Ausgabe 11/12 2011 - BDH Bundesverband Rehabilitation
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Aktuelles<br />
4<br />
tung andererseits hin. Dabei gilt,<br />
dass vor allem eine gute Bildung<br />
die beste Prävention gegen Armut<br />
bedeutet. Menschen, die über keinen<br />
oder über einen Hauptschulabschluss<br />
verfügen, sind zu 23,2 Prozent<br />
„armutsgefährdet“, wobei häufig<br />
Alleinerziehende (37,5 Prozent)<br />
dieses Schicksal teilen. Gute Bildung<br />
und sichere finanzielle Verhältnisse<br />
sind laut der Studie eine<br />
gute Basis eines gesunden Lebens<br />
mit einer deutlich höheren Lebenserwartung.<br />
Wirklich besorgniserregend<br />
waren die Aussagen zur Lebensrealität<br />
Betroffener: Jeder Dritte<br />
der Armutsgefährdeten war nicht<br />
in der Lage, zumindest jeden zweiten<br />
Tag eine vollwertige Mahlzeit zu<br />
erhalten. Jeder sechste hat Probleme,<br />
die eigene Wohnung angemessen<br />
zu beheizen, berichtete der<br />
Präsident des Statistischen Bundesamtes,<br />
Roderich Egeler.<br />
Soziale Mobilität sinkt<br />
Der Weg aus der Armut wird in<br />
Deutschland immer steiniger. Bildung<br />
bleibt ein Privileg der oberen<br />
Schichten, denn Bildungsbiografien<br />
scheinen sich geradezu zu vererben.<br />
An dieser Stelle ist die Politik<br />
gefragt, mit Hilfe neuer Schulkon-<br />
zepte integrativ zu wirken und jungen<br />
Menschen gesellschaftsübergreifend<br />
faire Bildungschancen zu<br />
gewähren. Längeres gemeinsames<br />
Lernen in der Form der Sekundarschule,<br />
wie es in Nordrhein-Westfalen<br />
konzeptionell angedacht wird,<br />
bietet einen vielversprechenden<br />
Ansatz und dürfte geeignet sein,<br />
Barrieren zwischen verschiedenen<br />
Einkommensschichten einzureißen.<br />
Dennoch scheint sich Deutschland<br />
von dem Ideal einer Wissensgesellschaft<br />
zu entfernen. „Bildung wird<br />
nicht wertgeschätzt“, kritisierte Thomas<br />
Krüger, Präsident der Bundeszentrale<br />
für politische Bildung. Der<br />
Anteil der Bildungsausgaben am<br />
Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug<br />
2009 6,8 Prozent. „Das ist zu wenig,<br />
um der ökonomischen Relevanz<br />
von Bildung gerecht zu werden.“<br />
Denn Bildung bedeutet aktive<br />
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.<br />
2009 stammte nur jeder zehnte<br />
Gymnasiast aus Familien, in denen<br />
die Eltern einen Hauptschulabschluss<br />
oder keinen Schulabschluss<br />
vorweisen konnten. Kinder<br />
studierter Eltern wählen hingegen<br />
mit hoher Wahrscheinlichkeit eben-<br />
falls akademische Bildungswege.<br />
Die Folgen fehlender Bildungsgerechtigkeit<br />
sind offensichtlich. Während<br />
in den 80er Jahren 57 Prozent<br />
Ärmerer dauerhaft im untersten<br />
Einkommensbereich der Gesellschaft<br />
verharrten, gilt dies heute für<br />
zwei von drei Betroffenen. „Das<br />
heißt, weniger Menschen gelingt<br />
es, ihre Einkommenssituation wieder<br />
zu verbessern“, erläuterte Sozialforscher<br />
Roland Habich vom Wissenschaftszentrum<br />
Berlin (WZB).<br />
Dagegen ist es heutzutage leichter,<br />
hohe Einkommen und den einmal<br />
erreichten Wohlstand dauerhaft zu<br />
sichern. Hier stieg der Anteil von 38<br />
Prozent in den 80er Jahren auf 51<br />
Prozent. Die Daten hinterlassen bei<br />
Sozialforschern einen faden Beigeschmack.<br />
„Der Satz: ´Einmal arm,<br />
immer arm´ gilt. Die soziale Mobilität<br />
in Deutschland nimmt ab“, so die<br />
Soziologin Jutta Allmendinger.<br />
Ein Weckruf für die Politik, Bildungsfragen<br />
offensiver zu diskutieren<br />
und unserer Gesellschaft und<br />
damit allen Menschen eine Vision<br />
von Aufstiegschancen und Teilhabe<br />
zu vermitteln, die Mut macht.<br />
<strong>BDH</strong>-Kurier <strong>11</strong>/<strong>12</strong> 20<strong>11</strong>