Winterzeit – Stollenzeit! Bitte probieren Sie unser Angebot! - Stadtroda
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<strong>Stadtroda</strong>er Zeitung 12/09<br />
� Leserpost<br />
Erinnerungen an die Advents- und Weihnachtszeit in den 1970er/1980er Jahren<br />
�<br />
In den letzten Wochen gab es zahlreiche Rückblicke auf<br />
die Zeit um den Wendeherbst 1989. Mit den diesjährigen<br />
Weihnachtserinnerungen wollen wir an die „Vorwendezeiten“<br />
erinnern. Obwohl nun schon über zwanzig Jahre vergangen<br />
sind, ist allen, die ich befragt habe, etwas ganz Spezielles<br />
oder DDR-typisches zum Thema Weihnachten eingefallen.<br />
Beginnen möchte ich mit der Vorweihnachtszeit. Während<br />
es uns in der heutigen Zeit schon etwas nervt, dass kurz<br />
nach dem Sommerurlaub schon die ersten Lebkuchen im<br />
Regal liegen, so sollten wir uns trösten. Die erfolgreiche und<br />
vorausplanende (was eine Bedingung für „Erfolg“ war) DDR-<br />
Hausfrau dachte bereits im Frühjahr ans Weihnachtsfest,<br />
speziell an das Plätzchenbacken! Im Mai standen nämlich die<br />
Jugendweihen vor der Tür. Diese sollten von Staats wegen<br />
gebührend gefeiert werden, also gab es in den Läden auch<br />
einmal die etwas besonderen Backzutaten wie Mandeln zu<br />
kaufen. Die kluge Hausfrau sorgte also vor und legte bereits<br />
im Frühjahr Vorräte mancher Zutaten für die Weihnachtsbäckerei<br />
an.<br />
Ab dem Sommer war man als DDR-Bürger, erst recht als<br />
Eltern von Kindern, auf der Jagd nach Weihnachtsgeschenken.<br />
Wenn man einmal etwas „Besonderes“ erwischte, wurde<br />
„zugeschlagen“. Meist war das Glück oder Zufall, wenn man<br />
an einem Laden vorbeikam, vor dem sich eine Menschenansammlung<br />
bzw. „Schlange“ bildete, die dem geübten Bürger<br />
verriet, dass es in dem Geschäft irgendetwas Besonderes zu<br />
kaufen gab. Einige können sich bestimmt noch an die Warteschlangen<br />
vor der Buchhandlung <strong>Stadtroda</strong> erinnern. An ihr<br />
erkannte man, ob es vielleicht eine Amiga-Lizenzschallplatte<br />
von einer Musikgruppe aus dem westlichen Ausland gab.<br />
Welcher Künstler oder welche Band auf der LP war, erfuhr<br />
man erst im Geschäft. So kaufte man zum Beispiel eine<br />
Schallplatte von Udo Lindenberg, obwohl man gar kein<br />
Lindenberg-Fan war, Hauptsache es war Musik aus dem<br />
Westen!<br />
In den sogenannten Kunstgewerbeläden versuchten die<br />
Frauen bereits im Sommer, den begehrten hölzernen Weihnachtsschmuck<br />
aus Seiffen zu erwischen. Wer träumte nicht<br />
von einem Räuchermännchen oder einem Nussknacker in<br />
seinem Wohnzimmer. Den Seiffener Weihnachtsschmuck<br />
zu erwerben war schwierig, denn die dortigen Holzschnitzer<br />
arbeiteten vorzugsweise für den Export ins westliche<br />
Ausland. Da blieb für die Konsumgüterproduktion nicht viel<br />
übrig. Genauso begehrt als Geschenk und ebenso schwer<br />
zu beschaffen war z.B. auch die Bürgeler Keramik.<br />
Während es auf der einen Seite schwieriger war, die Geschenke<br />
zu besorgen, so gelang es mit Hilfe der ergatterten<br />
Raritäten jedoch viel einfacher, seinen Angehörigen oder<br />
Freunden eine große Freude zu machen. Außerdem war<br />
man selbst stolz darauf, das besondere Geschenk erstanden<br />
zu haben. Heutzutage ist es kein Problem, alle möglichen<br />
Dinge als Geschenk zu kaufen, doch umso schwieriger erscheint<br />
es, dem Beschenkten damit eine besondere Freude<br />
zu machen.<br />
Die Adventszeit begann auf jeden Fall auch erst mit dem<br />
1. Advent, auch in den Geschäften. Ein Adventskalender für<br />
die Kinder zum Mitzählen der Tage durfte nicht fehlen, wobei<br />
sich hinter den Türchen am Anfang lediglich bunte Bildchen<br />
versteckten und später aber auch Schokolade.<br />
In den Betrieben und Arbeitskollektiven wurden Weihnachtsfeiern<br />
veranstaltet und auch hier wurden liebevoll Päckchen<br />
gepackt und verschenkt. Auch die Schulklassen feierten<br />
Weihnachten mit kleinen Programmen und Geschenken und<br />
im Hort wurden von den Schülern Geschenke für die Eltern<br />
und Großeltern gebastelt. Für das Programm zur Weihnachtsfeier<br />
lernten die Kinder Gedichte und Lieder. Der Nikolaus<br />
besuchte ebenfalls die Kinder. Diese hatten zu den Zeiten<br />
auch noch richtig zu tun mit dem Schuheputzen. Natürlich<br />
stellte jedes Kind sein größtes Paar Stiefel hin.<br />
In die Vorweihnachtszeit fiel am 13. Dezember auch noch<br />
der Pioniergeburtstag. Sollten die jüngsten Schüler ein wenig<br />
vom Weihnachtsfest abgelenkt werden?<br />
Zu Hause wurde in der Vorweihnachtszeit viel gebastelt und<br />
gewerkelt. Neben den gekauften Geschenken wurden auch<br />
viele Dinge verschenkt, die selbst hergestellt waren. Man erinnere<br />
sich nur an die selbstgestrickten Pullover und gehäkelte<br />
Topflappen. Für die Frauen war die Zeit fürs Plätzchenbacken<br />
gekommen. Nach der Heimkehr von ihrer Arbeit warteten<br />
schon die Kinder ganz ungeduldig aufs Plätzchenbacken.<br />
Gemeinsam wurde der Teig ausgerollt, ausgestochen, belegt,<br />
verziert und gebacken. Manches Jahr wurde vom 1. Dezember<br />
an jeden Tag eine Sorte gebacken! In großen Schüsseln<br />
oder Plätzchendosen aufbewahrt, reichten manche Sorten<br />
bis kurz vor Ostern. Die Plätzchen mit Schokoladenüberzug<br />
waren dafür meist kurz nach Weihnachten alle, weil jeder<br />
vorher schon einmal naschte.<br />
Den Weihnachtsbaum besorgte der Familienvater. Entweder<br />
„organisierte“ er den Baum eigens im Wald oder er kaufte ihn<br />
beim Förster. Die fleißigen Waldarbeiterinnen des Staatlichen<br />
Forstwirtschaftsbetriebes hatten nämlich schon viele Wochen<br />
vor Weihnachten mit dem Schlagen der Weihnachtsbäume<br />
zu tun und die Revierförster in den Dörfern verkauften diese<br />
dann für die Einwohner.<br />
Meist erwarb mein Vater eine Kiefer, die bei einer Höhe von<br />
1,80 m etwa 4 „Quirle“ hatte und eine Menge Platz zwischen<br />
den Zweigen bot. Reichlich Raum für Kugeln und Lametta,<br />
die diese Lücken dann schließen mussten und deshalb viel<br />
Verwendung fanden.<br />
Die Weihnachtsbaumkugeln wurden in den Familien wie ein<br />
wertvoller Schatz gehütet, denn auch sie waren schwierig zu<br />
bekommen. Eine relativ sichere Methode war es, direkt nach<br />
Lauscha zu fahren, wo einmal im Jahr ein Markt stattfand,<br />
auf dem man die begehrten Glaswaren erwerben konnte.<br />
Somit war das Schmücken des Baumes einerseits eine sehr<br />
begehrte und gleichzeitig auch „gefährliche“ Tätigkeit, denn<br />
man konnte sich als Kind noch am letzten Tag vor Weihnachten<br />
durch eine heruntergefallene Weihnachtsbaumkugel den<br />
Unmut der Mutter zuziehen.<br />
Das traditionelle Weihnachtsessen bestand am Heiligabend<br />
aus Kartoffelsalat und Bratwurst, an den Feiertagen gab es<br />
Gans oder Kaninchen. Wollte man für Weihnachten Fleisch<br />
oder Braten einkaufen, so bestellte man diesen vorher beim<br />
Fleischer, damit die gewünschte Ware dann auch vorrätig<br />
war. Mir graute es jedes Mal, wenn ich bei der Oma zu Besuch<br />
war, vor dem Gang zum Fleischer. Erstens warteten<br />
dort wieder viele Leute, man stand bestimmt eine dreiviertel<br />
Stunde an, und dann war es mir immer unangenehm, die<br />
Anweisungen meiner Oma zu befolgen: „Wenn es dieses<br />
Fleisch nicht gibt, dann nimmst du jenes, aber pass auf, dass<br />
du ein ordentliches Stück erhältst, nicht so fett!“ Als ob ich<br />
den Hauch einer Chance gegen die nicht immer gut gelaunten<br />
Verkäuferinnen gehabt hätte! Zum Glück gab es bei mir<br />
zu Hause auf dem Dorf keinen Fleischer!<br />
Etwas Besonders sollte es auf jeden Fall sein, was zu Weihnachten<br />
auf den Tisch kommen sollte. Dazu zählten auch<br />
Südfrüchte. Gerade vor Weihnachten tauchten in den Gemüseläden<br />
auch Bananen und richtige Apfelsinen auf. Gab<br />
es ab und zu Bananen, wurden diese dann entsprechend<br />
der Personenzahl, die im Haushalt lebte, zugeteilt. Als eines<br />
Tages einmal eine einzelne Banane übrig war, nachdem eine<br />
Mutter 4 Stück für ihre Familie gekauft hatte, fragte sie die<br />
Verkäuferin, was denn mit der letzten, einer einzelnen Banane<br />
wäre, und ob sie diese noch haben könne. Die Antwort der<br />
Verkäuferin: „Nee, die fress ich selber!“ Da war man schon<br />
besser dran, wenn man Freunde hatte, die auf Montage in<br />
Berlin arbeiteten. Von dort brachte ein freundlicher Bauarbeiter<br />
vielen Familien die begehrten spanischen Orangen mit.<br />
Teilweise wurden von ihm regelrechte Apfelsinentransporte<br />
organisiert, um den Bedarf hier in der Gegend zu decken.<br />
Die Vorweihnachtszeit und das Weihnachtsfest scheinen im<br />
Vergleich zu heute nicht so hektisch abgelaufen bzw. vergangen<br />
zu sein, denn es hat sich für uns als Kinder immer wie<br />
eine Ewigkeit angefühlt, bis der Tag der großen Bescherung<br />
kam. Eigentlich ist es Schade, dass man als Erwachsener das<br />
Gefühl hat, die letzten Tage des Jahres würden besonders<br />
schnell vergehen. Aber vielleicht geht es ja nur mir so?<br />
Torsten Schwarz