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Gesamte Ausgabe runterladen - Zentralverband der Ärzte für ...

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PRAXISSinnlich lebendig im AlltagKörper-Gehirn-IntegrationNeulich las ich in <strong>der</strong> S-Bahneinen Spruch, <strong>der</strong> mich seitdemnicht mehr losläßt:„Man kann dem Leben nichtmehr Tage geben, aber dem Tagmehr Leben!"Sofort begann meine Denkmaschine zurattern, mein Herz klopfte schneller, undwun<strong>der</strong>bare Bil<strong>der</strong> stiegen vor meinemgeistigen Auge auf, wie mein Tag aufserfreulichste belebt werden könnte.Dann schaute ich in die Gesichter <strong>der</strong>Menschen, die mit mir in <strong>der</strong> S-Bahnfuhren, und tiefe Traurigkeit überfielmich: vorwiegend düstere Gesichter,die Mundwinkel herabgezogen, dieStirn in Falten gelegt, teilnahmsloseAugen, müde, freudlose Gestalten. Sofortversuchte ich, mein Spiegelbild in<strong>der</strong> Fensterscheibe anzulachen, ummich von meinen Zeitgenossen zu distanzieren.Das tat mir gut, denn ichspürte, daß ich lebendig war, und ichdachte, wie wichtig es doch wäre, wenndie Menschen öfter lachen würden, einfachso, ohne beson<strong>der</strong>en Grund. Undmir fiel ein, was für ein tolles Gefühl esist, wenn man Menschen auf <strong>der</strong> Straßeo<strong>der</strong> in Geschäften anlacht und ein Lachenzurückkommt. Da fühlt man sichgleich mit Energie aufgeladen! Alle Sinnewerden wach, und man tut sich vielleichter in seinen alltäglichen Pflichten.Allzu oft geht unsere Lebendigkeit imgrauen Alltag verloren, wir stehen unterLeistungsdruck und Streß und erlaubenuns nicht mehr, uns selbst, unsereWünsche und Bedürfnisse wahrzunehmen.Wir leben viel zu sehr imAußen und für an<strong>der</strong>e, daß wir verlernthaben, uns selbst zu spüren. Wir „vegetieren"vor uns hin, haben gar keineZeit mehr, etwas zu tun, worauf wirwirklich Lust haben (Wissen wir dasüberhaupt noch?). Im Laufe unseresLebens sind die kreativen Anteile inuns tief verbuddelt worden, und vielleichthaben wir gar keine rechtenIdeen, wie wir unseren Tagen „mehrLeben" geben können.NachtspaziergangMit geschlossenen Augendurch die Nachtwiese wan<strong>der</strong>n ...Ohren lauschen Nachtgeräuschen,leisem Bachgeplätscher,Frauenlachen,Windgeflüster in den Zweigen.Nase schnuppert feuchtes Gras,atmet Moosgeruch und Wald.Wange lehnt sich sanft an rauheBaumesrinde.Arme legen sich um starke Bäume.Stimme raunt ihnen geheimeWünsche,Finger tasten zärtlich über Äste,streicheln Gräser und gefallneBlätter.Füße tasten, spüren weichen Boden,erkennen den Asphalt,bemerken Steigung und Gefalle,tappen in den Bachund fühlen wie die Beinefeuchten Stoff.Stimme kreischt und lacht.Sagenhaftes, fast vergeßnesWohlgefühl.Viel Vertrauen in die Frau,die führt.Augen nicht vermißt!Was mir auch immer wie<strong>der</strong> auffällt,ist, wie wenig wir doch alle unsere siebenSinne gleichzeitig benutzen. Wirnehmen vorwiegend über unsere Augenwahr (dabei ist <strong>der</strong> Seh-Sinn doch<strong>der</strong>, den man am wenigsten zum Überlebenbraucht), das Hören nimmt aucheinen vorrangigen Platz ein, die Ohrensind allerdings vorwiegend auf Spracheeingestellt und in unserer lautenZeit stark belastet, und manche Dingewollen wir einfach gar nicht hören.Riechen und Schmecken treten immermehr in den Hintergrund in unsererheuschnupfengeplagten Gesellschaft.(Wovon haben wir die Nase voll? Wasschmeckt uns nicht im Leben?) DieTaktilität ist verkümmert, was sich inin den immer häufiger auftretendenHautkrankheiten nie<strong>der</strong>schlägt. Zwarumarmen wir uns o<strong>der</strong> schütteln unsdie Hände, aber spüren wir dabei unsund den an<strong>der</strong>en? Obwohl das Bedürfnisnach Hautkontakt gerade in Streßsituationensehr groß ist, gehen wirlieber auf Distanz, weil wir Angst vorNähe haben. Was unsere Propriozeptionbetrifft, so haben wir lei<strong>der</strong> ziemlichverlernt, uns, unsere Muskulaturund die Vorgänge in unserem Körperwahrzunehmen. Wir spüren unserenKörper oft erst dann, wenn er vorSchmerzen „schreit". Unser Gleichgewichtssinnschließlich, <strong>der</strong> Hauptsinfl,<strong>der</strong> alle an<strong>der</strong>en Sinne zusammenschaltet,hat sehr viel mit Bewegungund Hören zu tun und ist sehr oft nichtim Gleichgewicht. Da wir kaum nochschwere körperliche Arbeit verrichtenund unser Leben meist im Sitzen verbringen(an Schreibtisch, Computerund Fernsehen), bekommt unserGleichgewichtssinn wenig Anregung-Schlafstörungen, Suchtverhalten,Angst und Panik sind oft Folgen einesgestörten Gleichgewichts.Lernen ist ErfahrungStatt unseren „Tagen mehr Leben zugeben", bringen wir uns selbst um eingroßes Stück Lebensqualität, indem wirunsere Sinne nicht mehr trainieren. DasGehirn aber, <strong>der</strong> Computer in uns, <strong>der</strong>alles steuert und in dem alles vernetztist, kann sich nicht weiterentwickelnohne Sinnesreize und ohne Bewegung,denn durch Bewegung nehmen wir Informationenaus <strong>der</strong> Umgebung aufJede Bewegung stimuliert den Vestibularapparat,<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um das Gehirn zuneuem Lernen anregt. Das Vernetzen104 Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 39,2 (1998)

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