Gruppe 3Wie das Gehirn noxische Reize wahrnimmt - nozizeptive Steady StateEvoked PotentialsDamaris Giese-Hanke, Anni Gläser, Karoline Kaufhold, Stefanie Meier, Lena Wojtas1. EinleitungLeitung: Prof. Thomas WeißNozizeption und Schmerz müssen zunächst grundlegend unterschieden werden. Während die InternationalAssociation for the Study of Pain Schmerz wie folgt definiert “Schmerzen sind ein unangenehmesSinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewebeschädigung verknüpftist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird” (IASP, <strong>2013</strong>), bezeichnetNozizeption die Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung potentiell gewebeschädigender Reizeüber Aδ- und C-Fasern. In bisherigen Studien wurden überwiegend Event-Related-Potentials(ERPs) verwendet, um nozizeptive Reizantworten nachzuweisen. Mouraux und Iannetti stellten ineiner Studie 2009 allerdings in Frage, ob ERPs tatsächlich nozizeptiv- spezifische Gehirnantwortendarstellen. SSEP stellen eine neue und interessante Alternative zu ERPs hinsichtlich der Untersuchungder Verarbeitung nozizeptiver Reize dar. Nach Regan stellen SSEPs oszillierende Gehirnantwortenauf repetitive sensorische Stimuli dar, die in Dauer und Frequenz der Stimulation entsprechen.Ziel des Experiments war es, die Existenz von nozizeptiven SSEPs auf repetitive Elektrostimulationnachzuweisen. Erwartet wurde deshalb, dass sich bei den Analysen ein Haupteffekt fürden Messzeitpunkt ergeben würde. Nachfolgend soll geklärt werden, ob sich ein Effekt der Aufmerksamkeitsmodulationfinden lässt.2. MethodeTeilnehmer: An der Studie nahmen 12 neurologisch und psychiatrisch unauffällige Probanden (8Frauen, 4 Männer) im Alter von 19 bis 26 Jahren (M=21.75, SD=1.96) teil.Stimuli & EEG-Datenerhebung: Die Probanden wurden über Elektroden an beiden Handrückengleichzeitig elektrisch stimuliert (2-fache der Wahrnehmungsschwelle). Um die hirnphysiologischeAntwort für beide Hände differenzieren zu können, stimulierten wir links mit einer Frequenz von31Hz, rechts dagegen mit einer Frequenz von 37 Hz. Das Elektroenzephalogramm (EEG) wurdeüber 64 Aktiv-Elektroden (acticap) abgeleitet.Durchführung: In jedem der insgesamt 144 Trials erhielten die Probanden eine sieben Sekundenandauernde nozizeptive elektrische Stimulation. Mit Beginn der Stimulation sahen die Probandenvor sich auf einem Bildschirm ein Fixationskreuz. Nach drei Sekunden erschien ein Pfeil nachrechts bzw. links, der die Hand anzeigte, an der die Stimulation möglicherweise nach 5s durch einePause unterbrochen sein würde. Aufgabe war es, die Pause zu detektieren. Diese dauerte entweder161 ms (31 Hz, linke Hand) oder 162 ms (37 Hz, rechte Hand).Datenanalyse: Die Analyse der Daten wurde mit Hilfe des Programms BrainVision Analyzer 2.0.vorgenommen. Zur Analyse der SSEPs wurde eine auf das Einsetzen des Stimulus abgestimmtezeitliche Segmentierung durchgeführt. Nach einer Artefaktrejektion wurde eine schnelle Fourier-Transformation (FFT) durchgeführt. Die FFT-Spektren wurden abschnittsweise gemittelt. Anschließendwurden die beiden interessierenden Frequenzen (31 Hz und 37 Hz) exportiert. In dieAnalysen wurden folgende Elektroden einbezogen: C3, C4, Fz, Cz. Die statistischen Analysen wurdenmit Hilfe von SPSS durchgeführt.3. ErgebnisseDie ANOVA mit Messwiederholung der spektralen Leistung ergab für den Faktor Frequenz einensignifikanten Haupteffekt (F=8.9, p=0.012). Der Frequenzinhalt im EEG für die beiden untersuch-8
8. <strong>Jena</strong>er Empiriepraktikumskongressten Frequenzen unterschied sich demnach signifikant. Für den Faktor Messzeitpunkt (F=2.841,p=0.12) und den Faktor Elektrode (F=1.574, p=0.263) konnten jedoch keine signifikanten Haupteffektegefunden werden. Interaktionseffekte, bei denen der Faktor Messzeitpunkt beteiligt war, konntenebenfalls nicht gefunden werden. Der Faktor Messzeitpunkt führte somit in keiner Weise zusignifikanten Ergebnissen. Daher lässt sich anhand unserer Datengrundlage nicht auf das gesuchtePotential schließen. Die Hypothese zur Aufmerksamkeitsmodulation wurde statistisch nicht weiterausgewertet, da wir eine Aussage diesbezüglich aufgrund der vorangehenden Ergebnisse nicht fürstichhaltig erachten.4. DiskussionUnsere Analysen weisen darauf hin, dass die kortikale Aktivierung abhängig von den appliziertenFrequenzen ist. Die Existenz von nozizeptiven SSEPs konnte jedoch nicht für die gesamte Gruppevon Versuchspersonen nachgewiesen werden. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, warum unsereErgebnisse nicht signifikant waren. So könnte die Stimulation derselben Position sowie das kleineFrequenzspektrum zu Habitutationseffekten geführt haben. Desweiteren wurden SSEPs bisherüberwiegend in bewusst verarbeiteten Wahrnehmungsbereichen nachgewiesen. Überlegungen bezüglicheiner spinalen Verarbeitung oder einer Abnahme bewusst verarbeiteter Wahrnehmung nozizeptiverStimuli aufgrund von Habituationseffekten erscheinen lohnenswert. Vorerst konnten wirjedoch keine Hinweise dafür finden. Aufgrund einer möglichen Verbesserung der Power sowie derweiteren Klärung der diskutierten Hypothesen halten wir die Fortführung unseres Experiments fürlohnend.5. LiteraturColon, E. et al. (2012). Steady-state evoked potentials to tag specific components of nociceptive cortical processing.NeuroImage, 60(1), 571-581.Mouraux, A et al.(2009) Nociceptive Laser-Evoked Brain Potentials Do Not Reflect Nociceptive-Specific NeuralActivity. J Neurophysiology 101 (6): 3258-326.Regan, D. (1996) Some characteristics of avergae steady-state and transient responses evoked by modulated light.Electroencephalography and Clinical Neurophysiology. 20: 238--248.9