenger regiert hätten,<br />
dann weren selbeg no<strong>ch</strong> grimiger und freseger worden.<br />
Die S<strong>ch</strong>weitz wäre hierauf in neue Cantone vertheilt;<br />
die wels<strong>ch</strong>en Berner waren von der Stadt Bärn abgerißen;<br />
die Stadt Losane wäre zur Haubstadt erwelt. Die<br />
Ergeuer woltten äbenfalls mit denen von Bern ni<strong>ch</strong>ts zu<br />
thun haben; die Stadt Aarau wurde zur Haubtstadt des<br />
Ergeues bestimt. Der Stadt Bern wurden ihre stoltzen<br />
Pfäkenfligel dur<strong>ch</strong> diesen Zufal zimli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>melert, denn<br />
es blibe der Stadt Bern ni<strong>ch</strong>ts übrig als das in S<strong>ch</strong>ulden<br />
stekende Oberland. Denno<strong>ch</strong> meinten Viele, daß es jetzt
gewonnen SM sei, weylen man jetzt von der Helfetis<strong>ch</strong>en<br />
Regierung los sei. Das Jubelges<strong>ch</strong>rey aber wärete ni<strong>ch</strong>t<br />
^ Franken fordreten eine große Suma Geld,<br />
daß seye den Friden wieder hergeftelt hatten.<br />
^reg wärete indessen zwys<strong>ch</strong>en Frankri<strong>ch</strong> und<br />
au<strong>ch</strong> sähe es in Deuts<strong>ch</strong>land äben-<br />
^ ^enn die Engellender su<strong>ch</strong>ten<br />
deuts<strong>ch</strong>en als au<strong>ch</strong> den russis<strong>ch</strong>en Keiser a?aen<br />
Frankri<strong>ch</strong> zu verhetzen. Der Krieg aber wurde Müs<strong>ch</strong>en<br />
^aukn<strong>ch</strong> und dem Keiser ni<strong>ch</strong>t lange gefiert, denn die<br />
teiserk<strong>ch</strong>en Belker wurden in kurzer Zeit gänzli<strong>ch</strong> aescklaaen<br />
und die Haubtstadt des deuts<strong>ch</strong>en Keisers wurde von den<br />
Iran en besetzt Der König in Preißen. wel<strong>ch</strong>er i<strong>ch</strong> mee?<br />
als zehen Jahre em ruhwiger und mießiger Zus<strong>ch</strong>uer des<br />
Kriegs gewesen und im trieben Waßer geM?t ^<br />
fienge an, seme Torheit zu bereuen, daß er bey der Ver-<br />
dln"ver"bren7 Franzosen seinen Freun-<br />
Ä ^ ^ ruhwlg gewärmet hatte. Denn die<br />
Franken su<strong>ch</strong>ten den König m Preißen zimli<strong>ch</strong> zu untersten<br />
Der Kenig in Preißen su<strong>ch</strong>te zwar Hilfe bey<br />
den nordis<strong>ch</strong>en Velkren, als nemli<strong>ch</strong> bey dem rußis<strong>ch</strong>en<br />
Keiser, wie au<strong>ch</strong> bey dem Kenig in S<strong>ch</strong>weden und Denemark,<br />
wel<strong>ch</strong>e ime mit s<strong>ch</strong>enen Verheißungen beyzustehen<br />
verspro<strong>ch</strong>en Die Hilfe aber des rußis<strong>ch</strong>en Keisers w^e<br />
au<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>wedens und Denemark käme zu spät denn die<br />
Franken gnfen den Kenig in Preußen an, ehe er sick des<br />
versähe und vertnben ihn ungea<strong>ch</strong>t der tapfresten Geaenwer<br />
aus den preißis<strong>ch</strong>en Staten. Als dieses de^<br />
discken gehandlet, versamleten die nor-<br />
^ wähl hundert Dusent Manlein??<br />
Ä ? ^ Preußen versamlete ebenfals die Trimmer<br />
semer Felker und vereinigte si<strong>ch</strong> mit denen Russen. Inessen<br />
wurde der Krieg mit der greßten Hitze gefiert. Die<br />
Nek^ etü<strong>ch</strong>e große Felts<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>ten; die Franken<br />
keineswegs ers<strong>ch</strong>reken, sondern setzten mit<br />
!? Ä5uth an, daß die nordis<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong>e von dem<br />
franzesis<strong>ch</strong>en Kaiser Ponaparte den Frieden begerten. Dieses<br />
alles ges<strong>ch</strong>ähe im Jar 1807. '
Qualität des Eisens 59<br />
Vom Iksen-kergxverk im MübUtkal.*)<br />
Das viele und mahnigfaltige Unglik, so das Mühlithalis<strong>ch</strong>e<br />
Jhsen-Bergrverk bey meinen Lebzeitten betrofen,<br />
hat mi<strong>ch</strong> bewogen, etli<strong>ch</strong>e namhafte Verenderungen der<br />
Na<strong>ch</strong>welt zu hinderlaßen.<br />
Der erste Verwaltter Key meinen Lebzeiten wäre ein<br />
Burger von Beren, Nahmens Friedri<strong>ch</strong> Walter. Dieser<br />
erbute die S<strong>ch</strong>weli und den Re<strong>ch</strong>en bei der Neßen-Lowi<br />
mit unsegli<strong>ch</strong>en Kosten um das Jar 1770. Das meiste<br />
Holz ließe er bei dem Ergili Hinunterwerts in dem sogenanten<br />
Bitmiwalt hauen. Das Mietende Waßer aber<br />
zerbra<strong>ch</strong>e merere Mahle den Re<strong>ch</strong>en und vertrüge das<br />
Holtz. Dieser Walter hatte einen S<strong>ch</strong>afner nahmens Johannes<br />
Witmer, ein Mann von ges<strong>ch</strong>winder Faßung und<br />
fürtrefli<strong>ch</strong>en Gemietsgaben. Er bra<strong>ch</strong>te die mühlithalis<strong>ch</strong>e<br />
Jhsen-Manifactur in Aufname (Aufs<strong>ch</strong>wung). Do<strong>ch</strong> wäre das<br />
Jhsen allezeit im Ruf, es seye von gar s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter Qualitet.<br />
Der Walter su<strong>ch</strong>te die Qualitet womigli<strong>ch</strong> zu verbeßren,<br />
wel<strong>ch</strong>es ime beynahe gelungen, wenn die leidege Misgunst<br />
ihr Spill mit dem S<strong>ch</strong>afner Witmer ni<strong>ch</strong>t so ser getriben<br />
hette, wel<strong>ch</strong>en der Kaspar Huber, na<strong>ch</strong>dem er in das<br />
meiste von seinen Wißens<strong>ch</strong>aften in Aufri<strong>ch</strong>tigkeit gelernet,<br />
bey dem Walter, wel<strong>ch</strong>er den Winter dur<strong>ch</strong> zu Beren<br />
wonte, anzus<strong>ch</strong>wertzen wußte, das der Witmer verstoßen<br />
und an deßen Stat der Huber zum S<strong>ch</strong>afner angenomen<br />
rvurde, wel<strong>ch</strong>er für sein Jntreße weit mer, denn um des<br />
Walters bekimret wäre; und das Jhsen war allezeit<br />
s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t.<br />
Der Walter aber herete, daß (sie) in Spanien das allerbeste<br />
Eisen aus bloßer Ertz, ohne vorher im S<strong>ch</strong>melzofen<br />
zu s<strong>ch</strong>melzen, nur im Leuterfeur preperieren konten. Dem<br />
Walter weßrete das Maul dermaßen na<strong>ch</strong> dieser Kunst,<br />
*) Über die frühere Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te dieses Eisenbergwerks beri<strong>ch</strong>tet<br />
am ausführli<strong>ch</strong>sten A. Willi, Berner Tas<strong>ch</strong>enbu<strong>ch</strong> 1884,<br />
S. 246 ff. Für die letzte Periode jedo<strong>ch</strong> ließ si<strong>ch</strong> aus den Akten<br />
nur wenig gewinnen. — Weißenfluh erlebte, was er erzählt,<br />
und hatte em persönli<strong>ch</strong>es Interesse an der „Jhsen Manifactur".<br />
Sein lebensvoller Beri<strong>ch</strong>t bildet eine eigenartige und wertvolle<br />
Ergänzung zu dem, was über die letzten S<strong>ch</strong>icksale des Unglückli<strong>ch</strong>en<br />
Bergwerkes bekannt geworden.
daß er etli<strong>ch</strong>e und fierzig Centner Planplattenertz in<br />
^nn oberkeitli<strong>ch</strong>en Kosten,<br />
wurde das Eisenwerk auf oberkeitli<strong>ch</strong>en<br />
«oke Kunft^^ der Hofnung, diese<br />
große ^unst daselbst zu erlernen. Denn er alubte die<br />
R ^ Suth als die in Hispanien; wolte<br />
st<strong>ch</strong> hm und wieder, wie denn einem sol<strong>ch</strong>en Herren und<br />
Burger von Beren gar wol gebühren' maa w Svanlen<br />
sehen laßen. Die Spanier aber konten unaea<strong>ch</strong>t ikrer<br />
großen Kunst aus des Walters Ertz gar kein Esien ma<strong>ch</strong>en<br />
Also muhßte der gutte Walter, na<strong>ch</strong>dem er viel^ Nt<br />
vergebens vers<strong>ch</strong>lissen und unsegli<strong>ch</strong>e Geltsumen vers<strong>ch</strong>wendet<br />
?urukke?ren^M^ ni<strong>ch</strong>ts gelernet, wieder na<strong>ch</strong> Beren<br />
zurukkerren. Als er jetz dieser Reise wegen vor seinen<br />
gnadigen Herren und Obren die Rä<strong>ch</strong>nung abaeleat da^<br />
bey aber bekent, daß er ni<strong>ch</strong>ts gelernet, fiengen seine Misgmftigen<br />
an, in zu verlemden, als ob er das Werk un<br />
besonen und Mit gar zu großem Kosten betribe; drohen<br />
im emen ^AMister Pryßen komen zu laßen Also<br />
^ ^ ^ n ges<strong>ch</strong>riben. denn da sotten gän, wrtrefli<strong>ch</strong>e<br />
Meister m dar Ihsen-Laberattion sein. Also käme<br />
Herr Wellen (Wähler) von Berlin aus Preyken<br />
um da- Jahr 1787 in das Mühlitall; hatte au<strong>ch</strong> ^nen<br />
UwWett Diese Mengen ?n d«<br />
^y,en ^5err m^ viellen Verendrunaen zu betriben und<br />
das, was der Walter vorher mit großem Fleiß und Kosten<br />
erbuen, umzuwerfen und zu zersterren, wel<strong>ch</strong>es den Walter<br />
großen, daß er seine Stelle niderleate und<br />
MU d« 'Zrbeit'^ de^weniger ab°?wurd!<br />
d!n fterten ?/iss S<strong>ch</strong>meltzosen wurde um<br />
m r. gema<strong>ch</strong>t. Es warren der maßen<br />
und s^ ?^ ^ ^ ""5 dem Werk; denn der Her Weelen<br />
und sem S<strong>ch</strong>afner namen allerhand junge und alte Leute<br />
ganz' s<strong>ch</strong>aren S<strong>ch</strong>uhs<br />
^ oder viellmer auf den Taalon<br />
meisten waren mer bekimret, wenn der<br />
winickwn^^ ^ die Arbeitsleuthe<br />
wmj<strong>ch</strong>enten alle, daß diesers in die Lenge werren me<strong>ch</strong>te;<br />
wo Bergrücken westli<strong>ch</strong> vom Gental, 2237 in. ho<strong>ch</strong><br />
weiter nord«k5^^"""^v wurde. Andere Gruben befanden si<strong>ch</strong><br />
werter nordöstli<strong>ch</strong> am Valmeregghorn und an der Erzegg ' ^
Mühletal ein „ungesegneter Ort" 61<br />
den daselbsten konten alte Greise und gantz junge Knaben<br />
mit lei<strong>ch</strong>ter Arbeit viel Gelt verdienen. Den die Herren<br />
warren wegen der großen Menge ni<strong>ch</strong>t im Stand, einem<br />
jeden die beherige Arbeit anzuweisen. Do<strong>ch</strong> mußte mit<br />
dem Ges<strong>ch</strong>eft seer geeillet sein, denn sey fer<strong>ch</strong>tenten, daß<br />
sey wegen Kirtze des Sommers ni<strong>ch</strong>t lang s<strong>ch</strong>melzen kentten;<br />
denn es muhßte vorher alles verendret seyn, was<br />
der Walter mit Fleiß, Kosten und Ges<strong>ch</strong>ikli<strong>ch</strong>keit erbuen<br />
hatte.<br />
Na<strong>ch</strong>dem jetz fast alles verendret, fiengen sey an zu<br />
s<strong>ch</strong>melzen, ma<strong>ch</strong>ten große Pralerey von ihrem guthen Eysen,<br />
sagten frey heraus, die Helfte were Stahel, das Eisen<br />
volkomen guth, wel<strong>ch</strong>es si<strong>ch</strong> aber herna<strong>ch</strong> zu ihrer S<strong>ch</strong>and<br />
erzeigte. — Na<strong>ch</strong>dem seye jetz etli<strong>ch</strong>e Wo<strong>ch</strong>en lang ges<strong>ch</strong>meltzet<br />
hatten, und viele S<strong>ch</strong>wyrigkeit und Verdruß<br />
erlitten, kerenten seye ietz wider na<strong>ch</strong> Beren zuruk, um<br />
daselbst die große Re<strong>ch</strong>nung abzulegen, worüber die Oberkeit<br />
wegen der ungeheuren vers<strong>ch</strong>wendenten Geltsumen<br />
dermaßen bedurete, das Selbige sol geredt und gesagt<br />
haben: das Mühlitall mieße do<strong>ch</strong> in der Dat ein seer<br />
ungesegnetter Ort sein; denn allerortten, wo auf oberkeitli<strong>ch</strong>en<br />
Kosten etwas erbuen werde, kenne man mit Gelt<br />
etwas ausri<strong>ch</strong>ten; im Mühlidall aber kenne man mit vielem<br />
Gelt im geringsten ni<strong>ch</strong>ts ausri<strong>ch</strong>ten.<br />
Na<strong>ch</strong>dem jetz der Herr Wellen und sein S<strong>ch</strong>afner oder<br />
Professor die Re<strong>ch</strong>nung abgelegt, wurden dieselben au<strong>ch</strong><br />
führ ihre Miehe und Arbeit bezalt, und dem Herr Wellen<br />
no<strong>ch</strong> über seinen gefordreten Lon hundert neue Dubelonen<br />
zum Trinkgelt gegäben, worüber er denno<strong>ch</strong> gantz misvergniegt,<br />
daß er ni<strong>ch</strong>t meer empfangen, na<strong>ch</strong> Berlin in<br />
Preißen zurukkert.<br />
Als jetz die Bergwerk-Komission gesehen, wel<strong>ch</strong>e ungeheure<br />
Geltsumen von denen Herren Berlinerren gantz<br />
unnüzli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>wendet, denn das Eisen wäre gar ni<strong>ch</strong>t<br />
besser als des Walters, fiengen sey ietz an zu bereuen,<br />
daß sie den Walter dermaßen grob behandlet hatten;<br />
wollen ihne wieder einsetzen. Der Walter aber ents<strong>ch</strong>uldigte<br />
si<strong>ch</strong> ganz hefli<strong>ch</strong> der Bes<strong>ch</strong>werli<strong>ch</strong>keit seines Alters.<br />
Also blib das Eisenwerk jetz ein Jahr ruhwig stehen; den<br />
es warre nothwendig, das es von dem Getimmel der<br />
Berliner Herren ein wenig ausruhwen kontte.
62 Verwalter Gienath<br />
Als ietz diesers Geri<strong>ch</strong>t sy<strong>ch</strong> hm und wieder verbreittet,<br />
daß nemli<strong>ch</strong> das Mühletalis<strong>ch</strong>e Eisenwerk ruhwig stehe,<br />
kam diesers Geri<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> einem theuts<strong>ch</strong>en Herren zu Ohren,<br />
wel<strong>ch</strong>er mit seinem eltren Vruhder bei Trybstat au<strong>ch</strong> zwey<br />
Eisenwerke hatte. Wurde der eine dieser Herren begierig,<br />
diesers Werk zu betryben, käme na<strong>ch</strong> Beren und nähme<br />
das Werk von meinen Gnädigen Herren 24 Jare zu Lehen.<br />
Also käme um das Jahr 1791<br />
Herr Geynand (Ludwig Gienath)<br />
in das Mühlithall.<br />
Er war ein junger Herr von 24 Jarren und von so<br />
volkomener S<strong>ch</strong>enheit, daß man in anders ni<strong>ch</strong>t als mit<br />
großer Verwundrung ans<strong>ch</strong>auen konte. Er war ein Man<br />
von ges<strong>ch</strong>winder Fassung und führtrefli<strong>ch</strong>en Gemietsgaaben<br />
Darzu war er über die maßen rei<strong>ch</strong>. Ja, es s<strong>ch</strong>inn, als<br />
ob d:e sollende Nathur alle ihre Gaaben diesem Mens<strong>ch</strong>en<br />
mithgeteilt hätte.<br />
Dieser fienge an, das Werk na<strong>ch</strong> des Walters Mode<br />
einzuri<strong>ch</strong>ten, ließe das, was die Berliner den S<strong>ch</strong>meltzofen<br />
verHe<strong>ch</strong>t hatten, wieder abbre<strong>ch</strong>en, ri<strong>ch</strong>tete alles na<strong>ch</strong> seinem<br />
Gefallen und vorteil ein. Dieser hätte weggen seyner<br />
mäßigen Sparsamkeit und fleißigen Arbeit das Eisenwerk<br />
mit Profit und zu seinem Nutzen getryben.<br />
Es stunde aber wars<strong>ch</strong>ynli<strong>ch</strong> in dem Bu<strong>ch</strong> des S<strong>ch</strong>icksals<br />
ges<strong>ch</strong>ryben, daß auf dem Mühlithalis<strong>ch</strong>en Eisenwerk<br />
keiner :m geringsten ni<strong>ch</strong>ts gewinen solte, hinaeaen aber<br />
em ,eder S<strong>ch</strong>aden und Verdruß dabey haben mieße, denn<br />
^tte er das Werk aufgeri<strong>ch</strong>tet und in Ornung<br />
gebra<strong>ch</strong>t, so ftengen die französis<strong>ch</strong>en Unruhen jetz an auszubre<strong>ch</strong>en,<br />
und die sigenden Here der Franken sy<strong>ch</strong> allenthalben<br />
auszubreitten. Also wurde Herr Gienath getrungen,<br />
uneder na<strong>ch</strong> Teuts<strong>ch</strong>land zurukzukerren und womigli<strong>ch</strong><br />
seme Werker vor der Verbrennung der Franzosen zu retten.-<br />
Denn seyn elttrer Bruhder warre zwis<strong>ch</strong>en dieser<br />
Zeit gestorben. — Kerete also, na<strong>ch</strong>dem er alles in Ornung<br />
gebra<strong>ch</strong>t und denen Armen von Nessenthall in einem<br />
Tummelt, so weggen der Gießer (?) entstanden, hilfrei<strong>ch</strong>e<br />
Hand gebotten, wieder na<strong>ch</strong> Theuts<strong>ch</strong>land zuruk, s<strong>ch</strong>ikte<br />
emen S<strong>ch</strong>afner Nahmens<br />
Friedri<strong>ch</strong> Chölius aus Theuts<strong>ch</strong>land von Trybstadt<br />
hmauf m das Mihlidall.
S<strong>ch</strong>affner Chölius. Feuersbrunst 63<br />
Er war ein guthhertziger, liebri<strong>ch</strong>er Man. Dieser fienge<br />
an zu s<strong>ch</strong>meltzen und das Werk zu betryben; denn seyn<br />
Her s<strong>ch</strong>ikte im S<strong>ch</strong>melzer und Hammers<strong>ch</strong>mit, au<strong>ch</strong> einen<br />
Gießer hinauf, wel<strong>ch</strong>e alle seer ges<strong>ch</strong>ikte Leuthe waren.<br />
Das Werk käme etli<strong>ch</strong>ermaßen in Aufnam. Allein der<br />
guthe S<strong>ch</strong>afner wurde das erste Iar von einner alltten<br />
Maggt und seinem Mezger Andres Faner auf eine himels<strong>ch</strong>ryende<br />
Weise betroggen und fast um sein gantzes Vermeggen<br />
gebra<strong>ch</strong>t, nemli<strong>ch</strong> um seyn eigenes Vermeggen.<br />
Er blib aber uners<strong>ch</strong>ittret und trybe das Werk fort. Das<br />
Holtz ließe er greßtendeils in dem Bir<strong>ch</strong>lowiwald hauen.<br />
Er ließe viel Bohnertz von Aarau oder aus derselben<br />
Gegend herauffieren mit unsegli<strong>ch</strong>em großen Kosten, worüber<br />
er si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong>mals seer beklagte, daß er diese Ertz zu<br />
seines Herren großen S<strong>ch</strong>aden herauf fieren lassen. Er<br />
trib aber das Werk mitt der greßten Sorgfalt immer fort,<br />
wurde aber von weggen seiner Härtzensgiette von der<br />
Ungere<strong>ch</strong>tigkeit der Arbeitsleuten gar oft und viel angefiert<br />
und betrogen; denn der gute Mann glubte, die<br />
Landleute von Hasli weren so guth gesinnet als er, wel<strong>ch</strong>es<br />
si<strong>ch</strong> aber oft zu seinem großen S<strong>ch</strong>aden — und derren<br />
von Hasli großer S<strong>ch</strong>and erzeigte.<br />
Um die Herbstzeit 1799 kam der fatale Zeitpunkt, daß<br />
das Mihlidalis<strong>ch</strong>e Jhsenwerk ein für<strong>ch</strong>terli<strong>ch</strong>es Unglik auszustehen<br />
hatte; denn es bra<strong>ch</strong>e dur<strong>ch</strong> einen unbekantten<br />
Zufall in der Hamers<strong>ch</strong>miten ein Feuhr aus um die<br />
Mitterna<strong>ch</strong>tzeit, daß selbiges niemand gesehen, bis es<br />
heftig in Flamen ausgebro<strong>ch</strong>en und ni<strong>ch</strong>t mer gelös<strong>ch</strong>t<br />
werden konte; den weil es gegen der Winterzeit wäre,<br />
hate der Verwalter die meisten seiner Arbeitsleuthen kurtz<br />
vor diesem unglikli<strong>ch</strong>en Zufall fortgehen laßen und muhßten<br />
also das gantze Werk mit samt dem neuen Eisenmagazin,<br />
wo Her Geynand selbst erbuen lyß an den S<strong>ch</strong>meltzofen,<br />
gentzli<strong>ch</strong> verbrenen laßen und muhßten si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> glikli<strong>ch</strong><br />
s<strong>ch</strong>etzen, daß ni<strong>ch</strong>t das ganze Werk mit samt denen Kohls<strong>ch</strong>iren<br />
und dem Haus au<strong>ch</strong> abgebrunnen; wel<strong>ch</strong>es au<strong>ch</strong><br />
gewis widerfarren, wen ni<strong>ch</strong>t die Feurspryzen zugegen<br />
gewesen wern. — Dur<strong>ch</strong> diesers große Unglik wurde dieser<br />
Verwalter dermaßen ers<strong>ch</strong>ittret, daß er bynahe aus aller<br />
Fassung kam; denn cr war in großen Sorgen, seyn Herr<br />
me<strong>ch</strong>te ihme Vorwirfe darüber ma<strong>ch</strong>en, als ob er das
64 AbHolzung der Wälder<br />
Werk lie<strong>ch</strong>tsinnig betrybe. — Der Spru<strong>ch</strong> des weltweisen<br />
Heiden Diogenis wurde an dem Verrvaltter Chelius au<strong>ch</strong><br />
erfült, denn dieser Diogenes einmall soll geredt und gesagt<br />
haben: Die Lenge der Zeit ma<strong>ch</strong>e dem Mens<strong>ch</strong>en sein<br />
Unglik je lenger je lie<strong>ch</strong>ter — denn kaum hatte er si<strong>ch</strong><br />
ein wenig von diesem S<strong>ch</strong>reken erholet, so ma<strong>ch</strong>te er<br />
Anstalten, das Werk wiederum aufzuri<strong>ch</strong>ten. Ließe eine<br />
ungeheure Menge s<strong>ch</strong>ener Beimen in dem Flieliwalt<br />
ob dem Stegs<strong>ch</strong>leif oder dem S<strong>ch</strong>wibogen niderfellen und<br />
in das Mühletall fieren; denn dieser Zeit wurden eine<br />
so unglubli<strong>ch</strong>e Menge s<strong>ch</strong>ener Beime aus demselben Flieliwalt<br />
von vielen Leuthen genomen, daß man darab ein<br />
Verwundren haben muhßte*). Ja, es wäre ni<strong>ch</strong>t anders<br />
als ob ein bestendiger Brunnen dieselben tegli<strong>ch</strong> aus der<br />
Erden Herfür bre<strong>ch</strong>te. — Die Wendelbeime und andere<br />
große Helzer ließe der Verwalter in dem Hopflowinen<br />
Walt fellen. Das S<strong>ch</strong>iksal fienge an, si<strong>ch</strong> etwas milter<br />
zu erzeigen, weillen die Witrung den Winter dur<strong>ch</strong> seer<br />
angenem, ja sogar daß die meiste Zeit weder Reif no<strong>ch</strong><br />
S<strong>ch</strong>nee läge.<br />
Der Verwalter Chelius fienge si<strong>ch</strong> wiederum an wie<br />
von einer s<strong>ch</strong>werren Krankheit zu erholen, denn derselbe<br />
wäre dur<strong>ch</strong> die unglikli<strong>ch</strong>e Brunft der Maßen abgemattet<br />
^ er si<strong>ch</strong> beynahe ents<strong>ch</strong>loßen, das fast jederman unglikk<strong>ch</strong>e<br />
MMtall zu verlaßen — wel<strong>ch</strong>es den Kaspar Huber<br />
eben m<strong>ch</strong>t fast würde bekimret haben; denn derselbiae<br />
hatte allezeü die Hoffnung, no<strong>ch</strong> einmall S<strong>ch</strong>affner zu<br />
werden. Da<strong>ch</strong>te also viele Lift und Renke aus, wie er<br />
^^ri<strong>ch</strong>tlgen Chelius aus dem Mühlidall verstoßen<br />
me<strong>ch</strong>te denn der Kaspar Huber wäre der Einzige, dem<br />
das Eysenwerk im Mühlidall mer Nuzen als Verdrus<br />
und S<strong>ch</strong>aden gebra<strong>ch</strong>t. — Es s<strong>ch</strong>iene aber, als ob das<br />
S<strong>ch</strong>iksal bes<strong>ch</strong>loßen hätte, keinen Mens<strong>ch</strong>en ungestraft weggehen<br />
zu laßen, denn der Kaspar Huber wurde na<strong>ch</strong>her<br />
selbften von dem Glik seer benidet — ob es gli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>inen,<br />
die vielen Ungliksfälle und kostbaren Verenderungen<br />
des Mühlidaller Eisenwerks weren dem Kaspar Huber<br />
lautter Glik und Freude. Denn derselbe wonete zunä<strong>ch</strong>st<br />
. *) Da das Eisenwerk die s<strong>ch</strong>önen Wälder fraß, war es früher<br />
emmal (1628) von den erbitterten Haslern gründli<strong>ch</strong> zerstört
Wiederaufbau des Werkes 65<br />
an dem Werk, nemli<strong>ch</strong> ob dem S<strong>ch</strong>wybogen oder der<br />
Straß, äußert dem Genttelba<strong>ch</strong>. Er besorgete alle Zeit<br />
die Wirts<strong>ch</strong>aften des Mühlidalls zu seinem großen Nutzen;<br />
darzu ma<strong>ch</strong>te er widerum den Plan für die Wiederaufburvung<br />
der Hammers<strong>ch</strong>mitten zu seinem Nutzen, denn er<br />
rvoltte seinen Profit von allem haben, ob er s<strong>ch</strong>on kaum<br />
die Hand an das Werk legte.<br />
Na<strong>ch</strong>dem jetz alli Matteryalien auf dem Platz waren,<br />
so fienge der Verwaltter jetz mit der greßten Sorgfalt und<br />
meßiger Sparsamkeit an, das Werk wiederum aufzubuwen.<br />
Hatte viele Taglener, da er denn dem gemeinen Taglener<br />
tegli<strong>ch</strong> zehen Bazen zalte. — Das Werk wurde in kurzer<br />
Zeit volkomen wider Hergestelt, denn die Arbeit gienge<br />
s<strong>ch</strong>leinig und guth von statten. Na<strong>ch</strong>dem jetz alles wieder<br />
Hergestelt wäre, fienge er wieder an zu s<strong>ch</strong>melzen und das<br />
Werk zu betryben. Allein der gute Ehelius muhßte leider<br />
abermal ein neues Unglik erleben; denn es entstund den<br />
neunten Heumonat ein aus der Maßen starker Regen,<br />
wel<strong>ch</strong>er mit Hagel vermis<strong>ch</strong>t wäre, dardur<strong>ch</strong> die Ahrren<br />
(Aare) dermaßen angewa<strong>ch</strong>sen, daß selbige den Re<strong>ch</strong>en<br />
ganz zerbro<strong>ch</strong>en und nebst vielem Holz weggetragen, worüber<br />
er si<strong>ch</strong> aber ni<strong>ch</strong>t viel bekimrete, denn er sagte: man<br />
kenne der Gewalt des Waßers weder dur<strong>ch</strong> Klugheit no<strong>ch</strong><br />
Sterke Widerstand thun, glaube also, seyn Herr werde<br />
ime deshalben gar kein Vorwirfe ma<strong>ch</strong>en.<br />
Zwis<strong>ch</strong>en dieser Zeit gruben etli<strong>ch</strong>e Menner von Brienz<br />
gegen dem sogenanten Birkendall in der Erde um Erz,<br />
waren au<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> dermaßen glikli<strong>ch</strong>, eine Ader Erz anzutrefen,<br />
worüber selbige seer freidig waren, denn seye<br />
meinten, diese ihre Erz were so guth als die, wel<strong>ch</strong>e der<br />
Verwaltter Chelius von Aarau herauf fieren laßen;<br />
s<strong>ch</strong>ikten au<strong>ch</strong> viel von dieser Erz in das Mühlidall. Sie<br />
kontten aber aus derselben Erz kein Eisen ma<strong>ch</strong>en, daß<br />
man es bru<strong>ch</strong>en konte und hätten darzu no<strong>ch</strong> beynahe die<br />
ganze S<strong>ch</strong>melze verderbt und muhßten also mit S<strong>ch</strong>impf<br />
und S<strong>ch</strong>aden darvon abstehen, und eine große Qantetät<br />
Erz blibe auf der Stelle ligen. — Ni<strong>ch</strong>t lange darna<strong>ch</strong><br />
kam ein anderer, Namens Christian Lowiner, der gäbe<br />
dem Verwaltter Chelius vor, wie daß er ein zimli<strong>ch</strong> guthe<br />
Ertz in dem Urba<strong>ch</strong>dall oder derselbigen Gegend funden<br />
hätte; ma<strong>ch</strong>te au<strong>ch</strong> einen Acord für etli<strong>ch</strong> hundert Centner<br />
v. Weißenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>. 5
66 Ein S<strong>ch</strong>elmenstrei<strong>ch</strong><br />
und ließe selbige in das Mihledall fieren mit großen<br />
? A. ' ^ selbige vers<strong>ch</strong>melzen wellen, hat die<br />
selbtge Ertz ni<strong>ch</strong>t Eisen sondren nur S<strong>ch</strong>laken geben, und<br />
olibe seer vil von dieser Ertz hin und wieder unvers<strong>ch</strong>melzt<br />
liegen. Der Verwaltter Ehelius gäbe hieraus allem fremden<br />
Ertz Abs<strong>ch</strong>eit, denn er hatte jetz dreierley Ertz zu<br />
semes Hern großen S<strong>ch</strong>aden in das Mihledall fierren<br />
laßen, als nemli<strong>ch</strong> die Vonertz von Aarau, die von Brienz<br />
Name im also for, das Werk mit<br />
bloßer Planblatten Ertz zu betryben, wel<strong>ch</strong>es au<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ähe.<br />
Dem gutten Kaspar Huber wurde die Zeit seer lana<br />
denn er hatte d:e Hoffnung no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gantz aufgegäben'<br />
no<strong>ch</strong> emmall S<strong>ch</strong>affner zu werden; uberlegte bey si<strong>ch</strong><br />
selber, wenn der Verwaltter abermalen ein neues Unalik<br />
erleben nneßte so wurde er gewiß das Mühlentall als<br />
für lhne he<strong>ch</strong>ft unglikli<strong>ch</strong>en Ort verlaßen; denn er<br />
wußte wol, daß ihn die vorigen Ungliksfälle seer miede<br />
gema<strong>ch</strong>t hatten; sähe mit Freuden allen s<strong>ch</strong>wartzen<br />
Wolken na<strong>ch</strong>, die gegen das Mühlentall hin fuhren, denn<br />
er wäre so begierig, das Unglik des Mühlentalls zu sehen,<br />
wie Jonas (das) der Stadt Nineve. Der Verwalter Ehelius<br />
aber wäre bey der kleinsten Sa<strong>ch</strong>e dermaßen sorafeltlg<br />
daß der gute Huber die gefaßte Hoffnung, daß<br />
nemb<strong>ch</strong> das Muhlentall dur<strong>ch</strong> ein no<strong>ch</strong>maliges Unalik<br />
gekrenkt werden solte, aufgeben (mußte). Weilen ihme,<br />
Huber, aber das gantze Gebeu des Mühlentaller Eisen-<br />
^k^^^bekant wäre - denn er war des Herrn<br />
Weelens aus Pre<strong>ch</strong>en obrister Werkmeister in der Zimmerarbeit,<br />
als derselbige das Werk betryben — so erinrete<br />
er >!<strong>ch</strong>, wie das Sagencanal ho<strong>ch</strong> ob dem großen Haubtl^he;<br />
s<strong>ch</strong>k<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> also bey finsterer Na<strong>ch</strong>t zu dem<br />
geda<strong>ch</strong>ten Sagen Kanal, und weilen er das selbige selbsten<br />
erbuen, aus Befel<strong>ch</strong> der Berliner Herren, so ftirtzte er<br />
das selbtge Eanal mit wenig Miehe hinab auf das große<br />
^ ^^nung, es solte das ganze Waßerwerk<br />
zers<strong>ch</strong>metren und zerfteren, wel<strong>ch</strong>es aber zu des Hubers<br />
greßtem Glik ni<strong>ch</strong>t ges<strong>ch</strong>ähe. Denn der einfeltige Thor<br />
wurde von einem Hammers<strong>ch</strong>mid, wel<strong>ch</strong>en er vormals beleidigt<br />
hatte, gesehen und erkant, und muhßte also in seinen<br />
eigenen Kesten zu seiner allergrößten S<strong>ch</strong>ande dieses Eanal<br />
wieder ufbuen laßen; zudem wurde er no<strong>ch</strong> von vielen
Frei na<strong>ch</strong> Plutar<strong>ch</strong> 67<br />
brafen Leuthen in Verda<strong>ch</strong>t gezogen, als ob er an dem<br />
unglikli<strong>ch</strong>en Brand der Hammers<strong>ch</strong>mitten au<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>ermaßen<br />
me<strong>ch</strong>te die S<strong>ch</strong>uld gewesen sein. Were dem Huber<br />
sein teri<strong>ch</strong>ter Ans<strong>ch</strong>lag gelungen, daß dur<strong>ch</strong> disers das<br />
gantze Waßerwerk rvere zerstert worden, so werre der<br />
Huber gewiß ruiniert worden, denn er hätte selbiges gewiß<br />
in seinen eigenen Kesten wieder aufri<strong>ch</strong>ten mießen.<br />
Zudem mußte er die Hoffnung, no<strong>ch</strong> einmall S<strong>ch</strong>affner<br />
zu werden, genzli<strong>ch</strong> aufgeben, denn er wurde von Jederman<br />
wegen dieser tore<strong>ch</strong>ten Frefeltat als ein außrest boshafter<br />
Mens<strong>ch</strong> angesehen und verla<strong>ch</strong>et.<br />
4- -I-<br />
(5ato unct Oesar*).<br />
Als der Cesar, wel<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t lange vor Christo lebte<br />
und ein seer beriemter Feldher und tapferer Krieger wäre —<br />
hatte aus Befehl des Remis<strong>ch</strong>en Raths in Brytanien,<br />
Holand und daherum mit fielem Glücke Krieg geführt,<br />
au<strong>ch</strong> man<strong>ch</strong>e Nation überwunden. Darna<strong>ch</strong> wurden die<br />
Deuts<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e höher am Rhein wohnten, wider den<br />
Willen des Remis<strong>ch</strong>en Raths, wel<strong>ch</strong>er Frieden mit demselben<br />
großen Lande gema<strong>ch</strong>t, au<strong>ch</strong> mit Krieg uberzogen.<br />
Die Deuts<strong>ch</strong>en wurden aus der maßen ges<strong>ch</strong>ediget; das<br />
Land wäre verheret und dreymalenhundert dusend der<br />
besten Krieger wurden von den Remren ers<strong>ch</strong>lagen. Hierauf<br />
s<strong>ch</strong>ikt der siegestrunkene Cesar seine Legaten gen Rom,<br />
um bey dem Remis<strong>ch</strong>en Rath zu werben und anzuhaltten,<br />
daß er einen herli<strong>ch</strong>en Treiumpf halten me<strong>ch</strong>te, wel<strong>ch</strong>es<br />
damahlen eine ausnehmende Ehre war. Die meisten<br />
Rathsherren neigten si<strong>ch</strong> hierauf zu dem Cesar, um demselben<br />
in seinem Begeren zu wilfaren<br />
Da stund der weyse Cato auf und sagte: Dieweil der<br />
Cesar die Deuts<strong>ch</strong>en als unsere Bundesgenossen unabgesagt<br />
angegrifen und so merkli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ediget hat, so glaube i<strong>ch</strong>,<br />
es were weit besser, den Cesar gebunden und gefangen<br />
denselben zu ubergeben, wel<strong>ch</strong>e er wider den Willen des<br />
Remis<strong>ch</strong>en Raths ges<strong>ch</strong>edigt, als in tryumpfieren zu laßen.<br />
*) Vermutli<strong>ch</strong> hat der <strong>Chronik</strong>s<strong>ch</strong>reiber zur Übung man<strong>ch</strong>e<br />
Anekdote aus seinem Plutar<strong>ch</strong> „bearbeitet", do<strong>ch</strong> findet si<strong>ch</strong> m<br />
unserem Manuskript nur diese eine, <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong>e Probe. Offenbar<br />
hätte Weißenfluh mit Cato gestimmt.
68 Zerstörung von Obermad<br />
Von etli<strong>ch</strong>en onerierten Scknee-Lauvvenen<br />
im Jakr 1808.<br />
In diesem 1808 Jahr wäre der Augstmonat und der<br />
Herbst dermaßen naß, daß man das spete Fuhter und<br />
Amd seer s<strong>ch</strong>lä<strong>ch</strong>t und mit der greßten Miehe samlen<br />
konte. Seer friehe s<strong>ch</strong>neite es in Berg und Thal, ja es<br />
s<strong>ch</strong>neite fast tägli<strong>ch</strong> von Mi<strong>ch</strong>aeli bis den se<strong>ch</strong>sten Christmonat;<br />
da fienge es erst re<strong>ch</strong>t an, in den di<strong>ch</strong>testen Gestebren<br />
an zu s<strong>ch</strong>neien, wel<strong>ch</strong>es mit dem s<strong>ch</strong>rekli<strong>ch</strong>sten<br />
Orkan begleitet wäre. Au<strong>ch</strong> hers<strong>ch</strong>te eine grausame Kelte<br />
bis den 12. Christmonat abends um vier Uhr: da riß<br />
si<strong>ch</strong> die Fürs<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t-Lowe auf einmal los, und zwar von<br />
dem Märenhorn über den blauen Glets<strong>ch</strong>er hinaus bis<br />
an das Rothe Bergli bra<strong>ch</strong>e die gantze S<strong>ch</strong>neelast los.<br />
Die s<strong>ch</strong>enen Waldungen vom Fürs<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t-Graben hinein<br />
bis etwan zwanzig Klafter innert den S<strong>ch</strong>warzen-Graben<br />
wurden beynahe nider geworfen; es bliben ob dem Berstein<br />
und zune<strong>ch</strong>st ußert dem S<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en Graben no<strong>ch</strong><br />
etli<strong>ch</strong>e Hundert junge Dannen stehen, wovon die greßten<br />
ein gemeinen Zimmerbaum geben me<strong>ch</strong>ten; — das Übrige<br />
alles ward nider geworfen. Diese Lowe hat die altten<br />
S<strong>ch</strong>euren im Dubenkropf, wel<strong>ch</strong>e bey zweyhundert Jaren<br />
gestanden, au<strong>ch</strong> zers<strong>ch</strong>metret, einen jungen Gesellen nebst<br />
sieben Kienen (Kühen) und drei Meis<strong>ch</strong>en gedetet; ein<br />
Man aber und etwas S<strong>ch</strong>malfie<strong>ch</strong> ist no<strong>ch</strong> lebendig hervorgegraben<br />
worden und zwar mit großer Miehe, denn der<br />
Lowis<strong>ch</strong>nee wäre fierzehn S<strong>ch</strong>uh ho<strong>ch</strong>. Es hat in der<br />
Fürs<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t, grad ein Tiers<strong>ch</strong>utz ob der Erlebrik, au<strong>ch</strong><br />
eine S<strong>ch</strong>euer gebro<strong>ch</strong>en und eine S<strong>ch</strong>eur in Heinri<strong>ch</strong><br />
Mezeners und eine S<strong>ch</strong>eur in des Mel<strong>ch</strong>er Lu<strong>ch</strong>sen Weid<br />
au<strong>ch</strong> gebro<strong>ch</strong>en.<br />
Den glei<strong>ch</strong>en Tag, nemli<strong>ch</strong> den 12ten Christmonat 1808,<br />
wurde das Derflin Obermat abends um 10 Uhr von<br />
einer Staublauine verwiestet. Von siebenzig Mens<strong>ch</strong>en<br />
kamen dreiundzwanzig um das Leben; mehrere Häuser<br />
wurden gantz zerstert, und kein einziges blieb unbes<strong>ch</strong>ädiget.<br />
Der Verlörst an Vie<strong>ch</strong> war glei<strong>ch</strong>fals beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>.
Bergsturz von Goldau 69<br />
Von etlieken Kerg-Stirtzen un
70 Bergsturz von Biasca<br />
zwey einander gegenüber stehenden Bergen so zusamen,<br />
daß der zwis<strong>ch</strong>en ihnen fließende Vlegnoftrom in seinem<br />
Lauf festgehalten und dermaßen aufgedemt wurde, daß<br />
das heutege Bolenzerthal auf ein Par Jahrhunderte lang<br />
zum See verwandlet ward*). Ob bey diesem entsetzli<strong>ch</strong>en<br />
Ereigniße viele Mens<strong>ch</strong>en umkamen, weis man ni<strong>ch</strong>t.<br />
Genug, es war nun ein großer See da, wo sonst Heerden<br />
weideten; es entstanden und vergiengen darüber Mens<strong>ch</strong>enges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter;<br />
man erinrete si<strong>ch</strong> entli<strong>ch</strong> kaum no<strong>ch</strong>, das<br />
iemals vorzeitten daselbst trokenes Land gewesen war.<br />
Volle zweyhundert und zwey Jahre aber nagte der gefesselte<br />
Vlegnoftrom an dem ungeheuren Felsens<strong>ch</strong>utt Dam<br />
Entli<strong>ch</strong> und pletzli<strong>ch</strong> erst im Jahr 1714 bra<strong>ch</strong> er Mietend<br />
heraus und weltzte si<strong>ch</strong> die ungeheure Waßermenge alles<br />
verni<strong>ch</strong>tend dur<strong>ch</strong> die weitte Rifiera hinab in Lago magiore.<br />
Hitten und Kir<strong>ch</strong>en, Herden und Mens<strong>ch</strong>en wurden<br />
weggespielt. Se<strong>ch</strong>s hundert Bewoner des ehemals so<br />
fru<strong>ch</strong>tbaren Rifiera Tals fanden ihren Tod in den<br />
Flutten. Die Hitten sind heut zu tag am fru<strong>ch</strong>tbaren<br />
Gebirge. Ede (öde) ist das darunter ligende Land, der<br />
meiste Deil Sumpf und Moor, dessen hehre (höhere)<br />
Teill S<strong>ch</strong>uthigel sint, wo zwis<strong>ch</strong>en dem Gesteine Dornen<br />
stehen. Es fehlte zwar ni<strong>ch</strong>t an Versu<strong>ch</strong>en, die ehemals<br />
so blrehenden Fluhren unter dem S<strong>ch</strong>utte Hervorzugraben,<br />
aber neue Bergstirtze und Wolkenbri<strong>ch</strong>e im Jahr 1747<br />
riefen den Flu<strong>ch</strong> über den unglikli<strong>ch</strong>en Boden zurik, der<br />
nun auf Jahrhunderte lang ede bleiben wirt. —<br />
Von ungewollten Jakrgangen.<br />
Allemal, wen etwa ein Jahrgang dur<strong>ch</strong> irgend etwas,<br />
sey es Trökne oder Näße oder sonst etwas, si<strong>ch</strong> auszei<strong>ch</strong>net,<br />
so sagen die Leute: es ist do<strong>ch</strong> unser Leben lang nie so<br />
gewesen. Und denno<strong>ch</strong> geht die Welt ihren gewonten<br />
Gang immer fort, und es war zu allen Zeiten man<strong>ch</strong>erley<br />
sonderbare Witterung.<br />
*) Es handelt si<strong>ch</strong> um den Anno 1512 niedergegangenen<br />
Bergsturz vom Pizzo Magno, zirka eine Viertelstunde oberhalb<br />
^ Dur<strong>ch</strong>bru<strong>ch</strong> der Wassermassen dur<strong>ch</strong> den „Felsens<strong>ch</strong>utt-Damm"<br />
ließ ni<strong>ch</strong>t so lange auf si<strong>ch</strong> warten, als unser<br />
^yromks<strong>ch</strong>relber annimmt, sondern erfolgte vierzehn Monate na<strong>ch</strong>
Weißenfluh und Justinger 71<br />
Anno 1362 war zu Bern ein ubermäßig heißer Sommer,<br />
wo Matten und Weiden verbranten und alles Futter,<br />
Heu und Emd verdarb. Daruf folgete anno 1363 ein<br />
großes Viehsterben, sonderli<strong>ch</strong> im Monat Hornung, Merz<br />
und April. Viel Vieh starb vor Hunger; vieles mußte<br />
ges<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tet werden, damit es ni<strong>ch</strong>t Hungers sterbe. Man<br />
futterte an vielen Orten Ebaumb (oberhasli: Eboin ^<br />
Epheu) und Tannkries; etli<strong>ch</strong>e dekten die Strohdä<strong>ch</strong>er ab<br />
und legten das Stroh dem Vieh vor ^).<br />
Hingegen anno 1420 war ein so friehes Jahr, daß<br />
man zu angehendem Mayen reife Kirs<strong>ch</strong>en und auf den<br />
22. Heuet reiffe Trauben fand. Die meisten Baume verbieten<br />
im Merzen. Der April war no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ener; den<br />
?ten hatte man zu Basel Erdbeeren feil. Zu S<strong>ch</strong>wytz<br />
blieten etli<strong>ch</strong>e Reben den 5. Aprill. Zu Bern fieng man<br />
an, den Wein zu lesen den lezten Augstmonat. Zu Basel<br />
s<strong>ch</strong>enkte man neuen Wein auf Bartlomä Tag, die Mas<br />
um 1 Pfenig, zu Bern um 4, 5, 6 und 7 Pfenig^). —<br />
Anno 1514 war ein gar kaltter Wintter und viel S<strong>ch</strong>nee.<br />
Der Ziri<strong>ch</strong>see uberfror, daß man von Rappers<strong>ch</strong>weil gen<br />
Ziri<strong>ch</strong> mit S<strong>ch</strong>litten fuhr. Die Müller in Wintertur<br />
1) Vergl. Justinger, Berner-<strong>Chronik</strong>, 124 f. „Do man zalte<br />
von gots geburt HlLLL^XIII jar, waz der kalt winter in allen<br />
tüts<strong>ch</strong>en landen, und was gefroren von dem anevang untz (bis)<br />
in den mertzen." — Und für 1364: „Von den höw stufflen.<br />
?? 5"lte von gots geburt NLL(^XIIII jar, kamen die<br />
höwstuffel m daz land mit helnen, und fraßen Korn, loube und<br />
graz, und taten großen s<strong>ch</strong>aden." —<br />
2) Justinger, 287: „Do man zalte von Gots geburt IVlLecLXX<br />
jar, waz der winter milt, gut und hat ein besser ende, das glentz<br />
(der Lenz) no<strong>ch</strong> besser, der mertz hat keinen sne, der sumer früh.<br />
Es verbluten der merteil alle böme im mertzen. Am fünften tag<br />
aberellen hat man ze basel ertber veil, ze spietz bluten etli<strong>ch</strong><br />
reden im aberellen; der geburen regel wart vals<strong>ch</strong>, wan alle<br />
mertzenblust wart gut und wart allerley obs, über die Massen<br />
vil Korns und roin anug. Man vieng ze kern an lesen am<br />
lesten tag ougsten, do<strong>ch</strong> wart ein ban gema<strong>ch</strong>t XII tag; der win<br />
wart zemale gut und sunderli<strong>ch</strong> ze bern. Bi basel in des margrafen<br />
lant s<strong>ch</strong>ankt man nüwen win laurencii (10. Aug.), ze<br />
basel nuwen win uf bartholomee (24. Aug.), ein maß umb einen<br />
phenning; der berner wart vast gut, den s<strong>ch</strong>ankt man dez ersten<br />
ein maß umb vier phenning, über a<strong>ch</strong>t tag umb fünf, über XIIII<br />
tag umb se<strong>ch</strong>s und um siben; daruf gestund er. Darna<strong>ch</strong> gab<br />
man ein müt Dinkel umb IX s<strong>ch</strong>., den habern um VI s<strong>ch</strong>., den<br />
roggen umb X s<strong>ch</strong>., und galt ein guldin I Pf. IX s<strong>ch</strong>."
72 Teurung. Lawinen<br />
konten in 14 Tagen ni<strong>ch</strong>t mahlen. Man fuhr von S<strong>ch</strong>affhausen<br />
gen Andelfingen zu Mühli. Der Rhein war oberhalb<br />
der Brike so gefroren, daß man dariber reitten und<br />
gehen konnte; man hat daselbst ein Haasen auf dem Rhein<br />
gejagt und gefangen. Zu Basel hat man auf dem Rhein<br />
getanzet und gespilt. —<br />
Tod des <strong>Chronik</strong>s<strong>ch</strong>reibers 73<br />
die andren waren unverletzt hervorgegraben worden.<br />
Die Huser auf Mühliftalden wurden stark bes<strong>ch</strong>ediget, die<br />
Pfeifter einges<strong>ch</strong>lagen, die Tü<strong>ch</strong>er abgeworfen, und die<br />
Hüser ganz unbrau<strong>ch</strong>bar gema<strong>ch</strong>t. Da i<strong>ch</strong> die erste Person<br />
war, wo auf diesem verunglikten Platz ers<strong>ch</strong>in, und mi<strong>ch</strong><br />
aller Gefahr aussetzte, um diese vers<strong>ch</strong>iteten Mens<strong>ch</strong>en zu<br />
reten, so erhielt i<strong>ch</strong> eine Gradevekation von der Hohen<br />
Regierung, L. 20.<br />
1812.<br />
Rütte der Kaiser Nappolion gegen Rußland vor.<br />
Spanier, Franzosen, Holender, S<strong>ch</strong>witzer und Duts<strong>ch</strong>e,<br />
eine Armee von 600,000 Man, solte das Rußis<strong>ch</strong>e Ri<strong>ch</strong><br />
einnehmen. Wirkli<strong>ch</strong> mußten die Rußen dieser ungehüren<br />
Ma<strong>ch</strong>t wi<strong>ch</strong>en, und zogen si<strong>ch</strong> fe<strong>ch</strong>tent bis Moskau zuruk.<br />
Dieße ungehüre Stadt wurde von den Rußen sebst in<br />
Brand gestekt, daß die französis<strong>ch</strong>e Armee kein Obda<strong>ch</strong><br />
und kein Lebensmittel fand; in dieser bedenkli<strong>ch</strong>en Lage<br />
wurde die französis<strong>ch</strong>e Armee angegrifen und zum Theill<br />
zum Rukzug genetiget. Eine ungehüre Kälte bra<strong>ch</strong> ein;<br />
tägli<strong>ch</strong> kamen 1000 und 1000 vor Frost und Kelte um<br />
das Leben. Die Pferd konten die Stuk ni<strong>ch</strong>t mehr fortbringen<br />
und bliben in dem Morast steken; auf allen<br />
Punkten wurde die französis<strong>ch</strong>e Armee angegrifen, und<br />
für Hunger (und) Frost kam binahe alles um das Leben;<br />
denn nur 40,000 Man kamen bey Willna zurük.<br />
<strong>1821</strong> ist der Verfasser dieses Bu<strong>ch</strong>s gestorben; er<br />
ermant sinen Sohn no<strong>ch</strong> in finen lesten Tagen, die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
der Jahrbü<strong>ch</strong>er fortzusetzen, er endet hiemit den<br />
ersten Theil dieses Bu<strong>ch</strong>s. Hans von Ulisenslu.<br />
Nesenthal, den 29. May <strong>1821</strong>.<br />
Ende des Ersten Theils.<br />
Den Zweiten setzt der Sohn gli<strong>ch</strong>es Namens fort,<br />
der zu siner Zitt au<strong>ch</strong> zum Vors<strong>ch</strong>in komen wird*).<br />
*) Ist leider bis jetzt ni<strong>ch</strong>t ges<strong>ch</strong>ehen.
Anhang.<br />
l>ie „Gegenrevolution" im Oberlanct,<br />
April unä Mai ^98.<br />
Weißenfluhs Beri<strong>ch</strong>t über den Einbru<strong>ch</strong> der Waldstätter-Truppen<br />
ins Haslital und über die Haltung der<br />
Oberländer enthält mehrere Einzelheiten, die sonst ni<strong>ch</strong>t<br />
gemeldet werden und wei<strong>ch</strong>t in etli<strong>ch</strong>en Punkten ziemli<strong>ch</strong><br />
stark von anderen Darstellungen ab. Jedenfalls kannte<br />
der Ehroniks<strong>ch</strong>reiber von Mühlestalden die Stimmung<br />
seiner oberhaslis<strong>ch</strong>en Mitbürger besser als der General<br />
Aufdermaur oder der Pater Paul Styger. Da er aber<br />
zu dieser Zeit offenbar ganz „helvetis<strong>ch</strong>" geri<strong>ch</strong>tet war,<br />
als klarsehender und urteilender Kopf wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />
d:e Aussi<strong>ch</strong>tslosigkeit einer kontrarevolutionären Erhebung<br />
von Anfang an erkannte, ers<strong>ch</strong>eint er, trotz aller Sympathie<br />
für die unglückli<strong>ch</strong>en Nidwaldner, do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t völlig<br />
unparteiis<strong>ch</strong> — wer hätte es überhaupt damals sein können!<br />
Und weil im Oberhasli selbst die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te jener<br />
interessanten Frühlingstage sehr wenig mehr bekannt ist,<br />
möge hier, zur besseren Würdigung des Weißenfluhs<strong>ch</strong>en<br />
Textes, eme kurze Übersi<strong>ch</strong>t folgen, wel<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong> den „anderen<br />
^6tl zum Worte kommen läßt. Helvetikkundige Leser<br />
werden dann wenig Neues finden, da das meiste in der<br />
„Äktensammlung aus derZeit der helvetis<strong>ch</strong>en<br />
Republik" von Johannes Strickler enthalten ist,<br />
nur daß einige wenige der daselbst kurz <strong>ch</strong>arakterisierten<br />
S<strong>ch</strong>riftstücke (betreffend Untersu<strong>ch</strong>ung und Strafverfahren<br />
gegen die „Rebellen" im Oberhasli) hier vollständig mitgeteilt<br />
werden.<br />
»<br />
5<br />
Als im April 1798 die Kantone Uri, S<strong>ch</strong>wyz, Nidwalden<br />
und Glarus si<strong>ch</strong> gegen die helvetis<strong>ch</strong>e Verfassung<br />
zum Kampfe erhoben und dur<strong>ch</strong> eine kräftige Offensive<br />
au<strong>ch</strong> einen Teil der übrigen S<strong>ch</strong>weiz mitzureißen hofften,
Erster Einbru<strong>ch</strong> der Waldstätter ins Haslital 75<br />
rückte der linke Flügel ihrer Streitma<strong>ch</strong>t gegen den Brünig<br />
vor, um, wenn die Stimmung „drüben" günstig sei, ins<br />
Haslital einzubre<strong>ch</strong>en und gemeinsam mit den Berner<br />
Oberländern wohl bis na<strong>ch</strong> Thun vorzudringen. Die<br />
Hauptführer dieser Expedition waren Aufdermaur<br />
von S<strong>ch</strong>wyz und Hauser von Glarus. Ein erster Vorstoß,<br />
der am 23. April mit ungefähr 1000 Mann „in die<br />
Lands<strong>ch</strong>aft Oberhasli bis hinunter in die Gegenden ob<br />
Brienz" unternommen wurde, s<strong>ch</strong>lug fehl; die Oberländer<br />
wollten ni<strong>ch</strong>t mitma<strong>ch</strong>en, und die Truppen von Unterwalden<br />
mußten, „genöthiget von den Haslithalern", den<br />
Rückzug antreten. Dadur<strong>ch</strong> wurde die ohnehin s<strong>ch</strong>wierige<br />
Lage für die Jnners<strong>ch</strong>weizer auf dem Vrünig bedeutend<br />
vers<strong>ch</strong>limmert. Gwerder, einer ihrer Kommandanten, entwirft<br />
in seinem Brief an Alois Neding (25. April) davon<br />
ein sehr düsteres Bild. „Mit innigsten S<strong>ch</strong>merzen und<br />
aus Not gedrungen muß i<strong>ch</strong> Ihnen s<strong>ch</strong>leunigst melden,<br />
wie si<strong>ch</strong> die Umstände sowohl bei meinen als au<strong>ch</strong> bei<br />
den Truppen von Unterwalden tägli<strong>ch</strong> ändern und von<br />
Tage zu Tage zum Bösern neigen. Bei den Truppen<br />
von Unterwalden herrs<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> ein allgemeines Klagen;<br />
die elende Logis und Quartierung, die rauhe kalte Witterung<br />
in dieser Gegend, der Mangel an nötigen Lebensmitteln<br />
ma<strong>ch</strong>en diese Leute immer wankender, zaghafter,<br />
(so daß) zu für<strong>ch</strong>ten ist, daß diese Leute gar in desperate<br />
Unordnungen verfallen, wie es letzte Na<strong>ch</strong>t bei den Unter-<br />
Waldnern bald ges<strong>ch</strong>ehen wäre.... I<strong>ch</strong> kann für gewiß<br />
sagen, wir wohnen auf einem wilden kalten Berge, daß<br />
es beinahe unmögli<strong>ch</strong> ist für diese Leute, länger auszuhalten."<br />
Kein Brot mehr, und andere Lebensmittel<br />
nur na<strong>ch</strong> langem Zuwarten und mit harter Mühe herbeizus<strong>ch</strong>affen;<br />
Erkrankungen und Entlassungen.<br />
Weißenfluh hat also in seiner Charakteristik dieses<br />
ersten Einbru<strong>ch</strong>s ni<strong>ch</strong>t übertrieben. Natürli<strong>ch</strong> blieben<br />
die von Gwerder ges<strong>ch</strong>ilderten Zustände den Oberhaslern<br />
ni<strong>ch</strong>t verborgen, und lei<strong>ch</strong>t begreift es si<strong>ch</strong>, daß unter<br />
sol<strong>ch</strong>en Umständen niemand Lust verspürte, den Freiheitsbaum<br />
in Meiringen umzuhauen.<br />
In den nä<strong>ch</strong>sten Tagen besserte si<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> die Lage<br />
und Stimmung der „Kriegsvölker" am Brünig, besonders<br />
dur<strong>ch</strong> die Unterstützung Obwaldens (das die helvetis<strong>ch</strong>e
76 Der zweite Einbru<strong>ch</strong><br />
Verfassung angenommen hatte und zuerst still bleiben<br />
wollte); au<strong>ch</strong> andere Verstärkung rückte na<strong>ch</strong>, und dur<strong>ch</strong><br />
das Eingreifen Aufdermaurs, der jetzt, am 26. April,<br />
das Kommando am Brünig übernahm, kehrten Ordnung<br />
und Zuversi<strong>ch</strong>t wieder. „Euer Ho<strong>ch</strong>wohledelgeboren bewiesene<br />
Klugheit, Thätigkeit, Heldenmuth und alle übrigen<br />
zu einem so wi<strong>ch</strong>tigen Posten erforderli<strong>ch</strong>en Tugenden<br />
und Eigens<strong>ch</strong>aften, die Sie in einem außerordentli<strong>ch</strong>en<br />
Grade besitzen, verspre<strong>ch</strong>en uns s<strong>ch</strong>on zum voraus unter<br />
Gottes S<strong>ch</strong>utz den glückli<strong>ch</strong>sten Erfolg." (Der Kriegsrat<br />
von Nidwalden an Aufdermaur.) S<strong>ch</strong>on am nä<strong>ch</strong>sten<br />
Tage lautet denn au<strong>ch</strong> der Beri<strong>ch</strong>t vom Brünig her<br />
ganz anders als jener Gwerders<strong>ch</strong>e Nots<strong>ch</strong>rei; eine Armee<br />
von Uri, S<strong>ch</strong>wyz, Unterwalden, Glarus und Engelberg<br />
stehe auf dem Vrümg und Sattel (Grenze gegen Entlebu<strong>ch</strong>),<br />
mit festem Ents<strong>ch</strong>luß, Vaterland, Eigentum, Freiheit<br />
und Religion bis zum Äußersten zu verteidigen.<br />
Am 28. April erfolgte der zweite Einbru<strong>ch</strong> ins Haslital.<br />
Wie der s<strong>ch</strong>wyzeris<strong>ch</strong>e Repräsentant Belmont und Oberst<br />
Hauser übereinstimmend beri<strong>ch</strong>ten, hatte man diesmal die<br />
Stimmung der Oberhasler vorerst sondiert und ermutigende<br />
Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t erhalten. Belmont s<strong>ch</strong>reibt am 29. morgens<br />
8 Uhr von Meiringen: „Na<strong>ch</strong>dem wir dur<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>ere Auskunds<strong>ch</strong>aftung<br />
vernommen, daß ein großer Theil des Volkes<br />
in dem Haslithal wüns<strong>ch</strong>e, daß unsere Truppen vorrüken<br />
mö<strong>ch</strong>ten, zuglei<strong>ch</strong> aber die Anzeige gema<strong>ch</strong>t werde, daß<br />
wenn man länger warten würde, das gutdenkende Volk<br />
mismuthig werden dürfte, so ents<strong>ch</strong>lossen si<strong>ch</strong> die Herren<br />
Kommandanten der Truppen, diese Erpedition vorzunehmen.<br />
Sie rükten also gestern auf den Abend mit<br />
1300 Mann in das Haslithal, besetzten Brienz, Brienzwyler<br />
und Meiringen als den Hauptort."<br />
Ausführli<strong>ch</strong>er meldet Oberst Hauser am 30. April<br />
von Brienz dem „Statthalter und Rath katholis<strong>ch</strong>er<br />
Religion in Näfels": „Da i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts thun wollte, ohne<br />
zuvor alle mögli<strong>ch</strong>e Beri<strong>ch</strong>te eingezogen zu haben, so<br />
begaben wir uns in das unten an dem Brünig gelegene<br />
Dorf Lungern, wo uns s<strong>ch</strong>on alles versi<strong>ch</strong>erte, daß die<br />
Stimmung der Haslithaler erwüns<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> wäre. Den<br />
27. s<strong>ch</strong>ickten wir vom Brünig aus Kunds<strong>ch</strong>after in's<br />
Thal, um bestimmte Beri<strong>ch</strong>te zu bekommen; Herr Auf-
Volksstimmung im Haslital 77<br />
dermaur gesellte si<strong>ch</strong> selbften zu ihnen, und i<strong>ch</strong> blieb auf<br />
dem Berg, wo i<strong>ch</strong> den ganzen Tag über Bots<strong>ch</strong>aften<br />
bekam, die alle die dringendsten Einladungen zu unserm<br />
Vorrücken ma<strong>ch</strong>ten. Als abends die Kunds<strong>ch</strong>aften zurückkamen<br />
und den glei<strong>ch</strong>en Beri<strong>ch</strong>t bra<strong>ch</strong>ten, wurde in Lungern<br />
auf den andern Tag früh ein Kriegsrath der Kommandanten<br />
der auf dem Vrünig si<strong>ch</strong> befindenden Truppen<br />
angesagt. Sehr erfreuli<strong>ch</strong> war mir, den Herrn Belmont<br />
von S<strong>ch</strong>wyz dort als verordneten Kriegsrath und Repräsentanten<br />
von den vereinigten Ständen anzutreffen.<br />
Es wurde bes<strong>ch</strong>lossen, no<strong>ch</strong> den nämli<strong>ch</strong>en Tag mit 1300<br />
Mann, so auf dem Brünig und Na<strong>ch</strong>bars<strong>ch</strong>aft waren,<br />
vorzurücken und die 600 bereiten Obwaldner sowohl als<br />
unsere 100 andere Glarner den anderen Tag, da es die<br />
Entfernung ni<strong>ch</strong>t früher erlaubte, an uns zu ziehen. Bis<br />
alles Nötige beordert war, wurde es über 1 Uhr abends,<br />
bis das Volk abmars<strong>ch</strong>ieren konnte."<br />
Eine „Übersi<strong>ch</strong>t der Truppen im Haslital" führt auf:<br />
Brienz: von S<strong>ch</strong>wyz 200, von Unterwalden 400;<br />
Meiringen: von S<strong>ch</strong>wyz 200, von Unterwalden 150;<br />
Brienz-Wyler: von S<strong>ch</strong>wyz 50, von Unterwalden 100;<br />
Hohenflue (Hohfluh): von S<strong>ch</strong>wyz 50, von Unterwalden<br />
150. In Brienz Oberst Hauser und L. H. Zelger;<br />
in Meiringen Aufdermaur und Gwerder. — (Die Urner<br />
und Glarner ers<strong>ch</strong>einen hier merkwürdigerweise vergessen.)<br />
über die Volksstimmung im Haslital widerspre<strong>ch</strong>en<br />
si<strong>ch</strong> die Beri<strong>ch</strong>te, do<strong>ch</strong> gewinnt man den Eindruck, Weißenfluh<br />
sei etwas zu ras<strong>ch</strong> fertig mit dem Wort, wenn er<br />
die Gegner der Helvetik „Lumpen und Bettler" benamset.<br />
Anderseits ist die Behauptung Aufdermaurs (Meiringen,<br />
29. April): „Das Volk neigt si<strong>ch</strong> auf unsere Seite, mit<br />
Ausnahme einiger Beamter", mit Vorsi<strong>ch</strong>t aufzunehmen.<br />
Hatte do<strong>ch</strong> Belmont beim Einrücken in Meiringen bemerkt,<br />
daß „einige no<strong>ch</strong> ziemli<strong>ch</strong> saure Gesi<strong>ch</strong>ter ma<strong>ch</strong>ten",<br />
und Oberst Hauser s<strong>ch</strong>ildert den Empfang folgendermaßen:<br />
„Als wir in dem Thal anlangten, fanden wir die s<strong>ch</strong>önste<br />
Bevölkerung, so man si<strong>ch</strong> nur denken kann, in einer Niederges<strong>ch</strong>lagenheit,<br />
die i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t einmal mögli<strong>ch</strong> glaubte; alles<br />
segnete uns mit Thränen und wüns<strong>ch</strong>te uns Glück; aber<br />
mithelfen wollten sie ni<strong>ch</strong>t und erklärten sogar, daß sie<br />
Willig von jedem, der käme, alles Ungema<strong>ch</strong> auszuhalten
78 Landsgemeinde in Meiringen<br />
gesinnt wären. Als man vermuthen ließ, daß Wir uns<br />
wieder zurückziehen Wollten, kamen Bots<strong>ch</strong>aften von Gutgesinnten,<br />
die anhielten, daß Wir no<strong>ch</strong> einige Tage bleiben<br />
sollten. Da laut eingegangenen Beri<strong>ch</strong>ten mittlerweile<br />
ni<strong>ch</strong>ts von dem Feind zu för<strong>ch</strong>ten Ware, blieben Wir."<br />
Ein Beispiel tat not, und damit es gegeben werde,<br />
half man, wie ganz natürli<strong>ch</strong>, der Begeisterung na<strong>ch</strong>, da sie<br />
si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t von selbst einstellen wollte. Der Oberkommandant<br />
Aufdermaur s<strong>ch</strong>eint dabei das meiste getan zu haben; jedenfalls<br />
ri<strong>ch</strong>tete er in Meiringen mehr aus, als seine Waffengefährten<br />
in Brienz. In dem Beri<strong>ch</strong>t eines Augenzeugen<br />
über den „Zug des Glarneris<strong>ch</strong>en Succurs-Bataillons na<strong>ch</strong><br />
Unterwalden und ins Haslithal" heißt es u. a.: „Die Lage<br />
und die bangen Erwartungen dieses sonst so glückli<strong>ch</strong>en<br />
Landes kann man si<strong>ch</strong> kaum vorstellen; aber zur Steuer<br />
der Wahrheit sei es gesagt, die Municipalität von Meiringen<br />
betrug si<strong>ch</strong> brav. Aufdermaur von S<strong>ch</strong>wyz, Eommandant<br />
über sämtli<strong>ch</strong>e Truppen, ein Mann voll Feuer,<br />
aber wenig Überlegung, forderte, das Zeughaus sollte<br />
geöffnet und eine neue provisoris<strong>ch</strong>e Regierung eingesetzt<br />
werden. Das erste ges<strong>ch</strong>ah, se<strong>ch</strong>s unbrau<strong>ch</strong>bare Gewehre<br />
waren die Ausbeute; auf das letztere Begehren erhielt<br />
man keine Antwort." — Wohl aber vermo<strong>ch</strong>te der energis<strong>ch</strong>e<br />
Aufdermaur die Hasler dazu, daß sie no<strong>ch</strong> am<br />
28. April eine Landsgemeinde abhielten, bei der es re<strong>ch</strong>t<br />
lebhast mag zu- und hergegangen sein. Ob willig oder<br />
anders — „an heute allhier gehaltener Landsgemeinde<br />
ward einhellig erkennt, daß man si<strong>ch</strong> gegen einen auswärtigen<br />
Femd defendiren werde, um Religion, Eigenthum,<br />
Freiheit und Gere<strong>ch</strong>tigkeit zu s<strong>ch</strong>ützen und zu s<strong>ch</strong>irmen,<br />
dafür au<strong>ch</strong> unser Blut zu wagen."<br />
Wie stark diese Volksversammlung gewesen und wel<strong>ch</strong>e<br />
Rolle Aufdermaurs Krieger dabei gespielt, wird uns leider<br />
ni<strong>ch</strong>t mitgeteilt. Genug, die „Alts<strong>ch</strong>weier" siegten, und<br />
die andern waren dergestalt einges<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>tert, daß im Augenblick<br />
keiner si<strong>ch</strong> laut zur helvetis<strong>ch</strong>en Ordnung bekennen<br />
durste. Jetzt wurde der Freiheitsbaum in Meiringen niedergelegt;<br />
im Gegensatz zu Weißenfluh behauptet General<br />
Aufdermaur, diese Tat sei von den Haslern selbst vollbra<strong>ch</strong>t<br />
worden. Dazu kam der Bes<strong>ch</strong>luß, man wolle mit den<br />
Eingedrungenen gemeinsame Sa<strong>ch</strong>e ma<strong>ch</strong>en.
Die Brienzer helvetis<strong>ch</strong> 79<br />
Ganz anders hatten si<strong>ch</strong> die Dinge in Vrienz gestaltet.<br />
Die beiden Mitglieder des helvetis<strong>ch</strong>en Gr. Rates,<br />
Joh. Fis<strong>ch</strong>er von Brienz und Chr. Mi<strong>ch</strong>el von Bönigen,<br />
die, häusli<strong>ch</strong>er Ges<strong>ch</strong>äfte wegen, am 22. April von Aarau<br />
heimgekehrt waren, beri<strong>ch</strong>ten an das Direktorium: Glei<strong>ch</strong><br />
auf die Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t von dem (ersten) Einbru<strong>ch</strong> „ließ die<br />
Municipalität von Brienz s<strong>ch</strong>leunig diejenigen von Jnterlaken<br />
und Unterseen von diesem Einfall bena<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>tigen,<br />
sowie au<strong>ch</strong> den commandirenden Offizier der fränkis<strong>ch</strong>en<br />
Truppen in Thun; zuglei<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ickten obige Municipalitäten<br />
Abgeordnete an die eingefallenen Abtheilungen der waldstättis<strong>ch</strong>en<br />
Truppen und forderten na<strong>ch</strong>drückli<strong>ch</strong>st ihren Rückmars<strong>ch</strong><br />
über die Grenzen. Tags darauf, den 24., versammelte<br />
si<strong>ch</strong> die ganze Gemeinde Brienz, erklärte, daß sie<br />
mit den kleinen Cantonen s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>terdings ni<strong>ch</strong>ts zu thun<br />
haben und si<strong>ch</strong> ihnen ni<strong>ch</strong>t ans<strong>ch</strong>ließen wolle; s<strong>ch</strong>ickte au<strong>ch</strong><br />
wiederum Bots<strong>ch</strong>aften an dieselben, um sie na<strong>ch</strong>drückli<strong>ch</strong> zum<br />
Rückzug anzumahnen. Dies gelang, und s<strong>ch</strong>on wüns<strong>ch</strong>ten<br />
si<strong>ch</strong> die Einwohner der dortigen Gegenden Glück, dieser<br />
drohenden Gefahr entgangen zu sein. Allein Samstag den<br />
28. April ruckten die Truppen der kleinen Eantone in sehr<br />
großer Anzahl in die Dörfer Wyler, Hofstetten, Brienz<br />
^ ^ Lands<strong>ch</strong>aft Oberhasli bis na<strong>ch</strong> Meiringen und<br />
MMgen hinauf, und zwar dieses mal so stark, daß einzig<br />
m dem Dorfe Brienz 500 Mann verlegt waren, woselbst<br />
^ Hauptquartier ihrer Eommandanten befand.<br />
Auf die Anfrage, was diese Manns<strong>ch</strong>aft begehre, antwortete<br />
dieselbe, sowie die Offiziere, sie kommen ni<strong>ch</strong>t als Feinde,<br />
sondern als Freunde, und wer si<strong>ch</strong> an sie s<strong>ch</strong>ließen wolle,<br />
der könne es thun. Unglückli<strong>ch</strong>erweise gelangte im nämli<strong>ch</strong>en<br />
Zeitpunkte die Requisition des Bürgers Rouhiöre<br />
(stanz. Eommissär in Helvetien) in jene Gegenden, dur<strong>ch</strong><br />
wel<strong>ch</strong>e er von dem Eanton Oberland Lieferungen in<br />
Naturalien forderte, die ein jeder bei der geringsten Kenntnis<br />
der Lage und Kräfte dieses Cantons als dur<strong>ch</strong>aus<br />
uners<strong>ch</strong>wingli<strong>ch</strong> ansehen mußte. Diese Anforderung ma<strong>ch</strong>te<br />
ni<strong>ch</strong>t nur in allen anderen Gegenden des Cantons die<br />
heftigste Wirkung auf die Gemüther, weil der Landmann<br />
na<strong>ch</strong> den ges<strong>ch</strong>ehenen Zusi<strong>ch</strong>erungen der großen Nation<br />
glaubte, die Franken wären bloß als ihre Befreier ins<br />
Land gekommen; sondern vorzügli<strong>ch</strong> stark wirkte dieser
80 Aufdermaur in Brienz<br />
Umstand auf die mit den Waldftättern besetzten Gegenden.<br />
Häufig hörte man die Ausdrücke, sol<strong>ch</strong>e Lieferungen seien<br />
dem ohnehin armen Lande unmögli<strong>ch</strong>, und lieber wolle<br />
man plötzli<strong>ch</strong> sterben, als an einer langsamen Auszehrung<br />
verderben. Kurz, die Gährung war außerordentli<strong>ch</strong>, die<br />
beiden Repräsentanten in der größten Lebensgefahr und<br />
das ganze Land auf die Gemeinde Brienz mit gespannter<br />
Aufmerksamkeit geheftet, um einen völligen Auss<strong>ch</strong>lag zu<br />
nehmen. Ni<strong>ch</strong>ts destoweniger gelang es do<strong>ch</strong>, die aufbrausenden<br />
Gemüther wiederum in etwas zu besänftigen,<br />
die Wankenden zu unterstützen und die standhaften Patrioten<br />
in ihrer Ents<strong>ch</strong>lossenheit zu befestigen, wozu si<strong>ch</strong><br />
die unterzei<strong>ch</strong>neten Repräsentanten s<strong>ch</strong>mei<strong>ch</strong>eln können, alles<br />
was in ihren Kräften lag, beigetragen zu haben. S<strong>ch</strong>on<br />
vorher war der Befehl na<strong>ch</strong> Jnterlaken und Brienz gekommen,<br />
die dortigen Waffen auf den 1. Mai na<strong>ch</strong> Bern<br />
zu liefern. Sonntags den 29. April versammelte si<strong>ch</strong> die<br />
ganze Kir<strong>ch</strong>gemeinde Brienz, eine der größten in dortiger<br />
Gegend, und es wurde bes<strong>ch</strong>lossen, in Befolgung obigen<br />
Befehls des folgenden Tages die Waffen abzugeben und<br />
einzus<strong>ch</strong>iffen, so lebhaft au<strong>ch</strong> die dortigen Bewohner dieser<br />
Verlust bei dem Gefühl s<strong>ch</strong>merzen mußte, daß sie in Betra<strong>ch</strong>tung<br />
ihrer Standhaftigkeit allerdings würdig gewesen<br />
wären, dieselben no<strong>ch</strong> ferner zu allfälliger Verteidigung<br />
der Freiheit und Glei<strong>ch</strong>heit zu tragen. Allein diese Eins<strong>ch</strong>iffung<br />
konnte ni<strong>ch</strong>t vor si<strong>ch</strong> gehen; sowie die Bewohner<br />
jener Gegenden ihre Waffen dazu hervorbra<strong>ch</strong>ten, bemä<strong>ch</strong>tigten<br />
si<strong>ch</strong> die waldstättis<strong>ch</strong>en Truppen derselben und<br />
nahmen sie weg, da jeder gewaltsame Widerstand unmögli<strong>ch</strong><br />
gewesen wäre."<br />
General Aufdermaur, der mit Belmont si<strong>ch</strong> am 29. April<br />
voller Hoffnung und Tatenlust von Meiringen na<strong>ch</strong> Brienz<br />
zum Kriegsrate begab, erlebte eine s<strong>ch</strong>merzli<strong>ch</strong>e Enttäus<strong>ch</strong>ung.<br />
„I<strong>ch</strong> glaubte", s<strong>ch</strong>rieb er am Abend desselben Tages,<br />
„von diesen Herren (den Commandanten Hauser und<br />
Zelger) zu vernehmen, daß sie dur<strong>ch</strong> ihr Vorgehen dieses<br />
Volk, das leider dur<strong>ch</strong> den französis<strong>ch</strong>en Namen zu stark<br />
terrorisiert ist, dazu vermo<strong>ch</strong>t hätten, si<strong>ch</strong> zu bewaffnen<br />
und gemeinsame Sa<strong>ch</strong>e mit uns zu ma<strong>ch</strong>en; — aber<br />
wel<strong>ch</strong>es war meine Überras<strong>ch</strong>ung, als i<strong>ch</strong> bemerkte, daß<br />
die Herren Commandanten, da es ihnen ni<strong>ch</strong>t gelungen
Hasler wollen mitma<strong>ch</strong>en 81<br />
War, die Bevölkerung zu elektrisieren und ihr jene Begeisterung<br />
einzuflößen, die wie in den Herzen der braven<br />
Leute von Meiringen zu entfa<strong>ch</strong>en das Glück hatten, jegli<strong>ch</strong>e<br />
Hoffnung verloren hatten und daran da<strong>ch</strong>ten, si<strong>ch</strong><br />
zum zweiten mal zurück zu ziehen ... I<strong>ch</strong> habe aus kein<br />
Rückzugsprojekt eintreten wollen, da i<strong>ch</strong> zu sehr überzeugt<br />
war, daß die Umstände es ni<strong>ch</strong>t geböten, und i<strong>ch</strong> bin aus<br />
meinen Posten (na<strong>ch</strong> Meiringen) zurückgekehrt." Hier gewährte<br />
ihm das contrarevolutionäre Gebaren der Oberhasler<br />
einen wahren Trost. „Wel<strong>ch</strong>e Freude ergriff mi<strong>ch</strong>,<br />
als i<strong>ch</strong> das ganze Volk um die Trümmer des Freiheitsbaumes<br />
sah, den es selbst umgehauen hatte, als i<strong>ch</strong> eine<br />
fast allgemeine Freude erkannte auf den Gesi<strong>ch</strong>tern dieser<br />
braven Leute, die si<strong>ch</strong> an den Klängen unsrer Türkenmusik<br />
ergötzten! Unmittelbar na<strong>ch</strong> der Ceremonie, die, wie Sie<br />
denken können, eine rührende Scene verursa<strong>ch</strong>t hat, hat<br />
man mir im Namen der Gemeinde 400 gut bewaffnete<br />
Männer verspro<strong>ch</strong>en, die mit unsern Truppen mars<strong>ch</strong>ieren<br />
werden, und mir versi<strong>ch</strong>ert, daß eine glei<strong>ch</strong> große Zahl<br />
bereit sein würde, den erstern zu folgen, sobald die Umstände<br />
es erheis<strong>ch</strong>ten. I<strong>ch</strong> beeile mi<strong>ch</strong>, Ihnen diese Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t<br />
mitzutheilen, die um so angenehmer ist, als der Erfolg<br />
unserer politis<strong>ch</strong>en Operationen unsere Hoffnungen übertroffen<br />
hat. Die Bewohner dieses Landes werden wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong><br />
morgen einen Repräsentanten zu Ihnen (Kriegscommission<br />
in Art) s<strong>ch</strong>icken, damit wir gemeinsam vorgehen."<br />
Jedenfalls war die Kunde von der am 29. erfolgten<br />
Einnahme Luzerns dur<strong>ch</strong> die Hauptma<strong>ch</strong>t Redings von<br />
bestimmendem Einfluß gewesen. Au<strong>ch</strong> die Kommandanten<br />
in Brienz wurden jetzt zuversi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er, da si<strong>ch</strong> infolge<br />
jener Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t „die Stimmung um vieles gebessert", wie<br />
Oberst Hauser am 30. s<strong>ch</strong>reibt. Und da Meiringen jetzt<br />
bei 900 Mann aufgeboten habe, die si<strong>ch</strong> soglei<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>ließen<br />
werden, hoffen die Führer, „die übrigen Gemeinden werden<br />
au<strong>ch</strong> aus ihrem Todess<strong>ch</strong>lummer mit Gottes Hilf gerissen<br />
werden. Sollte dieses ges<strong>ch</strong>ehen, so würden wir dann<br />
gegen Thun allgema<strong>ch</strong> vorrücken, bis uns von dem gemein-eidgenössis<strong>ch</strong>en<br />
Kriegsrath weitere Verhaltungsbefehle<br />
würden gegeben werden. I<strong>ch</strong> muß au<strong>ch</strong> meinen gnädigen<br />
Herren und Oberen anzeigen, daß von den bena<strong>ch</strong>barten<br />
Thälern Frutigen, Grindelwald, Simmenthal (Abgeordnete)<br />
v. Wetßenfluh. <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>. 6
ei uns gewesen und alles Gute verspro<strong>ch</strong>en, wenn si<strong>ch</strong><br />
dieses Thal (für uns) erklären sollte. Auf diese Werse<br />
^ ^gnen Würde, könnte no<strong>ch</strong> eine beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />
Armee hier si<strong>ch</strong> vorfinden."<br />
Wirkli<strong>ch</strong> erhielt die kleine Armee der Jnners<strong>ch</strong>weizer<br />
bedeutende Verstärkung; vom Sattel, wo sie ni<strong>ch</strong>ts ansu<strong>ch</strong>ten<br />
konnten wurden die Glarner, 400 Mann stark,<br />
unter Maior Zopfi herbeigerufen und gelangten na<strong>ch</strong><br />
emem starken Mars<strong>ch</strong>e über den Brünig bis na<strong>ch</strong> Hofstetten<br />
(oberhalb Brienz), willig, no<strong>ch</strong> weiter zu mars<strong>ch</strong>ieren<br />
^ nötig wäre, „was mit Re<strong>ch</strong>t von unsern sämtli<strong>ch</strong>en<br />
Herren Offiziers bewundert wurde"; au<strong>ch</strong> aus den<br />
andern Kantonen war Na<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ub eingetroffen, so daß na<strong>ch</strong><br />
Hausers bestimmten Angaben die vom Hasleberg bis<br />
Brienz verteilte Streitma<strong>ch</strong>t am 30. April 3050 Mann<br />
stark war. Nämli<strong>ch</strong>: 600 Mann von Uri, 500 von S<strong>ch</strong>wyz<br />
^"stedlen, 600 von Obwalden, 900 von Nidwalden,<br />
400 von Glarus und 50 von Gersau. — Der Gemeinde<br />
Bnenz die als die „s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>test gesinnte" ihre Waffen den<br />
abliefern wollte, habe er, gegen Empfangs<strong>ch</strong>eine,<br />
über 800 Gewehre weggenommen, d. h. „etwas zurück-<br />
^ ü do<strong>ch</strong> hoffte er, diese Gemeinde werde sie<br />
ihm bald „zu gutem biederem S<strong>ch</strong>weizergebrau<strong>ch</strong>" wieder<br />
abfordern.<br />
^ s<strong>ch</strong>ien denn am Abend des 30. April das Glück<br />
si<strong>ch</strong> für die alteidgenöffis<strong>ch</strong>en Patrioten erklären zu wollen.<br />
Wenn letzt no<strong>ch</strong> die 900 Oberhasler si<strong>ch</strong> ans<strong>ch</strong>lössen die<br />
Grmdelwaldner, Frutiger, Simmentaler in Masse die<br />
I" .konnte der ans<strong>ch</strong>wellende Bergstrom<br />
wohl si<strong>ch</strong> Aastigli<strong>ch</strong> ins Fla<strong>ch</strong>land hinunterwälzen. Na<strong>ch</strong><br />
Thun, viellei<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong> Bern! Es war der Höhepunkt in<br />
diesem dreitägigen Abenteuer.<br />
Am 1. Mai war's zu Ende. S<strong>ch</strong>on hatte Zug kapituliert,<br />
und die von den Franzosen bedrohte Heimat rief ihre<br />
Sohne zur Verteidigung herbei. Eine wahre Neuenegg-<br />
' immung muß über sie gekommen sein, als der Befehl<br />
zum Rückzug gegeben wurde, und ni<strong>ch</strong>t ohne Teilnahme<br />
vermag man si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> diese Heimkehr vorzustellen, die,<br />
jo ras<strong>ch</strong> sie au<strong>ch</strong> erfolgte, dem Vaterland keine Hülfe mehr<br />
bra<strong>ch</strong>te. -- über das Verhalten der Waldstätter im Oberland<br />
verdient ein Urteil von gegneris<strong>ch</strong>er Seite besondere
Beri<strong>ch</strong>t des Kantons-Statthalters FZ<br />
Bea<strong>ch</strong>tung. Die Deputierten Fis<strong>ch</strong>er und Mi<strong>ch</strong>el erklärten<br />
in ihrem Beri<strong>ch</strong>t an das Direktorium: „übrigens müssen<br />
wir diesen Truppen die Gere<strong>ch</strong>tigkeit widerfahren lassen,<br />
daß sie si<strong>ch</strong> sonst (d. h. abgesehen von der Wegnahme der<br />
Gewehre in Brienz) weder an Personen no<strong>ch</strong> an Eigenthum<br />
im mindesten vergriffen haben."<br />
Am 4. Mai, als alles vorüber war, erstattete Joneli,<br />
der Statthalter des Kantons Oberland, auf eingezogene<br />
Erkundigungen hin dem Direktorium folgenden Beri<strong>ch</strong>t<br />
über den ganzen Verlauf der Dinge: „Den 28. April<br />
mars<strong>ch</strong>ierten in die Gegenden von Hasle und Brienz ungefähr<br />
1400 Mann Unterwaldner, S<strong>ch</strong>wyzer und Glarner<br />
Truppen; diese, vereint mit eini<strong>ch</strong>en s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t denkenden<br />
Leuten des Haslethales, zwangen die Municipalität von<br />
Meiringen, no<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong>en Tags eine Landsgemeinde versammlen<br />
zu lassen. Dur<strong>ch</strong> die Drohungen und Verspre<strong>ch</strong>ungen<br />
dieser einmars<strong>ch</strong>ierten Truppen wurden die Gemüther<br />
der dasigen Bewohner so erhitzt, daß kein einziger Wohlgesinnter<br />
es wagen durfte, bei dieser Versammlung die<br />
Sa<strong>ch</strong>e der Constitution zu verteidigen. Tags darauf wagte<br />
es der hiesige Cantonsri<strong>ch</strong>ter Wille, bei der Municipalität<br />
seinen Ents<strong>ch</strong>luß, bei der neuen Constitution zu<br />
bleiben, s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong> einzugeben. Dieser herzhafte Ents<strong>ch</strong>luß<br />
hatte eine so gute Wirkung, daß s<strong>ch</strong>on glei<strong>ch</strong>en Tags sehr<br />
viele Particularen und Tags darauf ganze Gemeinden<br />
diesem Beispiel gemäß si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong> für die neue Constitution<br />
erklärten, so daß si<strong>ch</strong> die Zahl der Anhänger der<br />
eingezogenen Truppen stündli<strong>ch</strong> verminderte. Was aber<br />
ihr Vorhaben gänzli<strong>ch</strong> vereitelte, war eine Ordre vom<br />
1. Mai, die diesen Truppen den gänzli<strong>ch</strong>en Rückzug innert<br />
ihren Grenzen anbefahl." Vierhundert Urner hätten si<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t getraut, über den Brünig zurückzugehen und daher<br />
am 2. Mai den Weg über Hasle einges<strong>ch</strong>lagen. (Da Hauser<br />
von 600 Urnern spri<strong>ch</strong>t, ers<strong>ch</strong>eint die Angabe bei Weißenfluh<br />
ziemli<strong>ch</strong> zutreffend.) Obs<strong>ch</strong>on jetzt gänzli<strong>ch</strong>e Ruhe<br />
herrs<strong>ch</strong>e, werde er die Leute, die si<strong>ch</strong> vorzügli<strong>ch</strong> für diese<br />
Gegenrevolution geäußert, ungesäumt einziehen lassen und<br />
ihr Betragen genau untersu<strong>ch</strong>en.<br />
Das ges<strong>ch</strong>ah, „ungesäumt" allerdings, aber mit der<br />
Genauigkeit und mit dem Erfolg hatte es so seine Mucken.<br />
Glei<strong>ch</strong> am nä<strong>ch</strong>sten Tag (5. Mai) erließ der Bürger Kan-
84 Strafverfahren gegen die Rädelsführer<br />
tonsstatthalter an die Munizipalität von Meiringen folgendes<br />
S<strong>ch</strong>reiben: „Bürger und Freunde! Die si<strong>ch</strong> unlängst<br />
in den Gegenden Ihrer Municipalität ereigneten<br />
hö<strong>ch</strong>st gefährli<strong>ch</strong>en, der allgemeinen Ruh und Si<strong>ch</strong>erheit<br />
na<strong>ch</strong>theiligen und strafbaren Auftritte erfordern allerdings<br />
eine s<strong>ch</strong>leunige Untersu<strong>ch</strong>ung und Bestrafung derjenigen,<br />
so si<strong>ch</strong> als Hauptredelsführer bey dieser ers<strong>ch</strong>einenden Gegenrevolution<br />
haben erzeigt und die Gährung anzuspinnen<br />
getra<strong>ch</strong>tet. — Na<strong>ch</strong> einer deswegen von dem allhiesigen<br />
französis<strong>ch</strong>en Commandant erhaltenen Ordre werdet Ihr<br />
hierdur<strong>ch</strong> bei eurer Pfli<strong>ch</strong>t und persönli<strong>ch</strong>er Verantwortung<br />
aufgefordert, ungesäumt alle Hauptanstifter dieser Gegen-<br />
Revolution, unter denen i<strong>ch</strong> Eu<strong>ch</strong> persönli<strong>ch</strong> vernamse den<br />
Bürger alt Landsvenner Brog, gegen den i<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong><br />
s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>e Beweise in Händen habe, alle übrigen aber,<br />
unter denen insonderheit diejenigen zu verstehen sind, so<br />
den Einzug dieser Truppen entweders mündli<strong>ch</strong> oder s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong><br />
begehrt und Hieruber eini<strong>ch</strong>er Verda<strong>ch</strong>t auf sie waltet,<br />
sowie au<strong>ch</strong> diejenigen, wel<strong>ch</strong>e auf Zusamen-Beruffung<br />
der den 28. Aprill auf eine conftitutionswidrige und sträfli<strong>ch</strong>e<br />
Manier abgehaltene Landsgemeinde anbegehrt, und<br />
in derselben dur<strong>ch</strong> Vorstellungen zu dem daörtigen Bes<strong>ch</strong>luß<br />
Anlaß gegeben.<br />
Mit dem belügenden Anhang, daß im Fall die Municipalität<br />
diesem Auftrag ni<strong>ch</strong>t ein sattsames Genügen leisten,<br />
so wurde alsdann die Folge davon seyn, daß ein bewafnetes<br />
französis<strong>ch</strong>es Truppencorps in Euere Gegenden ziehen, um<br />
diese Untersu<strong>ch</strong>ung mit militäris<strong>ch</strong>er Ma<strong>ch</strong>t und Strenge<br />
vorzunehmen. Republikanis<strong>ch</strong>er Gruß."<br />
Das waren s<strong>ch</strong>limme Na<strong>ch</strong>wehen für die Munizipalität<br />
von Meiringen, und die nä<strong>ch</strong>sten paar Tage gehörten<br />
zweifellos zu jenen, von denen sie sagen mo<strong>ch</strong>te: sie gefallen<br />
uns ni<strong>ch</strong>t. Am 10. Mai glaubte sie, vorläufig genug untersu<strong>ch</strong>t<br />
zu haben und s<strong>ch</strong>rieb na<strong>ch</strong> Thun: „Bürger Eanton<br />
Statthalter! Sobald na<strong>ch</strong> dero erhaltenem S<strong>ch</strong>reiben vom<br />
5. dies haben wir ni<strong>ch</strong>t ermanglet, die hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>sten Anstifter<br />
und Ruhestörer, den Mel<strong>ch</strong>ior Zyba<strong>ch</strong> ab Brünigen,<br />
Jakob Jaun den Tambour zu Meiringen, und Mel<strong>ch</strong>ior<br />
Abplanalp von Jsenbolgen, au<strong>ch</strong> andere mehr, um sol<strong>ch</strong>e<br />
in gefängli<strong>ch</strong>en VerHaft zu setzen, aufsu<strong>ch</strong>en zu lassen.<br />
Allein ohngea<strong>ch</strong>tet dieser und seitheriger Na<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>ung
Eine bedrängte Munizipalität 85<br />
konnten wir keiner als der zwey ersteren, des Mel<strong>ch</strong>ior<br />
Zyba<strong>ch</strong>s und Jakob Jauns habhaft werden, die wir soglei<strong>ch</strong><br />
au<strong>ch</strong> in Gefangens<strong>ch</strong>aft sezen lassen: allein glei<strong>ch</strong>enmals<br />
als diese eingesteckt worden, versamleten si<strong>ch</strong> nä<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>erweis<br />
eine Menge von Männeren, wohl bey 80 bis<br />
100 an der Zahl, mit Stecken und anderen Instrumenten<br />
versehen, die ohngea<strong>ch</strong>tet der in 10 Personen ausgestellten<br />
Wa<strong>ch</strong>t den einten, Mel<strong>ch</strong>ior Zyba<strong>ch</strong> (der si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> anfängli<strong>ch</strong><br />
geweigeret haben soll, die Gefangens<strong>ch</strong>aft zu verlaßen)<br />
dur<strong>ch</strong> voneinandren Drukung der eisernen Stangen in der<br />
Gefangens<strong>ch</strong>aft denselben mit Gewalt losgema<strong>ch</strong>t haben: der<br />
zweyte Jakob Jaun, der in der Gefangens<strong>ch</strong>aft geblieben,<br />
der vers<strong>ch</strong>iedene Mahl dur<strong>ch</strong> Rürung seiner Drommel im<br />
Dorf Meyringen Lerm und Versammlung ges<strong>ch</strong>lagen, haben<br />
wir den Tag darauf na<strong>ch</strong> seiner Gefangennehmung in<br />
Verhör genommen; seine Ents<strong>ch</strong>uldigung wäre: er seye<br />
dazu von denen Mel<strong>ch</strong>ior Abplanalp und Jakob Mätzener,<br />
die ihme sonsten sein Vehausungli umzustoßen- und sonsten<br />
in andereweg angetrohet, glei<strong>ch</strong>sam gezwungen worden;<br />
wel<strong>ch</strong>en wir auf diese Ents<strong>ch</strong>uldigung hin einstweilen bis<br />
zu fernerer Untersu<strong>ch</strong>ung looß gelaßen.<br />
Und sobald wir obiger angegebener habhaft werden<br />
können, wozu wir no<strong>ch</strong> heute al mögli<strong>ch</strong> Vorkehren gema<strong>ch</strong>t,<br />
werden wir sol<strong>ch</strong>e au<strong>ch</strong> einstecken und in ihrer<br />
Verantwortung vernehmen und deren Verhör ohngesaumt<br />
einberi<strong>ch</strong>ten.<br />
Eins erlauben Sie, Bürger Eanton Statthalter, zu<br />
bemerken geben zu dürfen, daß weilen eine so große<br />
Mänge den bemelten Mel<strong>ch</strong>ior Zyba<strong>ch</strong> nä<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>erweis der<br />
Gefangens<strong>ch</strong>aft mit Gewalt losgema<strong>ch</strong>t haben, wir besorgen,<br />
daß wann au<strong>ch</strong> mehrere eingesteckt und eine weitläufige<br />
Untersu<strong>ch</strong>ung angestellt werden muß, ni<strong>ch</strong>t nur<br />
sehr viele, die in minderem oder mehrerem interessiert<br />
befunden, sondern die Einsteckenden au<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong> den Ersteren<br />
der Gefangens<strong>ch</strong>aft zu entreißen mit Gewalt wiederum<br />
versu<strong>ch</strong>t werden mö<strong>ch</strong>te, wel<strong>ch</strong>es denn au<strong>ch</strong> wegen dem<br />
allzugroßen Anhang zu einem zimli<strong>ch</strong>en Aufstand und<br />
gar zu würkli<strong>ch</strong>en verdrießli<strong>ch</strong>en Tätli<strong>ch</strong>keiten Anlaß<br />
geben könnte, und um dieses wo mögli<strong>ch</strong> zu verhüten,<br />
wüns<strong>ch</strong>ten wir, daß bloß die Hauptanstifter und Redelsführer<br />
zur Verantwortung und Straf zu ziehen seyn sollten.
. r ^ dißfahls aber in fernerem zu verhalten<br />
haben sollen, beten wir Sie, Bürger Canton Statthalter,<br />
um gutigen Rath und Wegweisung aus. Den Landtsvenner<br />
Vrog zu überlieferen haben wir al mögli<strong>ch</strong>e Vorkehren<br />
gema<strong>ch</strong>t und der ohne Zweifel allbereits in Thun<br />
eingetroffen sein wird."<br />
Die Munizipalität von Meiringen mußte am besten<br />
wissen, wie sie mit ihren Landsleuten dran war, und<br />
ihr Beri<strong>ch</strong>t an den Kantonsstatthalter darf zweifellos als<br />
die zuverlässigste Kunde über die Volksstimmung im Oberhaslr<br />
gelten. Er enthält ni<strong>ch</strong>ts weniger als das Geständnisdie<br />
helvetis<strong>ch</strong>e Behörde sei dem Volksunwillen gegenüber<br />
ohnmä<strong>ch</strong>tig und bitte daher, Gnade für Re<strong>ch</strong>t ergehen zu<br />
^ ^ Statthalter hatte kein französis<strong>ch</strong>es Militär<br />
N? energis<strong>ch</strong> einzus<strong>ch</strong>reiten; „als i<strong>ch</strong> den<br />
s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Erfolg der Eivilgewalt gesehen, bediente i<strong>ch</strong><br />
Mi<strong>ch</strong> der gelindesten Mittel". Wohl aus demselben Grunde<br />
er jetzt, na<strong>ch</strong> überstandener Gefahr, dem Polizeiund<br />
Justizminister die ganze Bewegung als ziemli<strong>ch</strong><br />
harmlos darzustellen; die Vorfälle im Oberhasli „bestunden<br />
b los in einem im Affekt genommenen Ents<strong>ch</strong>luß,<br />
N an we Truppen der kleinen Cantons anzus<strong>ch</strong>ließen".<br />
Als Ursa<strong>ch</strong>en der Bewegung führt er an: „1 die<br />
Drohungen und Verspre<strong>ch</strong>ungen der in diese Gegenden<br />
fanatis<strong>ch</strong>em Enthusiasmus beseelten<br />
Truppen aus den kleinen Cantons, 2. den im glei<strong>ch</strong>en<br />
A ^langten Befehl zur Entwaffnung, ?nd<br />
n Befehl des Eommissärs Rouhikre zur Erri<strong>ch</strong>tung<br />
eines Fourage- und Proviantmagazins in diesem Eanton,<br />
dessen Unkosten si<strong>ch</strong> wenigstens an 150,000 K beloffen,<br />
das aber no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t erri<strong>ch</strong>tet ist."<br />
In Meiringen s<strong>ch</strong>eint man ni<strong>ch</strong>ts mehr untersu<strong>ch</strong>t und<br />
gegen die S<strong>ch</strong>uldigen vom 28. April keine weiteren S<strong>ch</strong>ritte<br />
6" haben. Wohl aber ließ Joneli die beiden<br />
„Rädelsführer" Brog und alt Lands<strong>ch</strong>reiber Zopfi in<br />
Thun dur<strong>ch</strong> das Kantonsgeri<strong>ch</strong>t ins Verhör nehmen.<br />
Es waren ni<strong>ch</strong>t hartgesottene Sünder, ni<strong>ch</strong>t Männer vom<br />
e<strong>ch</strong>ten Rebellenholz, und weder der Statthalter no<strong>ch</strong> das<br />
Geri<strong>ch</strong>t vermo<strong>ch</strong>ten si<strong>ch</strong> von ihrer Gefährli<strong>ch</strong>keit zu übergestanden<br />
alles, und na<strong>ch</strong>dem ihnen der<br />
(Statthalter ernstli<strong>ch</strong>e Vorstellungen gema<strong>ch</strong>t, „bereuten sie
Belobung der Getreuen 87<br />
ihr Betragen mit Thränen und s<strong>ch</strong>ienen von dem Ungrund<br />
und der Gefahr ihrer Absi<strong>ch</strong>ten gänzli<strong>ch</strong> überzeugt.<br />
Auf dieses hin wurde geda<strong>ch</strong>ten zwey Personen, als ehemaligen<br />
ersten Vorgesetzten und no<strong>ch</strong> dato den dasigen<br />
Einwohnern beliebten und eines sonst unbes<strong>ch</strong>oltenen<br />
Wandels berü<strong>ch</strong>tigten Männern von der Eriminalcommission<br />
die Erlaubniß ertheilt, einstweilen wieder<br />
na<strong>ch</strong> Hause zu kehren". Milde empfahl si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> deswegen,<br />
weil der eine (Zopfi?) ein 70jähriger, leidender<br />
Greis war, der „ni<strong>ch</strong>t ohne Lebensgefahr Gefängnis oder<br />
Arrest ausstehen konnte". Beide verspra<strong>ch</strong>en „Besserung"<br />
und stellten „wegen ihrer Entwei<strong>ch</strong>ung si<strong>ch</strong>ere Bürgen".<br />
Auf diesen Beri<strong>ch</strong>t des Statthalters Joneli hin und<br />
mit Rücksi<strong>ch</strong>t auf die na<strong>ch</strong>gewiesenen Ursa<strong>ch</strong>en der Gärung,<br />
„wel<strong>ch</strong>e beinahe die ganze Bevölkerung ergriffen",<br />
beantragte der Justizminister am 22. Mai dem Direktorium,<br />
die vom General S<strong>ch</strong>auenburg erklärte Amnestie<br />
(für die kleinen Kantone) au<strong>ch</strong> auf das Oberland auszudehnen,<br />
und am folgenden Tage trat das Direktorium<br />
dieser Ansi<strong>ch</strong>t bei.<br />
Somit kamen die „Rebellen" glimpfli<strong>ch</strong> davon, und<br />
sehr viel freigebiger, als mit Strafen gegen die Widerspenstigen,<br />
erwies si<strong>ch</strong> die eine und unteilbare helvetis<strong>ch</strong>e<br />
Republik mit Anerkennung und Lob für die getreuen<br />
Patrioten neuen Stils. Man ma<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong> damals na<strong>ch</strong><br />
französis<strong>ch</strong>em Muster re<strong>ch</strong>t häufig und ni<strong>ch</strong>t unbemerkt<br />
„um das Vaterland verdient"; es war die Zeit der<br />
Akkoladen und der mentions konorables. In den helvetis<strong>ch</strong>en<br />
Räten zu Aarau wurde die Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>t von der<br />
konstitutionstreuen Haltung der Gemeinde Brienz und<br />
der Bürger Willi, Fis<strong>ch</strong>er, Mi<strong>ch</strong>el und Großmann mit<br />
lautem Beifall aufgenommen, Mi<strong>ch</strong>el vom Großratspräsidenten<br />
mit dem Bruderkuß beehrt und allen vier<br />
Genannten die ehrenvolle Erwähnung im Protokoll zuerkannt.<br />
Alle Getreuen (und Halbgetreuen) erhielten ihr<br />
Teil; das Direktorium goß einen wahren Lob- und Danksegen<br />
in das Oberland. Kantonsri<strong>ch</strong>ter Willi kam<br />
zuerst, am 7. Mai, an die Reihe; ihm s<strong>ch</strong>rieb das Direktorium:<br />
„Bürger! In einem Augenblick, wo die Stimmung<br />
der Bewohner Eures Thüles s<strong>ch</strong>on wankte, wo sie,<br />
irregeleitet von ihren fanatis<strong>ch</strong>en Na<strong>ch</strong>barn, im Begriffe
88 Ums Vaterland verdient gema<strong>ch</strong>t<br />
stunden, ihre friedli<strong>ch</strong>en Gegenden in den Bürgerkrieg zu<br />
verwickeln, den Priester einer fremden Religionspartei<br />
angefa<strong>ch</strong>t hatten, war es Euer Muth, Eure männli<strong>ch</strong>e<br />
Ents<strong>ch</strong>lossenheit, Bürger, wel<strong>ch</strong>e Eure Mitbürger zur<br />
Besinnung zurückbra<strong>ch</strong>te. Eure Erklärung, der Konstitution<br />
getreu zu bleiben, ward zum Loosungsworte, das<br />
die aufgeklärtern Freiheitsfreunde unter Eu<strong>ch</strong> wieder vereinigte,<br />
ihnen neue Kraft gab, ihre Gesinnung dur<strong>ch</strong><br />
Wort und Tat laut werden zu lassen. Das Direktorium<br />
hat den g. g. Rüthen dur<strong>ch</strong> eine Bots<strong>ch</strong>aft diese edle<br />
Handlung angezeigt und beeilt si<strong>ch</strong>, Eu<strong>ch</strong> anmit seinen<br />
lauten Beifall und sein Wohlgefallen zu erkennen zu<br />
geben." — Aber ni<strong>ch</strong>t nur einzelne Personen, sondern<br />
au<strong>ch</strong> ganze Gemeinden wurden na<strong>ch</strong>drückli<strong>ch</strong> belobt,<br />
und unter ihnen steht natürli<strong>ch</strong> Brienz in erster Linie.<br />
Die Hauptsätze des an sie geri<strong>ch</strong>teten S<strong>ch</strong>reibens lauten:<br />
„Eure Kir<strong>ch</strong>gemeinde, Bürger, hat si<strong>ch</strong> in diesen Tagen<br />
große Verdienste um ihr Vaterland erworben. — An<br />
Euren Grenzen fanden die Ruhestörer den Damm, der<br />
ihrem unglückli<strong>ch</strong>en Vorhaben si<strong>ch</strong> entgegensetzte, und<br />
unser dur<strong>ch</strong> den Krieg s<strong>ch</strong>on so hart mitgenommenes<br />
Vaterland freute si<strong>ch</strong> wieder des Friedens und der hergestellten<br />
gesetzli<strong>ch</strong>en Ordnung. — Gerne geben Eu<strong>ch</strong> die<br />
Vorsteher der vollziehenden Gewalt das öffentli<strong>ch</strong>e Zeugnis,<br />
daß Ihr mithälfet, das bedrängte Vaterland von dieser<br />
neuen Gefahr zu retten; gerne stiften sie Eu<strong>ch</strong> das Denkmal<br />
des öffentli<strong>ch</strong>en Dankes, den Eu<strong>ch</strong> unsere Nation<br />
laut zugerufen hat. Empfanget von ihnen die Versi<strong>ch</strong>erung<br />
ihres Beifalls, liebevollen Gruß und den Ausdruck ihrer<br />
ununterbro<strong>ch</strong>enen Bruderliebe." Au<strong>ch</strong> Jnterlaken<br />
und ^Meiringen haben „unser gesammtes Vaterland<br />
von einer fur<strong>ch</strong>tbaren Gefahr gerettet. Das Direktorium<br />
hat die gesetzgebenden Räthe von eurem standhaften, preiswürdigen<br />
Betragen unterri<strong>ch</strong>tet und giebt eu<strong>ch</strong> anmit das<br />
öffentli<strong>ch</strong>e Zeugnis, daß ihr eu<strong>ch</strong> rühmli<strong>ch</strong>st um das Vaterland<br />
verdient gema<strong>ch</strong>t habt".<br />
Alle diese Erlasse sollte der Kantonsstatthalter re<strong>ch</strong>t<br />
wirksam kund ma<strong>ch</strong>en, z. B. von den Kanzeln verlesen<br />
lassen. Er kam dieser Weisung au<strong>ch</strong> mit Eifer und Freude<br />
na<strong>ch</strong> und empfahl dem Direktorium zu ähnli<strong>ch</strong>er Behandlung<br />
au<strong>ch</strong> die Gemeinde Unterseen, die si<strong>ch</strong> ebenfalls
Neuer Aufstand 89<br />
ausgezei<strong>ch</strong>net habe; ferner seien als verdiente Personen<br />
zu nennen: alt Venner Peter Ster<strong>ch</strong>i von Unterseen,<br />
alt Landsstatthalter Mühlemann von Jnterlaken und<br />
Säckelmeister Großmann von Brienz. Worauf das Direktorium<br />
s<strong>ch</strong>leunigst die erforderli<strong>ch</strong>en Ehrenkränze na<strong>ch</strong>lieferte.<br />
Am 16. Mai ging der für Unterseen ab, etwas<br />
verspäteter Ausdruck des Wohlgefallens, aber „ebenso<br />
wahr und innig" als alle früheren. — Und damit endete<br />
das Stück. Der Tambour zu Meiringen ist ni<strong>ch</strong>t die am<br />
wenigsten interessante Ers<strong>ch</strong>einung darin. Ein etwas<br />
festeres Behausungli, und er würde vermutli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gegen<br />
die gesetzli<strong>ch</strong>e Ordnung getrommelt haben.<br />
Turn im Obe^lancl<br />
vom frukling 1^99.<br />
No<strong>ch</strong> war seit dem Einbru<strong>ch</strong> der Waldstätter ins<br />
Haslital ni<strong>ch</strong>t ganz ein Jahr vergangen, da bra<strong>ch</strong>, diesmal<br />
ohne gewaltsame Einmis<strong>ch</strong>ung von „außen" her, im<br />
Kanton Oberland ein neuer Aufruhr aus, der einen viel<br />
gefährli<strong>ch</strong>eren Charakter annahm, als jene gegenrevolutionäre<br />
Bewegung von 1798. Er wurde um so bedrohli<strong>ch</strong>er<br />
für die helvetis<strong>ch</strong>e Ordnung, da das Kriegsglück<br />
si<strong>ch</strong> gewendet hatte und die Franzosen fast auf der ganzen<br />
Linie vom Unterrhein bis Italien empfindli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>lagen<br />
wurden. An tristigen Gründen zur Unzufriedenheit fehlte<br />
es ja ni<strong>ch</strong>t, und zu den bekannten alten gesellten si<strong>ch</strong> sehr<br />
starke neue; dazu kam eine energis<strong>ch</strong>e und ges<strong>ch</strong>ickte Wühlarbeit,<br />
eine Verdrehung und Verhetzung, die im einzelnen<br />
fast an das Unglaubli<strong>ch</strong>e grenzt. Im Rahmen dieses<br />
Werkleins ist ni<strong>ch</strong>t Raum für eine ausführli<strong>ch</strong>e Darstellung<br />
des an interessanten Details so rei<strong>ch</strong>en Aufstandes;<br />
aber unser <strong>Chronik</strong>s<strong>ch</strong>reiber befleißt si<strong>ch</strong> darüber einer<br />
sol<strong>ch</strong>en Kürze, daß eine kleine Ergänzung geboten s<strong>ch</strong>eint*).<br />
Zur Unterstützung der Franzosen, d. h. zur Verteidigung<br />
Helvetiens gegen die siegrei<strong>ch</strong> vordringenden Österrei<strong>ch</strong>er<br />
und Russen, sollte die S<strong>ch</strong>weiz im Frühjahr 1799 si<strong>ch</strong> zu<br />
einer großartigen militäris<strong>ch</strong>en Leistung aufraffen und<br />
*) Na<strong>ch</strong> Strickler, Aktensammlung, und den darin<br />
bezei<strong>ch</strong>neten Quellen.
90 Militäraushebung<br />
eine Streitma<strong>ch</strong>t ins Feld stellen, wie sie — eben nur<br />
auf dem Papier ges<strong>ch</strong>affen werden konnte. Vorgesehen<br />
waren nämli<strong>ch</strong>: » ' ^ '<br />
1. se<strong>ch</strong>s „Auxiliar-Brigaden", ^ 18,000 Mann, als<br />
Hulfstruppen;<br />
2. die „Eliten", 64,000 Mann;<br />
3. die „Reserven", ^ 128,000 Mann;<br />
die „Helvetis<strong>ch</strong>e Legion" (stehendes Heer zum S<strong>ch</strong>utze<br />
?er helvetis<strong>ch</strong>en Regierung), Artillerie, Husaren,<br />
1 Bataillon Llmemnfanterie und 1 Jäaerbataillon<br />
zusammen 3000 Mann. '<br />
Die Auxiliar-Brigaden sollten dur<strong>ch</strong> Werbung von<br />
Freiwilligen („eventuell dur<strong>ch</strong> Zwangskontingente der<br />
Gemeinden ) gebildet werden; aber weder sie no<strong>ch</strong> die<br />
Eliten wollten re<strong>ch</strong>t heran, und die Franzosen klagten<br />
wiederholt über den „Mangel an kriegeris<strong>ch</strong>em Geiste<br />
unt^ den befreiten Helvetiern", Die Hülss-Brigaden<br />
bra<strong>ch</strong>te man zwar bis Ende Mai zusammen, aber bei<br />
vollzählig; sie wurden der französis<strong>ch</strong>en<br />
Reservedlv<strong>ch</strong>on zugewiesen. An Eliten wurden<br />
gegen 20,000 Mann aufgebra<strong>ch</strong>t, die in der Osts<strong>ch</strong>weiz<br />
etwel<strong>ch</strong>e Verwendung fanden. Vollzählig war nur die<br />
Helvetis<strong>ch</strong>e L e g i o n, auf die von der s<strong>ch</strong>on 1798 formierten<br />
Waadtländerlegion der Name übergmg;<br />
sie ma<strong>ch</strong>te den Feldzug mit, zei<strong>ch</strong>nete si<strong>ch</strong> in man<strong>ch</strong>en<br />
Kämpfen aus, und ihre Kriegstü<strong>ch</strong>tigkeit wurde von<br />
den französis<strong>ch</strong>en Generälen lobend anerkannt.<br />
und Mobilma<strong>ch</strong>ung stieß man<strong>ch</strong>erorts<br />
sondern au<strong>ch</strong><br />
^ Widerstand und führte, im Zusammenhang<br />
k n? ^eln, Oberland zum bewaffneten Anfuhr<br />
). Diesmal war es der westli<strong>ch</strong>e Teil, der si<strong>ch</strong><br />
au<strong>ch</strong> in den Kantonen Solothurn, Waldstätten<br />
Wallisern su<strong>ch</strong>ten die Öberländer 'si<strong>ch</strong> in<br />
^ vornehmli<strong>ch</strong> über die Gemmi, weßhalb die<br />
BeHorden eine s<strong>ch</strong>arfe Bewa<strong>ch</strong>ung des Passes geboten. Der Wirt<br />
wurde als „Späher" in Leuk<br />
Kandersteg binüberaebra<strong>ch</strong>t,<br />
und wurden, si<strong>ch</strong> zu sammeln<br />
Oberlandern anzus<strong>ch</strong>ließen, um gegen die<br />
^ Verbindung mit den Waldstätten<br />
kk.a un7Zn-n/'-'°<strong>ch</strong>w'Z^dli<strong>ch</strong>- Haltung der Distrikte Jnter.
Weigerung zu mars<strong>ch</strong>ieren 91<br />
zuerst erhob, die Gemeinden um den Thunersee, dann<br />
Simmental und Frutigen; do<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> im engeren Oberland<br />
gärte es bedenkli<strong>ch</strong> und einzelne Tals<strong>ch</strong>aften (Grindelwald)<br />
wurden sehr s<strong>ch</strong>wierig. Die Bewegung begann<br />
am 28. März in Sigriswil, einer Gemeinde, „wel<strong>ch</strong>e<br />
ine gut (d. h. helvetis<strong>ch</strong>) gesinnt gewesen". Der Kantonsstatthalter<br />
ließ einige Verhaftungen vornehmen, befür<strong>ch</strong>tete<br />
jedo<strong>ch</strong>, die Gefangenen könnten wieder befreit, ja sogar<br />
der Hauptort angezündet werden; rief das Direktorium<br />
um Hülfe an. Ras<strong>ch</strong> fraß das Feuer um si<strong>ch</strong>; in den<br />
nä<strong>ch</strong>sten Tagen empörten si<strong>ch</strong> Faulensee, Spiez und<br />
Wimmis, und bis zum 8. April war mit Ausnahme<br />
weniger Gemeinden (Brienz, Erlenba<strong>ch</strong>, Diemtigen) sozusagen<br />
das ganze Oberland rebellis<strong>ch</strong> geworden. Stürmis<strong>ch</strong>e<br />
Volksversammlungen fanden statt; die Freiheitsbäume<br />
wurden umgehauen; die ausgehobenen Wehrmänner<br />
weigerten si<strong>ch</strong>, zu „ziehen", wenn ni<strong>ch</strong>t alle<br />
zögen, und ers<strong>ch</strong>ienen entweder gar ni<strong>ch</strong>t oder nur vereinzelt<br />
auf den Sammelplätzen. Brienz erwies si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />
diesmal wieder als ein „Damm" und helvetis<strong>ch</strong>er Fels<br />
im Meer; Der Statthalter Joneli meldete: „Dieser ganze<br />
Distrikt wäre zu allem willig; sowohl das Piquet, als<br />
Eanoniers und S<strong>ch</strong>arfs<strong>ch</strong>ützen, alles zeigte die größte<br />
Bereitwilligkeit und ist unstreitig derjenige Distrikt, wel<strong>ch</strong>er<br />
si<strong>ch</strong> seit seiner Ernennung vorzügli<strong>ch</strong> an gutem Willen<br />
und Ordnung ununterbro<strong>ch</strong>en ausgezei<strong>ch</strong>net, und verdient<br />
allerdings den Dank und A<strong>ch</strong>tung der Regierung." —<br />
Im Oberhasli „ers<strong>ch</strong>ienen blos 16 Mann, die S<strong>ch</strong>arfs<strong>ch</strong>ützen<br />
ausgenommen, diese erklärten si<strong>ch</strong> insgesamt zu<br />
ziehen. In der Na<strong>ch</strong>t vom 7. auf den 8. wurden zu<br />
Meyringen und an etli<strong>ch</strong>en anderen Orten die Freyheitsbäume<br />
umgehauen, au<strong>ch</strong> wurden Versammlungen abgehalten,<br />
deren Erfolg no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bekannt ist ; am ersteren<br />
Ort ist alsobald Tags drauf auf Veranstaltung der Municipalität<br />
der Freyheitsbaum wieder aufgestellt worden".<br />
Im allgemeinen hatte si<strong>ch</strong> die Lage so s<strong>ch</strong>limm gestaltet,<br />
daß der Statthalter seinen Beri<strong>ch</strong>t an das Direktorium<br />
mit den Worten s<strong>ch</strong>loß: „Es ist kein Augenblick zu verlieren,<br />
wenn ni<strong>ch</strong>t gänzli<strong>ch</strong> Anar<strong>ch</strong>ie eintreten soll; kein<br />
Beamteter darf keinen Befehl mehr erteilen, und die<br />
gute Claße ist zu Boden gedrückt. Also ist es nötig, die
92 Andere Ursa<strong>ch</strong>en der Unzufriedenheit<br />
Rädelsführer zu packen. ?. 8. Heute wenden wir uns<br />
au<strong>ch</strong> an General S<strong>ch</strong>auenburg."<br />
Sofort na<strong>ch</strong> dem ersten Nots<strong>ch</strong>rei des Statthalters<br />
Joneli ernannte das Direktorium zwei landeskundige<br />
Regierungskommissäre, den vom Vorjahre her bekannten<br />
Chr. Mi<strong>ch</strong>el von Bönigen und Joh. S<strong>ch</strong>neider von<br />
Frutigen, und sandte sie ins Oberland, den Sturm zu<br />
stillen; am 5. April wurde no<strong>ch</strong> der Senator Joh. Karlen<br />
von Erlenba<strong>ch</strong> zur Unterstützung na<strong>ch</strong>ges<strong>ch</strong>ickt. Militär<br />
sollte folgen — sobald man es zur Verfügung hätte.<br />
Der Generalberi<strong>ch</strong>t der Kommissäre enthält u. a. folgendes<br />
Stimmungsbild: „Wir vernehmen von allen Seiten her,<br />
wie s<strong>ch</strong>amlos man si<strong>ch</strong> bestrebet, das Volk zu betrügen<br />
und aufzubringen: die aufgebotene Manns<strong>ch</strong>aft werde<br />
unter die Franzosen verstoßen werden und ihr Vaterland<br />
ni<strong>ch</strong>t mehr sehen; man wolle die Religion aufheben, weswegen<br />
der Pfarrer in Lauterbrunnen besonders wegen<br />
Abs<strong>ch</strong>affung des Heidelbergis<strong>ch</strong>en Kate<strong>ch</strong>ismus s<strong>ch</strong>on Vorstellungen<br />
habe ma<strong>ch</strong>en müssen; für die Zukunft seyen die<br />
Abgaben so bestimmt, daß von 1 Ju<strong>ch</strong>arten jährli<strong>ch</strong><br />
L. 20, von einem Kuhbergre<strong>ch</strong>t Batzen 100 oder L. 10,<br />
von einem Geißre<strong>ch</strong>t Batzen 10 oder L. 1, sodann von<br />
jedem Fenster, jeder Thüre, jedem Kopfe und sonst von<br />
allen mögli<strong>ch</strong>en Sa<strong>ch</strong>en besondere Steuern bezahlt werden<br />
müßen. Dabey sagten sie: daß sie im ferndrigen Jahr<br />
ausgezogen, indem man ihnen gesagt: die ganze S<strong>ch</strong>weiz<br />
gegen Frankrei<strong>ch</strong>; als sie aber auf dem<br />
S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tfeld gestanden, seyen sie von allen ihren Mitbrüdern<br />
verlaßen und s<strong>ch</strong>ändli<strong>ch</strong> hintergangen worden.<br />
Sie wüns<strong>ch</strong>ten daher vorerst versi<strong>ch</strong>ert zu sein, daß die<br />
anderen Cantone au<strong>ch</strong> an die Gränzen ziehen wollen. —<br />
Und so waren die Reden beynahe in dem ganzen Canton<br />
mehr oder weniger." Von privater Seite wurde dem<br />
Direktor Bay über die unruhigen Oberländer mitgeteilt:<br />
... „Sie glauben dur<strong>ch</strong>aus 1. die hö<strong>ch</strong>sten Gewalten handlen<br />
nur aus Eigennutz, 2. der Kaiser habe sein Hauptquartier<br />
s<strong>ch</strong>on in der S<strong>ch</strong>weiz, 3. er habe sie aufgefordert,<br />
ni<strong>ch</strong>t gegen ihn zu mars<strong>ch</strong>ieren, 4. es seie dur<strong>ch</strong> die ganze<br />
S<strong>ch</strong>weiz kein Mann mars<strong>ch</strong>iert, 5. man habe der helvetis<strong>ch</strong>en<br />
Legion verspro<strong>ch</strong>en, in der S<strong>ch</strong>weiz zu bleiben, und<br />
do<strong>ch</strong> müße sie jetzt mit den Franken streiten, und 6. die
Charakteristik der Rebellen 93<br />
Räthe zu Luzern seien wirkli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on auseinandergesprengt;<br />
darum seie der Bürger Repräsentant Mi<strong>ch</strong>el s<strong>ch</strong>on hier<br />
und die übrigen werden au<strong>ch</strong> zurückkommen. Gegen jeden,<br />
der nur den Ans<strong>ch</strong>ein hat, mit der Regierung in Relation<br />
zu stehen, sind sie dur<strong>ch</strong>aus mistrauis<strong>ch</strong>", u. s. w. — Laut<br />
einem spätern Beri<strong>ch</strong>t (des Kommissärs Müller) an das<br />
Direktorium glaubte man man<strong>ch</strong>erorts im Oberland: der<br />
Kaiser sei s<strong>ch</strong>on in Unterwalden, er werde bald na<strong>ch</strong> Vrienz<br />
kommen; sie sollen stürmen. „Seit langer Zeit her standen<br />
die Chefs von den vers<strong>ch</strong>iedenen Dörfern miteinander<br />
in Correspondenz; sie waren sehr thätig, erhielten öfters<br />
Briefe und warteten nur eine Gelegenheit ab, um loszubre<strong>ch</strong>en.<br />
Die Gelegenheit ers<strong>ch</strong>eint; je mehr si<strong>ch</strong> die Kaiserli<strong>ch</strong>en<br />
unsern Grenzen nähern, desto thätiger, eifriger und<br />
fre<strong>ch</strong>er bezeigen si<strong>ch</strong> die Anstifter. Sie erklären si<strong>ch</strong> öffentli<strong>ch</strong><br />
; mit einer S<strong>ch</strong>nelligkeit, über die man erstaunen muß,<br />
wußte man hier alle üblen Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten, nämli<strong>ch</strong> die Processen<br />
der Oesterrei<strong>ch</strong>er*)."<br />
In der Charakteristik der Rebellen stimmt Mi<strong>ch</strong>el so<br />
ziemli<strong>ch</strong> mit Weißenfluh überein; „es sind meistens nur<br />
Lumpenkärl", s<strong>ch</strong>reibt er dem Direktor Bay, und weiter:<br />
„Sobald wir jetz Hülfe haben, wollen wir dann hinter<br />
die Donners Lumpenkärl her; das Land muß gesäubert<br />
werden." — Daß viele der Aufständis<strong>ch</strong>en arme Leute<br />
*) über den „großen Bers<strong>ch</strong>rvörungsplan" vgl. z. B. K. L.<br />
v. Haller: Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der Wirkungen und Folgen des oesterrei<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />
Feld^ugs; oder Gemälde der S<strong>ch</strong>weiz während ihrer versu<strong>ch</strong>ten<br />
Widerbefreyung. Da heißt es u. a.: „Es war die antirevolutionäre<br />
Parthey in allen Theilen der S<strong>ch</strong>weiz organisiert:<br />
es existierten in den vers<strong>ch</strong>iedenen Haupt- und Provinzialstädten<br />
geheime Comitc:, die einander untergeordnet und dur<strong>ch</strong><br />
feyerli<strong>ch</strong>e Verspre<strong>ch</strong>ungen zu dem gemeinsamen Endzweck ver-<br />
Kunden waren. Sie unterhielten theüs unter si<strong>ch</strong>, theils mit den<br />
Häuptern der bey der Kayserl. Armee befindli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>weizer,<br />
besonders aber mit dem General Hotze eine genaue Korrespondenz<br />
und hatten alle Maßregeln zu einem allgemeinen Aufstand<br />
gegen die Franzosen getroffen. Die Manns<strong>ch</strong>aft war in drei bis<br />
vier Eantonen unter der Hand in Bataillons und Regimenter<br />
eingetheilt, mit den nöthigen Offiziers versehen...; die Sammelpläye<br />
waren angewiesen; Pulver und Munition hatte man si<strong>ch</strong><br />
meist von den Franzosen selbst anges<strong>ch</strong>M; an Geld und Lebensmitteln<br />
mangelte es ebenfalls ni<strong>ch</strong>t. Geld wurde vorgesckossen,<br />
und Subsidien waren gewiß, Einverständnis mit Genf und Savoyen,<br />
Bisthum Basel ?c. eingeleitet." S. 337 f.
94 Bes<strong>ch</strong>wi<strong>ch</strong>tigungsversu<strong>ch</strong>e der Kommissäre<br />
waren, ist zweifellos; aber die „besseren Herren" der Helvetik<br />
wußten do<strong>ch</strong> sonst von Glei<strong>ch</strong>heit und Brüderli<strong>ch</strong>keit<br />
so s<strong>ch</strong>ön zu deklamieren! übrigens ergibt si<strong>ch</strong> aus dem<br />
^camensverzei<strong>ch</strong>nis der na<strong>ch</strong>mals verhörten und bestraften<br />
Gebellen, daß Leute der vers<strong>ch</strong>iedensten Stände „mitgehatten,<br />
u. a. au<strong>ch</strong> Geistli<strong>ch</strong>e, Ärzte, Viehärzte, angesehene<br />
Bauern, Beamte aus der Oligar<strong>ch</strong>enzeit zc.; do<strong>ch</strong><br />
hlevon au<strong>ch</strong> abgesehen, durften si<strong>ch</strong> die „Lumpenkärl" gar<br />
wohl neben vielen ihrer helvetis<strong>ch</strong>en, in Franzosenfur<strong>ch</strong>t<br />
ersoffenen Gegnern sehen lassen.<br />
Im Simmental und Frutigland ri<strong>ch</strong>teten die Kommissare<br />
zunä<strong>ch</strong>st sehr wenig aus; S<strong>ch</strong>neider und Karlen<br />
wurden sogar „abges<strong>ch</strong>nitten" und erlebte mehr als einen<br />
MÄUVSI8 qusr-t äAeure. Etwas besseren Erfolg hatte<br />
Mi<strong>ch</strong>el nn oberen Kantonsteil. Am 10. April versammelte<br />
dem Gasthaus zu Jnterlaken, und<br />
unterstützt von seinen Freunden Ster<strong>ch</strong>i, Mühlemann u. a.<br />
gelang ihm die Bes<strong>ch</strong>wi<strong>ch</strong>tigung der Gemüter; „nur etwel<strong>ch</strong>e<br />
aus Grindelwald bezeigten si<strong>ch</strong> aufbrausend, wel<strong>ch</strong>e<br />
„Munizipaler" waren ni<strong>ch</strong>t<br />
das Volk. Wahrend sie des Landes Wohl auf dem Gasthaus<br />
berieten, ers<strong>ch</strong>ienen zwei kaiserli<strong>ch</strong>e Soldaten, die von<br />
Bern entwi<strong>ch</strong>en waren, in Jnterlaken; man steckte sie ein-<br />
"ber der Na<strong>ch</strong>t darauf stürmten eine Menge Rebellen<br />
von Wilderswyl und Matten mit Drohungen auf den<br />
^ Matten hin, zwangen ihn zur<br />
hergab der S<strong>ch</strong>lußel und ma<strong>ch</strong>ten die zwey Gefangenen<br />
los . Am nä<strong>ch</strong>sten Tag wollte Mi<strong>ch</strong>el na<strong>ch</strong> Oberhasli<br />
reisen, „um au<strong>ch</strong> dort die Leute anno<strong>ch</strong> im Näheren zu<br />
unterri<strong>ch</strong>ten. Allein da i<strong>ch</strong> in der Na<strong>ch</strong>t ein S<strong>ch</strong>reiben<br />
vom Distriktsstatthalter allda erhielte, wel<strong>ch</strong>er es mir mißriete,<br />
so reisete i<strong>ch</strong> wieder na<strong>ch</strong> Thun". Do<strong>ch</strong> glaubte er,<br />
die Hasler und Grindelwaldner würden dur<strong>ch</strong> die Festigkeit<br />
der Brienzer und Böniger uns<strong>ch</strong>ädli<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t.<br />
> Unterdessen waren etli<strong>ch</strong>e helvetis<strong>ch</strong>-französis<strong>ch</strong>e Truppen<br />
m Thun eingetroffen, 150 Mann von dem Hülfscorps,<br />
50 von der 14. Halbbrigade und 13 Legionshusaren, —<br />
5U Wenig, wie Joneli klagte; do<strong>ch</strong> wolle er ver-<br />
^<strong>ch</strong>en, die Aufwiegler in den näheren Orten zu packen.<br />
Etwel<strong>ch</strong>e Unterstützung dur<strong>ch</strong> „Gutgesinnte", sowie Abfall<br />
m oen Be<strong>ch</strong>en der Gegner, wo man<strong>ch</strong>e nur gezwungen
Gefe<strong>ch</strong>t auf der S<strong>ch</strong>oren-Almend 95<br />
mars<strong>ch</strong>ierten, stand mit Si<strong>ch</strong>erheit zu erwarten. Platzkommandant<br />
Dolder und Quartierkommandant Fellenberg<br />
führten die Streiter der gesetzli<strong>ch</strong>en Ordnung. Am 13. April<br />
fand der von Weißenfluh ges<strong>ch</strong>ilderte, erste Zusammenstoß<br />
statt, und der offizielle Beri<strong>ch</strong>t (von Joneli, Mi<strong>ch</strong>el und<br />
Dolder) beweist, daß der <strong>Chronik</strong>s<strong>ch</strong>reiber über den Verlauf<br />
des Kampfes re<strong>ch</strong>t gut informiert war. Am 12.,<br />
abends 9 Uhr, war na<strong>ch</strong> Thun gemeldet worden, daß die<br />
Aufrührer aus dem Simmental heranrücken, worauf Dolder<br />
sofort seine Manns<strong>ch</strong>aft besammelte und Posten ausstellte.<br />
Do<strong>ch</strong> erfolgte kein Angriff. Am folgenden Morgen<br />
wurde in Spiez, Aes<strong>ch</strong>i und Wimmis Sturm geläutet,<br />
und nun zog Dolder dem Feind entgegen. Jenseits der<br />
Kanderbrücke empfing er den ersten Kugelgruß, geriet mit<br />
der Reiterei in „sehr s<strong>ch</strong>wierige Gegend", und als ihm<br />
bald ein Mann verwundet wurde, zog er si<strong>ch</strong> zurück.<br />
„Hierauf griffen ihn die etwa 1500 5 2000 Mann starken<br />
Rebellen wüthend an. Er befände si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> auf seinem<br />
Vorposten, von etwa 40 Mann nebst einer Kanone (umgeben),<br />
und zog si<strong>ch</strong> immer bis auf die S<strong>ch</strong>oren-Almend<br />
zurück, wo er si<strong>ch</strong> postirte und soutenierte, bis eine Verstärkung<br />
von braven Bürgern und den in der Stadt zurückgebliebenen<br />
Soldaten erfolgte, und (er) wieder auf<br />
die Rebellen avancirte und mit seinem eigenen Säbel<br />
6 Mann, und der Capitän von der 14. Halbbrigade<br />
4 Mann niedergema<strong>ch</strong>t." Denno<strong>ch</strong> wurde, wegen Mangels<br />
an Munition, der Rückzug bis zur Stadt angeordnet, aber<br />
alle Posten wohl besetzt. Die Gegner hatten an Toten,<br />
Verwundeten und Gefangenen „viellei<strong>ch</strong>t 200 Mann" eingebüßt;<br />
diesseits 20—25 Mann vermißt. — Die Zahl<br />
der Gefallenen wurde s<strong>ch</strong>on am nä<strong>ch</strong>sten Tag als übertrieben<br />
befunden.<br />
Obglei<strong>ch</strong> nun die Rebellen keineswegs besiegt waren,<br />
traten sie do<strong>ch</strong> entmutigt den Rückzug an, und s<strong>ch</strong>on am<br />
14. April heißt es von den Distrikten Aes<strong>ch</strong>i und Frutigen:<br />
sie haben si<strong>ch</strong> zur Ruhe begeben. Es kam eben au<strong>ch</strong> bei<br />
dieser Erhebung zu keiner gemeinsamen Aktion. Die<br />
Obersimmentaler „zogen unter dem Commando der<br />
bekannten Bühlers, Marti gs und Zablis bis auf<br />
Reutigen und der Enden hervor, zogen si<strong>ch</strong> aber bald<br />
wieder na<strong>ch</strong> Wimmis zurück, wo ihnen s<strong>ch</strong>on viele Leute
96 Gärung im engern Oberland<br />
davon loffen, wel<strong>ch</strong>e sie ohne Zweifel gezwungen haben,<br />
mit ihnen zu kommen". Merligen „war sehr stürmis<strong>ch</strong><br />
und bes<strong>ch</strong>äftigte si<strong>ch</strong> außerordentli<strong>ch</strong>, die Oberländer<br />
ebenfalls an si<strong>ch</strong> zu ziehen. Der bekannte Rebell Fis<strong>ch</strong>er<br />
wußte es mit einem Zeller im Dorfe Wilderswil dahin<br />
zu bringen, daß (am 14. April) die Thals<strong>ch</strong>aft Grindelwald,<br />
die Dörfer Wilderswyl und Matten, zum<br />
Theil au<strong>ch</strong> etwel<strong>ch</strong>e aus dem Lüts<strong>ch</strong>enthal bis auf Jnterlaken<br />
bewafnet hervorruckten. Fis<strong>ch</strong>er sagte ihnen von den<br />
Anlagen (Steuern), was s<strong>ch</strong>on hievor gemeldet ist, und<br />
daß die Franken bereits zu Spiez seyen, die jungen<br />
Mannesleute auf Wägen s<strong>ch</strong>mieden und fortführen. Weil<br />
aber die Grindelwaldner, Wilderswiler und Matner<br />
sahen, daß si<strong>ch</strong> die übrigen Oberländer (von Jnterlaken<br />
und Oberhasli) ni<strong>ch</strong>t an sie s<strong>ch</strong>ließen wollten, so kehrten<br />
sie ruhig wieder in ihre Häuser zurück." — Im Oberhasli<br />
rumorte es längere Zeit. Anfängli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>einen nur<br />
die kleinen Gemeinden Hausen (wo Caspar Brog wohnte)<br />
und Hohfluh ents<strong>ch</strong>iedene Rebellionslust bekundet zu<br />
haben ; bis Mitte April jedo<strong>ch</strong> wu<strong>ch</strong>s die Zahl der Widerspenstigen<br />
beständig, und in den unteren Ämtern re<strong>ch</strong>neten<br />
beide Parteien mit dem Aufstande der Hasler. Die Simmentaler<br />
und Frutiger s<strong>ch</strong>ickten Emissäre hinauf, das Volk<br />
zu bearbeiten; aber die Brienzer ließen sie ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong>,<br />
sondern nahmen sie gefangen und lieferten sie na<strong>ch</strong> Thun.<br />
Die Isolierung mag in der Tat die Aufstandslustigen im<br />
Haslital entmutigt haben; zudem stand man hier den<br />
Franzosen näher und vernahm über ihre Stärke und<br />
Stellung, sowie über die allgemeine Situation in Helvetien<br />
Wesentli<strong>ch</strong> andere Kunde, als sie in den Gauen der<br />
Kander und der Simme verbreitet wurde. So s<strong>ch</strong>rieben die<br />
Kommissäre u. a.: „Wir können ni<strong>ch</strong>t umhin, einen gewissen<br />
Mel<strong>ch</strong>ior Frutiger im Grund, Distrikt Oberhasle,<br />
bestens zu empfehlen. Dieser kam von einer Reise,<br />
die er wegen Ges<strong>ch</strong>äften auf Züri<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t hatte, eben<br />
zur Zeit wiederum zurück, als die Oberhasler Landsgemeinde<br />
halten wollten, belehrte sie mit Na<strong>ch</strong>druck über<br />
die wahre Lage der Dingen und trug sehr vieles bey,<br />
dieselben von ihrem unsinnigen Beginnen abzuhalten."<br />
Der „Rebellenhauvtmann" Kaspar Vrog spielte<br />
eine bes<strong>ch</strong>eidenere Rolle, als Weißenfluh annimmt; mög-
Zweiter Vorstoß der Simmentaler 97<br />
li<strong>ch</strong> immerhin, daß ihm eine wi<strong>ch</strong>tigere zugeda<strong>ch</strong>t worden.<br />
Chr. Valmer von Wilderswil erklärte im Verhör, daß<br />
ein gewisser Johannes S<strong>ch</strong>mid von Frutigen, wohnhaft<br />
in Saanen, als Emissär auf Wilderswil gekommen,<br />
„vorgebend, er seye ausges<strong>ch</strong>ossen und habe vom Prinz<br />
(Erzherzog) Karl S<strong>ch</strong>riften bey si<strong>ch</strong>, au<strong>ch</strong> seien der Oberst<br />
und der Commissär Weiß seine Gevatermänner; er solle<br />
das Volk aufwecken und müße deswegen auf Oberhasle<br />
Hum Kaspar Brog zu Hausen, wohin der Balmer mit<br />
ihm gereiset*); auf der Reis habe der S<strong>ch</strong>mid alles bezahlt,<br />
und ohngea<strong>ch</strong>t er kein Vermögen besitzt, so habe es<br />
ges<strong>ch</strong>ienen, als hätte er viel Geld bey si<strong>ch</strong>". Als dann<br />
der Kommissär Mi<strong>ch</strong>el na<strong>ch</strong> Saanen kam, ließ er den<br />
Mann als einen „Haupträdelsführer" verhaften.<br />
Der voreilige Angriff und Miserfolg der Niedersimmentaler<br />
und Frutiger lähmte die ganze Bewegung.<br />
Bis zum 21. April wurden Merligen, Faulensee, Spiez,<br />
Wimmis, Äs<strong>ch</strong>i, Frutigen und Adelboden entwaffnet. Die<br />
Reste der Aufständis<strong>ch</strong>en, meist Simmentaler, hatten si<strong>ch</strong><br />
dur<strong>ch</strong> das Adelbodental zurückgezogen; am 20. gelangten<br />
sie über das Hahnenmoos an die Lenk und drohten nun,<br />
verstärkt mit einem zweiten Landsturm hervorzubre<strong>ch</strong>en.<br />
In Thun s<strong>ch</strong>lug man die neue Gefahr zunä<strong>ch</strong>st ni<strong>ch</strong>t eben<br />
ho<strong>ch</strong> an ; aber die Insurgenten ma<strong>ch</strong>ten Ernst. Am 21.<br />
kamen sie bis na<strong>ch</strong> St. Stephan, am 22. na<strong>ch</strong> Zweisimmen,<br />
hielten am 23. daselbst Rasttag und bra<strong>ch</strong>en am Abend<br />
des 24. auf, um talauswärts zu mars<strong>ch</strong>ieren, und nun<br />
merkten die Helvetier in Thun, daß es do<strong>ch</strong> gelte. No<strong>ch</strong><br />
war das vom General Nouvion verspro<strong>ch</strong>ene Bataillon,<br />
mit dem man „glei<strong>ch</strong>zeitig gegen Oberhasle hätte operieren<br />
können", ni<strong>ch</strong>t eingetroffen, also mußten Dolder<br />
und Fellenberg ohne diesen so sehnli<strong>ch</strong> erwarteten Sukkurs<br />
zu Felde ziehen. Da ihr Mars<strong>ch</strong> zum Teil dur<strong>ch</strong> „gutgesinnte<br />
Gemeinden" ging, war das Abenteuer eher zu<br />
riskieren. Am 25. April kam es am Laubeck st alden,<br />
zwis<strong>ch</strong>en Voltigen und Zweisimmen, zum Kampfe. Dolder<br />
stellt ihn in seinem Beri<strong>ch</strong>t an das Direktorium folgendermaßen<br />
dar:<br />
Balmer wurde vom Distriktstatthalter in Brienz arretiert.<br />
Da Brog wirkli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Spiez und As<strong>ch</strong>i gegangen war, erklärt<br />
si<strong>ch</strong> die Verwe<strong>ch</strong>slung bei Weißenfluh.<br />
7
98 Gefe<strong>ch</strong>t an der Laubeck<br />
(Zweisimmen, 25. April) „Gestern, morgens um 6 Uhr,<br />
bra<strong>ch</strong> i<strong>ch</strong> mit etwa 110 Mann Infanterie, theils fränkis<strong>ch</strong>en,<br />
theils Auriliar-Truppen, und 36 Jägern zu Pferd,<br />
unter Eommando von Lieut. O<strong>ch</strong>s, na<strong>ch</strong> Erlenba<strong>ch</strong> auf,<br />
wo i<strong>ch</strong> etwa 58 Mann Aunliairs, 200 Mann Infanterie<br />
und 60 S<strong>ch</strong>arfs<strong>ch</strong>ützen Miliztruppen angetroffen habe; also<br />
in allem 454 Mann. I<strong>ch</strong> theilte soglei<strong>ch</strong> meine Truppe<br />
m drei vers<strong>ch</strong>iedene Eolonnen; zwei mars<strong>ch</strong>irten auf meinem<br />
linken Flügel, die eine über Gestelen-Alp, die andere<br />
über Rütinen und Fromatt, wel<strong>ch</strong>e heute Morgens um<br />
8 Uhr unweit St. Steffan zusammentreffen sollten, um<br />
dann dem Feind, wel<strong>ch</strong>er si<strong>ch</strong> in dem Passage von Laubeck<br />
befand, in den Rücken fallen zu können, wel<strong>ch</strong>es au<strong>ch</strong><br />
wirkli<strong>ch</strong> ges<strong>ch</strong>ehen; blos haben wir die Stunde, wel<strong>ch</strong>e<br />
zum Angreifen bestimmt war verändert, indeme sol<strong>ch</strong>e<br />
(die Rebellen) Morgens 4 Uhr über einige unserer Vorposten<br />
bei Wyßenburg*) hergefallen, sol<strong>ch</strong>e wirkli<strong>ch</strong> nebst<br />
mehreren Einquartierten im Dorfe gefangen gema<strong>ch</strong>t und<br />
bis Es<strong>ch</strong>i vorgedrungen und au<strong>ch</strong> darna<strong>ch</strong> Gefangene gema<strong>ch</strong>t.<br />
Die Offiziers und Soldaten zeigten meistens, daß<br />
sie no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t am besten reglirte Truppen seien; sie kamen<br />
bis in das Dorf Voltigen gelaufen, ohne daß sie den<br />
Feind nunmehr verfolgten; mit großer Mühe bra<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong><br />
sie endli<strong>ch</strong> wieder zusammen, und na<strong>ch</strong>dem i<strong>ch</strong> mit ihnen<br />
gespro<strong>ch</strong>en, rückten wir wiederum vor, fanden den Feind auf<br />
einer Anhöhe bei Es<strong>ch</strong>i, wel<strong>ch</strong>en i<strong>ch</strong> mit einem Kanonens<strong>ch</strong>uß<br />
auseinanderspringen ma<strong>ch</strong>te, worauf wir ihn na<strong>ch</strong><br />
und na<strong>ch</strong> verfolgten. Er nahm wiederum bei Laubeck<br />
Position, em Passage, wel<strong>ch</strong>es sehr vorteilhaft für ihn<br />
war; er wollte si<strong>ch</strong> dort ziemli<strong>ch</strong> hartnäckig stellen, wel<strong>ch</strong>es<br />
^ au<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> gekonnt hätte, wenn ni<strong>ch</strong>t die vereinte<br />
Colonne, die meistens aus S<strong>ch</strong>arfs<strong>ch</strong>ützen von Erlenba<strong>ch</strong><br />
und Diemtigen und einigen Franken bestund, ihme in den<br />
Rücken gefallen wäre. Diese bemeldte Truppen haben<br />
si<strong>ch</strong> zum voraus ausgezei<strong>ch</strong>net, und dadur<strong>ch</strong> haben wir<br />
wiederum unsere Gefangenen losgema<strong>ch</strong>t, eine Fahne erobert,<br />
50 bis 60 Gefangene gema<strong>ch</strong>t; er hat au<strong>ch</strong> einige<br />
Todte auf dem Platz gelassen; die übrigen haben si<strong>ch</strong> so<br />
gut mögli<strong>ch</strong> mit der Flu<strong>ch</strong>t gerettet; i<strong>ch</strong> lasse sie aber<br />
no<strong>ch</strong> immer über Berg und Thal verfolgen und hoffe,<br />
*) Weißenba<strong>ch</strong>.
Entwaffnung und Bestrafung der Rebellen 99<br />
no<strong>ch</strong> die meisten davon zu erwis<strong>ch</strong>en." — Da die Rebellen<br />
keine 200 Mann zählten, darf der mit einer Überma<strong>ch</strong>t<br />
von Artillerie, Kavallerie und Infanterie errungene Sieg<br />
ni<strong>ch</strong>t wohl als glorrei<strong>ch</strong> gelten.<br />
» q-<br />
Mit dem Gefe<strong>ch</strong>t an der Laubeck war die Niederlage<br />
der Aufrührer ents<strong>ch</strong>ieden; jetzt folgte die vollständige<br />
Entwaffnung des ganzen Kantons und die Bestrafung<br />
der S<strong>ch</strong>uldigen, — ein langwieriges, unglückli<strong>ch</strong>es<br />
Ges<strong>ch</strong>äft. Ende April bere<strong>ch</strong>nete die Verwaltungskammer<br />
des Kantons Oberland, daß die Kosten der Insurrektion<br />
für sie rei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> 40,000 Fr. betragen; bis zum<br />
Juli waren es s<strong>ch</strong>on 78,000 Fr. Hierfür sollten die rebellis<strong>ch</strong>en<br />
Gemeinden aufkommen, und überdies wurden<br />
ihnen gemäß dem Gesetz vom 28. April 1799 no<strong>ch</strong> Kontributionen<br />
auferlegt, „dreimal so ho<strong>ch</strong>, als die Vermögenssteuer<br />
ausges<strong>ch</strong>rieben ist". Die Gemeinden konnten alsdann<br />
auf die einzelnen Strafbaren zurückgreifen. Das<br />
Direktorium sandte den Senator Karlen und den „Repräsentanten"<br />
(Großrat) Fis<strong>ch</strong>er hin, die Angelegenheit zu<br />
betreiben, aber die Kontributions-Kommission sah si<strong>ch</strong> vor<br />
eine unendli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wierige Aufgabe gestellt, weil „Geld an<br />
einigen Orten s<strong>ch</strong>wer zu finden sei". Daher die Verfügung,<br />
daß die dreifa<strong>ch</strong>e Strafsteuer zu zwei Dritteln in Vieh<br />
bezahlt werden dürfe').<br />
An Gefangenen waren mehrere hundert Mann<br />
eingebra<strong>ch</strong>t worden; ihre Zahl wu<strong>ch</strong>s s<strong>ch</strong>on na<strong>ch</strong> dem<br />
ersten Kampfe dergestalt an, daß der Kantonsstatthalter<br />
sie kaum mehr zu versorgen wußte, und dur<strong>ch</strong> spätere<br />
Verhaftungen in allen Gemeinden kam no<strong>ch</strong> eine beträ<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />
Menge hinzu. Jnterlaken und Oberhasli stellten<br />
au<strong>ch</strong> ihre Contingente. Am 11. und 12. Mai war der<br />
Kommissär Müller*) in Grindelwald, wo er eine neue<br />
') Die den Insurgenten (Gemeinden und einzelnen Bürgern)<br />
auferlegte Geldbuße von L. 63,312.10 s. wurde im Mai 1800 um<br />
V» heruntergesetzt.<br />
') Unterstatthalter von Altorf. Er sollte Mi<strong>ch</strong>el, Karlen und<br />
S<strong>ch</strong>neider als Regierungskommissär ersetzen und traf am 26. April<br />
in Thun ein. Da er Land und Leute gar ni<strong>ch</strong>t kannte, fand er<br />
die Ges<strong>ch</strong>äfte voller Dornen.
100 Bühler und Zabli gefangen. Kriegsgeri<strong>ch</strong>t in Thun<br />
Munizipalität einsetzte und u. a. au<strong>ch</strong> den Pfarrer Rü feil<br />
a <strong>ch</strong> t arretieren ließ, der den Aufruhr gepredigt habe und<br />
dafür vor Kriegsgeri<strong>ch</strong>t gestellt werden sollte; vom 13.<br />
bis 16. arbeitete der Regierungsmann in Meiringen, entwaffnete<br />
das Volk und verhaftete die „Hauptrebellen".<br />
Mit hoher Befriedigung meldeten die Kommissäre dem<br />
Direktorium, daß unter den Gefangenen in Thun „si<strong>ch</strong> alle<br />
Hauptanstifter befinden, ausgenommen ein gewisser alt<br />
Lieutenant und Seckelmeister Fis<strong>ch</strong>er von Merligen; dieser<br />
hat si<strong>ch</strong> flü<strong>ch</strong>ten können."<br />
Au<strong>ch</strong> die Hauptanführer der Simmentaler, Mi<strong>ch</strong>el<br />
Vühler und Johannes Zabli, waren den Häs<strong>ch</strong>ern<br />
zunä<strong>ch</strong>st entgangen, aber ihre eigenen Landsleute halfen<br />
sie „liefern". Und des unglückli<strong>ch</strong>en Andreas Hofer auf der<br />
Pfandl-Alm muß man gedenken, wenn man liest, wie der<br />
Erstgenannte gefangen wurde. „Den 28. Aprill ist endli<strong>ch</strong><br />
au<strong>ch</strong> der Rebellen Eommandant Bühler dur<strong>ch</strong> die Oberweiler<br />
unter Anführung des Distriktsri<strong>ch</strong>ters Joh. Es<strong>ch</strong>ler (?) von<br />
daselbsten an einem entlegenen Ort, in einem Alpgema<strong>ch</strong><br />
unter Zaunringen entdeckt und mit einem alten preußis<strong>ch</strong>en<br />
Soldaten gefangen gema<strong>ch</strong>t und na<strong>ch</strong> Erlenba<strong>ch</strong> gebra<strong>ch</strong>t<br />
worden." Bühler kam am 29. na<strong>ch</strong> Thun, und<br />
am nä<strong>ch</strong>sten Tage langte au<strong>ch</strong> sein Mitstreiter Zabli daselbst<br />
an. Die Verhaftung muß ungemütli<strong>ch</strong> gewesen sein;<br />
Zabli, der Messers<strong>ch</strong>mied, setzte si<strong>ch</strong> zur Wehr und „blessirte"<br />
zwei Soldaten, die ihn greifen wollten, mit einem<br />
Messer; sehr wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> hat au<strong>ch</strong> Bühler si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
gutwillig fesseln lassen.<br />
Am Abend des 16. Mai langte „das sämtli<strong>ch</strong>e Kriegsgeri<strong>ch</strong>t,<br />
so zur Beurteilung der Oberländis<strong>ch</strong>en Insurgenten<br />
na<strong>ch</strong> Thun beordert ward, daselbst an und formierte des<br />
folgenden Tags ihre Sizungen". Viele der Gefangenen<br />
wurden freigespro<strong>ch</strong>en; andere kamen mit Geldstrafen<br />
davon oder wurden unter die Hülfstruppen gesteckt; wer<br />
dienstuntaugli<strong>ch</strong> war, sollte je zwei Ersatzmänner stellen. —<br />
Man kann ni<strong>ch</strong>t behaupten, daß die Justiz na<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>ablone<br />
arbeitete, wenn man z. B. die folgenden Fälle miteinander<br />
verglei<strong>ch</strong>t:<br />
s) Jakob Stalder von Spiez, hatte mehrmals „Stafetendienft"<br />
getan, war bewaffnet mitgezogen. Urteil: Einjährige<br />
Gefangens<strong>ch</strong>aft an Ketten, Bezahlung der Kosten.
Urteilssprü<strong>ch</strong>e 101<br />
d) Abraham Röthlisperger von Hilterfingen, wohnhaft<br />
zu Därstetten; habe den ganzen Rebellenzug bewaffnet<br />
mitgema<strong>ch</strong>t. Urteil: unbedingt freigespro<strong>ch</strong>en.<br />
c) Johannes Känel von Rei<strong>ch</strong>enba<strong>ch</strong>, Salpetersieder; habe<br />
den Jnsurgentenzug bewaffnet mitgema<strong>ch</strong>t. Urteil:<br />
heimgelassen, der Salpetersiederey obzuliegen.<br />
6) Jakob Känel von Rei<strong>ch</strong>enba<strong>ch</strong>, Salpetergraber. Vergehen<br />
ähnli<strong>ch</strong> wie bei b und c. Urteil (erst in Oron<br />
gefällt): Se<strong>ch</strong>s Jahre Auss<strong>ch</strong>ließung von allen bürgerli<strong>ch</strong>en<br />
Stellen und Diensten; Kosten.<br />
Von den übrigen in Thun erledigten Fällen seien als<br />
von besonderem Interesse no<strong>ch</strong> die folgenden zwei angeführt<br />
:<br />
Abraham Rüfena<strong>ch</strong>t von Thun, 57jährig, Pfarrer<br />
in Grindelwald. Eingeständniße: Habe si<strong>ch</strong> zu<br />
viel in politis<strong>ch</strong>e Angelegenheiten gemis<strong>ch</strong>t, — die vorhandene<br />
Insurrektion eher begünstigt als zu unterdrücken<br />
gesu<strong>ch</strong>t; habe si<strong>ch</strong> aber deßtwegen so verhalten müßen,<br />
weil er auf jede Fälle ni<strong>ch</strong>t genugsam bes<strong>ch</strong>ützt gewesen<br />
wäre, weil Grindelwald ein entlegener Ort, und keine<br />
militäris<strong>ch</strong>e Besazungen da waren. Urteil: für ein halb<br />
Jahr lang von allen psstorsl Funktionen eingestellt, —<br />
vicarium in eigenen Kösten; Kösten an si<strong>ch</strong> selbst.<br />
Caspar Brog von Oberhasli, 33jährig, Landarbeiter.<br />
Anzeige der Municipalität: 1. seye mit anderen<br />
verdä<strong>ch</strong>tigen Personen in Gemeins<strong>ch</strong>aft gestanden; 2. bey<br />
ihme seyen eini<strong>ch</strong>e dahin gekommene Bots<strong>ch</strong>after der Insurgenten<br />
eingekehrt.<br />
Eingeständnis : 1. seyen mehrere Stafeten zu ihm gekommen,<br />
die er unentgelti<strong>ch</strong> bewirthet habe. 2. Er seye<br />
mit einem derselben herunter auf Spiez und Äs<strong>ch</strong>i gegangen<br />
— bloß die Wahrheit zu vernehmen, weswegen<br />
die Stafeten von den Oberhaslern Hülfe begehrt. Urteil:<br />
unbedingt frey erkennt.<br />
Untersu<strong>ch</strong>ung und Bestrafung besserten natürli<strong>ch</strong> die<br />
Volksstimmung im Oberlande keineswegs, und auf Wuns<strong>ch</strong><br />
des Kantonsstatthalters Joneli wurden zu Anfang Juli<br />
die Haupts<strong>ch</strong>uldigen der Insurgenten „mehr gegen die
102 Die Gefangenen von Oron. Entwei<strong>ch</strong>ungen<br />
ftanMs<strong>ch</strong>e Grenze hin" transportiert, na<strong>ch</strong> Oron, woselbst<br />
das Kriegsgeri<strong>ch</strong>t seine Arbeit fortsetzte. (In Moukn"<br />
passendes Lokal, und in dem romantis<strong>ch</strong>en<br />
Chillon war s<strong>ch</strong>on für die gefangenen Freiburger<br />
genug Raum gewesen.) Es waren<br />
, ^nder, die hier, zusammen mit einer Anzahl<br />
S<strong>ch</strong>icksalsgenossen aus dem Wallis, abgeurteilt werden<br />
sollten. Aber ihrer se<strong>ch</strong>s, just die „Besten", warteten die<br />
Sentenz m<strong>ch</strong>t ab. Mit großer Betrübnis mußte das<br />
Geri<strong>ch</strong>t dem helvetis<strong>ch</strong>en Kriegsminister am 15. Juli melden:<br />
„Ohngea<strong>ch</strong>t aller... getroffenen Anstalten zu si<strong>ch</strong>erer<br />
Verwahrung der allhier gefangen sitzenden oberländis<strong>ch</strong>en<br />
Insurgenten, haben denno<strong>ch</strong> se<strong>ch</strong>s davon Mittel gefunden<br />
aus der Gefangens<strong>ch</strong>aft si<strong>ch</strong> in der verstri<strong>ch</strong>enen Na<strong>ch</strong>t zu<br />
» - mittelst Zusammenknüpfung vers<strong>ch</strong>nittener<br />
Leintü<strong>ch</strong>er si<strong>ch</strong> von einem hohen S<strong>ch</strong>loßthurm herunter zu<br />
Assen. Zum Unglück sind diese se<strong>ch</strong>s von den stärksten<br />
Verbre<strong>ch</strong>ern, — sie sind:<br />
Mi<strong>ch</strong>el Bühler von Oberweil,<br />
Christian Zahler von Zweysimmen,<br />
Jobannes Zabli von Voltigen,<br />
Rudolf Müller von Thun,<br />
Christen Balmer von Wildersweil, und<br />
Johannes Stuki von Diemtigen."<br />
.Gegen die Entwi<strong>ch</strong>enen fällte das Tribunal «einen<br />
.. fünfzehn übrigen (drei Wilderswiler, zwei Frutiger,<br />
sieben Simmentaler und drei Saaner) wurden, wie<br />
übrigens au<strong>ch</strong> die meisten der in Thun Verurteilten, viel<br />
s<strong>ch</strong>onender angefaßt, als man es von einem Kriegsgeri<strong>ch</strong>t<br />
m sol<strong>ch</strong>en Zeitläuften hätte erwarten sollen. Die Urteile<br />
lauteten: Auss<strong>ch</strong>ließung von allen bürgerli<strong>ch</strong>en Stellen<br />
und Diensten auf 1—6 Jahre (in drei Fällen allerdings<br />
lebenslängli<strong>ch</strong>), Geldbußen von 10—100 Bern-Kronen<br />
und Bezahlung der Procedurkosten und S<strong>ch</strong>reibgebühren.<br />
Emer nur, der jüngste von allen, der kurz zuvor eines<br />
andern Vergehens wegen „für 6 Jahre aus Helvetien<br />
vanisirt worden", erhielt ein Jahr S<strong>ch</strong>ellenwerk. Ni<strong>ch</strong>t<br />
nur Weißenfluh, sondern au<strong>ch</strong> der Statthalter Joneli fand
Sündenregister der Hauptrebellen 103<br />
sol<strong>ch</strong>e Praris zu milde; sie zähme die Bösen ni<strong>ch</strong>t und<br />
errege die MisftimmuNg aller guten Patrioten*).<br />
Die Interessantesten unter der gesamten Rebellens<strong>ch</strong>ar<br />
sind ohne Zweifel Bühler und Zabli, deren lehrrei<strong>ch</strong>es<br />
Sündenregister dieses Kapitel bes<strong>ch</strong>ließen mag.<br />
Mi<strong>ch</strong>el Bühler von Oberwil, zu Zweysimmen wohnhaft,<br />
45jährig, verheirathet, 7 Kinder, Feldarbeiter.<br />
Anzeige der Municipalität:<br />
1. seye Hauptanstifter und Kommandant der Rebellen,<br />
2. habe am 8. April im Namen eines Theils der kanoniere<br />
bedingter Weise den Zug verweigert,<br />
3. habe den Agenten Zeller mishandelt,<br />
4. Viele unter Bedrohungen zum Ziehen aufgefordert,<br />
5. sey überhaupt einer der Haupt Rädelsführer gewesen,<br />
6. habe der Municipalität aus die fre<strong>ch</strong>ste Weise erklärt,<br />
das Distriksgeri<strong>ch</strong>t sey aufgehoben, der Präsident gefangen,<br />
und alle Re<strong>ch</strong>te seyen eingestellt,<br />
7. habe gesagt: Kapitulation gehen sie keine ein, als in<br />
Thun mit dem Regierungsstatthalter-, dieser müße<br />
aber zuerst sein Amt niederlegen, und denno<strong>ch</strong> riskiere<br />
er, den Kopf zu lassen,<br />
8. habe vers<strong>ch</strong>iedene Patrioten wollen fassen lassen, wenn<br />
sie si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t hätten flü<strong>ch</strong>ten können.<br />
Eingestandene Vergehen:<br />
1. Er sey als Kommandant mit den Rebellen gezogen,<br />
2. habe dem Agent zu St. Stephan befohlen zu stürmen<br />
(läuten),<br />
3. habe Vers<strong>ch</strong>iedene mit Gewehren zum Zug versehen,<br />
*) Das Direktorium und die gesetzgebenden Räte waren entrüstet<br />
über die Sprü<strong>ch</strong>e von Oron. „Auffallend ist au<strong>ch</strong> für den<br />
kältesten Mens<strong>ch</strong>en die Hinläßigkeit und selbst die Treulosigkeit,<br />
womit das Kriegsgeri<strong>ch</strong>t ein so heiliges Amt erfüllt hat". Und<br />
weil das Kriegsgeri<strong>ch</strong>t auf eine höckst ungere<strong>ch</strong>te und strafwürdige<br />
Art verfahren sei, wurde im Ortober 1799 bes<strong>ch</strong>lossen, „diese<br />
Ri<strong>ch</strong>ter geri<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> verfolgen zu lassen". — In s<strong>ch</strong>roffstem Gegensatz<br />
zu der Milde von Oron steht die Härte, mit der das Kriegsgeri<strong>ch</strong>t<br />
im Kanton Solothurn die Rebellen wegen ganz ähnli<strong>ch</strong>er<br />
Vergehen bestrafte. Drei Urteile lauteten auf Tod (z. B.<br />
Urs Bohner, Wirt zu Herbetswyl, wegen Fällung des Freiheitsbaumes:<br />
Hinri<strong>ch</strong>tung mit Pulver und Blei); andere auf zehn<br />
Jahre S<strong>ch</strong>ellenwerk m Ketten.
104 Sündenregister der Hauptrebellen<br />
4. Viele mit Bedrohungen zum Zug verführt,<br />
5. den sämtli<strong>ch</strong>en Insurgenten zu Wimmis den Eyds<strong>ch</strong>wur<br />
abgenommen,<br />
6. an mehrere Orte Eilboten ausgesandt,<br />
^ vers<strong>ch</strong>iedene Beamte arretieren und einstecken<br />
lassen unter s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>en Drohungen und Flü<strong>ch</strong>en,<br />
8. den ganzen Rebellenzug in Uniform, Evaulettes und<br />
Degen mitgema<strong>ch</strong>t,<br />
9. Dabei die roth und s<strong>ch</strong>warze Eokarde getragen,<br />
10. andere geheißen sol<strong>ch</strong>e tragen,<br />
11. zur bevorstehenden Aufruhr Zusammenkünste mit<br />
mehreren gehalten,<br />
12. vorher verdä<strong>ch</strong>tigen Briefwe<strong>ch</strong>sel geführt,<br />
13. von den Aunliar-Truppen zu Weißenba<strong>ch</strong> Gefangene<br />
^ ihnen die Waffen abgenommen,<br />
14. vers<strong>ch</strong>iedene ihm vorgelegte auftühreris<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>riften<br />
ges<strong>ch</strong>rieben zu haben.<br />
Johannes Zabli von Boltigen, 49jährig, verheiratet,<br />
2 Kinder, von Beruf ein Messers<strong>ch</strong>mied, hatte<br />
^ Wnse ausgezei<strong>ch</strong>net. Seye, laut Anzeige<br />
der Mumcipalität, einer der ersten Rebellen und Erz<br />
Insurgent, habe als sol<strong>ch</strong>er den ganzen Zug von Anfana<br />
bis zu End mitgema<strong>ch</strong>t zc. zc. Gestand u. a?<br />
haus zum Zuge abgefordert, in Wimmis dazu ges<strong>ch</strong>woren<br />
u. a. m.<br />
Einer der Entwi<strong>ch</strong>enen, Rudolf Müller (laut Anzeige<br />
des Statthalters zu Thun „der Urheber der ferndrigen<br />
3^1? ^ General von Erla<strong>ch</strong> begangenen Mordthat")<br />
wurde später wieder ergriffen und dem Cantonsgen<strong>ch</strong>t<br />
zur Beurteilung überwiesen.<br />
Frutigen und Oberfimmental blieben no<strong>ch</strong> längere Zeit<br />
s<strong>ch</strong>wierig und s<strong>ch</strong>ufen den Behörden viel Sorge und Verdruß.<br />
Der Kantonsstatthalter klagte, daß versteckte Ausreißer<br />
und Flü<strong>ch</strong>tlinge Verwirrung anstiften, „wozu die<br />
-lveiber no<strong>ch</strong> mehr beitragen als die Männer"; die hel
Oberländer und Inners<strong>ch</strong>weizer 105<br />
vetis<strong>ch</strong>en Beamten werden mit dem Tode bedroht; ohne<br />
militäris<strong>ch</strong>e Unterstützung sei es unmögli<strong>ch</strong>, „die Gesetze zu<br />
handhaben und die Auflagen einzutreiben". Hierauf ließ<br />
das Direktorium zwei Kompagnien von der Legion na<strong>ch</strong><br />
Frutigen und Zweisimmen mars<strong>ch</strong>ieren. — Die verblüffende<br />
Wendung des Kriegsglückes im Herbst 1799 benahm<br />
au<strong>ch</strong> den Oberländer Rebellen die Hoffnung auf einen<br />
baldigen allgemeinen Umsturz, und Mi<strong>ch</strong>el Vühler bra<strong>ch</strong>te<br />
1800 zu Zweisimmen wohl no<strong>ch</strong> einen „Wirtshauslärm",<br />
ni<strong>ch</strong>t aber einen eigentli<strong>ch</strong>en Aufstand zuwege. Immerhin<br />
übte man si<strong>ch</strong> hier und dort weiter in der Widersetzli<strong>ch</strong>keit,<br />
besonders beim Steuerzahlen, und hielt si<strong>ch</strong> warm für den<br />
Generalsturm von 1802.<br />
Trotz man<strong>ch</strong>er Ähnli<strong>ch</strong>keit in den Tendenzen sowohl<br />
als in den äußeren Verhältnissen kommt der Aufruhr im<br />
Oberland an Wu<strong>ch</strong>t und Hartnäckigkeit den Erhebungen<br />
der Waldstätter und Oberwalliser bei weitem ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>.<br />
Ein Teil der Oberländer war dur<strong>ch</strong> die „Erhöhung" ihres<br />
Landes zu einem eigenen Kanton für die Helvetik gewonnen<br />
worden; man<strong>ch</strong>e kamen zu Ämtern und Ehren,<br />
die Min Gnädig Herren ihnen niemals zugestanden hatten<br />
oder verleihen konnten, und fanden Ges<strong>ch</strong>mack am Regiment.<br />
Wieviel Selbstsu<strong>ch</strong>t und Franzosenfur<strong>ch</strong>t dabei wirksam<br />
gewesen und wieviel e<strong>ch</strong>te helvetis<strong>ch</strong>-patriotis<strong>ch</strong>e Begeisterung<br />
samt Regentenweisheit, läßt si<strong>ch</strong> kaum ermessen;<br />
jedenfalls entwickelten die Würdenträger eine rege und<br />
man<strong>ch</strong>erorts erfolgrei<strong>ch</strong>e Tätigkeit zur Bes<strong>ch</strong>wi<strong>ch</strong>tigung des<br />
Volkszornes. Daher Eins<strong>ch</strong>ü<strong>ch</strong>terung und Resignation, au<strong>ch</strong><br />
Uneinigkeit innerhalb der einzelnen Tals<strong>ch</strong>aften selbst; keine<br />
kernige Ents<strong>ch</strong>lossenheit der Massen zum äußersten Widerstand.<br />
Vor allem fehlte den Oberländern jener religiöse<br />
Fanatismus, der die Jnners<strong>ch</strong>weizer und Walliser in todvera<strong>ch</strong>tende<br />
Kämpfe trieb.
Alpenreisen 18Z0-18Z1<br />
von<br />
Johann v. Weißenfluh dem Jüngern.
I. Gemmi, Visp-Termatt,<br />
Meisstor, Monte Woro, Siniplon, Lakmanier,<br />
Panixerpass, pragel, krünig.<br />
ugust 11. 1850. Verließ i<strong>ch</strong> Mühlistalden und kam<br />
abends um 9 Uhr in Bern bey Herrn Leutenant<br />
Vürki an, den i<strong>ch</strong> begleiten wolte.<br />
Aug. 12. Unsere Reise gieng na<strong>ch</strong> das Frutig-Land<br />
und Gemmi; in Mühlenen, einem kleinen Weiler an der<br />
Kander, nahmen wir eine Erquickung; von hier sieht man<br />
die Steins<strong>ch</strong>iefergrube am Fuße des Niesen.<br />
Die wilde Kander dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nidet das Thal und verstört<br />
oftmalen den Fleis siner Bewohner; au<strong>ch</strong> gehet man<br />
thaleinwärts über alte Steinbrü<strong>ch</strong>e, die Wieland (weiland)<br />
größtenteils vom Niesen her in das Thal stürzten. Die<br />
einzelnen Hüser, die im Thale hin und wieder stehen, sind<br />
von Holz gebaut, na<strong>ch</strong> der Art vom Oberhasler (daß der<br />
Oberhasler und Frutiger eines Volkes Stamm, namentli<strong>ch</strong><br />
aus S<strong>ch</strong>weden, s<strong>ch</strong>int ni<strong>ch</strong>t unwahrs<strong>ch</strong>inli<strong>ch</strong>, indem das<br />
eine wie das andre sine Sitten beybehielten und i<strong>ch</strong> keinen<br />
Wesentli<strong>ch</strong>en Unters<strong>ch</strong>ied fand). Das Dorf Frutigen, wo<br />
wir eben errei<strong>ch</strong>ten, ist ungefehr vor 25 Jahren abgebrant,<br />
jetz aber na<strong>ch</strong> stettis<strong>ch</strong>er Art aufgebaut; es befinden si<strong>ch</strong><br />
hier zwen Gasthöfe und zwo Pinten, au<strong>ch</strong> stoßt man Thal<br />
einwerts auf mehrere Pmten. Das Dorf Frutigen stehet<br />
am Bergrücken der Niesenkette, auf einem aus der Urzeit<br />
heruntergefallenen Bergruts<strong>ch</strong>; au<strong>ch</strong> bemerkte i<strong>ch</strong> viele Bergstürze,<br />
die von Zit zu Zit in (den) Thalgrund stürzten.<br />
Wir nahmen ein Fuhrwerk; die Räder flogen ras<strong>ch</strong><br />
vorwärts na<strong>ch</strong> Kandersteg; der Weg ist gut. In Kandersteg<br />
ist eine Kapsle, oder «ir<strong>ch</strong>e, wie selbige jetz heißen mag;<br />
s<strong>ch</strong>int katholis<strong>ch</strong>en Ursprungs zu sin.<br />
Kandersteg ist eine s<strong>ch</strong>öne Wildnis, ein kleiner Weiller,<br />
und zerstreute Hüser und einzelne s<strong>ch</strong>warze Hüten nebst<br />
etli<strong>ch</strong>en wilden Kirs<strong>ch</strong>bäumen stehen auf diesem ohnedem<br />
heimatli<strong>ch</strong>en Boden. Wilde Bergbä<strong>ch</strong>e drohen au<strong>ch</strong> diesem<br />
den Untergang, und wird beinahe alle Jahre heimgesu<strong>ch</strong>t. —
110 S<strong>ch</strong>warenba<strong>ch</strong> und Gemmi<br />
Unser Fuhrmann bra<strong>ch</strong>te uns s<strong>ch</strong>nell an den Fus des<br />
Berges, wo uns ein Saumweg der Gemi zuführte. Ein<br />
finsterer Wald nahm uns auf; dicker Nebel verhüllte unsere<br />
Aussi<strong>ch</strong>t. Das Gebürg bestehet aus Kalkstein; au<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>t<br />
hier ni<strong>ch</strong>t die S<strong>ch</strong>nee-S<strong>ch</strong>melze die Mar<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en Bern<br />
und Wallis, sondren der Walliser hat auf den Abhengen<br />
der nördli<strong>ch</strong>en Site bedeutend Grasbenutzungen.<br />
Wir gelangten abends 8 Uhr bey dem Wirtshus auf<br />
der Gemi an ^). Der Wirth war gastfreundli<strong>ch</strong>, ni<strong>ch</strong>t Wolfeil<br />
und au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t thür; man trinkt hier Walliser Win,<br />
wel<strong>ch</strong>er zimli<strong>ch</strong> gut ist; Fleis<strong>ch</strong> und Buter und Geiskäs<br />
ist hier die Nahrung des Reisenden. Das Hus ist fest gebaut,<br />
aber klein; wenn vile Reisende hier zusamenstoßen,<br />
wirkli<strong>ch</strong> zu klein. Das Hus gehert den Wallisern, ist aber<br />
an einen Berner verpa<strong>ch</strong>tet.<br />
Äugst 13. Morgens 6 Uhr verließen wir das Gasthus<br />
auf der Gemi. Der Nebel hatte si<strong>ch</strong> allmelig zerstreut;<br />
die Bergspitzen des Altels und Rinderhoren traten hervor.<br />
Bald öffnete si<strong>ch</strong> eine Bergs<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>t; wir giengen entlang<br />
dieser S<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>t, wo si<strong>ch</strong> bald ein See zeigt, der Tubensee<br />
genant. Dieser See hat bedeutenden Zuflus und zwar von<br />
wilden Glets<strong>ch</strong>erbä<strong>ch</strong>en, aber kein oberflä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Ausflus;<br />
er findet seinen Ausflus in verborgenen Bergkliften, und<br />
Gott weis, wo dieses Wasser wieder zum Vors<strong>ch</strong>in komt.<br />
Auf ru<strong>ch</strong>en Kalkblaten mit mageren Begrasunaen ae-<br />
Engten wir auf den Höhe-Paß Paßhöhe) der Gemi.<br />
Wirkli<strong>ch</strong> überras<strong>ch</strong>end ist diese Aussi<strong>ch</strong>t; wohl etwas bes<strong>ch</strong>renkt<br />
dur<strong>ch</strong> die Nebel, zeigte si<strong>ch</strong> die südli<strong>ch</strong>e Bergkette<br />
des Wamserlandes, wehrend das Leukerbad in einer fur<strong>ch</strong>tbaren<br />
Tiefe vor unsren Augen lag, und zuglei<strong>ch</strong> Reisende,<br />
theus auf Maultieren, theils Fusgenger, den Felstobel<br />
heranklimten und athemlos zu unsren Füßen auf dem<br />
Höheneins<strong>ch</strong>nitt anlangten, wehrend wir die Augen na<strong>ch</strong><br />
allen vier Siten drähten und die große S<strong>ch</strong>öpfung Gottes<br />
ehrfur<strong>ch</strong>tsvol angaften. Der Weg hinunter in's Bad ist<br />
bald dur<strong>ch</strong> die Natur und au<strong>ch</strong> bald dur<strong>ch</strong> Mens<strong>ch</strong>enkunft<br />
so wit gebra<strong>ch</strong>t, daß er, obwohl streng, aber ni<strong>ch</strong>t ^ gefahrvoll<br />
ist, wie dieser Berg oft ges<strong>ch</strong>ildret wird; be-<br />
!) Wassers<strong>ch</strong>eide.<br />
') S<strong>ch</strong>warenba<strong>ch</strong>.
Das Leukerbad III<br />
sonders für Fusgenger fand i<strong>ch</strong> ihn ganz gefahrlos; hingegen<br />
den Berg hinunterzurüten kente ein Pferd im unginstigen<br />
Fal wohl stru<strong>ch</strong>len und stürzen.<br />
Der Ruckblick von dem Leukerbad na<strong>ch</strong> der Gemi, der<br />
mit jeder Art von Reisenden, als Rütren und Fusgengren,<br />
besetzt war, kam mir als etwas Ungewöhnli<strong>ch</strong>es und Seltsames<br />
vor; das Maultier s<strong>ch</strong>in oft mit sinem Ritter in<br />
ein Fels zu krie<strong>ch</strong>en, wehrend höher hinauf ein andres<br />
aus einem andren Fels hervorzukomen s<strong>ch</strong>in, und wo si<strong>ch</strong><br />
anderweitig ein Fusgenger einem Felsvorsprung entwand,<br />
und vorwerts zog, und wieder vers<strong>ch</strong>wand. Vom Bad<br />
bis auf die Gemi ist es wenigstens zwei Stunden.<br />
Ein kleiner Tobel trennt das Leukerbad in zwei Theile;<br />
auf dem nördli<strong>ch</strong>en Ufer stehet no<strong>ch</strong> das alte Dorf in unverändreter<br />
alter Walliser Tra<strong>ch</strong>t; hingegen auf dem südli<strong>ch</strong>en<br />
Ufer, wo die Badeinri<strong>ch</strong>tung ist, sind jetz große<br />
Hüser und prä<strong>ch</strong>tige Paläste im Bau begrifen. — Es<br />
ist hier ein reges Leben; es wimlete no<strong>ch</strong> von Badgesten<br />
jeder Art. Das Baden ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t Grottenwise, mehr einem<br />
kleinen See als einem Badkasten gli<strong>ch</strong>; der Reisende kann<br />
alles beoba<strong>ch</strong>ten; die Wibli<strong>ch</strong>en und Menli<strong>ch</strong>en sind dur<strong>ch</strong><br />
eine Breterwand getrent, do<strong>ch</strong> müsten mi<strong>ch</strong> mine Augen<br />
tüs<strong>ch</strong>en, wenn i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t wibli<strong>ch</strong>e Gesi<strong>ch</strong>ter unter den Mänren<br />
gesehen hätte. Es sitzen a<strong>ch</strong>t bis zehn in einer Grotte<br />
bisamen; i<strong>ch</strong> sähe s<strong>ch</strong>wimende Tis<strong>ch</strong>e mit Servisen umhers<strong>ch</strong>wimen,<br />
und jede Art Kurzwilen; der Badende mus<br />
gewöhnli<strong>ch</strong> 7 Stunden bliben, daher im Bad essen; daher<br />
die Tis<strong>ch</strong>e auf dem Wasser. Das Badwasser ist zimli<strong>ch</strong><br />
warm, es ru<strong>ch</strong>t gewaltig und dampft, wo es auf der Oberfle<strong>ch</strong>e<br />
ers<strong>ch</strong>int; das Wasser hat aber, wenn man es trinkt,<br />
keine andre Kust und wesentli<strong>ch</strong>e Theile als unser gemeines<br />
Brunnenwasser, wenn man es am Für gewärmt<br />
hat. — Die Gastwirte im Leukerbad mus man mehrere<br />
Mall manen, ehe selbige dem Reisenden etwas vorsetzen.<br />
Sie spre<strong>ch</strong>en eine französis<strong>ch</strong>e Batwa und s<strong>ch</strong>inen zimli<strong>ch</strong><br />
ful zu sin.<br />
Wir verließen diesen Ort, giengen entlang dem Berg,<br />
anftadt der Hauptftras na<strong>ch</strong> Leuk, na<strong>ch</strong> Albinen. Wir<br />
kamen bald an einen hohen Felsen, an dessen Fus uns<br />
etli<strong>ch</strong>e fremde Herrn begegneten, die uns diesen Weg als<br />
gefahrvol darftelten; wir ließen uns aber ni<strong>ch</strong>t abs<strong>ch</strong>recken
112 Das Rhonethal. Übers<strong>ch</strong>wemmung von 1846<br />
und erklimten diesen Weg, der mittelst Leitren von einem<br />
Felsvorsprung auf den andren in Verbindung stehet. Die<br />
unsi<strong>ch</strong>ere Stelle mag cirka 300 Fus ho<strong>ch</strong> sin. Wir gelangten<br />
wirkli<strong>ch</strong> über Albinen, ist ein geringes Bergdorf;<br />
hier hat man an der Natur no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts verpfus<strong>ch</strong>t; die<br />
Bienstöck sind aus ausgehöhlten runden Ler<strong>ch</strong>en-Trömel;<br />
der stotzige Boden ist mit Roggen gebaut und ist ihre Hauptnahrung;<br />
den Dünger lassen sie dur<strong>ch</strong> die Gassen laufen.<br />
Die Stadt Leuk ist auf einem hervorstehenden Felsvorsprung,<br />
auf der nördli<strong>ch</strong>en Site des Rotten (N. B.<br />
Rodan); ist ein zimli<strong>ch</strong>er Flecken. Dieser Flecken s<strong>ch</strong>int<br />
ni<strong>ch</strong>t von gestern entstanden zu sin, denn sine alten Gebäude,<br />
besonders der Hypothekenbewahrer, s<strong>ch</strong>int von dem<br />
ältesten Alterthum zu zügen. Hier ist kein Verkehr; i<strong>ch</strong><br />
sah ni<strong>ch</strong>t einmal einen Tu<strong>ch</strong>laden.<br />
Wir gelangten von da auf die Simplonstraße vermittelst<br />
einer hölzernen Brücke, über den Rotten, merkwürdig<br />
wegen sinem wilden Daherrus<strong>ch</strong>en und wilden Ausbrü<strong>ch</strong>en.<br />
Der Thalgrund zwis<strong>ch</strong>en Susten, ein kleiner<br />
Willer, und Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> (Visp), eine Strecke von vier<br />
Stunden, ist eine Wüstem; nur das Dorf Turtmann ist<br />
an einem Bergabhang und etwas Grün; das übrige (ist)<br />
mit Widen und wildem Gestrü<strong>ch</strong> besetzt. Mais, Türkenkorn,<br />
die sehr groß und s<strong>ch</strong>ön sind, nebst etli<strong>ch</strong>en Kartoflen<br />
und Hanf ist no<strong>ch</strong> das einzige Erzügnis dieses unglickli<strong>ch</strong>en<br />
Bodens. Nur etli<strong>ch</strong>e Mutterpferde mit ihren<br />
Fohlen und etli<strong>ch</strong>e magere Kühe erblickten wir, die da<br />
weideten und die Lis<strong>ch</strong>enrohr aus dem bemosten Boden<br />
hervorzogen.<br />
Das Dorf Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> ist gut gebaut am Eingang des<br />
Visperthales; aber au<strong>ch</strong> hier versiert die wilde Visp, ein<br />
rißender Bergstrom; Felder, Gärten, Bäume und Hüser<br />
müßen diesem fur<strong>ch</strong>tbaren Wasser-Element unterligen. Im<br />
Jahr 1846 zerbra<strong>ch</strong> die Visp den Damm, ma<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong><br />
graden Lauf na<strong>ch</strong> Norden, dem Rotten zu; ruinierte<br />
Matten, dürre Bäume, läre S<strong>ch</strong>üren, öde Hüser sind Zügen<br />
dieses Unglicks.<br />
Bey dem Dorfe oder Stadt Leuk*) wird no<strong>ch</strong> auf der<br />
Sonsite Win gezogen; mir s<strong>ch</strong>in aber dieser Weinbau sehr<br />
* Wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>rieben für Visp.
:<br />
n<br />
/s<br />
«<br />
5-«<br />
»<br />
s.<br />
V<br />
s
Die Visp und der Rotten 113<br />
verna<strong>ch</strong>läßiget, denn die Stöcke werden ni<strong>ch</strong>t aufgebunden,<br />
sondern liegen unregelmeßig in den Bergabhengen wie<br />
unsre Brombeerftuden aufeinandren; daher wars<strong>ch</strong>inli<strong>ch</strong><br />
die rohe Herdkuft des Walliser Weins. Zu Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong><br />
kehrten wir im Gasthofe bey der Sonne ein; ein me<strong>ch</strong>tiges<br />
Wetter (Ungewitter) zieht über die Thäler.<br />
Äugst 14. Morgens 3 Uhr Donnren und Blitzen;<br />
unsre Reise mußte eingestellt werden wegen dem vielen<br />
Regen. Die wilde Visp drohet dur<strong>ch</strong> ihre starke Ans<strong>ch</strong>wellung<br />
den Ausbru<strong>ch</strong> zu erneuern. Zu gli<strong>ch</strong>er Zit wird<br />
gemeldet, daß die große Simplonstraße zwis<strong>ch</strong>en dem Dorfe<br />
Susten und Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> an vielen Orten unter Wasser stehe;<br />
den Pferden gehe das Wasser an den Bu<strong>ch</strong>, und für Fusgenger<br />
sei kein Dur<strong>ch</strong>kommen. Wir hatten Ursa<strong>ch</strong>, uns zu<br />
freuen, daß wir am 13. abends mit einem s<strong>ch</strong>nelläufigen<br />
lei<strong>ch</strong>ten Fuhrwerk dieser anwa<strong>ch</strong>senden Gefahr entwis<strong>ch</strong>ten<br />
und no<strong>ch</strong> in re<strong>ch</strong>ter Zeit Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> errei<strong>ch</strong>ten. Au<strong>ch</strong> komt<br />
neuer Beri<strong>ch</strong>t an, daß der Rotten ungefehr eine halbe<br />
Stunde ob Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> den Damm dur<strong>ch</strong>bro<strong>ch</strong>en und denjenigen<br />
Boden, wo im Jahr 1846 von den Fluten ist vers<strong>ch</strong>ont<br />
geblieben, no<strong>ch</strong> verwüstet und den Fliß dieser Leute<br />
vollends verstört. Es unterligt keinem Zweisel, daß in<br />
kurzen Jahren der Thalgrund im Wallis zu einer vollkommenen<br />
Wüfteny umgewandelt wird; ^ein^ ri<strong>ch</strong>tiger Beoba<strong>ch</strong>ter,<br />
der dur<strong>ch</strong> das Wallis reiset, wird finden, daß<br />
dur<strong>ch</strong> das mors<strong>ch</strong>e Verfallen der Walliser Ho<strong>ch</strong>gebürge und<br />
Verfallen derselben die Thal- und Sitenbä<strong>ch</strong>e so viel<br />
Steine, Grien und Geröl in den Rotten führen, daß in<br />
dessen niedriger Lage der Morast liegen bleibt und diejenigen<br />
Stellen, wo no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t verwüstet, in Zit zehen<br />
Jahren verwüstet sin werden. Der im Thalgrund wohnende<br />
Walliser wird wohl thun, wenn er si<strong>ch</strong> in re<strong>ch</strong>ter Zit um<br />
eine andre Heimat umsihet und diesen unglickli<strong>ch</strong>en Boden<br />
verläßt.<br />
Als das Wetter etwas besser geworden, besahen wir<br />
den Flecken Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong>. Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> ist gut gebaut, hat zwei<br />
große Kir<strong>ch</strong>en, hohe Hüser, dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nittli<strong>ch</strong> vier Stock ho<strong>ch</strong>.<br />
Zu unsrer Freude trafen wir hier den Gebirgszei<strong>ch</strong>ner<br />
G. Studer und H. Professor Ulri<strong>ch</strong> von Züri<strong>ch</strong> an;<br />
das stürmis<strong>ch</strong>e Wetter hatte sie aus den Ho<strong>ch</strong>gebürgen<br />
hinunter getriben. Hier in Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> ist aber kein reges<br />
v. Wetßenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>. 8
114 Dur<strong>ch</strong>s Nikolaital<br />
Leben; die Gassen mens<strong>ch</strong>enlär, voll Mist und Morast, das<br />
den Walliser Flecken und Dörfren s<strong>ch</strong>int angethan zu sin;<br />
der fremde Reisende thut rvol, wenn er die überstrümvs<br />
ni<strong>ch</strong>t vergißt.<br />
Um vier Uhr verließen wir unsre Herberg, mars<strong>ch</strong>ierten<br />
wirkli<strong>ch</strong> das Thal einwerts. Der Eingang in das<br />
Thal ist ganz eng, zieht si<strong>ch</strong> ganz na<strong>ch</strong> Süden, Sardinien<br />
zu. Am Eingang des Thals finden wir große Nusbäume;<br />
au<strong>ch</strong> wird hier Win gebaut, oder vilmehr wild gezogen.<br />
Wenn man diesen Windau von ferne stehet, so s<strong>ch</strong>mt es<br />
wildes Geftrü<strong>ch</strong> zu sin; die Rebe dreht si<strong>ch</strong> über wilde<br />
Felswinde (?), wo mitunter au<strong>ch</strong> Reckholdergestrü<strong>ch</strong> und<br />
wilde Bir<strong>ch</strong>en wa<strong>ch</strong>sen, hinauf und haltet si<strong>ch</strong> an vergli<strong>ch</strong>en<br />
Geftrü<strong>ch</strong> fest und hilft so mit der Natur na<strong>ch</strong>, was<br />
der Mens<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Trägheit verna<strong>ch</strong>leßiget.<br />
Wenn man thal einwerts komt, so verengt si<strong>ch</strong> das<br />
Thal allmelig; gringe Hüser und Spi<strong>ch</strong>er, wel<strong>ch</strong>e einzeln<br />
hm und wieder stehen, sind si<strong>ch</strong>tbar. Das Dorf Erben<br />
(Erb) mag cirka zwei Stunden linker Hand auf einem<br />
Bergrücken ligen. Das Dorf Stalden ligt zwei Stunden<br />
hinter Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> auf einem Felsvorsprung; hier theilt si<strong>ch</strong><br />
das Thal, das linke führt na<strong>ch</strong> Saaß und das re<strong>ch</strong>te na<strong>ch</strong><br />
Sermat. Der Kaplan besorgt auf Stalden die Wirts<strong>ch</strong>aft.<br />
Der Weg ist sehr s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t, in einem engen Tobel eingeengt<br />
an meisten Orten 2V- S<strong>ch</strong>uh breit; au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong><br />
Stemstürze und Rüts<strong>ch</strong>e und Waldbä<strong>ch</strong>e war der Weg<br />
bes<strong>ch</strong>ediget. Wern wir ein wenig for<strong>ch</strong>tsam gewesen, so<br />
haten wir umgekehrt. Wir kamen abends 8 Uhr in St.<br />
NMausen an, kehrten im Gasthof Bunderkeil ein und<br />
wurden gastfreundli<strong>ch</strong> und gut beherberget. Dieses Velklin<br />
?st no<strong>ch</strong> rein Wallis<strong>ch</strong>er Sitte, ist aufri<strong>ch</strong>tig und offenherzig;<br />
die ganze Thals<strong>ch</strong>aft haltet ungefehr 1400 Seelen; das<br />
Velklin lebt von Rindvi<strong>ch</strong>- und S<strong>ch</strong>afzu<strong>ch</strong>t, au<strong>ch</strong> wird bis<br />
ho<strong>ch</strong> in's Gebürge Roggen gebaut; man fi<strong>ch</strong>t Korenäker<br />
auf Felsvorsprüngen thalwerts hinein, daß es uns wunderbar<br />
s<strong>ch</strong>ien, wie die Mens<strong>ch</strong>en dahin kamen.<br />
Äugst 15. Donstag den 15ten wieder Regen und S<strong>ch</strong>nee<br />
im Ho<strong>ch</strong>gebürge. Es war Firtag und lütete zur Kir<strong>ch</strong>e;<br />
um 11 Uhr gieng der Gottesdienst zu Ende. Was die<br />
ältere Mennerklasse betrist, ers<strong>ch</strong>in (sie) in ihren groben<br />
buntbrunen Kitlen, hingegen miwnter sahen wir au<strong>ch</strong>
St. Niklaus, Rauda, Täs<strong>ch</strong> 115<br />
junge Burs<strong>ch</strong>e stolz dahers<strong>ch</strong>riten, wel<strong>ch</strong>e ihre altertümli<strong>ch</strong>e<br />
Kleidungstra<strong>ch</strong>t verlassen haten und fremde Tü<strong>ch</strong>er trugen;<br />
au<strong>ch</strong> das s<strong>ch</strong>öne Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>int ihre groben Kutten abzus<strong>ch</strong>affen.<br />
Ihre Spra<strong>ch</strong>e fand i<strong>ch</strong> etwas angenehmer als<br />
(die) der im Thalgrund wohnenden Walliser; sie bru<strong>ch</strong>en<br />
mehr lutstimmende Vokalen, daher klingt sie angenehmer.<br />
Um 11 Uhr verließen wir St. Klausen. Der Weg führt<br />
der wilden Visp entlang einwärts, wel<strong>ch</strong>e in einem tiefen<br />
Tobel wild daher rus<strong>ch</strong>t, si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>umend um die in ihrem<br />
Bette si<strong>ch</strong> befindli<strong>ch</strong>en großen Felsblöke windet und alles,<br />
was bewegli<strong>ch</strong> ist, na<strong>ch</strong> Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> führet. Wir fanden<br />
no<strong>ch</strong> eine Stunde hinter St. Klausen Kirs<strong>ch</strong>bäume, aber<br />
nur mehr gestrü<strong>ch</strong>artig, die hö<strong>ch</strong>sten 15 und 20 Fus ho<strong>ch</strong>.<br />
So wie man das Thal einwerts gehet, findet man an<br />
dem re<strong>ch</strong>ten Ufer der Visp und (am) Bergabhang die<br />
pre<strong>ch</strong>tigsten Bir<strong>ch</strong>enwelder und zur Linken me<strong>ch</strong>tige Ler<strong>ch</strong>enwelder.<br />
Es ist au<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> kein Comers und Verkehr<br />
aus einem Dorf in das andre; Stunden wit begegnete<br />
uns kein Mens<strong>ch</strong>. Es ist man<strong>ch</strong>mal s<strong>ch</strong>wer, den re<strong>ch</strong>ten<br />
Weg zu erfors<strong>ch</strong>en, denn wohl trift man vile Eruzefire<br />
an, aber kein Wegwiser; der Reisende komt ni<strong>ch</strong>t selten<br />
in Fal, daß es ihm s<strong>ch</strong>wer wird si<strong>ch</strong> zure<strong>ch</strong>t zu finden.<br />
Wir wandleten den einsamen Weg vorwerts, und ob si<strong>ch</strong><br />
s<strong>ch</strong>on das Auge an den fris<strong>ch</strong> auftu<strong>ch</strong>enden Naturgegenständen<br />
oft erquiken kan, so ma<strong>ch</strong>t do<strong>ch</strong> die mens<strong>ch</strong>enlere<br />
Gegend oft lange Weille, daß wir oft Gesprä<strong>ch</strong>e hervorsu<strong>ch</strong>en,<br />
um selbe zu verkürzen. Das Dorf Randen (Randa)<br />
liegt zwei starke Stunden hinter St. Klausen anmutig<br />
an einem grünen Bergabhang. Die Hüser sind gewöhnli<strong>ch</strong><br />
vier Stok ho<strong>ch</strong>, wel<strong>ch</strong>e Bauart dem Wallis ganz eigen<br />
ist. Eine s<strong>ch</strong>öne Kir<strong>ch</strong>e ist hier. Der Pfahrher, bey dem<br />
wir einkehrten, besorgt die Wirths<strong>ch</strong>aft; der Reisende kan<br />
hier eine gute Flas<strong>ch</strong>e Mus<strong>ch</strong>giteller und alten Walliser-<br />
Käs haben, der voll Milben ist. Aussi<strong>ch</strong>t ist auf beiden<br />
Siten keine; me<strong>ch</strong>tige Felsvorsprünge verdecken re<strong>ch</strong>ts und<br />
links die Aussi<strong>ch</strong>t. Diese Felsvorsprünge sind oft 1000 Fus<br />
ho<strong>ch</strong>, wo dann erst auf deren Rücken Bergdörfer ers<strong>ch</strong>inen,<br />
die oft3bis4Stund vom Thalgrund aufwärts ligen. Von da<br />
kamen wir auf Täs<strong>ch</strong>, auf der linken Site am Bergabhang der<br />
Visp ; hat ein zimli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>öne Kir<strong>ch</strong>e, stehet auf einem alten<br />
Bergruts<strong>ch</strong>. Au<strong>ch</strong> hier hat die Visp den Thalgrund überführt.
116<br />
Das alte Zermatt<br />
Der Weg na<strong>ch</strong> Sermat führet dur<strong>ch</strong> dike Ler<strong>ch</strong>welder;<br />
eine hölzerne Brüte führet von der lenken Site über einen<br />
wohl 300 Fus tiefen Tobel auf das re<strong>ch</strong>te Ufer Hinuber.<br />
Bald fi<strong>ch</strong>t man das Dorf Sermat; stehet an dem Fuße<br />
des Kühbergs. S<strong>ch</strong>öne grüne Matten zieren diese Gegend<br />
und sind bis jetz von der Visp vers<strong>ch</strong>ont geblieben. Der<br />
dasige Gastgeber, Joseph Lauber, ist Gastwirth, aber in<br />
Warheit ein wunderli<strong>ch</strong>er Mann. Aus siner Wohnstube<br />
hinauf in die Kü<strong>ch</strong>e ist eine Stege angebra<strong>ch</strong>t; i<strong>ch</strong> sähe<br />
den Wirth blos zuwilen den Kopf dur<strong>ch</strong> das angebra<strong>ch</strong>te<br />
Lo<strong>ch</strong> hinauf in die Ku<strong>ch</strong>i steken; nur ein mal, als er aus<br />
der Kü<strong>ch</strong>e zurük kam, hatten wir die Ehre, den Wirth<br />
ganz zu sehen. Im übrigen war die Wirts<strong>ch</strong>aft langwilig,<br />
aber do<strong>ch</strong> suber und reinli<strong>ch</strong>; überhaupt kan man<br />
den Walliser-Wirtshüsren die Unreinli<strong>ch</strong>keit ni<strong>ch</strong>t mehr<br />
vorwerfen, wofür sie in frühren Ziten sind bes<strong>ch</strong>uldiget<br />
worden; do<strong>ch</strong> wit entfernt der nördli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>wiz und<br />
der Berner Oberlender. Die Gassen in Sermat sind, wie<br />
in andren Dörfren, voll Koth; das s<strong>ch</strong>öne Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t, wo<br />
eben zur Kir<strong>ch</strong>e zog, mußte, um ni<strong>ch</strong>t ihre Kuten zu bes<strong>ch</strong>muzen,<br />
dieselben emporheben, daß die Knie hervorguckten.<br />
Die Hüser in Sermat find mit s<strong>ch</strong>önen Granit-<br />
Blaten gedekt; s<strong>ch</strong>ade, daß die Gassen ni<strong>ch</strong>t damit belegt<br />
sind! Die Ofen sind von Gültstein, wo jede Gegend im<br />
Uberflus hat. Re<strong>ch</strong>ts und lenks ist von Sermat die Aussi<strong>ch</strong>t<br />
bes<strong>ch</strong>renkt; blos erblikt man Thal einwerts bei gutem<br />
Wetter das me<strong>ch</strong>tige Matterhoren, mehr auf der re<strong>ch</strong>ten<br />
Site, wohingegen der Rifelberg die hohen Wipfel der<br />
Südost ligenden Montrose verdekt.<br />
Wenn ein Reisender überhaupt die obenligenden Regionen<br />
erfors<strong>ch</strong>en wil, besonders auf den südli<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>gebirgen<br />
(Walliseralpen), so mus er gli<strong>ch</strong> die hervorstehenden<br />
Felsabsätze und Bergrüken erstigen, um in die<br />
Geheimnisse der Glets<strong>ch</strong>erwelt zu sehen; denn immer verdeken<br />
im Thalgrunde die uberhangenden Felsvorsprünge<br />
dem Reisenden die s<strong>ch</strong>öne Aussi<strong>ch</strong>t. — Es gibt hier Gemsen<br />
und Murmelthier, erstre in kleiner Zahl. Da das Thal<br />
den wilden Bergbä<strong>ch</strong>en allzu sehr unterworfen ist, so sind<br />
au<strong>ch</strong> die Thalbewohner erfindris<strong>ch</strong>, Verbindungs-Brüken<br />
ab dem einen Ufer auf das andere zu ma<strong>ch</strong>en. Es werden<br />
auf beiden Ufren s<strong>ch</strong>were Holzblöke hinausgestoßen« die
Vorrücken des Gornerglets<strong>ch</strong>ers. Das Hörnli 11/<br />
mehrere Fus über das Wasser ligen; am Rand werden<br />
sol<strong>ch</strong>e mit s<strong>ch</strong>weren Steinen belegt, und erst auf diesen<br />
S<strong>ch</strong>ipfen wird die Brük angesetzt, wel<strong>ch</strong>es die Traghölzer<br />
der Brük sehr verkürzt.<br />
Äugst 16. Immer Regen und im Ho<strong>ch</strong>gebürge S<strong>ch</strong>nee.<br />
Wir ma<strong>ch</strong>ten, für die lange Weile zu vertriben, ein Ausflug<br />
in die nahen Umgebungen von Sermat, Dorf einwerts.<br />
Wir stießen auf die kleinen Dörfer Winkelmat und<br />
Zum See; in beiden Dörfren sind Kapellen. Der Gorner<br />
Glets<strong>ch</strong>er, eine halbe Stunde hinter See, ma<strong>ch</strong>t gewaltige<br />
Forts<strong>ch</strong>rite; dur<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>re Na<strong>ch</strong>ri<strong>ch</strong>ten vernahmen wir,<br />
daß sit 20 bis 30 Jahren zwanzig bis drißig Gebäude<br />
theils verstört, theils abgebro<strong>ch</strong>en werden mußten. Wir<br />
fanden ein Vorsäshuslin, das 6 Fus von der aufgeworfenen<br />
Glets<strong>ch</strong>er-Gand') auf einem grünen Rasen stehet<br />
und da sin Verstörung abwartet. Der Glets<strong>ch</strong>er wühlt sine<br />
wilde Gand dur<strong>ch</strong> die s<strong>ch</strong>önen Matten, Boden genant,<br />
vorwerts; im Gandgeröl fanden wir Durmelin, Serpatin,<br />
au<strong>ch</strong> Stralsteine 2).<br />
Äugst 17. Morgens abermal Regen, do<strong>ch</strong> um 9 Uhr<br />
zogen die Wolken etwas auf. Um ni<strong>ch</strong>t ganz still zu<br />
bleiben, ma<strong>ch</strong>ten wir eine Reise auf das Hörnerlin<br />
(Hörnli); ist ein Vorsprung vom Matterhoren. Wir mars<strong>ch</strong>ierten<br />
den Galen hinauf zu dem S<strong>ch</strong>warzen See; es<br />
ist ein klein Bergbeken oder Kessel; es stehet eine Kapelle<br />
dabei. Wenn es zu lang troken ist, so ma<strong>ch</strong>en die Thalbewohner<br />
eine Prozession dahin, von den Göttren Regen<br />
zu erbiten; hingegen wenn es zu lang s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t Wetter<br />
ma<strong>ch</strong>t, so geht die Prozession auf die Höhe von Findelen,<br />
wo ebenfals eine Kapelle stehet; ist ein trokener Bergrüken,<br />
um die Götter um trokenes Wetter anzuflehen. —<br />
Der Galen ist eine zwar s<strong>ch</strong>öne, aber magere Vi<strong>ch</strong>alp;<br />
lenker Hand führt der Dur<strong>ch</strong>paß über das Matterjo<strong>ch</strong>,<br />
au<strong>ch</strong> Tutul (Theodul)-Paß genant, wo der Glets<strong>ch</strong>er einen<br />
zimli<strong>ch</strong>en Eins<strong>ch</strong>nitt bildet, na<strong>ch</strong> Sardinien.<br />
Von der Kapelle am S<strong>ch</strong>warzen See gehet es na<strong>ch</strong><br />
das Hörnelin eine Glets<strong>ch</strong>ergand hmauf, wo eine Familie<br />
Murmelthier huset. Au<strong>ch</strong> stießen wir auf die Fährte von<br />
Berghühnren und Hasen. Regen, mit S<strong>ch</strong>nee vermis<strong>ch</strong>t,<br />
') Moräne. ") Kristalle.
118 Matterhorn und Monterosa<br />
begrüßte uns auf dem Hörnelin; do<strong>ch</strong> gegen Morgen sahen<br />
wir mitunter (unter) dem Nebel die Sonne dur<strong>ch</strong>bliken,<br />
wo wir die Höhen de Magane (Macugnaga) und Wißthor<br />
erblikten; au<strong>ch</strong> sahen wir miten unter Nebel die<br />
Fusgeftelle der zwei Riesen, als namentli<strong>ch</strong> Monterose in<br />
zimli<strong>ch</strong>er Entfernung grad gegen Morgen, wo hingegen<br />
das Matterhoren grad zu unsren Füßen aus dem Glets<strong>ch</strong>ermeer<br />
auftau<strong>ch</strong>te; aber Nebel verdekte ihre Häupter, die<br />
sie jez s<strong>ch</strong>on a<strong>ch</strong>t Tage vor dem Reisenden verbargen. —<br />
Wir legten no<strong>ch</strong> einige Steine auf die da gemureten<br />
Männer und verließen traurig diesen Ort, daß es uns<br />
für unsre Mühe so wenig Aussi<strong>ch</strong>t gewehrte.<br />
Äugst 18. Sonntag. Jez war das Wetter s<strong>ch</strong>ön. Das<br />
Matterhoren, der me<strong>ch</strong>tige Riese, war der erste Gegenstand,<br />
wo mir in die Augen fiel und wel<strong>ch</strong>es wir zum ersten<br />
mal in vollkomener Gestalt erblikten. Sine oberste Spize<br />
ma<strong>ch</strong>t einen wilden Girens<strong>ch</strong>nabel oder Adlers<strong>ch</strong>nabel na<strong>ch</strong><br />
Morgen und si<strong>ch</strong>t stolz auf seine Na<strong>ch</strong>baren hinunter.<br />
Nur die wilde Monterose s<strong>ch</strong>int ihr etwas Respekt einzuflößen,<br />
indem selbe etli<strong>ch</strong>e Fus höher, letztere aber, da<br />
erstere unersteigbar, den Stolz wohl mit Re<strong>ch</strong>t behalten<br />
mag.<br />
Am 18. na<strong>ch</strong>mittags begaben wir uns na<strong>ch</strong> die Augftgum<br />
(Riffelalp); zwei Walliser, als namentli<strong>ch</strong> Joseph<br />
Wels<strong>ch</strong>en und Joseph Zdrugwald, wollten uns über den<br />
Höhepaß de Wisthor führen. Wir legten unsres Gepeke<br />
ab in einer kleinen, aber re<strong>ch</strong>t suberen Alpenhüte.<br />
I<strong>ch</strong> gieng mit meinem Herrn hinauf zu dem<br />
Rüfenhoren (Risfelhorn), ligt zwo Stunden ob Augstgum;<br />
hier erblikten wir die Monterose in aller ihrer Pra<strong>ch</strong>t,<br />
denn eben warf die Abendsonne, die si<strong>ch</strong> zu neigen begann,<br />
die goldenen Stralen an ihre Spitzen. I<strong>ch</strong> vergli<strong>ch</strong>e<br />
sie einem großen politis<strong>ch</strong>en König, wo sine Minister und<br />
Hofgesinde oft mehr Staat ma<strong>ch</strong>en als der König selbst.<br />
Wenn man sin Hofgesinde um sie herum sihet, als namentli<strong>ch</strong><br />
Breithoren, die zwei Zwillinge, die Montblans<strong>ch</strong><br />
(Dent Blan<strong>ch</strong>e), so bedarf es einen s<strong>ch</strong>arfen Auges, die<br />
hö<strong>ch</strong>ste Spize heraus zufinden; denn lie<strong>ch</strong>t kann einer von<br />
diesen Gipflen für die Monterose selbst angesehen werden.<br />
Au<strong>ch</strong> zeigt si<strong>ch</strong> die Montrose auf der nördli<strong>ch</strong>en Site ni<strong>ch</strong>t<br />
so me<strong>ch</strong>tig, was sie wirkli<strong>ch</strong> ist, denn das nördli<strong>ch</strong>e Fus-
Aufstieg zum Weißtor. Ein fur<strong>ch</strong>tbarer Abgrund Hg<br />
gestel falt nur langsam ab. I<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>te eine kleine<br />
Zei<strong>ch</strong>nung über die nördli<strong>ch</strong>e Site, und begaben uns<br />
wieder hinunter in die Augstgum, roo uns unsre<br />
Führer erwarteten. Zuglei<strong>ch</strong> war ein dikbeiniges Walliser<br />
Mäd<strong>ch</strong>en unsre Wirthe. Wir s<strong>ch</strong>lüpften bald in<br />
das nasse Futter.<br />
Äugst 19. Morgens um zwei Uhr kro<strong>ch</strong>en wir hervor,<br />
und ras<strong>ch</strong> gieng es dem Rifilihoren zu. Als wir hinter<br />
das Rifelhoren kamen, so zeigte si<strong>ch</strong> m der Morgendämrung<br />
die Montrose mit ihren s<strong>ch</strong>arfen Kanten gespensterartig.<br />
Bald enthülte si<strong>ch</strong> das blendende Wiß, und an<br />
dessen Stelle trat die goldene Morgensonne, die wir an<br />
der Montrosa etli<strong>ch</strong>e Sekunden s<strong>ch</strong>neller erbliken als am<br />
Matterhoren. Zugli<strong>ch</strong> zeigten si<strong>ch</strong> an dem Himelsgewelbe<br />
harte Wassers<strong>ch</strong>upen in so finen Regenbogenfarben und<br />
m so vilartigen Farben, die der s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>e Sterbli<strong>ch</strong>e<br />
ni<strong>ch</strong>t zu s<strong>ch</strong>ildren vermag. Wir eilten dem S<strong>ch</strong>afberg<br />
entlang, dem Gornen-Glets<strong>ch</strong>er re<strong>ch</strong>ter Hand vorwerts;<br />
bald betraten wir den me<strong>ch</strong>tigen Gornen-Glets<strong>ch</strong>er. Ein<br />
s<strong>ch</strong>önres Glets<strong>ch</strong>erfeld um das andre, das nur binahe unvermerkt<br />
aufstigt und si<strong>ch</strong> dem Höhepaß Wisthor zuzieht,<br />
nam uns auf, und wir stöbreten s<strong>ch</strong>nelfüßig gefahrlos<br />
unsrer Bestimmung vorwerts. Zu der Re<strong>ch</strong>ten haten wir<br />
s<strong>ch</strong>öne, pre<strong>ch</strong>tige abgerundete S<strong>ch</strong>nehubel und den Nordspiz<br />
der Montrose, und zur Lenken das me<strong>ch</strong>tige Stralhoren<br />
in sinem ewigen Winterkleid. Seltene Insekten,<br />
als namentli<strong>ch</strong> Na<strong>ch</strong>tvögel, die hin und wider auf dem<br />
Firen erftart lagen, ließen uns erraten, daß diese von<br />
der südli<strong>ch</strong>en Site herkomen und wir uns dem südli<strong>ch</strong>en<br />
Theile nahe befinden. Auf einmal stehen unsre Walliser,<br />
die vorausgiengen, still, und wir stehen auf<br />
einem for<strong>ch</strong>tbaren Abgrund: zu unsren Füßen, wohl<br />
10,000 Fus tief, Macugnaga, vor unsren Augen das<br />
ferne Jtallien mit S<strong>ch</strong>afwolken verdekt, wo in näheren<br />
Umgebungen die Berge von Macugnaga gespensterartig<br />
ers<strong>ch</strong>inen.<br />
Der Joseph Zrugwald wolte behaupten, er habe hier<br />
auf einer Gemsenjagd vor ungefehr a<strong>ch</strong>t Jahren einen<br />
näheren Ubergang gefunden; er kletrete von einem Felsvorsprung<br />
in dieser s<strong>ch</strong>windlenden Höhe, von einem Absatz<br />
auf den andren und wolte dieses erzwingen. Wir selbst
120 Abstieg. Lawinengefahr<br />
fors<strong>ch</strong>ten underdessen mit spehendem Blike eben na<strong>ch</strong> einem<br />
Ausgang; aber wie mehr wir untersu<strong>ch</strong>ten, wie s<strong>ch</strong>rekhafter<br />
ers<strong>ch</strong>inen die re<strong>ch</strong>ter Hand Hangenden Glets<strong>ch</strong>er an der<br />
Montrose. Der Walliser glubte si<strong>ch</strong> selbst zu tus<strong>ch</strong>en, und<br />
wir bes<strong>ch</strong>lossen, den Weg einzus<strong>ch</strong>lagen, den voriges Jahr<br />
Joseph Wels<strong>ch</strong>en einges<strong>ch</strong>lagen hatte und si<strong>ch</strong> mehr lenker<br />
Hand um einen abgerundeten S<strong>ch</strong>neehubel zog. Bald<br />
erblikten wir eine Felsklipe, wo Wels<strong>ch</strong>en daby stehen<br />
blib und aus einer Felsspalte ein Papier hervorkrazte,<br />
wel<strong>ch</strong>es no<strong>ch</strong> lesbar war und die Namen enthielt, wel<strong>ch</strong>e<br />
voriges Jahr dur<strong>ch</strong>gingen. Wir hatten den Glets<strong>ch</strong>er,<br />
wo na<strong>ch</strong> Saas ausmündet, zur Lenken, und das Thal<br />
Macugnaga zur Re<strong>ch</strong>ten, wel<strong>ch</strong>e hier mit (von) einem s<strong>ch</strong>wenden<br />
Firengrat ges<strong>ch</strong>eiden sind, (der) folgli<strong>ch</strong> dem neuen<br />
S<strong>ch</strong>nee ganz ausgespizt war. Wir mußten diese Firen-<br />
Kanten ubergehen. Wir namen das Seil zur Hand;<br />
zum Glik war der Firen ganz milt (wei<strong>ch</strong>), und wir kamen<br />
ohne S<strong>ch</strong>wirigkeit zu einem abgerundeten S<strong>ch</strong>neehubel,<br />
wel<strong>ch</strong>er mußte umgangen werden, wo aber albereit eine<br />
S<strong>ch</strong>neelaui (Lawine) abges<strong>ch</strong>oßen war. Wir mußten besorgen,<br />
wenn wir die harte Rinde des S<strong>ch</strong>nees dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>riten,<br />
daß wir die S<strong>ch</strong>neelaui antreten würden; die<br />
Rinde war aber an meisten Orten loker, und wir kamen<br />
glikli<strong>ch</strong> Hinuber und entwi<strong>ch</strong>en einer Gefahr, wo am meisten<br />
Gemsenjeger in Tod gehen, namentli<strong>ch</strong> wenn man<br />
?.?"S<strong>ch</strong>nee dur<strong>ch</strong>gehet. Wir ließen uns bald auf die<br />
dur<strong>ch</strong> ein zerklifteten Kegel hinunter. Die<br />
südli<strong>ch</strong>e Sonnenhize erwei<strong>ch</strong>te unter dieser Zeit den S<strong>ch</strong>nee,<br />
"auinen massenwis von den Hangenden Glets<strong>ch</strong>ren<br />
der Montrosa ins Thal na<strong>ch</strong> Macugnaga stürzten, — wirkli<strong>ch</strong><br />
keine beliebige (angenehme) Vorboten, denn es war<br />
bald ersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>, daß wir viele Laui-S<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>ten ubers<strong>ch</strong>riten<br />
müßten, um in's Thal zu gelangen. Wels<strong>ch</strong>en sprang<br />
voraus, um der Laui-Gefahr s<strong>ch</strong>nel zu entwi<strong>ch</strong>en, wehrend<br />
l<strong>ch</strong> und Zrugwald mit dem Herrn langsam na<strong>ch</strong>kamen,<br />
denn der S<strong>ch</strong>nee war so wei<strong>ch</strong>, daß wir oft bis zum<br />
Nabel im S<strong>ch</strong>nee stekten. Der Walliser stuzte oftmal,<br />
wenn ein fris<strong>ch</strong>er Lowe-Tobel zu ubers<strong>ch</strong>riten war; i<strong>ch</strong><br />
gab ihm Muth, „wir wollen do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ewig leben," und<br />
der Herr la<strong>ch</strong>te sorgenfri über unsrem Gesprä<strong>ch</strong>. Und so<br />
kamen wir endli<strong>ch</strong> auf den grünen Rasen, wo wir uns
Macugnaga 121<br />
ausstrekten und den gefahrvollen Weg, wo wir eben zurukgelegt<br />
haten, mit einem dankbaren Süfzer für Gottes<br />
S<strong>ch</strong>uz zurukgaften.<br />
Wir tranken hier unsren roten Win, wurden munter<br />
und hüpften freudig die grünen Grasabhenge dem Dorfe<br />
Magana zu. Die Senhüten, auf die wir stießen, sind<br />
aus Stein re<strong>ch</strong>t artig und fest gebaut, die Alpen sind<br />
feter als die im Wallis-Land, aber die Küh klein.<br />
Das Dorf Macugnaga ist in einem engen Thal; die<br />
Hüser sind aus Ler<strong>ch</strong>enholz gebaut, haben runde, in Zin befestigte<br />
S<strong>ch</strong>iben. Wir kehrten im dasigen Wirtshuse ein. Die<br />
Wirtshüser haben aber hier keine S<strong>ch</strong>ilde. Eine alte Frau,<br />
Werren genant, war unsre Gastgebrin; die Hemlisermel<br />
hiengen lang hinunter; i<strong>ch</strong> hatte immer bang, daß selbige<br />
in die Supen fallen, aber sie kamen immer darneb. Das<br />
Essen war sehr gut, au<strong>ch</strong> gute Betten; aber wir mußten<br />
au<strong>ch</strong> gut bezahlen.<br />
Magana hat dri Kir<strong>ch</strong>en; ist zwar ein kleines Dorf;<br />
aber die größten (der Kir<strong>ch</strong>en) sind ni<strong>ch</strong>t ausgema<strong>ch</strong>t, —<br />
denn bis selbige außen ausgema<strong>ch</strong>t sind, brau<strong>ch</strong>en sie dem<br />
König keine Grundstür zu bezahlen. Es wird hiermit<br />
mit dem größten Heiligthum gegen Gott und den König<br />
der greste Betrug geführt. — Die Goldbergwerke sind<br />
ein Stund tiefer dem Dorf; es wird tägli<strong>ch</strong> 60 Luder<br />
gebütet, wovon aber 50 wieder ausgegeben werden mus,<br />
namentli<strong>ch</strong> für die Kosten. — Eine me<strong>ch</strong>tige Linde bes<strong>ch</strong>attet<br />
den Kir<strong>ch</strong>hof und das Beinhus; der Geistli<strong>ch</strong>en,<br />
die gestorben, haben die Todenköpfe s<strong>ch</strong>warze Kepli auf<br />
zum Zei<strong>ch</strong>en; im wesentli<strong>ch</strong>en sah i<strong>ch</strong> an den Kno<strong>ch</strong>en<br />
kein großen Unters<strong>ch</strong>eid, ob es Geistli<strong>ch</strong>e oder Weltli<strong>ch</strong>e<br />
gewesen wären.<br />
Wir eilten dem Passe Monte Moro zu, der in<br />
Kanton Wallis führt, namentli<strong>ch</strong> (nämli<strong>ch</strong>) dur<strong>ch</strong> das<br />
Saas-Thal hinaus auf Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong>. Ein zimli<strong>ch</strong> stark ab-<br />
Hangender Bergrüken nam uns auf. Als wir ungefehr<br />
die Mitte der Höhe errei<strong>ch</strong>t hatten, ents<strong>ch</strong>leierte si<strong>ch</strong><br />
die Montrose einige Augenblike von den Nebelwolken<br />
und zeigte die Südseite in einem Ganzen in siner ni<strong>ch</strong>tigen<br />
Gestalt.<br />
Ehrfur<strong>ch</strong>tsvoll sahen wir diesen Risen an. Sin ni<strong>ch</strong>tiges<br />
Fusgestel setzt sie den Na<strong>ch</strong>barlendren, als dem nahen
122 Monte Moro und Ostabsturz des Monterosa<br />
Sardinien wie der fernen Lombardei, auf den Raken;<br />
diese Lender s<strong>ch</strong>inen sine Sklaven zu sin; ihre größte<br />
Zehen an ihrem Fusgestel mag wohl das mittellendis<strong>ch</strong>e<br />
Meer verbergen. So wie man das me<strong>ch</strong>tige Fusgestel<br />
siner geograsis<strong>ch</strong>en Lage übersihet und ein Blik na<strong>ch</strong><br />
sinen himmelanstrebenden Firen-Piramiden ri<strong>ch</strong>tet, die si<strong>ch</strong><br />
stolz über alles Me<strong>ch</strong>tige erheben, so mag man den glikli<strong>ch</strong><br />
nennen, der die Ehre hat, auf den Kanten der Montrose<br />
ein paar Minuten zu verwilen. Die südli<strong>ch</strong>e Site<br />
ist mit Eis und ewigem Firen angepanzret; nur hin und<br />
wider ers<strong>ch</strong>inen s<strong>ch</strong>nidende Felskanten, die si<strong>ch</strong> dem Firen<br />
vonZit zuZit entwinden; denn hier exestiert ein ewiger<br />
Strit zwis<strong>ch</strong>en kalten und warmen Elementen und für<br />
Werden und Vergehen. In den hohen Regionen s<strong>ch</strong>int<br />
der S<strong>ch</strong>nee in diesen südli<strong>ch</strong>en Theilen massenwis zu fallen,<br />
wo hingegen die südli<strong>ch</strong>e Wärme die me<strong>ch</strong>tigen S<strong>ch</strong>neemassen<br />
auflöst, wel<strong>ch</strong>e in immerwehrendem Donner und<br />
Kra<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> ihrem Fundament entwinden und in me<strong>ch</strong>tigen<br />
Glets<strong>ch</strong>erlauenen hinunter in einen me<strong>ch</strong>tigen Kessel<br />
fallen, si<strong>ch</strong> da zu einem Glets<strong>ch</strong>ermeer bilden, wel<strong>ch</strong>es Alpen,<br />
Welder, Matten mit siner wilden Gand und wild hervors<strong>ch</strong>umenden<br />
Glets<strong>ch</strong>erba<strong>ch</strong> verstört und sogar dem Thale<br />
Magana den Untergang drohet.<br />
I<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>te sogli<strong>ch</strong> vom Passe Monte Moro eine kleine<br />
Zei<strong>ch</strong>nung über die südli<strong>ch</strong>e Site der Montrose; hingegen<br />
unsre Begleiter, die zween Walliser, pflikten unterdessen<br />
Heidberen.<br />
Es sind auf dem Ubergang vom Bergpasse von Monte<br />
Moro no<strong>ch</strong> Spuren vorhanden, wo weiland ein starker<br />
Bergpaß hinübergegangen; es hers<strong>ch</strong>et hier eine Volkssage,<br />
Hanibal habe hier mit einem Theil der Armee das Gebürg<br />
ubers<strong>ch</strong>riten. Me<strong>ch</strong>tige Granit-Blaten sind hin und<br />
wider mit Mens<strong>ch</strong>enhenden zusamengetis<strong>ch</strong>t, aber auf der<br />
Höhe mit ewigem Firen bedekt, daß si<strong>ch</strong> darus entnehmen<br />
läßt, daß au<strong>ch</strong> hier die Kelte des Nordens algema<strong>ch</strong> vordringt;<br />
denn die Mens<strong>ch</strong>enwerke gehen au<strong>ch</strong> auf dem südli<strong>ch</strong>en<br />
Abhang unter den ewigen Firen.<br />
Auf der Höhe Monte Moore ist ein Krüz zum Zei<strong>ch</strong>en<br />
der Grenzmar<strong>ch</strong>. Wir gelangten s<strong>ch</strong>nel thalabwerts, kamen<br />
zu einem kleinen Dorf von Senhüten, wel<strong>ch</strong>e sehr fest<br />
gebaut sind zum S<strong>ch</strong>uze der Lauenen; sie gli<strong>ch</strong>en wirkli<strong>ch</strong>
Das Saastal 123<br />
einer Art Festungswerk. Dieser Stafel haltet 180 Küh,<br />
aber magre Weid und magre Küh. Bald erblikten unr<br />
ein See, dessen Abflus von vornen herein mit einem<br />
Glets<strong>ch</strong>er verspert ist. Gegenwertig hat das Wasser unter<br />
dem Glets<strong>ch</strong>er hindur<strong>ch</strong> eine ordentli<strong>ch</strong>e Galary; wenn<br />
aber diese einmal vom Glets<strong>ch</strong>er ges<strong>ch</strong>lossen wird, so kann<br />
der See lie<strong>ch</strong>t zu einer Höhe anftigen bis 250 Fus, V? Stund<br />
lang und V-t Stund breit. Dies erinrete uns an den<br />
Ausbru<strong>ch</strong> vom Bagnethal-See. Eine 75 Jahre alte Frau,<br />
die an dem Wege saß, sagte uns: eine alte Volkssage<br />
hers<strong>ch</strong>e im Thal, daß dieser See s<strong>ch</strong>on einmal ausgebro<strong>ch</strong>en<br />
und alles, was denzumal an den Ufren angebaut gewesen,<br />
Mens<strong>ch</strong>en, Bi<strong>ch</strong> und Wiesen wegges<strong>ch</strong>wemt worden sie. —<br />
Die me<strong>ch</strong>tigen, vorges<strong>ch</strong>obenen, großen Banden und Steine<br />
zügten bald, daß diese Volkssagen reine Warheit enthalten;<br />
es unterligt keinem Zwifel, daß über kurz oder lang si<strong>ch</strong><br />
diese trurige Tragedy wider erneuret.<br />
Ab der Höhe von Monte Moore bis auf Saas ist es<br />
vier Stunden. Das Thal ist sehr eng, hat hin und wider<br />
große Holzhüser; wir erblikten ein Hus mit 60 runden<br />
Pfenftren blos von vornen, alle mit Granit-Blaten gedekt,<br />
das übrige (von) Ler<strong>ch</strong>enholz; deshalben sehen die Huser<br />
hier so s<strong>ch</strong>warz aus.<br />
Saas ist ein gutgebautes Dorf, alles von Holz, alle<br />
Hüser vier Stok ho<strong>ch</strong>. Unser Gastgeber war Joseph Mooriz,<br />
ein s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ter Bursmann. Vor drei Jahren verstörete<br />
eine Staublaui ihm ein Hus, das an dem jezigen gebaut<br />
war, tödete ihm drei Kinder; eine To<strong>ch</strong>ter wurde in das<br />
Wasser geworfen, und in Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> hervorgezogen, also<br />
in dem fur<strong>ch</strong>tbaren Tobel se<strong>ch</strong>s Stund getriben worden.<br />
— Es ist hier ni<strong>ch</strong>ts Seltenes, ab einem Ufer auf<br />
das andre Verbindungsbrüken anzutreffen von 250 bis<br />
300 Fus.<br />
Äugst 21. Dieses Wirtshus war das beste, wo unr<br />
im Wallis antrafen. Mein Herr verabs<strong>ch</strong>eidete hier unsre<br />
Wallis Führer, und wir eilten Fis<strong>ch</strong>ba<strong>ch</strong> zu. Wir aßen<br />
bi dem Sonnenwirth zu Mittag, weilten aber ni<strong>ch</strong>t lange.<br />
Der Wirth führte uns dem Fleken Brieg zu ; überall<br />
trafen wir Ausbrü<strong>ch</strong>e vom Rotten von den letzten Tagen,<br />
und was diesem übrig blieb, verwüsten die wilden Bergbä<strong>ch</strong>e,<br />
die aus den Toblen wild hervorbre<strong>ch</strong>en.
124 Das Feens<strong>ch</strong>loß zu Berisal<br />
Unsre Bestimmung war na<strong>ch</strong> Domedosela, jenseits den<br />
Alpen. Wir s<strong>ch</strong>wenkten vor Brieg der südli<strong>ch</strong>en Site zu;<br />
bald haten wir Brieg unter uns. Brig ist ein zimli<strong>ch</strong><br />
großer Fleken mit vilen Kir<strong>ch</strong>en. Auf einer Site drohet<br />
dem ganzen Fleken der Rotten den Untergang, wehrend<br />
aus einem Tobel von hinten dur<strong>ch</strong> die Thals<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>ten vom<br />
Simplon der Untergang drohet. Ein Fuspfad führte uns<br />
den Briger-Berg hinauf. Bald nam uns die me<strong>ch</strong>tige<br />
Simplonftraße auf, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> in langsamen Windungen<br />
dur<strong>ch</strong> Tobel und Bergs<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>ten empor zieht. Alle Stunden<br />
ist ein Hus, für im Fal der Noth anzuklopfen; diese<br />
Hüser sind alle mit Nr. 1. 2. 3. und so fort bezei<strong>ch</strong>net.<br />
Wir kamen abends 7 Uhr auf Persal Alp (Berisal)<br />
an, einem S<strong>ch</strong>loß ähnli<strong>ch</strong>en Gebäu. Als wir da ankamen,<br />
sahen wir uns na<strong>ch</strong> dem Wirtshauss<strong>ch</strong>ild um. Ein artiges<br />
Mäd<strong>ch</strong>en saß auf einem Bank, s<strong>ch</strong>in aber ni<strong>ch</strong>t einmal<br />
die Augen auf uns zu werfen. Wir ma<strong>ch</strong>ten uns etwas<br />
beherzter und neherten uns dem Mäd<strong>ch</strong>en und fragten<br />
na<strong>ch</strong> dem Wirtshus. Jez wurde das gute Kind ganz<br />
lie<strong>ch</strong>tfüßig, flog mit uns dur<strong>ch</strong> große Genge und führte<br />
uns in einen großen Saal; von da gieng es wieder dur<strong>ch</strong><br />
mehrere Genge, wo dem Herrn ein grün fürtapeziertes<br />
prä<strong>ch</strong>tiges Zimmer verzeigt wurde. Mit mir gieng es<br />
wider witer, dur<strong>ch</strong> mehrere Genge; — das erste Mäd<strong>ch</strong>en<br />
war vers<strong>ch</strong>wunden; ein zweites, eine große Kerze in der<br />
Hand, flog lie<strong>ch</strong>tfüßig voran. Es tu<strong>ch</strong>te by uns bald der<br />
Gedanke auf, wir befänden uns in einem der alten verwüns<strong>ch</strong>ten<br />
Feens<strong>ch</strong>lößren, denn i<strong>ch</strong> zwiflete wenigstes,<br />
minen Herrn diese Na<strong>ch</strong>t wider zu finden; das Mäd<strong>ch</strong>en<br />
ging aber so s<strong>ch</strong>nel, daß i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t Zit hate, miner<br />
For<strong>ch</strong>t re<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>zudenken, blos weis i<strong>ch</strong>, daß si<strong>ch</strong> min<br />
Har anfieng zu strüben. Das Med<strong>ch</strong>en führte mi<strong>ch</strong> in<br />
ein zimli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>önes Zimmer, hieß mi<strong>ch</strong> min Gepek ablegen<br />
; i<strong>ch</strong> hate hier aber no<strong>ch</strong> kein Blibens; das Med<strong>ch</strong>en<br />
hieß mi<strong>ch</strong> wieder folgen und führte mi<strong>ch</strong> in ein mit<br />
Gemelden verziertes Zimmer, sezte mir ein S<strong>ch</strong>open auf<br />
den Tis<strong>ch</strong>. Bald ers<strong>ch</strong>inen no<strong>ch</strong> zwei andre Med<strong>ch</strong>en; die<br />
erste sezte si<strong>ch</strong> nider, war sehr freundli<strong>ch</strong>, sagte, die Übrigen<br />
sien ihre S<strong>ch</strong>westren, und die zwei Buben, wo si<strong>ch</strong> unterdessen<br />
minem Tis<strong>ch</strong> näherten, das sigen ihre Brüder. Min<br />
For<strong>ch</strong>t vers<strong>ch</strong>wand, in einem der vorermelten S<strong>ch</strong>lößren
Die Simplonstraße ein Kaiserwerk 125<br />
zu sin, denn jedesmal, wenn der Herr zu mir oder i<strong>ch</strong><br />
zu ihm roolte, flog ein Med<strong>ch</strong>en voran mit einer Kerze,<br />
damit wir uns in den vilen Gengen ni<strong>ch</strong>t verirren. Ein<br />
pre<strong>ch</strong>tiges Na<strong>ch</strong>tessen war bei der Hand, und alles, was<br />
im Anfang unsründli<strong>ch</strong> und s<strong>ch</strong>uerli<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>in, wurde alles<br />
ganz stündli<strong>ch</strong>. Wir verzogen den Mäd<strong>ch</strong>en, daß sie uns<br />
anfengli<strong>ch</strong> so unsründli<strong>ch</strong> ansahen, denn die Reise bey dem<br />
neuen S<strong>ch</strong>nee über das Wißthor na<strong>ch</strong> Magana und dazu<br />
die südli<strong>ch</strong>e Hitze hate uns die Gesi<strong>ch</strong>ter so verbrant, daß<br />
wir mehr einem Volksstam aus Affrika gli<strong>ch</strong>en, als<br />
S<strong>ch</strong>wizren; daher als wir in den Spiegel sahen, verzogen<br />
wir den Med<strong>ch</strong>en die Unfründli<strong>ch</strong>keit.<br />
Äugst 22. Am Morgen bey Tagesanbru<strong>ch</strong> verließen<br />
wir diesen artigen Gasthof und eilten dem Hospiz zu.<br />
Die vilen Gallarien, die wir dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>riten, zeigten uns<br />
an, daß die Simplonstraße wirkli<strong>ch</strong> ein Wunderwerk ist.<br />
Zum Kloster soll no<strong>ch</strong> Napolion das erste Stokwerk gelegt<br />
haben. Sowohl das Kloster als die Straße s<strong>ch</strong>int ein<br />
Kaiserwerk zu sin. Die Klosterherrn sind sehr fründs<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Lüte; es erhaltet hier jedermann, sie er ri<strong>ch</strong> oder<br />
arm, sin standesgemeßes Essen. Geld wird von den baremherzigen<br />
Brüdren keines abgenomen; wer will, kan etwas<br />
in den Opferstok legen; derjenige Kne<strong>ch</strong>t, wo dem Fremden<br />
im Kloster alles zeigt, darf ein Ges<strong>ch</strong>enk abnehmen. Das<br />
Kloster ist sehr groß; es haltet von vornen 75 Pfenster,<br />
ist 75 S<strong>ch</strong>rite lang und 36 breit. Es enthaltet im Jnren<br />
eine sehr s<strong>ch</strong>öne Eappelle, wel<strong>ch</strong>e ri<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> ausges<strong>ch</strong>mükt ist.<br />
Im Jahr 1846 wurde dem Kloster dur<strong>ch</strong> eine Staublaue<br />
großer S<strong>ch</strong>aden zugefügt, ist aber wider alles hergestellt.<br />
Vom Kloster gehet es abwerts, anfengli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Alpen;<br />
endli<strong>ch</strong> stoßt man auf das Dorf Simplon, wel<strong>ch</strong>es no<strong>ch</strong><br />
dem Kanton Wallis gehört, ob es s<strong>ch</strong>on bedütend auf<br />
den südli<strong>ch</strong>en Abhengen hinligt. Bald nimt den Reisenden<br />
eine Felss<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>t auf, die von dem wilden Bergba<strong>ch</strong>e<br />
Wedro*) dur<strong>ch</strong>strömt wird. Dur<strong>ch</strong> einen der ni<strong>ch</strong>tigsten<br />
Tobel, den i<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> gesehen, führt die Straße dur<strong>ch</strong> mehrere<br />
Galarye. Bemerkenswert ist die 200 S<strong>ch</strong>rit lange<br />
Galary; hier s<strong>ch</strong>int, dur<strong>ch</strong> Kunst und Anstrengung haben<br />
die Mens<strong>ch</strong>en der Natur einen Dur<strong>ch</strong>paß abgetrozt, der<br />
*) Doveria.
126 Domodossola<br />
früher die südli<strong>ch</strong>en Belker von dem Verkehr der Nördli<strong>ch</strong>en<br />
trente; auf einer Site der wild s<strong>ch</strong>umende Wedroba<strong>ch</strong><br />
mit einem me<strong>ch</strong>tigen Wasserfall, zugli<strong>ch</strong> an der<br />
Mündung der Galary ein senkre<strong>ch</strong>t hinunterfallender Berzba<strong>ch</strong>.<br />
Diese Galary kan mit einem Thor vers<strong>ch</strong>loßen<br />
werden. Unstritig haben si<strong>ch</strong> zwei Element, als namentli<strong>ch</strong><br />
(nämli<strong>ch</strong>) Fels und Wasser, hier vereiniget und ein<br />
natürli<strong>ch</strong>e Festung und Bolwerk ges<strong>ch</strong>affen, um unser<br />
Vatterland vor fremden Velkren zu si<strong>ch</strong>ren; denn nur<br />
Feigherzigkeit oder Verrath kann diesen Ort gewinnen.<br />
(D. h. nur in Folge von Feigherzigkeit oder Verrat der<br />
Verteidiger kann der Ort vom Feind gewonnen werden.) —<br />
Wir eilten mit lie<strong>ch</strong>ten S<strong>ch</strong>ritten Sardinien zu. Bald<br />
errei<strong>ch</strong>ten wir das Grenzbiro; ein bes<strong>ch</strong>muzter Polizi<br />
Diener bemerkte uns: ob wir Gunterband trügen. I<strong>ch</strong><br />
warf ihm unsre Seke vor die Nase; er dur<strong>ch</strong>wühlte sie<br />
und gab uns das Zei<strong>ch</strong>en zum Einpaken; auf einem<br />
zweiten Biro mußten wir unsre Pässe laßen visieren.<br />
Jetzt gieng es wieder vorwerts. Bald zeigten die großen<br />
Köste (— Kastanien)-Welder, daß wir uns jensits der<br />
Alpen befänden. Me<strong>ch</strong>tige Felsstürze aus der Urzit, grünbelaubte<br />
Hügel und im Thale Reben zieren dieses Thal.<br />
Die Berge verlieren si<strong>ch</strong> allmelig; an (ihrem) Plaz<br />
treten nidrige Hügel hervor; das Land wird allmelig<br />
unter; wo bis dato s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Hüten, geringe Hüser waren,<br />
treten i<strong>ch</strong> pre<strong>ch</strong>tige Fleken und Stedte hervor. Bald<br />
^ Stadt Domedosala an einem Bergabhang;<br />
vor ihr ein me<strong>ch</strong>tiges Feld. In diesem Feld<br />
munden fünf Sitenthäler ihre wilden Bergbä<strong>ch</strong>e, alle von<br />
bedütender Größe, aus, wel<strong>ch</strong>e der Hauptstrom Dosa aufmmt.<br />
Diese Wasser triben hier im Thalgrunde ihr Unwesen,<br />
lassen ihre Gand ligen, und was ni<strong>ch</strong>t albereit<br />
verwüstet, gehet s<strong>ch</strong>nel dem Untergang entgegen. Die<br />
Bergabhenge sind hingegen wie ein Garten, wo alles mit<br />
südli<strong>ch</strong>em üpigem Grün bekleidet, wo hin und wider<br />
pre<strong>ch</strong>tige S<strong>ch</strong>lößer hervorragen.<br />
Zu Domedosola gelangten wir abends 8 Uhr an; wir<br />
erwndigten uns, wann die Post hinunter an Langen See<br />
führe; es hieß: morgens 2 Uhr. — Domedosela ist ein<br />
artiger Ort, an einen Bergrüken angebaut; pre<strong>ch</strong>tige<br />
Huser, s<strong>ch</strong>muzige Gassen, s<strong>ch</strong>muzige Wirthe.
Auf dem Langensee 127<br />
Um 2 Uhr morgens sezten wir uns in die Post, fuhren<br />
in finsterer Na<strong>ch</strong>t dem Langen See zu. Wir gelangten<br />
an den Flus Dosa, ist zwei mal so gros alls die Ar bey<br />
Bern; die Brüten waren s<strong>ch</strong>on im Jahr 1846 wegges<strong>ch</strong>wemt.<br />
Es ist eine Art S<strong>ch</strong>iff-Brüken erri<strong>ch</strong>tet; bald<br />
hies es, zahlen, bald hies es ausstigen; aber mein Herr<br />
merkte den Possen und wolte ni<strong>ch</strong>t immer in die Tas<strong>ch</strong>en<br />
reken. Ein Engellender sagte, er häte am Ende, wenn<br />
man ihn häte s<strong>ch</strong>lafen laßen, gerne das Doplete bezahlt.<br />
Am frühen Morgen hörte man das S<strong>ch</strong>leglen von Steinhauren<br />
an der ganzen Straß; auf dem ganzen Weg sind<br />
pre<strong>ch</strong>tige gehauene Sülen und Steingruben in Menge.<br />
Um 8 Uhr langten wir an dem Langen See an.<br />
Bald fielen uns die Paromefis<strong>ch</strong>en Jnslen in die Augen,<br />
drei an der Zahl; waren ni<strong>ch</strong>t in großer Entfernung vor<br />
uns. Die erste ist einem kleinen Fleken ähnli<strong>ch</strong>, mit<br />
me<strong>ch</strong>tigen Kastanien umgeben; die zweite befasset ein<br />
me<strong>ch</strong>tiges S<strong>ch</strong>loß, gehere einem Grafen der Lomparti an;<br />
die dritte ist mit kleinen Hüsren besetzt, wel<strong>ch</strong>e von Fis<strong>ch</strong>ren<br />
größtenteils bewohnt sind. Der See ist ni<strong>ch</strong>t gar breit;<br />
wir sahen gar dütli<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> die Lomparti Hinuber. Bald<br />
sahen wir in unter Ferne das ru<strong>ch</strong>ende Dampfs<strong>ch</strong>if Roor.<br />
Es wurde an dem Ufer alles reg ; bald nam uns ein<br />
Barke auf, wel<strong>ch</strong>es uns auf den Dampfer bra<strong>ch</strong>te. Das<br />
S<strong>ch</strong>iff war voll Mens<strong>ch</strong>en von jeder Gegend, aber vorzügli<strong>ch</strong><br />
Jtaljener ; i<strong>ch</strong> glaubte mi<strong>ch</strong> allbereit unter einen<br />
Stamm Afrikaner versezt. Alles lif verwirt auf dem<br />
S<strong>ch</strong>iff herum; die Matrosen ohne Hemd, — hat kein<br />
gutes Aussehen. Anderwertig sah i<strong>ch</strong> einen gutgekleideten<br />
Herrn; er nam zuweilen eine grafetätis<strong>ch</strong>e Stellung an.<br />
Speter nährete er si<strong>ch</strong> einem Hünerkorb; als einer der<br />
Hähnen aus dem Korbe bra<strong>ch</strong>, warf dieser Herr denselben<br />
wider hinein; bald erzeigte es si<strong>ch</strong>, daß dieser Herr ein<br />
Hünerhendler sie.<br />
Auf dem ganzen Ufer gehen immer S<strong>ch</strong>alupen zum<br />
Dampfs<strong>ch</strong>iff und oavon. Wir landeten wirkli<strong>ch</strong> an dem<br />
südli<strong>ch</strong>en Ufer; der Fleken heißt — ^Luino). Ein Kaiserli<strong>ch</strong>er<br />
Grenzpolizi diener winkte uns; unsre Pässe wurden<br />
dur<strong>ch</strong>gesehen und visiert; au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>in es, unsre Seke müßen<br />
dur<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>t werden, do<strong>ch</strong> uberblib dieses; hingegen ihren<br />
eigenden Landeslüten wurde alles dur<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>t.
128<br />
Lugano<br />
Jez gieng es im Postwagen na<strong>ch</strong> Lugano zu. Es<br />
gieng anfengli<strong>ch</strong> zimli<strong>ch</strong> stil ein Berg hinauf; als wir<br />
auf der Höhe ankamen, bra<strong>ch</strong> der Wagen, wurde aber,<br />
so gut es gehen konnte, mit einer Kette geflikt. Jez<br />
flogen die Reder s<strong>ch</strong>nel ein einsames Thal Lugano zu,<br />
wo wir abends 8 Uhr unter gewaltigen Regenströmen<br />
ankamen.<br />
Wir kehrten im Gasthof zur Krone ein. Drei Keiner<br />
erwis<strong>ch</strong>ten unsre Efekten und führten uns vile Steigen<br />
hinauf; dem Herrn wurde ein s<strong>ch</strong>önes Zimmer eingerumt.<br />
Die Böden waren reinli<strong>ch</strong> und die Tis<strong>ch</strong>e aus Marmor.<br />
Der Eßsaal ist mit Marmorsülen —; hier spisen die<br />
Jteljener zu Mittag in großen Gesells<strong>ch</strong>aften und unterhalten<br />
si<strong>ch</strong> mit einem uns lestigen Ges<strong>ch</strong>wez. Es gehet<br />
hier unter der vornehmen Klaße just wie an unsren politis<strong>ch</strong>en<br />
Einwohnergemeinden ; i<strong>ch</strong> gab dieses Ges<strong>ch</strong>wez dem<br />
starken jtalljenis<strong>ch</strong>en Win s<strong>ch</strong>uld. Das Essen war gut;<br />
auf dem Buter lag ein Stük Eis. Wenn dem Gast ein<br />
S<strong>ch</strong>üssel oder Geri<strong>ch</strong>t aufgetragen wird, so wird er gefragt,<br />
ob er mehr verlange; wer wenig Geld hat, thut wohl,<br />
wenn er das Essen vorläufig (zum voraus) mertet.<br />
Die Betten sind ungemein groß, au<strong>ch</strong> gut; ein kleiner<br />
Mann kan (quer) darüber ligen, und würde auf die Art<br />
wenig fehlen, es kente se<strong>ch</strong>s Mann fassen.<br />
Am Morgen dur<strong>ch</strong>stöbreten wir die Straßen von<br />
Lugano, wel<strong>ch</strong>e zimli<strong>ch</strong> eng und stinkend sind. Lugano<br />
hat drei zimli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>öne Kir<strong>ch</strong>en, ein gerümigen, s<strong>ch</strong>önen<br />
Landungsplaz; i<strong>ch</strong> Hehlte auf diesem vierundfünfzig Barken<br />
angebunden, ein z:mli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>önes Dampfs<strong>ch</strong>if. Aber auf<br />
diesem Plaz traf i<strong>ch</strong> die ärmste und geringste Mens<strong>ch</strong>enklaße<br />
an, die i<strong>ch</strong> je gesehen habe. Um die Umgegend<br />
etwas besser in die Augen zu fassen, begaben wir uns<br />
auf die nördli<strong>ch</strong>e Site ob der Stadt. Die ganze Gegend<br />
bietet ni<strong>ch</strong>ts anders dar als ein Garten, in wel<strong>ch</strong>em keine<br />
Ordnung hers<strong>ch</strong>et und do<strong>ch</strong> die üppigsten Boden entfaltet;<br />
es wa<strong>ch</strong>sen Mulber, Reben, Bir<strong>ch</strong>en, Haselstuden, Castanjen,<br />
alles bunt dur<strong>ch</strong>einander. Der Jttaljener trozt der Natur<br />
im geringsten ni<strong>ch</strong>ts ab ; er ligt am S<strong>ch</strong>atten und uberläßt<br />
Gott und der Natur das übrige. Wenn hier auf<br />
diesem üppigen Boden mehr Flis verwendet würde, so<br />
kenten hier 4—5 mal so viel Mens<strong>ch</strong>en leben. — Der
Bellinzona und Blegnotal 129<br />
Jttaljener ist ges<strong>ch</strong>wezig; drei Jttaljener s<strong>ch</strong>wazen mehr<br />
als zehn Düts<strong>ch</strong>e. Obs<strong>ch</strong>on die Gasthöfe s<strong>ch</strong>ön anzusehen,<br />
so enthalten sie do<strong>ch</strong> alle etwas Unsuberli<strong>ch</strong>s, denn in den<br />
ersten Gasthöfen ist in den Abtriten alle Morgen so vil<br />
Unflat, daß ein nördli<strong>ch</strong>er S<strong>ch</strong>wizer hier oft in die größte<br />
Verlegenheit verfalt. I<strong>ch</strong> bemerkte aber, daß diese Unsuberkeit<br />
ni<strong>ch</strong>t von gestern entstanden, denn in allen Abtriten<br />
ist eine zimli<strong>ch</strong>e Efnung angebra<strong>ch</strong>t, wo der Uberflus<br />
hinunterges<strong>ch</strong>oret wird.<br />
Um drei Uhr verließen wir Lugano; ein Guts<strong>ch</strong>ner<br />
wolte uns auf Belenzona führen. Uberall Eastanien<br />
Bäume mit Reben, wie oben gesagt. Um se<strong>ch</strong>s Uhr<br />
kamen wir auf ein klein Berg Metshouri (?); ungemeine<br />
Massen von Regen fielen. Bald erblikten wir den wilden<br />
Tessin wie ein s<strong>ch</strong>warzen Kohlenstrom daherrus<strong>ch</strong>en und<br />
dem Langensee zueilen; der Flus war so stark angelaufen,<br />
daß wir oft bang haten, dur<strong>ch</strong>zukomen. Abends a<strong>ch</strong>t Uhr<br />
kamen wir auf Belenzona an; bey dem Hotel Engel kehrten<br />
wir ein. Bellenzona ist ein artiger Fleken; zwo Festung,<br />
namentli<strong>ch</strong> auf Felsvorsprüngen, bestri<strong>ch</strong>en hier den Thalgrund<br />
und bes<strong>ch</strong>üzen die nördli<strong>ch</strong>en Völker vor den südli<strong>ch</strong>en<br />
Einfällen. Wir wurden in Bellenzona billi<strong>ch</strong> gehalten.<br />
Um 6 Uhr (morgens) verließen wir diese anmutige<br />
Gegend und s<strong>ch</strong>wenden dem Blegno Thal zu, wel<strong>ch</strong>es<br />
dem Luqumener-Paß zu führt. Ein pre<strong>ch</strong>tiges, a<strong>ch</strong>t Stunden<br />
langes Thal mit einem s<strong>ch</strong>önen Sträßli nahm uns auf.<br />
Mehrere pre<strong>ch</strong>tige Wasserfälle, im Thale Reben, in der<br />
Mite der Berge Wisen, höher Eastanien Welder und höher<br />
in Bergen Alpen, ma<strong>ch</strong>en dieses Thal zu einem irdis<strong>ch</strong>en<br />
Paradis. Im löten Jahrhundert *) ist hier ein Berg eingestürzt<br />
; dieser Bergsturz hemte den Lauf des Ba<strong>ch</strong>s, daß<br />
ein See darus worden; ob derselbe allgema<strong>ch</strong> abgelaufen<br />
oder verhörend hervorgebro<strong>ch</strong>en, darüber konten wir keine<br />
Kunde einziehen.<br />
Abends 7 Uhr kamen wir in Ariwohne (Olivone) an.<br />
Ein re<strong>ch</strong>t wunderli<strong>ch</strong>er Man war unsrer Wirt; als wir<br />
ankamen bey finem Hus, das kein Wirthss<strong>ch</strong>ild hate, lies<br />
er uns vorby gehen und gukte uns na<strong>ch</strong> und la<strong>ch</strong>te; do<strong>ch</strong><br />
*) 1512. Vergl. <strong>Chronik</strong> S. 7V.<br />
v. Wetßenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>. 9
130<br />
Lukmanier und Disentis<br />
als wir zuruk kamen, nam er uns stündli<strong>ch</strong> auf und hate<br />
uns gut gehalten.<br />
Morgens 7 Uhr verließen wir diese Wirts<strong>ch</strong>aft. Der<br />
Weg geht anfengli<strong>ch</strong> zimli<strong>ch</strong> steil; der Höhepaß hat ein<br />
zimli<strong>ch</strong> breiten Bergrüken, wel<strong>ch</strong>er no<strong>ch</strong> anfengli<strong>ch</strong> etwas<br />
Wald haltet. Allmelig vers<strong>ch</strong>windet der Holzwu<strong>ch</strong>s und<br />
an deßen Plaz treten pre<strong>ch</strong>tige Wisen, auf wel<strong>ch</strong>en Pferde<br />
weideten. Wir gelangten auf St. Jose-Mary; hier ist<br />
eine Capelle und mehr ein Küherhus als ein Wirthshus.<br />
Ohne anzuklopfen, lifen wir bis in die Stube; der Meister<br />
war mit finen Kindren bey dem Tis<strong>ch</strong>e und verzehrten<br />
ein Pallentenku<strong>ch</strong>en. Wir verlangten eine Rissupe, wel<strong>ch</strong>e<br />
bald bey der Hand war; au<strong>ch</strong> kriegten wir hier ein<br />
S<strong>ch</strong>open guten Italiener und Geis-käs. Wir stöbreten<br />
dem Mitelrhin zu; denn just hier bey St. Jose-Mary<br />
entspringt die Quelle vom Mitelrhin. Das Thall falt<br />
zimli<strong>ch</strong> stark ab; die Huser sind klein, mit wenig Pfenstren;<br />
der Weg ist s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t,' voll Geröl und mit Waßer bespült.<br />
Es wird hier die remontis<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e geredet; es spri<strong>ch</strong>t<br />
binahe kein Thal die gli<strong>ch</strong>e Spra<strong>ch</strong>e wie das andre; es<br />
ist daher für die Reisenden s<strong>ch</strong>wer, den re<strong>ch</strong>ten Namen<br />
der Bergdörffer und der Berge zu erfors<strong>ch</strong>en. Au<strong>ch</strong> sind<br />
die Bintner, besonders in den Bergen, ni<strong>ch</strong>t stundli<strong>ch</strong>.<br />
Wir verirten uns auf dem Weg na<strong>ch</strong> Disendiß und kamen<br />
in ein Bergdorf. Wir fors<strong>ch</strong>ten dem Wirth na<strong>ch</strong>; zuerst<br />
la<strong>ch</strong>te man unser; endli<strong>ch</strong> zeigte uns ein Wibsperson,<br />
wel<strong>ch</strong>e ungefehr redete wie der Papagay, das Wirthshus.<br />
Eine alte hüftli<strong>ch</strong>e Frau war die Wirthin, wel<strong>ch</strong>e am<br />
Fla<strong>ch</strong>ssamen arbeitete; diese ma<strong>ch</strong>te zuerst mit allem fertig;<br />
erst denn gab sie uns ein S<strong>ch</strong>oppen Win. Es wird hier<br />
sehr vill Fla<strong>ch</strong>s und Rogen gebauen.<br />
Bald erblickten wir das Dorf Desendis. Hier nimt der<br />
Hinderrhin, wel<strong>ch</strong>er auf Oberalp entspringt, den Mittelrhin<br />
auf. Disentis hat ein s<strong>ch</strong>ön Kloster, ist an einem<br />
Bergabhang, und ein ungemein große Kir<strong>ch</strong>en. Es ist<br />
aber, (als) wenn die Götter Ra<strong>ch</strong>e über dis Kloster ges<strong>ch</strong>woren<br />
hätten. Die Franzosen brenten es im Jahr 1799<br />
ab; im Jahr 1837 wurde es wider abgebrant; jez steht<br />
es wider hergeftelt. Hier stehen Holghuser und Steinhuser,<br />
re<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>öne Gebäue, neben einanoren; das Wirthshus<br />
war ni<strong>ch</strong>t zu den guten zu re<strong>ch</strong>nen. Wir muften
Der Ahorn von Truns 131<br />
hier wegen dem villen Regen lenger willen, als uns<br />
lieb war.<br />
Die Bintner haben mit ihren Kupfer Münzen em ganz<br />
besondre Einri<strong>ch</strong>tung: Wenn i<strong>ch</strong> ein Silberstük we<strong>ch</strong>slete,<br />
so wurden mir 6 Bluzger für ein Bazen eingere<strong>ch</strong>net;<br />
hingegen, wenn i<strong>ch</strong> bezahlte, so mußte i<strong>ch</strong> 9 hergeben.<br />
I<strong>ch</strong> klagte das minem Herrn; er zog mi<strong>ch</strong> aus der Verlegenheit,<br />
indem er sagte, i<strong>ch</strong> solle es behalten, wir wollen<br />
selbige den Bettleren geben, wel<strong>ch</strong>es wir au<strong>ch</strong> gethan.<br />
Hin und wider sieht man sowohl in den Höhen als<br />
in den Thällren alte Zwingherren-Burgen, wel<strong>ch</strong>e zügen,<br />
daß Binten hart bedrukt war. — Als wir einsam das<br />
Thal abwerts s<strong>ch</strong>riten, stießen wir auf den Ahoren bey<br />
Truns. Dieser Baum, ein Stammvater aus dem grauen<br />
Alterthum, flöste uns by sinem Anblik eine Art Ehrfur<strong>ch</strong>t<br />
ein. Wir da<strong>ch</strong>ten: „Denzumal, als die Bintner unter<br />
dinen Zwigen den ersten Bund bes<strong>ch</strong>woren, warst du kreftig;<br />
jez bist du ein abgelebter Gris." Sin Umfang war<br />
sehr groß; er hat nur no<strong>ch</strong> ein einzigen grünen Ast; der<br />
Stok ist hohl und gehet stark in Moder über. Der Ahoren<br />
ist mit einer Ringmuren umgeben und der Eingang mit<br />
einem eisrenen Thor vers<strong>ch</strong>loßen. In die Hülle des alten<br />
Papa Ahorens wurde ein junger Ahoren eingesezt, wel<strong>ch</strong>er<br />
aber in den Eingweiden des alten Risen ni<strong>ch</strong>t fortleben<br />
konte, sondren abgestorben ist. Au<strong>ch</strong> ist die eisrene Tür,<br />
wo den Eingang vers<strong>ch</strong>ließt, vers<strong>ch</strong>lagen. Neben dem<br />
Ahoren ist eine zimli<strong>ch</strong> große Kapele, wel<strong>ch</strong>e mit mehreren<br />
Ins<strong>ch</strong>riften von vornen ubers<strong>ch</strong>riben ist. Bald were mir bey<br />
dem Abs<strong>ch</strong>eid des alten Grisen ein Thräne über die Wange<br />
gerolt, und zwar deswegen, daß der junge Stam ni<strong>ch</strong>t leben<br />
wolte und, wie es s<strong>ch</strong>in, das eisrene Thor boshafter Weise<br />
vers<strong>ch</strong>lagen worden: trurige Vorboten für Bünten!<br />
Des Herrn Plan war, über den Panirerpaß na<strong>ch</strong><br />
dem Kanton Glaris zu gehen und no<strong>ch</strong> am gli<strong>ch</strong>en Abend<br />
im Dorfe Pank unser Na<strong>ch</strong>tquartier aufzus<strong>ch</strong>lagen. Der<br />
Herr hate s<strong>ch</strong>on in Truns Kunde eingezogen, wo wir uns<br />
na<strong>ch</strong> Panir zu wenden hätten, wurden aber irrig gewisen.<br />
Wir verließen zu s<strong>ch</strong>nel das Thal, kamen auf das Dorf<br />
Herbligen, ein s<strong>ch</strong>öner Bergrüken, wo wir das ganze Thal<br />
bis tief in's Thal ubersehen konten. Die Na<strong>ch</strong>t bra<strong>ch</strong> an;<br />
zur Re<strong>ch</strong>ten haten wir ein Tobel, zur Linken Bergs<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>ten
132<br />
Der Panirerpaß<br />
und Erdruts<strong>ch</strong>e. Endli<strong>ch</strong> hörten wir in der Ferne die<br />
Gloken von Pank; aber dunkle Na<strong>ch</strong>t verhülte unsre Trite.<br />
Wir sahen die Lie<strong>ch</strong>ter von Panix, aber ein tiefer Tobel<br />
trente uns no<strong>ch</strong>. Kein mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es Wesen tonten wir auffinden,<br />
das uns den Weg zeigte. Wir tabten im Finstren<br />
herum, bis uns gelang, die Verbindungsbrüg zu finden<br />
und eilten den Lie<strong>ch</strong>tren zu, die no<strong>ch</strong> ersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> waren.<br />
Wir klopften an, fragten: ob das Vanix sei? Ein ru<strong>ch</strong>e,<br />
halb düts<strong>ch</strong>e Stime sagte: „das heißt ni<strong>ch</strong>t Panir", und<br />
gab ihm ein andren Namen. Wir ers<strong>ch</strong>raken ; do<strong>ch</strong> kam<br />
ein zweiter herby, der sagte uns, daß wir wirkli<strong>ch</strong> in<br />
Panix sien, führte uns zum Wirth, wel<strong>ch</strong>er Jtaljenis<strong>ch</strong><br />
und duts<strong>ch</strong> redete ; gab uns alles netige, was man von<br />
einem Bergbur fordren kan, und konten wir no<strong>ch</strong> in guten<br />
Betten unsre ermüdeten Glider ausstreken.<br />
Morgens namen wir Kaffe und Geiskäs zum Frühstük.<br />
Jez zeigte uns der Wirth den Weg na<strong>ch</strong> dem Höhepaß.<br />
Der Himel wurde heiter; die Bintnerberge tu<strong>ch</strong>ten<br />
bis hinunter auf Kur, bis na<strong>ch</strong> dem fernen Splügen in<br />
hunderfältigen (Sestalten vor uns auf: bald in blendendem<br />
Wiß bis himelan, wo (während) si<strong>ch</strong> tiefer begraste<br />
Bergrüken und grüne Alpen und Dörfer vor dem Reisenden<br />
bergen. Ja, wenn er die höhren Regionen Bintens<br />
ni<strong>ch</strong>t bestigt, so kan er von Binten kein Begrif faßen. I<strong>ch</strong><br />
konte ni<strong>ch</strong>t ubergehen (unterlassen), eine Zei<strong>ch</strong>nung vorzunehmen<br />
der nördli<strong>ch</strong>en Bergkete, die si<strong>ch</strong> dem Höhepaß<br />
Panix zukehrt; hingegen die Namen der Berge konte uns<br />
in ihrer Landesspra<strong>ch</strong>e niemand hersagen.<br />
Der Weg führt anfengli<strong>ch</strong> von Panir dur<strong>ch</strong> Welder;<br />
algema<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>windet der Wald, und man betrit die begrasten<br />
Alpen. Allmelig komt man zu den Senhütten.<br />
Es hers<strong>ch</strong>t hier die üble Gewohnheit, daß das Bi<strong>ch</strong> allemal<br />
zu den Hütten getriben wird. Der Mist lauft maßenwis<br />
von den Hütten und erzügt eine Menge von Legerkrut,<br />
daß ganze Streken davon überwa<strong>ch</strong>sen werden. Hingegen,<br />
wenn die Küh auf ihren PlAen gemolken würden,<br />
fette Waiden erzügen würde. Die (vranitfelsen Heren allgema<strong>ch</strong><br />
auf: Kalkgebürg trit an die Stelle; bald vers<strong>ch</strong>winden<br />
die üppigen, grasri<strong>ch</strong>en Wiesen; an deren Plaz<br />
tritet ru<strong>ch</strong>es Geröl hervor ; endli<strong>ch</strong> höret au<strong>ch</strong> dieses auf;<br />
an deßen Plaz treten S<strong>ch</strong>neefelder, wo mitunter kahle
Glarus 133<br />
Relsblaten hin und wider aus dem S<strong>ch</strong>nee Hervortu<strong>ch</strong>en<br />
und si<strong>ch</strong> allmelig na<strong>ch</strong> Norden in den Kanton Glans zieht<br />
und si<strong>ch</strong> zimli<strong>ch</strong> stark senkt. S<strong>ch</strong>nel dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ien wir die<br />
Beraabhenge; pre<strong>ch</strong>tige Alpen, wohl die s<strong>ch</strong>önsten, wo i<strong>ch</strong><br />
je gesehen, große Küh, zog alle Aufmerksamkeit auf si<strong>ch</strong>.<br />
S<strong>ch</strong>öne Vorsäs, s<strong>ch</strong>öne Hüser, aus Holz gebaut, pra<strong>ch</strong>tige<br />
Ahoren-Welder, steundli<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong>en, dies alles fanden<br />
wir in diesem Thal. Wir namen in dem Dorfe Elm<br />
unser Mittagessen.<br />
Jez ging es vorwerts dem Fleken Glans zu. .Der<br />
O<strong>ch</strong>sen-Wirth in Glaris war unsrer Guts<strong>ch</strong>ner (Kuts<strong>ch</strong>er),<br />
wel<strong>ch</strong>er uns ras<strong>ch</strong> vorwerts dur<strong>ch</strong> die s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>te Straß Thal<br />
abwerts führte. Unterwegs stießen wir auf die S<strong>ch</strong>iffergruben,<br />
wo die finen S<strong>ch</strong>ribtaf'len zu Tusenden verfertiget<br />
werden. Es arbeiten ganze Dorfs<strong>ch</strong>aften daruf und kente<br />
no<strong>ch</strong> doplet so vil daruf verwendet werden. Das Thal<br />
senkt si<strong>ch</strong> 4 ganze Stunden bis auf Glaris. Glaris ist<br />
ein anmutiger Fleken an der Limmat und am Fuse des<br />
Glaris<strong>ch</strong> (Glärms<strong>ch</strong>), me<strong>ch</strong>tiger Kalkberg zwis<strong>ch</strong>en Glans<br />
und S<strong>ch</strong>wiz. Uns sielen zuerst die großen Ferberyen ins<br />
Auae; die me<strong>ch</strong>tigen Gebäude waren um und um umhangen<br />
mit geferbten Tü<strong>ch</strong>ren. Bald sahen wn das rege<br />
Leben von Mens<strong>ch</strong>en von jedem Alter und Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t, die<br />
eben, da es abends 6 Uhr war, aus den Fabriken Aeils<br />
na<strong>ch</strong> Hus, theils in ihre Kosthüser wanderten. Jedes<br />
Kind grüßt den fremden Reisenden und hebt ehrbietig das<br />
Käpli ab. Morgens früh wetten uns die Hammers<strong>ch</strong>lege<br />
von Keßleren und S<strong>ch</strong>miden aller Art und wir sahen<br />
bald ein, daß wir uns am Abend ni<strong>ch</strong>t getüs<strong>ch</strong>t haten, in<br />
einem gewerbflißigen Orte eingezogen zu sin.<br />
Am Morgen 8 Uhr verließen wir diesen gewerbn<strong>ch</strong>en<br />
Ort Der Reiseplan war über Klöhnthal und Bragelpaß<br />
in Kanton S<strong>ch</strong>wiz. S<strong>ch</strong>wülle Regenwolken ruhten an<br />
den Bergen ; wir kehrten unsrer Bestimung zu. das Thall<br />
einwerts. Aber von einem unges<strong>ch</strong>ikten Glarner irrig gewisen,<br />
kamen wir in einen großen Wald, wo wir uns<br />
dermaßen verirten, daß wir uns erst m 2 Stunden<br />
s<strong>ch</strong>weißtreiffend an der Ausmündung des Kwhnthal-Sees<br />
wider auf der re<strong>ch</strong>ten Ban befanden. Wir s<strong>ch</strong>nten s<strong>ch</strong>nel<br />
entlang dem Swnd langen und Stund breiten Klöhn-<br />
See thaleinwerts. Hier an den grünen Ufren hers<strong>ch</strong>te die
134 Klöntal und Pragelpaß<br />
Todesstille. Nur am Ende des Sees ist eine Barke angebunden<br />
und ein Köhler Familie tribt hier sin gesvensterartlges<br />
Unwesen.<br />
Bald gelangten wir an den Bergabhang, wo der Berg<br />
allmelig sine Stigung annimt. Hier ist eine Wirts<strong>ch</strong>aft;<br />
wn einkehrten; aber unfreundli<strong>ch</strong> war die Wirtin; sie<br />
flme einen alten Kitel, und wenn wir na<strong>ch</strong> dem Wege<br />
fragten, so gab sie uns wenig oder keine Auskunft. Wir<br />
waren so frey, ihr zu bemerken, daß sie das Kleid ein<br />
wemg bey Siten legen und mit uns reden mö<strong>ch</strong>te; es blib<br />
aber bey dem Alten. Ni<strong>ch</strong>t mit großer Wemuth verließen<br />
wir dieses unfreundli<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong>, giengen mit langen Gest<strong>ch</strong>tren<br />
vorwerts. Pre<strong>ch</strong>tige Matten, große Ahoren-Welder,<br />
deren Ansi<strong>ch</strong>t pre<strong>ch</strong>tig war, ents<strong>ch</strong>ednete uns wider<br />
für die Unfreundli<strong>ch</strong>keit der Wirthin. Aber a<strong>ch</strong>! das Vergnügen<br />
der so s<strong>ch</strong>önen Naturgegenstende solte uns au<strong>ch</strong><br />
m<strong>ch</strong>t lange ergözen; die Wolken zogen di<strong>ch</strong>ter heran, lärten<br />
si<strong>ch</strong> ob unsren Köpfen. Der Weg ist ohnedis sumpfiger<br />
Natur; er ist große Streken mit Hölzren belegt. Bald<br />
venrten wir uns wider. Na<strong>ch</strong> unsrem Zure<strong>ch</strong>tkomen begegnete<br />
uns ein Herr mit einem Frauenzimmer und einem<br />
Bedienten. Das Frauenzimer hate ein wißen Rok ursprüngli<strong>ch</strong><br />
und sähe aber so miserabel darin, daß i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong><br />
des La<strong>ch</strong>ens ni<strong>ch</strong>t erwehren konte; sie war, als wenn man<br />
sie im Koth herumgezogen häte. Sie wolte uns ma<strong>ch</strong>en<br />
umzukehren, so war sie ers<strong>ch</strong>roken; wir la<strong>ch</strong>ten und ainaen<br />
vorwerts. Bald stießen wir auf einen Alpenrosen-Strus,<br />
den sie im Koth hate steken laßen. Der Regen fiel stromwlse<br />
herab; wir erblikten im diken Nebel eine Hütte; wir<br />
klopften an ; ein junger S<strong>ch</strong>wizer, 17 Jahre alt, nam uns<br />
ganz freundli<strong>ch</strong> auf. Nur eine kleine S<strong>ch</strong>wester war bey<br />
ihm. Er ma<strong>ch</strong>te ein großes Feuer an; wir trokneten<br />
unsre Kleider. Der Knab ko<strong>ch</strong>te ein Brey, und na<strong>ch</strong> dem<br />
Eßen ko<strong>ch</strong>en wir in ein Futterbett, das uns der Knab<br />
ubergab. Wir s<strong>ch</strong>liefen bald ein; denn der vorige unangenehme<br />
Tag hatte uns ganz ermüdet. Morgens diker<br />
Nebel! Do<strong>ch</strong> um 9 Uhr verließen wir die Hütte. Bald<br />
hatten wir die Höhe des Brägel errei<strong>ch</strong>t, und wir eilten<br />
nnt s<strong>ch</strong>nellen Füßen den ftilen Bergabhang hinunter dem<br />
Muten<strong>ch</strong>alle (Muotathal) zu, wel<strong>ch</strong>es vom Brägel bis<br />
zum Muota-Dorf sehr stark abfalt.
Am Vierwaldstättersee 135<br />
Das Mutenthal ist ein anmutige Gegend; es ist<br />
um so merkwürdiger, daß im Jahr 1799 der rußis<strong>ch</strong>e<br />
General Suwero mit finen Velkren aus den verborgenen<br />
S<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>ten des Brägel und Kinziko wie ein wilder<br />
Waldstrom unversehens hervorbra<strong>ch</strong> und die im Mutenthal<br />
biwenkierente französis<strong>ch</strong>e Arme uberfallen, das Thal<br />
auswerts getrengt bis zur Brüte, wo ein enger Tobel<br />
das Thall zimli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>ließt. Alles trengte si<strong>ch</strong> auf die<br />
Brücke, bis sie einstürzte. Kanon, Mens<strong>ch</strong>en, Pferde stürzten<br />
hinunter; no<strong>ch</strong> heute s<strong>ch</strong>udren die Thalbewohner, wenn<br />
sie diese S<strong>ch</strong>reckensges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te verzellen. Die Verbmdungsbrüke<br />
mag ab einem llffer auf das andre ungefehr 1/0<br />
Fuß ho<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>weben.<br />
Bald erblikten wir den s<strong>ch</strong>önen Fleken S<strong>ch</strong>wyz, merkwürdig<br />
wegen der S<strong>ch</strong>wizerges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te und siner bezaubrend<br />
s<strong>ch</strong>önen Lage, wo au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>uld sin mag, daß hier ein neues<br />
^esuitenkloster gebauen stehet. Wir eilten dem Dorste<br />
Brunnen, wel<strong>ch</strong>es an den grasri<strong>ch</strong>en Fluren des Luzerner-<br />
See stehet, (zu). Im Gasthof Rösli kehrten wir em; hier<br />
ist gut lus<strong>ch</strong>iern: subere Genge, s<strong>ch</strong>öne Zimmer, reinli<strong>ch</strong>e<br />
Abtrite, reinli<strong>ch</strong>er als im rihen Jttallien. Wir bemerkten,<br />
daß hier mitunter au<strong>ch</strong> Sidenwäbery getriben wird, namentli<strong>ch</strong><br />
eine Verzwigung von den Faberrikherrn von Ä^<strong>ch</strong>-<br />
Unsre Reise war über Begenried (Bekenried) und na<strong>ch</strong><br />
dem Brinig; ein großes Alpenhoren zeigte uns an, daß<br />
das Dampfs<strong>ch</strong>if ankome; wir eilten dem Meehrgestade zu.<br />
Wunderbar ers<strong>ch</strong>inen die Dampfs<strong>ch</strong>ife; bald vers<strong>ch</strong>winden<br />
sie hinter einem Felsrüken in den villen Krimmungen;<br />
bald ers<strong>ch</strong>ine au<strong>ch</strong> das von Luzeren und krüzten si<strong>ch</strong> mit<br />
dem von Flülen ; bald sezt man Pferd und Mens<strong>ch</strong>en an<br />
das Land; bald wird wider einbargiert. Hier wetelften<br />
Waßer, Berge, Bäume, Dörfer, Fleken, grüne Melder,<br />
alles, was das Auge des Reisenden ergözen kan.<br />
Jez lendeten wir in Begenried; ist em anmutiger<br />
Fleken. Giengen über Stanz, ein pre<strong>ch</strong>tiges Dorf: große<br />
Kir<strong>ch</strong>e, s<strong>ch</strong>öner Plaz im Dorf, großer Brunnenstok, wenig<br />
Waßer in einem so großen Dorf; pre<strong>ch</strong>tiger Gottesaker<br />
mit villen Grabsteinen. Eine kleine Fahrstraße fuhrt bey<br />
der Winkelriedtobel vorbei). Wir dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ien s<strong>ch</strong>nel das<br />
Draken Moos; wir ließen uns au<strong>ch</strong> die Drakenhelle zeigen.<br />
Re<strong>ch</strong>ts in einer Felshule ni<strong>ch</strong>t wit davon ist ein alter
136 über den Brünig na<strong>ch</strong> Hause<br />
Bergsturz, auf dem jez ein Wald stehet. Um 2 Uhr kamen<br />
m das Dorf Kerenz (Kerns) und spiften daselbst zu<br />
Mltag, sehr Werli<strong>ch</strong> und Wolfeil. Uberhaupt find die<br />
Wlrthshüser in (den) kleinen Kantonen sehr gut.<br />
Wir mars<strong>ch</strong>ierten mit langen S<strong>ch</strong>ritten dem Brünig<br />
zu. Der S<strong>ch</strong>all der Betgloken, da es Samstag Fürabend<br />
war, und am Morgen als am Iten Herbst ein Festtag<br />
von Sarnen und Sa<strong>ch</strong>slen, und das S<strong>ch</strong>leglen der Drös<strong>ch</strong>er<br />
an den südli<strong>ch</strong>en Uffren des Sarnen Sees belebte die<br />
stille, einsame Gegend dieses friedli<strong>ch</strong>en Bergvelklins. Der<br />
Sarner See war spiegelgrün und no<strong>ch</strong> grüner die sanft<br />
abHangenden grünen Wisen des Seegestades. Am Abend<br />
8 Uhr als am 30ten Herbstmonat (31. August) kamen wir in<br />
Lungren an und kehrten in der Wirts<strong>ch</strong>aft des Mel<strong>ch</strong>ior<br />
wurden sehr gastfründli<strong>ch</strong> beherbergt und au<strong>ch</strong><br />
vlln<strong>ch</strong>. Wir trafen hier den Mel<strong>ch</strong>ior Meder an, der uns bey<br />
emer Reise na<strong>ch</strong> der Strallegg begleitet hat. Am Morgen<br />
7 Uhr glengen wir dem Brünig zu. Ein Rukblik na<strong>ch</strong><br />
dem Dorffe Lungren und sinen Umgebungen, besonders<br />
der Seeboden, wegen dem abgezogenen See merkwürdig.<br />
Wo vor wenigen Jahren See, na<strong>ch</strong> Abzug des Sees eine<br />
Wüsteny und jez an deßen Plaz s<strong>ch</strong>öne Matten, pre<strong>ch</strong>tige<br />
Hüser und reizende Gärten bund untereinander stehen;<br />
wo der Fleiß dieser biedren Unterwaldner für ihre Anstrengung<br />
belohnet wird.<br />
, Bald kehrten wir dieser stündli<strong>ch</strong>en Gegend den Rüken,<br />
so tu<strong>ch</strong>ten m unsrem Vorrüken unsre Na<strong>ch</strong>barn, der hintre<br />
Tlerberg, das Mehrenhoren, Rizli und endli<strong>ch</strong> die in<br />
ewigem Wiß bekleideten Wetterhörner in gigantis<strong>ch</strong>er Form<br />
hlmmelemporstrebend vor uns auf. Als wir diese Risen<br />
ein wienig übersehen, kehrten wir dem Brienzer See zu,<br />
der uns mit seinem hellgrünen Waßerspiegel tusende von<br />
Farben zuwarf, (auf dem) si<strong>ch</strong> die mllen kleinen Fahrzüge<br />
kruzten, und auf einmal kam der Tampfer vom Giesba<strong>ch</strong><br />
und drohte die kleinen zu vers<strong>ch</strong>lingen. Wir spiften<br />
bei dem Gastwirth Fuhrer zu Mitag; uberall reges Leben.<br />
Das Dampfs<strong>ch</strong>if gab das Zei<strong>ch</strong>en zur Abfahrt; i<strong>ch</strong> begleitete<br />
meinen Herrn auf das Dampfs<strong>ch</strong>if. Wir drükten<br />
hler einander brüderli<strong>ch</strong> die Hende. Er flog auf dem<br />
Dampfer davon na<strong>ch</strong> Bern, und i<strong>ch</strong> kehrte mmen fridli<strong>ch</strong>en<br />
Bergen zu.
Ausflug auf Mineralien 137<br />
II. Erstbesteigung cles ^Kierbergs.<br />
Fortsetzung der Bergreisen im Jahr 1850.<br />
Auf Seite 136 zeigte i<strong>ch</strong> an, daß i<strong>ch</strong> und Herr Bürki<br />
am Brienzer See von einander Abs<strong>ch</strong>ied nahmen und i<strong>ch</strong><br />
meiner Heimat zueilte. Am 2'°° Herbstmonat, morgens<br />
8 Uhr, begegnete mir Herr Pfahrer Ger st er bei der Eisens<strong>ch</strong>melze<br />
im Mühlithal. Unsre Unterredung ging dahin,<br />
no<strong>ch</strong> am gli<strong>ch</strong>en Abend in das Trift-Gragi zu uberna<strong>ch</strong>ten<br />
und am folgenden Tag ein Ausflug auf Mineralien zu<br />
ma<strong>ch</strong>en. Ein Herr von Basel, namentli<strong>ch</strong> S <strong>ch</strong> a u b, wolte<br />
unser Mitgefehrte sin. I<strong>ch</strong> langte bei miner Familie auf<br />
Mühliftalden an. Mine Lüte empfiengen mi<strong>ch</strong> mit Freuden.<br />
Bald wurden die netigen Voranstalten getroffen. Herr<br />
S<strong>ch</strong>aub und min Sohn Mel<strong>ch</strong>ior giengen voran na<strong>ch</strong> das<br />
Gragi; i<strong>ch</strong> und Herr Pfahrer Gerster giengen über das<br />
Ahorie, und in dem so geheißenen Klempen-Berg stießen<br />
wir zusamen. Ein gegenseitiges Jolen gab unsre Zusamenkunft<br />
kund, wel<strong>ch</strong>es an den Felswenden stnen Widerhal<br />
uns wider zuwarf. Die Abendsonne entwand si<strong>ch</strong><br />
allmelig des Trifttobels, an deren Stelle finstre Na<strong>ch</strong>taestalten<br />
traten, wo dagegen die goldene Abendsonne no<strong>ch</strong><br />
m höhren Regionen die mit S<strong>ch</strong>nee und Firn eingepanzreten<br />
Gebürge rötete und zuversi<strong>ch</strong>tsvol auf einen s<strong>ch</strong>önen<br />
kinftigen Morgen hoffen ließ.<br />
Bald paßierten wir die Klempen, ist ein Felsris in<br />
einer me<strong>ch</strong>tigen Granitblate, der einzige Zugang mit<br />
Vieh in das Gragi. Mit einer Falbrüg würde dieser<br />
Paß lie<strong>ch</strong>t zu vers<strong>ch</strong>ließen sin, ausgenohmen Jeger und<br />
der Berghirten. Am Ausgang der Klempen rislet eine<br />
silberlutre Bergquelle aus einem Fellsenris. Wir sezten<br />
uns auf einen grünen Rasen. Herr S<strong>ch</strong>aub gab S<strong>ch</strong>inken<br />
und Brod aus sinem Sak, wehrend i<strong>ch</strong> mine Mitgefehrten<br />
aus ener kühlenden Quelle trenkte. Wir warfen unsre<br />
Blike no<strong>ch</strong>malen na<strong>ch</strong> dem Horizont, wo die Sonne die<br />
lezten Abendstrahlen li<strong>ch</strong>ten ließ, die uns wider im Morgenlie<strong>ch</strong>t<br />
in entgegengesetzter Ri<strong>ch</strong>tung am Weterhoren zu<br />
ers<strong>ch</strong>inen verspra<strong>ch</strong>.<br />
Wir eilten hastig der Hüte im Graggi zu; denn auf<br />
einmal war es dunkle Na<strong>ch</strong>t. Die Hirten saßen im Kreise
138 Ein Abend im Graggi<br />
UM ein großes Alpenfür herum, die uns mit Freuden begrüßten<br />
und uns ihren Plaz am Für einrumten, wo wir<br />
unsre von S<strong>ch</strong>weis dur<strong>ch</strong>nezten Kleider trokneten. Unterdeßen<br />
kamen no<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>e Gemsenjeger an, namentli<strong>ch</strong> Kasper<br />
Jaggi und Hans Strei<strong>ch</strong>, die morgen mit uns Parti<br />
ma<strong>ch</strong>en wolten, und wehrend wir seltene Steine samlen<br />
würden, sie auf die Gemsen loszugehen. Unser Gespre<strong>ch</strong><br />
war heiter. Ein jeder von uns hate lebhafte Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten<br />
und Äbentür vom wilden Glets<strong>ch</strong>er und Firen Wandlen.<br />
Wir s<strong>ch</strong>lupften bald alle in das Futer. S<strong>ch</strong>on 4 Uhr<br />
war alles reg. Herr S<strong>ch</strong>aub ko<strong>ch</strong>te allem Kaffe. Jez<br />
gieng es vorwärts. Herr S<strong>ch</strong>aub wollte ein Ausflug na<strong>ch</strong><br />
das Radlefhoren ma<strong>ch</strong>en; Herr Pfahrer, i<strong>ch</strong> und die Jeger<br />
na<strong>ch</strong> dem Tierberg und Winterberg. Wir stöbreten ras<strong>ch</strong>,<br />
lie<strong>ch</strong>tfießig das Glets<strong>ch</strong>erfeld der Trosilam vorbei; nur<br />
an etli<strong>ch</strong>en wenigen Orten boten si<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>wierigkeiten dar,<br />
die wir aber lie<strong>ch</strong>t überwunden. Die Morgensonne rötete<br />
die Spitzen des Nothorens, Wetter- und Mernhorens, alle<br />
Vorzei<strong>ch</strong>en eines pre<strong>ch</strong>tigen, klaren Tags waren si<strong>ch</strong>bar.<br />
Wir klimten den Tierberg mit behenden S<strong>ch</strong>riten an<br />
und zogen uns zwis<strong>ch</strong>en den klaren Bä<strong>ch</strong>en den Abhang<br />
dem Tölltiftok zu. Ein duftenter Blumenquell, wie ein<br />
liebli<strong>ch</strong>er Maientau, entgegnete hier unsrem Ges<strong>ch</strong>mak;<br />
denn die ho<strong>ch</strong>e Vegation der Blumenwelt entwiklete ihr<br />
Dasin dies Jahr erst im Herbstmonat. Wir pflikten alle<br />
Blumen und warfen sie weg, um no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>önere zu pfliken.<br />
Allmeli<strong>ch</strong> verließen wir diese liebli<strong>ch</strong>e Gegend. An deren<br />
Stelle nahm uns Geröll und Glets<strong>ch</strong>ergand auf, und so<br />
gelangten wir hinter den Tölltiftok. I<strong>ch</strong> gieng etli<strong>ch</strong>e<br />
S<strong>ch</strong>rite voran und stieß auf ein Gemsenbok, wehrend die<br />
Jeger mit ihren Ferengläsren auf einen entgegen gesezten<br />
Punkt kehrten, und so entgieng die Gemse der nahen Gefahr<br />
der mördres<strong>ch</strong>en Kugel, und mir blieb nur das Na<strong>ch</strong>sehen<br />
des hüpfenden Tiers übrig. Die Jeger s<strong>ch</strong>lugen<br />
hier einen andren Weg ein.<br />
I<strong>ch</strong> und der Pfahrer ftigen vorwerts. Bald verließen<br />
wir alle Vegationen des Wa<strong>ch</strong>stums. Wir betraten den<br />
ewigen Glets<strong>ch</strong>er und Firen und wandleten den Felsenspizen<br />
des Winterbergs zu. So wie wir da einsam ein<br />
Höheplatau Feld über das andere erstiegen, so legten die<br />
Die<strong>ch</strong>terhörner, Triftenstok und Tier- und Winterberg
Ein Berg statt der Kristalle 139<br />
im goldgelben Songlanz ihre Sontagskleider in voller<br />
Pra<strong>ch</strong>t an.<br />
So wie wir allmelig vorwerts wandleten, so uberzugten<br />
wir uns bald, daß der Winterberg no<strong>ch</strong> im S<strong>ch</strong>nee<br />
und Winterkleide stecke und an eine ginstige Christal-Samlung<br />
ni<strong>ch</strong>t zu denken sie. Wir haten den Thierberg grad<br />
vor uns, der, so vill i<strong>ch</strong> wußte, no<strong>ch</strong> nie von einem mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />
Fuß betreten worden war und mit sinem mit ewigem<br />
Eis und S<strong>ch</strong>nee eingehülten Haupte uns stolz entgegenstund.<br />
Wir waren bald des einen (einig), den Tierberg zu<br />
ersteigen, und mutig wandleten wir die Firnhalden hinauf,<br />
die mit verborgnen S<strong>ch</strong>rinden dur<strong>ch</strong>krüzt waren, und<br />
su<strong>ch</strong>ten auf die Tierbergkanten zu gelangen, die mit dem<br />
Teltistock in Verbindung stehet. Dieses, mit einiger S<strong>ch</strong>wierigkeit<br />
verbunden, war do<strong>ch</strong> bald uberwunden, und wir<br />
stunden auf dem Tierberggrad, wel<strong>ch</strong>er zu der obresten<br />
Spize zuführt; kein freundli<strong>ch</strong>es Aussehen für Köpfe, die<br />
dem S<strong>ch</strong>windel unterworfen sind! Vor uns eine 2000<br />
Fuß tiefe Firenwand mit wit aufklaffenden Bergs<strong>ch</strong>rinden<br />
boten ein grusen Anblik dar. Die S<strong>ch</strong>neekante war hart,<br />
die wir zu wandlen haten, und an etli<strong>ch</strong>en Orten bloß<br />
12 Zoll breit. Zur Vorsi<strong>ch</strong>t haten wir ein Seil; i<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>te<br />
es an meinen Herrn fest, nahm es in die Hand, und so<br />
kamen wir über diese unsi<strong>ch</strong>re Stelle mit Hülfe unsrer<br />
Bergstöke glikli<strong>ch</strong> hinüber. So gelangten wir erst an das<br />
Hören, wo wir eine kleine Granitkante errei<strong>ch</strong>ten, zu der<br />
zu gelangen wir eine Menge Trite ins Eis ma<strong>ch</strong>en mußten,<br />
deren Menge i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zelte, mi<strong>ch</strong> aber an die Jungfrauersteigung<br />
erinrete, indem man ähnli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wirigkeiten zu<br />
uberwinden hat, die aber mit der Bestigung der Jungfrau<br />
ni<strong>ch</strong>t dürfen verwe<strong>ch</strong>slet oder vergli<strong>ch</strong>en werden. Bald im Felsges<strong>ch</strong>ieb,<br />
bald mit Firen we<strong>ch</strong>slend, erklimten wir die Höhe.<br />
Ein kleiner, ebener Plaz ist diese geheiligte Stelle,<br />
die wir ehrfur<strong>ch</strong>tsvoll betraten. Da wir vorher<br />
ni<strong>ch</strong>t das Auge von unsrem s<strong>ch</strong>lipsrigen Pfad abwenden<br />
konten, um so mehr ers<strong>ch</strong>in, als wir eine si<strong>ch</strong>re Stelle haten,<br />
uns alles, was man mä<strong>ch</strong>tig heißt, auf einmal. Der Vorhang<br />
der heimatli<strong>ch</strong>en Berge fiel, und an deren Plaz<br />
traten fernere Berggestalten, in denen wir in südli<strong>ch</strong>er<br />
Ri<strong>ch</strong>tung bald das Matterhorn, die Montrosa mit ihren<br />
Nebentrabanten, als die Zwiling, Montblans<strong>ch</strong> und Wiß-
140 Aussi<strong>ch</strong>t vom Thierberg<br />
hören erblikten. Wir sahen hinter dem Wißhoren dur<strong>ch</strong><br />
eine Lüke hindur<strong>ch</strong> roars<strong>ch</strong>inli<strong>ch</strong> den Montblank, da i<strong>ch</strong><br />
aber deßen Haupt ni<strong>ch</strong>t kene, ni<strong>ch</strong>t daruf bestehen darf.<br />
Kein Tag in meinem Leben, in allen minen Bergreisen,<br />
bot so heitre Aussi<strong>ch</strong>t dar als dieser. Es s<strong>ch</strong>in, als were<br />
der Dunstkreis, der auf der Erde ruht, vers<strong>ch</strong>wunden, um<br />
dem Auge allen Genuß der Aussi<strong>ch</strong>t zu geftaten. Die<br />
Vintner- und Glarnerberge, in's fernre Tirol! ers<strong>ch</strong>inen<br />
wolkenlos; blos der Jura war in etwas von blauem<br />
Dunstkreis in siner nidrigen Lage eingehült, wo wir do<strong>ch</strong><br />
die ganze Kete gut unters<strong>ch</strong>eiden konten. Erst jez warfen<br />
wir unsren Na<strong>ch</strong>baren, als dem Titlis, Hinter Sustenhoren,<br />
Wetterhoren und Finfteraarhoren unsre Blike zu, die grad<br />
vor uns stunden. Wenn man in das Einzelne eingehen<br />
wolte, was die Aussi<strong>ch</strong>t vom Tierberg darbietet, so kente<br />
man in einem Tage ni<strong>ch</strong>t fertig werden.<br />
Wir aßen unsre mitgebra<strong>ch</strong>te Wurst, tranken ein Putele<br />
34er Wein und so traten wir unsren Rukzug an, der zwar<br />
s<strong>ch</strong>wirig und gefahrvoll war, und um so mehr, da unser<br />
nur 2 Personen waren, daß wir das Seil ni<strong>ch</strong>t mit Vortheil<br />
gebru<strong>ch</strong>en konten, und so gelangten wir am Abend<br />
glikli<strong>ch</strong> bei unsren Kameraden im Gragi wieder an.<br />
III. Vurck ctie Mpen naek ^urin.<br />
Reise-Beri<strong>ch</strong>t vom Jahr 1851.<br />
So wie i<strong>ch</strong> min Reiseberi<strong>ch</strong>t vom Jahr 1850 mit der<br />
Bestigung des Hindren Tierbergs bes<strong>ch</strong>loßen habe, so<br />
knipfe i<strong>ch</strong> den Faden mines Reiseberi<strong>ch</strong>ts vom Jahr 1851<br />
wieder an jenen an. Dur<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>es Ubereinkomen<br />
wolte i<strong>ch</strong> Herrn Gotlieb Studer, jeziger Regierungsstatthalter<br />
in Bern, na<strong>ch</strong> das südli<strong>ch</strong>e Wallis zu begleiten.<br />
Unser Zusamentreffen war die Stadt Thun als am 11'°°<br />
Äugst 1851 Morgens 8 Uhr.<br />
Am 10ten Äugst 1851 verließ i<strong>ch</strong> Mühlistalden; der<br />
Regen fiel stromwis herab. I<strong>ch</strong> gelangte na<strong>ch</strong> Jnterlaken.<br />
Die provisoris<strong>ch</strong>e Brüke, die i<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> das Stettin paßierte,<br />
erinrete mi<strong>ch</strong> an jenes Unglik, das vor 4 Tagen paßiert,<br />
nemli<strong>ch</strong> die Brük dur<strong>ch</strong> das Ans<strong>ch</strong>weln der Ar fortgerißen,<br />
wo 4 Mens<strong>ch</strong>enleben als Opfer der Waßerwuth fielen.
Postfahrt dur<strong>ch</strong>s Simmental 141<br />
Trurig verließ i<strong>ch</strong> diese unglikli<strong>ch</strong>e Stelle, eilte dem Thunersee<br />
zu. Das Dampfs<strong>ch</strong>if nam mi<strong>ch</strong> auf und bald kam<br />
i<strong>ch</strong> in Thun an. Dismal wurde i<strong>ch</strong> zum O<strong>ch</strong>sen gewisen,<br />
warhaftig ein s<strong>ch</strong>muziges, türes Wirthshus.<br />
Am Morgen, als i<strong>ch</strong> aufwa<strong>ch</strong>te, fieng si<strong>ch</strong> der Hime!<br />
an aufzuheitren. Min Herr ers<strong>ch</strong>in im Poswagen zur<br />
abgeredten Stunde. — Wir namen die Post von Sanen,<br />
und jez rollte der Postwagen dem Sibenthal zu. Merkwürdig<br />
ers<strong>ch</strong>in mir das S<strong>ch</strong>loß zu Wimmis am Fuse des<br />
Niesen; es erinret an das Mitelzitalter. So wle wir dem<br />
S<strong>ch</strong>loße unsre Blike zuwarfen, stunden unsre Pferde stlll.<br />
Es hieß, die Verbindungsbrüke von Wimmis auf die Hauptstraß<br />
sei von den lesten Waßerstuten eingerißen und zugu<strong>ch</strong><br />
die Straß am dissitigen Uffer weggefallen. Bald hieß es<br />
aussteigen. Die unsrige Post konte ni<strong>ch</strong>t vorwerts. Am<br />
inren Ende warteten andre Wagen, andre Pferde auf<br />
uns, die uns das Thal einwerts führten. Uberall stießen<br />
wir auf Verherungen der lesten Ubers<strong>ch</strong>wemung. Circa<br />
70—100 (XX) L. mag bloß hinrei<strong>ch</strong>en, die Straßen, Gebäude<br />
und Privatgüter in alten Stand zurukzustellen. Das<br />
Sibenthal hat s<strong>ch</strong>öne Wisen, prä<strong>ch</strong>tige Hüser und gute Berge.<br />
Bald fiel uns das Dorf Zweisimen in die Augen;<br />
am Fuße des Winterbergs, ungefehr ein Stund einwerts<br />
im fortlaufenden Thal, ers<strong>ch</strong>eint das S<strong>ch</strong>loß Blankenburg,<br />
Burgfiz der wieland regierenden Landvögte. Zum Glu bedeken<br />
me<strong>ch</strong>tige Bäume das unheimli<strong>ch</strong>e Dasin dieses alten<br />
S<strong>ch</strong>loßes. Bey dem Bären kehrten wir ein. Zweisimen ist<br />
ein gut gebautes Dorf, hat zwey Gasthöfe, zwo Kir<strong>ch</strong>en,<br />
s<strong>ch</strong>öne Wiesen. Das Volk vom Sibenthal ist freundli<strong>ch</strong> und<br />
(von) gutem Kerperbau. Die Wirthin, ein artige, betagte<br />
Frau, bra<strong>ch</strong>te uns eine Flas<strong>ch</strong>e guts<strong>ch</strong>mekenden Mattender,<br />
alten Siebenthal Käs. Wir wurden unterdeßen mit des<br />
Wirts Sohn einig, daß er uns no<strong>ch</strong> diesen Abend na<strong>ch</strong><br />
Saanen führe. Ein Hengst wurde vorgespant; jez gleng<br />
es ras<strong>ch</strong> den Berg hinauf. Die Straß ist gut und nut<br />
viller Arbeit und Fliß gebaut; denn eine Menge Verbindungs-Brügen<br />
über die villen Tobel erfordreten eme<br />
ausdurende Gedult der dennzumaligen Unternehmer. So<br />
wie wir allmelig die Höhe errei<strong>ch</strong>ten, bra<strong>ch</strong> der Mond<br />
hinter den Mattender Bergen hervor, in dessen S<strong>ch</strong>atten<br />
und Lis<strong>ch</strong>t wir bald im Saanen Dorf einrükten.
142<br />
Saanen und S6pey<br />
Sauen ist eine anmutige Lands<strong>ch</strong>aft mit Bergen umfaßt,<br />
der Lage na<strong>ch</strong> beßer zum Kanton Wadt geeignet,<br />
besonders ehe die Verbindungsstraße von Zrveisimmen<br />
gema<strong>ch</strong>t v?ard. Die Wirtshuser sind hier in Sanen re<strong>ch</strong>t<br />
gut, au<strong>ch</strong> billig. Unser Weg ging na<strong>ch</strong> das Malis.<br />
Am Morgen, als am 12ten August, gieng es vorwerts.<br />
Ein verfallenes S<strong>ch</strong>loß an der Grenze zwis<strong>ch</strong>en Wadt und<br />
Bern bey einem Engpaß ist die natürli<strong>ch</strong>e Lage der Grenze.<br />
Das gesagte alte S<strong>ch</strong>lößlin ist Uberblibsel aus dem grauen<br />
Altertum; denn alte Fi<strong>ch</strong>tenbäume, wo wieland Panzerkne<strong>ch</strong>te<br />
mögen Wa<strong>ch</strong>t gestanden haben, stehen jez am Plaz.<br />
Das Thal zieht si<strong>ch</strong> der Sane na<strong>ch</strong> hinunter na<strong>ch</strong> dem<br />
Fleken Os<strong>ch</strong>. Bey Os<strong>ch</strong> übers<strong>ch</strong>riten wir die Sanen,<br />
zogen uns lenks einem Saumpfad den Alen-Mesren zu.<br />
Der Weg ist einsam, fürt dur<strong>ch</strong> einen Tobel. Bloß etli<strong>ch</strong>e<br />
Holz-Sägemühlen fielen uns in die Augen, wo wir bey<br />
der lezten re<strong>ch</strong>ts s<strong>ch</strong>wenkten, und bald gelangten wir den<br />
mühsamen, bes<strong>ch</strong>muzten Saumweg hinauf auf den Höhe<br />
Paß der Ählen-Möser. Hier streckten die Waliser Ho<strong>ch</strong>gebürge<br />
s<strong>ch</strong>on in witter Ferne ihre wißen Heupter empor,<br />
die, wie es in witter Ferne immer der Fal ist, im Annähren<br />
ihre Ansi<strong>ch</strong>ten immer verendren. In dem kleinen<br />
Wirthshusli auf den Sanen-Mösren kehrten wir ein. Die<br />
Sa<strong>ch</strong>en sind hier gut und billig. Jez gieng es vorwerts,<br />
und bald ers<strong>ch</strong>inen die me<strong>ch</strong>tigen Diablerets-Hörner im<br />
glenzenden Firen-Wiß und kehrten uns jeni Site zu, wo<br />
Hr. Studer im vorigen Summer wehlte zum Erstigen.<br />
Es ist ein Kalkstok; die mir vorgezeigte Site bietet etwas<br />
unfreundli<strong>ch</strong>es dar, und Muth mit Ausdur ohne s<strong>ch</strong>windst<strong>ch</strong>tig<br />
zu sin, kan nur diese Bestihung zur Ausführung<br />
bringen. So wie allmelig beim Hmunterstigen diese unfrundli<strong>ch</strong>e<br />
Bergestalt vers<strong>ch</strong>wand, kamen wir im Sepey an.<br />
Sepey ist ein Bergdorf. Vor cirka 35 Jahren dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>rit<br />
i<strong>ch</strong> dieses Thal. Dazumal war dieses Dorf von<br />
jeder Crespondenz sozusagen abges<strong>ch</strong>niten; denn nur dur<strong>ch</strong><br />
kleine Steinesel und auf dem Rüken des Mens<strong>ch</strong>en wurden<br />
die fremden Bedürfnisse Herges<strong>ch</strong>ast; werend dieser Zit<br />
stehen jez pre<strong>ch</strong>tige Gasthuser, wo denzumal dürftige Hüten<br />
stunden. Uber die unwegsamen Tobel ist jez eine pre<strong>ch</strong>tige<br />
Straß angelegt, erstrekt si<strong>ch</strong> von der Stat Ahlen ins<br />
Zepi (Sepey). Dieses Streßli ist ein Meisterstuk. Es
Aigle, Ber, St. Maurice 143<br />
ist s<strong>ch</strong>ade, wenn die Verbindung vom Zepi über die Ahlenmeser<br />
aus die Stadt Os<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t verbunden wird.<br />
Soeben kamen wir in Ahlen an; dies ist ein zimli<strong>ch</strong>er<br />
Fleken. Zwar weder Kunstfliß no<strong>ch</strong> Akerbau s<strong>ch</strong>in mir<br />
hier zu Huse zu sin; hingegen der Windau wird hier mit<br />
Sorgsalt und zimli<strong>ch</strong>em Fleiß betriben. Man sieht in<br />
unwegsamen Gebürgen Muren angelegt, wel<strong>ch</strong>es vermittelst<br />
Leitren ges<strong>ch</strong>ehen muß. Hier wird der Natur vom mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />
Fliß Boden abgetruzt und üppige Wingärten angelegt,<br />
wel<strong>ch</strong>e lie<strong>ch</strong>t bey einer Fabarik-Stadt öde bliben<br />
würden. Es war abends 6 Uhr; wir glaubten, no<strong>ch</strong> aus<br />
St. Moriz zu sahren. Aber die Fuhren sind hier ni<strong>ch</strong>t<br />
regelmeßig. Wir wurden vom Wirth angelogen, der uns<br />
vorgab, es kome ein Omnibus daher. Unwillig über das<br />
fals<strong>ch</strong>e Vorgeben, gingen wir dem Stetlin Ber zu. Dieser<br />
Spazierweg war angenehm; pre<strong>ch</strong>tige Böume, gute Wisen<br />
stehen dem Rotten entlang na<strong>ch</strong> St. Morizen. Ungesehr<br />
9 Uhr abends langten wir in Ber an.<br />
Ber liegt an einem Bergabhange; es ist ein angenehmer<br />
Fleken. Bim Erwa<strong>ch</strong>en fielen uns die Gebürge<br />
in die Augen: Dent du Midi bey St. Maurice. Der Herr<br />
nahm hier ein Fuhrwerk; ein wißer S<strong>ch</strong>imel wurde vorgespant;<br />
jez flöge unser lie<strong>ch</strong>tes Fuhrwerk dem Wallis zu.<br />
Die Brük von St. Moriz ist gut gebut; die beidsitigen<br />
Fundament der Bruk ruhen auf Felsen. Rus<strong>ch</strong>end s<strong>ch</strong>lenglet<br />
si<strong>ch</strong> der wilde Rotten hier dem Genfer See zu. St. Morizen<br />
ist merkwürdig wegen siner festen Lage; das Eitentel<br />
lehnt si<strong>ch</strong> an ein me<strong>ch</strong>tigen Fels an. Das Stetlin St.<br />
Moriz ist aus dem Alterthum; einersits lehnt es si<strong>ch</strong> an<br />
einen Fels, wehrend auf der nördli<strong>ch</strong>en Site die wilde<br />
Rohnen das Fundament des Stetlins bespült. Der Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>lag<br />
ist hier ni<strong>ch</strong>t heiter; hin und wider komen Kretinen<br />
zum Vors<strong>ch</strong>in, das dem Wallis an villen Orten eigen ist.<br />
Um 9 Uhr morgens kamen wir in Martina<strong>ch</strong> an; ein<br />
angenehmer Ort; hier s<strong>ch</strong>wenkt die Straße na<strong>ch</strong> dem St.<br />
Bernhart re<strong>ch</strong>ts ab; zugli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>wenkt ein Bergpfad na<strong>ch</strong><br />
das S<strong>ch</strong>amoni-Thal ab. Da Martina<strong>ch</strong>t der S<strong>ch</strong>eidepunkt<br />
der Simplonftraße, na<strong>ch</strong> St. Bernhart, Banithal und<br />
S<strong>ch</strong>amoni-Thal ist, so ist es hier re<strong>ch</strong>t lebhast ; es sind<br />
hier ville Gasthöfe, aber sehr wr, ja turer weder in Steten;<br />
i<strong>ch</strong> zahlte hier für min Frühftük ein S<strong>ch</strong>wizerfranken.
144 Dur<strong>ch</strong>s Bagnetal zum Corbassiöre-Glets<strong>ch</strong>er<br />
S<strong>ch</strong>on zwis<strong>ch</strong>en St. Morizen und Martina<strong>ch</strong>t zeigte mir<br />
Herr Studer den Risen Grand Combeng, das Zil unsrer<br />
kinstigen Bestigung. Sin wißes Haupt mit drey Höhepunkten,<br />
die alle gli<strong>ch</strong> ho<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>inen, und die wienigen<br />
s<strong>ch</strong>warzen Fleken, die wir Warnahmen, zugten, daß dieser<br />
ni<strong>ch</strong>t von gestern entstanden. Vor ihm stand ein 2ter in's<br />
blendent Wiße inghülter Gebürgsstok, der etli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>uh<br />
nidriger s<strong>ch</strong>in; es s<strong>ch</strong>in von Ferne einer siner Kinder zu<br />
sin oder Nebentrabanten, der s<strong>ch</strong>on zimli<strong>ch</strong> wohl gewa<strong>ch</strong>sen.<br />
Denn s<strong>ch</strong>on deßen unfrundli<strong>ch</strong>es Aussehen ließ uns die<br />
S<strong>ch</strong>wirigkeit des Bestigens untren. Speter wurde uns<br />
der kleine von den Wallisanern (als) der wirkli<strong>ch</strong>e Combeng<br />
bezei<strong>ch</strong>net und der groß als ein namenloses Gebürg.<br />
Der Herr wolte si<strong>ch</strong> aber mit den Namen ni<strong>ch</strong>t begnügen,<br />
sondren er behauptete, daß der Große wirkli<strong>ch</strong> der Grand<br />
Combeng sie und der kleine: Klein Combeng.<br />
In Martina<strong>ch</strong>t gieng es die Bernhardftraße vorwerts;<br />
bald verließen wir die St. Bernhardstraße und s<strong>ch</strong>wenkten<br />
mehr re<strong>ch</strong>ts dem Banithal zu. Das Banithal ist ein<br />
fru<strong>ch</strong>tbares, mit hohen Felskämen eingehülte S<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>t;<br />
no<strong>ch</strong> hin und wider zeigen si<strong>ch</strong> Spuren von dem lesten<br />
Seeausbru<strong>ch</strong>. Mehre Nebentheler münden in das Vanien-<br />
Thal aus, wo sie ihre Gand dem wilden Rohnen zus<strong>ch</strong>ieben.<br />
Wir eilten dem hindresten Bergdorf zu, mit<br />
Namen Lourtier; es ist ein klein Bergdorf. Der Herr<br />
su<strong>ch</strong>te hier einen Mann, der uns na<strong>ch</strong> die Ho<strong>ch</strong>gebürge<br />
begleiten solte. Na<strong>ch</strong> langem Hin- und herfragen ers<strong>ch</strong>in<br />
ein junger Walliser von gemeiner Größe, mit rotem Bart,<br />
Joseph Felm, wel<strong>ch</strong>er mir re<strong>ch</strong>t wohl gefiel und zwar um<br />
so mehr, da er eine zimli<strong>ch</strong>e Freude befugte, uns zn<br />
begleiten. Ein Seil, eme kleine Ax, ein Portion Wein,<br />
kurz, alles netige wurde eingepakt. S<strong>ch</strong>on fieng si<strong>ch</strong> die<br />
Sonne an zu neigen, als wir aufbra<strong>ch</strong>en, um no<strong>ch</strong> in die<br />
Alp zu komen. Vier volle Stunden entlegen war der<br />
obreste Staffel, den wir zu errei<strong>ch</strong>en wins<strong>ch</strong>ten. Ungea<strong>ch</strong>t<br />
unsrer S<strong>ch</strong>nelfüßigkeit errei<strong>ch</strong>te uns die Na<strong>ch</strong>t. Wir tabten<br />
in der Finsternis an (den) Gandges<strong>ch</strong>ieben des me<strong>ch</strong>tigen<br />
Corbassiöre-Glets<strong>ch</strong>ers entlang vorwerts, und mit Hilfe<br />
unsers Führers kamen wir in dem obresten Stafel Corbassiöre<br />
an. Die Hüte hat ein ni<strong>ch</strong>t erfreuli<strong>ch</strong>es Aussehen;<br />
do<strong>ch</strong> waren die Hirten freundli<strong>ch</strong>, belabten uns
Wel<strong>ch</strong>es ist der Grand Combin? 145<br />
mit fris<strong>ch</strong>en Alpspisen und rumten uns au<strong>ch</strong> ihre Betten<br />
oder zu sagen ihre S<strong>ch</strong>lafpleze ein. Geduldig roie ein<br />
Lam, das man zur S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tbank führet, warf si<strong>ch</strong> Herr<br />
Regierungsstathalter auf den naßen Boden hin; i<strong>ch</strong> that<br />
das gli<strong>ch</strong>e; 2 Geisfel waren unsre Deken, und so s<strong>ch</strong>liefen<br />
roir ein. Do<strong>ch</strong> die me<strong>ch</strong>tigen Gebürgssteke, deren wyßes<br />
Haupt uns von Martina<strong>ch</strong>t ins Aug fiel, als namentli<strong>ch</strong><br />
die zwey Eombeng, an dern Fuß roir ruhten, und denn<br />
das morgende Zill unser Beftigung war, ließen mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
ruhig eins<strong>ch</strong>lafen. Die ganze Na<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>webten mir diese<br />
wilden Berggestalten vor Augen.<br />
S<strong>ch</strong>on 4 Uhr Morgens war alles wa<strong>ch</strong>. Wir entkro<strong>ch</strong>en<br />
unsern Fellen wie aus einer amerikais<strong>ch</strong>en Jegger-<br />
Höhle, begaben uns vor unsre Hütte, und i<strong>ch</strong> warf minen<br />
ersten Blik na<strong>ch</strong> jenen Berggestalten, die mir min Herr<br />
s<strong>ch</strong>on von der Ebne zwis<strong>ch</strong>en St. Moriz und Martina<strong>ch</strong>t<br />
zeigte. Ein grad aus dem Glets<strong>ch</strong>er-Meer aussu<strong>ch</strong>ender<br />
Gebürgsftok, in's wiße Winterkleid eingepanzret, mit nur<br />
etwas wenigen Felskanten, sin obrester Wipfel mit einem<br />
lie<strong>ch</strong>ten Nebelsaum vers<strong>ch</strong>liret, stund grad vor unsren<br />
Augen. Der Wallser, wo unser Begleiter war, behauptete<br />
neuerdings, daß dis der wirkli<strong>ch</strong>e Grand Eombeng sie,<br />
wenigstens werde er von den dafigen Hirten so benent.<br />
Allein Herr Studer blib bey siner Meinung, daß der vor<br />
unsren Augen nur der Klein Eombeng sie und der Grand<br />
Eombeng no<strong>ch</strong> witer hinten stehe. Die Wolken stürmten im<br />
Äther des Dunstkreises und sezten si<strong>ch</strong> von Zit zu Zit auf die<br />
obresten Gebürgssteke, der diese vor unsren Augen oft verbarg<br />
und auf kein ginstige Unternehmung zu s<strong>ch</strong>ließen war.<br />
Do<strong>ch</strong> waren wir bald ents<strong>ch</strong>loßen, uns ins Gebürge<br />
zu wagen, uns von demjenigen zu uberzugen, was no<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t entzifret war, und so ging es bald vorwerts. Dur<strong>ch</strong><br />
anmutige S<strong>ch</strong>aftriften empor gelangten wir auf die Ebene<br />
des me<strong>ch</strong>tigen Eorbassiöre-Glets<strong>ch</strong>ers. Hier öfnete si<strong>ch</strong> auf<br />
einmal ein Thal des ewigen Winters und eiskalten Todeserstarrung<br />
aller Vegationen. Ein wenigstens 10 Stund<br />
langes, fortlaufendes Thal mit einer Menge Nebenthellren<br />
entfaltete si<strong>ch</strong> vor unsren Augen. Die Tus<strong>ch</strong>ung war in<br />
Betreff der von Martina<strong>ch</strong>t gesehenen Berggestalten jez bald<br />
entzifret. Denn hinten auf der lenken Site jenes S<strong>ch</strong>neethals<br />
erhob si<strong>ch</strong> ein me<strong>ch</strong>tiges Gebürg im Hintergrunde,<br />
v. Weißenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>. 19
146 Ersteigung des Combin de Corbassiöre<br />
deß kolossalis<strong>ch</strong>es Aussehen von selbst den Grand Combeng<br />
bezei<strong>ch</strong>net. Dieses bes<strong>ch</strong>ribene S<strong>ch</strong>neethal s<strong>ch</strong>eidet<br />
die beiden Risen, groß und klein Combeng, von einandren.<br />
Das unsi<strong>ch</strong>re, unbestendige Wetter, das diesem Sumer<br />
elgen war, ließ bezwiflen, ob es uns gelingen werde, den<br />
Grand Combeng zu erklimen. Au<strong>ch</strong> das Kra<strong>ch</strong>en von<br />
hmunters<strong>ch</strong>urenden S<strong>ch</strong>neelauen vom lestgefallenen S<strong>ch</strong>nee<br />
Mgte für eine gewagte Unternehmung. Na<strong>ch</strong> einer kurzen<br />
Berathung war bes<strong>ch</strong>loßen, den Klein Combeng zu erstigen.<br />
Wenn aber vom klein Combeng die Rede ist, so darf man<br />
ni<strong>ch</strong>t an ein Gebürg denken wie der Niesen oder Stokh<br />
o rn, sondren villmehr an die Jungfrau und der<br />
Große Combeng im Verglei<strong>ch</strong> zum Finsteraarhoren.<br />
das ungefehr Halbstund breite<br />
Glets<strong>ch</strong>erfeld. Allmehlig gelangten wir die platen S<strong>ch</strong>neeselder<br />
vorWerts. Pre<strong>ch</strong>tige, abgerundete S<strong>ch</strong>neehubel bilden<br />
des klem Combengs Fußgestell, auf die wir uns ungea<strong>ch</strong>t<br />
der wel<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>neemaße emporarbeiten. Eine Felswand<br />
oder Klipe fiel uns in die Augen, die wir mit viller<br />
Angrif des Stoks war sehr unsrundu<strong>ch</strong>.<br />
Die Bestigung war so ftil, als wenn man eine<br />
Letter an emem Baum ansetzt. Die Bestigung wehrete<br />
alberert m gli<strong>ch</strong>er Stigung fort, bis 1 Uhr. Wir waren<br />
alle ganz abgemattet, warfen uns auf eine Felsplate hin<br />
nahmen ein Glas Wein, ruhten ungefehr Stunden<br />
aus, warfen ein Blik na<strong>ch</strong> sin wißes Haupt, maßen die<br />
Ferne mit unsren Bliken. I<strong>ch</strong> bemerkte minen Reisegeferten,<br />
daß eme Zit von 3 Stunden netig stn werde,<br />
die obreste Spize zu errei<strong>ch</strong>en. Die Tüs<strong>ch</strong>ung in diesem<br />
Felsstok war so groß, daß sogar der Walliser glaubte,<br />
der wirkli<strong>ch</strong> em ausgezei<strong>ch</strong>neter Bergmann ist, daß wir<br />
diesen Höhepunkt in emer Halbstund errei<strong>ch</strong>en mö<strong>ch</strong>ten.<br />
Jez gmg es wider vorwerts. Die Felskanten fiengen an,<br />
elsig zu werden; die Kanten giengen entli<strong>ch</strong> in S<strong>ch</strong>nee<br />
über. Eine S<strong>ch</strong>nee-We<strong>ch</strong>te s<strong>ch</strong>in uns das Vordringen<br />
versperen zu wollen. Der Walliser glozte die Gewe<strong>ch</strong>te<br />
mtt großen Augen an und blib stehen. Jez hieß es, die<br />
lesten Krefte zusamen faßen. I<strong>ch</strong> grif die S<strong>ch</strong>nee-We<strong>ch</strong>te<br />
mutig an und gelangte glikli<strong>ch</strong> daruf. I<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>te das um<br />
gewiklete Seil los, warf das eine Ende hinunter.<br />
-Oer -Walliser band den Herrn an, und so kamen beide
147<br />
glikli<strong>ch</strong> zu mir. Eine wohl stile, aber ni<strong>ch</strong>t in Eis ubergehende<br />
S<strong>ch</strong>nee-Wand nam uns auf, und im Hui waren<br />
wir auf deßen Spize.<br />
Die Wolken stürmten me<strong>ch</strong>tig im Dunstkreise der Erden<br />
und berührten von Zit zu Zit die obresten Spizen der<br />
Gebürge. Au<strong>ch</strong> wurde der S<strong>ch</strong>leier mit einer Wolke über<br />
uns geworfen, die uns von Zeit zu Zeit mit einem kalten<br />
S<strong>ch</strong>neerisel besprengte. Die mit unsren Strapazen in Aussi<strong>ch</strong>t<br />
geftelte Hofnung für eine Rundaussi<strong>ch</strong>t auf die Umgebungen<br />
wurde leider mit daherziehenden Wolken bedekt.<br />
Der Grand Eombeng stund grad vor uns; deß wißes<br />
Haupt wurde jedesmal, wenn uns eine Wolke bedekte,<br />
etli<strong>ch</strong>e Minuten vor uns bedekt, daß wir darus s<strong>ch</strong>ließen<br />
konten, daß er etli<strong>ch</strong>e 100 S<strong>ch</strong>uh ob uns stehe. Traurig<br />
wegen der einges<strong>ch</strong>renkten Aussi<strong>ch</strong>t, verzehrten wir eine<br />
Wurst, die uns unser Herr mitbra<strong>ch</strong>te. Jmer finsterer war<br />
die Aussi<strong>ch</strong>t, die Wolken kamen imer tiefer; auf Aussi<strong>ch</strong>t<br />
war keine zu hoffen. Wir spehten jez ein Rukweg aus,<br />
den wir auf der Morgensite glikli<strong>ch</strong> fanden.<br />
Die Reise gieng vorwerts, die uns die wei<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>nee-<br />
Maße ungemein s<strong>ch</strong>wing ma<strong>ch</strong>te. Jedo<strong>ch</strong> uberwunden wir<br />
alle S<strong>ch</strong>wirigkeiten glikli<strong>ch</strong> und kamen glikli<strong>ch</strong> in unsrer<br />
Herberge an. Der Senn hate uns Mil<strong>ch</strong> mit Nidel vermis<strong>ch</strong>t<br />
hingerei<strong>ch</strong>t. Wir tranken so vill, daß wir speter<br />
darüber la<strong>ch</strong>ten. Wir konten gar ni<strong>ch</strong>t begrifen und i<strong>ch</strong><br />
kan no<strong>ch</strong> hüte ni<strong>ch</strong>t begrifen, wie groß unser Aptit und<br />
wie ausgedent unsre Magen darzumal gewesen. Wenn<br />
man aber bedenkt, daß diese Reise 15—16 Stunden<br />
wehrte und zwar in Regionen mit jeder Abwe<strong>ch</strong>slung<br />
von Temperatur, die bald in Hitze, bald mit s<strong>ch</strong>uerli<strong>ch</strong>e<br />
Kelte abwe<strong>ch</strong>slet, so ist unsre Aptit zu ents<strong>ch</strong>uldigen. Wir<br />
warfen uns auf unser altes Lager hin, strekten unsre maten<br />
Glider aus, — und die vorüberziehenden Traumbilder<br />
der vergangenen Na<strong>ch</strong>t störten mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr.<br />
Morgens wider Nebel, do<strong>ch</strong> ungefehr 9 Uhr verließen<br />
wir unsre Herberg; es hieß über den Col des Pauvres*),<br />
auf Düts<strong>ch</strong> Bettelpaß, ins Banithal zuruk, um von da<br />
*) „Ein armer Mens<strong>ch</strong>, der den Aloen na<strong>ch</strong>zog, um si<strong>ch</strong> seine<br />
Nahrung zu erbetteln, soll einst auf diesem Wege verunglückt<br />
sein. Von oaher der Name, den WeMenfluh treffend zur „Bettler»<br />
Lücke" umwandelte." G. Studer, Bergreisen VIII (Manuskript).
148 „Bettlerlücke", Chermontane, Col de Fenetre<br />
die Bergkette na<strong>ch</strong> Sardinen zu ubers<strong>ch</strong>riten. Als wir<br />
auf geda<strong>ch</strong>tem Vaß ankamen, fiel uns der Getros-<br />
Glet s<strong>ch</strong>er in die Augen, der im Jahr 1828 dem Thal-<br />
Waßer den Dur<strong>ch</strong>paß versperte und ein See bildete, deßen<br />
wilder Ausbru<strong>ch</strong> das Banienthal bis Martina<strong>ch</strong>t verherte.<br />
Allmeli<strong>ch</strong> begaben wir uns Thal einwerts. Etli<strong>ch</strong>e Familien<br />
Murmeltier fielen uns auf.<br />
Am Abend 6 Uhr kamen wir auf der Alp Nr. 2 (?) an,<br />
alls namentli<strong>ch</strong> bey unsers Führers S<strong>ch</strong>wager, ein starker,<br />
herzhafter, der dasigen Gebürgen kundiger Mann, Bernhard<br />
Trolliet, au<strong>ch</strong> ein lidens<strong>ch</strong>astli<strong>ch</strong>er Gemsjeger. Er habe<br />
albereit 170 Stuk erlegt. Er setzte ein tü<strong>ch</strong>tiges Quantum<br />
Gemsenfleis<strong>ch</strong> ob das Feuer; wir aßen uns sat, giengen in<br />
eine 2te Hüte zum S<strong>ch</strong>lafen. Am Morgen kam der Jeger<br />
Trolliet zu uns, fürte uns in Spi<strong>ch</strong>er, gab uns zu eßen. Hier<br />
erblikte i<strong>ch</strong> eine Ankenballe von Gewi<strong>ch</strong>t cirka 170 Pfund.<br />
Alsobald gieng unsre Reise vorwerts. Das Thal zieht<br />
si<strong>ch</strong> lenker Hand vorwerts. Das Thal wird imer einsamer.<br />
Bald gelangten wir an einen Glets<strong>ch</strong>er mit Namen<br />
Durand-Glets<strong>ch</strong>er, der das Thal versiert, und wo man<br />
glaubt, daß hier der Pflanzenwu<strong>ch</strong>s aufHeren werde. Aber<br />
geladene Saumthiere, mit Molken beladen, zeigten uns<br />
an, daß no<strong>ch</strong> einwerts Bi<strong>ch</strong> und Mens<strong>ch</strong>en wohnen. Bald<br />
öfnete si<strong>ch</strong> eine mit wohls<strong>ch</strong>mekenden Blumen bedekte<br />
Wise. Das Luten von Glocken, das Geblök der Lämer,<br />
das Johlen der Hirten gab uns Muth, diese artige<br />
Gegend aufzusu<strong>ch</strong>en. Warhaft ein irdis<strong>ch</strong>es Paradies.<br />
Ringsum ist die Alp Chermontane mit Glets<strong>ch</strong>ren umlagret.<br />
Früher war es Besiz der Sardinis<strong>ch</strong>en Belker; die Waliser<br />
Hüten sie aber von dieser s<strong>ch</strong>önen Alp verdrengt. Die<br />
Hüte ist wirkli<strong>ch</strong> fester Natur mit einer S<strong>ch</strong>wibogenwelbe;<br />
die Hirten waren fründli<strong>ch</strong>e Lüte.<br />
Als wir diese Gegend mit Freuden ubersehen, zogen<br />
wir dem Höhepaß zu, FenStre genannt. Wir ubers<strong>ch</strong>riten<br />
einen ungefehr 1 Stund langen Firen. Auf einmal,<br />
als wir die Höhe errei<strong>ch</strong>ten, öfneten si<strong>ch</strong> die endlosen<br />
Gebürge des Kinigri<strong>ch</strong>s Sardinien vor uns, die wir einige<br />
Minuten mit Erstunen ansahen. Es ist mir wirkli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
migli<strong>ch</strong>, die villen Berggestalten zu bes<strong>ch</strong>riben, die uns hier<br />
in die Augen fielen. Wohl der merkwürdigste von diesen Gebürgen<br />
ers<strong>ch</strong>in Pic de Cogne oder Pointe de la Grivola.
Valpelline 149<br />
Hier sollen no<strong>ch</strong> Steinböke einheimis<strong>ch</strong> stn. Jez mars<strong>ch</strong>ierten<br />
wir den Berg abwerts; eine pre<strong>ch</strong>tige Alp nahm<br />
uns auf. I<strong>ch</strong> zehlte hier 170 Küh; der S<strong>ch</strong>lag von dieser<br />
Sennery ist vom Berner Sibenthal-Vi<strong>ch</strong>. Jede Kuh hate<br />
eine Gloken; dieses Gelut gab im Gebürge ein anmutigen<br />
Widerhal. Ein großer Zu<strong>ch</strong>tstier kam mit der Trupelen<br />
Kühen voran. Der Zu<strong>ch</strong>tstier hate bei der Hüte still,<br />
ma<strong>ch</strong>te Frunt gegen uns mit einem fur<strong>ch</strong>baren Gebrüll.<br />
Er gab kund, daß wir Fremde waren, und wir dursten<br />
der Hüte ni<strong>ch</strong>t nahen.<br />
Jez sahen wir in das Thal Val Pellina, ein anmutiges<br />
Tal, hat mehrere kleine Waßerfelle, s<strong>ch</strong>öne Wiesen.<br />
Wir stießen anfangs auf 3 Personen; davon war der<br />
eine ein Kretiner (Kropfer), der 2. lam, der 3. ein ni<strong>ch</strong>t<br />
hübs<strong>ch</strong>er Jtalljener. Hier tüs<strong>ch</strong>ten wir uns gewaltig; in<br />
diesem s<strong>ch</strong>önen Thall glaubten wir die Natur were mit<br />
dem Mens<strong>ch</strong>en im Einklang, ja die Mens<strong>ch</strong>en eben so<br />
s<strong>ch</strong>ön; jez kamen wir in das Dörflein? — Hier sahen die<br />
Mens<strong>ch</strong>en erbärmli<strong>ch</strong> darin; es hate eine Aussi<strong>ch</strong>t, (als)<br />
wenn diese Mens<strong>ch</strong>en bloß aus Töpfererde weren gema<strong>ch</strong>t<br />
worden und der Töpfer si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bekümrete, ob die<br />
Creatur oder Bild ein Glid mehr oder weniger häte,<br />
namentli<strong>ch</strong> der eine ein Kropf, der 2. zwen Kröpfe, der<br />
drite ein kurzes Bein, der ein Bukel *)<br />
Wir kehrten bim Dorf-Presendenten ein, ein ebenfalls<br />
ni<strong>ch</strong>t hübs<strong>ch</strong>er Mann. Hier kriegten wir eine Flas<strong>ch</strong>e guten<br />
Italiener und s<strong>ch</strong>makhaften Jtaljener-Käs. Jez hüpften<br />
wir dem Dorfe Val Pellina zu; wir haten bloß das<br />
Dörflein betreten, so ers<strong>ch</strong>inen etli<strong>ch</strong>e bes<strong>ch</strong>muzte Polizeidiener<br />
und fordreten unsre Päße. Der Ä<strong>ch</strong>ef davon war<br />
anfangs brutal, sähe unsre Päße als mangelhast (an). Er<br />
gab uns mit sinen Geberden zu verstehen, daß er Gewalt<br />
über uns häte und alles von siner Gnade abhangete. Der<br />
Herr hate Freud an dem Kerel, sezte ihm Win vor. Die<br />
Polizei fand Vergnügen daran. Jez waren sie unsre<br />
Freunde. Der Hauptman servierte den Tis<strong>ch</strong> in unsrem<br />
*) „Weißenfluh vergli<strong>ch</strong> sie mit Witz den Figuren, aus Lehm<br />
gebrannt, nnt denen der Töpfer es ni<strong>ch</strong>t so genau nimmt, wenn<br />
er bei der einen die Nase vergißt, der andern ein Bein zu kurz<br />
ma<strong>ch</strong>t, einer dritten Hals oder Rücken allzurei<strong>ch</strong> ausstaffiert."<br />
G. Studer, Bergreisen VIII (Manuskript).
150 Aofta — Turin<br />
s<strong>ch</strong>muzlgen Wirthshus. Jez gieng es ins Futer oder in<br />
Distel und ni<strong>ch</strong>t ins Bet. Wir wa<strong>ch</strong>ten früh auf. Jez<br />
zahlte der Herr unsren Begleiter, den Walliser, aus.<br />
Dieser gieng über das Gebürge zuruk, und wir stöbreten<br />
der Ebene de Aofta zu.<br />
Im Anfang stießen wir auf Nußbäume, dann Kastanienbäume,<br />
dann Rebberge. So riesenhafte Bäume<br />
wie an der Ausmündung dieser Theler habe i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
lis<strong>ch</strong>t gesehen. Jez kamen wir in Aofta an; die Stadt ist<br />
m<strong>ch</strong>t groß, merkwürdig von den Triumphbegen der Remerwerke<br />
unter Kaiser (Auguftus) in den Jahren (24 v. Chr.).<br />
Der Mens<strong>ch</strong>ens<strong>ch</strong>lag ist hier ungefehr wie im Vale Pellina.<br />
DieHrze war hier s<strong>ch</strong>on ungemein groß, für aus dem S<strong>ch</strong>neegebürge<br />
kommende Mens<strong>ch</strong>en binahe unertregli<strong>ch</strong>. Der Herr<br />
nahm hier wieder ein Führer mit uns. Des Herrn Plan<br />
war, das Mitelgebürg, wo die Thäler Aofta und Vale de<br />
Cogne von einander s<strong>ch</strong>eidet, zu ersteigen, um von der<br />
südn<strong>ch</strong>en Bergkette der Alpen ein Panorama zu zei<strong>ch</strong>nen.<br />
Ungefehr 1 Uhr verließen wir Aofta, ubers<strong>ch</strong>riten<br />
die Dora, eine Brüke von 200 S<strong>ch</strong>rit, und stigen den<br />
Berg aufwerts der Senhüten zu.<br />
Hier bri<strong>ch</strong>t Weißenfluhs Beri<strong>ch</strong>t plötzli<strong>ch</strong> ab. Zweifellos<br />
hat er die ganze Reise bes<strong>ch</strong>rieben, war es do<strong>ch</strong><br />
die bedeutendste und interessanteste seines Lebens: allein<br />
die Fortsetzung hat si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t auffinden lassen. Aus<br />
^ ^ ^Mhrli<strong>ch</strong>er Bes<strong>ch</strong>reibung („Dur<strong>ch</strong> die Alpen<br />
""Z. ^ Sommer 1851", Bergreisen VIII, Manuftnpt<br />
im Besitze der Bibliothek 8. N. c. Bern) sei hier<br />
no<strong>ch</strong> mitgeteilt, was si<strong>ch</strong> auf Weißenfluh bezieht.<br />
Am 18. August gingen die Beiden über den Roc Blanc<br />
na<strong>ch</strong> Cogne, übers<strong>ch</strong>ritten am 19., begleitet von einem Lokalführer,<br />
den „Col de la Neuve" oder „Col d'Arretaz"<br />
hmüber na<strong>ch</strong> dem Val Soanna und gelangten am 20.<br />
^ Durin. Der folgende Tag wurde der<br />
der Stadt und Umgebung Weißenfluh<br />
besu<strong>ch</strong>te mit seinem Herrn au<strong>ch</strong> die „weltberühmte<br />
S^erga". „Der Eindruck dieses Gemäldes ist gewal-<br />
^ 's Studer, und gewiß hat au<strong>ch</strong> sein Begleiter<br />
mn lebhaftester Teilnahme da oben gestanden. Freitag<br />
den 22. August trennten si<strong>ch</strong> Herr und Führer. „Na<strong>ch</strong>
151<br />
3 Uhr morgens kam Weißenfluh auf mein Zimmer, um<br />
von mir Abs<strong>ch</strong>ied zu nehmen. Er sollte heute seinen Heimweg<br />
über Jvrea und das Matterjo<strong>ch</strong> antreten. Er war<br />
ein treuer, wohlgemuther Begleiter, voll Begeisterung für<br />
die großartigen Naturscenen."<br />
-i- -i-<br />
Gottlieb Studer und „Vater Weißenfluh" blieben si<strong>ch</strong><br />
treu in allem We<strong>ch</strong>sel der folgenden Jahre. Sie wurden<br />
alt und blieben jung in ihrer Liebe zu den Bergen.<br />
Und wenn sie fortan au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr oft zusammen wanderten,<br />
so nahm do<strong>ch</strong> jeder na<strong>ch</strong> seiner Art regen Anteil<br />
an des andern Leben und S<strong>ch</strong>icksal. Aus etli<strong>ch</strong>en Briefen<br />
Weißenfluhs, die Studer aufbewahrte, sowie aus späteren<br />
Aufsätzen des letzteren selbst erhellt, wie es dem Philosophen<br />
auf Mühleftalden weiter ergmg und wie dieser Herr<br />
und dieser Führer miteinander verkehrten; zuglei<strong>ch</strong><br />
liegt in und zwis<strong>ch</strong>en den Zeilen ein interessantes Stück<br />
Alpenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, das ein jeder si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Belieben ergänzen<br />
mag.<br />
Weißenfluh an Studer, Brief vom 10ten Bra<strong>ch</strong>monat<br />
1859. (Etwas gekürzt.)<br />
„In Nr. 16 (der) Sontagsbigabe zum Thuner Blat<br />
ers<strong>ch</strong>int die Beftigung vom Rinderhorn, wie i<strong>ch</strong> annehme<br />
von Eu<strong>ch</strong> in Poetis<strong>ch</strong>en Versen aufgesetzt. Diese Ers<strong>ch</strong>inung<br />
hat wohl mit Re<strong>ch</strong>t keine Familie mehr intreßiert<br />
als die unsrige, und zwar in dopleter Beziehung: daß<br />
diese Gedi<strong>ch</strong>te von einem Manne verfaßt sind, den i<strong>ch</strong><br />
persönli<strong>ch</strong> kenne und vill Gutthaten von ihm genossen,<br />
andersits (weil wir) mit den eisigen Risenhäuptren, deren<br />
in Euren Gedi<strong>ch</strong>ten Erwehnung ges<strong>ch</strong>ieht, als Mont<br />
Eervin in seinem s<strong>ch</strong>lanken Eiskleide, Eombin, wie andern<br />
in der Penninis<strong>ch</strong>en Alpenkette stehenden Risen Bekannt<strong>ch</strong>aft<br />
ma<strong>ch</strong>ten; so werden diese alten Gesellen uns ni<strong>ch</strong>t<br />
Är übel nehmen, wenn wir au<strong>ch</strong> unsrersits auf ihre Fründ<strong>ch</strong>aft<br />
re<strong>ch</strong>nen, und zwar umsomehr, da diese Riesengebirge<br />
Jttalien von der S<strong>ch</strong>wiz trennen und unsre Soldaten<br />
hinter diesen ewigen S<strong>ch</strong>anzen ruhig Wa<strong>ch</strong>e halten, wehrend<br />
die Fürsten ihre Belker zu hunderttausend na<strong>ch</strong> Jttalien<br />
triben, um den Po, die Sesta, den Ticino mit Blut
152<br />
3U färben und die Felder zwis<strong>ch</strong>en Turin und Meiland<br />
und Gott wers wie wit mit Blut zu trenken! *)<br />
» r. Gedi<strong>ch</strong>te gelesen, so konnte i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t widerstehe^<br />
Eu<strong>ch</strong> mem Lebeho<strong>ch</strong> zuzurufen, und zwar umsomehr,<br />
daß Sie unsre Alpenwelt in ein erhabenes Lie<strong>ch</strong>t bra<strong>ch</strong>ten<br />
und uns immer mehr fremde Reisende in die Ho<strong>ch</strong>gebirge<br />
vllle sind berufen, aber wenige auserwehlt.<br />
Obs<strong>ch</strong>on mi<strong>ch</strong> das finanzielle Glick eine Zeit lang im<br />
politis<strong>ch</strong>er Verfolgung ni<strong>ch</strong>t beginstigte (Streit<br />
Mit etli<strong>ch</strong>en einflußrei<strong>ch</strong>en Magiftratspersonen im Oberhasli)<br />
so erfteue i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong>, Gott sei Dank, einer guten<br />
Gesundheit; i<strong>ch</strong> gieng im Jahr 1858 mit Hr. Edmund<br />
Fellenberg m einem Tag ab (von) Mühliftalden auf<br />
das Sustenhorn, und m einem Tag im verwi<strong>ch</strong>enen<br />
?oth, Redaktor vom Bund, ab<br />
Mühliftalden über den Trist- und Rhoneglets<strong>ch</strong>er auf die<br />
Grimsel Auf meinen Kristall- und Mineralsamlungen<br />
begleitet mi<strong>ch</strong> mem jüngster Sohn Andres, wel<strong>ch</strong>er ein<br />
guter Bergmann ist; im Winter sitzen wir neben einandren<br />
m der Stube und ma<strong>ch</strong>en Holzs<strong>ch</strong>nizelarbeit. — Wenn<br />
uns.dlesen Sumer wieder Reisende, die unsre Gebürae<br />
zu dur<strong>ch</strong>stobren wins<strong>ch</strong>en, zuwisen können, so wird es uns<br />
freuen; Sie wissen, daß i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die Walliserberge dur<strong>ch</strong>trete,<br />
wie au<strong>ch</strong> emen Theil der Bintner Berge (und) daß<br />
l<strong>ch</strong> alle mögli<strong>ch</strong>e Sorgfalt tragen werde. I<strong>ch</strong> danke Ihnen<br />
daß Sie (uns) bei Herrn Doktor Roth anbefohlen, wie<br />
Is?-» Ä rudern Empfehlungen. Wir sind, Gott sei Dank,<br />
alle gesund; mme Frau Ehriftina erfteut si<strong>ch</strong> der besten<br />
And^Ä.'^ ^"ßen' ^ und mein Sohn<br />
s<strong>ch</strong>lcken Eu<strong>ch</strong> herzli<strong>ch</strong>en Gruß zu, mit dem Wuns<strong>ch</strong>e<br />
A^r Gesundheit ^uren s<strong>ch</strong>weren Amtsges<strong>ch</strong>esten. Ist<br />
die Eisenbahn fertig auf Thun, so laden wir Sie ein, no<strong>ch</strong>mal<br />
heraufzukommen; eine Antwort würde uns freuen." —<br />
Im Sommer 1864 reifte Studer abermals dur<strong>ch</strong> das<br />
Gadmertal hinauf na<strong>ch</strong> der Trift. „Die mä<strong>ch</strong>tigen Berge<br />
s<strong>ch</strong>auten m feierli<strong>ch</strong>em Ernst und in stiller Klarheit auf<br />
^ «e grünen Wiesen, die anspru<strong>ch</strong>slosen Hütt<strong>ch</strong>en,<br />
die dunklen Tannwälder, die üppigen Ahornbäume<br />
worden^" ^ S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>t von Magenta ges<strong>ch</strong>lagen
Ein Wiedersehen 153<br />
la<strong>ch</strong>ten uns im hellen Sonnens<strong>ch</strong>ein entgegen. In jugendli<strong>ch</strong>em<br />
Ungestüm raus<strong>ch</strong>te die Gadmenaar s<strong>ch</strong>äumend und<br />
brausend daher. Na<strong>ch</strong> einem heiteren, gemütli<strong>ch</strong>en Gang<br />
von anderthalb Stunden hielten wir bei Vater Wyßenfluhs<br />
Hause im Mühleftalden an, setzten uns im Baumess<strong>ch</strong>atten<br />
auf grüner Wiese nieder und tranken ein paar<br />
Flas<strong>ch</strong>en Wein, um uns zur Weiterreise zu stärken. Es<br />
war der Platz vor dem glei<strong>ch</strong>en hölzernen Hause mit den<br />
kleinen Fenstern, der hölzernen Treppe, die zur Laube<br />
hinaufführt, wie i<strong>ch</strong> es vor 27 Jahren gefunden hatte.<br />
Aber statt des jungen, hübs<strong>ch</strong>en Weibes von damals trat<br />
mir nun die Hausmutter mit grauem Haar entgegen.<br />
Während wir uns zum Gruß die Hände s<strong>ch</strong>üttelten, meinte<br />
sie mit feinem Komplimente: „Jetzt will i<strong>ch</strong> gerne sterben,<br />
weil i<strong>ch</strong> Sie no<strong>ch</strong> gesehen habe." Der Vater war ni<strong>ch</strong>t<br />
da, sondern mit einem Herrn zu Berg gegangen. Do<strong>ch</strong><br />
sahen sie si<strong>ch</strong> am nämli<strong>ch</strong>en Abend in der Trift. „Als<br />
wir (Studer und seine Gefährten) ni<strong>ch</strong>t mehr fern von<br />
der Clubhütte zu sein s<strong>ch</strong>ienen, begegneten wir drei Männern,<br />
die im Heruntersteigen begriffen waren. Es waren<br />
Herr S<strong>ch</strong>warzenba<strong>ch</strong>-Hüni aus Züri<strong>ch</strong>, Vater Weißenfluh<br />
und no<strong>ch</strong> ein Führer, wel<strong>ch</strong>e heute das Die<strong>ch</strong>terhorn<br />
bestiegen hatten. Von der Clubhütte aus hatten sie uns<br />
gewahrt, als wir den Glets<strong>ch</strong>er übers<strong>ch</strong>ritten, und großmüthig<br />
ents<strong>ch</strong>lossen sie si<strong>ch</strong>, trotz der ungünstigen Witterung,<br />
no<strong>ch</strong> zu Thale zu steigen, damit wir den bes<strong>ch</strong>ränkten<br />
Raum der Hütte auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> benutzen könnten. Wie<br />
wir später vernahmen, blieben sie auf der Triftalp über<br />
Na<strong>ch</strong>t. Wir aber zollen ihnen na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong> unseren Dank<br />
für diese Dienstleistung, deren Werth wir erst erkannten,<br />
als wir das enge Clubhütt<strong>ch</strong>en betraten, das wir na<strong>ch</strong><br />
ungefähr einer Stunde anstrengenden Steigens errei<strong>ch</strong>ten."<br />
Im folgenden Jahre wanderten die beiden alten Pioniere<br />
zum letztenmal miteinander ins Gebirge; und wie<br />
vor mehr als einem Vierteljahrhundert ihre erste gemeinsame<br />
Tour, so galt au<strong>ch</strong> diese letzte dem alten Lieblingsgebiet<br />
der beiden, der Trist. Wie ein Hau<strong>ch</strong> von<br />
Wehmut liegt es über der S<strong>ch</strong>ilderung dieser Fahrt. Zwar<br />
wollte Studer au<strong>ch</strong> jetzt, wie immer, etwas Neues tun<br />
oder lernen; aber der Wuns<strong>ch</strong>, si<strong>ch</strong> des Vergangenen<br />
zu erinnern, die Eindrücke früherer Jahre wieder zu be-
154 Letzte gemeinsame Wanderung<br />
leben, spielte diesmal stärker hinein, und man fühlt, daß<br />
der Gedanke an s Abs<strong>ch</strong>iednehmen si<strong>ch</strong> des Gemüts bemä<strong>ch</strong>tigen<br />
will. „Na<strong>ch</strong>dem i<strong>ch</strong> unter vers<strong>ch</strong>iedenen Malen<br />
das Triftgebiet in man<strong>ch</strong>erlei Ri<strong>ch</strong>tungen dur<strong>ch</strong>kreuzt hatte",<br />
s<strong>ch</strong>reibt Studer, „zog es mi<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong>wohl auf's fris<strong>ch</strong>e wie-<br />
«5? ^ öiese großartige Glets<strong>ch</strong>erwelt; waren do<strong>ch</strong> die<br />
Eindrücke zu mä<strong>ch</strong>tig gewesen, die i<strong>ch</strong> dort empfangen,<br />
, . ""'se 6" lebhaft in meiner Erinnerung, die i<strong>ch</strong> erst<br />
no<strong>ch</strong> im vergangenen Jahr im S<strong>ch</strong>ooße jener erhabenen<br />
Natur gekostet, als daß i<strong>ch</strong> diesem Lieblingstummel-<br />
^iner Wanderungen s<strong>ch</strong>on für immer den<br />
Abs<strong>ch</strong>ied hätte geben können." In Jnnertkir<strong>ch</strong>en traf<br />
Studer mit „Papa Weißenfluh" zusammen, der tatenbereit<br />
seiner Ankunft harrte. „I<strong>ch</strong> hatte nämli<strong>ch</strong> meinem<br />
alten Freunde und Reisegefährten, unter dessen Führung<br />
i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on im Jahr 1839 den Übergang von der Trift<br />
na<strong>ch</strong> dem Rhoneglets<strong>ch</strong>er unternommen hatte — ni<strong>ch</strong>t<br />
ahnend, daß dieses abgelegene Glets<strong>ch</strong>ergebiet einst der<br />
Zielpunkt so man<strong>ch</strong>er rüstigen Alpensteiger sein werde —<br />
< " 6 gema<strong>ch</strong>t, mi<strong>ch</strong> auf meiner Wanderung von<br />
der Gelmeralp zur Elubhütte (in der Trift) zu begleiten<br />
und dur<strong>ch</strong> diesen Gang in jene uns befreundeten Regionen<br />
des ewigen Firns die Erinnerung an dieselben aufzufris<strong>ch</strong>en<br />
und im Geiste die Tage und die Scenen no<strong>ch</strong><br />
ö" dur<strong>ch</strong>leben, die uns damals eine neue mä<strong>ch</strong>tiae<br />
Glets<strong>ch</strong>erwelt ers<strong>ch</strong>lossen hatten. Weißenfluh war mit Freuden<br />
bereit, meinem Rufe zu folgen, und so reisten wir von<br />
cm Abend no<strong>ch</strong> die Handegg zu errei<strong>ch</strong>en."<br />
r. mo<strong>ch</strong>te man wüns<strong>ch</strong>en, die Trift hätte si<strong>ch</strong> ihren<br />
^"^uen guädig erwiesen und sie jetzt no<strong>ch</strong> einmal<br />
m strahlendem Sonnenglanz all' ihre Wunder s<strong>ch</strong>auen<br />
lassen; — aber sie war ebensowenig sentimental, wie die ge-<br />
^tmte übrige Natur, und behandelte Studer und Weißenfiuh<br />
so unfreundli<strong>ch</strong>, als wären sie zwei gänzli<strong>ch</strong> unbekannte<br />
und unberufene Eindringlinge gewesen. — Von<br />
^ ^"^563, wo Peter Sulzer von Guttannen als Hauptsührer<br />
si<strong>ch</strong> hinzugesellte, bra<strong>ch</strong>en sie des s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten Wetters<br />
wegen erst in später Morgenstunde (1. August) auf, stiegen<br />
den alten (seit dem Abbru<strong>ch</strong> der Brücke di<strong>ch</strong>t oberhalb des<br />
-llZasserf
Vom Nebel bezwungen 155<br />
vier Uhr eine Übergangsstelle (Gwä<strong>ch</strong>tenlimmi) na<strong>ch</strong> dem<br />
Tristglets<strong>ch</strong>er. Aber s<strong>ch</strong>on während des Aufstiegs hatten<br />
Nebel die Orientierung ers<strong>ch</strong>wert, und vergebli<strong>ch</strong> spähte<br />
Studer jetzt na<strong>ch</strong> seinen alten Bekannten unter den Berggestalten<br />
des Triftgebiets. „Höhen und Tiefen waren<br />
von di<strong>ch</strong>tem Nebel umhüllt. Keine Spitze ragte aus demselben<br />
heraus, die mir zum Merkzei<strong>ch</strong>en hätte dienen<br />
können, und ni<strong>ch</strong>t ganz ohne Bangen kehrte i<strong>ch</strong> zu meinen<br />
Gefährten zurück, um mit ihnen das frugale Mahl zu<br />
Heilen, das sie aus ihren Rucksäcken hervorgezogen hatten.<br />
Ni<strong>ch</strong>t lange dauerte unsere Rast an den Felsen des<br />
Gwä<strong>ch</strong>tenhorns, denn die Zeit drängte zum Abmars<strong>ch</strong>; —<br />
aber wohin uns wenden? Sollen wir uns ni<strong>ch</strong>t getrost<br />
der Leitung Weißenfluhs überlassen, der den Triftglets<strong>ch</strong>er<br />
fast seine Wiege nennen kann und in diesem Gebiete, das<br />
er so oft in allen Ri<strong>ch</strong>tungen dur<strong>ch</strong>stöbert hat, am besten<br />
Bes<strong>ch</strong>eid weiß?" Geda<strong>ch</strong>t, getan, — und wie es ging, muß<br />
man im III. Bande des Jahrbu<strong>ch</strong>s 8. N. L. na<strong>ch</strong>lesen, wo<br />
die ganze Tour sehr ausführli<strong>ch</strong> und anziehend ges<strong>ch</strong>ildert<br />
wird. Es ist die famose Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von der „kühlen Herberg"<br />
am Triftstöckli. Kurz gesagt: die Tücke des Nebels<br />
siegte au<strong>ch</strong> über diese hundertfa<strong>ch</strong> erprobten Kämpen, und<br />
na<strong>ch</strong> hartnäckigster Gegenwehr mußten si<strong>ch</strong> die Drei am<br />
späten Abend gefangen geben. „Fast am obersten Rande<br />
des kahlen Absturzes fanden wir ein kleines, zur Lagernatte<br />
dienendes Plätz<strong>ch</strong>en, das si<strong>ch</strong> an ein aufre<strong>ch</strong>t stehendes<br />
Felsenband lehnte und uns von dieser Seite S<strong>ch</strong>utz<br />
vor den Winden gewährte. Auf der äußern, dem Abgrunde<br />
zugekehrten Seite wurde eine kleine Mauer aus<br />
Steinplatten hergestellt, um uns sowohl gegen das Hinunterfallen,<br />
als gegen den Windzug au<strong>ch</strong> von dieser Seite<br />
so gut als mögli<strong>ch</strong> zu si<strong>ch</strong>ern. Der Zwis<strong>ch</strong>enraum bot<br />
nothdürftig für zwei Mann Raum dar; der dritte mußte<br />
si<strong>ch</strong> ein anderes Quartier aussu<strong>ch</strong>en Als das Lager<br />
bereitet, d. h. die Steine größten Kalibers entfernt und<br />
über Bord ges<strong>ch</strong>missen waren, wickelte i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> vom Kopf<br />
bis zu den Zehen in den wollenen Shawl meiner Frau,<br />
den i<strong>ch</strong> statt eines englis<strong>ch</strong>en Plaids mit auf die Reise<br />
genommen hatte, zog meine wollene Kappe tief über das<br />
Gesi<strong>ch</strong>t hinab und legte mi<strong>ch</strong> resigniert auf das feu<strong>ch</strong>te,<br />
harte Lager nieder, das wenigstens den Vorzug hatte, daß
156 „Kühle Herberg"; Rückzug aus der Trift<br />
man die Beine, so lang sie waren, strecken konnte. Als<br />
Kopfkissen diente mir die Reisetas<strong>ch</strong>e, und so roar i<strong>ch</strong> bereit,<br />
den Gott des S<strong>ch</strong>lafes in meinen Armen zu empfangen.<br />
Di<strong>ch</strong>t an meiner Seite streckte si<strong>ch</strong> der wackere Peter nieder.<br />
Er hatte si<strong>ch</strong> das Nastu<strong>ch</strong> um den Kopf ges<strong>ch</strong>nallt<br />
und benutzte gern no<strong>ch</strong> einen Zipfel meines Shawls, um<br />
seiner kümmerli<strong>ch</strong>en Bedeckung na<strong>ch</strong>zuhelfen. In wel<strong>ch</strong>es<br />
Lo<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> Vater Weißenfluh hingelegt, ist mir verborgen<br />
geblieben. Er muß jedenfalls ni<strong>ch</strong>t viel von der inneren<br />
Erdrvärme verspürt haben. Für den S<strong>ch</strong>utz seines grauen<br />
Hauptes hatte er zwar gesorgt und dasselbe bis zu den<br />
S<strong>ch</strong>ultern hinab in den seines Inhalts entledigten<br />
Habersack gesteckt. Allein Körper und Füße s<strong>ch</strong>einen dieser<br />
Wärme-Conzentration ni<strong>ch</strong>t theilhaftig gewesen zu sein,<br />
denn wir hörten ihn während der Na<strong>ch</strong>t etli<strong>ch</strong>e male in<br />
dem Gestein herumstolpern, um si<strong>ch</strong> eine gesunde Bewegung<br />
zu geben. Do<strong>ch</strong> so lange wir keinen Regen oder S<strong>ch</strong>neefall<br />
hatten, und damit blieben wir Gott sei Dank vers<strong>ch</strong>ont,<br />
war es mir ni<strong>ch</strong>t bang um diese berggewohnten,<br />
abgehärteten Männer." — In der Tat kam keiner dur<strong>ch</strong><br />
das Abenteuer zu S<strong>ch</strong>aden, und am folgenden Morgen<br />
errei<strong>ch</strong>ten sie glückli<strong>ch</strong> die nahe Klubhütte, von wo sie,<br />
na<strong>ch</strong> tü<strong>ch</strong>tiger Erholung, über einen anderen Glets<strong>ch</strong>erpaß<br />
na<strong>ch</strong> Realp zu gelangen hofften. Aber die Trift hatte<br />
nun einmal kein Erbarmen. Zwar vers<strong>ch</strong>wanden die<br />
Nebel, und Heller Sonnens<strong>ch</strong>ein lag auf den Firnen und<br />
Glets<strong>ch</strong>ern; dafür bra<strong>ch</strong> aber ein s<strong>ch</strong>reckli<strong>ch</strong>er Föhnsturm<br />
los, der die Wanderer ins Tal hinunter trieb. No<strong>ch</strong><br />
ehe sie drunten waren, wurde der Himmel wieder grau<br />
und s<strong>ch</strong>warz, „leerten die Wolken ihren Wasservorrat aus,<br />
und der Regen dauerte fast ohne Unterbre<strong>ch</strong>ung fort. Es<br />
ging lange auf s<strong>ch</strong>lüpferigen Pfaden den jähen Talwänden<br />
entlang und über nasse, von düsterem Wald umkränzte<br />
Tristen. Bevor wir na<strong>ch</strong> dem Hauvttale niederstiegen,<br />
trennten si<strong>ch</strong> unsere Wege. Weißenfluh gmg zur Linken seiner<br />
Heimat zu, Peter und i<strong>ch</strong> zur Re<strong>ch</strong>ten gegen die hohe Brücke<br />
hinunter, die über das wilde Triftwasser ges<strong>ch</strong>lagen ist".<br />
So hatte die letzte gemeinsame Bergfahrt do<strong>ch</strong> zu einem<br />
denkwürdigen Abenteuer geführt und Studer Gelegenheit<br />
gegeben, zum Abs<strong>ch</strong>iede das Bild seines alten Gefährten mit<br />
Ans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>keit und Humor zu entwerfen. Versteht si<strong>ch</strong> von
Im entfernten Tal 157<br />
selbst, daß weder Nebel, no<strong>ch</strong> „kühle Herberg", no<strong>ch</strong> Föhn,<br />
no<strong>ch</strong> Regenguß dem „Berggeist" dieser Männer etwas anzuhaben<br />
vermo<strong>ch</strong>ten; do<strong>ch</strong> behielt Weißenfluh, obwohl er si<strong>ch</strong><br />
„über die ganze böse Zeit mannli<strong>ch</strong> gehalten", no<strong>ch</strong> lange<br />
einen gewissen Groll gegen das unwirtli<strong>ch</strong>e Triftstöckli.<br />
Besonders <strong>ch</strong>arakteristis<strong>ch</strong> für den ferneren Verkehr zwis<strong>ch</strong>en<br />
den alten Freunden ist der nä<strong>ch</strong>ste erhaltene Brief<br />
Weißenfiuhs, der re<strong>ch</strong>t interessante Einzelheiten aus der<br />
mühletalis<strong>ch</strong>en Welt enthält und dur<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>e Stellen die<br />
Vermutung weckt, als hätte Studer beabsi<strong>ch</strong>tigt, seinem langjährigen<br />
Gefährten ein biographis<strong>ch</strong>es Denkmal zu setzen.<br />
Mühliftalden, den 28. Dezember 1869.<br />
Herrn Gottlieb Studer, alt Regierungsstatthalter!<br />
Euren Brief vom 22. dies habe i<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tig mit damit<br />
befindli<strong>ch</strong>en Pecklin erhalten. Daran da<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, denn<br />
das war wirkli<strong>ch</strong> unerwartet, obs<strong>ch</strong>on au<strong>ch</strong> i<strong>ch</strong> bim Ablauf<br />
des Jahrs einen Ruckblick auf die zurückgelegte Wanders<strong>ch</strong>aft<br />
werfe, au<strong>ch</strong> mir unsre Reisen mit fris<strong>ch</strong>er Lebenskraft<br />
in Erinnerung kommen, mi<strong>ch</strong> damit oft neu sterke<br />
und erinnre, wie i<strong>ch</strong> vertrauungsvoll an Euer Site wandlete,<br />
wie wir die üppigen, mit Alpenrosen ubersäten Halden<br />
dur<strong>ch</strong>stöbreten, wie wir uns am Abend müd in's Bett<br />
legeten, aber alle Morgen mit fris<strong>ch</strong>em Muth unsre Reise<br />
fortsetzten und Gottlob und Dank vor allem Unfall bewahrt<br />
blieben. Aber an eine so große Freunds<strong>ch</strong>aft durfte i<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t denken, daß Sie und Eure Frau an mi<strong>ch</strong> und meine<br />
Familie denket, an eine Familie in einem entfernten Thal,<br />
die Ihnen Ihre Freunds<strong>ch</strong>aft ni<strong>ch</strong>t ersezen (vergelten) kann.<br />
Der Postilion bra<strong>ch</strong>te mir das Pack in die Stube;<br />
min alte Frau lag eben an der Lungenentzindung im<br />
Bette, war aber auf bessren; sie freute si<strong>ch</strong> sehr bim Anblick<br />
aus die warmen S<strong>ch</strong>uhe und konnte ni<strong>ch</strong>t Worte genug<br />
finden, Ihnen zu danken. Jetzt stehet sie auf und ma<strong>ch</strong>t<br />
mir den Kaffee, und laust wie eine 30jährige in den<br />
warmen S<strong>ch</strong>uhen herum.<br />
Der Kaffee kam au<strong>ch</strong> zu re<strong>ch</strong>ter Zit; er leistet über<br />
das Neujahr treffli<strong>ch</strong>e Dienste. Endli<strong>ch</strong> komme i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong><br />
zum Bu<strong>ch</strong>; es ist etwas das i<strong>ch</strong> mir lang wins<strong>ch</strong>te, aber<br />
so großartig konnte i<strong>ch</strong> es (mir) ni<strong>ch</strong>t vorstellen; was i<strong>ch</strong><br />
bisher erhielte, waren nur Flugbletter aus Zitungen.
158 Weihna<strong>ch</strong>tsges<strong>ch</strong>enke<br />
Diese Missionen erinnern an die ärmste (?) Zit, wo unser<br />
Heiland auf der Erde wandlete vor 1869 Jahren, wo<br />
der Herr, wie au<strong>ch</strong> seine Apostel, s<strong>ch</strong>on mit den gli<strong>ch</strong>en<br />
Verfolgungen zu thun und zu kämpfen hatten, roie die<br />
Aigen Missionare. Es liegt vor Augen und in dem<br />
Fingerzeig Gottes, daß die reine Lehre des Li<strong>ch</strong>ts mit der<br />
Zeit in alle finstren Winkel der Erde dur<strong>ch</strong>dringt und der<br />
Fürst der Finsternis zurücktreten muß. Dieses Bu<strong>ch</strong> ist<br />
lehrrei<strong>ch</strong>, verkürzt mir die langen Winterabend; i<strong>ch</strong> danke<br />
Ihnen herzli<strong>ch</strong> dafür. Das Nastu<strong>ch</strong> behalte (i<strong>ch</strong>) auf den<br />
Summer, wenn i<strong>ch</strong> einen Ausflug ma<strong>ch</strong>e, und danke dafür<br />
Wie es si<strong>ch</strong> ergibt, seid Ihr au<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> von der<br />
Lungenentzündung geheilet. Ihr habet eine s<strong>ch</strong>öne Reise<br />
gema<strong>ch</strong>t und seid gottlob und Dank gesund wieder heimgekommen.<br />
Hätte i<strong>ch</strong> Gelegenheit, (so) würdet Ihr mir<br />
wohl etwas von Eurer Reise verzellen; wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong><br />
habt Ihr das Merkwirdigste aufges<strong>ch</strong>ryben.<br />
Au<strong>ch</strong> etwas aus unseren Bergen!<br />
Heinri<strong>ch</strong> Egger, ein lidens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Jeger, starken<br />
Kerperbaus und beherzt, do<strong>ch</strong> mit den hohen Gebirgsrevieren<br />
zu wenig bekannt, kam am Ilten November letzthin<br />
zu minem Sohn Johann, um auf die Gemsenjagd na<strong>ch</strong><br />
dem Tnftgeblet (zu gehen); mine
Opfer der Berge 159<br />
Mann s<strong>ch</strong>lössen si<strong>ch</strong> an, und in der Na<strong>ch</strong>t vom 14ten auf<br />
den 15ten kamen die Leute hinauf. Es erzeigte si<strong>ch</strong> bald<br />
daß die Jeger einen Föhn-S<strong>ch</strong>ild abgetreten, (der) zu<br />
einer großen Laue (Lawine) geworden und die Jeger<br />
begraben; der Laue-S<strong>ch</strong>nee war an vers<strong>ch</strong>iedenen Stellen<br />
bis 14 Fuß (ho<strong>ch</strong>). Nirgends keine Spur; erst um Mittag<br />
stieß man auf die Li<strong>ch</strong>en: sie lagen nebeneinander, die<br />
Stöcke krampfhaft in Henden, Gewehr und Waidtas<strong>ch</strong>e am<br />
Rucken. Der S<strong>ch</strong>nee, wo sie bedeckte, mag a<strong>ch</strong>t S<strong>ch</strong>uh<br />
ho<strong>ch</strong> sin; wahrs<strong>ch</strong>inli<strong>ch</strong> haben die Jeger wegen der Na<strong>ch</strong>t<br />
geeitt, si<strong>ch</strong> auf den Hindren gesetzt, um s<strong>ch</strong>nell hinunter zu<br />
ruts<strong>ch</strong>en, wobei die Rinde vom S<strong>ch</strong>nee, das dem Föhns<strong>ch</strong>nee<br />
eigen ist, zersprungen, großartig auf vielen Punkten losgerissen<br />
und m die Tiefe ges<strong>ch</strong>leudret. Die Li<strong>ch</strong>en wurden<br />
Hus gebra<strong>ch</strong>t; es sind beide Familienvater,<br />
-Wrßenstuh von 7, Egger von 3 Kindren, aber keiner<br />
arm. — Die Berge fordren von Zit zu Zit ihre Opfer;<br />
wer d a umher wandlet, bri<strong>ch</strong>t oft Unglicksblumen. Gott<br />
behüte uns vor dergli<strong>ch</strong>en Unglicksfällen!<br />
Mine Söhne Hans und Andres ma<strong>ch</strong>ten im letzten<br />
Summer (Bergtouren) mit Herrn Häberlin aus Frankfurt.<br />
Da es Berge sind, die Sie lengst bes<strong>ch</strong>riben und<br />
^nnen, wird es sie um so mehr intreßiren. Es ist das<br />
Gespaltene Hören, die wilde Frau, Ebenenhoren und die<br />
Kameraden ringsum. Herr Häberlin ist ein guter Herr,<br />
au<strong>ch</strong> guter Bergmann; ma<strong>ch</strong>t aber starke Touren*). Au<strong>ch</strong><br />
dergli<strong>ch</strong>en Bekannts<strong>ch</strong>ast haben wir Ihnen zu verdanken;<br />
Sie legten den Grundstein zum S<strong>ch</strong>wizris<strong>ch</strong>en Alpenklub;<br />
wohl gesellten si<strong>ch</strong> wahrhaste Naturfreunde zu Ihnen binahe<br />
*) Die Eintragungen Herr E. I. Häberlins (damals swä. jur.)<br />
in Andreas v. Weißenfluhs Führerbu<strong>ch</strong> bestätigen die „Stärke"<br />
vollkommen, s<strong>ch</strong>on für die Campagne von 1868. Man bea<strong>ch</strong>te<br />
me Rasttage. Am 26. Aug.: von der Gös<strong>ch</strong>enenalp über das<br />
Maasplankjo<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> der Clubhütte in der Trift, lange und<br />
s<strong>ch</strong>wierige Erstbesteiguna. 27. Aua.: S<strong>ch</strong>neestock, Dammastock,<br />
Mittelstock, Rhonestock, Trift. 28. Aug.: Tristlimmi, Galenstock.<br />
Gnmsel. 29. Aug.: Oberaarjo<strong>ch</strong>, Rothlo<strong>ch</strong>. 30. Aug.: Wegen<br />
Ungunst des Wetters Finsteraarhorn aufgegeben; daher über<br />
Iiel<strong>ch</strong>erglets<strong>ch</strong>er, Grünhornlücke, Alets<strong>ch</strong>glets<strong>ch</strong>er na<strong>ch</strong> Fies<strong>ch</strong>.<br />
31. Aug.: Von Fiesck na<strong>ch</strong> Randa. 1. Sept.: Randa-D o m-Randa.<br />
2. Sept.: Von Randa über Zermatt na<strong>ch</strong> dem Riffel. 3. Sept -<br />
Sept.: Vom Riffel über Zermatt na<strong>ch</strong> den<br />
Zmutt-Hutten. 5. Sept.: über Col d'Hsrens na<strong>ch</strong> Evolena.
160<br />
Weißenfluhs Familie<br />
aus allen Gauen der S<strong>ch</strong>rviz, wie zum Bispill Herr Professor<br />
Ullri<strong>ch</strong>, Herr Großrath Linth, Hostnann in Basel,<br />
und mit der Zit so viele, die i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t zu nennen vermag,<br />
die i<strong>ch</strong> aber als Bergfreunde alle ho<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>eze. Diese s<strong>ch</strong>öne<br />
Gesells<strong>ch</strong>aft bringt gegen dem Ausland A<strong>ch</strong>tung hervor,<br />
im Vaterland Verdienst und Erwiterung von nützli<strong>ch</strong>er<br />
Wissens<strong>ch</strong>aft. Wir sind Ihnen daher, au<strong>ch</strong> Euren Kollegen,<br />
den roermsten Dank s<strong>ch</strong>uldig.<br />
No<strong>ch</strong> etwas über mine Familien-Angelegenheit.<br />
Min Jahrzahl trägt das Datum vom 15. März*) 1799.<br />
Das Datum miner Frau trägt die Jahrzahl 1800 den<br />
5ten Hornung. I<strong>ch</strong> verheiratete mi<strong>ch</strong> im Merz 1823; i<strong>ch</strong><br />
dur<strong>ch</strong>lebte mit miner Frau eine Zit von 48 Jahren. I<strong>ch</strong><br />
habe jetz 22 Großenkel und zwei Urenklin, alles Gottlob<br />
und Dank ges<strong>ch</strong>ickte, s<strong>ch</strong>öne Kinder; alle lieben mi<strong>ch</strong>; mine<br />
Söhne sind re<strong>ch</strong>t gut gegen mi<strong>ch</strong>; i<strong>ch</strong> fühle mi<strong>ch</strong> glickli<strong>ch</strong><br />
in minem Alter. I<strong>ch</strong> war im verwi<strong>ch</strong>nen Summer no<strong>ch</strong><br />
viel in der Trift, eigentli<strong>ch</strong> min wahres Lieblingsort; i<strong>ch</strong><br />
gieng no<strong>ch</strong> mit einem Bindel Holz von der Windegg in<br />
Gallenstock und zurück zur Klübhütte. Sie können denken,<br />
daß i<strong>ch</strong> viel an Sie denke, wenn i<strong>ch</strong> in der Trift bin;<br />
aber das Triftsteckli sehe i<strong>ch</strong> immer mit s<strong>ch</strong>elen Augen<br />
an, indem es uns gefangen hielt.<br />
No<strong>ch</strong> etwas von miner und Herr Großrath<br />
Bürkis Reise.<br />
Am 21. Juli 1868 Mittag verreisten wir von Bern.<br />
S<strong>ch</strong>nell dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>nitt die Eisenbahn die s<strong>ch</strong>önen Gaue von<br />
Freyburg; nur wenig Genuß hat der Reisende von der<br />
s<strong>ch</strong>önen Natur, wenn er in der Eisenbahn sitzt. Blos<br />
die alten S<strong>ch</strong>lößer hinter Vivis erinnren an lengft vers<strong>ch</strong>ollene<br />
Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter. Aellen und Bex, wo wir einst am<br />
lieben Na<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>atten wandleten, flogen wie flü<strong>ch</strong>tige Träume<br />
vorüber. In St. Moriz stund die Festung gedemütiget<br />
im Vordergrund, wo jez die Eisenbahn stolz hinter dem<br />
Rucken der Festung hindur<strong>ch</strong>rollte. Jetz sind wir s<strong>ch</strong>on<br />
in Martina<strong>ch</strong>t; fit wir hier waren, vers<strong>ch</strong>önren etli<strong>ch</strong>e<br />
*) Laut Auszug aus dem Taufrodel: 24. Februar.
Im Zeitalter der Eisenbahn 161<br />
neuerbaute Hütel den s<strong>ch</strong>on vorher angenehmen s<strong>ch</strong>önen<br />
Orth. Am 13ten morgens früh mars<strong>ch</strong>ieren wir der wild<br />
dahers<strong>ch</strong>umenden Dranse entlang Thal einwerts. Das<br />
Dörflein Lourtier ist errei<strong>ch</strong>t; i<strong>ch</strong> fragte unsrem damaligen<br />
Führer Felley na<strong>ch</strong>, aber wegen Unkundigkeit der Spra<strong>ch</strong>e,<br />
au<strong>ch</strong> vom Verfluß der Zit konnte (i<strong>ch</strong>) ni<strong>ch</strong>ts entdecken.<br />
I<strong>ch</strong> erkannte no<strong>ch</strong> den Weg, wo wir dazumal abs<strong>ch</strong>wenkten,<br />
um auf die Alp Corbassidre zu gelangen. Unsre sither<br />
hinter mir liegende Zit s<strong>ch</strong>in mir, wenn es blos etli<strong>ch</strong>e<br />
Tage vorbey wären; es kam mir vor, als weren Sie<br />
au<strong>ch</strong> by uns. Jez langen wir bim Glets<strong>ch</strong>er an, der einst<br />
der Dranse den Ausgang versperrte; disfits der Dranse<br />
ist ein neues Gasthefli, dabey eine Kapele; hier war alles<br />
gastfreundli<strong>ch</strong>. Wir sahen von da den Wasserfall vom<br />
Gstroz-Glets<strong>ch</strong>er; der Glets<strong>ch</strong>er ist zurückgetreten; er verhaltet<br />
si<strong>ch</strong> ruhig; er hat keinen Uberflus mehr, um die<br />
Straße zu hemmen. Wir ubers<strong>ch</strong>ritten den Glets<strong>ch</strong>er by<br />
(Col de) FenLtre; jez sind wir in Valpelina; aber keine<br />
Grenzwe<strong>ch</strong>ter sind da; alles ist freunds<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>. Im Thalgrund<br />
ist jez ein Kupferbergwerk; eine ziemli<strong>ch</strong> gute<br />
Straße re<strong>ch</strong>ter Hand führt uns na<strong>ch</strong> Aosta; es ist no<strong>ch</strong><br />
die gli<strong>ch</strong>e finstere Stadt mit verkripleten Einwohnern;<br />
aber 10 Minuten vor der Stadt (ist) ein neuer Gasthof,<br />
gut eingeri<strong>ch</strong>tet und billi<strong>ch</strong>. Wir bestiegen den Berg<br />
zwis<strong>ch</strong>en Aosta und Val de Cogne, aber (mehr) linker<br />
Hand als damals; aber au<strong>ch</strong> diesmal war der Mont blanc,<br />
wenn er jez s<strong>ch</strong>on französis<strong>ch</strong> ist, ni<strong>ch</strong>t höM<strong>ch</strong>; er guckte<br />
nur mistruwis<strong>ch</strong> von Zit zu Zit unter der Nebelkappe<br />
kervor *) Jez kamen wir über Chatillon na<strong>ch</strong> das Dorf<br />
?ornancke- alles ist für die Reisenden eingeri<strong>ch</strong>tet; in<br />
der Alp Breuil ist eine Wirts<strong>ch</strong>aft, au<strong>ch</strong> auf der Höhe<br />
"""I<strong>ch</strong> "bitte Ä Verzeihung daß i<strong>ch</strong> so viel S-f<strong>ch</strong>riben<br />
und Sa<strong>ch</strong>en hervorgehoben, die Sie lengst wußten. I<strong>ch</strong><br />
ende ie, Minen Brief und danke Ihnen für alle von Eu<strong>ch</strong><br />
und U.7r Frau erhaltenen Gutthaten und für Eure<br />
^ Dorste m°-^m<br />
da oben stand, war s ahnu<strong>ch</strong> g I ^ des Combm, des<br />
.»borgen.-<br />
G. Studer, Bergreisen VIII. ^<br />
v. Wetßenfluh, <strong>Aufzei<strong>ch</strong>nungen</strong>.
162<br />
Aus zähem Holz<br />
Freunds<strong>ch</strong>aft, die wir sit so vielen Jahren von Ihnen<br />
empfangen.<br />
I<strong>ch</strong> und mine Söhne und Frau rvms<strong>ch</strong>en Ihnen em<br />
glickli<strong>ch</strong>es neues Jahr und wenn wir unsre irdis<strong>ch</strong>e Laufbahn<br />
vollendet, ein seliges.<br />
Mit herzli<strong>ch</strong>em Grus und Werths<strong>ch</strong>ezung<br />
Joh. v. Weyßenfluh, Vater.<br />
Die zähe Lebenskraft des Alten hielt no<strong>ch</strong> eine gute<br />
Weile aus. Abgesehen von der letzten größeren Reise mit<br />
Bürki verzi<strong>ch</strong>tete Weißenfluh zwar na<strong>ch</strong> 1865 auf den<br />
Führerberuf und Herrendienst; aber der Mineraliensammler<br />
stieg no<strong>ch</strong> oft na<strong>ch</strong> seiner geliebten Trist empor,<br />
die ja re<strong>ch</strong>t eigentli<strong>ch</strong> zu seinem Leben gehörte. Auf<br />
eigene Faust, wie er einst begonnen, dur<strong>ch</strong>streifte er no<strong>ch</strong><br />
jahrelang das ihm vertraute Revier, ni<strong>ch</strong>t selten ganz<br />
allein, ein freier Mann mit selbstgewählten Zielen. Und<br />
mindestens einmal no<strong>ch</strong> spielte die Trift ihrem Bezwmger<br />
einen Strei<strong>ch</strong>, der s<strong>ch</strong>limmer und grausamer war, als der<br />
von 1865. Aber sie kriegte Hansen ni<strong>ch</strong>t unter! Was der<br />
Greis an jenem Tage unternahm und wie er sein Triftabenteuer<br />
bestand, wäre einer Ballade würdig; do<strong>ch</strong> liegt<br />
viellei<strong>ch</strong>t mehr Reiz in der s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>ten Mitteilung des Sohnes<br />
Andreas. „In seinem 74ten Altersjahr ma<strong>ch</strong>te der Vater<br />
no<strong>ch</strong> einen Gang von der Grimsel na<strong>ch</strong> dem Galenstock,<br />
um Kristalle zu su<strong>ch</strong>en, also einzig. Von dort ist er<br />
über die Triftlimmi gegangen, kam m ein starkes Gewitter,<br />
und dur<strong>ch</strong>näßt kam er na<strong>ch</strong>ts 12 Uhr beim Thältistock<br />
an, wo er biwakieren mußte. Am folgenden Tag kam er<br />
fris<strong>ch</strong> und munter in Mühlestalden an."<br />
Von den zweifellos zahlrei<strong>ch</strong>en Briefen Studers an<br />
Weißenfluh hat si<strong>ch</strong> in Mühlestalden nur ein einziger erhalten<br />
; aber das ganze Verhältnis, alle gegenseitige Werts<strong>ch</strong>ätzung,<br />
Liebe und Treue, liegt in diesem einen. Studer stand<br />
im a<strong>ch</strong>tzigsten, Weißenfluh im fünfunda<strong>ch</strong>tzigsten Lebensjahr.<br />
Für beide war es Abend geworden und der Tag hatte si<strong>ch</strong><br />
geneiget. * 5 *<br />
Am 12. Februar 1885 starb Johann von Weißenfluh.
^» » »«^»»«^»-»'<br />
Die alten Freunde 163<br />
^ ^ ^' »' >» » -
164 Weißenfluhs letzter Aufsatz<br />
^
Studers letzte Ho<strong>ch</strong>gebirgstour 165<br />
" " " ^ -/'^. .,-i^m /»)<br />
^ ^e/-^.
Inkaltsverseicknis.<br />
Seite<br />
Einleitung g<br />
Lkronik 17V2—I82l von lokann v. lveikensluk 6em Altern<br />
<strong>1792</strong><br />
Vom Frielyng 1793<br />
Der Sommer 1793<br />
Der Sumer 1794 ' '<br />
Der Herbst 1794<br />
Der Wintter 1795 (1794—1795) .<br />
Drieling 1795<br />
Drieling 1796<br />
Sommer 1796. . . .<br />
Der Herbst 1796 . .<br />
Vom Winter 1796<br />
Der Frieling 1797 . . .<br />
Vom Jahr 1798<br />
Kurtze S<strong>ch</strong>ilderung der Helfetis<strong>ch</strong>en Regierung, von dem<br />
Jahr 1798 bis m das Jahr 1803<br />
Vom Jhsen-Bergwerk im Mühlithal<br />
Cato und Cesar<br />
13<br />
Ig<br />
18<br />
19<br />
20<br />
21<br />
21<br />
22<br />
23<br />
24<br />
25<br />
25<br />
25<br />
26<br />
52<br />
59<br />
67<br />
Von etli<strong>ch</strong>en unerherten S<strong>ch</strong>nee-Lauwenen im Jahr 1808<br />
Von etli<strong>ch</strong>en Berg-Stirtzen und Felsen-Bri<strong>ch</strong>en in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz<br />
Von ungewonten Jahrgängen<br />
lolb<br />
l»>2 ! ^ ^ ^ ^<br />
Anhang:<br />
68<br />
KS<br />
7g<br />
-70<br />
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im Oberland. April und Mai 1798 74<br />
»jum Aufruhr im Oberland vom Frühling 1799. . . 89<br />
Alpenreisen ILS0—lSSl von Zokann v. Veibenkluk äem<br />
Ungern<br />
l. Gemmi, Visp'Zermatt, Weißtor, Monte Moro, Simii<br />
Lukmamer, Panirerpaß, Pragel, Brünig. . 109<br />
... Astbeste,gung des Thierbergs 137<br />
UI. Dur<strong>ch</strong> die Alpen na<strong>ch</strong> Turin 140<br />
Au<strong>ch</strong> etwas aus unseren Bergen 158<br />
Uto<strong>ch</strong> etwas über mme Faminen-Anaelegenheit . . . 160<br />
etwA von miner und Herr Großrath Bürkis Reise 160<br />
»ers Brief an Vater Weißenfluh 163
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