TREFFPUNKT MATTHÄUS - Matthäus-Gemeinde
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12 Neue Bücher und Veranstaltungen<br />
LESENSWERT – UNSERE BUCHBESPRECHUNG<br />
Gratulation! Das Institut Kirche und Judentum ist fünfzig geworden<br />
„Du Jude!“ gehört auf vielen deutschen<br />
Schulhöfen zu den häufig gebrauchten<br />
Schimpfwörtern. So lese ich es gerade<br />
in der neuesten Zwischenbilanz über<br />
den Antisemitismus in Europa. Und<br />
auch, dass in Deutschland seit Jahren<br />
zwischen 10 und 20 Prozent der Befragten<br />
bei Umfragen antisemitischen<br />
Aussagen zustimmen. Was kann ein<br />
Christ, der mit Martin Luther weiß,<br />
„dass unser Herr ein geborener Jude<br />
ist“, dagegen tun? Durch geduldige Informationen<br />
und Gespräche aufklären,<br />
denn Antisemiten haben in der Regel<br />
keine blasse Ahnung von Juden, von<br />
ihrer Religion und ihrer Geschichte.<br />
Und wie kommt man an verlässliche<br />
Bücher über und gegen die jahrhundertealte<br />
Geißel des Antisemitismus<br />
heran? Müsste nicht unsere Kirche da<br />
aktiv sein, denn die Judenheit ist doch<br />
die ältere Schwester der Christenheit,<br />
beide, Juden und Christen, haben wir<br />
den gleichen Vater, den Schöpfer des<br />
Himmels und der Erde.<br />
Die Evangelische Kirche in Berlin-<br />
Brandenburg war aktiv. Vor fünfzig<br />
Jahren gründete sie – und das feiern<br />
wir jetzt bewegt und dankbar – an der<br />
Kirchlichen Hochschule Berlin (West)<br />
das Institut Kirche und Judentum,<br />
das jetzt im Zentrum für christlichjüdische<br />
Studien an der Humboldt-<br />
Universität zu Berlin verankert ist.<br />
Dr. Günther Harder von der Kirchlichen<br />
Hochschule, der Gründer des<br />
War womöglich<br />
der Wichern-<br />
Verlag von allen<br />
guten Geistern verlassen?<br />
Da hat er in<br />
seiner lesens- und<br />
preiswerten (9,95<br />
Euro für 120 Seiten<br />
mit Abbildungen)<br />
Porträtreihe so gewichtige<br />
evangelische<br />
Persönlichkeiten wie Melanchthon,<br />
Calvin, Wichern, Zinzendorf, aber<br />
auch Dorothee Sölle und Helmut<br />
Gollwitzer vorgestellt, und nun verfällt<br />
er ausgerechnet auf einen Kabarettisten,<br />
bei dem jeder dogmentreue<br />
Theologe von altem Schrot und Korn<br />
sich bekreuzigt? Ich jedenfalls ziehe<br />
den Hut vor dem braven Wichern-<br />
Verlag, denn ich habe in meinem<br />
angefochtenen Christendasein immer<br />
aufgeatmet und neuen Elan bekom-<br />
IKJ, leitete das Institut von 1960 bis<br />
1974, Prof. Dr. Peter von der Osten-Sacken<br />
von 1974 bis 2007. Heute ist Prof.<br />
Dr. Markus Witte der Leiter des IKJ, das<br />
jetzt seinen Sitz in der Theologischen<br />
Fakultät, Burgstr.26 hat und über eine<br />
Präsenzbibliothek von 13.500 Bänden<br />
zu Themen des Judentums und zu<br />
christlich-jüdischen Studien verfügt<br />
und das seit seiner Gründung jährlich<br />
wegweisende wissenschaftliche und<br />
an der kirchengemeindlichen Praxis<br />
ausgerichtete Publikationen wie auch<br />
preiswerte und zugleich qualitativ<br />
hochwertige monographische Reihen<br />
herausgibt. Von Günther Harder<br />
ist beispielsweise der Band Kirche<br />
und Israel: Arbeiten zum christlichjüdischen<br />
Verhältnis erschienen. Darin<br />
geht es um Themen wie: „Der jüdische<br />
Mensch in christlicher Sicht, Christen<br />
und Juden während der letzten 150<br />
Jahre, Die Bedeutung der Auserwähltheit<br />
Israels für die Christen, Das<br />
christlich-jüdische Gespräch – Absage<br />
an die Judenmission“.<br />
Peter von<br />
der Osten-Sacken<br />
hat – gemeinsam<br />
mit dem Rabbiner<br />
Rozwaski – ein Augen<br />
öffnendes Buch<br />
über „Die Welt des<br />
jüdischen Gottesdienstes:<br />
Feste,<br />
Feiern und Gebete“<br />
men, wenn ich zum Evangelischen Kirchentag<br />
fuhr – und da traten nicht nur<br />
Helmut Gollwitzer, Friedrich-Wilhelm<br />
Marquardt u.a., sondern auch dieser begnadete<br />
Kabarettist Hanns Dieter Hüsch<br />
(1925-2005) auf.<br />
Der füllte die Messehallen, parlierte<br />
vor manchmal 20 000 Besuchern über<br />
sein Leben am Niederrhein: „Ich sing<br />
für die Verrückten“ und für die zu kurz<br />
Gekommenen: „Selig sind die Zurückgebliebenen<br />
/ Denn sie wissen nicht /<br />
Was sie tun sollen.“ Und – Hüsch war<br />
Pazifist – für die Friedensfreunde und<br />
für eine bessere Welt als die bürgerliche<br />
Gesellschaft mit ihren engen Normen.<br />
Und gegen den alten Nazimief, aber<br />
auch gegen die Chaoten (die revolutionären<br />
Achtundsechziger), die unbedingt<br />
die Kulturrevolution ausrufen<br />
wollten, „mit den riesengroßen Rosinen<br />
im Kopf“.<br />
Ich gestehe, erst den alten Hüsch ken-<br />
herausgegeben. Erich Spier schrieb<br />
eine informative judentumskundliche<br />
Arbeit: Der Sabbat. Wolfgang Gerlach<br />
veröffentlichte seine überarbeitete<br />
Dissertation über die Bekennende<br />
Kirche und die Juden (Als die Zeugen<br />
schwiegen), Michael Brocke über die<br />
jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland<br />
(Stein und Name), und die neueste<br />
Arbeit ist eine talmudische Passa-Haggada<br />
zum Gedenken an den Holocaust<br />
mit einem Begleitheft von Peter von<br />
der Osten-Sacken (Wolloch-Haggada).<br />
Zu den Aufgaben und Tätigkeiten<br />
des IKJ gehören neben diesen Publikationen,<br />
die wir nur exemplarisch<br />
vorstellen konnten, selbstverständlich<br />
auch Forschung und Lehre, die Veranstaltung<br />
von Gastvorträgen und die<br />
regelmäßig stattfindende „Christlich-<br />
Jüdische Sommeruniversität“. Das<br />
Institut war mit dem Ziel gegründet<br />
worden, an einer grundlegenden<br />
Neugestaltung des christlich-jüdischen<br />
Verhältnisses mitzuwirken und die im<br />
Rahmen der Forschung gewonnenen<br />
Erkenntnisse den Theologiestudierenden<br />
und den <strong>Gemeinde</strong>n zugänglich<br />
zu machen. Diese wichtige, segensreiche<br />
Aufgabe unserer Kirche bleibt<br />
bestehen, angesichts des wieder mehr<br />
um sich greifenden Antisemitismus ist<br />
sie sogar wichtiger denn je.<br />
Dietmar Pertsch<br />
Kann ein Kabarettist wirklich den lieben Gott zum Schmunzeln bringen?<br />
Bild: Lachmann/Fotoversand Mey<br />
nengelernt zu haben, für den das Hohelied<br />
der Liebe (1. Korintherbrief 13)<br />
„meine Stelle schlechthin“, „mein ganz<br />
privates Parteibuch“ war, und der den<br />
„lieben Gott in Dinslaken“ aufgefangen<br />
hat, als der gerade vom Rad absteigen<br />
wollte und der ihn zu sich in den Himmel<br />
eingeladen hat; und Hüsch erzählt,<br />
wie es im Himmel war, wie er nicht nur<br />
Gott, sondern auch seine verstorbene<br />
Frau wieder getroffen hat.<br />
Wir sehen uns wieder ( München<br />
1997) – ein Wahnsinnsbuch! Georg<br />
Schwikart, katholischer Theologe, Verfasser<br />
auch des herrlichen Bach-Porträts<br />
in der Wichern-Reihe (Der Komponist)<br />
gelingt es, in diesem sehr persönlichen<br />
Hüsch-Porträt diesem kauzigen Niederrheiner<br />
gerecht zu werden und ihn<br />
uns lieb zu machen. Vielleicht hat er<br />
sogar den lieben Gott zum Schmunzeln<br />
gebracht.<br />
Dietmar Pertsch