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04. Zeitschrift für Bauwesen XXVII. 1877, H. VIII-X= Sp. 337-480

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<strong>337</strong> 338mmm xxvu. 18»t. HEFT m m X.Amtliolie Bekanntmachungen.Personal - Veränderungen bei den Baubeamten.(Ende MaiM877.)Dea Königs Majestät liaben ernannt:iden vortragenden Ratli in der Abtheilung für die Privat-Eisonbalmoii beim Ministerium für Handel etc., GeheimenBaurath Dicckhoff in Berlin zum Geheimen Ober-Baurath,das Mitglied der Eisenbahn-Commission für die BerlinerNordbahn, bisherigen Ober-Betriebsinspector Klose inBerlin,das Mitglied der Eisenbahn-Commission (Oberschlesische) zuBreslau, bisherigen Eisenbahn-Bau- und Betrieb sinspectorLnck daselbst,den Vorsitzenden der Eisenhahn - Commission (Bergisch-Märkische)zu Altena, bisherigen Eisenbahn-Bau- und BetriebsinspectorJanssen daselbst,das Mitglied des Eisenbahn-Commissariats zu Berlin, bisherigenEisenbahn-Bau- und Betriebsinspector Schmittdaselbst undden Vorsitzenden der Eisenhahn-Commission der Ostbabn zuKönigsberg i/Pr., bisheaigen Eisenbahn-Bau- und BetriebsjnspectorSchroeder daselbst,zu Eegicrungs- und Bauräthen;ferner verliehen:dem Mitgliede der Eisenbahn - Direction zu Elberfeld, Begierungs-und Baurath Brandhoff den Charakter als GeheimerRegierungsrath, sowiedem Bauinspector Stüve in Berlin,dem Weg - Bauinspector "Weniger in Anrieh,dem Wasser-Bauinspector Michaelis in Cöln,dem Kreis "Baumeister Koppe in Merzig unddem Kreis - Baumeister Held in Coesfeldden Charakter als Baurath.Ernennungen und Beförderungen.Der Eisenbahn - Bau - und Betriebsinspector JohannesGarcke, früher in Hamm, ist zum Mitgliede der Directionder Kiederschlesisch-Märkischen Eisenbahn ernanntund ihm die Function des technischen Mitgliedes bei derEisenbahn-Commission zu Görlitz definitiv übertragen.Die Eisenbalm - Baumeister:Schapcr in Oppeln,Ruland in Glatz,Taeglichsbeck in Noisse undXlsener in Posen sind zu Eisenbahn-Bau- und Betriebsinspectorenbei der Oberschiesischen Eisenbahn unterBelassung an ihren zeitigen Stationsorten,der Eisenbahn - Baumeister Koch, früher bei der Bergisch-Märkischen Eisenbahn in Gladbach, zum Eisenbahn-BauundBetriebsinspector bei der Westfälischen Eisenbahn inHamm,Zeltschrift f. <strong>Bauwesen</strong>. Jftlirff. <strong>XXVII</strong>.der Eisenbahn-Baumeister ^'eumanu in Breslau zum Eisenbahn-Bau-und Betriebsinspector bei der OberschlesischenEisenbahn, undder Eisenbahn-Baumeister Allmenröder in Btidesheim zumEisenbahn-Bau- und Betriebsinspector bei der Bergisch-Märkischen Eisenbahn in Düsseldorf befördert;der Kreis-Baumeister Möller in iS'euwied ist zum Bauinspectorin Creuznach,der bei der Militair-Verwaltung in Stettin angestellte Land-Baumeister Held zum Bauinspector,der Kreis-Baumeister Friedrich in Pr. Holland zum Bauinspectorin Braunsberg,der Kreis-Baumeister Schlichting in Heinrichswalde zumWasser-Bauinspcctor in Tilsit,der Land-Baumeister Haesecke in Berlin zum Bauinspectorin Königsberg i/Pr.,der Kreis-Baumeister Mohr in AUenstein zum Wasser-Bauinspectorzu Thiergartenschleuse bei Oranienburg undder Land-Baumeister Ihne in Erfurt zum Bauinspector inKönigsberg i/Pr. ernannt.Erste Anstellungen und Ernennungen.Der Baumeister Sluytermann van Langewoyde ist, unterErnennung zum Land-Baumeister, als Lokal - Baubeamtorder Militair - Verwaltung in Potsdam,der Baumeister Moritz Hellwig als Land - Baumeister undzweiter technischer Hülfsarbeiter bei der Ministerial-Bau-Commission in Berlin,der Baumeister Stell als Land-Baumeister und technischerHülfsarbeiter bei der Regierung in Cassel undder Baumeister Emil Bauer in Wirsitz als Kreis-Baumeisterdaselbst angestellt.Der Baumeister Kuttig, Hülfsarbeiter in der Bau-Abtheilungdes Ministeriums für Handel etc., sowieder Baumeister la Pierre, bei dem Neubau der geologischenLandcsanstalt und Berg - Akademie hierselbst, sind zuLand-Baumeistern ernannt worden.Der Land-Baumeister und Professor Jacobsthai ist als Lehrersowohl bei der Gewerbe-Akademie, als auch bei derBau-Akademie in Berlin angestellt.Versetzungen.Der Regierungs- und Baurath Schumann ist von Aachen-nach Liegnitz,der Regierungs- und Baurath Berring von Oppeln nachCoblenz als Rheinstrom-Baudirector,der Bauinspector Schütte von Halberstadt nach Quedlinburg,der Kreis - Baumeister Thon von Wissen nach Neuwied,der Kreis-Baumeister Heinrich von Artern nach Mogilno,der Kreis-Baumeister Legiehn von Simmem nach Landeshut,22


339 Herrmann, Neue Strafanstalt am Plötzen-See bei Berlin. 340der Kreis-Baumeister von Perbaudt als Land-Baumeistervon Cleve an die Regierung zu Aachen,der Kreis-Baumeister Nünneke von Nordhausen nach Osohersleben,der Kreis - Baumeister, Titular - Bauinspector T h o m a e vonRemagen nach Pleschon,der Kreis-Baumeister Nicdieck von Lippstadt nach Aurich,der Kreis-Baumeister Schütte von Schieiden nach Alienstein,der Kreis - Baumeister Siebert von Pr, Eylau nach Königsbergi^/Pr.,der Bauinspector Freund von Kiel nach Altona,der Bauinspector Guinbert von Düsseldorf nach Kiel versetzt;der Eisenbahn-Baumeister Kirsten ist von Witzenhausennach Göttingen,der Eisenbahn-Baumeister Blanck von Breslau nach Hannover,behufs Leitung der Bahnhofsbauten daselbst,der Eisenbahn - Baumeister Zeyfs von Calbe a/S. nach Berlin5 behufs Beschäftigung im technischen Bureau der Commissionfür den Bau'der Bahn Berlin-I^ordhauscn,der Eisenbahn - Baumeister Massalski von Memel nachBromberg,der Eisenbahn-Baumeister Rohrmann von Harburg nachNorJhausen,der Eisenbahn - Baumeister Pilger von Nordhausen nachHarburg,der Eisenbahn - Baumeister L o y k o von Eschwege nachMünster undder Eisenbahn - Baumeister ß r e w i 11 von Düsseldorf nachEüdesheim versetzt.Wohnsitz-Verlegungen.Der Tit. - Bauinspector Meyer hat seinen Wohnsitz von Alfeldnach Hildesheim verlegt,desgl. der Kreis-Baumeister Berner von Kyritz nach Wittstock,desgl. der Bauinspector B o t m a u n von Orteisburg nachRoessel 0/Pr.,dcsgh der Wasser-Bauinspector Wein reich von Rügenwaldermündenach Colbergermündc,desgl. der Kreis-Baumeister Zweck von Mayen nach Coblenz.Aus dorn Staatsdiensteist geschieden:der Kreis-Baumeister von Nebus zu Trarbach a. d. Mosel.Für das <strong>Bauwesen</strong> im Bereiche der Reichs-PostundTelegraphen - Verwaltung sind folgende Beamteangestellt:Kind, Geh. Regierungs- und vortragender Rath in Berlin,Schwatlo, Regierungs- und Baurath, Inhaber der erstenPost - Bauraths - Stelle in Berlin,Neumann, Post-Baurath in Münster,Wachenbusen,Arnold,Wolff,Cuno,JJüring,Zopff,Promiiitz,Fischer,Tuckermann,desgl.desgl.desgl.desgl.desgl.desgl.desgl.desgl.desgl.,in Schwerin i/M.,in Carlsruhe i/Baden,in Stettin,in Frankfurt a/M.in Königsberg i/Pr.,in Dresden,in Breslau,in Hannover,Inhaber der zweiten Post-Bau­raths-Stelle in Berlin,Hindorf, Post-Baurath in Cöln a/Rhein,Skalweit, desgl. in Erfurt,Kefsler, Post-Bauinspector in Berlin,Pcrdiscb, Post-Baumeister in Berlin.in den Ruhestand treten, resp. sind getreten:der Geheime RegierungsrathNobiling in Coblenz,und Rheinstrom - Baudirectordas Mitglied der Eisenbahn-Direction zu EJberfeld, Regicrungs-und Baurath Rudolph,der Baurath Weniger in Aurich,der Baurath Bertram in Braunsberg,der Baurath Borggreve in Hamm,der Baurath Wiegand in Königsberg i/Pr.,der Kreis-Baumeister Schulz in Hünfeld,der Kreis-Baumeister Klein in Schroda,der Baurath Held in Coesfeld undder Professor und Lehrer an der Bau-Akademie Boetticherin Berlin.Anf längere Zeit sind beurlaubt:der ScMofs - Bauinspector Mcndthal zu Königsberg i/Pr. undder Wasser - Bauinspector Reinhardt, früher zu Thiergartonscbleusebei Oranienburg.der Baurath Holm in Altena.Gestorben ist:Berichtigung des im laufenden Jahrgang dieser<strong>Zeitschrift</strong>, S. 247 — 266, enthaltenen Yerzeichnissesder Baubeamten.Baiiwissenschaftliclie Mittheilungen.Original - Beiträge.Die neue Strafanstalt am Plötzen - See bei Berlin.(Mit Zeichnungen auf Blatt 49 1318 61 im Atlas.)Von den Berliner Gerichtshöfen wird alljährlich einesehr erhebliche Anzahl angeschuldigter Personen zur Verbüfsungvon Gefängnifs- oder Haft-Strafen verurtheilt, welchehinsichtlich ihrer Zeitdauer zwischen den Grenzen von einem


341 Herrmauji, Neue Strafanstalt am Plötzen-See bei Berlin. 342Tage bis zu zehn Jahren sich bewegen können', in der überwiegendenZahl aller Fälle aber dio Dauer von einem Jabrenicht übersteigen.Die für diese Zwecke in Berlin benutzten Gefangnifs-Etablissements der sogenannten Stadtvogtei und Hausvogteireichten zur Unterbringung der von Jahr zu Jabr sich mehrendenSträflinge schon seit längerer Zeit nicht mehr aus.Es müfste daher für die Erbauung einer neuen derartigenAnstalt zur Aufnahme von etwa 1400 bis 1500 männlichenGefangenen Sorge getragen werden. Im Hinblick auf diebesonderen Verhältnisse der Stadt Berlin hat man hierbeivon der Einrichtung mehrerer für verschiedene Stadttheileräumlich getrennter kleinerer Gefängnisse Abstand genommenund namentlich auch behufs Erzlelung einer nach allenRichtungen hin einheitlichen Organisation der Verwaltungund des Strafvollzugs den Bau eines einzigen Gefängnifs -Etablissements von ansehnlichem Umfange für angemessenerachtet.Hierdurch war bedingt;a) die Beschaffung eines möglichst geräumigen Bauplatzesaufserhalb der Stadt in gesunder zweckentsprechender Lage,b) eine allgemeine Anordnung der Baulichkeiten, durchwelche gleichzeitig den in sanitairer Beziehung, so wie denin Rücksicht auf die Herstellung eines geordneten Strafvollzugsund die Erleichterung der Verwaltung zu stellendenAnforderungen thunlichst entsprochen wurde,c) die Einrichtung umfangreicher maschineller Anlagenunter Verwendung von Dampfkraft.Situation der Baustelle.Die Anstalt ist auf einem von der Königlichen OberfüistereiTegel abgezweigten Gebiete der sogenannten Jungfernhaidein den Jahren 1861) bis 1876 erbaut worden. IhreEntfernung von dem Mittelpunkte der Stadt Berlin beträgt5 Kilometer. Bis in die unmittelbare Nähe der Anstalt ziehtsich fast auf allen Seiten hochstämmiger Kiefernwald heran,weicher eine natürliche Schutzwehr bildet, um den aus denEbenen von Süden nnd Osten herangewehten Flugsand vonden Anlagen fern zu halten. Natürliche und künstlicheWasserläufe, wie die „krumme Lanke" mit dem Teufels-See,der Berlin-<strong>Sp</strong>andauer Schifffabrtscanal und der sogenanntenutzen-See, befinden sich theils in der unmittelbaren, theilsin der nächsten Umgebung. Das ganze für die Anstalt abgegrenzteTerrain umfafst 20,^9 Hektare. Davon wird etwadie Hälfte von den Baulichkeiten begrenzt, welche eineFlache von 2,^^ Hektare einnehmen, während 3,og Hektareauf Rasen- und Schmuck-Plätze, der Rest aber auf Wegeund Hof-Flächen entfallen.Das Rieselfeld im nordwestlichen Theile der Anstaltumfafst 2,Q5 Hektare.(Geschichtliche Entwickelntig und Bllgemeiue Dispositionder Anläge.Von Seiten der Preufsischen Ministerien der Justiz unddes Innern war bereits im Jahre 1867 eine ans dem Kammergerichts-Vico-PräsidentenZweigert, dem Kammergcriehts-Rath Scblölke, dem Stadtgerichts - Director v. Mübler, demPolizei - Direetor v. Drygalski nnd dem damaligen BauinspectorC. Hesse bestehende gemischte Commission ernanntworden, welche über den Umfang der zur angemessenenUnterbringung der verurtheilten Personen erforderlichen Baulichkeitenund über die Art der Einrichtung des Gefängnifs-KtabUssements zunächst im Allgemeinen zweckentsprechendeVorschläge abzugeben hatte.Es kam hierbei in Frage:a) die grofse Anzahl der unterzubringenden Gefangenen,b) die Classificirung derselben, insbesondere die Ausscheidungder Jugendlichen von den Erwachsenen,c) die Kncksichtnahme auf die sanitanen Bedürfnisse derGesammt - Anlage,d) die Organisation einer, den Bedürfnissen einer so ausgedehntenAnstalt entsprechenden Verwaltung, ]^Oekonomieu. s. w.,c) die Einrichtung von Beamten - Wohnungen, welche nothwendigwurden, da die Anstalt von der Stadt Berlin zu entferntliegt, um ohne Schädigung des Dienstes die Beamtendort wohnen zu lassen.In Rücksicht auf alle diese Momente wurde von dervorerwähnten Commission das für ähnliche Anstalten geringerenümfangs bisher festgehaltene System einer strahlenförmigenAnordnung der Baulichkeiten ausdrücklich nicht fürangemessen erachtet, sondern die Errichtung einzelner Gefängnifsgebäudemit umschlossenen grofsen Höfen, auf denenfür Rasenplätze und Busch - Anlagen gesorgt ist, vorgezogen.Bei einer derartigen Disposition wurde neben dem Vortlieileneiner reichlichen Ventilation und der Scheidung derGefangenen in gröfseren völlig von einander getrennten Abtheilungenzugleich die Möglichkeit gegeben, für die einzelnenGefilngnisse besondere Einrichtungen (Isolirhaft, Gemeinschaftshaftoder gemischtes System) zu treffen, um eineverschiedene Form des Strafvollzugs in Rücksicht auf dieIndividualität dos Gefangenen zu wählen oder nach Bedarfbei langen Strafen die Form des Strafvollzugs allmälig umzugestalten.Das Gefängnifs-Etablissement hat demgemäfs drei Hauptgruppenvon Gebäuden erlialtcn, nämlich1) die Gcfängnifshäuser,2) die für die Verwaltung, Oekonomie nnd den maschinellenBetrieb bestimmten Gebäude,3) die Wohnhäuser für die Beamten.Die Gebäude zu 1) und 2) befinden sich innerhalb einerG,5 *" hohen ümwährungsmaucr, weiche nur mit zwei Haupt-Eingängen verschen ist. Der eine Eingang liegt in demThorgebäude zur einheitlichen Controle der zu- und abgehendenGefangenen und des Aufsichts-Personals. Der andereEingang führt auf der ßückseite des Etablissements naclidem Betriebshofe und ist lediglich für das Betriebs-Personalund die Zufuhr aller Verbrauchsgegenstände bestimmt.Da die Hauptaxe der Baulichkeiten in die Richtung vonSüdwest nach Kordost gelegt werden konnte, so ist in Rücksichtauf die von Kordwesten vorherrschenden Winde zugleichfür eine wirksame natürliche Luftorneuerung zwischenden einzelnen Gebäuden Sorge getragen.Obwohl der von der oben bezeichneten gemischtenCommission entworfene Dispositionsplan in den Revisions -Instanzen hinsichtlich der Stellung der einzelnen Gebäudeim Allgemeinen gebilligt werden konnte, so mufste doch beider weiteren Vorbereitung dieser complicirten Anlage namentlichin Betreff der räumlichen Anordnung der verschiedenenBaulichkeiten von den ersten Vorschlägen mehr oder wenigerabgewichen werden.22*


WA Herrmann, Neue Strafanstalt am Hötzeii-öee bei Berlin. 344Nachcleni der Bauinspcctor C. Hesse inzwischen zumRegieruDgs - und Baurath befordert und als solcher nachKönigsberg versetzt worden war, wurde die sachgemäfseAusführung der umfangreichen, eine besondere Fachkenntnifsorfordernden Baulichkeiten in die Hände einer zweiten<strong>Sp</strong>ecial-Commission gelegt, welche aus dem damaligen Stadtgerichts-Direet or Delius, dem Strafanstalts-Dirigenten y. Heldzu <strong>Sp</strong>andau und dem Bauinspector <strong>Sp</strong>iokcr bestand. Fürdie räumliche Anordnung der wesentlichsten Gebäude wurdendemnächst in der Abthcilung für das <strong>Bauwesen</strong> des Ministeriumsfür Handel, Gewerbe und öfentliche Arbeitennuter IVIitwirkung dos damaligen Referenten im Justiz-Ministerium,des inzwischen Ycrstorbenen Geheimen Ober-JustizrathsDeneke, durch Anfertigung skizzirter Baupläne dieerforderlichen Dircctivcn ertheilt, welche der spcciellen Bearbeitungund Veranschlagung des Projects zum Anhaltedienten. Unter der Leitung dieser !:weiten <strong>Sp</strong>ecial-Commissionkamen bis zum Jahre 1873 die Bauten der ersten beidenGefangenhäuscr, des Verwaltungsgebäudes, der beidenKüchengebäude, ferner des Krankenhauses, des Maschinengebäudesnebst der Gasanstalt und einiger Beamtcnwohuungenzur Yollständigen Ausführung.Vom Jahre 1873 ab, zu welcher Zeit der Bauinspector<strong>Sp</strong>ieker als Regierungs- und Baurath nach Potsdam versetztwurde und der Strafanstalts-Director v. Held eine anderweiteamtliche Stellung erhalten hatte, mufste die Weiterführungder iu Rede stehenden Anlagen einer dritten gemischtenCommission anTertraut werden, welche aus deminzwischen zum Vorsteher der vollendeten und belegten erstenbeiden Gefangenhäuser ernannten Dircctor Wirth, dem früherenStadtgerichts - Director, jetzigen Ober - TribunalsrathDelius und dem Bauinspector Lorenz bestand. Der vorbenanntenletzten Commission war die endliche Vollendung desganzen Etablissements nach Maafsgabe der aufgestellten unddurch die technischen Revisions - Instanzen approbirten Bauplänebis zum gegenwärtigen Zeitpunkte vorbehalten, wobeizugleich der einflursreichen IVIitwirkung des derzeitigen Referentenim Justiz-Ministerium, Geheimen Ober-JustizrathsStarke, noch rühmlichst zu gedeukeu ist.Im Laufe der Zeit ist der von Anfang an leitende bedanke,dafs die Anstalt sowohl Räume für Einzelhaft, wie fürGemeinsehaftshaft enthalten solle, nicht aufgegeben worden.Nur insofern hat man eine Aenderung für nothwendig erachtet,als die Zahl der Einzelzellcu gegen den ursprünglichenPlan späterhin erweitert wurde. Deragemäfs sind die beidenzuletzt ausgeführten <strong>Sp</strong>ecial-Gefängnisse auaschlielslich mitEinzelzellen versehen worden.Was die Gefängnifsräunio für Gemeinschaftshaft anlangt,so wurde es für unerläfslich gehalten, wenigstens für dieNachtzeit die Gefangenen zu isoliren. Zu diesem Zweckewurden in den grofsen ursprünglich zu Arbeitssälen bestimmtenRäumen der ersten beiden Gefängnisse Isolirschlafzelleu,wie solche in Belgien, Holland und in anderen Ländern seitlängerer Zeit üblich sind, eingerichtet und dagegen Arboitsräumein besonderen auf den Höfen erbauten Arbeitsbarackengeschaffen.Unerwähnt darf hier nicht bleiben, dafs auf der imvorigen Jahre stattgehabten internationalen Ausstellung vonGegenstünden der Gesundheitspflege zu Brüssel ein Modellder Anstalt, nebst den dazu gehörigen Zeichnungen undErläuterungen von der betreffenden Jury mit einem erstenPreise als Anerkennung ausgezeichnet worden ist.Nach Voranschickung dieser auf die geschichtliche Entwickeluugdes Baues sich beziehenden Notizen soll nunmehrzu der techniseheu Darstellung der einzelnen Baulichkeitenübergegangen werden.Ä11g:emeine Anordnung der einzelnen Baulichkeiten. (Bl. 49.)Das erste und zweite Gefängnils befindet sich an derHauptfront iu derselben Queraxe; sie hängen mit dem in derMitte liegenden Verwaltungsgebäude durch schmale Verbindungsgängezusammen. Diese beiden Gefängnisse sind fürIsolir - und gemeinschaftliche Haft bestimmt, und zwar bietetjedes derselben Raum für 400 — 450 Gefangene dar, vondenen je 60 in Isolirzelleu untergebracht sind.Das dritte Gefängnils, welches im Jahre 1876 vollendetwurde, ist ausschliefslieh für Gefangene in Isolirhaftbestimmt und enthält aufser einem Betsaal und 2 Schulzimmernzusammen 300 Isolirzellen.Das Gefängnils für jugendliche, unter 18 Jahren altePersonen hat 90 Isolirzellcn und aufserdem noch einzelneRäume, um ca. 16 Gefangene, welche am Tage gemeiuschaftlichbeschäftigt werden, zur Nachtzeit von einanderzu isoliren.Das Krankenhaus bietet den Raum für ca. 120 Betten,welche in kleineren und gröfseren Gemächern aufgestellt werden.In demselben befinden sich ferner eine besondere<strong>Sp</strong>eiseküehe, die Theekücheu und Baderäume, so wie dieerforderlichen Zimmer für das Aufsichtspersonal, den Arztund eine kleine Apotheke.Vorn am Haupt-Eingange liegt das Thorgebände miteiner Pförtnerwohnung und der Militairwache.Das Verwaltungsgebäude hinter einem Vorhofe betindetsich in der Mittelaxe des ganzen Etablissements, umgebenvon den symmetrisch sich anschlietscnden Gefängnifsgruppen.Links von der Mittelaxe liegt das Küchengebäude mitDampfbetrieb zur Bereitung der gewöhnlichen Gefangenen-Kost.Rechts von der Mittelaxe betindet sich die Dampf-Waschküche mit Schnell - Trockenapparat und den erforderlichenNehcnräumlichkeiten.Im Hintergründe des Etablissements reihen sich au:das Kemisongebäude mit Pferdestalluugen und Schuppen,das Betriebsgebäude, enthaltend eine Gasbercitungsanstalt,die Dampfliesselanlagen, welche die sämmtlichen Gebäudemit Dampf versorgen, und der Wasserthurm mit den erforderlichenPumpwerken, fernerdas Pumpenhaus mit dem Maschinenapparate für dieCanalislrung und Bewässerung,ein Kohlenschuppen undder Gasbehälter.Endlich sind noch4 Arbeitsbaracken auf den vorderen Höfen zur Beschäftigungder in Gemeinschaftshaft untergebrachten Gefangenenunddie zahlreichen Wohnhäuser für das Beamtenpersonal zuerwähnen, welche aufserhalb der die Gefängnifa- und Verwaltungs- Gebäude umgebenden Mauern liegen und ebenfallsdurchweg von einander getrennt sind.


345 Herrmann, Neue Strafanstalt am Plötzen-See bei Berlin. UGDas Terwaltunjfsgcbltude.(Bl. 50, 51 und 52.)Das Verwaltungsgebäude bildet den Sitz der gesammtonGefängnifg-Verwaltung. In diesem Gebäude werden alleneu eingelieferten Gefangenen zunächst aufgenommen undvon hier aus nach ihren Hafträumen abgeführt. Fernererfolgt hierselbst die Entlassung derjenigen Gefangenen,welche ihre Strafe verbüfst haben. Durch eine offene Vorhallegelangt man auf einer breiten Treppe nach dem Erdgeschofs,woselbst zur linken Seite das Zimmer des Schliefsersund zur rechten Seite das <strong>Sp</strong>rechzimmer mit einerderartigen Einrichtung angeordnet ist, dafs in demselben dieBesuchenden von den Gefangenen durch vergitterte Wändegetrennt sind, zwischen denen ein Aufscher das Gesprächder beiden Parteien zu überwachen vermag. An diese Gemächerschliefsen sich zu beiden Seiten eines Corridors zweiAufnahmezimmer, das Zimmer des Gefängnirs-Directors unddie Geschäftsräume des übrigen Verwaltungs-Personals an.Sämmtliche Zimmer sind durch <strong>Sp</strong>rachrohre mit dem Arbeitszimmerdes Directors verbunden.In dem Kellergeschofs • darunter befinden sich aufserzwei Bäumen für Heiz-Apparate und zwei Kohlenkellernnach vom zwei grofso Baderäume, in denen die Reinigungund Säuberung der neu angelangten Sträflinge erfolgt. Aufserdemliegen in diesem Geschosse 8 Räume, woselbst die ausder Zahl der Gefangenen gewählten Schreiber der Verwaltungs'Kanzlei beschäftigt werden.Im ersten Stockwerk liegt an der Vorderfront ein grofserVersammlungs-Saal, welcher zu dienstlichen Ansprachenan die Beamten und zu sonstigen feierlichen Veranlassungenso wie als Schullocal für die in gemeinschaftlicher Haft befindlichenGefangenen benutzt wird. In demselben Geschosseüber den Verwaltungsräumen befindet sich eine Simultankirchefür die Sträflinge evangelischer und katholischer Qonfessiondes ersten und zweiten Gefängnisses. Dieselbe hat eineGrundfläche von 350 Q Meter und bis zum Scheitel dermittleren Kreuzgewölbe eine hebte Höhe von 10,^"". In derNähe des Altars ist auf der rechten Seite das Gestühl fürden Prediger und auf der Unken Seite ein symmetrisch gestatteterEaum für das höhere Beamten-Personal eingerichtet.Ueber dem Haupt-Eingange liegt die Orgel - Empore,welche auch die erforderlichen Sitzplätze für einen kleinenSängerehor darbietet. Im Ganzen sind 540 offene Sitzplätzevorhanden, welche für die kirchlichen Bedürfnisse um somehr ausreichen, als der Gottesdienst für die Sträflinge nichtobhgatorisch ist und zu verschiedenen Zeiten abgehalten wird.Die den Altarraum flankirenden beiden Thürmo dienenzur Aufnahme der Glocken und enthalten die nach den Dachbödenführenden Nebentreppen.Wie bei allen anderen Gebäuden des Etablissementssind auch mit Rücksicht auf das zu Gebote stehende witterungsbeständigeMaterial aus der rühmlich bekannten HermsdorferZiegelei alle dem Auge näher liegenden Gesims-Abdeckungen,Wasserschläge und Pfeiler-Treppungen ausbesonders hartgebrannten Steinen gebildet, wodurch einegewisse Einheitlichkeit für die äufsere Architektur erzieltwurde, wie ja auch die mittelalterlichen Bauwerke der MarkBrandenburg vielfach derartige Anordnungen zeigen. Nurdie breiten Abwässerungsflächen des Hauptgesimses sind mitSchieferplatten abgedeckt lind harmoniren sonach mit demunmittelbar sich anschliefsenden Schieferdache.Die Thurmspitzen sind massiv von Vcrblcudsteinen25"" stark in Cementmörtel hergestellt und die hierbei vorkommendenArchitektur'Theile theils von gebranntem Thon,theiis von röthlichem Sandstein gebildet. Der rings um dasganze Gebäude laufende Sockel ist mit 31,5 """ hohen undIG"" starken Granitplatten bekleidet Für die Fenster-Sohlbänke der sämmtlichen den Gefangenen zugänglichenRäume ist ebenfalls Granit als Material gewählt, damit diehier erforderlichen Vergitterungen eine möglichst solide Befestigungerhalten konnten.Alle Räume des Verwaltungsgebäudes sind überwölbt,mit alleiniger Ausnahme des Versammlungs - Saals, welchereine Balkendecke erhalten hat. Wo die Breite der zuüberwölbenden Räume die Ueberdeckung durch eine einzelneKappe nicht zuliefs, sind statt der sonst üblichen Gurtbögen,der Raum- und Lichtschonnng wegen, gewagte eiserne Trägerangenommen.Für die Kirche ist ein sich frei tragender Dachverbandaus Holz und Eisen nach dem System Polon^eau zur Ausführunggelangt, um die eisernen Stützen des Kirchengewölbcsvon dem Drucke des Dachverbandes zu entlasten.Für die Heizung ist das Heifswasser-System nach Perkins,jedoch mit der Modiücation gewählt worden, dafs dasWasser in den Heizrohren nur bis zu 120 * C. erhitzt wird,welche Methode namentlich zur Erzielung einer behaglichenTemperatur in den Geschäftsräumen sich als zweckmäfsigbewährt hat.Die Ventilation, welcher bei diesem Gebäude eineuntergeordnete Bedeutung einzuräumen ist, erfolgt durch vertikaleAbsaugeschlotte, in denen Gasrostc zur Herbeiführungeiner kräftigen Luftströmung angebracht sind.Das erste ^eHlngnirs für Erwachsene.Das "erste Gefängnifs für Erwachsene kann im Ganzenungefähr 450 Gefangene aufnehmen, wobei die in dem Kellergeschofsbefindlichen Strafzellen nicht mit gerechnet sind*Es zerfällt in zwei Haupt-Theile, von welchen der gröfsereund vordere für gemeinsame Haft, der nach hinten senkrechtauf die Mitte des ersteren angebaute Flügel für Isolirhafteingerichtet ist.Das Vordergebäude enthält aufser dem Keller- undErdgeschosse noch zwei Stockwerke, von denen das oberstezu grofsen gemeinschaftUchen Schlafsälen benutzt wird, währenddie unteren Geschosse in kleinere Scblafräume eingetheiltsind. Ein Mittelcorridor von 2,83" Breite durchziehtder Länge nach die drei unteren Geschosse des ganzen Gebäudes,wogegen die Säle des zweiten Stocks die gesammteTiefe desselben einnehmen. Die Vorbindung dieser vierGeschosse unter sich vermitteln vier verschiedene Treppen-Anlagen, von welchen zwei in den Giebelanbauten und diebeiden anderen im Mittelbau zu beiden Seiten des nach demIsolirflügel führenden Zwischenbaues liegen. Die letzterengehen durch bis zum Dachboden, während die ersteren wegender niedrigeren Giebel-Anbauten, in denen sie sich befinden,bereits im zweiten Stockwerk endigen. Diese Giebel-Anbauten enthalten zugleich die Aborte für die in gemeinschaftlicherHaft untergebrachten Gefangenen.


347 Hei-i*manii, Neue Strafanstalt am Plötzen-See bei Berlin. 348Das Kellergcschofs hat 2,^, '" lichte Höhe und dient hauptsächlichzu Heizkammern und Kohlengelassen, ferner zueiuigen Isolir - Strafzellen und zwei Baderäumen mit je achtWannen. Das Erdgescbofs und das erste Stockwerk habenje 3,1"" lichte Höhe. Jedes dieser Geschosse enthält imMittelbau zwei Aufseherzimmer, iui Uebrigen Schlafräumo\oü Tcrschiedenen Abmessungen für gemeinsame Haft zu 5bis 11 Mann, so wie zwei gemeinsame Waschsälc mit je20 "Waschschüsseln. Die bauliche Anordnung ist hier so ge-Iroffen, dafs durch Theiluug der mehraxigen Zellen in einaxigebei eintretendem Bedürfnifs auch im VordergebäudeIsülirzellen hergestellt werden können. Im zweiten Stokwerk,dessen lichte Höhe 4,^ " beträgt, sind rechts und links vondem mittleren Treppenflur je zwei Schlafsäle mit 30 resp.10 Isolirschlafzellen, neben den erforderlichen Aufseherzimmernund Aborten eingerichtet.Der Isolirflügcl zeigt im Allgemeinen die für derartigeGebäude herkömmlichen Einrichtungen in vier Geschossen.Ein durch die drei oberen Geschosse emporgebauterCorridor von 4,7"" Breite vermittelt auf ausgekragteneisernen Gallonen die Zugänge zu den Isolirzellen, welchedie normalen Abmessungen von 4,j ,^'" Länge, 2,^'" Breiteund vi,i" lichter Höhe erhalten haben.Die eisernen Gallerien von 1,35"' Breite sind unter sichdurch eine im Gicbclanbau befindliche eiserne Treppe verbundenund stehen andererseits durch den zweiaxigen Zwischenbaumit den mittleren Treppen-Anlagen des Vordergebäudesin Zusammenhang.Hinsichtlich der änfseren Architektur war das Bestrebendaraufgerichtet, durch einfache, aber solide Detailausbildungund Zusammenhalten der Gebäudemasseii eine diesem Bedürfnifsbauentsprechende ruhige und ernste GesammtWirkung zuerzielen, so wie zugleich den Bedingungen einer sachgomäfsenÜekonomie und Dauerhaftigkeit ßechnung 'iu tragen. DieAnlage kennzeichnet sich daher von Aufsen als einfacherliacksteiu-Kohbau mit thunliehster Vermeidung von Fonnziegeln,wobei unter Verwendung des zu Gebote gestandenenguten Materials aus den Hermsdorfer Ziegeleien beiallen architektonischen Gliederungen eine gewisse Einheitlichkeitin der Gesammt-Erscheinung des Bauwerks erreichtwurde.Für die Eenstorsohlbänke in sämmtlichen Zellenräumcn,mit Ausnahme der greisen Sclilafsälc im zweiten Stuckwerk,ist, wie bei dem Verwaltungsgebäude, Granit als Materialgewählt, um den Vergitterungen eine möglichst haltbare Befestigungzu gewähren. Mit demselben Gestein ist auch derSockel dieses Gebäudes oberhalb des Terrains bekleidet worden.Zur Dachbedeckung ist englischer Schiefer angewendet,nur die kleinen, mit flacher Dachneigung versehenenAnbauten haben eine Zinkbedachung erhalten.Belmfs Erzielung thunliehster Feuersicherheit sind sämmtlicheRäume überwölbt und die Treppen mit Granitstufenund Granitpodesten angenommen. [Jm bei einem etwa entstehendenDachbrande einer schädlichen Erhitzung der Eisenconati-uctionenin den Saaldecken möglichst vorzubeugen, istüber der durchgehenden Dachbalkcnlage ein 5"" starkerLehmestrich auf Staakung ausgeführt. Brandmauern in denDaehräumeu, deren Thürdurchbrechungen mit eisernen Flügelnversehen sind, dienen aufserdem noch zur möglichstenLokalisiruüg eines daselbst ausbrechenden Feuers.An verschiedenen Stellen der Corridore sind durch Anbringungstarker eiserner Gitterthore innere Abschnitte gebildet, welche sowohl ein Entweichen einzelner Gefangenenerschweren, als auch die Bewältigung einer etwa ausbrechendenEmeute durch Absperrung des Entstehungsortserleichtern sollen.An passenden Stollen sind Glasabschlüsse angebracht,um die Entstehung von Zugwind zu verhüten und die Erhaltungeiner gleichmäl'sigen Temperatur in den Corridoren zuermöglichen. Die Fufsböden der Corridore und Aborte habeneinen Asphaltbelag erhalten. In den Zellen, verschiedenenSchlafräumen und Wärtcrziinmern bestehen die Fufsbödenaus 4""" starken gespundeten und genagelten Brettern, welchedemnächst dreimal mit heifsem Leinöl unter geringem Farbezusatzgetränkt worden sind.Die Aborts-Anlagen sind mit "Wasserspülung durch dasSitzbrett versehen und stehen mit Saugschlotten in Verbindung,welche durch Hcil'swasser-<strong>Sp</strong>iralen erwärmt werdenund auf diese Weise eine Entlüftung der einzelnen Äbortsräumelierbeiführen. Auch die Tsolirzellen haben besondereCloscts mit ähnlicher Wasserspülung erhalten. Jeder Closetsitzist unabhängig von der Zellen - Ventilation durch einAbzugsrohr entlüftet.Die Erwärmung dieses Gebäudes wird durch eine Heifswasser-Heizungbewirkt. Die Ventilation erfolgt hier nachdorn Principe der Aufsaugung. Es sind zu dem Behufe inden Mittelmauern senltrechte Abzugsrohren für die verdorbeneLuft angelegt, welche sämmtlich in einen horizontalenSammelcanal münden, der zwischen dem Gewölbe des Kcllercorridorsund dem Corridorfufsboden im Erdgesebosse sich hinzieht.Vertikale Saugeschlotte führen die verbrauchte Luftvon dort aufwärts nach der Atmosphäre. Die Aufsaugungder verbrauchten Luft wird theils durch Gasroste, theilsdurch Heiswasscr-<strong>Sp</strong>iralen innerhalb dieser Schlotte bewirkt.Aufserdem sind neben den besteigbaren Rauchrohren derFeuerungsanlagen Ventilationsrohrc aufgeführt und mit erstercndurch gemauerte oder von starkem Eisenblech construirteWangen verbunden, um die überschüssige Wärmeder Verbrennungs-Prodncte für Entlüftungszwecke thunlichstauszunutzen. Selbstverständlich ist bei der bedeutenden Ausdehnungdes Gebäudes die Ventilationsanläge nach derZahl der vorhandenen Saugeschlotte in ebenso viele abgeschlosseneSysteme zerlegt, welche derartig abgegrenzt sind,dafs die horizontalen Wege für die Luft ein gewisses als zulässigerachtetes Maximum nicht überschreiten.Die erforderlichen Heizapparate sind im Kellergeschossoauf 0 verschiedenen Stellen angeordnet und in 28 einzelnenSystemen, von denen jedes nicht über 250 Kohrlänge hat,derartig angeordnet, dafs es möglich ist, jedes System unabhängigvon dem anderen für sich zu heizen und demgeraälsz. B. die dem Winde mehr ausgesetzten GefängnÜBzellen miteinem höheren Wärmograde zu versehen, als die entgegengesetzten.Die angegebeuc gröfserc Zahl getrennter Heizsystemegewährt zugleich den Vortheil, dafs einzelne Zellengruppenbei nur theilweiser Belegung der Gefängnisse nachBedürfnifs ausgeschaltet werden können und dafs vorkommendeReparaturen den Betrieb der Heizung nur an wenigenStellen unterbrechen. In den Zellen des Kellergeschossesliegt die Hälfte der Heizungsröhren unterhalb der Decke,damit das System eine Steigung erhält und daher eine leich-


349 Herrmann, Neue Strafanstalt am PlötÄCn-See bei Berlin. 350tere Circulation des Wassers erzielt wird. In den übrigendrei Geschossen dagegen befinden sich die Röhren in derNähe des Fufsbodens übereinander und zwar längs derFensterwände behufs schnellerer Erwärmung der unter derGewölbedecke in Z förmigen Canälen einströmenden frischenLuft.Ueber alle sonstigen Einzelheiten der Heizungs- undVentilations-Anlagen dieses ersten Gefängnisses soll in einembesonderen Capitel das Erforderliche späterhin mitgetheiltund damit zugleich eine Darlegung der in den anderen Gefängnissenausgeführten verschiedenartigen Heizungs- undVentilations-Vorkehrungen verbunden werden.Die Anstalt ist mit einem eigenen Wasserwerk versehen,weiches für ein tägliches Verbrauchsquantum von 198 kb"(1600 Conanmenten ä 124 Liter) derartig construirt wurde,dafa das Hochresen'oir im Wasserthurm etwa ein Drittheildes gesammtcn Tagesquantums aufnehmen kann.In Folge der gegen das ursprüngliche Project gesteigertenZahl der Consumenten (von 2000 gegen 1600) undnamentlich wegen der für nothwendig befundenen ausgedehnterenVerwendung von Wasser zu verschiedenen Zwecken istder tägliche Wasserverbrauch ein erheblich gröfserer geworden.Demgemäfs reichte das Hochreservoir des Wasserthurmsnicht mehr vollständig aus, um die Schwankungen im Tagesverbrauchauszugleichen und um das für die l^aclitstundenerforderliche Verbrauchsquantum aufzunehmen. Letzteres waraber aus <strong>Sp</strong>arsamkeitsgründen anzustreben, damit eine kostspieligeDampfentwickelung während der Nacht zum Betriebeder grofsen Pumpmaschinen im Wasserthurm vermieden wurde.Da das Verbrauchsquantum während der Nachtstundennach genauen Ermittelungen 135 bis 150 kb'" betrügt, dasHochreservoir aber nur einen Fassungsraum von 70 kb hat, soerschien es nothwendig, durch Hülfsreservoire noch einenweiteren Wasservorrath von 80 kb zu beschaffen. Hierzusind, um allzu grolse Beanspruchungen des Mauerwerks zuvermeiden, 4 Reservoire ä 20 kb"* gewühlt, welche imBodenraum der seitlichen Vorbauten des ersten und zweitenGefängnisses aufgestellt wurden.aHülfsreservoir.bcdeZuflufsrohr.Abflufsrohr.UoberhrnfroTir.Rch-wimmkugelhalin.Ventil.Diese Hülfsreservoire werden durch das höher gelegeneHauptreservoir im Wasserthurm gespeist und functionirenselbstthätig. Die Zutinfsleitung, welche gleichzeitig die Äbflulsleitungbildet, reicht bis zum höchsten Wasserspiegel undwird abgesperrt durch einen Schwimmkugolhahn, wenn derhöchste Wasserstand erreicht ist. Durch ein Abzweigrohrist dai^ Hauptzuflufsrohr mit dem Boden jedes Bassins verbunden.In letzterem befindet sich ein Ventil, welches solange geschlossen bleibt, als der Brück aus dem Wasserthurmstärker ist. Läfst derselbe nach Entleerung desBassins im Thurm nach, so öfftiet sich das Ventil und dasHülfsreservoir beginnt sich zu entleeren. Für Üeberlaufrohrebei Undichtigkeiten der Ventile etc. und für den Ablaufdes Schwitzwassers ist Sorge getragen.Das für die ganze Bauanlagc erforderliche Leuchtgaswird, wie oben erwähnt, in einer eigenen Gasanstalt bereitetund jedem einzelnen Gebäude nach Maafsgabe des obwaltendenBedürfnisses zugeführt.Die Flammen in den Isolirzellen und in den verschiedenenSchlafräumen sind mit den üblichen Regulirungshähnenversehen; die Absperrung und Eröffnung der Leitungenerfolgt indessen nur durch die in den Corridoren liegendenHaupthähne, welche allein den Aufsichtsbeamten zugänglichsind.Abgesehen von anderen SicherheitsVorkehrungen wurdeein Hauptworth darauf gelegt, dafs die in den verschiedenenKäumen befindliehen Gefangenen sowohl bei Tage alsauch bei Nacht von den Corridoren aus leicht und ohneGeräusch beobachtet werden können. Um diesen Zweck zuerreichen, sind nicht allein in allen Thüreu, sondern beigröfseren Räumen auch an verschiedenen Stellen im Mauerwerkkleine verglaste und mit Schieber versehene Beobachtungs- Oeffnungen in passender Höhe angebracht. Umauch während der Nacht in der Lage zu sein, die Hafträume,deren Gasflammen um 7 Uhr erlöschen, beobachtenzu können, sind bei allen Räumen oberhalb der Thüren sogenannteLeuchtöffnungen, d.h. kleine vergitterte Fenstervon 0,4 •" im Quadrat angebracht, durch welche eine schwache,aber, ausreichende Erhellung der Zellen etc. vermittelst derwährend der Nacht im Corridor brennenden Flammen erzieltwird.Diese Leuchtöffnungen dienen aul'serdem im Sommerdazu, eine zweckmäfsigc Ventilation der Räume zu unterstützen.Ueber die für Thüren und Fenster angewendeten verschiedenenConstructioncn, sowie über die Detail - Einrich*tung der Zellen und Schlafräume soll in einem späterenCapitel das Erforderliche gesagt werden.Bas zweite Crefäii^uils.Das zweite Gerängnifs für Erwachsene, welches inZeichnungen auf Bl. 53 bis 59 specieller dargestellt ist,kann wie das erste Gefängnifs ca. 450 Gefangene aufnehmen.,Die Abmessungen, die Einthcilung, Benutzungs- und Bauartdieses Gebäudes sind dieselben wie beim ersten Gefängnils.Es gilt daher das bei jenem Gebäude Gesagte auchhier, soweit es nicht durch das Nachfolgende modificirtwird.im Laufe der Zeit hat sich das Bedürfnifs herausgestellt,auch für die zalürcichen Gefangenen jüdischer Confessioneinen kleinen Betsaal zu beschaffen. Dieser ist imMittelbau des Vorderhauses, und zwar im zweiton Stockwerk,dem jüdischen Ritus entsprechend eingerichtet. DieLänge des mit 4 Fenstern versehenen Betsaales ist 11,5",die Breite 5", während die lichte Hohe 4,4" beträgt.Gänzlich abweichend vom ersten Gefängnifs sind alleindie Heizungs - und Ventilations - Einrichtungen. Währenddort die Erwärmung durch eine Heifswasser-Heizung und die


351 Sclielten, lieber Güte und Widerstandsfähigkeit, von Deiobraaterialien. 352Ventilation nach dem Principe der Aspiration erfolgt, wurdeim zweiten Gefänguifs eine I-uftheizung mit Pulsion zur Ausführunggebracht, mit welcher naturgemäfs eine A'^entilationverbunden ist.Die für das ganze Gebäude zur Heizung und Ventilationzu verwendende Luft wird aus einem an geeigneterStelle des Gefängnifshofes aufgeführten LuftscLacht entnommenund durch zwei gemauerte unterirdische Caniilo von je1,3g"' Breite und 0,«^, "" Höhe nach dem Mittelbau des Gefängnissesgeführt. Der Luftschaclit steht auf einem Rasenplatzeund ist mit Strauchwerk umpflanzt. Die vier grofsenEinstromungs - Oeffnungen sind mit feinmaschiger Gaze überspannt,um Staubtheilchen und sonstige VerunreinigungenEibzuhaltcn. In dem unter der Vordertreppe des Mittelbauesliegenden Räume vereinigen sich die beiden Luftzuführungs-Canälo, und von diesem Sammelraumc zweigen sich alsdanndrei Luftverthcilungs - Canäle ab, die, unter dem Kellerpflaatersieb nach links und rechts wendend, die beiden entsprechendenFlügel des Vordergobäudcs mit frischer Luft verscheu,respective geradeaus gehend dieselbe nach dem Isolii-flügelleiten.In jedem dieser Vertheilungscanäle ist ein Ventilatoraufgestellt, welcher die Luft nach den Heizkammeru im Gebäudetreibt. Hier erwärmt sich die Luft an Heifswasscr-<strong>Sp</strong>iralen und verbreitet sicli unter dem Brücke der Ventilatorenin horizontalen Vertheilungscanälen, die unter demCorridorfufsboden des Erdgeschosses liegen. Aus diesen Vertheilungscanälensteigt die Luft vermittelst einzelner vertikalerCanäle von entsprechendem Querschnitt in die zu heizendenRäume.Die Znführungsrohre für die erwärmte frische Luftenden für jeden Kaum 0,^" unter der Decke und habenOcffnungen an der Decke und auch am Fufsboden mit dennöthigen Gittern und Rogulirungsklappon. Hierdurch ist dieMöglichkeit geboten, den Luftzutritt jo nach Eedürfnifs entwederoben oder unten zu gestatten.Die Abfübrungsrohre für die verbrauchte Luft liegenmeistens den Zuführungsrohren diagonal gegenüber. Siesteigen bis zum Fufsboden des Dachgeschosses empor undmünden hier in schwacli geneigten Holzcanälen, die mit Zinkblecljsorgfältig ausgefüttert sind und mit den vertikalen Abzugsschlottenin Verbindung stehen. Die letzteren liegen,wo sich dies erreichen liei's, in unmittelbarer Nähe der warmenbesteigbaren Schornsteine, nur durch eine starke Blechwandvon diesen getrennt. Hierdurch wird namentlich imWinter die Abführung der verbrauchten Luft wesentlichgefördert.Aehnlicti und aus denselben Gründen wie beim erstenGefängnifs sind auch hier eine Zahl getrennter Heiz - undVentilations - Systeme angelegt.Zum Betriebe der drei Ventilatoren ist in einem benachbartenRäume des Kellergeschosses eine Dampfmaschinevon 5 Pferdekräften aufgestellt, welche ihren Dampf durchunterirdische Rohrleitungen aus dem Retriebsgebäudc erhält.(Fortsetzung folgt.)lieber Gfüte und Widerstandsfähigkeit von Deichmaterialien.(Mit Zeichnungen luif Blatt P im Text.)"Wenngleich nicht zu verkennen ist, dafs bei jederDeichanlage die Lage des Deiches gegen die angreifendeWelle und eine den Umständen und Verhältnissen angepafsteProfilirung des Deichkörpers in erster Linie auf diegröfsore oder geringere Wehrfähigkeit ihren Einiiufs ausüben,dafs ebenso auch ein gewissenhaftes und sorgfältigesBeachten aller baulichen Mittel, welche die Dichtung desDeichkörpers bezwecken, sowie eine strenge Fcrnhaltungaller Umstände, welche einer gehörigen Dichtung des Deichesin sich und einer innigen Verbindung desselben mitseinem Untergründe binderlich sind, in bedeutendem Maafsezur Stabilität beitragen, so ist doch auch dem vierten Factorder "Wehrkraft jedes Deiches, dem Deichraateriale, einnicht zu unterschätzendes Gewicht beizulegen, und man darfin der Wahl desselben nicht in oberflächlicher Weise verfahren.Sehr häufig ist mau allerdings an die ortlich vorkommendenErdarten gebunden, und meistens gestatten esdie finanziellen Verhältnisse der Bauausführung nicht, bessereErdarten aus gröfsercr Ferne heranzuholen und das wenigergute nähere Material unbenutzt zu lassen. Es giebt aberdoch manchmal Fälle, bei denen eine Erwägung in dieserRichtung Platz greifen raufs. Will man dann in solchemFalle, wo sich der Kostenerhöhung durch vergröfserten Transportder relative Werth des besseren Materials zum schlechterengegenüber stellt, rationell verfahren, so wird es unbedingtnothwendig, den Werth der vorhandenen Bodenartenzu kennen, d h. die Materialien hinsichtlich ihrer Eigenschaftenund ihres Verhaltens gegen äufsere Einflüsse zuprüfen und ihren relativen Werth hiernach und an der Handder Erfahrungen festzustellen.Verfasser dieses war in der Lage, bei der Eindeichungder Wessccker-Gruber-Niederung und bei dor Projectirungvon Deich- und Entwässcrungs-Anlagen in anderen Ostholstein'schen^Niederungen, welche in Folge der grofsenOstsocsturmfluth vom 13, November 1872 erforderlich wurden,vor I'ragen angeführter Art gestellt zu werden. Eswurden in Folge dessen Versuche mit verschiedenen Deichmaterialicnangestellt und dieselben später auf sämmtlichöin Ostholstein und auf der Insel Fehmarn im Bau befindlicheAusführungen ausgedehnt.Zweck des vorliegenden Aufsatzes ist nun, Angesichtsdes meines Wissens geringen Materials, welches über solcheUntersuchungen vorhanden ist, die Resultate der von mirgemachten Versuche mitzutheilen, weil sie Schlüsse von allgemeinemInteresse zulassen und vielleicht in manchen Fällengewisse Anhaltspunkte zu gehen vermögen.Auf Blatt P im Text zeigt Figur 1 die Situation desöstlichen Holsteins und der Insel Fehmarn mit den Orten,denen die Proben entnommen wurden. Wie schon gesagt,war es speciell die Eindeichung der Wessecker-Gmber-Mederung(a b in der Skizze), welche zu der Frage Veranlassunggab, ob man das vor der SturmÖuth verwendete ort-


353 Schelten, Ueber Güte und Widerstaudsfäliigkeit yon Deiebmaterialien. 354liclie Material, den reinen Dünensand, unter Zuhülfeuahmeeiner Lehmbekleidung benutzen sollte, oder ob man bessertliUte, den ganzen Deichkörper aus gutem Lehm herzustellen, der jedoch aus zum Theil grofser Entfernung auf Interimsbahnonmit Pferde- und Locomotivbetricb herangefahrenworden mufste. An der Hand der an Ort und Stelle gemachtenErfahrungen, wo die frühereu, aus Dünensand bestehendenDeiche durch die Sturmfluth von 1872 in ihrerganzen Ausdehnung total vernichtet und dem Erdbodengleich gemacht waren, sowie nach den reichen Erfahrungen,welche man in Holland mit Sanddeichen gemacht, mufsteder Grundsatz anerkannt werden, dafs Sanddeiche, mit einerLclmidecke versehen, nur so lange wehrfähig sind, als letzterein heschädigtem Zustande den Saiidkörper in der ganzenAusdehnung noch deckt, dafs aber, sobald Schalungendie Decke durchbrechen und stellenweise der Kern freiwird, der Bestand des Deiches auf lange Strecken gefährdetist.In Folge dieses Umstandes entschlofs mau sich, dieDeiche ganz in Lelmi auszuführen, und tauchte naturgemäfshierbei die technische Frage über die Wahl der Gewinnuiigsstellenauf Bohrungen und Grabungen, den Deichen näherund ferner, ergaben die verschiedenartigsten Materialienund bedington Versuche, die feststellten, welche Materialienzur Verwendung zugelassen werden konnten, und welche ihrerEigenschaften wegen als unzulänglich bezeichnet werdenmufston.Um in dieser Richtung sichere Anhaltspunkte zu haben,liefs ich mir von ausgeführten Deichen an der Nordsee nebenanerkannt guten Proben auch solche kommen, welche inihrer Brauchbarkeit auf den untersten AVerthstufen standen,und unterwarf dieselben gemeinsam mit den zu prüfendeneiner Kcihe von Versuchen, welche ihre Eigenschaften undihr Verhalten gegen äufsere Einflüsse darlegten.Nachdem ich später die Versuche auch auf sämmtlicheDeichbauten in Ostholstein und Fehmarn ausgedehnt hatte,ergab sich ein Bild von mannigfaltigem Interesse, das ichmir erlaube, nachstehend zu entrollen.Betrachtet man die am häufigsten vorkommenden Erdarten,so lassen sich ganz handgreiflich einige Sorten alszum Deichbau unbrauchbar ausscheiden, andere als brauchbaranerkennen. Zu ersteren gehören vor allen Dingenalle torfhaltigen Erdarten, weil diese nicht allein durchlässigsind, sondern auch ein zu geringes specifisches Gewichthaben, welches zuweilen unter 1 herabsinkt, so dafssie auf Wasser schwimmen.Der reine Sand hat den Vortheil eines grofsen specifischenGewichts, sobald man annimmt, dafs derselbe denRaum vollständig erfüllt. Da er das aber nicht thut, vielmehr,aus lauter kleinen Kugeln bestehend, unausgefüllteLücken läfst, so wird jener Vortheil zum Theil illusorisch,und die gleiche Deichmasse eines thonhaltigen Sandeswird unter Umständen schwerer sein als die aus reinem Sande.Aus der Art der Lagerung des Sandes folgt aber für diesendie sehr unangenehme Eigenschaft der Durchlässigkeit, wobei• offenbar der Grad der Feinheit nur den Grad der Durchlässigkeitverändern, diese Eigenschaft selbst aber niemals aufhebenkann.Wenn daher Sanddeiche, wie es in Ostholstein im Jahre1872 der Fall war, lange Zeit hindurch hohem WasserdruckeZeltschrift f, <strong>Bauwesen</strong>. Jahrg, XXVn,ausgesetzt sind, so tritt allmäiig eine Infiltration des Körpersein, die Blnnenböschuug weicht aus, sobald sie gesättigtist, weil der Ruhewinkel des Sandes kleiner wird, jemehr er mit Wasser durchzogen ist, die Kappe sinkt nach,und ganze Deichstrecken verschwinden plötzlich, sobald dienachgesunkene Kappe den Ucbertritt des Wassers nicht mehrhindern kann. Schon aus diesem Grunde ist reiner Sandals eiu nicht welirfähiges Material anzusehen und beim Deichbauzu verwerfen.Sandige, humose Ackererde hat vor dem reinen Sandeden Vorzug, dafs sie sich im Deiche dichter lagert, indemdie humosen Thcilchen die Lücken, welche der Sand läfst,ausfüllen, also eine Masse bilden, welche gegen Wasser bedeutendweniger durchlässig erscheint, und die wohl meistensals genügend dicht angesehen werden darf. Hingegenfehlt auch hier wie beim Sando die Cohäsion der einzelnenTheile, ein Kleb - und Bindstoff, dessen Abwesenheit dasKaterial gegen die Einwirkung bewegten Wassers widerstandlosmacht. Bei Deichen, welche Wellenschlag oder starkenStrömungen ausgesetzt sind, ist auch dieses Material alsnicht wehrfähig zu verwerfen.Alle Erdarten dagegen, welche Thonerde enthalten,seien es absolut reine Thonarten, seien es sog. Mergel oderLehmarten, die stark mit Sand versetzt sind, ja selbst solcheSandarten, die nur so wenig thonartige Theile besitzen, dafsdie Cohäsion der Sandkörner gesichert ist, sind die zu Deichbautenpassenden Erdarten und im Allgemeinen alle als verwendbarzu bezeichnen. Letztere Regel gilt indessen nichtin so umfassender Weise, daCs nicht auch hier Ausnahmenvorkommen könnten, ja wir werden sogar sehen, dafs esfast reine Thonarten giebt, welche geradezu unbrauchbarsein können. Gemeinhin pflegt man anzunehmen, dafs eineThonart die brauchbarste sei, welche aus demjenigen Gemengebesteht, das mau bei der Ziegelfabrikation als dasbeste erachtet, d. h. die einen bestimmten Procentsatz auSand enthält. Hat man derartige Materialien gefunden, soglaubt man meistens, sich beruhigen zu dürfen und aufnähere Untersuchungen nicht eingehen zu müssen*Gleichwohl giebt es manche Fragen, die sich nur beinäherer Präcision der Eigenschafton jener thonartigen Materialienbeantworten lassen. Die Mannigfaltigkeit solcherErdarten in ihrer Zusammensetzung, der Procentsatz anSand und sonstigen Beimischungen, der Grad der Feinheitdes Sandes, der Gehalt an kohlensaurem Kalk etc. bedingendie relative Güte des Deichmaterials, und eine gröfsero Anzahlvon Versuchen in dieser und anderer Beziehung bieteteine Grundlage für die Beurtheilung des relativen und auchdes absoluten Werthes der einzelnen Materialien.Bevor ich zu den einzelneu Untersuchungen tibergehe,wird CS nothwendig", die den Versuchen zu Grunde gelegtenProben kurz anzuführen.Die 44 in Betraclit gezogenen Erdarten, mehr oderweniger mit thonigen Bindemitteln versehen, gnippiren sichwie folgt:I, Erdarten ans den Marschierenden an der T^ordsee.1. Klaiboden der Marschdeiche bei Husum.2. Klaiboden aus den Pottwerken (Schachtgruben) vordem Süderheverkoog bei Husum.3. Klaiboden aus der Deich Verstärkung des Süderheverkoogs,1862.23


355 Schelten, Ueber Güte und Widerstandsfähigkeit von Deichmaterialien. 3564. Marschboden aus dem Heller-Anwachse bei Bensersielin Ostfriesland.5. Thonmergcl aus dem Abwäsaerangs - Canal bei Esensin Ostfriesland.6. Marschboden aus dem Heil er-Anwachse bei Westeraccuraersielin Ostfriesland.7. Marschboden der Elbniederung bei Harburg (Insel Wilhelrasburg).II, Erdarten der projcctirten und ausg-efUiirten Deichanla^enim Östlicben Holstein.a. Durchdämmung des Gruber Sees.8. Blauer Thon aus den Pottwerten zur Durchdämmungdes Gruber Sees bei Grube.b. Bedeichung der Klostersee-Niederung.9. Lehm vom Schulberge bei Grömitz.10. Lehm von der Sager'schen Koppel bei Grömitz."11. Lehm von der Colsehen'schen Koppel daselbst.12. Lehm von der Koppel Wintershöm bei Kellenhusen.c. Bedeichung der Wesseck-Gruber-:Niederung,13. Sandiger Lehm von der Abschrägung bei Dahme.14. Lehmiger Sand daselbst.15. Desgleichen wie 14.16. Lehm von der Fick'schen Koppel unweit Dalimc, unmittelbarunter der Ackererde.17. Lehm wie 16, aber in 1,5" Tiefe gewonnen.18. Diluvialer Thonmergel vom Bosenfelder Berge, 1,5"tief gewonnen.19. Rother Thonmergel daselbst, 5" tief gewonnen.20. Eöthlich blauer Thonmergel daher, 8"' tief gewonnen.21. Weifslich blauer Thonmergel daher, lü"* tief gewonnen.22. Lehm von der Abschrägung bei Rosenfcld, 2" tief gewonnen.23. Gelber Lehm vom Berge bei Weifsenhaus,24. Gelber sandiger Lehm von Wesseck.d. Bedeichung der Water-Neverstorf-NeudorferB^iederung.25. Lehm von der Koppel Frensahl bei Hafsborg.26. Lehm von der Lippe.27. Lehm vom sog. Knüll, Station 49 des Deichs.28. Lehm daher, Station 60 des Deichs.29. Lehm von der Koppel Sibirien.e. Bedeichung der Niederung an der StranderBucht bei Friedrichsort.30. Lehm von der Koppel Strander Kamp.31. Lehm von der südlichen Gewinnungsstelle daselbst.m. Erdarten der Bedeichung-en nnf der Insel Fehraarn.a. Im Süden der Insel.32. Gelblich grüner Lehm bei Gollendoi-f.33. Schwarzer mooriger Lehm daher.34. Gelber Lehm von Sulstorf.35. Blauer Thon aus der durchdeichten Wyli bei Sulstorf.b. Im Westen der Insel.36. Grünlich gelber Lehm bei Kopendorf.37. Gelber Lehm von Böjendorf.38. Bräunlich moorartiger schlickhaltiger Lehm bei Wester-Marckelsdorf.c. Im Norden der Inseh39. Blaugrauer Lebm bei Puttgarden.40. Blaubrauner Lehm daher.d. Im Osten der Ingel.41. Gelber Lehm bei Presen.42. Grünlicher Thon daher.43. Grünlich gelber seifenartiger Thon daher.44. Weifslichcr lebmiger Kalkmergel daher.Die in obiger Zusammenstellung den einzelnen Probongegebenen Nummern entsprechen den Nummern in der Tabelleauf Seite 301/62, welche die Vcrsuchsresultato enthält,auch sind sie, soweit die Proben aus Ostholstein und Fehmarnstammen, in die Skizze Figur 1 (Blatt P) eingetragen.Bei Ausführung der Untersuchungen handelte es sichnun zunächst um die Frage, welche Umstände überhaupt beider Beurtheilung der Güte von Deichmaterial in Betracht zuziehen seien, um die Richtung des Ganges der Untersuchungenund den Umfang der letzteren festzustellen. Die Frage läfstsich endgültig erst durch die Versuche selbst und die darauszu ziehenden Resultate beantworten, insofern es sich nämlichdarum handelt, bei neuen vorliegenden Proben auf demkürzesten Wege zur relativen Werthbestimmung zu gelangen,sie läFst sich aber durch die folgenden Ueberlegungcn imGrofscn und Ganzen und in den Hauptpunkten schon vorherpräcisiren.Erste Versuchsreihe.Zunächst ist es zweifelsohne klar, dafs der gröfsereoder geringere Sandgehalt auf die Güte des Materials Einflurshaben mufs. Die Prüfung des Sandgehalts ist daherin erster Linie erforderlich. Im Allgemeinen wird man sagenmüssen, dafs ein gröfserer Sandgchalt das Material verschlechtert;ob das aber in proportionalem Verhältnisse geschieht,ist eine Frage, die nicht ohne Weiteres zu beantwortenist und später erörtert werden soll. Nimmt man an,ein thoniges Deichmaterial bestehe aus TheUen, die in Wasserlöslich und die in Wasser nicht löslich sind, so wirdman nicht sehr fehl gehen, wenn man unter erstcrcn dieeigentlichen Binde- oder Klebmittel versteht, und letzteremit dem Namen Saud bezeichnet.In dieser Beziehung wurden die Proben zunächst getrocknet,pulverisirt und ein bestimmtes Quantum derselbenin einem cylindrischen Glase gemessen. Das so festgelegteHaummaafs wurde nun ausgewaschen, indem stets frischesWasser in einer Schale zugegeben und nach erfolgter Trübungdurch das Auswaschen selbst abgelassen wurde. DieseProcedur wurde so oft wiederholt, bis das Wasser sich nichtmehr trübte j d. h. alle löslichen Theile entfernt waren.Der übrig gebliebene Rest wurde alsdann getrocknet, zerfcinertund wiederum in demselben Glase gemessen, und darnachder Procentgehalt der Probe an unlösbaren Stoffen(Sand) festgestellt.Zweite Versuchsreihe.Es ist aber fernerweit klar, dafs auch die Structur desSandes auf die Güte des Materials von Einflufs sein mufs,indem offenbar sehr grobe Sandkörner, durch thonige Bindemittelgebunden, ein nicht so festes Gefüge bilden können,als wenn der Sand sehr fein ist. Auch zeigte ea sich beimanchen Proben, dafs dem Sande von bestimmter Feinheiteinzelne gröbere kiesartige Kömer von Erbsen-, Nufs- und


357 Schelten, lieber Güte und Widerstandsfähigkeit von Deichmaterialien, 358Wallnursgröfse beigemengt waren, uad ist es evident, dafsauch diese durch ihre gröfseren Haftflächen in noch weiteremMaafse das Gefüge locliera.Um nun auch in dieser Beziehung einen relativen Vergleichsmaarsstabzu haben, sind für die Grade der Feinheitdes Sandes mit Rückaicbt auf die gröberen Beimischungen12 Stufen angenommen, nach folgendem Modus:8tufe 1 staubförmig fein.2 sehr fein.- 3 fein.- 4 ziemlich fein.5 fein mit einzelnen gröberen Körnern bis Erbsengröfsc.^ 6 etwas grob.- 7 ziemlich fein, mit groben Thcilen bis Wallnulsgrölsegemischt.- 8 grob.9 etwas grob mit einzelnen erbsengrofsen Körnern,- 10 grob mit Tlieilen von WallnufsgröFse,- 11 grob mit vielen Körnern bis Wailnufsgrölse." 12 sehr grob.Die Resultate des Saudgehalts sowie des Grades derFeinheit sind in der Tabelle sub <strong>Sp</strong>alte a für die einzelnenProben unter diesen Gesichtspunkten zusammengestellt.Dritte Versuchsreihe.Auch das specifische Gewicht der Bodenarten ist vongrofsem Belange für die Stabilität eines Deiches. Hier giltdas Princip der Proportionalität vollkommen, denn je schwererdie Erdart, desto besser ist sie für den Deich. ZurErmittelung des Gewichts und auch zu den weiteren Versuchenwurden kleine, oben offene llolzkasten von 61"'" Seiteund lö""" Hoho hergestellt. Um die Proben gut und schliefsendhinein zu bringen, war die eine Seite des Kastensoifen, und wurde erst nach Einbringung der Probe geschlossen.Es wurde ein bestimmtes Quantum der Proben getrocknet,pulverisirt und unter gleichmäfsigem Zusätze von Wasserzu knetbarer Masse gemacht, dem Zustande der Bergfeuchtigkeitentsprechend, darauf etwa in der Festigkeit einesgut gestampften Deiches in den Kasten eingeknetet, dieoffene Seite des letzteren geschlossen und oben vollkommeneben abgestrichen.Da die Kasten nicht ganz scharf einander güchen, sowurden die trockenen Proben später nach Inhalt gemessenund gewogen, und darnach das specifische Gewicht bestimmt.Columne b der Tabelle cuthält diese Zahlen.Vierte Versuchsreihe,Landleute in Ostholstein wollten die Bemerkung gemachthaben, dafs eine Lehmart mit „Mergelgehalt" (in der Volkssprache)den Deichen schädlich sei, weil durch den Gehaltan kohlensaurem Kalk die Erdart leichter löslich würdeund dem Wasser nicht zu widerstehen vermöge. Ob undin wie weit diese Ansicht begründet, lassen nur desfallsigeVersuche erkennen. Es wurden also die unter Nr. 3 beschriebenenProben in jener Beziehung geprüft. Ich liefseinen Tropfen rauchender Salzsäure auf die Proben fallen,und bemerkte den Grad des Aufbrausens, den dieser erzeugte.Je nachdem das Aufbrausen in der hierneben angegebenenWeise erfolgte, wurden 4 Grade unterschieden;1. frei von kohlensaurem Kalke.2. geringer Gehalt an kohlensaurem Kalk (a).3. ziemlicher - - - - (b).4. sehr starker - ^ - - (c).In Columne c der Tabelle sind nach diesen Graden die Resultateangegeben.Fünfte Versuchsreihe.Reiner Thon und Thonarten mit geringen ProcentsätzenSand besitzen erfahrungsmäfsig die unangenehme Eigenschaft,beim Eintrocknen ihr Volumen stark zu verringern. Wennman zum DeicJibau solche Materialien anwendet, so ist dieBefürchtung gerechtfertigt, dafs mit der Zeit sich Deichrissebilden, und damit Undichtigkeiten entstehen, die um so gefährlicherwerden, je gröfser das Schwlndmaafs der verwendetenErdart ist. Ob die Grofse des Bchwindmaafses lediglichvon dem Grade der Reinheit des Thons abhängt, undob dieselbe proportional mit der Zunahme des Sandgehaltesabnimmt, läfst sich ohne Weiteres nicht beantworten. Dazusowohl, wie zur Beurtheilung der Fragen, welches Schwindmaafsnoch zulässig erscheint, ob und welche bauliche Mittelim Stande sind, das Schwinden unschädlich zu machen,und bis zu welchem Grade man eventuell solche Mittel anzuwendenhat, ist eine dahin zielende Versuchsreihe gebildet,welche das lineare Scliwindmaafs der Proben feststellte.Die in Kasten gekneteten Lehmproben sind, wie schonbemerkt, alle in einer dem bergfeuchten Zustande entsprechendenWeise behandelt, indem gleiche Quantitäten Wassergleichen pulverisirten Proben -Massen zugesetzt wurden. Nachvollständiger Eintrocknung wurden die Lichtweiten der Kastenund die eingetrockneten kleineren Proben genau gemessen,und aus beiden Zahlen das lineare Schwindmaafs und zwarin Procenten der Längeneinheit berechnet; in der Tabellestehen dieselben unter der Columne d verzeichnet.Sechste Versuchsreihe.Es sind fernerweit die Proben auf ihre rückwirkendeFestigkeit versucht worden. Zwar haben die Zahlen derrückwirkenden Festigkeit im Allgemeinen und an und fürsich geringeren Werth, weil hierbei der Sandgehalt und auchwohl der Grad der Feinheit desselben einen gewissen Einflufsausüben. Wenn man indessen aus verschiedenen ProbenGruppen bildet, die sich einander gleichen, oder nichtsehr verschiedenen Sandgehalt besitzen, so zeigen die Zahlender Bruchgewichte den verschiedenen Grad der Cohäsionziemlich genau an und lassen auf eine Haupteigenschaft desBindemittels, d. h, auf die Zähigkeit desselben schliefsen.Diese Versuche sind mit einem Drückapparate hergestellt,wie er in Figur 2 auf Blatt P gezeichnet ist. An einereichenen Bohle befindet sich ein eiserner Bolzen, welcheram oberen Ende ein Scharnier trägt, und das Auge einesbuchenen Hebelsarmes aufnimmt. Ein zweites Scharnier miteisernem Drnckstempcl von IQ""" Grundfläche ist in 10"**23*


359 Schelten, Ucbcr Güte und Widerstandsfähigkeit von Deichmaterialien. 360Entfernung vom ersten Scharnier angebracht und drückt aufdio zubereitete Probe, bestehend aus einem geformten Würfelder zu untersuchenden Erdart von 1 ^'^ Seite. Der Würfelruht aber nicht direct auf der eichenen Bohle, sondernauf einer untergelegten kleinen Kisenplatte. Am anderenEnde des Hebels hängt bei 10 facher Druckübertragung eineFederwaage, an deren unterem Haken durch langsames Anziehenmit dem Finger ein allmälig sich steigernder Druckauf die Probe ausgeübt werden konnte. Der in dieser Weiseausgeübte Druck besteht aus zwei Theilen. Bezeichnet inder Figur ^ das Eigenwicht dos Hebeltheils von 90^"* Länge,PY das des kleineren Hebelthoils, f^ das des Stempels undP^ das der Federwaage, so setzt sich der constante, durchden Apparat allein hervorgerufene Druck -P, wie folgt, zusammen:V-VPV== 0,3g Kg. (gewogen)n — 0,5 Kg.^3 =" *^U6 Kg.und die Gleichung;P . 10 ^ (^ 4- i'i) • 60 ^P-i-l^-Vn- 100liefert :^ ^ 6,7 Kg.Ohne Federwaage drückt der Apparat nur mit 2,j Kg.Dio wirkliche Belastung der Probe besteht nun aus?+ Q, wo:stattfindet.Mit diesem Apparate wurden für jede Probe;, welchesorgfältig geformt und vollständig lufttrocken "war, drei Vorsuchegemacht, die Bruchgewichte notirt, und aus ihnen dasMittel genommen, so dafs die gewonnenen Zahlen die rückwirkendeFestigkeit der Materialien pro D"'" repräscntiren.Dieselben sind in der Tabelle unter Columne e aufgeführt.Siebente Versuchsreihe.Die Deiche sind im Allgemeinen je nach ihrer Lageund ihrem Zwecke entweder mehr der Einwirkung ruhendenoder aber bewegten Wassers ausgesetzt, oder sie haben endlichbeiden Einflüssen in vollem Maal'se zn widerstehen. %%ist daher auch in beiden Richtungen die Widerstandsfähigkeitihrer Blassen zu untersuchen. Um das Verhalten derMaterialien gegen ruhiges Wasser zu prüfen, fornitc ichWürfel von 1 ""^ Seite, analog denen zu der sechsten Versuchsreiheverwendeten, liefs sie gehörig trocknen und setztedieselben alsdann in je ein halbgefülltes Glas Wasser. DieZeit, in welcher die Würfel unter Wasser in kleine Thcilchenzerfielen, bildeten einen Maal'sstab für ihren Widerstandgegen ruhendes Wasser. Ich bemerke aber, dafshierbei eine eigentliche Auflösung nicht stattfand, sondernnur ein Zerfallen in einzelne Partikel, dafs man also ansden beobachteten Zeiten keine Schlüsse auf die absoluteWiderstandsdauer machen darf, diese Zahlen vielmehr nureinen relativen Werth haben. <strong>Sp</strong>uren von wirklicher Auflösungder bindenden Theile traten bei den meisten Probenerst nach Tagen und Wochen ein, und konnten nicht weiterbeobachtet werden.Diejenigen Proben, bei denen <strong>Sp</strong>uren von Auflösunginnerhalb der Dauer des Zerfallena eintraten, sind in derTabelle in Columne f mit besonderem Vermerke versehen.Achte Versuchsreihe,Dieselbe umfafst die Versuche über den Widerstand derProben gegen bewegtes Wasser, also gegen den WellenstoCs.Die Versuche wurden durch Tropfenfall veranstaltet,und zwar in der Weise, dafs ich dio in den Kästchen eingeknetetenProben nach ihrer Eintrocknung auf ein etwasgeneigtes Brett mit Scbalenuntersatz setzte, und vermittelsteines mit einem Hahne versehenen Gcfäfses (in der, Figur 4auf Blatt P skizzirten Weise) in gemessenen Zwischenräumenauf die glatte Oberfläche der Probe Tropfen von4"'" Durchmesser aus einer Hohe von 75"" fallen liois.Damit der Tropfen nach dem Stofso sofort ablaufen konnte,war die Probe etwas schräg gestellt, und die Brettunterlagemit einem kleinen Schlitz versehen, so dafs daszum Stofs gelangte Wasser in die Untersatzschale abflol'a.Der Tropfenfall wurde so lange fortgesetzt, bis der ersteAngriff auf die Probenfläclio stattfand, und giebt mithin dieAnzahl der Tropfen einen relativen Maafsstab des Widerstandesgegen Wasserstofs. Um indessen in dieser Richtungauch Zahlen von absolutem Werthe zu erhalten, wurde dieFallhöhe etwa der höchsten Wellenhöho angepafst, welchedio Deiche in OstholsteJn vermöge ihrer Lage erhalten dürften.Die Lage der Deiche ist in Figur 3 auf Blatt Pangegeben und sind dieselben bei durchschnittlicher Terrainhöhevon -j- 1,^"" über Mittelwasser um etwa 250 bis 300'"gegen die See zurück gelegt. Vor ihnen befindet sich eineVordüne von etwa -j- 2° M. W. Wenn nun die Brandungswellenam Vorstrande nach Beobachtungen 1,^ bis 2"* inmaximo betragen, so wird sich voim Deiche höchstens eineWelle von etwa ^/^ Meter bilden können, der Fallhöhe jenerTropfen entsprechend. Die Tropfonzahlen sind in Columne gder Tabelle eingetragen.Neunte Versuchsreihe.Gelegentlich einer Bereisung der Deichbauten auf Fehmamsah ich an einer Stelle des Presener Deichs in derBinnenbüschung ein scifenthonartiges Material verwendet,welches aucli bei nasser Witterung nicht stehen wollte undstromartig vom Deiche herabgelaufen war. Dasselbe bcsafseinen Ruhewinkel fast =^ 0, und trotz starker Sonnenhitzewollte das einmal flüssige Material nicht trocknen. Nur aufder Oberfläche hatte sich eine dünne Kruste mit unzähligentiefen und breiten <strong>Sp</strong>alten gebildet, (üe gleichfalls dünn überkrustetwaren und ihrerseits wieder Nebenspalten bildeten,während der Körper selbst vollstiindig breiartig war. Diesoffenbar nicht taugliche Material charakterisirte sich alsodadurch, dafs es eine besonders lange Zeit zum Trocknenbedurfte, und habe ich, um auch solche Eventualitäten znberücksichtigen, noch eine neunte Versuchsreihe augestellt,indem Ich Würfel von 1 ""* Seito in bei-gfeucbtem Zustandeohne Sonne, Wind und Ofenwarme langsam trocken werdenliefs, bis durch einen Ritz mit scharfem Federmesser kleinePartikelchen absprangen, also vollständige Austrocknnng ander Oberfläche eingetreten war. Die Zeiten dieser Erhärtunggeben einen Maafsstab ab, welcher jene benannteEigenschaft charakterisirt, und sind diese Zahlen in Columneh der Tabelle eingetragen. —Nachdem ich damit meine Versuchsreihen geschlossen,möchte ich nun zur näheren Betrachtung der gewonnenenResultate übergehen, um einerseits für die verschiedenen


361 Schelten, lieber Gute und Widerstandsfähigkeit von Deichmaterialien.362Tabellarische Zusammenstellung der Versuchsresultate.1 daSand und im Wasaerunlöslich e Theilodfii P rohen.- 1S r" ^1-1 1^0^ OTb« 3oCD 4>ci-sdiSa> «3 de•ri ^_i- ^ .nffe-Ö t-i 9%^ (3jag•i^^-i3; m ahi^H(D tri "^ cl>Bemerkungen.12345678910111213U15161718192021222324252627282930313333343536373839404142434428166844281014483244424640465840421611184444363042384444164230223820338318264030111125353555442999775537755! 567797410521157i 81127l.-?1,51,5l,ü2,01,71,82,11,92,02,02,12,12,-22,02,12,02,03,12,12,32,22,12,02,12,13,02,12,12,a2>i2,a1,92,13,02,0l,i>1,92,22,12,12,02,12,02333223333343111111111341311231143,810,60,10,13,36,94,ö3,34,14,18,s2,14,13,3l,ß4.y2,96,58,26.53,83,32,42,03,82,94,fi4,14,35,72,43,34,12,i3,35,73,38,a4,95,74,19,011,5l,ß24,235,70,77,635,751,743,248,237,725,228,3^8,225,225,s14,233,728,245,239,258,352,734,326,718,330,727,730,224,232,752,731,727,715,724,221,757,7I9,s34,250, r49,331,740,762,726,72090104455035401518141697524232730343520151020182523246015407188^*303**30*30301613*20**6*1109565602408012070303038201510154035190350570190354530403045354016010020603535401470708045110110371522914142018111311139111191412121212121299y1012121113916151415181454141716586214Erdproben aus den Mar-( sclieu an der Nordsee.') Blauer Thon in Grube(SeeduTclid ämmttug).1 Von den Gewinnungsatel-\ leü in der KlosterseejNiederung.Von den Gewinnungsatellender Wessecker-Grübet- Niederung , süd -lieber Deich.1 Daselbst nördlicher( Deich.1 Von den Gewinnungsstel-^ leu der Water - Nevers-/ turf - Neudorfer Niede-J niöR.l Von der Niederung an der( Strander Bucht.] , , .{ Vom Süden der Insel1 Ij'ehroarn.Jl Vom Westen der Inself Fehmarn.)1 Vom Norden der Inselj Fehmarn,\ 1 Vom Osten der Insel1 Fehmarn.J*) Mit theilweiser Auflösung.**} Üit fast gäasUcher Aullösung.Verhältnisse der Deichzwecke die erforderlichen Eigenschaftender Materialien durch Vergleiche zu präcisiren, andererseitsfür gewisse Eigenschaften obere und untere Grenswerthefestzustellen, da es einleuchtet, dafs von absolut bestenDeichmaterialien deshalb nicht die Rede sein kann, weil inden verschiedenen Bedarfsfällen je nach den näheren Umständendie eine oder andere Eigenschaft in eminentemGrade vorhanden sein muls.Zur besseren Uebersicht und Erkennung des ursachlichenZusammenhangs gewisser Eigenschaften sind die Kesultateder Versuchsreihen graphisch aufgetragen und auf Blatt Pdargestellt,Be^nnen wir mit der Betrachtung der Linie für dieletzte Versuchsreihe, welche die Dauer der Eintrocknungeines Cnbikcentimeters der Proben von der Oberfläche darstellt.Sie zeigt vor allen Dingen drei besondere Eminenziender Proben Nr. 38, 42, 43, welche 54 bis 62 Stundengebrauchten, um trocken zu werden, während alleübrigen Proben in erheblich geringerer Zeit eintrockneten.Probe Nr. 43 ist die oben erwähnte, welche, obwohl sienach fast allen anderen Richtungen der Untersuchung hinals ein gutes Material sich erwiesen, wegen dieser letztenEigenschaft als gänzlich unbrauchbar hingestellt werden mufs.Es folgt hieraus das allgemein gültige Resultat, dafs mansonst gute Erdproben stets in dieser Richtung prüfen mufs,um besonderen Enttäuschungen und Unannehmlickeiten ausweichenzu können. Die Eigenschaft giebt gleichzeitig denschlagendsten Beweis von der "Wichtigkeit und dem Werthesolcher Untersuchungen, wie sie diesem Aufsatze zu Grandeliegen.Die bezüglichen drei Eminenzien lassen aber weitereinen Schlnfs darüber zu, welche Anforderung man in dieser


363 Schelten, lieber Güte und Widerstandsfähigkeit von Deichmaterialien. 364Richtung an ein gutes Material stellen raufs. Das nächsterelative Maximum der Erhärtungsdauor kommt der ProbeNr. 2 und der Nr. {j zu, und da diese besonders gute Materialiensind und sich in der berogten Richtung besondersbewährt haben, so gelit man nicht sehr fehl, wenn manfordert, dafs die Grenze der Erhärtungsdauer zwischen 22und 54 Stunden liegen mufs. Bei einer Probe von UO StundenErhärtungsdauer kann man vielleicht noch ziemhchruhig sein, bei einer solchen von 40 Stunden dagegen könnenschon gerechte Zweifel der Zulässigkeit obwalten. Aufscrdiesem soeben nachgewiesenen Hauptresultate könnte mannun noch die Frage aufwerfen, ob und in welcher Weisein dieser Richtung der Sandgehalt influirt. Vergleicht manbeide Linien mit einander, so scheinen in der Tliat mit einzelnenAusnahmen den Proben grülseren Sandgehalts geringereErhärtungszeiten zu entsprechen. Dafs der Saiidgehaltaber keinesweges den ausschliefslichen Einflufs darauf ausübt,folgt aus den Proben Nr. 17 — 22. Alle diese sechsProben haben gleiche Erhärtungszeiten, während der Sandgehaltbei den beiden äufseren bedeutend von den anderenabweicht.Diese vier mittleren Proben gehören aber derselbenBodenart an, indem sie alle als diluvialer Thonmergel sichcharakterisiren, und liegt deshalb die Yermuthung nahe,daCs auch die chemische Beschaffenheit der im Wasser lösbarenThcile influitt. Es zeigt sich in der That, dafs dieseProben einen ziemlichen Gehalt au kohlensaurem Kalk besitzen,welcher es plausibel erscheinen läl'st, wenn sie dieserhalbrascher getrocknet sind. Die Proben 26 — 30, beidenen wenig Wechsel in der Erhärtungsdauer stattfindet, sindsämmtlich ohne Gehalt an kohlensaurem Kalk, auch entsprechenden Eminenzien au kohlensaurem Kalkgohalt, deniS^nmmern 12, 15, 23, welche ziemlich gleichen Sandgehaltbesitzen, verhältnirsmäfsig geringe Erhärtungs^eiten, wodm-chdie Vermuthung bestärkt wird, dafs auch der „Mergelgehalt"(kohlensaui-er Kalk) einen Einflufa auf die Dauer derErhärtung ausübt.Für die Praxis sind diese letzten Betrachtungen vongeringerem Werth; sie lassen nur erkennen, dafs die verwerflichenMaterialien Kr. 38, 42, 43 vielleicht durch Vorhandenseinvon kohlensaurem Kalk in dieser Riciitung ganzandere Resultate gezeigt hätten, und möglicher Weise dadurchdie Eigenschaft, bei nassem Wetter einen ungenügendenRuhewinkel anzunehmen^ gar nicht besessen hätten, mithinvielleicht, abgesehen von ihrem geringen Sandgehalte, brauchbareDeichraaterialicn gewesen sein würden.Nachdem ich somit eine unangenehme Piigenschaft gewisserThonarten erörtert und in dieser Kichtung annäherndeGrenzen für gute Materialien festgelegt habe, gehe ich zueiner der wichtigsten Erörterungen über, zu dem Widerständegegen bewegtes Wasser oder gegen Wellenstofs.Das verschiedene Vorhalten der Proben in dieser Richtungist, wie ein Blick auf den Verlauf der Linie g lehrt,ein äufserst grofses. Die TropfenzahL bei welcher der ersteAngriff erfolgte, schwankt zwischen 10 und 570- BesondereEminenzien in dieser Kichtung bilden die schon erwähntendiluvialen Thonarten ^Tr, 18 — 21 von Roseufeld. Indieser Beziehung haben die erwähnten Thonarten entschiedenden Vorzug vor allen anderen, sind deshalb gegen Wellenschlagdie widerstandsfähigsten. Aufser der Probe Nr. 5,welche einer Mergelart des Entwägser«iigs - Canals bei Esensin Ostfrlosland entnommen, und nicht zu speciellen Deichzweckenverwendet wurde, glänzt noch besonders die ProbeNr. 30, eine gewöhnliche Lehmart der Strander-Bucht. Esist das der beste in Holstein verwendete Lehm und, wieein Blick lehrt, auch in seinen übrigen Verhältnissen einvorzügliclies Deichmaterial. Nächst diesem folgt an Güteder Klaibodcn der Elbniederung bei Harburg, aus welchemdie Deiche der Insel Wilhelmsburg bestehen. Hierauf folgtProbe Nr. 1, ein Klaibodon der Husum'er Deiche, und diesemgleich an Güte stehen die Proben des Seifenthons vonProsen auf Fehmarn, welche aber wogen anderer bekannterschlechter Eigenschaft nicht verwendet werden dürfen. ProbeNr. 0 zeigte den ersten Angriff bei 80 Tropfen, und da dasMaterial sich noch sehr gut gegen Wellenschlag bewährt hat,so liegt die untere Grenze der Brauchbarkeit jedenfalls nochunter 80 Tropfen.Um ein ungefähres Maafs dieser unteren Grenze zu finden, will ich die Bestimmung derselben für die OstholsteinischenDeiche hier mittheilen. Selbstredend ist eine solcheuntere Grenze nicht überall maafsgebend. Dort, wo dieDeiche geringerem Wellenschlage als in Ostholstein Trotzzu Meten haben, wird man mit dieser Grenze weiter zui-ückgehenkönnen, während man bei exponirteren Deichen dieAnforderungen höher stellen mufs. Die zu diesem Zweökedurchzuführende Rechnung giebt feruerweit auch nur annäherndeResultate, weil es schwierig ist, die Wirkung desWellenstofses mit einem Tropfcnfalt in genaue mathematischeRelation zu bringen. Immerhin ist eine ungefähre Vergleichungmöglich und gewähi-t dieselbe wichtige Anhaltspunkte,weshalb ich sie hier folgen lasse.Es ist bereits oben erörtert worden, wie bei der Lageder Deiche in Ostholstein sich die höchsten zu erwartendenWellen gestalten werden, und ist dieser Maximalhöhe entsprechendder Tropfenfall zu 75 ""^angenommen. Um die Relation zwi- 1 m.sehen Tropfenfall und Welle herzustellen, ist eine Annahme darübernöthig, auf welche Flächengröfse dergefallene Tropfen wirkt. Mathematischgenommen wird bei der geringenElaaticität des Tropfens eine15^'Compression desselben nicht eintreten;dagegen mufs eine kleine Compressionder Lehmprobe angenommen werden,und wird man nicht sehr feh­Im-^""""^len, diese im Momente der Wirkungdes Stofses etwa zu ^/^ •""" = ^le des Tropfendurchmessersanzunehmen. Die Pressung, welche ein solcher Tropfen mit75*"* Fallhohe bewirkt, ist durch den in Figur 5 aufBlatt P dargestellten Apparat ermittelt Mittelst einesQuetschhahns an beweglichem Gestell lieis sich der Tropfenin 4""" Durchm. darstellen, und indem man ihn auf dieSilberachale einer chemischen Waage fallen Uefs, gab derAusschlag des Zeigers unter sechs Versuchen stets genau1^"" an, und entsprach hernach diesem Ausschlage ein Gewichtvon 0,gß Gramm. Der Tropfen drückt also mit O,^^Gramm pro Y^ D"" oder mit 0,2^ Gramm pro Q"". Danun eine überstürzende Welle geschlossen auf die ganzeFläche wirkt, also rücksichtlich des Tropfenraumes auf r'^Tt


365 Schelten, Ueber Güte and Widerstandsfähigkeit von Deichmaterialien. 366= 12,5 n""", so würde ein Tropfe» etwa der "Wirkung von50 Wellen entsprechen. Da man aber annebmeQ mufs, dafsdie Dicke der Wasserschicht des Wellenkammes wenigstensdas 10- bis 25facho des Tropfendurchmessers beträgt, sowürde die Wirkung von 2 bis 5 der stärksten Wellen einemTropfen entsprechen- Denkt mau sich nun, dals in jederMinute etwa 10 solcher Wellen erfolgen, so entsprechen diese5 bis 2 Tropfen, oder da bei einer Fluth die Zeitdauer derInangriffnahme einer bestimmten Fläche bei dem raschenWechsel des Wasserstandes und mit Rücksieht auf eine(j fache Anlage der Böschung höchstens zu 10 Minuten wirdangenommen werden dürfen, so entsprechen diesem 50 bis20 Tropfen, d. h. wenn beim 20ston bis 50sten Tropfen dererste Angriff erfolgte, so wird bei diesem Materiale dieungedeckte Deichfläche während einer Hochfluth die ersten<strong>Sp</strong>uren des Angriffs zeigen. Da man aber eine solcheWiderstandstahigkeit nicht im Entferntesten zu beanspruchenbraucht, weil das Vorkommen von selbst gröfseren Schälstellenin solchem Falle nicht schadet, so wird man ein Material,welches erst beim 20sten Tropfen den ersten Angriff erlitt,für die beregten Zwecke schon als widerstandsfähig erklärenmüssen, Proben unter 20 Tropfen würde ich aber alsunsicher bezeichnen, umsomehr, als obige Eeehnungen nurangenäherte und um geringe Maafse dehnbar sind. Dagegenwürde ich Proben, die beim SOston Tropfen den erstenEindruck erleiden, unbedenklich für jene Zwecke verwenden.Bei exponirten Deichlagen dagegen würde man wohl diedoppelte Widerstandsfähigkeit als nöthig erachten, also 40bis 100 Tropfen fordern müssen. Alle sieben ersten zurVergleichung herangezogenen Nummern von Deichproben ander Nordsee zeigen denn auch in dieser Richtung genügendeFestigkeit, und selbst die als ziemlich schlecht befundenenProben Nr. 3 und 4 sind in dieser Richtung als hinreichendzu bezeichnen, da sie erst beim 60sten und 65sten Tropfenden ersten Eindruck empfingen. Die Proben 13, 14 und15 sind dagegen entschieden als nicht brauchbar zu betrachten.Die Nummern 14 und 15 sind daher auch als Aussatzbodenbehandelt, Nr. 13 nur in den unteren hinterenDeichtheilen und im geringeren Umfange verwendet und zwaran Orten, wo die Aufsenböschung des Deichs mit Stcinrevetementversehen ist. Dem stärksten Angriff im östlichen Holsteinsind dio Proben Nr. 16 bis äl ausgesetzt, von denenselbst die minder guten 16 und 17 den gemachten Anforderungennach dem Obigen vollkommen entsprechen, währenddie übrigen in dieser Richtung als ausgezeichnete Materialiengelten können. Von den Fehmarn'schen Proben sind dieNummern 32 und 37 als kaum hinreichend zu emchten.Kr. 32 ist noch verwendbar in nicht stark exponirter Lageund gegen ruhiges Wasser, Nr. 37 dagegen würde ich unterallen Umständen verwerfen. Soviel mir bekannt, ist letztereProbe auch nur in geringem Umfange verwendet.Demnächst ist die Kenntnils des Verhaltens der Materialiengegen ruhiges Wasser von Wichtigkeit. Die in dieserRichtung gemachten Versuche sind allerdings keinedirecten, insofern nicht die Zeit der eigentlichen Auflösungaus bereits angegebenen Gründen beobachtet wurde, sonderndie Zeiten des Zerfalls der compacten Masse als Beginn derDeformation des Aggregatznstandes und somit auch der Lösungselbst. Zunächst erbellt aus einem Vergleich dieserVersuche mit denen gegen Wellenstofs, dafs im Allgemeinenbeide Widerstandsfähigkeiten einander entsprechen und miteinzelnem Ausnahmen ntir in der relativen Grüfse abweichen.Aus diesem Grunde werden namentlich für Deiche, die ruhigenWasserdruck auf längere Zeit zu ertragen haben, obigeVersuche von Wichtigkeit.Aus der Art der Versuche folgt denn auch die Schwierigkeit, hier besondere untere Grenzen der Verwendungsfähigkeitfestzustellen. Die Proben 3 und 4 sind in dieserRichtung als nicht besonders brauchbar erkannt, Probe 3auch nur zur Deichverstärktuig benutzt, also in einem Deichtheile,der nie auf längere Zeit der Einwirkung ruhendenWassers ausgesetzt ist; ebenso sind Nr. 14 und 15, 33, 34und 37 als schlechte Materialien angesehen und gar nichtoder nur in geringen Quantitäten venvendct, und so möchteich als durchaus unterste Grenze dio Linie 10 annehmenund bei solchen Deichen, die längere Zeit ruhigem Wasserexponirt sind, die Anforderungen wenigstens verdoppeln, alsobis 20 oder selbst 30 gehen. Hierbei igt aber wohl zubeachten, dafs man während der Beobachtungszeit auch daraufRücksicht zu nehmen hat, ob die Deformation sich lediglichauf den Zerfall in kleine Theilej oder auch auf einetheilweisc Losung der Bindestofie selbst bezieht, da in letzteremFalle dem Materiale absolut die nöthlge Widerstandsfähigkeitmangelt. Dieser Umstand ist bei den ProbenNr. 35, 37, 38, 42, 43, 44 beobachtet.Auffallend ist noch besonders die grofse Differenz beiden Proben 18 bis 21 hinsichtlich ihrer Festigkeiten gegenWellenstofs und gegen ruhiges Wasser im Vergleich mit denrelativen Beziehungen der anderen Proben. Ich glaube,diese Erscheinung findet nur durch die Annahme ihre Erklärung,dafs neben der Zähigkeit des Bindemittels derGehalt an kohlensaurem Kalk die Widerstandsfähigkeit gegenWellenstofs etwas vergröfscrt, dagegen diejenige gegen Auflösungvermindert, denn den stark mergelhaltigen Proben3, 4, 9, 13, 15, 23, 35, 37, 41 cnsprechen verhältnifsmäfsiggeringe Festigkeiten gegen Auflösung.Betrachtet man weiter dio Ergebnisse der sechsten Versuchsreihee, so findet auch hier im Grofsen und Ganzeneine gewisse Parallele zwischen der rückwirkenden Festigkeitder Materialien und ihrem Widerstände gegen Wasserstatt und dies rührt offenbar zum grofsen Theile davon her,dafs in beiden Richtungen der Grad der Zähigkeit des Bindemittelseine Hauptrolle spielt. Nach dem Werthc der Materialienliinsichtlich ihres Widerstandes gegen Wasser (fund g) kann auch für die relative Festigkeit im Allgemeinenwolil die Forderung berechtigt erscheinen, dafs sie nichtunter 20 Kg. pro D"*"' herabsinke, denn nur die Proben2, 3, 15, 37, welche entschieden als schlecht zu bezeichnenwaren, und die Nummer 24, welche an der Grenze derBrauchbarkeit liegt, haben eine Festigkeit geringer als20 Kg,, während die aller anderen 20 Kg. übersteigt.Weil aber hierbei offenbar auch der Sandgehalt eine wesentlicheRolle spielen raufs, so wird an die Materialien mitgeringem Sandgehalt, z.B. Nr. 35, auch ein höherer Anspruchan B'estigkeit zu stellen sein. Da dies aber nur sehrgering ist, so mufs die Probe offenbar im Werthe sinken,und in der That gehörte sie auch schon hinsichtlich ihresVerhaltens gegen Wasser zu den nicht brauchbaren Sorten.Als besonders zäher Lehm mufs die Probe Nr. 8 hingestelltwerden, weil dort das Bruchgewicht ein grofses ist, obwohl


367 Schelten, Ueber Güte und Widerstandsiahigkeit von Deicbmaterialien. 368die Probe viel Sand enthält. Auch sind in dieser Richtungnoch Probe 9 und 16 sowie 26 als gute zu erwähnen,welche je eine der Hauptvenvendungssorten in der Klostersee-, Wesseck - Gruber - und Water - Neverstorf - NeudorferNiederung präsentiren.In Bezug auf den Gehalt an kohlensaurem Kalk (Versuchsreihec) haben wir bereits gesehen, wie derselbe zuinfluiren scheint in günstiger Richtung auf den Widerstandgegen Wellenstofs, in ungünstiger auf den Widerstand gegenAuflösung. Indessen geht aus der Discussion bereits hervor,dafs ein ziemlicher Gehalt an kohlensaurem Kalk iaiGanzen nicht schadet, wenn er nicht zu grofs ist, dafs manaber bei Deichen, die ruhigem Wasser nur kurze Zeit ausgesetztsind und mehr gegen Wellenschlag wirken sollen,einen grofseren Procentsatz ztilasscn darf als bei solchen,welche lang andauernden Wasserdruck erleiden- Bei ersterenhalte ich den Grad 3 noch für gut, würde aber Grad 4auch hier verwerfen, im letzteren Falle dagegen würde ichauch den Grad 3 verwerfen und Grad 2 zulassen, wenn dieübrigen Eigenschaften sich als gut gezeigt haben.Hinsichtlich des spccifischcn 'Gewichts ist unter denProben keine vorgekommen, welche nicht absolut genügensollte, weil die meisten Thonarton das specifische Gewicht= 2 erreichen, indessen erscheint es doch merkwürdig, dafsgerade die zum Vergleich herangezogenen Proben von derNordsee und unter ihnen namentlich die Nummern 1 bis 4so auffallend von den anderen abweichen. Am Sandgehaltkann das nicht liegen, denn Nr. 2 hat wenig Sand, Nr. 3und 4 dagegen viel Sand, obwohl ilir speciiischcs Gewichtdas gleiche ist und 1,^ beträgt. Ich bemerke als fernereAuffälligkeit, dafs gerade diese ersten Proben den feinstenSand besitzen, obwohl dies eben nur Zufall sein kann. Betrachtetman aber die Proben selbst genauer, so findet manzum Unterschiede von fast allen holstein'schen und fehmam'-schen Proben das Vorhandensein kleiner Glimmerblättchen,vieler humosor Stoffe und Reste von Wurzelfasern, und isthierin vielleicht der Grund des geringen spccihschen Gewichteszu suchen. Sollte dies der Fall sein, so ist nichtausgeschlossen, dafs es auch an der Nordsee Klaiarten mitnoch gröfserem Gehalte solcher Bestandtheile giebt, die mithinnoch leichter ausfallen würden. Während man also beiden Lehm- und Thonproben der Ostsee trotz des so verschiedenenSandgehalts durchweg die Gewichte 2 bis 2,2findet, sind sie bei den Klaisorten immer unter 2, dennProbe Nr. 5 mit dem Gewichte 2 ist kein eigentlicher Klaiboden,sondern ein Thonmergel. Dieser Umstand kann beimDeichbau von Interesse werden, denn es ist klar, dafs manbei sonst gleich guten Eigenschaften die Stärkedimensionendes Deichs. geringer machen kann bei dem Materiale, welches2,2 wiegt, als bei einem solchen vom Gewichte •= 1,^,.Die Thatsache, dafs sämmtUche Proben der Lehm - undThonmergelarten fast gleiches Gewicht haben, obwohl derSandgehalt zwischen 25 und 58 7o variirt, ist zwar für dieZwecke des Deichbaues von unerheblicher Wichtigkeit, aberwisaenschaftlich sehr interessant, weil sie zeigt, dafs dasGewicht der thonig-en Bindemittel von dem des Sandes nichterheblich abweichen kann, sondern nahezu dasselbe seinmufs.Zu einem der wichtigsten Factoren der Güte des Materialszählt der Sandgehalt der verschiedenen Proben. ImGrofsen und Ganzen zeigt es sich auch hier, dafs die gutenEigenschaften der Materialien mit dem Procentgehalte anSand abnehmen, und wachsen, je geringer der Sandgehaltist. Wie ein Blick auf die graphische Darstellung lehrt, istdieses Vorhältnifs aber kein proportionales, ja es scheintsogar, als ob der Sandgehalt innerhalb gewisser Grenzennur wenig Einflufa auf die Güte des Materials ausübt. Mankann diesen Gegenstand auf theoretischem Wege folgendermaafsennäher beleuchten.Denkt man sich eine absolut reine Sandmasse ohne jedesBindemittel, so kann man sich dieselbe als aus lauter kleinenKügelchcn bestehend vorstellen. Es ist diese Vorstellungzwar nicht absolut übereinstimmend mit der Wirklichkeit,sie nähert sich ihr aber doch so stark, dafs man keinengrofsen Fehler bei einer solchen Annahme macht. Einederartige Sandmassc. wird sichso lagern, dafs je 8 Kugeln,die sich gegenseitig in 12 Punktenberühren, zwischen sicheinen hohlen Räum lassen,dessen Inhalt J mathematischbestimmbar ist und durch denKugelhalbmesser r ausgedrücktwerden kann. Ein Würfela^hcd von 2r Seite hat offenbareinen Inhalt von 8r^. Um hieraus den Inhalt J zu finden,ist nur nöthig, 8 Achtel Kugeltheile = 1 Kugol des Kadius**i ^= ^k^^^^i vom Inhalte jenes Cubus abzuziehen, also;J = (8 — 4,^9)r^ = 3,8j^ r^, d. h. jener cubische Raum enthält4,19*'^ au Sandmasse und 3,81*-* an hohlem Raum.Denkt man sich diese hohlen Räume mit thonigerai Bindemittelerfüllt, so erhält man ein Deichmatcrial, welches aufdie Cubikeinheit 52,4 % Bsknd, und 47„j % Bindemittelenthält. Wenn also in einer Masse ein noch gröfserer Procentsatzan Sand vorkommt, so ist das nur dadurch möglich,dafs die Hohlräume entweder nicht ganz erfüllt sind, oderdie Sandkörner verschiedene Grüfsen und verschiedene Formenbesitzen, die sich noch dichter lagern können als mathemathischeKugeln. In solchen Fällen müssen sich die Saudkörnernicht mehr in Punkten, sondern in Flächen beröhren,mid ist es klar, dafs alsdann der Grad der Cohäsion bedeutendabnimmt. Aber selbst in dem Falle eines Gehalts von52,^ •*/„ Sand ist die Cohäsion oflFenbar noch keine vollkommeneund kann man somit dies JVIaafs des Sandgehalts alsdas änfserstc zulässige Maximum ansehen. Die Versuchezeigen bei ]^r. 3 und Nr. J5, welche die einzigen Probenmit mehr als 50 \ Sand ausmachen, auch nur sehr geringeFestigkoitsgrade.Denkt man sich weiterdie Sandkugeln so gruppirt,dafs sie, wie nebenstehendeFigur zeigt, einen geringenZwischenraum = 0,j r lassen,so findet erst bei solcher Anordnungdie Möglichkeit einesgrofseren Grades von Festigkeitstatt, weil alsdann dieThontheilchen eine in sichverbundene Masse bilden können. In diesem Falle beträgt derInhalt des Cubus = 9,^^ r*, also J^ ^ 5,[,7 r^, und dieser M-


ZeitscKi'ii't f-BauwescTi W7. Versuche mit Dpirliinaterialien. JahTD-xm' ni.i».Crraphisclie Darstpiliin(| (I?P Versuche..•••••#^>':-...jrIti'i/cr.ftmii/ ijcMJ^A]}mti£r (Ifr"Y Y 1*^ ''\ ^''"^'>^'"".9-Verla(j v.Ernst fV Koni in Bppliti, y.it>.A.v :,n Berlin.


369 H. Wiebe, üeber die Bestimmung der Nutzleistung der Dampfmaschinen. 370scliung entspricht ein Sandgehalt von 45,2 7o- ^''^t ^i^ Materialdieses Sandgehaltes kann einen genügenden Festigkeitsgradbesitzen. Bedenkt man aber, dafs die Sandtheiichen sichnicht so regelniäfsig lagern, wie die Figur angiebt, so werdenselbst bei diesem Gehalte noch stets eine gröfsc AnzahlKörner sich berühren undwird man vielleicht bis zueinem Zwischenräume von0,i^rgQhenmüsseii, umsieherzu sein, dafs die Zahl der sichberührenden Sandkörner geringerwird, als die Zahl dersich nicht berührenden. Alsdannist der Inhalt desCubus'= 16,631 "^2 mithin = 11,^^,und entspricht diesem Verhältnisseein Procentsatz von25,2 7o Sand. Das beste MJschungsveriiältnifs liegt jedenfallsnoch weiter sturück, weil man dabei fordern muCs, dafs garkeine, oder doch nur voreiazelte Körner sich berühren, welcheswohl erst hei einer Entfernung = r stattfinden dürfte, demeine Masse von 16,^ "/(i Sand entspricht. Geht der Sandgehaltnoch weiter zurück, so nimmt die Festigkeit nichtmehr oder doch nur wenig zu, wie Probe Nr. 30, welchejenen Procentsatz besitzt, zeigt, und zwar den Proben 6j20, 36, 43 gegenüber. Während also Sandgehalte von etwa30 bis 45 % noch genügend feste Materialien liefern, soliegen die guten zwischen 16 und 25 % und von diesensind diejenigen mit etwa 15 —18% die besten, indemsolche mit weniger als 15 **/o hinsichtlich des Grades derCohäsion zwar dieselbe Güte besitzen, aber hinsichtlich eineranderen Eigenschaft wieder ungünstiger werden.Dies führt mich endlich zur Discussion der vorhin ilber-Bchlagenen Versuche über das Schwindmaafs. Auch dieabsolute Gröfse des linearen Schwindmaafses ist ein Gegenstand,dem man besondere Aufmerksamkeit schenken mufs.Im Allgemeinen ist dasselbe abhängig vom Procentgehalt anSand, jedoch ist es koinesweges diesem immer proportional,wie die Proben Nr, 11, 16, 29 deutlich zeigen. Man darfalso aus dem Sandgehaitc nicht direct auf das Schwindmaafsschliefsen, mufs dasselbe vielmehr unmittelbar messen,Gröfsere SchwindmaaCsc haben bei den Materialien offenbarden Uebelstand, dafs die damit ausgeführten Deiche imLaufe der Zeit Risse in allen Eichtungen erhalten, unddurchlässig werden, wenn man nicht ganz besondere baulicheMittel dagegen anwendet Erfahrungen bei den Bauausfllhrungenhaben mich gelehrt, dafs die gewöhnlichenMittel des Stampfens, d. h. Karrenschiebor beim Haadkarrenbauund Pferde beim Kippkarrenbetriob, bei Materialiennoch ausreichten, welche bis zu etwa 4 \ lineares Schwindmaafszeigten. Bei den Materialien von 4 — 7 % Schwindmaafssind schon besondere Vorrichtungen erforderlich, z. B.Stampfen mit Pferden, Will man ferner solche Materialien,die über 6 — 7 '^|^^ Schwindmaafs besitzen, noch verwenden,so darf man aufser einer gehörigen Pferdezahl zum Stampfenauch nur langsam baaen. Ein grofser Theil des RosenfelderDeiches in der Wesseck-Graber-Niederung in Ostholsteinist aus den Materialien 18—21 hergestellt» welcheThoamergcl ropräsentiren, und zum Theil 6 "/o Schwindmaafsund mehr besitzen. Der Deich ist auf Interimsbahnen mitLocomotivbotrieb hergestellt. Neben der durch die Zügebemrkten Compression war aus benannten Gründen noch einegröfsere Anzahl von Pferden thätig, und bedingte die grofseTransportweite von nahezu 5000" ira Mittel sowie die Transportartund auch die Wittening ein verhältnifsmäfsig langsamesBauen. Die Kosten des Stampfens haben in diesemFalle pro fcb"" geförderten Bodens etwa 0,ij^ Mark betragen,ein Aufwand, welcher unter Umständen dazu führenkann, in Verbindung mit der Möglichkeit einer Abkürzungder Bauzeit von der Verwendung solchen Materials abzustehenund in der Nähe vorhandene Erdarten von minderguten Eigenschaften zu benutzen. UHan sieht also, von welcherTragweite diese einzige Eigenschaft eines sonst vorzüglichenMaterials unter Umständen werden kann, und vonwelchem Belange es ist, schon bei der speciellen Projectlegung,also vor der Ausführung, van diesen Eigenschaftengenaue Kenntnifs zu nehmen.Wenn man endlich nach den vorstehend geschildertenResultaten einen letzten Blick auf die graphischen Auftraguugenwirft, so macht sich besonders die Probe Nr. 30,ein Lehm von der Strauder Bucht, als ein Material von vorzüglicherGüte sowohl gegen Welleustofis als gegen ruhigenWasserdruck, mit dem besten Procentgehalte an Sand, ohneGehalt an kohlensaurem Kalk, von grofser rückwirkenderFestigkeit und hohem specifischem Gewichte, bemerkbar.Auch der Grad der Feinheit des Sandes ist noch kein ungünstigerund nur das lineare Schwindmaafs geht über diegewöhnlichen Grenzen etwas hinaus und bedingt die Verwendungvon etwas mehr Sorgfalt auf die Dichtung, als untergewöhnlichen Verhältnissen erforderlich wäre.Schliefslich bemerke ich, dafs ich mit der Veröffentlichungvorstehender Versuche einen kleinen Beitrag zu derKlärung der bisher noch wenig erörterten Frage über dieGüte und Widerstandsfähigkeit von Deichmaterialien geliefertzu haben glaube, und halte ich meinen Zweck dabei fürvollkommen erreicht, wenn die Erörterungen den HerrenCollegen ein Interesse in solchem Grade abzugewinnen vermögen,dafs sie, soweit dies nicht bisher schon geschehen,Anlafs nehmen, der Ausführung wichtiger Deichanlagen derartigeUntersuchungen vorausgehen zu lassen.Esens, im Februar <strong>1877</strong>.B, Schelten.lieber die Bestiiumiing der l^utzlelstung der Dampfmascliinen mit Bezugnahme auf dieWahl des Systems der Maschinen.§. 1.Bestimniiiiiir der indicirten Leistung.In einem Aufsätze mit der Bezeichnung „Üeber dasVerhalten des Wasserdampfes bei seiner WirkungZfilöchrift f. <strong>Bauwesen</strong>.Jatrg. XSVII.in den Dampfmaschinen", welcher in der Zeitsclirift für<strong>Bauwesen</strong> 1874 S. 7 bis 28 und S. 167 bis 188 veröffentlichtworden ist, habe ich die Wirkung des Wasserdampfesauf den Dampfmaschinenkolben entwickelt, und die21


371 H. Wiebe, Ueber die Bestimmung der Kutzleistang der Dampfmaschinen. 372sogenannte „indicirte Arbeit" d. h. diejenige Arbeit,welche der Dampf unmittelbar auf den Kolben überträgt,berechnet. Diese indicirte Arbeit wurde für Dampfmaschinenmit Expansion in einem Cylinder mit gewöhnlichen Steuerungsverhältnissendort gefunden:^0, 5001Li = aQ^9lJ« —0,001+5t(e + 0- ^5013 •% ^+0,*)'002-^Hierin bezeichnete:a die Pressung einer Atmosphäre für die Flächen-Einheit,ö= 10333 Kilogramm pro Q Meter,DQ das ganze vom Kolben wirklich durchlaufene Volum,Schädlicher Raum^"^ Kolben-Volum (D^)'e der FtillungswerthVom Kolben vor d. Absperrung durchlaufenes Volum^ ^ Kolben-Volum (QoJ"^^ '_ Volum, welches mit Dampf gefüllt wirdSchlufs - Volura nach der ExpansionX =^ Expansions - Coefticient,nach dem Mariotteschen Gesetz x ^ Z«nach Grasbof x ^ 7,4075 • il —nach meinen Ermittelungen1 + t15 >5 5S1irrt/ rNach den am angeführten Orte auf Seite 171 gegebenenZusammenstellungen liegen die Resultate von x nachmeinen Ermittelungen für Wcrthe von -~- unter 0,75 fastgenau in der Mitte zwischen den Resultaten des Grashofschenund des Mariotteschen Gesetzes, und für gröfaeroWerthe von ^als 0,go stimmen meine Werthe mit denGrashofschen bis zur dritten Decimalstelle tiberein, undunterscheiden sich von den Mariotteschen Werthon Überhauptnur noch in der dritten Decimalstello.Wir setzen nunmehr:« — 0,001 +x(e + Q = ^1)I1O13 "TO'OOlDann ist durch Einsetzung dieser Bezeichnungen in dem Ausdruckefür Zj:3(.Li =a0^^i {^ — ^x2)^iworin 3£^ die <strong>Sp</strong>annung des Dampfes in Atmosphären bezeichnet,mit welcher dieselbe während der Volldruckperioded. h. vor der Absperrung auf den Kolben wirkt, und*} In dem genannten Aufsatze sind einige Druckfehler zu berichtigen;so steht dort in dieser mit Ni. 43 bezeichneten Gleichung imHenner des letaten Grüedes 0,022 anstatt 0,002, welcher Fehler auchin einigen Torhergehenden Gleichungen am Ende d. S. I8l zu verbessernist, und in Gl. t am angeführten Orte muts es hei/scn0,001046 , ^ 0,000046 „ „, ^ , .,S-h 0,00a anstatt C+0,022" ,'. „ „ . — S. 17 Gl. 22 mufs es heifsonw-l-1wl+l%in+tianstattS. 26 Zeile 28 von unten mufsCS heifsen 31$» anstatt 3IS. —a%s die mittelere Gegenspannung auf der Hinterseite desKolbens, ebenfalls in Atmosphären.Bezeichnet bei eincylindrigen Maschinen:a den Querschnitt des Kolbens,d den Durchmesser -/ den Hubso ist:und man hat:3)\L!^a^l^^rdH{^%, —^,314.Wenn nun in der Minute z einfache Hübe gemachtwerden, so ist die indicirte Arbeit in der Minute;i)Es ist aber l • s der von dem Kolben in einer Minutedurchlaufene Weg; bezeichnet nun:V die durchschnittliche (mittlere) Kolbengeschwindigkeitin der Secunde, so ist:l • si = &0P,und wenn noch a die Intensität eines Pferdes in der Secunde,also 60 ff die Zeitleistung eines Pferdes in der Minute bedeutet;so ist die indicirte Leistung in Pferden:5)6)N-.60 (JN


373 H. Wiebe, Uebei* die Bestimmung der Nutzleistung der Dampimaschinen. 374cirte Arbeit wird im letzteren Falle voUltommen verbraucht,um die eigenen Widerstände der Maschine d. h. um dieReibungen, die Pumpen etc. zu überwinden.Beobachten wir in dem Falle, wo die Maschine, wieangegeben worden, ohne Nutzlast arbeitet, und nur ihreeigenen Widerstände, aber mit der früheren Geschwindigkeitüberwindet, die vorhandene Anfangsspannung und dieGegendruckapannung; erstere sei 91^, letztere äl^i, so ist dienun vorhandene indicirte Leistung;und nennen wir die Arbeit der Widerstände der unbelastetenMaschine Lr\ so mufs, wenn der Beharrungszustand eingetretenist, sein:7) Lr = aav(^%-^i>^%,),Kennen wir den Ausdruck in der Klammer, der immereinen in Atmosphären gemessenen Werth darstellt, St^ Atmosphären,so ist:8) i^ — aav%.Der Werth SRQ iäfst sich also durch Gleichung 7 beieiner ausgeführten und gangbaren Maschine immer durchdirecten Versuch bestimmen; bei einer 2U constrnirondenMaschine mufs man den Werth ^Q entweder aus den einzelnenWiderständen berechnen, oder man mufs ihn auf Grundvon Erfahrungen schätzungsweise bestimmen.Wenn man nun die unbelaatete Maschine unter Zunahmeder Anfangsspannung ton St^ bis 91^ wieder mit Nutzlastarbeiten läfst, so wachsen die Reibungswiderstände in demMaafse, in welchem die Nutzlast zunimmt. Die Reibungs-Arbeit der belasteten Maschine ist erfahrungsmäfsig proportionalder Nützleistung, und bezeichnet man letzteremit X„, so ist die Reibungs - Arbeit der belasteten Maschine(pZn, unter ff den Reibungs-Coefficient verstanden.Zieht man nun von der indicirten Arbeit die Widerstands-Arbeitder unbelasteten Maschine i^ und die ReibungS'Arbeitder belasteten Maschine ab, so bleibt dieNutzleistung übrig. Letztere ist also:i„ = Li ~ Ly — fjp JC„I +Tjpaas9) X, :(^^,~&,%s-no)-1 ^(pNimmt man dieselbe Umformung vor, wie am Schlüssedes vorigen Paragraphen, so entsteht für die Zeitleistungder Widerstands - Arbeit der unbelasteten Maschine inPferden:und für die Nutzleistung in Pferden:10)iV„^l37„, v-^-(^9t,^^,9I,^?ft,)iV„ 108, >201 +(p(^%,-^^^% — %).§. 3.Hchätzungsweise Bestimmung der Widerstands «Arbeit derunbelasteten lllais«hiiie.Wenn man den Werth Sfl^ weder direct messen, nochdenselben aus den Dimensionen und aus der construirtenAnordnung der Maschine berechnen kann, so bleibt nichtsanderes übrig, als denselben schätzungsweise zu bestimmen.Indem ich eine ßeihe von anerkannt zuverlässigen Beobachtungender Rechnung unterzogen babe, ergab sich, wasauch schon andere Ingenieure gefunden haben, dafs derWerth ^Q ungefähr im umgekehrten Verhältnifs zum Durchmesserder Maschine sich ändert, dafs man also setzen kann:3*0 =d 'ferner, was übrigens auch von vorn herein ersichtlich ist,dafs der Werth 91 bei Maschinen ohne Oondensation kleinerist als bei Maschinen mit Condensation, and endlich— was man sonst nicht beachtet hat —, dafs der Werth 31aus zwei Theilen besteht, von denen der eine sich mit derAllfangsspannung 91^ ändert, und sowohl für Maschinen mitals ohne Condensation denselben Werth hat, während derzweite Theil für Maschinen mit Condensation gröfser alsfür Maschinen ohne Condensation ist, für Maschinen derselbenArt aber einen ziemlich constanten Werth hat.Hiernach wird man setzen können:worin ^1^1 denjenigen Theil der Widerstände der belastetenMaschine darstellt, welcher von der Dampfspannung 31^ abhängigist, undp denjenigen Theil, welcher von der Art der Maschineabhängig ist.Dafs übrigens diese Zusammensetzung des Werthes 9?im Allgemeinen so stattfinden mufs, wie oben dargestelltworden, läfst sich auch von vorn herein erkennen, wennman erwägt, dafs gewisse Widerstände, wie z. B. die Schieberreibung,die Reibungs-Arbeiten der Kolbendichtung, derStopfbuchse u. s. w,, ganz unzweifelhaft von der Dampfspannung%^ abhängig sind, und dafs es hierbei ganz gleichgültigist, ob die Maschine mit Condensation arbeitet odernicht, und dafs es wieder andere Theile der Maschine, z.B.die Zapfenlager, die Gelenke, und namentlich bei Cendensations-Maschinendie ganze Maschinerie der CondensationWiderstände darstellen, welche mit dem Werth der Anfangs-<strong>Sp</strong>annung in keinem directen Zusammenhange stehen.Setzt man den Werth für di in den vorhin gefundenenAusdruck für Si^, so ergiebt sich:und daher dm'ch Einsetzung in die Gl. 10:137,,•K = av[d-%^ —&^%1 -f ^ d12)108,30'-d^vid-^^ _-^,3l^_1 + ^108, 20N^ = ~.1 +


375 H. Wiebe, lieber die Bestimmung der NutzleistuDg der Dampfmaschinen. 376so ist = Vs • 108,,, = 94, 68 1und folglich die Nutzleistung nach Gl. 12:§. 5.Bestimmung des Wirbangs-Coerftcienten 9.Den Coefficienten $• wollen wir den Wirkungs Coefficieotennonnen-Nach Gl. 1 war:Lassen wir für "/ den von mir aufgestellten Werth gelten, so war nach §. 1:"/ — 15>ftialso; »?•=£ + (« +9- 15,552-o.„i+C.Hiei'nach läfst sich »^ jedesmal berechnen, wenn derFüUungs-Coefficient c und der Coefficient des schädlichenRaumes K gegeben ist.Der Coefficient des schädlichen Raumes 'C richtet sichnach der Art und der Ausführung der Maschine; bei gutconstruirten Maschinen pflegt nun l" etwa Vgo = 0,^^ undbei Maschinen der sorgfititigsten Construction doch kaumjemals kleiner als 0,^^^ zu sein.In folgender Tabelle ist für diese beiden Werthe von^ und für verschiedene "Werthe von e der entsprechendeWerth von ^ berechnet.Tabelle über die Wirkungs-Coefficienten if-,für Füllungs - Coefficienten von 0,o- bis l,f,(j und für dieCoefficienten des schädlichen Raumes C ^=^ 0:^^ undK = f^^^.i =0,0 50,lJG0,0 70,os0,1)90,100,110,1 a0,130^140,150,1 (!0,170,1 s0,190,200,350,aO0,350,4 00,i50,500,550,«o0,650,700,750,800,350,91}0,951,00fürWerthoc=0,o50,2 670,ü!l()0,3130,3350,3 550,3750,3fl40,4130,4 310,4 4 30,4 fj 50,4 Sl0,4 9 70,rji50,5 2 80,5430,(il)!l0,6680,7210,7680,8100,8+70,8790,yU60,9290,^4 70,9i;50,9770,9870,994O.öOi)],00üvon 3^für (:= 0,0150,2110,a380,2630,2870,3110,33."i0,35i;0,3 7 fi0,3050,4140,4!):!0,4 520,-1690,4850,5010,6130,59 00.6520,7100,7560,8030,843•0.87 30,9020,^270,946Ü,!J630,0 760,9860,tl930,998],Oü'lFÜlIUDgSwerthFullungswerth' =0,U50,0«0,0 70,080,üü0,1't0,110,130,130,140,150,160,170,1 ö0,190,2 00,250.3ü0,350,400,1 50,500,5 50,600,650,700,7 50,800,850,900,951,00§. 6.BestlmmiLn^ des Ge&endfuefees {0-^ • 3tg) gegen den Kolben.Der Gegendruck gegen die Hinterseito des Kolbeus,wie solcher von dem Indicator angezeigt wird, hat den mittlerenWerth:nach Gl. 1 war:Es ist also ^9•^ abhängig von dem schädlichen Raum;für t-^ 0,^5 ergiebt sich i.i-^ — 1,033für £;" =ir 0,0^5 ergiebt sich y-j = ^)072-i!t^ ist der Gegendruck gegen den Kolben. DieserGegendruck ist abhängig ^iunächst von dem Druck in demRäume, in welchen der gebrauchte Dampf ausbläst, und scdannvon dem Ueberdruck im Cylinder, welcher erforderlichist, um den Dampf mit der erforderlichen Geschwindigkeitauszutreiben. Letzterer ist nun bedingt durch die Weite derDurchgangscanäle, durch die Geschwindigkeit des Kolbensund durch die <strong>Sp</strong>annung, welche der gebrauchte Dampf nochbesitzt. Für gewöhnliche Fälle kann man erfahrungsmäfsigdiesen Ueberdruck etwa Yio Atmosphäre rechnen. Wennnun bei gut construirten Condensations-Maschinen die durchschnittliche<strong>Sp</strong>annung im Condensator ebenfalls zu 0,^ Atmosphäreangenommen werden kann, so ist durchschnittlich zusetzen:für Condensations - Maschinen 9t3^=0,20,für Maschinen ohne Condensation SC^ = ^uo-Hieraus folgt der mittlere Gegendruck:für i:=0,o,, für ^ = 0,01.,A ^^ I5032) ^1 ^^^ I5072für Maschinen mit Condensationy-i %,, = 0,2(16 1 '"^l ^ä = ^1214dergl. ohne Condensation;9'i 3tj ==r l,j3g, ^1 älö; »179*§. 7.Mittlerer wirksamer Druck und mittlerer Widerstand.Rechnungsbeispiele.In dem Ausdruck für die Nutzleistung der Maschinein Gl. 13nennen wir den Werth *>-3l, —0-^%^ den mittleren oderdurchschnittlichen wirksamen Druck, welcher in Atmosphärenspannuugenausgedrückt erscheint.Wir setzen:14) (0-%, — y-ia(.)^'-M-5in gleicher Weise nennen wir den Werth ^näli "h P-, welchernach §. 3 mit M bezeichnet wurde und sich ebenfallsin Atmosphären ausdrückt, den mittleren Widerstandder Maschine; es war;15) (^,,31, i-p)==di-,folglich kann man auch schreiben: die Nutzleistung derDampf-Maschine in Pferden;16) N, = d4.,,, • v[d'%^-dn}.Der mittlere wirksame Druck läfst sich nach dembisher Entwickelten berechnen. Derselbe ist abhängig:a) von der Volldruckspannung Sf^ der Maschine,b) von dem Wirkungs-Coefficient ^, welcher wiedervon dem Füllungswerth e und dem schädlichen


377 H. Wiebe, Ueber die Bestimmung der Nutzleistung der DampfmaseMnen. 378Raum t, bedingt wird, und aus der Tabelle in §. 5zu entnehmen ist^c) von dem Werth ^iSI«, welcher nach §. 6 zu bestimmenist, und verschieden ist, je nachdem maneine Condensations - Maschine hat oder eine Maschineohne Condensation, und je nach dem Werth desschädlichen Raumes.Es sei z. B. die Volldrnckspannung, mit welcher derDampf vor der Absperrung wirkt, 5 Atmosphären, die Maschinehabe einen schädlichen Raum von 'C = 0,05 undarbeite mit ^/^ Füllung; es ist sodann:für eine Maschine mit Condensationfür eine Maschine ohne CondensationDie Bestimmung des mittleren Widerstandes kann infolgender Weise geschehen:Nach §. 3 ist in dem Ausdruck:i}y^ ein Werth t welcher für Condensations - Maschinen, wiefür Maschinen ohne Condensation ziemlich constant ist, undwelcher denjenigen Theil des Widerstandes der unbelastetenMaschine darstellt, welcher von der wirksamen Dampfspannung9tj abhängig ist.Auf Grund der von mir durchgeführten Berechnung auszuverlässigen Versuchen, kann man mit hinreichender Genauigkeitals Durchschnittswerth setzen:Der Werth p bezieichnet in Atmosphären den auf dieKoibenflät;he roducirten Druck, welcher den Arbeitswiderstandderjenigen Maschinentheile bei dem unbelasteten Gangeder Maschine repräsentirt, welcher von der wirksamen Dampfspannungunabhängig ist.Natürlich ist dieser Werth sehr wesentlich von der ganzenAnordnung der Maschine abhängig, namentlich wird esim Allgemeinen darauf ankommen, welches Gewicht dieSchwuiigradwelie mit Schwungrad und sonstigem Zubehörbesitzt, ferner wie hoch bei Condensations-Maschinen dasWasser für die Condensation zu heben ist, und welche Wassermengemit Rücksieht auf die Temperatur der Condensationgehoben werden mufs.Als Durchschnittswerthe, welche gewöhnlich nur geringeAbweichungen erfahren werden, kann man bei gut construirtenMaschinen, auf Grund von Berechnungen aus zuvorlässigenVersuchen, etwa setzen:17)für Maschinen mit Condensation i> = 0,j,jfür Maschinen ohne Condensation /) = 0,gi.Es ergiebt sich hiernach:für Maschinen mit Condensation51 = 0,083 3^1 +0,1«für Maschinen ohne CondensationSo würde also z. B. bei einer Volldruckspannung von5 Atmosphären betragen:für Maschinen mit Condensation 31 ^^ 0,2,^für Maschinen ohne Condensation 31 =^ t»,^^^.Wenn nun diese Maschine mit 0,2^ Füllung arbeitetand der Coefficient des schädlichen Baumes 0,05 ist, so warnach dem Früheren:für Maschinen mit Condensation 31« =^ 2,g3yfür Maschinen ohne Condensation %^ =^ l^aio»also entsteht für die Nutzleistung in Pferden;für Maschinen mit Condensation^n ~ 94,68 • « { 2,839 ^^ ~ 0,275 ^)für Maschinen ohne CondensationN^ 94 '68 .«{ — o,,a,rf}.Haben beide Maschinen gleichen Durchmesser, t. B. 40 Centimeter,so ist (? ^^ 0,^, rf^ = 0,ig , folglich sind die Nutzleistungen:für Maschinen mit Condensation:^ 32,s9 • V Pferde,für Maschinen ohne Condensation:•^» = H«8 • «' • {0M054 — O,(js(jo} = 94,68« • 0,2554= 24,18 • «^ Herde.Die Nutzleistungen beider Maschinen verhalten sich also:Maschine mit Condensation 0,344g __ 1,35Maschine ohne Condensation 0,2554 hoo'Läfst man beide Maschinen anstatt mit 5 Atmosphären Anfangsspannungnur mit 4,^ Atmosphären arbeiten, so würdesein, bei derselben Füllung von 0,^5:für Maschinen mit Condensation:^m — O.gpg • 4,5 0,2(j6 — 2,^34 ; Jt — 0, 52641für Maschinen ohne Condensation:3t. - 0 '609 ^)5 " -^?135 ~*" ^5605 ' -" o„ 13 tfolglich, wenn i =^ 0,4 , d^ = 0,^Q:für Maschinen mit Condensation:N-. 94 '88 {0,4054 OjiQge f ~~ "* •'68— 28,^9für Maschinen ohne Condensation:^ ' 0,2988«; Pferde,^« = 94,^8 {O «5Ü8 0. .) 94 168 0»2116=^ 20,03 • *^ Pferde,Die Nutzleistungen beider Maschinen verhalten sich also:Maschine mit Condensation ^n^ss l^iMaschine ohne Condensation 0,^116 ^loo'Es ist hier ausdrücklich wiederholt hervorzuheben, dafsdie für ^^^, ^, 9t, u. s. w. angegebenen Werthe überall alsauf Erfahrung beruhende Durchschnittswerthe zu betrachtensind. Ist man also z. B. in der Lage, bei einer Maschineeine gröfsere oder kleinere Condensation vorauszusetzen,oder die Canäle für den ausströmenden Dampfbesonders weit, oder besonders eng zu machen, oder, wiebei Zwillingsmaschinen das Schwungrad besonders leicht,rcsp. bei sehr langsam gehenden Maschinen dasselbe besondersschwer zu machen, so sind entsprechend die angenommenenconstanten Durchschnittswerthe zu ändern.Der Gang der Rechnung bleibt gleichwohl ungeändert,so dafs, indem man 91«, und 91 für jeden Fall bestimmt, dieGl. 16 die Nutzleistung der Maschine in Pferden ergiebt.§. 8.yerglelehon^eu zwischen den Nntzlelstun^en bei Anwendung'der Condensation and ohne dieBelb«.Die bisher entwickelten Beziehungen gestatten eineBeihe von Fragen zu beantworten, welche bei dem Vergleichzwischen Condensations-Maschine und Maschine ohneCondensation aufgeworfen werden können. Zu diesem Zwecksetzen wir die angenommenen constanten Werthe in dieGleichung 13;


379 H. Wiebe, Ueber die Bestimmung der Nutzleistung der Dampfmaschinen. 38018)Indem wir den Coefficienten des schädlichen Raumes:aimohnieii, entsteht:für Maschinen mit Condensation:für Maschinen ohne Condensation;Es kann nun z. B. gefragt werden: In welchem Falleist die Nutzleistung einer Maschine ohne Condensationebenso grofs, wie diejenige einer Maschine mit Condensation,wenn beide dieselbe Kolbengeschwindigkeit v, denselbenFüllungswerth e und dieselbe YoUdruckepannung St^haben?Setzt man die Gleichungen in G-l 18 einander gleich,da iV„ bei beiden Maschinen gleich grofs sein soll, so ergiebtsich nach einer Umformung— 0,g(jß d — 0,jg =^ — 1,135 ^ '^ ^501'rf = 0„«.Bei einem Kolbendurchmcsser von IG Centinieter habenalso beide Maschinen dieselbe Nutzleistung, und dies Resultatist unabhängig von dem Werthe älj, v und ^, gilt alsounter Annahme der gewählten Constrnction allgemein. Daman nun niemals Condensations-Maschinen von so geringemDurchmesser zu bauen pflegt, so ergiebt sich, dafs innerhalbder gewöhnlichen Ausführungen die Condensations-Mascbine immer eine höhere NnUleiatung gieht, als eineMaschine ohne Condensation, welche mit derselben Volldruckspannung%i, derselben B'üUung c und derselben GeschwindigkeitV arbeitet, und dabei denselben Kolbendurchmesserhat.Eine andere Frage ist folgende:Wir haben eine Maschine mit Condensation, welchebei einer bestimmten Geschwindigkeit v, bestimmter VolldruckspannungSil, und bestimmter Füllung c eine bestimmtermittelte Nutzleistung iV„ giebt. Nun stellen wir die Condensationab, 30 dafs diese ganz aufser Betrieb kommt, undverwandeln dadurch die Condensations-Maschine in eineMaschine ohne Condensation. Die Nutzleistung wird nungeringer. Durch welche Mittel ist es möglich, die Maschineohne Anwendung der Condensation wieder zu der früherenLeistung zu bringen?Die Aufgabe kann gelöst werden:a) indem man die Geschwindigkeit vergrofsert undalles Andere ungeändert läfst,b) indem man die Volldruckspannung vergrofsert undalles Ändere ungeändert läfst,c) indem man die Füllung vergrofsert und alles Andereungeändert läfst,d) indem man zugleich zwei oder alle drei der unter a,b und c genannten Werthe entsprechend ändert.a) Wenn die Maschine nach Abstellung der Condensationnur die Geschwindigkeit ändert, um die frühereLeistung zu erzielen, und es sei VQ die vergröfserte Geschwindigkeit,Bo müfs nach Gl. 18 sein:V{d'(-ff-^, — 0,so«) — (^(0,033 3«1 + 0,1«)}- vo {rf*(^3li - 1,13,) - d(%,B^x + 0,0,)},V, d{&%^-^0,,,e) — ^mz^i 0„ d-2l. 91V d{m, - 1„85) - 0„23 %, ^ 0,01 d-(%^^%)'z. B. für 3li ^ 4,5 Atmosphären, £ = 0,25, also & = 0,^^^und d •= 0,^0, ist:^D ^ Q?40 (0?l>09 ' ^m OngOeJ 0^023•4,,*•' *^740 (O16O9 • ^15 ^1136) 0,023 *'5 ^'015014 " '-'526* 0.•-•5A = W5» __ -j'je42 '-',113 0, !fiS9Man wird also in dem gegebenen'Falle die Maschinenach Abstellung der Condensation auf dio ursprüngliche Leistungbringen können, wenn mau sie etwa 1,^ mal so schnelllaufen läfst. Uebrigens ist das Verhältnifs von demDurcbmesser rf, von der Füllung e und von der VolldruckspannungSil abhängig.b) Wenn die Maschine nach Abstellung der Condensationnur die Volldruckspannung vergrofsert, so sei 3lo dievergröfserte Volldruckspannung, während alles Uebrige ungeändertbleibt; dann folgt aus Gl. 18:d^{d-%, - 0,,,,) - rf(0,„,3 3li -1- 0,1,)== d\m, ~ 1,13,) - '^(0,02.1 aio + o,oi)\ {dd- - 0,023) + 0,93^ d ^ 0,15 = %{^^ — 0,023)«f __ nj I 0;329^ 0;i5d& 0,0 23Das zweite Glied giobt also an, um wieviel die Volldruckspannungvergrofsert werden mufs, wenn die Maschineohne Condensation bei gleicher Kolbengeschwindigkeit, gleichemDurchmesser und gleicher Füllung dieselbe Leistungerzielen soll, wie dio Condensationsmaachine. Dieser <strong>Sp</strong>annungs7uwachsist unabhängig von der Volldruckspanuung SCj,also für einen gegebenen Durchmesser des Kolbens und füreine gegebene Füllung constant.Z. B. für d ^= 0,in , e = 0,,^ also ^ = 0,5^^, ist!40 5 ^ 'I2b%=^% +O^a^ie\ + 1,00.0,820«Man wird also die Volldruckspannung Sli in diesem Fall um1 Atmosphäre vergröfsem müssen, gleichviel, welche Volldruckspannungdie Maschine ohne Condensation hatte.c) Wenn die Maschine nach Abstellung der Condensationnur die Füllung ändert. Es sei für dio ursprünglicheFüllung c die Anwendung der Condensation d^ derzugehörige Wirkungscoefficient, und indem man die Füllungvon € auf «0 vergrofsert, sei ^'>o der zugehörige Wirkungs-Coefficient (§. 5). Wenn alles Uebrige ungeändert bleibt,ergiebt sich aus Gl. 18:dK^% - 0„


381 H. WiebCj Ueber die Bestimmung der Nutzleistung der Dampfmasehinen. 382Aus dem Wirkungs-Coefficient S- ist demnächstder entsprechende Füllungswerth «o zu ermitteln, wozu ambesten die Tabelle in §. 5 dient.Z. B. für den Kolbendurchmesaer 0,^^ und der Volldruckspannung4,ft Atmosphären ist:^0-=^ +=• ^ + o„,0,4 • *,5+ ^Wenn nun die ursprüngliche Füllung 0,2^ und folglich derzugehörige Wirkungs-Coefficient 0,yo8 war, so mufs nun derWirkunga - Coefficientsein, und nach der Tabelle in §. 5 mufs die Füllung nunzwischen 0,3^ und O,^,, liegen, und zwar nahe an 0,35.Uebrigens ist es einlenchtend, dafs der gröfste Wertb,welchen ^^ erreichen kann = 1 ist, nämlich gleich demWirkungs-Coefficienten für c = 1. Ist •S-Q = 1, so folgt:0„ -'laaa" '-''15S---d^^und hierdurch ist die gröfste Füllung der Condensations-Maschine bestimmt, bei welcher die hier besprochene Operationüberhaupt noch möglich ist. Hat die Condensations-Maschine eine gröfsere Füllung als die hier bestimmte,so ist es nicht mehr möglich, nach Abstellung der Condensationdie ursprüngliche Leistung allein durch Steigerungder Füllung zu erzielen.Im vorliegenden Beispiel ist:xT = 1 — 0,^25 ^= ^5877 'welcher Werth nach Tabelle §, 5 einer Füllung von 0,55entspricht.§. 9-Frenzen fUr die Zweckmäfsigkeit der Wahl einer Condensations- jülasciline.Die Untersuchungen des vorhergehenden Paragraphengeben noch Veranlassung zu einigen Folgerungen.Zunächst ist hervorzuheben, dafs, wenn man die vonder Condeusation befreite Maschine auf die ursprünglicheLeistung bringen will, sowohl die Vergröfserung der Geschwindigkeitals die Vergröfserung der Füllung eiaen vermehrtenVerbrauch an Dampf-Volum geben. Bei Vermehrungder Volldruckspannung (litt, b des vorigen Paragraphen)wird zwar das Volum der verbrauchten Dampfmenge nichtvergröfsert, wohl aber die Gowichtsraenge, denn der Dampfvon höherer <strong>Sp</strong>annung ist dichter, als der von geringerer<strong>Sp</strong>annung. Ohne hier schon den Einflufs feststellen zu können,weichen diese Äenderungen auf die verbrauchte Mengedes Brennmaterials haben, müssen wir auf die Entwickeiungender Paragraphen 13 und 14 verweisen.Die erforderliche Zunahme an Volldruckspannung ergiebtsich nach litt, b des vorigen Paragraphen:gr — 91-4-^l^l^A^zJhnDieses zweite Glied, welches die Zunahme der Volldruckspannungergiebt, wenn man anstatt der Condensations-Maschine eine Maschine ohne Condeusation mit derselbenKolbengeschwindigk-eit, derselben Füllung und von gleichemKolbendnrchmesser anwendet, ist tun so kleiner, je gröfser-9- ist; und da dieses mit der Füllung e wächst, so istder erforderliche Zuwachs an <strong>Sp</strong>annung am so kl einer .-1.81) je gröfser die Füllung ist, und2) je kleiner der Kolbendurchmeaser ist.Dies Letzte läfst sich erkennen, wenn man die Division mit'^^ — 0,023steht:i^ 0,32ärf —0,j5 wirklich ausführt.Es ent-^ioaifi0 -L".>d&~— 0, 02& dd- — 0,0gDer Zähler des zweiten Gliedes ist stets positiv, wenigstensinnerhalb der Grenzen der Werthe von •^, welche manpraktisch aiiwendet, — und folglich ist das zweite Glied immernegativ, also ist der Werth des ganzen Ausdruckes um sokleiner, je gröfser der negative Werth ist, und dieser istum so gröfser, je kleiner dessen Nenner, also je kleinerder Werth d ist.Da nun die Maschine ohne Condeusation bei kleinemDarchmesser und gröfser Füllung nur eines verhältnifsmäfsiggeringen Zuwachses an VoJldruckspannungbedarf, um dieselbe Nutzleistung zu geben, als die Maschinemit Condensation von demselben Durchmesser, derselbenFüllung und derselben Kolhengeschwindigkeit, so wird es insolchem Falle, wo die Vermehrung der Volldruckspannungkeine erheblichen Schwierigkeiten macht, also namentlichwenn diese Vermehrung nur in sehr geringem Grade erforderlichist, nicht gerathen sein, eine Condensations-Maschineüberhaupt anzuwenden.Man kann also die Regel aufstellen, dafs man Maschinenvon gröfser Füllung und kleinem Durchmesserniemals als Condensations - Maschine zuconstruiren hat.Wenn der Unterschied der Volldruckspannung,welche eine Condensations - Maschine bei einem Wirkungs- Coefficienten •9- und einer bestimmten KolbengeschwindigkeitV erfordert, und derjenigen Volldruckspannung,welche eine Maschine ohne Condensation von gleichemDurchmesser, gleicher Füllung (also auch gleichem Wirkungs-Coefficienten)und gleicher Kolbengeschwindigkeit erfordert,den Werth von x Atmosphären nicht erreichen soll,so folgt:und daraus:0Z3' '-'1023 ^•0,0 23 t0, 099 «:^Wenn also d kleiner ist als der WerthOns ~ 0, 023 'so0, 989£^würde man dieselbe Nutzleistung in Pferden von der Maschineohne Condensation erhalten, wenn man die Volldruckspannungnur um einen entsprechenden Werth, kleiner alsa;, steigert. Hierdurch würde man den kleinstenDurchmesserbestimmen können, für welchen eine Condensations-Maschine überhaupt noch rathsam sein würde. Dieser kleinsteDurchmesser fällt um so gröfser aus, je gröfser v^ ist.Annähernd kann mau sagen, indem man O,,,,« ^ vernachlässigtund für 0,929 *i®° Werth 1 setzt:Es ist nicht rathsam, eine Condensations - Maschinezu wählen, wennist.0,,619) rf< 1—x^


383 H. Wiebe, Ueber die Bestimmung der Nutzleistung der DampJimasehiu n. 384WenD man z. B. als gröfste <strong>Sp</strong>annungsdifferenz Vi Atmosphäregestatten will, und wenn man die gröfste Fällung derMaschine zu 0,j5 annimmt, so ist für e ^= 0,75 nach derTabelle m %. b & ^= 0,955 '•> ^^^^ entsteht:Man würde also unter dieser Voraussetzung keine Condensations-Maschineunter 20 Centimeter Kolbendurchmesserbauen. Nimmt man die zulässige <strong>Sp</strong>annungsdifferenz ^g Atmosphäre,so entsteht unter Annahme von c = 0,7.,0„5^—0,^,5. v^ = 0,3.§. 10.Wahl der Kolbeiigeschwindigkeit der Dampfniaschincn.Die Kolhengeschwindigkeit der Dampfmaschinen istfür neu zu construirende Maschinen von vorn herein zu wählen.Einen allgemein giltigen theoretischen Grund für dieseAuswahl kann man kaum aufstellen. Je gröfser man dieGeschwindigkeit wählt, desto gröfser ist nach dem Früherendie Nutzleistung der Maschine unter sonst gleichen Bedingungen,und folglich fällt der erforderliche Kolbendurchmesserum so kleiner aas. Ist s die Anzahl der einzelnen Hübein einer Minute und ^ der Kolbenhub, so ist nach §. 1 :_ / • s*' ~ "60'Isimmt man s und / an, so ist dadurch v bestimmt, undumgekehrt. Bei einer Kurbelmaschine entspricht eineUmdrehung der Kurbelwelle einem Hin- und einem Hergangedes Kolbens, also zwei einfachen Hüben. Ist u dieAnzahl der Umdrehungen der Kurbelwelle in einerMinute, so ist:folglich ;ul'60 • V 60 • VBeabsichtigt man eine grofse Anzahl u von Umdrehungender Kurbelwelle, oder überhaupt eine grofse Anzahl vonKolbenhüben in der Minute, so hat man v möglichst grofsund l möglichst klein zu nehmen; und umgekehrt.Wir wollen in dieser Beziehung unterscheiden:a) Maschinen mit geringer Geschwindigkeit,b) Maschinen mit raäfsiger Geschwindigkeit,c) Maschinen mit hoher Geschwindigkeit,d) Maschinen mit sehr gröfser Geschwindigkeit.a) Alle Maschinen, bei welchen die hin- und hergehendenschweren Maschinentheile von erheblicher Masse sind,also namentlich alle Balancier -Dampfmaschinen, Bügelmaschinen, Maschinen mit Pumpengestängen u. s. w., müsseneine geringe Kolbengeschwindigkeit bekommen. Früher wählteman Geschwindigkeiten von 0,go bis 0,9^ Meter; gegenwärtiggeht man bei Kurbel-Maschinen selten unter 1 Meter,und steigt bei gröfseren Maschinen mit diesem Wertho. Fürdergleichen Maschinen empfehle ich, wenn nicht besondereGründe für eine andere Wahl sprechen:b) Für direct wirkende Kurbelmascbinen ohnebesonders schwere hin- und hergehende Massen (Maschinenmit mäfsiger Geschwindigkeit) empfehle ich2- = 1,2 + Vgoo K bis 1,5 + V200 ^"•c) Für Maschinen mit hoher Geschwindigkeit, beiwelchen eine grofse Anzahl von Umdrehungen der Kurbelwellebeabsichtigt wird, bei denen aber die einseitigen Belastungender Kurbelwelle durch Kurbel und Gestänj möglichstausgeglichen sein müssen, ist eine Kolliongeschwindigkeit:•^=K + V20O ^n bis 2 -J- V2OO ^nals zulässig zu empfehlen.d) Für Maschinen mit sehr gröfser Geschwindigkcitjz-B. Lokomotiv-Maschinen, SchraubcnschiffmascMncnund ähnliche Maschinen, für welche man eine möglichstgrofse Umdrehungszahl der Kurbelwelle beabsichtigt, empfehleich, eine Geschwindigkeit des Kolbens:^ ^ 2,5 -f V200 ^\ bis 3„ + V200 '^nnicht zu überschreiten.e) Für Maschinen ohne Kurbelbewogung (Wasserhaltungs-Maschinen),welche schwere ^estänge oder anderebedeutende Massen zu bewegen haben, empfehle ich:^' = 0,2., bis 0,30-}- Vaoo^«zu wählen.f) Für Dampfmaschinen nach Woolfschem Systemgelten die vorstehenden Angaben für die Geschwindigkeit desgröfseren Kolbens.g) Für gekuppelte Maschinen (Zwillings- oderDrillingsmaschinen) gelten die vorstehenden Angaben, wennman unter iV,, die Nutzleistung in Pferden jedes einzelnenCylinders, nicht aber die Gesammtleistung der Maschineversteht.h) Für Maschinen mit Condensation nimmt manunter sonst gleichen Verhältnissen gewöhnlich die geringerenWerthe von f, bei Maschinen ohne Condensation die höhernWerthe von v.Nach diesen Angaben kann also die Kolhengeschwindigkeiteiner 40pferdigen Dampfmaschine;a) bei geringer Geschwindigkeit 1,2 Meter in derSecunde,b) bei mäfsiger Geschwindigkeit 1,4,bis 1,^ MeterinderSecunde,c) bei hoher Geschwindigkeit 1,, bis 2,3 Meter in derSecunde,d) bei sehr gröfser Geschwindigkeit 2,^ bis 3,7 Meterin der Secunde,e) bei einer Maschine ohne Kürbclhewegung 0,4^^ bis0,50 in der Secunde,g) bei einer Zwillings-Maschine überall 0,j Meterweniger betragen,h) bei Condensations-Haschinen nimmt man die kleinem,bei Maschinen ohne Condensation die gröfstenWerthe von v.§. n.Wahl des Kolbeahabes.Der Hub der Dampfmaschinen, d. i. der Weg, welchender Kolben bei einem Hin- und Hergange zurücklegt,läfst sich entweder aus der angenommenen Geschwindigkeit(§. 10) und der Anzahl der Kolbenhübe bestimmen, oderman nimmt von vom herein diesen Werth (den Hab) l an,


^iif385 11 WiebCj Ueber die Bestimmung der Nutzleistung der Dampfmaschinen. 386und bestimmt die Zahl der Kolbenhübe nach §.10 aus derBeziehung:__ 30 • V _ GOjj^Bei Maschinen mit geringer Geschwindigkeit wählt manl grofs. wenn man dagegen eine möglichst grolse ümdrehungs/alilboabsichtigt, wählt man l klein. Im Allgemeinenmacht lan l von dorn Kolbendurchmesser abhängig, und wähltbei Maschinenmit geringer Geschwindigkeit etwa l=l^^d bis 2rf,bei mäfsiger Geschwindigkeit l^=l^^d bis l,^d,hei hober Geschwindigkeit l^l^^d bis l,^d,bei sehr grofscr Geschwindigkeit ^=^0,75 f^^bis l,^;^.Die kleineren Werthe von l wählt man namentlich auchdann, wenn es darauf ankommt, die Kurbelwelle möglichstnahe an den Cylinder zu legen, um daher [die Leiikerstangemöglichst kurz zu bekommen. Dieser Fall kommt unterandern bei Schraubenschiff-Maschinen vor, wenn die horizontalenCylinderachsen rechtwinkelig zur Schraubenachseliegen sollen.Im Allgemeinen macht man das Yerhältnifs -^ bei Maschinenmit Condensation gröfser, als bei Maschinen ohneCoudensation von derselben Nutzleistung.§. 12.Berechnung des Kolbe&durehmessers, Kechnuugsbeispiele.Die Berechnung des Cylinderdurchmessersergiebt sich ans Gl. 16:^«^9^,68 •^- {äm^ — idt},nämlich:%.20) (Z^^Va4-13tm' 23,6Hat man also für eine gegebene Nutzleistung von N,, Pferdeneine Dampfmaschine zu construiren, so setzt man zunächstfest;a) mit welcher Volldruckspannung 91^ der Dampf im Cylinderwirken soll,b) mit welcher Füllung e die Maschine arbeiten soll,c) oh die Maschine mit oder ohne Condensation arbeitensoll, wobei die Untersuchungen des §. 9 von Interessesein können»d) welche Kolbengescbwindigkeit die Maschine bekommensoll.Nach Feststellung der Beziehungen a, b, c kann man dieWerthe 21^ und 91 nach dem Früheren berechnen (§. 7),und dann ergiebt sich nach Feststellung der Geschwindigkeit(§. 10) der Durchmesser nach Gl, 20.Es sei z. B. eine Dampfmaschine von 40 Pferden zuberechnen; die Volldruckspannung betrage 4^2 AtmosphärenTotaldruck (3^/3 Atmosphären Ueberdruck), die Füllung* = 0,2g , der Coefficient des schädlichen Raumes 0,^,5, dannist nach der Tabelle §, 5:J- =t; 0,509,und nach Gleichung 1431, = ^2Ii - ^, 9t, = 0,,,, . 4., ^1 3f, = 2„,, — &, %.Für Maschinen mit Condensation ist; ^i3J« = O,206 (i6),für Maschinen ohne Condensation ist: ^i3ls= 1,135,folglich ist;<strong>Zeitschrift</strong> f. Bauweaeii, Jahrg. <strong>XXVII</strong>.für Maschinen mit Condensation^m — 2,7^j^ 0,3 06 • ^'635 5für Maschinen ohne Condensation•itffl = 2,741 1)135 ^^^ ^1606'Ferner ist (Gl. 17):für Maschinen mit Condensation-A ^ 0,(j33 • 4,5 + 0,jg ==:0,3gi,für Maschinen ohne Condensation3i = 0,023 -4,5 + O,oi=0,ui,also:für Maschinen mit Condensationau =^ .Z2535_ 2 ^ 3e0)OR971375123:3t^i l'Öi^für Maschinen ohne CondensationSR'2 • "öV"1„*^J03Ö)dt'^1l -'JOISO23 mlSetzt man diese Werthe in die Gleichung 20, so entstehtüberhaupt für eine Volldruckspannung 31^ = 4,^ Atmosphären:für eine Füllung von e = 0,35,bei einem schädlichen Raum T ^^= 0.J^ii-a) ifür Maschinen mit Condensation;b) für Maschinen ohne Condensation:'^=0,03, |l + 1/5,32^ + 1}.Nehmen wir für iV„ =^ 40 und setzen nach dem Früheren(§. 10) für eine 40pferdige Maschine mit mäfsiger Kolbengeschwindigkeit:v = U40 200also —^ ^ -—=:=, .V 1,4 7 'so entsteht:a) für Maschinen mit Condensation:'^^-O.oös • 7,708 =0,40 Meter,b) für Maschinen ohne Condensation;rf= 0,(13,; • 13,247 =


387 H. Wiebe, lieber die Bestimmung der Nutzleistung der Dampfmaschinen. 388u) für Maschinen mit Condensation:£^ = 0, ^ = 0„ « = 84,,b) für Maschinen ohne Condensation:'^*=0,3a; ^=0,5^; H = 72,8.§. 13.Berechnung der pro Htande und Pferd zu yerdampfendenOewichtsmenge Wasser,Rechnungsbcispiele.Der Dampf-Verbrauch einer Dampfmaschine bestehtnicht nur in derjenigen Dampfmenge, welche erforderlichist, die jedesmalige Füllung des Cyliuders zu bewirken, sondernauch in derjenigen Dampfmenge, welche durch Undichtigkeitender Abschlüsse der Steuerung, durch die Undichtigkeitender Kolbenliderung, sowie derjenigen der Stopfbuchsenu. s. w-, sei es in den Condensator, sei es in dieAtmosphäre, entweicht. Ein weiterer Dampf-Verlust entstehtdurch die Abkühlung, welche der Dampf aus dem Kesselerleidet, sowohl auf dem Wege nach der Maschine, als auchdurch Berührung mit den kälteren Theilen der MaschineselbstWir wollen zunächst den Dampf verbrauch im Cylinderbestimmen. Der Dampfverbrauch bei einem Kolbenhube,welcher allein durch die Füllung des Cyünders bedingt wird,ist offenbar:weim a der Kolben-Querschnitt,\ der Kolbenweg bis zur ToUendeten Absperrung desDampfes,Da- der schädliche Raum ist.Bezeichnet nun:l den ganzen Kolbenhub, so können wir auch schreiben;a • /i 4- ü.und indem wirh . ^.ale und —^ ^ C setzen (wie früber), so ist der-^ ^^ e und —-Dampfverbrauch bei einem Kolbenhübe:bei s einfachen Kolbenhüben in der Minute also;und da H = QOv ist (§. 1 und 10), so folgt der Dampfverbranchin der Minute:a- V 60(c + Q.Wir wollen künftig für den Danipfverbrauch und für diemit demselben zusammenhängenden Werthe die Stunde alsEinheit ansehen, folglich ist der Dampfverbrauch zurCylinderfüllung in der Stunde:60 . 60 • a • r • («-|-C) = 60 • 60 • Vi 7F-2827,,^ . rf* V •Nun folgt aus GL 16:^^H,68 31.^3t• d^ - Hc + Qund wenn wir diesen Werth einsetzen, folgt der in jederStunde zur Cylinderfüllung erforderliche Darapfverbrauch:(f+.Q 2827„4 Nn mN,£-fC31--d)Zu diesem Dampfverbrauch treten noch die oben angedeutetenVerluste. Im Wesentlichen kann man den Dampfverbrauch,welchen diese Verluste veranlassen, proportionalden Querschnitten der Durchgangsspalten, und der Durchgangsgeschwindigkeitdes Dampfes annehmen. Der Querschnittder Durchgangsspalten wächst im Allgemeinen mit dem Kolbendurchmesser,und die Geschwindigkeit des durchströmendenDampfes mit der Quadratwurzel aus der Pressung.Versteht man unter 31^ {§. 7) den mittleren wirksamenDruck auf den Kolben, so wird wenigstens der Verlust durchUndichtigkeit der Kolbenlidcrung dem Werth:^'Vtproportional zu setzen sein. Die übrigen Verluste sind gegendiesen Verlust nach der Erfahrung verhältnil'smäfsig klein,und obwohl dieselben sich nach andern Gesetzen ändern, sokann man doch näherungsweise diese andern Verluste mitdem Verlust der Kolbenliderung zusammenfassen, und denGesammtverlust in der Form darstellen:V^i • rf • Väü,worin \p^ einen Coefficionten bezeichnet, der freilich von derArt der Constrnction, sowie von der Pflege und Beaufsichtigungder Maschine abhängig ist. Hiernach drückt sich dasVolum des in einer Stunde verbrauchton Dampfesaus durch:30 • iV«Bezeichnet man mit;3i.-•V^pi -d-V3t,.3)/ das Volum Dampf, welches für ein Pferdstündlich verbraucht wird, so erhält man, indem manobiges verbrauchtes Gesammtvolum durch die Zahl der nutzbargemachten Pferde dividirt, das pro Stunde und Pferdverbrauchte Dampfvolum:SDf = 30 * + t31- md•V•i:^^"2)/ — 30 • (^d%„. 3i ^ 30Nennen wir den Werth:-^ kurz (/», so entsteht:21) ^r = 30 • (^ fi + C Kubikmtr.m. - SRDen Werth ip wollen wir den Undichtigkeits-Coofficientennennen.Auf Grund von Rechnungen, welche auf den Resultatenzuverlässiger Beobachtungen beruhen, kann man den Undichtigkeits-Coefficienten:a) bei sehr sorgfältig construirten, und sehr gut beaufsichtigtenund unterhaltenen Maschinen:^ = 0,90 bis 1,00,b) bei gewöhnlich gut unterhaltenen Maschinen:j//=r l,gQ bis 1,30; i^ Mittel l,gg,c) bei stark gebrauchten und wenig gut gepflegten Maschinen:rechnen.jp = 1,^0 bis 1,50Als Durchschnittswerth setzen wir im Folgenden:


a89 H. Wiebe, Ucber die Bestimmung der Nutzleistung der Dampfmaschinen. 390Bezeichnet nun y-^ das Gewicht eines Kubikmeters Dampfvon der <strong>Sp</strong>annung Sfj, so wiegt die für ein Pferd in derMaschine pro Stunde erforderliche Dampfmenge:0,18,301,.5V2, bäitnifs der Geschwindigkeit:5S5'H8 • 0,40 •4O,40 ' •^1585 0,aß4 + 40111'-018,18 • 0,l 0. V,4g • llCftft J.,(;oa 0,1 '-',11432) j'^ . SD, = 5/^ . 30 • (f -h^3ö,8i {0,4e + 0,03} = 17^.Ferner ist die pro Stunde und Pferd zu verdampfendeKilogramm.Wassermenge für eine 20pferdige Maschine, oder für eineNun aber kann man nach den Entwickelnngen, welche gekuppelte 40pferdige Zwillings-Maschineder Verfasser in dem Aufsatz „lieber das Verhalten desmit Condensation:Wasserdampfes bei seiner Wirkung in den Dampfmaschinen"0,(<strong>Zeitschrift</strong> für <strong>Bauwesen</strong> 1874, S. 25) dargelegt hat, das,30•'•",18 ' 0,310,31 ' -^lÖSÖ 0,3g4 +',Ä35|-4,u,*30Gewicht eines Kubikmeters Wasserdampf innerhalb der Grenzevon 0,y bis 10 Atmosphären mit hinreichender Genauigkeit23,3 i0,5s + 0,10} = 15v8;ohne Condensation:durch die Gleichung darstellen:l-",lg ' 0,3fj0.1,35 Vi0„ 1«J0G 0,jj4 + 20• *Jii)'26,9 {0,05 + 0„4 = IV-Hiemach bedarf man also pro Stunde und Pferd fürdie 40 pferdige Maschinemit Condensation ohne Condensation13,4e Kilogramm, 17,55 Kilogramm,die 20 pferdige Maschinemit Condensation ohne Condensationund wenn wir durchschnittlich tp ^ 1,2^ setzen:15,78 Kilogramm. 19,j(, Kilogramm.Hiernach ist das Verhältnirs der erforderlichen Wasserverdampfung/i3)7= 18,18 •'?•' ^"^^" ••'SS91,-bei 3 ^2 Atmospären Ueberdruek und ^(^ Füllungzwischen derDer Werth von %^^'^i ist aus folgender Tabelle zu entnehmen:40 pferdige 20 pferdigeCon de nsations-Maschine 13. 15, 'J7S.für 21, ^ 1 23 ' 3,5 4 4,5 Maschine 0hne Condensation 1^,55 l,^^ I^HO l,2iist 31; 0-94 = 1 1,92 2,37 2,öi 3,25 3,68 4,11Mit Rücksicht auf den Dampfverlust in den Röhrenleitungengiebt mau etwa noch 5 Procent zu der berech­für 2ti = 5 5,56,5 7 7,6 8ist gti"'« = 4,54 4,9 7 5,39 5,81 6,23 G.Ö5 7,07 neten Gewichtsmenge Dampf hinzu, so dafs man für diefür 3li =gewöhnlichen Verhältnisse setzen kann:8,5 9 9,5 10ist 3(i«'S4 =- 7,48 7,89 8,3 0 8,7118,i_8 • 1,05 19,10Nehmen wir als Rechnnngsbeispiel die in §. 12 berechnete 24) y, i>/^19. d- « + ^ ^,85^ +j^4_ 3(/'M,Maschine. Es ergab sich dort für eineso dafs sich unter dieser Voraussetzung ergeben wird derVoUdruckspannung von 4V2 Atmosphären Totaldruck,Dampfvorbrauch pro Stunde und Pferd, bei 3 '/g AtmosphärenFüllung von 0,25, undUeberdruek und V* Füllung:einen schädlichen Raum von 0,^^ des Cylinder-Volums:mit Condensation ohne Condensationfür die Maschine mit Condensation:40pferdige Maschine 14,^3 Kilogramm, 18,43 Kilogramm.•*+flr -^553520 - - 16,57 - 20,oe£ + ^ = 0,30§. 14.für i' = l,4, iV;. = 40, ^ = 0„,Vergleich des Dampfverltrauches fUr Maschinen mit und- i^-^ 1,3, iV„^20, d=^%,ohu« Condensation.Wir wollen den Dampfverbrauch der Maschine mit Condensationfür die Maschine ohne Condensation;and derjenigen ohne Condensation noch weiter•«m •'^1606verfolgen;^ = o„i,a) Wenn man Maschinen von demselben Durchmesser,e + C -= 0,30derselben VoUdruckspannung \ und derselben Füllung hat,für v^\,,, -^^^« = 4o,


391 H. Wiebe, lieber die Bestimmung der Nutzleistiing der Dampfmaschinen. 392In diesem Fall wird sich der Verbrauch an verdampftemWasser verhalten:c H- 0,)0 5M, 'OM %e + 0, !0 54-+Maschine ohne CondensationMaschine mit CondensationHaben wir also z. B. die in §. 12 berechnete Condensations-IVIasehinevon 40 Pferden, 0,^^ Meter Durchmesser,0,25 Füllung und 3Vg Atmosphären üchcrdruck als Volldruckspannungund 1,,, Meter Kolbengeschwindigkeit, undwir stellen die Condensation ab, so können wir die Maschinewieder auf 40 Pferde bringen, wenn wir sie mit derGeschwindigkeit:gehen lassen. Es ist aber für diesen Fall, wie die Rechnungim vorigen Paragraphen ergab, für Maschinenmit Condensation ohne Condensation*^m =2,_r,3g3^ - 0,26,« • -Äjii = IjOlid%^~^ = 0„aoh = 1'4**0''i ^^ -'-5600Jto ^^^ 0,| ^ ^***Oni ^^^ 0,g4gd%^ — % = 0,-2750528 ^ ^''''Condensation,Wenn nun dieselho Maschine, aber ohnejedoch mit einer Eolbengeschwindigkeit von l,^^ Meter inder Secunde arbeitet, so wird sie wiederum 40 Pferde nutzbarmachen. Der Dampfverbrauch wird aber sich verhaltennach der vorhiu entwickelten Gleichung:5*'30 1,25/1 160640 0,5 7 + ^\ 030,.Oua + 0,'75040•'45'Die Maschine ohne Condensation würde also in diesemBeispiel, wenn man die Geschwindigkeit so weit steigert, dafssie bei gleichem Kolbendnrchmosscr, gleicher Füllung undgleicher Volldruckspannung dieselbe Leistung giebt, wie dieMaschine mit Condensation, 1V3 mal soviel Dampf vorbrauchen,als letztere.b) Nach der in §. 8 sub b gegebenen Darstellung kannman nach Abstellung der Condensation die Maschine auch ohneSteigerung der Geschwindigkeit dadurcli auf die ursprünglicheNutzleistung bringen, dal's man die Volldruckspanuungsteigert. Nach der dort entwickelten Darstellung istdann die erforderliche Volldruckspannung:% = \ '\- 0. 1923 d 0,15dy)- — 0,ag3Das Verhältnifs des Dampfverbraucbes pro Stunde und Pferdwird nun sein:^ + 0,0, _^ i^^ • V'äio.d%m 9*0 N,« + 0., •05 1,25 • Vat>.+In dem hier gewählten Beispiel ist:ar. ^4,.+ 0, »929 0, MO •0.**o«» — ^' **o0, 0« — 0,.'i40 ' '-''(loa "^üoga3*0 ^ 0,033 % + 0,01 (Gl. 17) = 0,j3,,43= 4,,-hl=5,„IM 3.5folglich das Verhältnifs der verbrauchten Wassermenge:-''400„^rglf-^5300.•i-+0,40 + 0,05 1;971.Ouo + 0.0,


393 H. Wiebe, lieber die Bestimmung der Nutzleistung der Dampimaschineii. 394und dabei 1,20 mal soviel Wasserdampf brauchen als dieMaschine mit Condensation, wenn beide dieselbe Nutzleistungvon 40 Pferden haben sollen.Man sieht aus diesen Rechnungen, dal's es in dem hierbeispielsweise behandelten Falle in Bezug auf den Dampfverbrauchfast ganz gleichgiltjg ist, ob man nach Abstellungder Condensation, aber mit Beibehaltung der Kolbengescbwindigkeitvon 1,4 Meter der Maschine von O.^Q Meter Üurchmesser,welche bei Anwendung der Condensation bei ^4 Füllungund 4,5 Atmosphären Volldrnckspannung 40 Pferde hatte,dadurch wieder auf 40 Pferde bringt, dafs man unter Beibehaltungder Füllung die Volldruckspannung von 4,^ auf5,5 Atmosphären steigert, oder indem man mit Beibehaltungder VoUdruckspannnng von 4..^ Atmosphären die Füllung von0,2 5 ^^^ '^)36 steigert.= 28,4 Korde.Würde man einfach die Condensation abstellen, ohnedie Geschwindigkeit, die Füllung oder die Volldruckspannungzu ändern, so würden sich nach dem Rechnungsbeispiel in§. 7 verhalten:Leistung der Maschine ohne Condensation _ 1,00Leistung der Maschine mit Condensation l,4j'folglich würde die Maschine ohne Condensation jetzt nurnutzbar machen:400,qrt -'•'30\ 1,25 Vi,o„ '40 19 :006no5*0 1., '60.- 0,uJ 28,.*niDer Dampfverbrauch pro Pferd und Stunde würde hier nachGl. 24 sein;= -^luo • (i57 + 0>oti) ^ ^1,40 • Oes ^ 19578 Kilogramm.Die Maschine ohne Condensation von 0,40 MeterDurchmesser, 4,5 Atmosphären Yolldruckspannung, 1,4 MeterKolb enge seh windigkeit uud 0,25 Füllung leistet also nur 28,^Pferde und verbraucht pro Pferd und Stunde 19„s KilogrammWasser, während dieselbe Maschine mit Condensation4(t Pferde nutzbar macht, und pro Pferd undStunde nur 14,jg Kilogramm Wasser verbraucht.§. 15.Bestimmung: des Verbrauches an Brennmaterial für die Stundeund fllr ein Pferd.Um 1 Kilogramm Wasser von ^0 örad in Dampf vont^ Grad zu verwandeln, sind nach der Formel von Regnaulterforderlich;f)" =rr^ 606,5 + *^5305 ^1 — ^0 Wärme-Einheitc«.Wenn nun nach Gl. 23 die Gewichtsmengo Wasser, welchepro Stunde und Pferd verdampft werden mufs, y^ J)/ Kilogrammbeträgt, so sind pro Stunde und Pferd erforderlich:^ • /i • ^/ = (606,, + 0,3,, t, - t,) . 19,^, - d . [-^^^+N,: ]Wärme - Einheiten.Nach den Ermittelungen des Verfassers in dem Aufsatze„lieber das Verhalten des Wasserdampfes bei seinerWirkung in den Dampfmaschinen" (<strong>Zeitschrift</strong> fUr <strong>Bauwesen</strong>1874 S. 25) kann man näherungsweise bis zur <strong>Sp</strong>annungvon 10 Atmosphären setzen, die Temperatur des Wasserdampfes^1 — 624 ' 91,0^ — 424.Setzt man diesen Werth in die Regnaultscho Gleichung, soentsteht;d = 606,5 + 0,305 (5243(iO'« - 424) ~ t^= 159,8 ^1*^"^ + 606,s — 129,3 — t^= 159,8 Sil «•«' + 477,2-^0,folglich:= atiO^ö* {1598 3I/-6-H 477,2 ^ ^"l 19,10 I~^^^^'i«^'^r +159,8 3lvH \d%,.-^^ K•^ 0,Qog Po^3052^8 Sil • d • \l-\-Für 3li =- !l J2 3 4 15-hist 9lj^'M= '1,00 11,04'l,07 1,99 |l,10^nd6 !7 J81,11 [1,J2 |l,1391,14Wir werden keinen grofsen Fehler machen, wenn wirdurchschnittlich31/'«= l,isetzen, und dann entsteht:^'00 6 ^Of-=2777„U„ 0,006 ^o}-3^1 "^-f- ^ .VEiV„'%^• d10^+?1,15rfSi. —9tBezeichnen wir mit ^„ die absolute Heizkraft deszu verwendenden Brennmaterials und .§„ die nutzbar gegemachteHeizkraft, so nennen wir das Vcrhältnifs:«~ ='''die Ausnutzung der Heizkraft des Materials. Die absoluteHeizkraft des reinen Kohlenstoffs ist 8080; d. h. durchVerbrennen eines Kilogramms reinen Kohlenstoffs werden8080 Wärme - Einheiten frei. Nennen wir das Verhältnifsder absoluten Heizkraft irgend eines andern Brennmaterialszu derjenigen des reinen Kohlenstoffs die s p e c i fi s ch eHeizkraft, und bezeichnen dieselbe mit/^, so ist für irgendein Brennmaterialik-^-^§„^8080^.^„=-r;, . 8080/9.Wenn (?/ die pro Stunde und Pferd erforderlicheMenge Brennmaterial bezeichnet, so ist die Anzahlder in einer Stunde nutzbar gemachten Wärme-Einheiten:Gffjj,- 8080 ' /?,und diese mufs offenbar gleich sein der Anzahl der erforderlichenWärme-Einheiten, folglich ist:


395 H. "Wiebe, lieber die Bestimmung der Nutzleistung der Dampfmaschinen. 396und durch Gleichung 26 folgt:und setzt man;also{^s — K) = n


397 H. Wiebe, Ueber die Bestimmung der Nutzleistung der Dampfmaschinen. 398§. 16.Bestimmung des erfarderllehen Brennmaterials aus der zaverdampfenden Wassermenge, — Wassermengo, welche proCewichtseinlieit Brennmaterial verdampft wird. — Brennmateriaiienmenge,welche zur Gewichtseinheit Wasser erforderliehIst.Wir bezeichnen mit;35j, das Gesammtgewicht des in einer Stunde zu verdampfendenWassers, ferner mit® das Gesammtgewicht des in einer Stunde zu verbrennendenMaterials.Es ist, wenn die Maschine iV„ Pferde nutzbar machen soll:^,= ]Sf,-yi -^i (Gl 24)^ =- iSr„ • Gj (Gl 26),daher ist die für eine Gewichtseinheit Brennmaterialverdampfte Wassermenge:3)„ 3)/und die für eine Gewichtseinheit Wasser erforderlicheGewichtsmenge Brennmaterial:Setzt man für j'i • ®/ und G/ die Wertho der Gleichungen24 und 26, so entsteht:IHI21I(1- 0,0015 O •Vk-ß19,.Wenn man, wie in §, 15 nachgewiesen worden, wiedersetzen kann:3(/-=l,„so entsteht die pro Gewichtseinheit Brennmaterialverdampfte Wassermenge;^.19 110lit (1 *^50015^o) • V*19 HO"^iSS (1 Oiöoi5 ^o)• ßerfor­2)^«) %^ = (T 12,.0, '001: .k) • % • ß,und folglich die pro Gewichtseinheit Dampfderliche Menge Brennmaterial:29) |-^2-i^.(l-0„o..O-SD. ri^ -ßWäre z. B. wie beim letzten Beispiel in §. 15 //^ • ß — ^5535so würde man mit 1 Kilogramm Kohlen(1 O'OOlö^o)12,a(1 — *^i00l5 *ö)Kilogramm Wasser verdampfen, uad für0„jedes Kilogramm Wasser würde erforderlicli sein; '-^^^^0, 153' (1 - 0,fl(,i5«5) - 0,iBB • (1 — 0,0016 ^0) Kilogramm Kohlen.Folglich würde nach den Berechnungen in §.13 beiGl. 24 erforderlich sein, für die40pferdige Maschine mit Condensationpro Stunde und Pferd 2,ie (1 — 0,0015 *o)20 pferdige - "lB4(^ 0,ooj5 IQ)40pferdige Maschine ohne Condensationpro Stunde und Pferd 2,gj(l — 0,^045^0)aOpferdige - ^ - - 3,oß (1 — 0,0515 «0)Kilogramm gute Steinkohlen (Sinterkohle).Der Factor (1 — 0,(,oi5^(,) bezieht sich auf die Temperaturt^, mit welcher das <strong>Sp</strong>eisewasser in den Kessel tritt.§. 17.Bestimmung' der erforderliehen Aten^e Einspritzwasser fUrCondeusationiämaschinen.Von dem in §.13 bestimmten Dampfverbranch einerCondensations-Maschine gelangt nur ein geringer Theil, welcherdurch Undichtigkeiten etc. entweicht, oder verlorengeht, nicht in den Condensator; wenn es sich jedoch darumhandelt, die erforderliche Menge des Einspritzwassers für dieCondensation zu bestimmen, so sieht man von dieser geringenDampfmenge ab, und setzt voraus, dafs die gesammteverdampfte Wassermenge wieder zurück in Wasser verwandeltwerden soll. Dieselbe Zahl von Wärmeeinheiten, welcheerforderlich war, um den Dampf zu bilden, mufs demselbenentzogen werden, um ihn zu condensiren.Freilich verliert der Dampf durch Verrichtung der Expansionsarbeitan Temperatur und <strong>Sp</strong>annung ^ d. h. die Temperatur,welche der Dampf nach der Expansion hat, istgeringer, als diejenige, mit welcher derselbe in den Cylindereintritt und seine Voll druckarbeit verrichtet. DieWärmemenge, welche der espandirte Dampf enthält, ist alsogeringer, und bei der Bestimmung der Menge des erforderlichenCondensationswassers iat "hierauf Rücksicht zu nehmen*Ist3li die Volldruckspannung des Dampfes bei dem VolumenOl,31 die <strong>Sp</strong>annung bei dem Schlafsvolumen D,so cxistirt die Beziehung:Nach §.1 ist:D ~ 1 + rund nach den EntWickelungen des Verfassers in dem mehrfacherwähnten Aufsatze (<strong>Zeitschrift</strong> für <strong>Bauwesen</strong> 1874Seite 24) istw= 1 10643ZU setzen, wofür wir abgerundet schreiben:Da für Wertho von e, welche kleiner sind als 1, der Werth0,95(6 -\- Zf'^ kleiner wird als (e + t), so können wir ohneerheblichen Fehler für den vorliegenden Zweck setzen:5ä = (£ + t) • a. ,wodurch wir die <strong>Sp</strong>annung 91 und folglich die erforderlicheMenge des Condensationswassers etwas zu grofs bekommenwerden.Setzen wir nun in die Gleichnng 25, welche die Zahlder Wärmeeinheiten angiebt, die erforderlich ist, nm ausWasser von t^ Grad Dampf von 91, Atmosphären zu erzeugen,für tf^ die Temperatur t^, bis zu welcher der erzengteDampf abgektlhlt werden soll, und für St, die <strong>Sp</strong>annung31 =: (fi -I- t) ai,, welche der am Schlüsse des Kolbenhubesvorhandene Dampf noch besitzt, so erhält man die Zahl der.Wärmeeinheiten, welche dem Dampf entzogen werden müssen,um Wasser von der Temperatur t^ zu erhalten.


399 K. Neumann, Ueber den Backstein. 400Bezeichnet noch:Er dio Ge^vichtsmeuge des pro Pferd undStunde erforderlichen Einspritzwasse r 8 undt^ die Temperatur desselben,so mufs die Beziehung bestehen:-^/'('^.-O--11388 {1-0,0015'f4-3t,^-(e-f9j30)+ V^ • ^ 1 =


401 K, NeumaDn, Ueber den Backstein. 402dargebotene Baumaterial; aber dariii allein lag nicht dieVeranlassung zu einer so hohen Entwickelung der Backsteinarchitektur,denn nirgends sind die an trefflichen Bausteinenreichen Gebirge so weit entfernt, dafs n»an nicht Hausteinwenigstens zur Verblendung, sowie zu Gesimsen und Säulenhätte herbeischaffen können. - Die Ursache lag inAnderem.Ein hervorstechender Charakterzug der Italicner des Mittelaltergzeigt sich in ihrer feurigen, leidenschaftlichen Liebezur Vaterstadt. Die Heimath mit den Namen berühmterMänner, die ihr durch Geburt oder Wirksamkeit angehören,seien es Heilige, Helden, Gelehrte, Künstler, zu schmücken,— ihre Stadt mit Kunst- und Bauwerken von hervorragenderBedeutung zu verherrlichen, war den Stadtbehörden wiejedem einzelnen Bürger Pflicht und Freude, Gemeinden undFamilien, Adelsgeschlechter wie Zunftgenossen brachten diegröfsten Opfer, selbst bis zur Erschöpfung, um diesem Drangegenug zu thun. — Wenn die reichsten Städte mit Goldund kostbaren geschliffenen Steinen prunkten, wie Venedig,oder in gewaltigen Riesenbauten ihre Bedeutung zu zeigensuchten, wie das mächtige Florenz, so trachteten die Städte,deren Mittel nicht ausreichend waren, um es diesen gleichzu thun, danach, wenigstens intensiv durch den Kunstwerthsich ihnen gleich zu stellen, und überboten darin häufiggenug ihre stolzen, reichen und mächtigen Nebcnbuhleriimen.— Für diesen Zweck aber bot sich in dem vorzüglichenaber weniger kostbaren Backsteinmaterial ein sehr willkommenesMittel dar, und wenn die Backsteinarchitoktur in Italienzu einer so hohen Ausbildung gelangte, wie wohl nievorher, so hat die feurige Liebe des Italieners zur Vaterstadt,die Ruhmbegierde desselben für seine Heimath nichtden kleinsten Antheil daran.Die Entwickelung der Architektur ging in Italien andereBahnen, als im germanischen Norden. — Man hatte in Bezugauf die Kunstformen keine Tabula rasa vor sich, aufwelcher die nothwendigen Formen ganz neu gebildet werdenmufsten. — Eine uralte Tradition gab sichere Anhaltspunktefür die Neugestaltung. So viele Denkmäler auch in denVölkerstürmen vernichtet waren, so blieb doch noch genugübrig, um auf die nachlebenden Geschlechter, die unter denRuinen wandelten, noch mächtig einzuwirken, — Der SinnfUr die Schönheit der antiken Formen starb nie aus oderwurde immer wieder von Neuem erweckt, zu jederzeit warman begeistert für die vollendete -Wohlgestalt der antikenSäule, die man in zahllosen Exemplaren aus dem Schutteder Ruinen hervorholte, um sie zu neuen Bauwerken zu verwenden.— Zwar pafsten die nach dem hellenischen Canongebildeten Bautheile nicht zu den neu erstehenden romanischenRaumformon, es bestand ein innerer Widerspruchzwischen antikem Gebälk und romanischen Gewölben; —aber diesen Widerspruch empfand man nicht als solchen;schon die römische Architektur war daran gewöhnt gewesen,die hellenischen Gebälkformen nur als einen decorativenSchmuck grofser Mauermassen zu behandeln. In diesemSinne fuhr man fort, und bildete sich dabei auch kein specifischneuer Banstyl, bheb die Phantasie auch unter demBanne der Tradition, so wurde doch das Verständnifs fürdie Schönheit der antiken Bauformen um so lebendigererhalten. — Für die Decoration trat ein neues Momenthinzu, das Streben nach malerischer Wirkung, welches vor-Zeitsehrift f. BauweBen. Jahrg. <strong>XXVII</strong>,zugsweise in Bekleidungen der Wände mit farbigen Steinenin geometrischen Mustern sich kundgab, eine Weise, welchein Venedig zum pninkvoUsten Luxus ausartete.Diese Hinneigung zum Malerischen fand reiche Nahrungbesonders im Backsteinbau, welcher durch die bei derFabrikation des Ziegels herstellbare Mehrfarbigkeit wie indem Schema des Verbandes zu einer mosaikartigen Behandlungder Mauerflächen einlud. — Aufserdem aber wirkteauf die eigeathümÜche Ausbildung der Backsteinarcbitekturgünstig, was auf den ersten Blick sie zu erschweren schien:die Schwierigkeit, ja Unmöghchkeit, das antike Fonnenschcmaim Backsteinbau durchzuführen. — Denn Säulen undhorizontale Gebälke ebenso wie Pilaster und korinthisirendeArchivolten vertrugen sich schlecht mit der Ziegelconstruction.— Man war daher von vorn herein auf ein unabhängigvon der antiken Tradition sich gestaltendes Formensystemangewiesen und sah sich so durch den Einfiufs desMaterials in neue Bahnen gewiesen. — Dies mag auch dieVeranlassung gewesen sein, dafs das Gothischc leichter imBacksteinban der oberitalischen Ebene Eingang fand undsich hier ganz besonders festsetzte. — Aber es war docheine ganz andere Gothik, als die, welche sich iu Frankreichentwickelt hatte, welche in Deutschland zur Blüthe kam. —Von der Symbolisirung des religiösen <strong>Sp</strong>iritualismus, der dieSinuesrichtung in den germanischen Ländern bezeichnet, kannbei der italienischen Gothik keine Rede sein; die gothischenFormen wurden nach ihrer kunstsymbolischen Bedeutung inItalien nicht verstanden, die Begeisterung für die zum Himmelstrebende, in den Wolken verschwindende, gleichsamsich selbst aushauchende Thurmpyramide blieb dem Italienerunverständlich, der die kirchlichen Formen und Ceremonienzwar aus alter Gewohnheit übt, sie auch wie ein altes Erbstückliebt und hochschätzt, aber mit dem Fliehen des Irdischenes nicht so ernst meint. — Die gütige Mutter Erdebietet dem Sohne des fruchtbaren Landes unter den glücklichstenklimatischen Verhältnissen so viel des frohen Genusses,ohne schwere Anstrengungen und Entbehrungen alsPreis ihrer Gaben zu verlangen, dafs er ein Bedürfnifs, sichin die Freuden eines erhofften Jenseits zu träumen, inmystischen Formen zu schwärmen, weder kennt noch versteht.— Die hohen über^chlanken Verhältnisse des gothischenKirchenschiffes harmonirten daher mit seiner Gemüthsstimmungebenso wenig, wie die Auflösung der Wände inmagisch durchleuchtete, in einem gehelmnifsvollen Zauber vonLicht und Aether schwimmende Glasbilder, — Er mag derschattenden Wände, des weitragenden Dachrandes nicht entbehren,er liebt eine Ausbildung der Bauformen, durchwelche das Bauwerk enger an die feste Erde gebunden,schärfer gegen Wolken und Himmel abgegrenzt erscheint.Hauptsächlich als Constructionsform kam der gothischeStyl nach Itahen, als eine besondere Form des gewölbtenLangschiffbaues, aber Plan und Aufbau mufsten sich baldden italienischen Bedürfnissen anbequemen. — Die engePfeilerstellung wurde erweitert, es entstanden breitränmigeHallen, die Kreuzung weitete sich zum Achteck aus und wurdedurch die hochragende Kuppel überspannt, welche auch imAeufsereu so dominirende Stellung gewann, dafs schlankeThürme, in Pyramiden endigend, neben ihr bedeutungsloserscheinen mufsten. — So gestalteten alle Verhältnisse sich26


403 R Neumtinn, Ueber den Backstein. 404breiter, die Horizontale gelangte wieder mehr zur Herrschaft,die <strong>Sp</strong>itzbogen werden breiter, nähern sich demHalbkreise, die Ziergiebel darüber enden in stumpferemWinkel, mit Vorliebe werden Nischen und Bogenöffnuugenin längeren Reihen angewandt, der ganze Bau erhält einmehr heiteres, weniger ernstfeierliches Gepräge. — Aufserdemwurde der gesammte symbolisirende Schmuck des nordisch-gothischenBaues mit seinen luftigen Fialenricscn undZiergiebeln, mit Schwebebögen und Bekrönuiigsgallericn,Kantcnblumen und Kreuzblumen nur in ganz -willkürlicher,decorativer Weise übertragen, als ein buntes, wirkungsvolles,änfscrliches Decorationsmittel behandelt; — man verstandoben den tieferen Sinn dieses ganzen Ausschmückungsapparatesnicht. ~ Trotz alledem üben aber die italicnisch-gothischenBauwerke eine durchaus wohlthuende Wirkung aus, und esliegt dies nicht zum Wenigsten darin, dals die italienischeGothik den festen Boden der Realität niemals unter sichverlor, dals sie vor den Ausschreitungen bewahrt blieb,welche tue vollständige Ausartung der nordischen Gotliik im15. Jahrhunderte herbeiführte. Auf den breiteren Wandflächenbehielten die Schwesterkünste, Plastik «nd Malerei,vollständig JRaum, sich frei zu entfalten, auch bei demgröfsesten, in verschwenderischer Fülle sieh ergehendenReichthumc der Decoration bleibt ihnen vollständig ihr Rechtgewahrt.Wenn diese Charakteristik die gesammte mittelalterlicheund speciell gothisircndc Baukunst Italiens kennzeichnet,so gilt sie doch ganz vorzugsweise für die Backsteinbauten,und es ist bemerkenswerth, dafs lüorbei der italienischenAuffassung der gothischen Bauweise die Eigeuthümlichkeitdes Materials gcwissermaafsen entgegenkommt. —- Bereitsbei Betrachtung der norddeutschen gothischen Ziegelbautenwurde darauf hingewiesen, wie der Ziegelbau aus constructivenRücksichten zur Beibehaltung gröfserer Mauerfiächcn,zum stärkeren Hervorheben der Horizontallinien, zum Vermeidender luftigen Durchbrechungen Veranlassung gab. —Aehnlichc Forderungen wurden an die italienische Bauweisegestellt, aber nicht vorzugsweise aus constructiven Veranlassungen(denn der mildere italienische Winter wirkt vielweniger zerstörend), sondern weil Gewohnheit «nd Herkommenes so verlaugten, weil eine derartige Baugcstaltung derGewohnheit, dem Herkommen, der allgemeinen Emptindungdes Volkes entsprach, nicht blos an Backsteinbauten, sondernüberhaupt an allen Bauwerken. — So wirkten verschiedeneUrsachen bei ganz verschiedener Sinnesart der Völkerauf ähnliche Auffassungen in der Kuustgcstaltnng hin. —Einige andere Umstände traten aber noch hinzu, um dieitalienische Weise des Backsteinbaues formenreicher undbelebter zu gestalten. — Es ist dies zunächst die grüfscroGunst des Klimas, welche die Beschränkung auf die kleinenFormen des Vollziegels nicht zur NothwendigUeit machte,sondern die Anwendung hohl geformter Baustücke gestattete.— Wenn man in Bezug auf die Gröfse der einzelnen Baustückedabei immerhin auch noch vielen Beschränkungenunterworfen blieb, so trat die gesammte Formengebung derjenigenaus Haustein doch näher, der Umkreis der herstellbarenFormen wurde bedeutend erweitert, die Phantasie desArchitekten konnte sich in freieren Bahnen bewegen, sahsich weniger eingeschränkt in die Fesseln eines enge Grenzenziehenden Materials.Ein anderer günstig wirkender Umstand ist mehr ideellerNatur; es ist der angeborene Kunst- und Formensinn desItalieners, das Erbtheil des Blutes aus einer untergegangenenEpoche, welches den Enkeln geblieben war, welchesdie Hand des werktbätigen Künstlers führte und in jedemEinzelnen des Volkes sich als Freude an der schönen Formkundgab.Unter diesen Einflüssen, zu denen noch hinzutrat, dal'sdas Volk durch das Anschauen der antiken Bauroste an denAnblick schöner Formen gewühnt war und daraus eine uiibewufstcReife dos Urtheils schöpfte, bildete sich eine Baoksteinarchitekturvon höchster Feinheit und von höchstemReicbthum aus. Kirchliche und Profanarchitektur sind inItalien niemals so streng gesondert gewesen, wie im germanischenNorden, dieselben Formen wurden an Kirchen,wie an Staatsgebäuden und Privatpalästen verwendet, vorzugsweiseaber blühte die Backsteinarchitektur au den städtischen,öffentlichen und Privatgebäuden. — Das bildsameilaterial führte zu einer Lebendigkeit und zu einem Reicbthumder Formen, die man in der Steinarchitektur nichtkannte, die Bogenlaibungen der Thüreu und Fenster, wiezahlreicher Figurennischen, die Friese und Gesimse tretenin einer bewunderuswerthen Feinheit und Zierlichkeit, Viclgcstaltigkeitund üoppigkeit auf, welche durch die im Materialoliegende Xothwendigkeit, die Grofse der Einzelformenin gewissen Grenzen zu halten, nur noch gesteigert wurde.— Manche Palastfa^aden und Säulenhefe wirken geradezuberauschend; ihren Werth erkannten und verstanden dieItaliener wohl, sie waren stolz auf ihre Werke und rühmtensie laut vor aller Welt, ehrten und rühmten ebensodie Künstler, welche sie geschalfen hatten.Die gothische Weise hatte im Backsteinbau so festenFufs gefafst, dals, als von Florenz aus mit Brunelleschi'sgrofser That die gewaltige Umwälzung der Renaissance ausgingund bald ganz Italien ergriff, die Backsteingegendenlange und hartnäckig widerstanden, indem sie an ihrergothischen Weise mit grofser Zähigkeit festhielten.Dies mag indessen auch dadurch begründet gewesensein, dafs die Renaissance bei ihrem ersten Auftreten sichin so wuchtige, schwere Formen kleidete, dafs nur derHaustein, nicht aber der Backstein ihr folgen konnte. —Aber gleichzeitig mit dem Erwachen der neuen Kunst - undBauweise begab sich eine vollständige Umwandelung allerLebensformen; dieser vermochte auf die Dauer Mchts zuwiderstehen, auch der Backsteinbau nicht, und derselbe übteschliefslich seinerseits eine sehr wesentliche und wohlthuendeRückwirkung auf die Formenbilduug der Architektur aus.Ein wesentliches Moment in der Architektur der Renaissancebestand in der Wiederbelebung der antiken Formen,in der strengen und ansschliefslichen Anwendung derselbenunter bewufster Verzichtlcistung auf eigene Erfindung neuerBildungen. Denn die Schönheit der antiken Formen galtals eine so absolute, war so allgemein anerkannt, dafs dieeigene Erfindung von Schönerem und Besserem für unmöglicherachtet wurde. — Da man aber für das moderne Bedürfnifsnicht antike Gebäude in ihrer Gesammtgestaitungreprodnciren konnte, so mufste man sich darauf beschränken,das alte Formenschema den neuen Raumbedürfnissen


405 K. Nenmann, lieber den Backstein. 406anzupassen. — Da nun aber das Backsteinmaterial einertreuen Nachbildung der antiken Formen die gröfsten Schwierigkeitenentgegenstellt — wie dies weiter unten näherentwickelt werden soll, — so ist die Scheu, auch die Formenbildungder Backstoingesimse in die Fesseln des Schemasder antiken Säulenordniingeu zu zwängen, wohl sehr erklärlicli-Nachdem aber der Versuch erst einmal gemacht war,auch für den Backsteinbau die strengeren antiken Formenin Anwendung zu bringen, da gestalteten die Umstände sichbald anders. — Denn in wie geistvoller Weise, mit welch'feinem Sinne die Umdeutung der antiken Schemata für dieneuen Bedüifnisse auch vielfältig bewirkt worden ist, —wie viel Neues und Originales trotz der Selbstboschränkungin Bezug auf Formenerfindung auch geschaffen wurde, soblieb doch mit dieser Methode immer die Gefalir verbunden,in ein mecbaniscbes, geistloses Copiron der antiken Säulenordnungenzu verfallen, insbesondere, da man deren innereBedeutung nicht verstand, vielmehr nur die daran haftendeFormenschönhoit, wie die edlen Verhältnisse empfand undbewunderte. — Ueber diese Gefahr aber hob wieder dieBacksteinarehitektur hinweg. Indem sie eine stricto Nachbildungder antiken Formen und Verhältnisse eben nichtgestattete, veranlafste sie den Architekten, von der strengenformalen Regel der Schule abzuweichen, eigener Erfindungwieder gröfseren Kaum zu geben und danach zu streben, imGeiste der antiken Formenbildung, nicht nach deren todtemSchema zu arbeiten. — Nun bethätigten sich gerade die geistvollstenund strebsamsten Architekten gern im Backsteinbau,und es entstanden die herrlichsten Werke, durch und durchgesättigt in Schünheit der Verhältnisse, in Keichthum derErfindung, im Schwünge der Begeisterung, — Es darf nuran die Backsteinhöfe der Certosa bei Pavia, an Klosterhöfein Mailand, Bologna, Ferrara u. s. w. erinnert werden. Diefeinen, zierlichen Formen des Backsteinbaues, die als Repräsentantenweiblicher Anmuth und Zartheit gelten können,übten sodann auf die fernere Ausbildung der Renaissance -Architektur überhaupt noch einen weiteren, bedeutungsvollenEinflufs aus, — Sie standen in vollem Gegensätze zu demvon Florenz ausgegangenen Bausysteme, welches in derRustica-Fa^'ade mit ihrer gewaltigen, grofsartigen Einfachheitdie höchste, stolzeste Manneswürde darstellt. — Zwischenbeiden Extremen mufste eine Vermittelung gesuchtwerden — wie im Alterthum zwischen ionischer und dorischerBauweise — und sie wurde gefunden. — Der grüfsesteMeister der Renaissance-Architektur, Bramante, verlebteseine Jugendzeit m den Gegenden, welche vorherrschend denPJacksteinbau cultivirten; er erwuchs zum Meister in derUebung der Backsteinbauformen und er componirte Anfangsvorzugsweise für Backsteinbau. — Die zierlichen, feinen,reinen Formen dieser Bauweise, welche ihm geläufig waren,wirkten fort und halfen die Formen schaffen, welche durchBramante's Beispiel mustergültig wurden, als er, nach Romübergesiedelt, seine Ki-aft den höchsten Aufgaben widmendurfte, welche einem Architekten je gestellt wurden. —Auf diesem Wege übte die Backsteinarehitektur einen bedeutendenEinflufs auf die architektonische Composition überhauptans und wurde auch für die Architektur in Stein zueinem wesentlich mitwirkenden Elemente, um die architektonischeProdaction zur vollendet schönen Erscheinung znführen.g. Die Backsteinarehitektur der Neuzeit.Die Cultur und Kunst der Renaissance, welche imlöten Jahrhunderte in Italien aufblühte und in glänzendemTriumphzuge durch die ganze gebildete Welt wanderte, hatWährend dreier Jahrhunderte ihren Kreislauf räumlich undjseitlieh vollendet. — Aus den Anschauungen und Gedanken,auf welchen sie beruhte, wurde eine reiche Fülle des Neuen,Tüchtigen und Schonen geschaffen; aber zahlreiche Verirrungenlegen ebenso auch Zeugnifs davon ab, dafs der Gedanken-und Ideenkreis, aus welchem diese neue Culturentwickelungerwachsen war, bei "Weitem noch nicht dievolle Wahrheit erfafst hatte.Eine neue Welt ist seitdem ei'standen, das ganze Lebenist grüfser und weiter geworden, aber es ist derselbe Geistder Freiheit, welcher jetzt wie damals wirkte. — Damalsergriff er nur die bevorzugte Klasse der Gebildeten, gegenwärtigdurchdringt er völlig die Völker. — Im gesammtenLeben wiederholen sich die Vorgänge jener Zeit aber inweiterer Ausdehnung und in intensiverer Weise. — Auchdie Kunst ist eine Kunst der Renaissance geblieben.Ebenso kräftig, wie vor 400 Jahren, wirken heute Kunstund Leben des klassischen Altorthums auf unsere Kunst undunser Leben ein. Aber das Yerständnifs Beider hat sichganz anders, tiefer und freier gestaltet. — Das Studium derKunstwerke des Alterthums hat uns die Schönheit der hellenischenPlastik und Architektur erschlossen, währenddiese dem 15. und 16. Jahrhunderte unverständlich gebliebenwar. Jetzt erst haben sich unserer Erkenntnifs diePforten der reinen, der absoluten Schönheit aufgethan, undgesättigt mit diesen Anschauungen ist unsere Zeit an dieGestaltung einer neuen Kunst der Renaissance gegangen,deren Aufgaben weiter, deren Ziele höher sind, als die deritalienischen Renaissance, so viel gröfser und höher, als dieZiele unserer gesammten modernen Cultur diejenigen derCultur im 15. und 16. Jahrhunderte überragen.Die Architektur ist unter den Schwesterkünsteu nichtzurückgeblieben, aber ihr Weg ist der weiteste, ihre Aufgabewohl die schwierigste, denn in ihr sind die durch Traditionüberkommenen und nothwendig zu vermittelndenGegensätite am gröfsesten. Sowohl die hellenischen, als diegothischen Formen waren in den Bereich ihrer Thätigkeitzu ziehen, die Vorstufe des Eklokticismus, welche der freienNeuschöpfung unvermeidbar vorhergeht, wurde deshalb weitausgedehnt und dauert noch fort. — In ihr nimmt der Backsteinbaueine wichtige Stelle ein, ja er ist von vielen feinsinnigenund schaffensfreudigen Architekten bevorzugt worden5 sie fanden einen besonderen Reiz darin, in diesemMateriale zu arbeiten, weiches, wie weiterhin näher begründetwerden soll, eine von der hergebrachten Regelabweichende Formenbehandlung für sich fordert, — Was inOberitalien an manchen Stellen der Ortsstolz und die Ruhmessachtder Städte bewirkte, das Festhalten an einemkünstlerisch schwieriger zu behandelnden Materiale, auchohne äüfsere Nöthigung, das thut in unseren [Tagen vielfachdas liebevolle Versenken des Künstlers in die ihm gewordeneAufgabe.Schinkel wurde auch für den Backsteinbau der Bahnbrecherund der Führer auf neuen, noch wenig betretenenWegen. — Mit der Bauschule in Berlin begann er den Bei-26*


407 K. Neumann, Ueber den Backstein. 408gen der Backsteingebäude und legte in diesem Bauwerkeseine künstlerischen Anschauungen über das Weseu desBacksteinbaues nieder, — Er schuf ein IMusterwerk, in derConstruction sowohl wie in ornamentaler Durchbildung, einWerk von höchster Würde als Ausgangspunkt für eine neuePhase der Entwickelung, welcher wir nunmehr im <strong>Sp</strong>cciellenzu folgen haben.Und diese neue Phase der Entwickelung ist eingetreten.— Der Aufschwung, welcher sich im gesammteu Leben dereuropäischen Völker kundgiebt, bothätigt sich ebenfalls aufdem Felde der Architektur, und auf diesem treibt auch dieBacksteinarchitektur von Jalir zu Jahr neue und schönereBlüthon. — Auffälligerweise beschränkt sich der Backsteinbaunicht auf die steinarmen Flachländer, denen der Ziegeldas einzige von der Xatur gebotene Baumaterial ist, sonderner steigt hinauf in die von Felsen umgebenen Thäler, insolche Gegenden, welche guten Werkstein ohne Schwierigkeitin der Nähe zu gewinnen und herbeizuführen gestatten,es darf hierbei nur an Wien, München, Hannover, Wiesbadenerinnert werden. — Freilich sehen wir, begünstigtdurch das weitverzweigte Neti der Eisenbahnen, auch denHausteinbau sich weiter verbreiten, als ehedem, sehen Hausteinfagadenin Berlin, Hamburg etc, erstehen, — dafüraber unterstützt der erleichterte Transport ebeasowohl wiederdie Backsteinfabrikation, indem die vorzüglichsten Productederselben in weiter Entfernung von den Thonlagern Verwendungfinden. — Auch die Fabrikation der Backsteinewie die Verwendungsweise derselben hat bedeutende Fortschrittegemacht und geht weiterer Vollendung entgegen. —Die Backsteine und Baustücke aus gebranntem Thone werdenwetterbeständiger, schärfer und reiner in den Formen,klarer und gleichmäfsiger in der Farbe hergestellt, manwird der Farbe selbst mehr und mehr Herr; ebenso gelingtes, gröfscre Stücke mit Sicherheit herzustellen.Die Art der Verwendung ist eine mannichfaltigere geworden;erscheinen bei einem Bau nur die Wandflächon mitilufserst sauber bearbeiteten Ziegeln ausgesetzt, währendGesimse, Einrahmungen der Oeffnungen, Säulen, Pilasteraus Haustein bestehen, — so zeigen andere Bauausführungenvollständig durchgeführte Baeksteinarchitektur entwedermit consequenter Beibehaltung des VoUziegols auch für dieArchitekturgliederungen oder unter reichlicher Anwendunghohler Baustücke. — Auf den Wechsel der Farben mit oderohne Unterstützung glasirter Oberflächen wird besondererWerth gelegt, selbst bis zu vollständiger Inkrustation mitfarbigen Thonplatten ist mau vorgegangen.Welchen von diesen Wegen man einzuschlagen habe,darüber sind die Meinungen noch getheilt und schroff stehensich in manchen Dingen die Ansichten gegenüber. — DerEine legt das Hauptgewicht auf die materiellen Eigenschaftendes Backsteines, welche die Construction des Bauwerksvorzugsweise bedingen, er sucht in den Kunstformen eineideale Darstellung der Backsteinconstructionen zu gebenund erachtet damit die künstlerische Aufgabe des Architektenim Ailgemeinea für abgeschlossen. — Der Andere glaubtmit dem Backsteine gleiche, ja dieselben Wirkungen hervorbringenzu können, wie mit der Architektur in Stein, erimitirt einen Hausteinban in Backstein, soweit es gehen will,wenn er auch dem Materiale Zwang anthun mufs. — Aufweicher Seite die Wahrheit liege, darüber steht die Entscheidungnoch oifen und mufs gesucht werden. Und wennim Folgenden der Versuch gemacht wird, einige Fingerzeigezu geben, welche auf den richtigen Wog hinweisen, dessenBetreten allein zu einer gedeihlichen Weiterentwickoluiigunseres gesammten <strong>Bauwesen</strong>s nach seiner künstlerischenSeite hin führen kann, so wird dabei freilich immerhin dieNachsicht der Fachgenossen in Anspruch genommen werdenmüssen; — aber es dürften solche Betrachtungen dochwesentlich dazu beitragen, die Standpunkte der einzelnenParteien klar zu stellen, den Wog zu Erreichung des wahrenZieles, nach welchem Alle hinstreben, abzukürzen undebenso vor Irrwegen zu bewahren, — Andere mögen demVerfasser nachfolgen, widerlegend und berichtigend, oderergänzend und bestätigend. — In unserem denkendonJahrhundert, in welchem auch die Kunst, nicht mehr blosgenialen Intuitionen folgend, instinctiv das Rechte erfaCst,sondern aus dem freien Bewnlstsein des Künstlers herausdas Wahre und Schöne gestaltet, darf die kritische Betrachtungnicht darauf beschränkt werden, vergangene und vollendeteThatsachen zu beurtheilen, sondern sie darf das Rechtbeanspruchen, an den grol'sen Werken der Gregenwart, wennauch nur mittelbar, gestaltend mitzuschaffen.4. Die technische Herstcllnng' des Backsteins.Bevor jedoch dieses Thema weiterer Erörterung unterzogenwird, erscheint es nothwendig, die technische Grundlagedes Backsteinbaues schärfer ins Auge zu fassen, zuzusehen,wie Ziegel und namentlich Formsteine aus gebranntemThon hergestellt werden, welche Schwierigkeiten die bezüglicheTechnik verursacht, Avelche Vortheile im Gegensatzezu anderen Baumaterialien aus der Anwendung des Backsteineserwachsen. — Auf dieser Grundlage werden dannmanche, scheinbar davon weitab liegende Fragen sich beantwortenlassen, denn die Gebiete der Kunst und der Technikgreifen in der Architektur eng in einander, sie bedingenund erklären sich gegenseitig.Nicht soll hier ein Abrifs der Ziegelfabrikation gegebenwerden, aber die wichtigsten Beziehungen zur Herstellungsweiseder eigenartig geformten Backsteine, wie der gröfserensogenannten Baustücke sollen uns beschäftigen. Denn aufder Herstellung dieser Producte beruht wesentlich der Backsteinbau,sobald er nicht blofse Mauermasson herstellt, sondernarchitektonische Formen dem Auge bieten will, welchesich nicht aus gewöhnlichen Ziegeln herstellen lassen. —Die Operationen, welche hier besprochen werden sollen,gehören theils der Ziegelei, theils der Töpferei an oder sindauch als eine Technik zu bezeichnen, welche zwischen Ziegeleiund Töpferei in der Mitte steht, aufserdem aber, überbeide hinausgreifend, ein eigenes Gebiet, das der Plastikin gebranntem Thon, darstellt. — Es sind dabei drei verschiedeneOperationen zu betrachten: die Zubereitungdes Thones, das Formen desselben und das Brennen derThonwaaren.a. Die Zubereitung des Thones.Zur Herstellung gewöhnlicher Ziegel mufs der Thonbekanntlich soweit zubereitet werden j dafs die Haupteigenschaftdesselben, die Plasticität, auf welcher seine Verwendbarkeitberuht, zur vollen Geltung kommt. — Es mufsdaher ein Aufweichen des Thones und ein Reinigen desselben


409 R Neumann, Ueber den Backstein. 410von fremden Bestaudtbeilen den übrigen Operationen vorangehen.—• Dasselbe geschieht für Formsteine und Baustücke,aber nicht joder Thon, welcher sich sehr wohl noch zurZiegelfabrikation eignet, kann für Formsteine (wie wir diefeineren Producte, um die es sich hier handelt, kurzweg inihrer Cresammtheit nennen wollen) jeder Art gebraucht werden,vielmehr murs In Bezug auf die Thonsorten eine sorgfältigeAuswahl getroifen werden.Die Plasticität ist eine besondere Eigenschaft gewisserKörper, deren Aggregatszustand gewissermaafsen die Mittehält zwischen dem festen und flüssigen Zustande, PlastischeKörper lassen sich durch mäfsigen Druck in bestimmte Formenbringen und behalten diese nach dem Aufboren desDruckes bei, die Plasticität ist somit das gerade Gegentbeilder Elasticität — Sie zeigt sich vorzugsweise ausgebildetam feuchten Thone und verliert sich, sobald der Thon ausgetrocknetund fest geworden ist. — Bei dem Austrocknentritt eine andere Eigenthümlichkeit hervor: durch das Verdunstendes Wassers wird eine Volumverminderung der Thonmasseherbeigeführt, der Thonkorper schwindet, wirdkleiner. — Dieses Schwinden muls bei der Herstellungvon Thonkörpern berücksichtigt werden, es führt, wenn esregelmäfsig und an allen Stellen gleich schnell stattfindet,nur eine Verkleinerung des Productes herbei, ohne dafs dieVerhältnisse der Form verändert würden. — Geht aber dieGleichmäfsigkeit des Schwindens aus irgend einer Ursacheverloren, so entstehen an einzelnen Stellen des geformtenKörpers Oohäsionsspannungen, welche, wenn in geringeremMaafse vorhanden, ein Verziehen, Schiefwerden, Werfender Form bewirken, wenn in höherem ]VIaafse eintretend,den Zusammenbang vollständig lösen, ein Reifsen an einzelnenStellen herbeiführen. — Das Schwinden mufs dieTechnik beherrschen, das Werfen und Beifsen mufs sie vermeiden.— Zu bemerken ist dabei noch, dafs das Schwindennicht mit dem Austrocknen an der Luft aufhört, sondernsich auch noch während des Brennens fortsetzt, Werfen undReifsen daher auch während des Brandes noch eintretenkönnen.Mit Rücksicht auf die Plasticität unterscheiden wirfette oder lange Thone im Gegensatze zu den magerenund kurzen Thonen. — Zwischen den Begriffen von fett undlang existirt in dieser Anwendung wohl kaum ein Unterschied;beide Ausdrücke bezeichnen einen hohen Grad vonPlasticität. ^ Solche Thone lassen sich mit der Hand sehrleicht verarbeiten; wie denn auch der Modellirthon desBildhauers immer ein sehr fetter Thon sein mufs, — Aberfetto Thone schwinden sehr stark und zeigen grofse Neigungzum Werfen und Reifsen; sie sind daher für Gegenstände,welche gtrocknet und gebrannt werden sollen, nicht wohlohne Weiteres zu brauchen. — Die Plasticität wird herabgesetztdurch Beimischung nicht thoniger Substanzen unddieses Mittel bringt mau allgemein in Anwendung, um dasstarke Schwinden zu verringern. — Aber auch in der Naturkommen Thone mit solchen Beimischungen sehr zahlreichvor, und man nennt solche Thone, deren unplastische Beimischungkörniger Natur ist, magere Thone, die Beimischungselbst aber Magerungsmittel. — Die Zusammensetzungaus fettem Thon und unplastischer Substanzkann selbstredend in jedem beliebigen Mischungsverhältnissestattfinden und so weit gehen, dafs die Plasticität ganz undgar verschwindet. — Ein sehr magerer Thon kann immernoch soviel Plasticität besitzen, um sich in die einfach parailelepipedischeForm des Ziegels bringen zu lassen, kann auchunter Umständen noch einen recht guten Ziegel geben, besonderswenn die magernde Substanz leicht schmelzbar ist,aber für Hohlkörper von einiger Gröfse braucht die Massemehr Fettigkeit des Thones, um die gegebene Form währenddes Trocknens festhalten zu können. — Im Uebrigenwirkt eine gewisse Magerung vortheilhaft. Durch die Beimischungkörniger, fester Stoffe wird die Thonmasse porösund trocknet schneller aus; der fette Thon füllt nur dieZwischenräume, indem or wie ein Kitt die einzelnen Körnerzusammenhält. — Die letzteren sind dem Schwinden nichtunterworfen und durch ihr Dazwischentreten wird auch dieplastische Thonmasse verhindert, sich während des Trocknensstark zusammen zu ziehen, indem die Reibung an den festenKörnchen dem Schwinden entgegenwirkt.Die Plasticität des Thones wird ferner herabgesetztdurch Beimischung feinerdiger, staubförmiger Substanzen,und solche Thone nennt man kurz. — Substanzen, derenBeimischung den Thon kurz macht, sind Mergel, Mineralstaub,Schluff, Formsaud; und Thone mit derartigen Beimischungenkommen aufgerordentlich häufig vor. — Dieselbenbieten in der Verwendung viel mehr Schwierigkeiten, als diemageren Thone. Der Mangel an Plasticität zeigt sich wonigerbei der Operation des Formens, — denn feinerdigeSubstanzen, wie Formsand, besitzen im feuchten Zustande ansich schon eine gewisse Plasticität, — aber beim Trocknentreten die Nachtheile um so stärker ein. — Hiorbci zeigendie kurzen Thone ebenso wie die fetten, grofse Neigungzum Reifsen, und diese Gleichheit des äufscrcu Verhaltensbei bedeutender innerer Verschiedenheit mag auffällig erscheinen, ist indessen wohl erklärbar. — Während in den fettenThonen der Zusammenhang der Molekülo ein sehr starkerist, wird gleichzeitig durch die Feinheit derselben eine sehrdicht geschlossene Masse und Oberfläche hergestellt. — DieAustrocknung geht deshalb sehr langsam vor sich, d. h, dieVerdunstung des Wassers aus dem Innern folgt nur sehrzögernd der an der Oberfläche; da aber mit der Verdunstungeine starke Volumverminderung verbunden ist, entstehenstarke <strong>Sp</strong>annungen an der Oberfläche, welche beifortgesetztem Austrocknen die Trennung derselben an einzelnenStellen herbeiführen. In kurzen Thonen schreitet dasVerdunsten des Wassers von der Oberfläche nach Innenwegen der gröfseren Porosität der Masse zwar rascher vorund es entstehen keine so grofeen <strong>Sp</strong>annungsunterschiede,aber der Zusammenhang der Molekülo ist ein viel geringerer,als in den fetten Thonen. — Obgleich die fette Thonmasseaucli zwischen den feinen Staubkörperchen als Kittwirkt, so ist sie doch in sehr kurzen Thonen nicht in ausreichenderMenge vorhanden, um all die zahllosen Zwischenräumeauszufüllen, es bleiben vielmehr viele derselben unansgefölltund nur so lange, als das beigemischte Wasser dieStelle des Kittes vertritt, findet Zusammenhang statt; sobalddas Wasser verdunstet ist, hört der Zusammenhalt auf.Deshalb bewirken in kurzen Thonen geringere Cohäsionsspannungenschon das Reifsen der Wandungen namentlichgröfserer Hohlkörper. — Kurze Thone eignen sieh deshalbhäufig zu gewöhnlichen Ziegeln noch sehr gut und gebennamentlich dann, wenn ihr Schmelzpunkt nicht hoch liegt,


411 R Keumami, Ueber den Backstein. 412oft vorzügliche Klinker, lassen sich im Uebrigcn aber schwerverarbeiten, und eignen sich 7.\i gröfsereu Formstücken umso weniger, als die Natur derselben sich nicht wohl ändernläfst. — Denn fette Thoiie kann man durch Beimischungkömiger Substanzen magern; magere Tbone können durchSchlämmen von einem Theile der unplastischen Beimischungbefreit und fetter gemacht werden; die äufscrst feine unplastischeBeimischung der kurzen Thone aber läfst sich durchSchlämmen nur in sehr unYolJständiger Weise entfernen,und andere Mittel zu solchem Zwecke besitzen wir zur Zeitnicht, wenigstens nicht für die Anwendung in grofsem Maal'sstabe.— Die Ausdrücke fett und mager sind von demähnlichen Gefühle entnommen, welches solche Thone in dertastenden Hand verursachen; die Bezeichnungen lang undkurz aber sind aus der Wahrnehmung entstanden, dafs einStück zu plastischer Consistcnz angefeuchteten und durchgeknetetenThones, wurstförmig ausgerollt, sich zu einergewissen Länge dehnen läfst, bevor es abreifst, wenn derThon lang, dafs es kurz abbricht, wenn der Thon kurz ist.Im Uebrigen mufö noch hinzugefügt werden, dafs dieEigenschaft des Kurzen nicht bei allen Thonen Folge derBeimischung feinerdiger unplastischer Substanzen ist, sondernauch andere Ursachen haben kann. — So gehört die Porzellanerdezu den kurzen Tbonen, obwohl sie gleichzeitigeine der reinsten Thonarten ist. — Es scheint, dafs auchein zu geringer Gehalt an chemisch gebundenem Wasser dieThone kurz macht, womit es übereinstimmt, dafs der gebrannteThon, d. h. solcher Thon, welcher durch Glühhitzedes Hydratwassers beraubt worden ist, auch nach der weitgehendstenZerkleinerung die frühere Plasticitat niemals wiedererlangt, sondern völlig unplastiach bleibt. Der Thon,welcher zu feineren Gegenständen verarbeitet werden soll,braucht nicht chemisch rein zu sein, und in der That findensieh ganz reine Thone nur selten, - Sie sind dann stetsvon weifser Farbe und sehr feuerbeständig. Diese Thonewerden zu den feinsten keramischen Producten verarbeitet,zu Porzellan, Steingut etc., sind aber viel zu kostbar, umdas Material für Backsteine herzugeben. — Weitaus diegröfseste Masse der in der Natur vorkommenden Thone istmit fremdartigen Substanzen vermischt, welche das Verhaltendes Thones nach verschiedenen Bichtungen bin ändern.—- Wie die Plasticität dadurch modificirt wird, ist bereitsgezeigt, aber auch die Schmelzbarkeit und die Farbe erleidendadurch Veränderungen, auf welche weiterhin nähereingegangen werden soll. — Hier möge nur darauf hingewiesenwerden, dafs in dem zu verarbeitenden Thone keinegröfseren festen Körper enthalten sein dürfen, weder erhärteteThonstücke noch Steine, noch erdige Substanzen inStücken. — Diese hindern oder erschweren die Formgebung,sie verursachen Üngleichmäfsigkeit im Schwinden, oder siewirken im Brennen nachtheilig, indem sie in der Glut sichzu stark ausdehnen und während des Glühens oder beim Abkühlenzerspringen, — sie beeinträchtigen endlich die Wetterfestigkeit,wie Kalk, Gyps n. s. w. — Ist der Thon daherunrein, so mufs er vor der Verwendung gereinigt oder inanderer Weise vorbereitet werden. — Ist er fett und enthältviele Steinstücke, Quarz, Eisenoxydstücke etc., so genügtes häufig, ihn durch Walzen gehen zu lassen, welche dieSteine zerdrücken, so dafs sie iu diesem Zustande ein unschädliches,ja sogar nützliches Magerungsmittel abgeben. —Meistens jedoch mufs man zu dem Mittel dos Schlämmensgreifen. Aber diese Operation braucht in vielen Fällen nichtmit solcher Sorgfalt durchgeführt zu werden, wie in derPorzellanmanufactur. — Sehr häufig genügt es, gröbere Körper,wie Wurzeln, Steine, Eisensteinstücko, Mergelknotenetc. zu entfernen; dann ist nur ein Auflösen des Thones inWasser und Durchtreiben durch ein Sieb erforderlich, nichtaber das Abscheiden sandiger Beimischungen auf langem,langsam zu durchlaufendem Wege, — denn die sandigenBestandtheile, welche durch solches Schlämmen entfernt werden,sind oft als Beimischung der Thonmasse erwünscht. —Um in dem rohen, gegrabenen Thone die Plasticität zu vollerGeltung zu bringen, mufs derselbe zunächst eingesumpftwerden, d. h. er erhält einen Zusatz von Wasser, dessenWirkung er eine Zeitlang ausgesetzt bleibt, — Durch Tretenund Schlagen wird Gleichmärsigkeit der Masse herbeigeführt.Sehr häufig aber kommt der Thon nur in Zusammensetzungmit anderen Thonsorten, sowie unter Zuschlag von Magerungsmittelnzur Verwendung, und solche Mischungen sinderforderlich, theils um die Plasticität zu corrigiren, theilsum der gebrannten Masse eine bestimmte Färbung zu geben,theils um die Schmelzbarkcit zu regeln. — Dann genügtein blofscs Treten und Schlagen nicht, es müssen kräftigerund schneller wirkende Mittel in Anwendung gebracht werdenund diese besitzen wir in den Walzen und in den mitschraubenförmig gestellten Messern versehenen Thonschneidem,Maschinerien, welche bedeutende Kraft erfordern unddaher gewöhnhch mit Dampf betrieben werden, — Dieselbenbewirken, wenn sie gut construirt sind und einander zweckmäCsigunterstützen, eine sehr innige Mischung der verschiedenenSubstanzen, Die Wal>;en, mittelst deren man denThon in fast papierdtinne Blätter pressen kann, sind namentlichfür ungeschtämmte Thone unentbehrlich, da sie allegröberen Körper zerdrücken, während in den Thonschneiderndie Mischung selbst vollzogen wird- — Die Magerungszüsätzebestehen gewöhnlich aus scharfkörnigem Sande, zermahlenenSteinen (Quarz, Granit, Porphyr etc.), oder ambesten aus den ztermahlenen Scherben scharfgebrannten Thonesderselben Art.Sehr vortheiJhaft ist es, den so zubereiteten Thon vorder Verwendung noch längere Zeit im Thonkeller liegen zulassen. — Er wird dadurch für den Former leichter verwendbar, wird zarter, feiner und die geformten Stückeerhalten eine glattere Oberfläche, auch ist das Verhaltensolchen Thones während des Trocknens ein günstigeres, diePlasticität erscheint im Allgemeinen gesteigert, indem durchdas längere Liegen im feuchten Zustande alle einzelnenTheilchen vollständig aufgelöst werden.Die Zubereitung dos Thones unterscheidet sich von derzur Ziegelei und der zur Töpferei nicht wesentlich; im Allgemeinenmufs sie sorgfältiger geschehen wie für die Ziegelfabrikationund zeigt gegenüber der eigentlichen Töpfereidie Besonderheit des Zusatzes körniger, unplastischer Massen.— Gröfser zeigen sich die Unterschiede bei dem Formendes Thones.(Fortsetsung folgt.)


413 "W". Ritter, Nachtrag zu „Versteifungsfachwerke bei Bogen- und Hängebrücken." 414Nachtrag zu „ Versteifungsfachwerke bei Bogen- und Haügebrücken".In der Abhandlung über „Versteifungstachwerke" aufSeite 189 a. f. dieses Jahrgangs haben wir die Curven der Maximalmomenteund der Maximalkräfte entwickelt, nach welchensich die Dimensionen eines versteifenden Fachwerkes horechuenlassen. Dabei wurde, wie am Beginn von Nr. 2 gesagtist, vorausgesetzt, dai's die Auflager des Bogens centrirtseien, mit anderen Worten- dafs die Reactionen des Bogensstets durch feste Punkte gehen. Die eigcnthümlicheu Beziehungenzwischen Bogen und versteifendem Balken, welchesich aus unseren dortigen Entwickeluugen ergaben, geltenaber, wie leicht zu erkennen ist, auch ebenso gut, wenn dieAuflager des Bogens flach oder fest sind; und wir erlaubenuns, im Nachstehenden als Ergänzung zu obiger Arbeitauch die Curven der Maximalmomente und -Kräfte mitzutheilen,welche bei flachem oder festem Bogenauflagor eintreten.Wh- beschränken uns dabei auf die jVlittheilung derEndergebnisse und übergehen die etwas umständliche Ableitungder Formeln.iFi^J.Fig. 1 stellt den Verlauf der Momente, Fig. 2 denjenigender Transversalkräftc dar, welchen der Bogen mit festemAuflager ausgesetzt ist, und welche, gcmüls unseren früherenBetrachtungen, der versteifende Balken ganz oder zum Theilaufnimmt, je nachdem das Trägheitsmoment des Bogenquerschuittsgegenüber demjenigen des Balkenquerschnitts verschwindendklein oder merkbar grofs ist.Das gröfstc Moment ti'itt am Auflager auf und igt gleichÜ.Qggi • ql^ (worin q die zufällige Belastung pro Längeneinheitund l die halbe <strong>Sp</strong>annweite bezeichnet). Um 0,42 i ^omScheitel entfernt befindet sich der Maximalwerth gleich0)0371 • 2^^•> i"^ Scheitel der Minimalwerth gleich O^^^^^-ql^,Zum Vergleich haben wir die Curvc, Avelche sich beim Bogenmit centrirtem Auflager ergab, punktirt hinzugefügt.Die gröfate Transversalki'aft findet ebenfalls im Auflagerstatt und beträgt 0.,^^^^-ql^ das Maximum im Scheitelpunktehat zur Ordinate Oj^gj^-g-/. Aach hier weist diepunktirte Curve die früher entwickelten Werthe für ceutrirteAuflager auf.Die genauen Ordinatenwerthe beider Curven sind fürvon der Mitte aus gemessene Abscissen in folgender Tabellezusammengestellt:^x:l0,00,J0,20,30,40,.^0,t!0,70,8O.y1,0Momunte0,02150,02320,0 2 830,03410,03710,03.=>fi0,0ai)30,018 LOjOißß0,05600,0691KräfteF:ql0,1880,1020,1660,1450,13 60,1420,1«+0,2 oi0,2530,3130,.^i).'iFi ff.5,Vergleicht man in vorliegenden Figuren die Curven fürflache Auflager mit denjenigen, welche sich für centrirteergehen haben, so findet man, dafs die Momente bei ersterenim Durchschnitt Isleiner sind als bei letzteren, dafs aberbezüglich der Kräfte kein nennenswerther Unterschied zwischenbeiden besteht. Das Versteifungsfachwerk eines Bogenswird also bei festem Auflager unter sonst gleichen Verhältnissenetwas leichter ausfalleu als bei centrirtem, und dürfteaus diesem Gnmde, wenn nicht andere Umstände dagegensprechen, ersteies vorzuziehen sein.Dafs sich übrigens diese ergänzenden Mittheilungen nurauf Bogen-Brücken beziehen, während bei Hänge-Brückenausschlielslich die für centrirte Auflager entwickelten Curvengelten, braucht als selbstverständlich nicht erst gezeigtzu werden.W. Ritter.Mittheilungen nach amtlichen Quellen.66ster Baubericht über den Fortbau des Domes zu Cöln.Die beiden Thürme des Cölner Domes, seit Einwölbungdes Hochschiffes der Vorhalle in ihreu Umfassungswändengetrennt emporsteigend, waren im Laufe des Jahres 1875die alleinigen Objeote der Bau-Aust!Qhrung und konnte derenAufbau, entsprechend der gröfseren Arbeiterzahl, Über dieim Betriebsplane vorgesehenen Höhen hinaus gefördert werden.Die Umfassungs wände des südlichen Domthurmes schliefaenmit der Überkante des IV. Hauptgesimses ab, währendder , nördliche Thurm zu Ende des Jahres 1875 die Linieder Fenstercapitäle bei einer Gesamrathöhe von 16,^2 überdem IIL Hauptgesimse erreichte.In Folge der vermehrten Arbeitsleistung hat sieh auchdie pro 1875 verausgabte Bausurame auf 1,011578 J^. 76 ^.erhöht und ist der Mehrbetrag gegen die im Betriebsplanevorgesehene Verwendung von 750000 Ji speciell für denAnkaut' der Werksteine und die Ausführung der Haustein-Arbeiten zu den acht grofsen Eckfialen in Rechnung zustellen.


415 Voig'tel, 66ster Baubericbt über den Fortbau des Domes zu Cöln. 416Da jede der acht Eckfiaien, welche das Octogon beiderThürme umgeben, eine Höhe von circa 33" bei einemDurchmesser am Sockel von 6 aufweist, so sind im Laufedes Jahres 1875 im Ganzen circa 264 steigende Meter dieserumfangreichen und mit Ornamenten allseitig überdecktonFialen - Entwickelungen oinschliefslich aller Figurenlauben,Säulen, Baldachine und Bekrönungen fertig bearbeitet. Fürdie Ausführung der frei abgelösten Ornamente an den 8 Eckfialen,bestehend in Kreuzblumen, Eieseu, Fronten, Pfeilern,Säulen, kleinen Fialen und Capitäleu, deren Zahl sich auf1510 Stück beläuft, ivurden im Ganzen rot. 159000 M.venvendet, und berechnet sich unter Ilinzunahmo der Ausgabefür die 32 grofsen Engelfiguren unter den Baldachinenzum Betrage von rot. 48500 A. die Verwendungs-Summefür die von dem Pfeilerkcrno abgelösten Oniamente im Ganzenauf circa 207500 JHLBie dauernd ungünstige und stürmische Witterung währenddes Winters 1875/76 verhinderte den Anfbau dersämmtliclicn S Eckfialen, und gestattete das anhaltende Frostwetternur die Vollendung der beiden südlichen Eckfiaien amsüdlichen Thurme. Mit Beginn des Monats März 1876 sinddie Versetzarbeiten an den 6 übrigen Eckfialen wieder aufgenommenund gehen zur Zeit die 2 nördlichen Octogonfialendes südlichen Thurmes, desgleichen die nordöstlicheEckfiale des nördlichen Thurmes ihrer baldigen Vollendungentgegen.Eine grofse Anzahl geübter Steinmetzen, die ^väh^endder Jahre 1871 bis 1874 bei Privatbauten thätig gewesen,trat in Veranlassung der ungünstigen Geschäftsverhältnissebeim Cölner Dombau wieder in Arbeit und erhöhte sich dieZahl der Werkleute, welche in den Jahren 1871 —1874auf durchschnittlich 350 reducirt war, bis zum Schlüsse desJahres 1875 auf 550 Arbeiter.Gleichzeitig wurden in Privatwerkstätten zu Cöln, Künigswinter,Staudemhcim, Obernkirchen, Rinteln und Hildesheimcirca 150 Steinmetzen mit Ausführung von Werksteinen füidieCölner Domthürme andauernd beschäftigt, so dafs diegesammto an dem Dombau zu Cöln im Jahre 1875 thätigeArbeiterzahl auf 700 Mann zu berechnen ist.Der gesteigerten Arbeitsleistung entsprechend ist auchder Bedarf an Baumaterial jeder Art während des Jahres1875 ein aufserordentlicher gewesen, und wurden binnenJahresfrist circa ii605 Cubikmcter Bausteine zum Werthevon 213145 Ji. bearbeitet und gröfsteiithcils versetzt.Als Aufgabe der Bau-Ausführung verbleibt pro 1876die Aufhöhung der Umfassungswände des Octogons beiderThürme bis zum Sockel des Helms, und aufscrdem die Vollendungder Versetzarbeiten an den 3 noch fehlenden Eckfiaiendes nördlichen Tbui-mes.Da eine nachhaltige Besserung und Belebung des Handelsund der Industrie für die nächste Zeit nicht zu erwartenist, so wird es voraussichtlich gelingen, den erhöhten Arbeiterstandauch für das Baujahr 1876/77 beizubehalten,und ist dieser Annahme entsprechend für die im Jahre <strong>1877</strong>auszuführenden Bauarbeiten beim Dombau zu Cöln eine Verwendungssummezum Betrage von einer Million Mark inAussicht genommen.Seit Beginn des Jahres 1876 sind in den Dombauhüttendie Werksteine zu den Umfassungswänden des Octogons desnördlichen Thurmes nahezu vollendet und die Gurte, Gräteund Schlufssteine zu den beiden grofsen Storngewölben desIV. Stockwerkes beschafltt. Fertig bearbeitet lagern fernerhinin den Brüchen zu Staudcrnheim an der Nahe die grofsenEntlastungsbügen und Fensterwölbungen des nördlichenThurmes, so dafs zu Ende des Jahres 1870 die Vollendungbeider Domthürme bis zur Höhe von 300 Fufs (circa 94")in sichere Aussicht zu nehmen ist.Bereits im Läufe des Winters 1876/77 ^ird mit derBearbeitung der Werkstücke zu den Steinbelmen begonnenwerden, und sind namentUch die Vorarbeiten zur Beschaffungder 448 grofsen Kanteublätter für die Gräte beiderThurmhelme rechtzeitig in Angriff zu nehmen, da die Ausführungdieser Oriiamentstücke eine grülsere Anzahl der gewandtestenVorzierungsarbciter für die Dauer von mehrerenJahren beschäftigt. Zur Herstellung der 448 grofsen Kantenbiättcrist ein Steinquantum von circa lOOOO Cubikfufsaus den Obcrnkirebener Steinbrüchen in grofsen Blöcken zubeziehen, deren Gewinnung gleichfalls eine erhebliche Arbeitszeitbeansprucht.Von den für die Lauben der 8 grofsen Eckfialen imIV. Stockwerke der Thürme zu beschaffenden '32 grofsenEngelfiguren von je 2„" Höhe sind 28 Statuen vollendetund theilweise versetzt, desgleichen die plastischen Arbeitenfür die Statuen und Reliefs des Westportals in so weit gefördert,dafs die Einfügung des gesammten noch fehlendenplastischen Schmuckes der Westfront in den Jahren 1876und <strong>1877</strong> erfolgen wird.Im Laufe des Jahres 1875 wurde sowohl die zweiteGerüst-Etage des IV. Stockwerks am nordhchen Thurme aufgestellt,als auch die dritte Gerüst-Etage von 10"" Höhe fürbeide Thürme abgebunden und fertig aufgeschlagen. Letztereüberragt das IV. Hauptgesims um 3'", so dafs der Sockelder Thurmhelme noch mit Hülfe dieser dritten Gerüst-Etageversetzt werden kann.Der am Abende dos 13. März 1876 über ganz Deutschlandfortziehende orkanartige Sturm hat seine verheerendenWirkungen auch am Rheine durch Niederreifson ganzer Waldungen,Häuser und Bampfschornsteine geäufsert, und wardas auf 100"" über Cöln hervorragende grofse Baugerüst desDomes den Sturmwirkungen in gefahrdrohender Weise ausgesetzt.Während der Orkan die Dächer der Bauhüttenherunterwarf, die Bleideckung des Chordaches beschädigteund das Dach des Maschinenhauses mit seinen Verankerungenaus dem Mauorwerke der UmfassungswJlnde herausrifs,sind die Gerüste des Domes unbeschädigt geblieben und hatsich, wenngleich die gesammte Holzconstruction einer Schwankungbis zu 1 Füfö ausgesetzt war, weder ein Verbandstückaus dem grofsen Baugerüste gelöst, noch ist irgend ein Theilder Zwischengerüste und Gerüstböden gebrochen und vomSturme her abgeworfen.Als planmäfsiger Reinertrag der eilften Dombau-Prämien-CoUecteist die Summe von ckca 542500 Ji in dieCasse des Central-Dombau-Vereins geflossen und beträgt derpro 1875 von Seiten der Vereinscasse zum Fortbau desDomes eingezahlte Beitrag im Ganzen 825000 J(>. LautNachweisung der Regierungs - Hauptcasse zu Cöln ist pro1875 die Summe von l,01l578 A. 76 ^. beim Cölner Dombauverwendet, und beträgt die Ausgabe speciell für denFortbau der beiden Westthürme einschliefslich des Wei^thes


417 Schönfelder und Mohr, Der Des-Moines-Canal und die Sohleuseuanlage bei Keokuk. 418der aus den Beständen der Vorjahre zur Verwendung gekommenenBaumatcriaUen im Ganzen 1,074479 Jk 74 hUnter Hinzuziehung der Baukosten in den Jahren 1864bis ultimo 1874 zum Betrage von 5,418689 M, 55 ^. sinddemnach im Laufe von zwölf Jahren, von 1864 bis ultimo1875, im Ganzen 6,493169 Ji 29 ^. zum Ausbau der Thürmedes Cölner Domes angewiesen und verwendet worden.Cöln, den 17. Mai 1876,Der Dombaumeister Voigtel.Der Des-Meines-Canal und die Schleusenanlage bei Keokuk am Mississippi.(Hit Zeichnungen auf Blatt 62 und G3 im Atlas.)(ÄU6 d0m Eeiseberioht des Herrn Geheimen Ober-Baurath Scliönfelder und des Herrn Bauinspector Mohr.)Oberhalb der Stadt Keokuk, ungefähr der Einmündungdes Des-Moines-Flusses gegenüber, liegen die Stromschnellendes Mississippi, Des-Moines-Bapids genannt, die beiNiedrigwasser ein Gefälle von 5,gj haben und selbstredenddeshalb der Schifffahrt auf dem Mississippi, die sich mit gröfserenDampf booten bis über St. Paul hinaus ausdehnt, nichtunbedeutende Hindernisse bieten.Die amerikanische Regierung, welche diejenigen Arbeitenan gröfseren Flufsläufen, die zur Hebung dos öffentlichenVerkehrs nöthig sind, auf Staatskosten ausführen läfst,während der Bau und Betrieb von Canälen etc. fast immerin den Händen der einzelnen Provinzial-Regierungen, resp.von Privaten sich befindet, hat im Jahre 1871 auch dieBeseitigung dieser Schifffahrtshindemisse geplant und, nachdemdie vorgelegten Kostenanschläge in der Legislaturperiodevon 1872 genehmigt waren, am 5. September 1872 mitden Bauten begonnen.Die geplanten und ausgeführten Arbeiten bestehen imWesentlichen darin, dafs neben dem Mississippi ein künstlicherCanal theils gegraben, theils im Bette des Missisippiselbst durch einen Steindamm abgetheilt ist, der durch zweiSchleusenanlagcn von 3,27" resp. 2,B4° Gefälle die vorgenanntenStromschnellen überwindet. Die Kosten der Anlagebetragen ca. 4000000 Dollar, auf eine Länge des Canalsvon 17,7 0 Kilometer.Das Profil des Canals ist, wie aus den beistehendenZeichnungen ersichtlich, je nach den Bodenarten, ob FelsoderSchichtenboden) verschiedentlich bestimmt.SituatioDSskizzo der Low«'-Eapids des Mississippi und des zur Umgehung derselben angelegten Des-Moines-Canals. 1 : 200000.aa The Lower RapidßhcäKashYille - deck.Des - Moines - Eiver.Burlington - Keoknk - Eigenhabn.e Keokuk & Des-Moines-EiBenbahn./ Toledo - Peoria - •Warsow-Elsenbalin.gSt. Louis-Keokuk & N. W. Eisenbahn.Qnerprofl] der unteren Haltung hinter der 2ten Schleuse.Detail der Dämme.k 3,05 >'ZeJtsclirift f. Eanweser. Jahrg. <strong>XXVII</strong>. 27


419 Öchönfelder und Mohr^ Der Des-Moines-Canal und die Schleusenanlage bei Keokuk. 420Was dio Bauart der Dämme anbetrifft, so ist erwähnenswerth,dafs dio Kronenbreite derselben 3,0^ beträgt,die Krone selbst 0,g^ ^ über dem Hochwasscrspicgel von1851 liegt und die Dämme nach aursen hin iVg^acho, nachinnen 1*/^ fache Böschung haben. Sowohl oben als an beidenSeiten sind diese Dämme init trockenem Steinmauerwerk(revütemoüt) abgepflastort und an besonders gefährlichenStellen noch durch Steinwurf gegen ünterwaschunggeschätzt. Die Stärke dieses Pflasters variirt auf der Äufseuseitezwischen 0,^1" und 1,22"", während dieselbe anf derInnenseite von 0,^^"" bis 0,51"" abwechselt Zum Schutzedes Dammes gegen Be'schärligungen durch Eisgang sind nachder Flufsseite zu Eisbrecher in Form von Pfahlbuhucu, diemit Steinen ausgefüllt sind, angelegt.Wir wollen bei dieser Gelegenheit erwähnen, dafs beider Ausführung sich an mehreren Stellen durch Druckwassorunterhalb des Dammes rcsp. in der Canalsohle durchsickerndeQuellen bildeten, deren Dichtung durch Beton jedoch immergelang. Die grofste dieser Durchsickerungen war nicht weitvon der Stadt Keokuk selbst und gewann am 19. März 1873durch einen Rifs, der im Felsboden vorhanden und allmäligdurch den Flufs mit Sand zugeschlämmt war, so an Ausdehnung,dafs der Damm auf 6,1'" Länge sich um l,g3 "" setzte;der Damm blieb aber nach dem erfolgten Sinken fest, undwaren weitere >iachtheile nicht bemerkbar.Fast unmittelbar vor der Abzweigung des Caimls mündetder Nashville-Creek iu den Mississippi, und ist hier, umVersandungen der Einmündung des Canals vorzubeugen, eineBuhne von 183,0"^ Länge erbaut.Die innerhalb der Canalstrecke ehemals in den Mississippi,jetzt in den Canal einmündenden kleinen Bäche sindvor ihren Mündungen jedesmal mit Schlamratangen, die durchkloine Ucberfallwehre hergestellt sind, versehen, um dadurchdas Einführen von Sinkstoifen in den Canal möglichstzu verhüten. Die Dämme sind durchweg aus dem Materialgeschüttet, das beim Graben des Canals selbst gewonnenwurde. Die Ausführung ist theils mit Karron, thcils durchPferdebahnen, tbeils durch schmalspurige Eisenbahnen zumTransport der ausgehobenen Erde bewirkt, und wurden imDurchschnitt täglich 550 kb"' Fels und 720 kb"' gewöhnlicherBoden gefördert. Bei Beginn der Arbeit waren Contractcmit Generaluntevnehmern abgeschlossen, man ging aberspäter zum Regiebau über und erzielte dabei wesentlich bessereund billigere Resultate.Naclidem so im Allgemeineji die Anlage geschildert ist,gehen wir an der Hand der auf Blatt 62 im Atlas beigefügtenZeichnungen zu der speciellen Beschreibung derSchleusenanlagen über, die nicht unwesentliche neuere Constructionsartenbieten. Es wird aber genügen, nur einedieser Schleusen des Näheren zu beschreiben, da beideSchleusen sowohl, als auch das obere Schleusenhaupt mitFluththor am Eingange des Canals nur in ihren HöhenlagenTerschieden sind.Dio Schleusenkammern haben eine Länge von 106,ßgzwischen der Unter- und Oberthor-Ecke und eine Breite von24,sj,"'. Die Wassortiefc ist derart angeordjiet, dals dieDrempelschwelle im Oberhaupt der ersten, resp. Unterhauptder letzten Schleuse 1,53" mit ihrer Oberkante unter demNiedrigwasscr von 1864 liegt Die Mauerwerkshohen beimFluththor betragen beziehungsweise 6,3"" und 0,03", bei derersten Schleuse 7,,^"* resp. Sif^a"", bei der zweiten 5,ay".Die geraden Seitenmauern der Schleuse sind 21,33'" ^^^^die Thorkammerecken am Oberhaupt, und 6,1" über diejenigenam Unterhaupt ausgedehnt. Das Oberhaupt hatrechtwinklige Flügehnauern, während das Unterbaupt schrägeFUigel von 12,iy" Länge hat, die mit leichter Curve in dieHauptmauern übergehen und auf jeder Seite 3,Q,, "" weiterauslaufen als die Kammer, also eine Neigung von 1 ; 4 haben,Sämmtlichc Umläufe sind aufserhalb der Mauern angelegtund haben ihren jedesmaligen Anfang in der Thorkammer.Die Fundirungeu sind je nach den Bodenarten bei den verschiedenenSchleusen verschieden ausgeführt. Wo der Folsbodensicher genug erschien, sind die Mauern direct darauffundtrt, wo dies nicht der Fall wai-, ist der Boden 0,4,; "*tief ausgehoben und ein Schwollrost von Kiefernholz eingelegt.Die Schwellhölzer sind 0,.jo *" im Quadrat stark, mitnur Uij^g"" Zwischenraum zwischen den einzelnen Schwellouverlegt und diese Zwischenräume mit Beton ausgefüllt. DieSchwellen sind mit dem Felsboden in der Art befestigt, dafsunter ihnen Lätigsholzer liegen in Vertiefungen, dio dazu imFelsboden ausgearbeitet sind; diese Längshülzer sind alle0,91"" durch 0,04"" starke Bolzen, die l,o — l,j,'" in denFels eingelassen und vorkeilt sind, befestigt. Auf dieseLängshölzer sind nun die eigentlichen Rostschwellen durch<strong>Sp</strong>itzbolzen von 0,^2^ " Stärke befestigt. Die Entfernung derdrei Längshül^ier beträgt 6,^"" von Mitte zu Mitte. DerPlankenbelag ist 0,og" stark; in der Schleusenkammer istauf diesen noch ein ebenso starker Belag in jenen la-euzenderRichtung genagelt. Aufsordom sind in der Kammerselbst über diesen zweiten Belag in Entfeniungcn von 3,^5noch quadratische Hölzer von 0,2,^ "^ Stärke gelegt und durch<strong>Sp</strong>itzbeinen mit den Rostschwellen verbunden. Dio Unterdrempelsind 0,,, '" tiefer fundirt als die Schleusenmauem.Die Drempel selbst sind von Quadersteinen construirtund mit 0,3(, "* im Quadrat starken eichenen Schlagschwellenbekleidet, deren Oberkante 0,r,i"" über dem Schleusenkammerbodenliegt. Das Drompelmauerwerk ist innen nach einemRadius von '60^^^^" gekrümmt, während die äufseren Seitenmit einer Normalen auf die Mauern einen Winkel von 20"44' 30" bilden. Der Oberdrempel liegt bei der einenSchleuse 3,^7'", bei dor anderen '2,^^'° über der Fundamentsohleder Schleusenmauem.Die Thorkaramermauem sind vertikal aufgeführt, währenddie Mauern der Schleusenkammer eine Böschung von1 ; 24 haben. Die obere Stärke der Seitenmauern in derSchleusenkammer beträgt 1,^3 ", und sind dieselben auf derRückseite mit Strebepfeilern von 2,^4'" Länge und 0,g, '"Breite versehen, die in 4,72"" Entfernung von einander angelegtsind und bis 0,,^ "* unter die Oberkante dor Mauernhinaufreichen. Am Oherhaupte der beiden Schleusen ist vorder Thorkammer noch eine Heerdmauer angebracht, welche3,oj^" stark ist. Der Krümmungsradius der Thorkaramcrnischenbeträgt 42,^,^ ".Sämmtliche Mauern, Drempel etc. sind oberhalb mitbehauenen Deckplatten von 0,g, "* Stärke abgedeckt, die mitBolzen von 0,^4" Durchmesser, welche 0,^5" in die untereSteinschicht hineinreichen, an dieselbe befestigt sind. Untereinander sind diese Decksteine im gewöhnlichen Mauerwerkdurch eiserne Klammem von 0,gi"" Länge, bei den Drempelndurch solche von 1,^2"* Länge und 0,^;,'" Breite bei O,,,,


421 Schönfclder und Mobr, Der Des-Moinfes-Canal und die Schleusenanlage bei Keokuk, 422Stärke verbunden. Diese Klammern, sowie sämmtliche Eiscntheilc,die in das Mauerwerk eingreifen, sind mit einerMischung von 85 Theilen Blei und 15 Theilen Antimonvergossen.Bei der Ausführung des Mauerwerks wurde als Bediugi:nggestellt, dafs bei einer Stärke der Mauern bis zu 0,^^'^der vierte Theil des Gesammtmauerwerks aus durchgehendenBindern besteben müsse, während bei gröfaeren Stärken dieLänge der Binder auf 1,04 *" bis 1,,^2 vorgeschrieben war.Die Wendonischen sied mit gufseisemen Platten armirtund der Radius für dieselben auf 0,35 " normirt. Die eingelegtenPlatten sind hinten achteckig und haben in denEcken gemessen eine Stärke von 0,(,7g"*, bei einer Längevon 1,5 bis l.g" der einzelnen Stücke. Die Befestigung dereinzelnen Theile an einander ist durch Lappen erfolgt. Mitdem Steinmauerwerk sind dieselben durch Bolzen verbunden.Ihre Oberkante schneidet genau mit dem Mauerwerk ab.Der Radius der Curve, die den Anschiuls zwischen Wendenischeund Sclilcusenkammermauer vermittelt, beträgt an derDeckplatte 2,»."' und wächst von da ab mit der Böschungder betreffenden Mauern. Die Canälü für die Umläufe sindauPserhalb der Kammermauern angelegt, und zwar fangendie Umläufe für die Oberthore an dem oberen Ende derThorkammerniscbc an und dehnen sich bis auf 57,^ " unterhalbder Thore aus; vier Oeffnungen in jeder Thorkammernische,die je durch ein besonderes Schütz verschlossen sind,vermitteln den Eintritt des Wassers in den Hauptcanal,während der Austritt desselben in die Kammer durch achtOeffnungen bewirkt wird. Am Unterhaupte fangen die Umläufean dem oberen Ende der Thorkammernischen an unddehnen sich bis fast an das Ende der Flügel bin aus. DieDimensionen der Umläufe wechseln von oben mit 2,^4"" Höheund 2,, Weite bis zum unteren Ende mit 1, Höhe und1, Weite; durchweg haben sie lotbrcchte Mauern undsind mit Halbkreisbögen von 0,^^'" Stärke überdeckt. DieEinflufsöffnungen sind 0,01"" weit, 1:83 hoch und habenzur Aufnahme der Schützen eingearbeitete Falze, währenddie Ausflufsöffnungen 0,gi "' im Quadrat grofs sind. DieseOeffnungen sind mit 0,^^'" starken Quadern überdeckt, dieauf jeder Seite Oj^g Auflager haben. Zum Entweichen derLuft aus den Umläufen sind in jedem derselben zwei eiserneVentilationsrohre von 0,,^'" Durchmesser eingesetzt, die biszur Oberkante der Schleusenmauern reichen. In jeder Schleusesind zwölf eiserne Fcstmachepfähle zum Festhalten der Schiffeangeordnet.Seitwärts von den Schleusenkammern sind zwischen den.einzelnen Haltungen Freigerinne, jedes mit vier Schützenverschliefsbar, angeordnet, um so die Möglichkeit zu haben,sowohl die Haltung zwischen Fluththor und erster Schleuse,als auch zwischen erster und zweiter Schleuse gänzlich trockenzu legen.Die Schleusenthore sind aus Eichenholz gefertigt, undzwar hat jeder Thorfiügel eine Länge von 14,53"". ^^^^bder inneren Seite sind dieselben gerade construirt, Avährenddie Äufsenseite nach einem Radius von 42,pg'" gekrümmtist, auf welcher sie mit einem Plankenbelage von O.Q,^ "*Stärke belegt sind. In jedem Thorfiügel sind acht Drehschützenangebracht, um bei etwaigem Versagen der Umlaufeden Wasserstand auszugleichen.Die Absteifung der Thore gegen den Wasserdruck durch<strong>Sp</strong>annstangen, sowie die Anordnung der Zugbänder und derAufhängevorrichtung erhellen deutlich aus Fig. 1, 2 und 3auf Blatt 62; Fig. 18 und 19 geben Ansicht und Orundrifsdes Schleusenschützes, während Fig. 20 und 21 die Lagerfür die Drehachse dos Schützes darstellen.In Fig. 7 ist eine Vorderansicht des Thores mit Schützen,in Fig. 8 eine Aufsicht auf dasselbe gegeben. Fig. 9, 11und 12 zeigen den Mechanismus zur Bewegung dieser umhorizontale Achsen drehbaren Schützen, die durch eineneinfachen Hebel, der einen Quadranten bewegt, geschieht.In Fig. 13 und 14 sind die Lager für die Bewegungswclleim Detail gegeben. Fig. 24 und 25 geben Pfanne undZapfen der Wendesäule, wälu-end Fig. 22 und 23 die Befestigungder <strong>Sp</strong>annstangen darstellen. Fig. 28 giebt dasDetail der Wendesäule, Fig. 27 dasjenige der Schlagsäule.Das Biegen der vorderen Holzer geschah iu einer Cisterncvon 14,94"' Länge, 2,13'" Breite, 1,52 Tiefe, diemit Wasser gefüllt war, welches durch aus dem Dampfkesseleiner kleinen Locomobile eingelassenen Dampf zum Kochengebracht wurde. 8 Stunden Zeit genügten für jedes StückHolz, um demselben die vorgeschriebene Form zu geben.Erwähnenswertb scheint bei der Construction der Thorenoch, dafs die Wendesäule nicht durchgeht, vielmehr laufen,wie das Detail Fig. 28 angiebt, die zusammengehörigenVorder- und Hintcrriegel in einander, sind hinten nach derRundung des Eisenraantels bearbeitet und mit diesem verbolzt,so dafs die eigentliche Wendesäulc nur durch den gufscisernenMantel gebildet wird. Die Schlagsäule ist in dergewöhnlichen Art construirt, jedoch durch eine Eisenbekleidunggegen schnelle Abnutzung geschützt.Auch diese Thore enthalten, wie die bei der Schleusevon Louisville, keine Streben, sondern nur <strong>Sp</strong>annstangon, dieauch hier, wie dort, nach einer auf dem Mauerwerk derThorkammer unmittelbar über der Wendenische aufgestelltenSäule hinaufgehen, die ihrerseits wieder durch vier eiserneZugstangen gegen den Zug des Thores hinreichend geschütztist. Die <strong>Sp</strong>annstangen des Thores laufen auch hier in einemum den Hals der Säule drehbaren Ring mit Oese. Fig. 4giebt diese Construction. Das Tlior bat keine ßoUen, sondernbewegt sich völlig frei lediglich auf dem Zapfen unterder Wendesäule, dem Halsband und dem Ringe am Kopfder Säule.Wir gehen nun zur Beschreibung der einzelnen Bewegungsmechanismenüber.Die Schützen in den Thoren selbst (cfr Fig. 7, 9, 11und 12) sind um eine horizontale Achse drelibar und habenan ihrem oberen Ende bei a, Fig. 9 und 11, eine Eisenstangein einem Scharnier drehbar befestigt. Der Kopf dieserStange ist mittelst eines Bolzens an eine Gabel befestigt,die das Ende einer nach dem Bewegungsmechanismus laufendenStange bildet. An das obere Ende dieser Stange sindzwei Ketten bei a und ß, Figur 9, befestigt, die mit ihremanderen Ende beziehungsweise bei -y und d, an einem umseine Achse drehbaren Quadranten angeschraubt sind. DerQuadrant selbst ist durch einen Hebel leicht beweglich. Ealeuchtet ein, dafs bei der Bewegung des Quadranten nachrechts oder nach links die Lenkerstange des Schützes beziehungsweisenach oben oder unten sich bewegen, und somitdas Schütz sich öffnen oder schliefsen wird.^7 ^'


423 öchönfelder und Mohr, Der Des-Moines-Canal iiud die Schleusenanlage bei Keokuk. 424Alle anderen Bewegungen zum Betriebe der Schleusegeschehen auf hydraulischem Wege. Zu dem Zwecke sindje an den betreffenden Stellen Druckcylinder aufgestellt, wieeinen solchen beispielsweise Fig. 16 im Durchschnitt zeigt.Der im Cylindcr befindliche Kolben wird, je nachdem ihmdas drückende Wasser durch das obere oder untere Rohrzugeführt wird, sich nach unten resp. oben bewegen, unddie Kolbenstange selbstredend dieser Bewegung folgen. ZurSicherheit gegen <strong>Sp</strong>rengung des Cylinders durch übermäfsigenDruck sind in dem Kolben jedesmal vier Sicherlioitsventilcmit 0,00t;'" Oetftiung und doppeltem Sitz angebracht, diedurch beiderseitig an ihnen befestigte Stifte, welche vor dieKolbeniläche um 0,000"' vorspringen, aufgestofsen werden,sobald der zulässig tiefste Stand des Kolbens erreicht ist,sich aber von selbst wieder schlieCsen, sobald entgegengesetzterDruck eintritt und der Kolben den anderen Wegzurückzulegen beginnt.Die Uebertragung dieser Bewegung des Kolbens auf diezu vorrichtenden Ärbeitsbewegungon geschieht je nach derArbeit in verschiedener Weise.Die Schützen in den Umläufen, deren an jeder Seitejedes Hauptes, wie schon erwähnt, vier liegen, werden gemeinschaftlichdurch dieselbe Kolbenstange bewegt.Fig. 6 zeigt bei Ä den Grundriß dieser Anlage, währendFig. 15 und 16 Vorderansicht und Seitenansicht darstellen.Das Schütz selbst, das senkrecht in Falzen gehobenwird, hat am oberen Ende eine Stange, und an dieser istin einem Auge bei e eine Kette befestigt, die das Aufziehendes Schützes eimöglicbt, während das Schliefsen desselbendurch seine eigene Schwere geschieht Diese Ketteläuft über eine Bolle a der vorgenannten Figuren nach einerzweiton ßoUe &, die unmittelbar neben der verlängertenKolbenstange sitzt, und an ihr ist die Kette mittelst einesHakens befestigt.Da vier solcher Schützen zu bewegen sind, reihen sichselbstredend um die beregte Kolbenstange vier solcher Rollensysteme.Es ist nun klar, dal's, wenn die Rollen b inBewegung nach rechts oder links gesetzt werden, die Kettenentweder auf- oder abrollen, und somit die Schützen entwedergeöffnet oder geschlossen werden.Die Uebertragung der vertikalen Bewegung der Kolbenstangeauf die rotirende der Rollen h und a, und von dortwieder auf die vertikale Bewegung des Schützes geschiehtwie folgt: Von einer an der Kolbenstange bei d angebrachtenOese (Fig. 16) gehen zwei Drahtseile über eine kleine<strong>Sp</strong>annrolle an derselben Stange bei e und von dort nach derRolle 5, über dieselbe mit einer Windung hinweg nach derRolle ff und von derselben, nachdem auch hier wieder eineWindung um dieselbe geschehen ist, nach einer an der Verlängerungder Bewegungsstange des Schützes angebrachtenOeae bei /, wo sie endigen. Sobald nun der Kolben sichvon unten nach oben bewegt, wird durch die beiden Drahtseiledie Rolle h von links nach rechts bewegt und dieKette, an der das Schütz hängt, wickelt sich ab. Gleichzeitigbewegt sich die Rolle a ebenfalls von links nach rechtsund zwingt dadurch den Punkt / der Bewegungsstange desSchützes, nach unten sich zu bewegen. Durch diese Kraftäufserungwird die Trägheit der Massen des Schützes undalle Reibungswiderständo überwunden.Umgekehrt verhält es sich, wenn sich der Kolben vonoben nach unten bewegt; dann drehen sich die Rollen h undff von rechts nach links, die Kette "wickelt sich auf, dasSchutz hebt sich und die Oese / der Bewegungsstange desselbengeht vertikal nach oben. Der Weg, den der Kolbeadurchläuft, ist l,g3'" und genau gleich dem Wege, den dasSchütz durchlaufen mufs, um den Umlauf zu offnen resp. zuschliefsen. Alle vier ümlaufsschützen an je einer Seite desUnter- resp. Oberhauptes der Schleuse und ebenso des Freigerinneswerden somit durch einen Druckcylinder gleichzeitigin Bewegung gesetzt.Zur Bewegung des Thores ist für jeden Thorflügelebenfalls ein Druckcylinder aufgesetzt, und geschieht hierdie Uebertragung der vertikalen Bewegung in die horizontaleKreisbewegung in folgender Weise:Wie Fig, 6 im Grundrifs, Fig. 4, 5 und 10 in Vorderansicht, Querschnitt und Detail zeigen, sind auch hier unmittelbarneben dem Druckcylinder zwei Rollen o und ßaufgestellt. Der Druckcylinder hat an seiner Kolbenstangeje zwei Ocsen unten bei ^, zwei oben bei d. Es ist nunein Drahtseil w die untere Oese bei y festgemacht und gehtvon dort mit einer Windung um die Rollo 0, von da nacheiner an einem kleinen auf einer Schienenbahn sich bewegendenSchütten befestigten Rolle c, umläuft dieselbe undgeht von hier über die Rolle ß^ die es wiederum mit einerWindung umfafst, nach der zweiten Oese am unteren Endoder Kolbenstange bei y zurück, wo es befestigt ist. Einzweites Drahtseil ist in der oberen Oese bei ö befestigt,geht von hier ebenfalls mit einer Windung um die Rollo ö,von da nach einer an einem zweiten Schlitten betindlichenHolle L, umläuft dieselbe und geht dann ebenfalls Über dieRolle ß, die es wiederum einmal umwindet, nach der zweitenOese am oberen Ende der Kolbenstango bei d zurück,wo es seinen zweiten Befestigungspunkt hat.Es ist nun klar, dafs, wenn der Kolben sich von untennach oben bewegt, die Rolle 'C und somit der an ihr hängendeSchlitten nach aufwärts gezogen wird, während dieRolle e und der an ihr hängende andere Schlitten auf dergeneigten Ebene herabglcitet. Auf jedem dieser Schlittenliegt die bewegliche Rollenpartie eines siebenfachen Flascheiizuges,von dem die andere Rollenpartie am unteren Endeder Schlittenbahn befestigt ist. Die Seile dieser Flaschenzügegehen nun je über eine Rollo rj und t, die unmittelbarüber der Wendesäulo des zu bewegenden Thorflügelsüber einander liegen, und von dort über die Rollen Jt undl, dio auf dem obersten Riegel des Thores befestigt sind,nach den am untersten Riegel des Thores befestigten Rollenf.1 und J', und hier beziehungsweise nach einem Festpunktam Drempel, resp< in der Thorkammernische. Diese Festpunktesowohl als die Rollen x, l, (i und v sind in einersolchen Entfernung von dem Drehpunkte des Thores angeordnet,dafs sie bei der gänzlichen Oeffnung des Thoreseinen Weg von 12,g" zurücklegen. Es erhellt nunmehr,dafs, wenn der Kolben des Druckcylinders seinen Weg vonliss" ^^^ unten nach oben zurückgelegt hat, der von derRolle t gezogene Schlitten ebenfalls einen Weg von l,g3"auf seiner Bahn durchlaufen hat und somit durch den Flaschenzugdas Seil über die Rollen t, l und v hinweg einenWeg von 13,g°' durchlaufen haben, folglich unmittelbar an


425 Schönfelder und Mohr, Der Des-Moines-Canal und die Schleusenanlage bei Keokuk. 426seinen Befestiguugspimkt in der Thorkammemi sehe herangerücktund das Thor geöffnet sein mufs.Gleichzeitig damit mufs nun der Schlitten mit der Rollee auf seiner Bahn um 1,53" herabgeglitten, folglich durchden riaschenzug das Seil über die Rollen *;, z und ^ hinwegrückwärts um 12,8" abgerollt sein, also 12,8° Seilsich zwischen dein Befestigungspimkte am Drempel und demjetzigen Standorte der Rolle ^ befinden, welches Maafsgleich dem von diesem Paukte des Thores durchlaufenenWege ist.Die umgekehrten Erscheinungen, d. h. das Schliefsendes Thores, treten ein, wenn sich der Kolben von oben nachunten bewegt.In Fig. 17^ dem Grundrifs der Schleuse, sind nun diesämmtUchen 'WasserzuführungBrohre, und zwar für jedenDruckeylinder zwei, je eins nach oben, eins nach unten,also im Ganzen 18 Stück, jedes von O,,,^ "" lichtem Durchmesser,verzeichnet. Alle kommen aus dem am Oberhaupteaufgestellten Maschinenhause, und bleibt somit nun, um dieganze Anlage klar zu logen, nur noch übrig, die Anordnungder Maschine und der Umsteuerungsventile des Käherenzu beleuchten.In dem Maschinenbau sc ist eine auf Blatt 63, Fig. 1gezeichnete kleine stehende Hochdrockdampfmaschine aufgestellt,die von einem stehenden Röhrenkessel aus IhrenDampf erhält. Unmittelbar an der nach unten verlängertenKolbenstange des Dampfcyliuders sitzt der Plungerkolbeneiner kleinen Druckpumpe, die in zu beiden Seiten augelegtenVentilkasten Sauge- und Druckvcntil hat. Auf demSaugerohr sowohl als auf dem Druckrohr sind Windkesselaufgesetzt. Das Saugerohr empfängt sein Wasser aus einerim Keller des Maschinenbaus es angelegten Cistemo; dasDruckrohr geht unmittelbar vom Windkessel aus nach demin Fig. 2, 3 und 4 dargestellten Vertheilungsschütz.Dieses Vertheilungsschütz, das Fig. 4 im Gruudrifs,Fig. 2 und 3 im Durchschnitt, und zwar in zwei verschiedenenLagen, darstellen, besteht aus einem hohlen Cylinder,der oben eine EiiistrOmungs - und zwei Ausströmungsöffmingenhat, die mit einander commuuiciren, d. h. der Cylinderkaun das Wasser, das er durch die Einströmungsöffnungempfängt, durch die beiden Ausströmungsöffnungön, die übereinander liegen, abgeben; aufserdem enthält das Schütz nochein Rohr, das au entgegengesetzter Seite vom Zuführungsrohrund zwar unten angebracht ist und eine Ausströmungaöffnungnach einem Rohre hat, das zu der Cisteme führt.Bas Schütz kann nun in dem dasselbe umhüllenden Rohrsowohl von oben nach unten bewegt, als auch in der angenommenenhorizontalen Lage gedreht werden.Wie aus dem Grundrifs Fig. 4 ersichtlich, sind an denUmhüUungscylinder des Schützes sowohl das Zuführungsrohrvon der Druckpumpe, als das Äbführungsrohr nach derCisteme, als auch 2x5 seitliche Rohrstücke angebracht, vondenen je zwei nach den an den Ober- und Unterthoren, anden Umläufen am Ober- und Unterhaupt und an dem Freigerinneaufgestellten Druckcylindem führen.Betrachten wir nun zunächst Fig. 4 und 2 gemeinschaftlich,so sehen wir das Schütz hochgeschraubt und so gedreht,dafs das von der Druckpumpe aus einströmendeDruckwasser durch das Schütz seinen Weg nach dem oberenEnde der Druckeylinder für die Oberhanptthore nimmt,wie die eingezeichneten Pfeile andeuten; gleichzeitig damitist durch die Stellung des Schützes dem im Druckeylinderunterhalb des Kolbens daselbst befindlichen Wasser der Ablaufnach der Cisteme hin gestattet, wie ebenfalls durchPfeile angedeutet; die Kolben der Dmckcylinder können alsoohne allen Widerstand ihren Wog nach unten nehmen, unddie Thore des Oberhauptes werden sich schliefsen. —Fig. 4 und 3 zusammen betrachtet, zeigen uns das Schützin der heruntergeschraubten Stellung, sonst ebenso gedreht.Es geht nun, wie die Pfeile andeuten, die entgegengesetzteBewegung des Druckwassers vor sieh. Dasselbe strömt vonder Druckpumpe aus in der Richtung der Pfeile nach dem unterenEnde der Druckeylinder, während das Wasser über denKolben daselbst vom oberen Endo aus Abflufs nach der Cistemehat. Es werden also die Kolben der Dmckcylinderihren Weg nach oben nehmen und die Thore des Oberhauptessich ö&en.Es leuchtet ein, dafs ein seitliches Drehen des Schützes,so dafs die Ausmüudungen desselben mit den anderen Rohrennach den Unterthoren, den Umläufen oder dem Freigerinnecommuniciren, die Bewegungen der Kolben in dendort aufgestellton Dmckcylindern beliebig herbeiführen mufs.Vier der vorerwähnten Communicationsrohre haben nun jezwei Druckeylinder in Thätigkeit zu setzen, während dasfünfte nach dem Freigerimie nur einen solchen Cylinder bespeist.Um erforderlichen Falls auch bei diesen 4x2 = 8Druckcylindem von zweien nur einen in Thätigkeit setzen zukönnen, ist in jedes dieser Rohre noch ein Regulimngsschützdrehbar eingeschaltet, das in Fig, 2, 3 und 4 sichtbarist. — Es geht aus Fig. 4, die dieses Rogulirungsschützeinmal im Gmndrifs, an drei anderen Stellen in der Aufsichtzeigt, klar hervor, dafs, sobald mittelst Schlüssels diesesSchütz nach rechts oder links gedreht wird, je das Leitungsrohrnach dem östlichen oder westlichen Druckeylinder durchdie Ansätze bei a und b geschlossen, dieser also aufserArbeit gesetzt wird- Es ist sonach möghch, auf diese Weisenur einen Thorfiügel oder nur die Umläufe an der einenSeite zu öffnen oder zu schliefsen, je nachdem das Bedürfnifsdazu vorhanden ist.In welcher Weise nun das Vertheilungsschütz im Maschinenraumgehandhabt wird, gehen die Figuren 5 bis 9auf Blatt 63 zu erkennen.Die Stange a, an der das Vertheilungsschütz befestigtist (cfr. Fig. 2 und 3), hat an ihrem oberen Ende Schraubenwindungenangeschnitten und kaun so über einem festenGestell, das auf dem Fufsboden des Maschinenraumes aufgeschraubtist, mittelst einer Schraubenmutter in Gestalt einesRades auf und ab bewegt werden. Dieser Bewegung folgend, stellt also das Vertheilungsschütz abwechselnd dieCommunication zwischen Druckpumpe und oberem Ende derDruckeylinder resp. Druckpumpe und unterem Ende derDruckeylinder her, d. h. also die Thore werden geschlossen,die Schützen in den Umläufen geöffnet, resp. die Thorewerden geöffnet, die Schützen geschlossen. An der Stangea ist nun ein Schlitten zwischen Führungen im Gestell gleitendangeordnet, auf dem, wie F%. 5, 6, 7 und 8 angiebt,eine Vorrichtung angebracht ist, um mittelst Schraubenradesein seitliches Drehen der Stange a und somit des VerÜieilungsschützesbewirken zu können. Unmittelbar über diesemSchraubenrade liegt auf dem Schlitten eine Platte, welche die


427 Blaück, Ueber den Bau der Eisenbahnen iu den Ver. Staaten von Nord-Amerika. 428Bezeichnung der cinzehieu Orte, au denen Druckcyliuderaufgestellt sind, trägt, und ein an dem Gestell befestigterZeiger zeigt somit auf dieser sich drehenden Platte an, weldierApparat bei der augenblicklichen Stellung der Stange ain Thätigkeit gesetzt ist.Die Manipulation bei der Bedienung der Schleuse istnun folgende:Der MascliJnist, in seinem Hause stehend, Öffnet, wenner ein Schiff am Oberhaupt ankommen sieht, indem er dieStange a herunterschraubt, die Platte mit dem Schlitten sodreht, dafs der Zeiger das "Wort „Oborthore" zeigt, und dieDampfmaschine anlilfst, die Oberthore und das Schiff fährtein; dann schraubt er die Stange ß hinauf, läfst abermalsdie Maschine an, und die Thore werden geschlossen; erdreht die Platte so, dafs der Stift die Worte „untere Umläufe"zeigt, setzt die Maschine an, die Schütze» öffnensich, der Wasserspiegel gleicht sich mit dem Unterwasseraus; er schraubt die Stange « hinunter, die Maschine gehtan, die Schützen schlicfsen sich; er dreht die Platte, bisder Zeiger das Wort „Unterthore" giebt, die Unterthoreöffnen sich und das Schiff fährt aus.Wir können kaum umhin, dem auch hier so hervorleuchtendbcthätigtcn praktischen Erfindungssinn der Amerikanerauf dorn Gebiete der Technik die gröfsto Anerkennungauszusprechen, wenn wir mit dem Betriebe an dieserSclileuse den derjenigen bei Louisvillc, die fast gleiche Dimensionenhat. vergleichen, da dort fast ständig lÖ Arbeiterz\i den verschiedenen Vorrichtungen vorhanden sein müssen, während hier e i n Mensch Alles ohne Anstrengungbewerkstelligt.Heber den Bau der Eisenbahnen in den Vereinigten Staaten yon I^ord-Amerika.Coneessiou der ßahneu.Die Zahl der gesetzlichen Bestimmungen, welche aufden Bau und den Betrieb der Bahnen Bezug haben, ist inden Vereinigten Staaten von Nord - Amerika eine sehr geringe.Der Bau der Bahnen unterliegt der unbedingt freien Concurrcnzund kaufmünnisehen <strong>Sp</strong>eculation. Die ConcessJonhier?.u mufs beim Congrefö nachgesucht werden, und siewird crtheilt, sobald bestimmte Formahtäten hinsichtlich Zusammensetzungder Eisenbahn - Gesellschaft (Eaikoad Company)und namentlich der Capitalsbeschaffmig erfüllt sind.Eine staatliche Aufsichtsbehörde, welche die Durchführungallgemein gültiger bau- oder betriebstechnischer Bestimmungenaufzustellen oder zu überwachen hat, cxistirt nicht,vielmehr macht jede Bahnvcnvaltuug sich solche lediglich nacheigenem Bedürfnisse und bestem Ermessen. Bei der Regierungzu \Yashington, in dem ßessort für innere Angelegenheiten,existirt zwar ein Eisenbahubüreau, aber dies scheintmehr eine Sammelstelle für statistisches Material, denn eineAufsichtsbehörde zu sein. Als einzige Beschränkung, welcheden Eisenbahnen von Seiten des Staates für den Betriebauferlegt wird, könnte die Festsetzung von Maximaltarifenbezeichnet werden.Crrunderwerb,Der Grunderwerb ist geregelt durch Gesetze, die jedermit souvcrainer Machtvollkommenheit ausgestattete Einzelstaatfür den Umfang seines Gebietes erläfst. Obwohl dieseGesetze in mancher Hinsicht von einander abweichen, so istdoch in allen derselbe Grundgedanke vertreten, und dasganze Verfahren regelt sich in ziemlich gleichmäfsiger Weisefolgende rmafsen:Sobald die Gesellschaft den gesetzlichen Vorschriftenhinsichtlich der CapitalsbeSchaffung Genüge geleistet bat, undder Bau der Bahnlinie durch den Congrefs genehmigt ist,schickt sie ihre Agenten aus zum Abschluis freihändigerGrunderwerbsverträge, weil die zwangsweise Enteignung desGrundbesitzes im Princip nicht gebilligt wird. Findet einefreiwillige Einigung der contrahirenden Theilc wegen zu(Slit Zeicliuuiigeii auf Elatt Q, E und S im Text.)(Eeisebericlit dfs Herrn Eisenbahn-Baumeister Blaue k.)hoher Forderungen oder anderweitiger Ansprüche über dieLage der Bahnlinie nicht statt, so mufs die Compagnie diePläne der Bahnlinie zunächst 50 Tage lang im Bureau desbetreffenden Ortsvorstandes (County Clerk) zur allgemeinenEinsicht auslegen. Hat einer der Grundeigenthümer gegendie Wahl der Traco etwas einzuwenden, so mufs er seinenProtest bei einem dazu bestimmten Richter des höchstenStaatsgerichtshofes innerhalb obiger Frist schriftlich niederlegen,widrigenfalls sehie Ansprüche nichtig werden. Findetder Richter die Beschwerde für begründet, so ernennter drei unparteiische Commissarien, von denen einer Ingenieursein mufs, welche die Bahnlinie innerhalb 30 Tagenprüfen. Alle von diesen Commissarien bestimmten AbänderuBgender Trace mufs die Compagnie unbedingt ausführen.Nachdem dies geschehen ist, reicht sie an den Gerichtshof einVerzeichnifs der zwangsweise zu erwerbenden Flächen ein.Letzterer ernennt nunmehr für den Grunderwerb eine Juryaus 3, in einzelnen Staaten aus 7 unparteiischen Männern,die mit den- Ortsverhältnissen genau bekannt sind. Gegendie Taxe dieser Commissarien steht den Grundoigenthümeminnerhalb 20 Tagen ein abermaliges "Widerspruchsrecht zu.Hierauf ist es dem Gerichtshof anhcim gegeben, entwederandere Commissarien zur nochmaligen Schätzung zu ernennen,oder nur den ersteren ihre Taxe zur nochmaligen Revisionzurückzugeben. In jedem Falle ist diese zweiteSchätzung maafsgebcnd; beide Parteien müssen dieselbe annehmen,und die Compagnie wird in den Besitz des LandesgesetztIm Allgemeinen steht der Compagnie das Recht zu,soviel Land zu erwerben, als zur Herstellung des Bahnkörpersüberhaupt erforderlich ist. Die mindeste Breite, welcheerworben wird, beträgt 20,^ Meter (66 Fufs engl.). Gesetzlichausgeschlossen von einer zwangsweisen Enteignung istder Erwerb von Wobngebäudeu, Kirchhöfen und ähnlichenAnlagen. Ueberdies verleiht das zwangsweise Verfahren derBahngesellschaft keineswegs ein unbedingtes Eigenthumsrechtauf den Grund und Boden, sondern nur das Recht derungestörten Benutzung für Eisenbahnzwecke. Erfolgt der


429 Blanck, Ueber den Bau der Eisenbahnea in den Ver. Staaten von Nord - Amerika. 430Kauf durch freie Vereinbarung, so wird die GesellschaftEigenthümerin des Bodens, und erhält als solche einen Kaufbrief(deed), andernfalls nur ein Nutznngsrecht (Release forKight of Way). Hierbei verdient hervorgehoben zu werden,dafs überhaupt alles Land in Amerika nur entweder Privatenoder den Vereinigten Staaten gehört. Die einzelnen in ihrerGesetzgebung und Verwaltung sonst souverainen Staaten besitzenkein Land. Von den Vereinigten Staaten können dieLändereien — selbstredend mit gewissen Ausnahmen •— zudem festgesetzten Preise von rot. 10 M. pro Hektar (1,25Dollar pro Acre) erworben worden. Auch war die Regierungschon seit dem Bestehen der Bahnen stets zu umfangreichenSchenkungen von Grund und Boden an die Eisenbahügesellschaftenbereit; da dies Verfahren jedoch in den letzten JahrenVeranlassung zu übermäfsigen <strong>Sp</strong>eculationen gegeben hat,so ist sie in neuerer Zeit hiermit sehr zurückhaltend geworden.Vorarbeiten.Die Ausführung der Vorarbeiten weicht im Allgemeinennicht von der in Deutschland üblichen Art und Weise ab.Die Mefsinstrumente sind gut und zweckmäfsig. Zu denHöhenmessungen genereller Arbeiten bedient man sich vorzugsweisedes Aneroidbarometers. Die Wahl der Linie fälltauf den weiten unbewohnten Strecken selten schwer, weilweder menschliche Wohnungen noch gewerbliche Etablissementshindernd auftreten. Ebensowenig wird auf die Bedürfnisseetwa bereits vorhandener Ansiedelungen Rücksichtgenommen, weil man aus Erfahrung weifs, dafs die fertigeBahn auf das Land unberechenbare Einflüsse übt; man verfährtdaher lediglich nach dem Grundsatze: „Let the countrj,but make the railway, aud the railway will make thecounti'y."Die anzufertigenden Pläne werden in einfachster Weisegehalten und bestehen für die freie Strecke nur in demEintragen der Babnmittellinie nebst zwei Seitenlinien zurBezeichnung des annä.hernd erforderlichen Grund und Bodens,femer des Laufes der Flüsse und der Grenzen der Gemeindebezirke(Countys). Das Beschreiben geschieht in einfachsterWeise; eine charakteristische Darstellung des Terrains durchBergstriche und Farben tindet nur ausnahmsweise statt.iJeben den Situationsplänen werden besondere Mvellements-jselten auch Horizontal - Pläne angefertigt. Für dieWahl der Curven und Neigungsverhältnisse giebt es keine allgemeinanerkannten technischen Vorschriften. Jede Verwaltungstellt ihre eigenen Normen auf, tlie schhelsUch darauf hinauslaufen,unter allen Umständen hillig zu bauen, und esdeshalb vorzugsweise dem Ermessen des ausführenden Ingenieursanheim geben, in jedem einzelnen Falle das Richtigeund Zweckmäfsige zu wählen.Eigenthümlich ist die Bezeichnung der Krümmung einerCurvc. Dieselbe wird ausgedrückt durch den Centriwinkeleines Kreisbogens von 100 Fufs Länge. Hiernach ist derRadius R zu einer «Grad-Curve abzuleiten aus der Foimel;100 : Ä • ?p = « : 180,5730worausRoder zu einer sogenannten1« Curve ist R^ 5730'10« - - Ä=^ 573'In den Hauptgeleisen kommen Minimalradien von 300", mden Nebengeloisen und auf Zweigbahnen nicht selten von150"", ja noch weniger vor. Es ist zulässig, so scharfeCurven z« machen, weil der Radstand in dem für die araerikanischenWagen gewählten Trucksystem nur ca. 1,^""beträgt.Hteig-ung-eii.Die Steigungen werden bezeichnet nach der Anzahl vonFufs, welche eine Bahnlinie pro Meüe Länge steigt oderfällt.In den Hauptbahnen sucht mau Steigungen von mehrals 1:90 zu vermeiden, doch kommen auf der Pennsylvania-Eisenbahn auch Steigungen von 1:55 vor, und die Philadelphia- Eeadingbahn weist in ihrem Kohlenrevier eine ca.5 Kilometer lange Strecke mit einer permanenten Steigungvon 1 :MO nach, die von 35 — 40 Tons schweren Locomotivensicher und leicht befahren wird.Bahuplauum.Die Ausführung der Erdarbeiten geschieht nach bekanntenPrincipien. Es ist jedoch auffällig, mit wie grofserSorgfalt alle tiefen Einschnitte und grofsen Dämme vermiedenwerden. Ueberall lehnt man sich möglichst unmittelbai'an das vorhandene Terrain an, und durch scharfe Curvenoder starke Steigungen sucht man die vorhandenen natürlichenHindernisse zu überwinden, ohne auf die späteren Bedürfnisseeines leichten Betriebes wesentlich liücksicht zunehmen.Statt der Dämme baut man mit Vorliebe hölzerne Viaducte(trestle works), weil das Holz hierzu meistens billigvon dem eigenen Grund und Boden gewonnen wird- Einelange Dauer scheinen diese Bauwerke nicht zu haben, dennman tindet, dafs viele derselben nachträglich abgebrochenund durch Eisencoustructionen ersetzt worden sind.Normalproüle für die Herstellung des Bahnkörpers oderfür den lichten Raum der Bahn werden nicht aufgestellt. Esgiebt auch hierfür, wie schon oben erwähnt, nur ailgemeinoVorschriften, die das Wünschenswerthe bezeichnen, und derpractischen Befähigung des ausführenden Ingenieurs anheimgeben,dies mit den geringsten Mitteln zu erreichen. DemgemälsSüllen die Kronenbreite für ein eingeleisiges Planumca. 4,4", für ein zweigeleisiges ca. 8,2" beti-agen, und dieBöschungen, ausgenommen in den Felseinschnitten, mit IV2-facher Anlage hergestellt werden. Thatsächlich ist das Planumüberall nur so breit, dafs die Schwellen eben einsicheres Auflager haben. Die Einschnitte sind auf das geringsteMaals beschränkt, und die Böschungen der Dämmegehen wenig über den natürlichen Ablagerungswinkel derbetreffenden Erdmassen hinaus, Bahngräben oder andereEntwässerungsanlagen für das Planum werden überhaupt nichtrosp. nur da angelegt, wo ein unabweisbares BedürfnifsvorJiegt.Bettun^smaterlaLAls Bettungsmaterial wird Kies jeder Güte und sehrhäutig Steinschlag verwendet. Auf den besser verwaltetenBahnen erfährt letzterer eine sehr sorgfältige Bearbeitungdurch Maschinen. Die gröfsten Steine haben einen mittlerenDurchmesser von 40'""". Die Schüttung wird in einerStärke von 0,3*° unter Schwellenunterkante aufgebracht undgewährt eine ausgezeichnete Entwässerung der Geleise. DieSchwellen werden nur bis zur Oberkante verfüllt. Ein Hinterfiillender Schwellenköpfe scheint niemals vorzukommen,auch wenn das Planum hierzu genügenden Raum darbietet.


431 Blanck, Ucber deu Bau der Eisenbahnen in den Ver, Staaten von Nord - Amerika. 432ScIiTvelleii.Blit Rücksicht auf den groCsen Holzreichtbum des Landesist der Oberbau überall mit hölzernen Qucrschwcllendurchgeführt.Die Entfernung der Schwellen von Mitte zu Mitte beträgt0,^, •" (2' engl.) und nur in Ncbeugcleisen geht manzuweilen über dies Maafs hinaus. Diese dichte Lage derSchwellen gewährt den Schienen ein vorzügliches Auflagerund mufs als die Hauptursache des dauerhaften und günstigenZustandes der amerikanischen Bahnen bezeichnet werden.Ein sogenanntes Kappen der Schwellen zur Herstellung einesgeneigten Auflagers für die Schienen findet nicht statt; dieSchienen werden vielmehr senkrocht zur Schwellenobcrflächeaufgenagelt.Die Dimensionen der Schwellen wechseln bei den einzelnenBahnen zwischen 2,^ — 2,,"' Länge, 0,1^ — 0,15°"Stärke und 0,^^—0.^-^'^ Breite.Die Dauer einer Eichenschwellc wird auf durchschnittlich8 Jahre angenommen, und die Beschaffungskosten betragendurchschnittlich 3 Mark pro Stück.Das Imprägniren der Schwellen ist bisher über ein Versuchsstadiuranicht hinausgekommen.Sühleuen.Es ist bekannt, dafs die nach Vignole benannte breitbasigeEisenbahnschiene im Jahre 1833 von den Amerikanernerfunden wurde, und ersterer sich allein das Verdienstder Einführung nach Europa erworben hat. Der practischcSinn der Amerikaner erkannte sofort den hohen Werth dieserSchienenform, behielt sie bis heute ohne wesentlicheVeränderung bei und richtete vorzugsweise sein Augenmerkauf die Verbesserung des für die Schienen zu verwendendenMaterials. Hierbei interessirt uns die Bemerkung, dafs denfür äufsere Einflüsse oft schwer zugänglichen Amerikanerndie von Th. Weishaupt und Malberg in den Jahren 1851und 1857 und später von M. M. Freih. v. Weber angestelltonVersuche über die Tragfähigkeit der Schienen nichtunbekannt sind, und sie die gewonnenen Resultate zu verwerthenstreben.Auf die Fabrikation der Schienen wird ein selten hoherWerth gelegt \ deshalb hat jede gröfsere Bahnverwaltung entwederihre eigenen Walzwerke, oder bezieht ihren Bedarfnur aus solchen Werken, deren anderweitige Handelsbeziehungenzu ihr jeden Zweifel über eine gute Lieferung ausschliefsen.Bei nahezu gleichem Querschnitt ist die Höheder amerikanischen Schienen etwas geringer als auf unserenBahnen; sie beträgt bei alten Bahnen und in Nebengeleiscnoft nur 91""° (3Vg" engl.). Gegenwärtig lassen die meistenVerwaltungen für die Hauptbahnen nur 114""" (4^2"engl)und für die Zweigbahnen 103""" (4" engl.) hohe Schienenanfertigen.Hauptbahn.Zweigbahn.


433 Blauckj Ueber den Bau der Eisenbahnen in den Ver. Staaten von Nord-Amerika. 434bedarf jener Verwaltung variirt zwischen 15 "20000 Tonnen.Zur weiteren Oricntirung sei hier angeführt, rtafs dieselberot. 2&Ü0 Kilümeter Geleise im Betriebe hat ZurBewältigung des Verkehrs dienen gegen 400 Locomotiven,15000 Kohlenwagen, 4000 andere Fracbtwageii und 300Personenwagen. Auf der Hauptbahn allein werden jährlichüber 6 Millionen Tonnen Kohle befördert.Das zu Eeading angelegte Sehicnenwalzwcrk umfafst12 Puddelöfen und 10 Flammöfen, und seine jährlicheLeistungsfähigkeit beträgt 20000 Tonnen Schienen, welcheaus einer conxbiuirten Masse von ca. '^.g alter Schienen und^/g neuem Puddeleisen hergestellt werden. Die Methodeder Fabrikation ist folgende; Nachdem die alten abgenutztenSchienen durcli eine Schneidemaschine in Stücke vonca. 1,2^" Länge zcrthcilt sind, werden aus je drei Stückenalter Scliieneu und zwei Lagen^Puddeleiseu Packete gemäfsFig. 2.i'is. 1. ,Fig. 3.Fig. 4.der vorstehenden Figur 1 hergestellt. Diese Packete werdenzunächst in dem Flammofen geglüht und in Platten von76""" resp. Il4"'" Breite bei 25""" Stärke gewalzt. Ausdiesen Platten wird wiederum ein Packet nach Figur 2 von177"" Höhe gebildet. Das obere, 228""" breite und ÖO"""starke für den Kopf der Schiene bestimmte Stück diesesHaufens ist besonders und zwar aus einem Packet von 228"""im Quadrat (Figur S) gewalzt und bildet ca. 22 % der ganzenMasse. Her für die Schiene bestimmte Haufen (Figur 2)wird demnächst unter eine Walzenstrafse mit drei Walzeuweichcngebracht und in sechs Gängen zu einer Luppe (Figur4) von 13G""" Höhe und in der Basis 177"'"% im ScheitellaC"'" Tireite gewalzt.Hierauf bringt man die Luppe nochmals ca. 15 Minutenlang in einen besonderen Flammofen (roheating fumace) undwalzt sie dann in einer Walzenstrafsc mit nur zwei Reibenin abermals sechs Gängen zu der lld"""" (4^//' engl.) hohenSchiene aus.Man glaubt, dafs die Verbindung des PuddeJeisens mitalten Schienen jene Trockenheit aufheben soll, welche gewöhnlichdem alten Eisen anhaftet, und will hierdurch einebessere Schweifsung erzielen. Die Luppe, welche weifsglühenddem zweiten Walzen unterzogen wird, ist schon in dendrei ersten Gängen vorzüglich geschweifst; überdies erfolgtdas Walzen hierbei nur nach einer Richtung hin, wodurchdie Schlacke nahezu gänzlich ausgetrieben wird. Vor demVerlegen der Schienen in die Geleise erhalten dieselben<strong>Zeitschrift</strong> f. Boim-esen. Jghrg. XXVU.einen Stempel mit der Monätaangabe der Verlegung. Ebensowird genau Bucli geführt über die Ausraugirang der abgenutztenSchienen und die darüber bewegte Bruttolast. DieseControlle hat ergeben, dafs z.B. von den im Jahre 1870verlegten 17500 Tonnen Schienen nach sechsjährigem GebraucJica. 17 % ausgewechselt sind, nachdem darüber eineBruttolast von ca. 50 Millionen Tonnen gegangen war. Vonden im Jahre 1872 verlegten 20000 Tonnen Schienen sindG^/s % nach einem Uebcrgange von 35 Millionen Tonnen ausgewechselt.Hierbei mnls bemerkt werden, dafs im Hinblickauf das wenig kostspielige Umwalzeit der Schienen dieselbenim Betriebe nicht einer so starken Abnutzung unterworfenwerden, wie es wohl auf andern amerikanischen Bahnen derFall ist.Bio nach vorstehender Methode fabricirten Schienenhaben, wie dies erläutert ist, iu dem Kopfe Eisen aus altenSchienen. Vergleichsweise seien nun auch diejenigen Resultatehier mitgetheilt, welche dieselbe Bahnvcrwaltungdurch mehrjährige genaue Beobaclitungcn über die Dauerhaftigkeitsolcher Schienen gewonnen hat, deren Köpfe ausneuem Eisen hergestellt worden sind.Die Fabrikation der letzteren Sorte Schienen geschahfolgendermarsen: Aus neuem Puddeleisen wurden zunächst114""" resp. 90""" breite und ig»"" starke Platten gewalzt,und daraus ein 204""" breites und152"'"' hohes Packet nach Figur 5Fig. 5.gebildet. Dieses Packet wurde wie- '.dorum in Platten von 114 resp. 70"" ~Breite und 25""" Stärke gewalzt, "und daraus eiu Packet von 228'"'^im Quadrat nach Figur 3 hergestellt, ;^aus welchem in gleicher Weise, wieÄO* -früher, die 228'°"' breite und 50""" starke Kopfplatte fürdas Schienenpacket Figur 2 gewalzt wurde. Bei diesemletzteren Walzen fand jedoch eine Abwechselung statt, indemdie Packete theils mit horizontaler, theils mit vertikalerRichtung der Lagerfugen ausgewalzt wurden, wodurch einweiterer Vergleich über die Dauerhaftigkeit von Schienenküpfenmit horizontaler und vertikaler Schweifsung angestelltwerden konnte.Die übrigen Manipulationen zur Fertigstellung der Scbieneuentsprachen dem früheren Verfahren. Ferner wurdendie Kopfplatten, sorgfältig sortirt, iu drei Klassen getheiltund das Eisen auf absolute Festigkeit geprüft. Letzterebetrug pro Quadrat-Centimeter in max. 5280, in min.3600 Kg. und zwar durchschnittlich:1) für gewöhnliches Eisen . . 5050 Kg.2) für rothbrüchiges Eisen . . 4850 -3) für kaltbrüchiges Eisen. . . 4200 -Die Bruttolast — also incl. Maschine und Wagen — welcheüber die Schienen gegangen ist, bevor sie soweit abgenutztwaren, dafs sie ausgewechselt werden mufsten, giebt nachstehendeTabelle an :Art des Eisens,Rothbrüchig-, durcbselm. !Gewöhnlich, - jKaltbiüchig,j Schienen mit horijzontal gewalzter\ Kopfplatte.I Tonnen26.95'^80822.4125932(3,64553828Schienen mit vertikalgewalzter Kopfplatte.Tonnen22,81930028,78936133,472600


435 Blauckj Ueber den Bau der Eiseubabnen in den Vei'. Staaten von Nord-Amerika. 436Eine Analyse des Eisens der besten Schienenköpfeergab:Phosphor . . 0,422 %Silicium . . 0,393 "Schwefel . . 0,^33 -Mangan . . O^ß^ -KohlenstoffEisen . .0, •02798.«zusammen lOO-o^ %Dieso Versuche haben zwar erwiesen, dafs kaltbrüchigcsEisen für die Sebienenköpfe scheinbar den Vorzug verdient,aber noch mehr ist klar gelegt, wie weit die Dauerhaftigkeitder Sebienenköpfe aus alten Schienen nach der obenbeschriebenen Fabrikationsmethodo einer solchen der Schienenköpfeaus neuem Eisen voransteht.Während die mittlere Leistungsfähigkeit der letzterenschon durch eine Bruttelast von 30,000000 Tonnen erreichtist, geht sie für Schienenkopfe aus altem Eisen über dieLast von 50,000000 Tonnen hinaus.In Folge dieser für die Schienenfabrikation au3 altenSchienen gewonnenen günstigen Resultate, sowie der damitverbundenen erhebliehen Kostenerspaniifs sah sich die Bahivvorwaltungveranlafst, von der Verwendung theurer Stahlschieneneinen weniger umfangreichen Gebrauch zu machen.Die Befestigung der Schienen auf den Schwellen ist beiden amerikanischen Bahnen eine sehr gesicherte, weil diedichte Lage der Schwellen — 0,^ von Mitte zu Mitte —einen entsprechenden Aufwand von Sehienennägoln bedingt.Ueberdies findet eine reichliche Verwendung von Unterlagsplattenstatt, die sich in scharfen Curven nicht selten bisauf jede Schwelle erstreckt. Zuweilen schützt man denäulsem Schienenstrang gegen das Umkippen durch passendegufseiserne Schuhe oder man nagelt auf die ganze Längedesselben eine zweite Schiene dagegen.Diese und viele ähnliche Constructionen beweisen, inwie hohem Grade die Amerikaner bemüht sind, die Sicherheitdes Betriebes zu wahren, und wie sie da, wo die Mittelvorhanden sind, auch wahrlich keine Kosten zur Erreichungjenes Zweckes scheuen.<strong>Sp</strong>unrelte.Als ein emptindlicher Uebelstand der amerikanischenBahnen müssen die verschiedenen <strong>Sp</strong>urweiten bezeichnet werden,weil sie den Uebergang der Fahrzeuge von der einenzur anderen entweder ganz unmöglich machen oder mindestenserschweren.Man hatte früher vorzugsweise:a. eine <strong>Sp</strong>urweite von i,^^^ (4' S^f^'* engl,)b. - - - 1,,,, (4' 10" engl.),dies führte zu einem Compromifs, wonachc. eine gemittelte <strong>Sp</strong>urweite von 1,^^;^ (4' 9 74'' engl,)als wünschen swerth erkannt und von vielen Bahnverwaltungenangenommen worden ist. Damit nun dieselben Wagenalle drei <strong>Sp</strong>urweiten befahren können, richtet man entwederdas eine Rad auf der Achse verstellbar ein, oder giebtmeistentheils den Radflanschen einen für die engste <strong>Sp</strong>urweitepassenden <strong>Sp</strong>ielraum und der Lauffläche des Radkranzeseine so grofae Breite, dafs sie auch für die grofse <strong>Sp</strong>urweitehinreicht.Neben den benannten <strong>Sp</strong>urweiten existirt z. B. auf derEriebahu eine solche von 1,83 (C engk). Diese Verwaltunghat jedoch aus Verkehrsrücksichten sich genöthigt gesehen,in jedes Geleis einen dritten Schienenstrang einzulegen, um so für fremde Wagen ein Geleis mit der <strong>Sp</strong>urweitevon lj47 4 "" herzustellen. Die Beseitigung jener grofsen <strong>Sp</strong>urweiteist indei's nur eine Frage der Zeit.Eine <strong>Sp</strong>urerweiterung der Geleise wird, wie schon obenerwähnt j mit Rücksicht auf den durch das Trucksystem bedingtengeringen Radstand der Fahrzeuge von ca. 1,3°' selbstin scharfen Curven nicht angelegt. Dagegen ist in den Curvenauf eine angemessene Uebcrhöhung des äufsern Schienenstrangesund einen sanften Auschlufa der Curve an die Geradeüberall Bedacht genommen.StofsverblnduiigeiuDie Geleise aller besseren Bahnen zeigen in überwiegendemMaafse den schwebenden Stofs mit der üblichenLascheuverbindung, während der feste Stofs nur noch vereinzeltund in Nebengeleisen auftritt. Hier findet man auch<strong>Sp</strong>aren einer alten Verbindung mit Holzlasche, welche etwa0,3 "• lang und 80""" im Quadrat stark ist Die Nothwcndigkeitder Verstärkung der Laschen wird überall anerkanntund angestrebt, und glaubt man dies Ziel am zweckmäisigstendurch Einführung der Winkellasche erreichen zu können.Die Pennsylvania-Bahn wendet auf ihren Linien inneuerer Zeit Winkellaschen dernebenstehenden P^orm an. DieLasche ist O.^;"" lang, der vertikaleSchenkel 15""" und derhorizontale 12" stark.Der horizontale Schenkelhat überdies an jedem Endo einefür einen Scbienennagel passendeEinklinküng. So gewährt diese Winkellasche nicht nur derganzen Verbindung eine gröfsere Steifigkeit, sondern verhindertgleichzeitig, indem sie sich mit ihren Einklinkungengegen zwei Schienennägel lehnt, in höchst wirksamer Weiseein Verschieben der Schienen nach der Längenrichtung. DerKostonersparnifs wegen wird in jeder Stofsvcrbindung nureine Winkellasche und zwar auf der äufseren Seite derSchiene angebracht, während auf der Innern Seite die gewöhnlichePlattenlasche beibehalten ist.Vor kurzer Zeit hat der Ingenieur Sampson eine nachso X— aa —'*\ihm benannte verstärkte Plattenlasche von vorstehendemLängenschnitt construirt und über die Haltbarkeit mehrererStolsverbindungen vergleichende Versuche angestellt, derenResultate hier mitgetheilt sein mögen.Es wurden der Prüfung unterworfen:1) eine Stol'svorbindung mit der Sampsou'sChenLasche: 2 Laschen k O.gj "* lang; ohne Bolzen 10,2^ Kg.schwer.2) eine gewöhnliche Laschenverbindung: 2 Laschenä 0;e lang j Gewicht ohne Bolzen 9 Kg.3) eine Laschenverbindung mit einer gewöhnlichenund einer Winkoilasche, 0.^'° lang; 4,5 + 9^ 13,5 ^K* schwer.


437 Blanck, lieber den Bau der Eisenbahnen in den Ver. Staaten von Nord-Amerika. 4384) eine Lascheuverbindung mit 2 Winkellaschen,0,6" lang, 15 Kg. schwer.Die Prüfung geschah bei einer Temperatur von 16"* R.und unter Anwendung von neuen Stahl schienen.Die Haltbarkeit in Procenten ausgedrückt ergab folgendesResultat:A- für die Elasticitätsgrcnze reßp. bleibendeDurchbiegung:No. 1 100,00 \- 2 38,^« -3 46, •517B.- 4 115,38für die Bruchgrenzo:No. 1 100,00' 2 78,«,- 3 ßlno- 4 118,,,Bei vergleichsweiser Erwägung der Kosten und derHaltbarkeit verdient hiemach die Sampson'sche Laschenverbindungdon Vorzug vor allen andern, zamal die Fabrikationdieser Laschen keine besonderen Schwierigkeiten verursachensoll.Schraubenbolzen und Schienennägel der amerikanischenBahnen zeigen die gewöhnlichen Formen, Eine Verwendungvon Schraubennägeln (tirefonda) statt der Schienennägel findetnirgends statt. Zahlreich , aber bisher ohne wesentlichenErfolg, sind die vielen Versuche, welche von den einzelnenEahnverwaltungen angestellt worden sind, um das Losowerdender Schraubenmuttern zu verhüten. Abgesehen von elastischenkleinen Buckelplatten oder Stahlringen, die manzwischen Schraubenmutter und Schienensteg anbringt, sei hiernur ein häufig vorkommendes ünterlagsstück angeführt, wie-/ü---k/7 XOS in vorstehender Skizze angedeutet ist. Dasselbe bestehtzunächst aus einer gufseisernen Hülse Ä; in dieselbe wirdein Gummiring h und auf diesen die gebuckelte Eisenplattec gelegt. Durch die schwache Umbiegung dreier kleinerKäsen, welche an der Hülse tt angebracht sind, werden alledrei Theile zusammengehalten. Die kleinen Lappen d derHülse a stützen sich gegen den Schienenfufs und verhindernein Drehen dos ganzen Zwischenstückes beim Anziehen derS chraub enmutter.Die Dauer der Wirksamkeit dieser Zwischenstücke hängtoffenbar von der Haltbarkeit der Gummiringe ab. SichereAngaben hierüber hat keine Bahnverwaltung gegeben, dochlassen die vielfachen Anpreisungen derselben auf der Ausstellungzu Philadelphia sie empfehlenswerth erscheinen.Welchen.Den schwächsten Punkt in den amerikanischen Geleisanlagenbilden die Weichen, und wenn durch dieselben nichtmehr Betriebsunfälle herbeigeführt werden, als es thatsäch^lieh der Fall ist, so mufs dies Verdienst neben der Achtsamkeitdes Stationspersonals, vorzugsweise der aufserordentlichvorsichtigen Fahrt der Locomotivf(ihrer zugeschriebenwerden.Auf allen Bahnen findet fast ausschliefslich die Schleppweicheeinfachster Constmction Verwendung; daneben trittdie Kreuzweiche auf, während man die Vorzüge der englischenWeiche nicht anzuerkennen scheint, und von derenEinführung bisher Abstand genommen hat[


439 Blanck, Ueber den Bau der Eisenbahnen in den Ver. Staaten von Nord-Amerika. 440unversehrt erscheinen, so trägt man gegen deren umfangreichereVerwendung kein Bedenken. Die Züge Jassirendiese sogenannte Sicherheitsweiche (Loi-enz safcty switch)mit jeder beliebigen Geschwindigkeit.Noch einer neuen AVeichenconstruction niufs hier gedachtwerden, deren Modell nicht nur auf der Ausstellungallgemeine Aufmerksamlieit erregte, sondern deren Annahmevon Seiten mehrerer Bahnverwaltungen auch bereits gesichertist. Es ist dies die nach ihrciu Erfinder benaunte Wharton'spatentirte Sicherheitsweiche (Wbaiton's patent safetySwitch).Der Hauptvorzug dieser Weiche besteht in der ununterbrochenenDurchfülirung beider Schicnensträngo des Ilauptgelcises.Die Figur auf Blatt Q zeigt die geschlossene"Weiche. Um nun bei geöffneter Weiche die Züge aus demeinen Geleis in das andere überfühi-en zu können, hat dieOberflache der Zungenschienen eine convexc Gestalt crhaltcn.Die Wagenräder steigen demgemäfs allmälig zu solcherHöhe an, dafs die Flanschen der Räder bequem über dieHauptgeleise hinweggehen, und werden dann ebenso auf dasgewöhnliche Niveau der Schienenoberfläche wieder hinabf^eleitet.Die Höhenlage der Schienen zu einander ist inden daneben angedeuteten Querschnitten klar gelegt. Eigenthümlichist die rinnenartigo Form der sogenannten spitzenWcjchenschiene (pointed switch rait), welche zur Führungdes Radflansches dient. Hierdurch wird das geleitete Radseitwärts gedrängt, und die Lauffläche des correspoudirendcnHades mufs auf den Kopf der zweiten Weicheuschiene aufsetzen,so dafs die üeberführung über die Schienen desHauptgeleises in glcichraäisiger Weise und, wie die Erfahrunglehrt, ohne Stöfse uud Schläge erfolgt.Um die Radflanschen möglichst frühzeitig zu fassen, istdie spitze Weicheuschiene länger gemacht, als die andereSchiene. Die Zwangsschiene A hat lediglich den Zweck, denLauf der Rätler zu sichern, während 7? an dem einen Endebeweglich ist und mit den Zugstangen der Weiche durcheinen Hebel in Verbindung steht. Ist die Weiche nun etwafür das NeboHgeleis geöffnet, und es kommt ein Zug aufdem Hauptgelcise in der Richtung des Pfeiles an, so drücktder Radflansch die Zwangsschieno bei Seite; vcrmiige desHebels wird die Weiche geschlossen und das Hauptgeleisfür alle nachfolgenden Züge frei gemacht.Von besonderem Werthe ist die Weiche für Hauptbahnen,an die, wie z. B. in Kohlenrevieren, viele Zweigbahnenangeschlossen werden sollen, weil dies geschehen kann,ohne die Schienen des Hauptgelclses mit alleiniger Ausnahmean der Stelle des Herzstückes zu durchbrechen.Herzstücke und Geleiskreazuug-en.Herzstücke und Geleiskreuzungen zeigen keine von dengewöhnlichen Constmctionen abweichenden Formen -, jedochverdient hervorgehoben zu werden, dafs man den Herzstückenaus Stahlschienen den Vorzug vor solchen aus Gufsstabl oderPlartgnfs giebt nnd seit einiger Zeit in den Hauptgeleisennur die orsteren verwendet.Die Skizze auf Blatt Q stellt ein Herzstück aus Guisstahlschienendar, welches der Pennsylvania-Stahl-Compagniepatentirt ist und von ihr für mehrere grofse Bahnverwaltungengeliefert wird.In Folge der häufigen Bahnkreuzungen im Niveau istman genöthigt, der Constmction der Geleiskreuzungen einegrolse Sorgfalt zuzuwenden. Auf Blatt Q ist eine Gelciskreuzungderselben Fabrik gegeben, die sich trotz ihrerscheinbar sehr complicirten Constructiou im Gebrauche bewährthaben soll. Auf den Schwellen liegen zunächst dünneEisenblechplatten, darüber eine hölzerne Bohle, welche selbstals Unterlager für eine groTse schmiedeeiserne Platte dient.In der ObertläcbG dieser Platte befinden sich entsprechendder Schieuonlage Rinnen, welche mit Leder oder Gummistreifenausgefüttert werden, um auf diese Weise ein möglichstelastisches Auflager für die Schienen zu erhalten, X>icvier Schnittpunkte der Schiencngestäuge werden durch eingelegtegulseiserno Zwischenstücke in ihrer Lage unverrückbargehalten.Dieselbe Fabrik fertigt ähnliche Geleiskreuzungen, beidenen jede Unterlage fohlt; die Schienen werden vielmehrdirect auf den Schwollen mittelst gewöhnlicher Schienennägelbefestigt. Um jedoch der ganzen Kreuzung eine genügendeFestigkeit zu verleihen, sind nicht nur die Schnittpunkteder Gestänge, sondern die ganzie Schieneulage derKreuzung mit gurseisernen Zwischenstücken ausgefüttert unddurch eingezogene Bolzen gegen einander gesichert.Querschnitt nacliDie Befestigung der Zwangsschienen und Verbindungderselben mit der Schiene zeigen meist keine ungewöhnlichenConstructioncu. Vorstehend ist eine Verbindung gegeben,die weniger bekannt sein dürfte; sie wird von mehreren dortigenBahnverwaltungen angewendet und soll sich auch bewährthaben. An die uufseren Seiten beider Schienen werden gul'seiserneSchuhe angelegt, und dieselben durch einen unter demSchicnenfufs durchgeführten starken Bolzen zu einem unveixückbarenGanzen verbunden. Es ist einleuchtend, dafs der vondem Kadflaiisch auf die Zwangsschienc ausgeübte Seitendruckauf den Bolzen übertragen wird und dessen relative Festigkeitin Anspruch nimmt. Dies macht den Werth der ganzenConstructiou zweifelhaft und stellt sie jedenfalls einer Verbindunghintenan, welche die Lago der Schienen zu einandermittelst Bolzen sichert, die durch den Steg der Schienengezogen werden.Weg'eUbergäng:^.Aus ökonomischen Uücksichten werden die Wegeübergängemeist im Mveau übergeführt. Zur Sicherung derUcberfahrt für Laudfuhrwcrk werden dieselben in der bekannten"Weise mit Bohlenbelag befestigt.Aber auch hier macht die Neuzeit ihre Ansprüche geltend,und man sieht sich genöthigt, frequente UeborgängeAli.


Zeits chrift. f.Bauweseii <strong>1877</strong>.Sidiorheitstfeiche, Patput Lorenz.c -n"WKa.rtoii's Weiclic.Jalu-g.XW.Bl.a.A- BHerzstück ans StalilscMenen.diierschiiilt.(}eleisltreu2iiajj der PeiLiisvlvania-Sl


441 Mefsinstrument von Bohne. 442durch UeberführuBgen zu ersetzen. Letztere werden vorzugsweisein Eisen hergestellt und erreichen dann auf Bahnhöfen,wie in New-York, Altoona u. a., die Dimensionen grofserBrücken. Die anschliefsenden Wegeübergangsrampenerhalten ortsübliche Steigungen.Anzeiger.Gradienten oder Neigungszeiger fehlen; dagegen findetman überall Meilenanzeiger und ca. 100"" vor den Bahnübergängen,oder an Stellen, wo die freie Aussicht für denLocomotivführer behindert ist, Tafeln mit der Aufschrift:„W" (Wistle = pfeifen).Einfriedigungen.Barrieren zum Verschlufs der Wegeübergänge kennendie Amerikaner selbst da nicht, wo die Bahn durch belebteStrafsen grofser Städte führt. Hier wird höchstens ein Invalideder Bahnverwaltung postirt, welcher mit einer weifsonoder rothen Fahne in der Hand sowohl dem Publikum, wieden Zügen charakteristische Zeichen für die Passage giebt.Ueberdies sind zur Warnung des Publikums Tafeln aufgestelltmit Inschriften wie „Lock out for the Locomotive"oder ähnlichen.Eigenartig erscheint die umfangreiche Verwendung hölzernerZäune, welche überall, selbst in den weiten unbewohntenGegenden zu beiden Seiten der Trace das Bahnterraineinfriedigen. Diese meist in einer Zickzacklinie undin primitivster Form aufgeführten Zäune sollen einmal dieGrenze des Bahnterrains bezeichnen, sodann auch namentlichRindviehheerden von dem Betreten des Bahnkörpers abhalten.In letzterer Beziehung haben sie gewissermafsen denselbenZweck, wie die Kuhfänger (cow catcher) der Locoraotiven..(Schlufs folgt.)Anderweitige bauwissenschaftliche Mittheilungen.Tascheiiinstriiment zum Mvelliren und Wiiikelmessen,Vom Baumeister Bohne in Charlottenburg ist ein Taschen-Niveau erfunden und construirt worden, welches zu Terrain-Recognoscirungen und schneller numerischer Vergleichung derHöhenlage aller terrestrischen Punkte eines vorliegendenGesichtsfeldes, Aufnahmen von Versuchs- und Quer-Nivellements,der Horizontal-Schichtlinien etc. behufs bautechnischerVorarbeiten, zu nivellitischen Bestimmungen auf der Baustelle,behufs Berechnung von Erdausschachtungen, horizontalerAnlage der Fundamente etc., überhaupt zu kleineren undder gröfsten Genauigkeit nicht bedürfenden Nivellements sichwohl eignen möchte.Das Instrument, welchesbeistehenderVertikalschnitt innatürlicher Gröfsedarstellt und dasincl. Etui nur ca.300 Gramm wiegtund somit bequemin der Tasche tragbarist, bildet imAeufsern einen nur5 Va'" hohen, 472'"^weiten cylindrischen,zur Durchsicht mitzwei parallelen PlangläsernversehenenBehälter, in dessenInnern die Visireinrichtungsich befindet.Dieselbe besteht,der des Präcisions-Nivellir - Instrumentsanalog, aus einemkleinen Galiläischen,also terrestrischenFernrohr von 28"" Länge, welches im 2272 Gmd weiten Gesichtsfeldenahe und ferne Gegenstände ohne Verschiebung desOculars gleich günstig zeigt, und ferner aus einem Glas-Mikrometermit Linienkreuze, welches lothrecht in 40 Theile zu Yd"'"'getheilt, durch das eigenthümlich construirto Concav-Oculargleichzeitig vergröfsert erscheint. Es wird nämlich die Aufgabe, im Galiläischen Fernrohre ein Visir anzubringen, dadurchin praktischer Weise gelöst, dafs das Ocular wie einAchromat aus 2 Linsen, und zwar aus einer planconvexenund einer centrisch fein durchbohrten Bicoxicavlinse combinirtist, durch welche Bohrung die Convexlinse, deren Oeffnunggeringer als die halbe Brennweite, mittelst des einenTheils der Pupille als Mikrometerlupe wirkt, während dasAuge durch den übrigen Theil der Pupille das optische Bildder terrestrischen Gegenstände erblickt. Dabei mufs einkurz- oder w^eitsichtiges Auge die ihm sonst zur normalenSehweite erforderlichen Augengläser anwenden, wenn nichtausnahmsweise die ihm convenirende Linse unmittelbar indie Behälterwandung statt des Ocular-Planglases eingesetzt ist.Der im Innern befindliche Apparat ist mittelst einerCardanischen Aufliängung an der Deckplatte befestigt, so dafssich die Visiraxe des Fernrohrs nach geringer Zurückdrehungder dm'ch den Griff gehenden Arretirungsschraube bei ungefährlothrechter Haltung des Instruments, auch wenn es infreier Hand gehalten wird, fast augenblicklich horizontal, diezur Winkelmessung dienende Mikrometertheilung vertikalstellt. Dabei lassen sich die von der Hand auf das Instrumentübergehenden momentanen Pulsationen nach Bedarfermäfsigen, wenn es dabei gegen die Augenhöhle, bezüglichgegen das Augenglas gelehnt wird. Andernfalls kann diepräcise Einstellung des Visirs durch leises Erschüttern desselbenbegünstigt werden.Bei zusammengesetzten Nivellements ist behufs dererforderlichen cgnstantcn Visirhöhe ein c. 1,,-,"" langer Stab,welcher am obern Ende zur Einsteilung des Griffs eineBohrung oder Hülse enthält, hinreichend. Auch kann bei


443 ArcMtekten - Verein zu Berlin. 444Gelegenheit, z. B. auf der Baustelle, das dazu vorbereiteteEtui als Stativ dienen. Werden dann gleichzeitig NivelUrlattcnbenutzt, deren Decimeter abwechselnd schwarz undweil's,. wie die halben und ganzen Meter für die Fernsichtmarkirt sind, so lassen sich von denselben bei zwcckmäfsigemGebrauche des rectificirten Instrumenta die Maafse nochin Entfernungen von etwa 60 bis 80"" mit einer durchschnittlichenGenauigkeit von 1"" ablesen.Die mathematischen Verhältnisse, denen das rectiticirteInstrument aufserdcm durch die Mikrometertheilung zu "Winkelmessungenentspricht, sind im Deckel des Etuis besondersangegeben.Unter Berücksichtigung der Lichtbrechung des benutztenCrownglases ist der Vergröfserungswinkcl des Fernrohrs, dieBrennweite der MikromctorUnse, sowie die Theilung undStellung des Mikrometers so berechnet, dals die Oberkanteder Isten, 2tcn, 3ten • • • 20sten Linie über oder unterder durchgehenden Horizontal-Mittellinie die Steigungen oderGefillle des Terrains 10 pro mille, 20 p. m., 30 p. m. • • •200 p. m., oder die Tangenten 1, 2, ;^, • • - 20 der zugehörigenHöhen - und Tiefen-Winkel, sowie letztere in Gradenannähernd ;= —--• = - + -- , 2- B. die Oberkante derIsten Linie die Höhen- oder Tiefen - Winkel =0**34^10 - - = 5043'20 -= und'angiebt.Nach centrischer Arretirung des innem Apparats lassensich ferner in ähnlicher Weise auch horizontale und schiefeWinkel bis 2273" und gröfsere durch geeignete Zerlegungbestimmen.Zugleich crgicbt das Instrument als Distanzmesser ausdem von 10 oder irgend einem der Mikrometerintervalle aufder Nivellirlattc abgeschnittenen Maafse H die Entfernungder letztern — 10 5" oder 100-ZT".Ebenso ergiebt es die Höhe oder Tiefe eines von derHten Linie geschnittenen terrestrischen Punktes, eines Berggipfels,Thurms etc., dessen Horizontalentfernung £ aus derKarte oder durch Messung bekannt ist,oder unter der Horizontalen.E • n= 100Meter überEndlich kann die vertikalkreuzende Linie der Theilungzum Ablothen dienen und letztere sowohl in vertikaler alshorizontaler Lage dem Zeichner perspectivische Aufnahmenerleichtern.Am Abend des 13. März hatten sich auch in diesemJahre zur Feier des Schinkelfestes zahlreiche Verehrer undFreunde des unvergefslichen Meisters versammelt, doch nicht,wie sonst, in gemiethcten Räumen; zum ersten Mal wurdedas Fest in dem eigenen Hause des Architekten-Vereinsbegangen, ein Umstand, welcher gerade bei dieser Feierwohl jedem Vereins-Mitgliede als besonders werthvoll erschienensein möchte. Ist doch das Schinkelfcst nicht allein derErinnerung an den grofscn Meister gewidmet, sondern gleichzeitigauch der Schlufspunkt der jährlichen Thätigkeit desArchitekten - Vereins und mithin der Tag, an welchem alljährlichüber die in dem vergangenen Jahre durch denVerein geleistete Arbeit sowie über den Verein berührendeEreignisse Bericht erstattet wird, mit einem Wort: das jährlichwiederkehrende Hauptfest des Architekten-Vereins. —Der etwa 330 Theilnehmer umfassenden Fest-Gesellschaftwaren sämmtliche Räume des Hauptgeschosses desArchitekten-Hauses geöffnet. la dem grofsen Saale, in demdie eigentliche Feier stattfand, war an der Fensterwand,mit grünem Buschwerk umgeben, die Colossal - Büste Schinkelflaufgestellt. Zu den Seiten hatten eine Anzahl bildlicherDarstellungen, welche einen Theil der bei den Ausgrabungenzu Olympia gewonnenen Resultate zur Anschauung brachten,Platz gefanden. In dem vorderen kleinen Saale warendie zum Feste eingegangenen Concurrenz-Entwürfe ausgestellt,wobei nur zn bedauern war, dafs die Beleuchtung nichtaberall ausreichte, um die aufgehängten Zeichnungen genügendbesichtigen zu können.Mittheilungen aus Vereinen.Architekten-Verein zu Berlin,Scliinkelfest am 13. März <strong>1877</strong>.Etwa um 7V2 Uhr eröffnete der Vorsitzende des Architekten-Vereins,Herr Baurath Hobrecht, die Feier mit dernachstehenden, die Ereignisse des verflossenen Jahres betreffendenRede;„Hochgeehrte Versammlung!„Heute zum ersten Mal ist es dem Vorsitzenden diesesVereins vergönnt, den, wenn auch stets wiederkehrenden,so doch an Herzlichkeit nicht verminderten Grufs und Willkommzum Schinkelfeste in eigenen Räumen Ihnen zuzurufen.Was vor einem Jahre noch in Aussicht war, aber, alsbeschlossen, vor seiner Verwirklichung stand, ist Wirklichkeitund Thatsache geworden; dieses Haus, das schon unserwar, ist fertig gestellt und seinem Zwecke übergeben worden;seine Räume sind entweder von uns selbst bewohnt,oder sie haben die Verwendung gefunden, für welche sieursprünglich bestimmt wurden.Kaum Etwas bei Kauf, Ausbaa und Beziehung diesesHauses, das nicht von Anfang an in Rechnung gezogen undvorgesehen war, ist eingetreten.Dank unsem Architekten Ende und Boeckmann,welche das Hans geplant, gebaut und geschmückt haben, —Dank unserer Baucommission, welche sich mit genug Geschickin die ihren Mitgliedern meist fremde Rolle des Bauherrnhineinfand, — Dank unserm Baurechnungs - RevisorSchwatlo und unserm Kassenführer Ernst, vollendete sichdas Haus.


445 Schinkelfest am 13. März <strong>1877</strong>. 446Dank der Hauscommission, unsern Freunden Äppelius,Hancke und Ernst, — Dank der Bauausstellangsconimission,vor Allem dem Ausschurs derselben, den Herren Kyllmann,Luthmer und Kühnemann, hat die Benutzung desvollendeten Hauses begonnen.Mit nüchternem Blick, unverzagt aber doch stets achtsamauf möglicherweise verborgene Klippen und Gefahren,soll Neues begonnen, in neue tief eingreifende Verhältnisseeingetreten werden. Der Ausdruck festlicher Freude bleibtgut für den Tag vorbehalten, da man auf Glücklich - Erreichtesrückwärts blicken kann. Wenn ich vor einem Jahreau dieser Stelle solcher Freude Ausdruck geben konnte, dafs,Dank der Opferwilligkeit des Vereins, der Besitz und Ausbaudes eigenen Hauses eine theUs vollendete, theils vollkommengesicherte Thatsache sei, so stehen wir heute am Beginnder Aufgabe, den Beweis zu führen, dafs der Besitz diesesHauses den Verein kräftige und hebe, ihn nicht von seinenwahren Zielen ablenke, vielmehr ihn denselben zuführe, dafser den Verein nicht nur an äufsereni Gut mehre, sondernvor Allem die innere treue Zusammengehörigkeit seiner Mitgliederbefestige. Möge nach Jahren Derjenige, welcherdann an diesem Tage an dieser Stelle stehen wird, in derLage sein, das Beste nicht als Erwartung, sondern alsThatsache zu berichten. Mögen dafür ein gutes Omensein die gnädigen und herzlichen Wünsche, welche bei Besichtigungdieses Hausos Se. Majestät der Kaiser, unser allverehrterHerr, von dem man sagt, dafs selbst das unbeständigstealler Elemente, das Wetter, nicht umhin könne, seinemWunsche zu gehorsamen, an uns richtete.Das vergangene Jahr, auf das ich zurückblicke, zeigtuns in dem herausgegebenen Werke „Berlin und seineBauten", welche Leistungen der Verein mit voreinten Kräftenund vereintem guten Willen zu vollbringen im Standeist. Aus der Thätigkeit so vieler Vereins-Mitglieder, ausder zusammenfassenden Sichtung, Ordnung und Gestaltungdes noch ungefügen Materials Seitens der Redactions-Commission,deren Mitglieder Mellin, Fritsch, Ernst, Orthund Koch ich hier dankbar zu nennen nicht unterlassendarf, ist ein Werk hervorgegangen, welches die allgemeinsteAnerkennung gefunden hat, — so bei Sr. Majestät demKaiser, welcher die Widmung desselben AUergnädigst anzunehmengeruht hat, bei Ihren K. K. Hoheiten dem Kronprinzenund der Kronprinzessin, wie auch in allen denKreisen, welche wir entweder als besonders Fachkundigebezeichnen dürfen, oder welchen durch ihre Stellung in derVerwaltung das Werk zu einem unentbehrlichen Handbuchgeworden ist. —Aus dem Vereinslebeu berichte ich:Die Mitgliederzahl besteht aus506 Einheimischen746 Auswärtigen1252 zusammen.Neu aufgenommen worden:124 Einheimische18 Auswärtige142 zusammen.Ausgeschieden sind:2 Einheimische8 Auswärtige10 zusammen. ,Durch den Tod verlor der Verein folgende 19 Mitglieder:Geh. Reg.-Eath Georg Erbkam Berlin,Geh. Ober-Hof-ßaurath Ludwig Hesse Berlin,Geh. Reg.-Rath Neuhaus Berlin,Bauführer Winkelblech Berlin,Geh. Reg.-Rath Gottlob Engelhardt Münster,Kreis-Baumeister Herm. Franke Burg,Bauinspector Carl Hauptmann Potsdam,Bauführer August Herrmann Emanuelsegen,Reg.- und Baurath Heinrich Hipp Ehrenbreitenstein,Geh. Reg.- und Baurath Eduard Junker Limburg a/L.,Baumeister Herm, Kayser Liegnitz,Geh. Ober-Baurath Eduard Koch Thale a/Harz,Kreis'Baumeister Leopold Maier Pleschen,Ober-Ingenieur Gustav Mengel Stade,Baumeister Gustav Neumann Posen,Geh. Reg.-Rath Theodor Stein Stettin,Baumeister Bartholo Usinger Mainz,Bauführer Otto Weger Mentone,Baumeister Eduard Wiebe Marienburg.Der Verein hat im Laufe des Jahres12 Hauptversammlungen18 gewöhnliche30 Versammlungen zusammen abgehalten.l'd Excursionen, darunter eine mit Damen, fanden imLaufe des vergangenen Sommers statt.An Schinkel-Concurrenzen sind eingegangen;im Landbau: Entwurf einer Bauakademie 7 Entwürfeim Wasserbau: Entwurf einer Wasserleitung fUrCharlottenburg 3 Entwürfezusammen 10 Entwürfe.Den 1. Preis erhielten:im Landbau; Bauführer Carl Moritz aus Berlin für dieArbeit mit dem Motto: „Sandstein IL";im Wasserbau: Bauführer Adolf Seidel aus Neifse für dieArbeit mit dem Motto: „H. 0.".Die Schinkel-Medaille erhielten:im Landbau: Bauführer Adolf Härtung aus Magdeburgfür die Arbeit mit dem Motto: „Vivat crescatetc.";im Wasserbau: Bauführer Carl Kühne aus Neustettin•für die Arbeit mit dem Motto: „Rast ich sorost ich'*,Bauführer Oscar Teubert aus Heilsbergfür die Arbeit mit dem Motto: „M. A.".Als Probearbeiten für das Baumeister-Examen sind vonder Königl. Technischen Bau-Deputationim Landbau: 4 Arbeiten unbedingt,2 Arbeiten bedingt,im Wasserbau: sämratliche 3 Arbeiten unbedingtangenommen worden.An Monats-Concurrenzen sind eingegangen:im Landbau: 54 Entwürfe auf 114 Blatt,im Wasserbau: 9 Entwürfe auf 13 Blatt


447 Architekten-Verein zu Berlin. 448Bas Andenken erhielten;im Landbau: 18 Entwürfe,im Wasserbau; 3 Entwürfe.5 Concurrenzen waren für wirkliche Bauausführnngeubestimmt.Die Äusgabeu des Vereins betrugen 39896,s,3 M.- Einnahmen - - - 40923,gp -Die Kosten des Hauses haben incl. Ausstattung betragen84-1985,25 M."Hieran sclilols sich die Vertheilung der Schinkel-Medaillenan die Sieger in den diesjährigen Scliinkel - Concurrenzen,Dieselbe erfolgte, da der Herr Handels - Ministerleider verhindert war, an dem Feste Theil zu nehmen, durchHerrn Ministerial-Director Wcishaupt, welcher dabei mit^\urmen Worten neben dem Streben nach weiterem Fortschreitenim Fach Vüruehmlich die Pflege eines gesundenCori)Sgeistes als besonders wünsclienswerth zur Erreichungeiner ehvenvelleu Stclhmg im Staate und im socialen Lebenempfahl.An diese mit Beifall aufgenommene Ansprache knüpfteder Vorsitzende noch eiiüge Worte, worin er unter Hinweisauf die Bedeutung der Schinkclfcst-Concurrcunen für denYerein den Wunsch aussprach, es müge den Siegern auchbei ihren ferneren Bestrebungen noch öfter vergönnt sein,einen ähnlichen Erfolg wie dies Mal zu erreichen.Nunmehr begann der Festredner, Herr Professor Adler,seinen Vortrag wie folgt;„Hochgeehrte Fcstversammlung!„Unser Verein — so jung er ist — hat doch schonseine Geschichte. Geboren als ein echtes Kind des Volkesin knappen Verhältnissen, liat er sich durch Fleifs und EintrachtSchritt für Schritt heraufgearbeitet zu einer bescheidenenaber anerkannten Stellung im Vaterlande. Hinterihm liegen — schon halb in Nebel gehüllt — die sorglosenKinderjahre, überstanden sind auch die sauern Lehrjahre unddie noch mühevolleren 'Wanderjahre. Mit der Gründungeines eigenen Heerdes im festen Daheim ist ein neuerV^ondepunkt eingetreten; „Die Meistcrjahre beginnen!" Hoffentlichdauern sie lange und wirken segensreich für unserFach, welches mit der ewigen Natur wie mit der Geschichteder Menschheit unlöslich verbunden ist.Aber nicht Mos die Ärbeitsthätigkcit des Vereins,auch seine Festthätigkelt hat schon eine Geschichte. DasSchinkelfest steht obenan: ein Gedenktag an den Meister,der der Kunstgeschichte angehört, ein Tag des Wiedersehensftlr Collegen und Freunde, ein Tag des Lichtes und derWärme, womit uns der kommende Frühling begrüfst.Dank der Anregung dieses Festtages liat sich um Schinkel'sLeben und Werke schon eine kleine Literatur gesammelt,in der die Hausgenossen zahlreich vertreten sind unddie Hausfreunde den Ehrenplatz einnehmen. Doch kanneinem Vereine, dessen Lebensaufgabe die stete Verbindung,die gegenseitige Förderung von Theorie und Praxis ist, nichtmit der Forschung und Auslegung allein gedient sein, erbedarf auch der schöpferischen Arbeit. Deshalb entsprangvor Jahren hier der Gedanke, dem Feste eine besondereWeihe, dem jugendlichen Streben neue Impulse zu leihendurch die Einführung von Wettkämpfen und die feierlicheProklamirung der Sieger am Geburtstage des Meisters. Heutsind 25 Jahre vergangen, dals in unserm Kreise ein ersterSiegeskranz verliehen wurde; die damalige Festrede lautete:Zum ersten Kranze. Dafs jene Anregung auf einen gutenBoden gefallen ist und dem Vorcinslcben neben mancherArbeit Jabr für Jahr auch reichen Segen gebraclit hat, dafürsprechen die gefüllten Mappen unsrer Bibliothek besser, alsdas vorhallende Wort des Redners. Auch das Schinkelfesthat gewonnen, weil zu der Pietät für die Vergangenheitauch die Pflege der Zukunft und die Anerkennung in derGegenwart getreten sind.Und in Wahrheit — was ist förderlicher und gesunderfür Geist wie Phantasie, als ein fröhlicher Wettkampf unterAltersgenossen mit gleichen AVaifen auf demselben Boden undunter derselben Sonne V Nur in der frischen lebendigenThätigkoit, im steten Hinblick auf Kämpfer und Mitstreiterrechts und links, steigern sich die Sicherheit des Augeswie die Fertigkeit der Hand^ an der Vergleichung der vollendetenArbeiten reift das Vcrständnifs, befestigt sich dasUrtheil. So wird der wiederkehrende Wettkampf ein Erziehungs-und Bildungsmittel für die jüngeren Geschlechter,ein Quell der Belehrung und Anregung für die Alten; immerbildet er einen neuen und dauernden Kitt im Leben undWirken des Vereins.Was aber von dem kleinen Kreise gilt, gilt auch vondem greisen, ja gröfsten Lehenskreise, dem des Volkes.Auch sein Leben wird gefordert durch Wettkämpfe. Welch'eine Rolle spielt der internationale Wettstreit durch öffentlicheAusstellungen in der Gegenwart. Naturprodukte wiedie Erzeugnisse der menschlichen Arbeit, vom rohestenMachwerke bis zur höchsten Kunststufe, alles wird herbeigeführt;selbst der Occan bildet keine Schranke für dasStelldichein der Völker. Jeder Sieg wie jede Niederlageverdoppelt die Anstrengungen der Kämpfer; um Ruhm, umAnerkennung kämpfen die Einen, um Märkte, um Absatzgebietedie Anderen.Stiller und geräuschloser, wenn auch nicht minder fruchtbarverlaufen die Wettkämpfe auf dem Gebiete der Wissenschaft.Auch hier giebt es Bahnen, auch hier winkenPreise. Hoch über dem Urtlieile der so leicht verkleinerndenZeitgenossen schwebt als der schönste Siegeskranz,der Dank der Nachwelt.Ein solcher nationaler Wettkampf hat begonnen in unsernTagen, vollzieht sich vor unsern Augen; durch die Gunst desSchicksals sind wir Techniker berufen, das grofse Werk mitRath und That fördern zu helfen. Es ist die planmäfsigeAusgrabung und wissenschaftliche Erforschung des alten heiligenFestplatzes der Hellenen, der Altis zu Olympia in Ehs.Der Gedanke selbst ist ein deutscher Gedanke, ein VermächtnifsWinckelmann's, des Altmeisters in der Alterthumswisscnschaft,des Vaters aller Kunstgeschichte. Am 13. Januar1768 schreibt er an seinen Freund Heyne nach Göttingen;„Eine Nebenabsicht meiner Reise ist, eine Unternehmungauf Elis zu bewirken, das ist: einen Beitrag, um daselbstnach erhaltenem Ferman von der Pforte, mit 100 Arbeiterndas Stadium umgraben zu können. Sollte aber StoxjpaniPapst werden, so habe ich niemand, als das französischeMinisterium und den Gesandten bei der Pforte dazu nöthig;denn dieser Cardinal ist im Stände, alle Kosten dazu zugeben. Sollte aber dieser Anschlag auf Beitrag geschehen,


449 Schinkelfest am 13. März <strong>1877</strong>. 450so wird ein Jedfir Thcil an den entdeckteii Statuen bekommen.Die Erklärung hierüber ist zu weitläufig für einenBrief und mufs mündlich geschehen. Was Jemand ernstlichwill, kann alles möglich werden und diese Sache liegt mirnicht weniger am Herzen, als meine Geschichte der Kunst."Weder das Eine noch das Andre sollte er erleben. FünfMonate später erlag er in Triest dem Mordstahle eines Räubers.Aber jener so vertraut ausgesprochene Gedanke starbnicht mit dem Urheber; seine Werke, vor allen die Kunstgesclnchto,hatten gezündet in den Kreisen der Gelehrten,Künstler und Kunstfreunde. Bald überzeugte man sich, seinerSehergabe vertrauend, dafs nicht in Rom ausschliefslichdie Quelle für die Erkonntnifs des Kunstschönen flösse.Unter-Italien und Sicilien bärgen ähnliche und — ältereSchätze. Und über beiden damals so wenig gekannten Ländernstand Griechenland, hoch wie ein Alpen{?ebirge in duftigeNebelschleier gehüllt, nur Sonntagskindern erkennbar,für Europa fast verschollen.Langsam zwar, doch stetig wuchs jene Strömung vonJahr zu Jähr. Als endlich kurz vor dem Schlüsse des Jahrhundertsdie Poesie das klassische Ideal aufgestellt hatte, daging ein Zug tiefer Sehnsucht durch Deutschland. Wir hörenihn in Iphigeniens Worten:j.Und au dem Ufer fiteh" ich lange Tage,Das Land der Griechen mit der Seele aucheud."Er lebt in der Klage der Ceres, er durchzittert das eleusischeFest, die Götter Griechenlands, die Braut von Korinthund verklingt erst spät in llölderlin's Archipelagus.Was den deutschen Dichtern und Denkern versagt blieb,errang der Reise- und Forschungstricb der Engländer- Lange,bevor Winckelmann jene Reise nach Griechenland zu planenbegann, zeichneten schon Stuart und Kevett in Athen undzwei Jahre vor seinem Tode war es sogar schon Ohandlergeglückt, — mit dem Pindar in der Tasche — die heiligeFuhrt am Älpheios zu erreichen; der erste klassisch gebildeteReisende seit Jahrhunderten. Andere Forscher folgten:Pouqueville, Gell, Dod"well, Leake. Von ihnen wurde Griechenlandwandernd wieder entdeckt.Nachhaltiger wirkte die Verpflanzung der Parthenon-Skulpturen nach London durch Elgiu, so wie die Auffindungder Gicbelgruppen vou Aegina und des Frieses von Phigaüa.Wie traten die römischen Bildwerke, mit wenigen Ausnahmenspäte, von der Geschmacksrichtung der Vornehmenbeeinflufste Wiederholungen, im günstigsten Falle Epigonender echt griechischen Kunst gegen den einzigen Bildschmuckdes Parthenon zmück. Niemand, selbst die ersten Bildhauernicht, weder Canova noch Thorwaldsen hatten einesolche Sonnenhöhe in der attischen Kunst geahnt. Wieviel und wie lange auch die antike Kunst geschalten, esgab nur einen Gipfel — Athen zur Zeit des Perikles undPheidias.Auch Olympia, welches fortwährend kleine aber werthvolleAlterthtimer, bronzene Waffen, Geräthe und Inschriftenan gelehrte Reisende gespendet hatte, trat allmälig wiederin die Erinnerung der Kunstforscber. Wenige Jahrenachdem Dodwell die Stätte des Zeus - Tempels richtig nachgewiesen,zog Lord StÄuhope 1813 die ersten Grundlinienzu einer wissenschaftlichen Erforschung der Altis. Freilichgenügten ihm als ,^grand seigneur^^ eine rasche Triangulationder Ebeiie durch seinen Begleiter, den Architekten<strong>Zeitschrift</strong> f. Eauweson.Jahrg. <strong>XXVII</strong>.Allason und ein Dutzend Landschaften, mehr elegisch gestimmt,als charaktervoll gezeichnet. Sein kostbares und inwenigen Exemplaren gedrucktes Werk: Olympia wäre vielleichtganz wirkungslos vorübergegangen, aber das Erscheinenfiel in die Tage des griechischen Freiheitskampfes, der seitJalirliunderten die Äugen von Europa wieder dauernd nachGriechenland lenkte. Philhellenischer Wchmuth entsprachenjene Stimmungslandschaften, doch das wirklich werthvolleMaterial der Allason'schen Arbeit fand wenig Beachtung.Entschlossener handelte man in Frankreich, wo Quatreinere'sgrofses Werk: Le Jupiter Olympim (schon 1815erschienen) im Stillen fortgewirkt hatte. Man benutzte diegünstige Gelegenheit der Anwesenheit eines französischenHülfskorps nach der Schlacht von Navarin, um im Mai undJuni 1829 eine Ausgrabung an der von Dodwell nachgewiesenenEuinenstätte des Zeus-Tempels vorzunehmen. Der Erfolgwar übeiraschend; man fand den Unterbau des Tempelsvollständig erhalten; man fand Metopen und Metopenfragmente,ein herrliches Mosaik im Pronaos und — braclidennoch ab im besten Finden. Was war der Grund, sorasch aufzuhören? Die baldige Erkenntnifs, eine Sisyphus-Arbeit zu unternehmen, wenn nicht eine methodische Aufdeckungerfolge. Von den beiden Factoren, solche Erdmassonzu heben und zu transportiren, Geld und Geduld —war nicht einer vorhanden. Der blofse e?«« genügt nicht!Englands Eifer für die Erforschung des griechischenLandes schien mit dem treiflichen Leake ausgestorben zusein; noch rascher verrauchte Frankreichs Enthusiasmus.Nur der deutsche Forsch ungstrieb schwebte wie ein nachBeute spähender Adler über dem einsamen Waldthalo desÄlpheios. Die letzten Anregungen in dieser Sache fallenin das Jahr 1853. Damals crliefs Rofs in Halle, derGriechenland genauer kannte, als irgendwer, einen Aufrufan alle Männer des Deutschen Volkes, welche Griechenlandeinen Theil ihrer Bildung verdanken", an „Architekten,Maler, Bildhauer und andre Künstler", an Gelehrte, Schulmänner,Alterthumsfreunde und Kunstgönner, und bat umGeldbeiträge zur Ausgrabung von Olympia. Es kam aucheine Summe zusammen, aber viel zu klein für jene Riesenarbeit.Man untersuchte damit das Heräon bei Ärgos, gewannauch Resultate, — aber ihre wissenschaftliche Verwerthungist leider unterblieben.Ein zweiter Anlauf, den 1853 am Hofe Königs FriedrichWilhelm IV. unter Humboldt's Aegide Curtius unternahm,scheiterte trotz des persönlichen Interesses des Monarchenan dem Ausbruche des Krimkrieges. Erst die Gründung desneuen Reichs führte die Erfüllung herauf. Der erhabeneThronerbe — als Protector der Museen, benutzte eine seltengünstige Constellation von Personen und Verhältnissen,um nach grofsen Kriegsthaten für Deutschland auch in derFriedensarbeit eine Weltstellung zu erringen. Der nothwendigenLocaluntersuchung folgte der Abschlufs des Staatsvertragesmit Griechenland; die Wahl der Beamten schlofs sichan"; am 4. Oktober 1875 konnte die deutsche Arbeit aufhellenischem Boden beginnen.Mit einer seltenen <strong>Sp</strong>annung wurde der Aufdeckungentgegen gesehen, zumal in dem nächstbetheiligten Kreiseder Archäologen. Wie hätte es auch anders sein können?Hier standen die Kenner, die Vorkämpfer, die seit 50 Jahrenrastlos thätig gewesen waren, um alle Fragen, die mit29


461 Arcliitekteu - Verein zu Berlin. 452dem Namen Olympia zusammen hingen, zu stellen, zu erörternund, soweit es anging, zu beanworten.Mit einer wahren Kühnheit hatte Quatremere in seinemJupiter Olympien gleich die schwierigste Frage behandelt:Wie sah das Kunstwerk des Pheidias aus, jenes Goldelfenbeinbilddes Zeus zu Olympia, wclclies das Altcrthum einstimmigals den Gipfelpunkt aller Plastik gepriesen hat, wiewar es technisch geschaffen, wie im Tempel errichtet, wiegeschützt und beleuchtet worden? iSicht minder kühn, aberentschieden verfrüht waren die an der Hand des Pausaniasunternommenen zahlreichen Restanrations\erauche, die Rauanlageniu der Altis topographisch zu ordnen, wie solchesvon 0, Müller, von Lealte, Vysc und Curtius geschehenwar. Fast jeder sicheren Unterlage entbehrend, mufsten sieje nach der Interpretation jenes incorrectcn Schriftstellersverschieden ausfallen, ja leicht in Hauptpunkten sich widersprechen.Von einer dritten Seite waren zusammenfassendeund bis auf gewisse Grenzen abschlicfsende Arbeiten überdie Agonistik bei den Griechen, über die Wettkämpfe zuOlympia, ihre Geschichte und Siegerverzeichuisse geleistetworden.Für die immer reger betriebene Erforschung der Geschichteder griechischen Plastik bildeten die Metopen desZeus-Tempels, welche die französische Expedition entdeckthatte, eine werthvollc Erweiterung des Gesichtskreises. Sehrbald wurde in jenen Bildwerken ein von dem attischen Kunststileabweichender Charakter — der peloponnesische —erkannt. Doch war das Material für eine oindringendercErkenntniTs unzureichend.Ebenso wenig genügte das von der französischen Expeditionerworbene architektonische Material. So lange manweder die Höhenmaafse des Aeufsern noch die räumlicheGestaltung des Innern kannte, blieb jede Frage in Schwebe.Und war die Aussicht verlockend, mittels der sicherenDatii'uug dieses Tempels weitere [Aufschlüseo über die sodunkle Chronologie der griechischen Baukunst zu gewinnen,so war der Reiz noch gröfscr, andere einst in Olympia gestandeneBauwerke, theils sehr hohen Alters wie das dorischeHeräon. theils seltener Planbildung wie das Philippeion,theils ganz unbekannter Disposition wio die 11 Schatzbäuser,das Prytaucion und das Buleuteriou aufzudecken-Zu den Archäologen und Topographen, Kunsthistorikernund Architekten gesellton sich noch die Epigraphikor undNumismatik er, kleiner an Zahl aber nicht kleiner an Hoffnungenund frommen Wünschen. Und hinter dieser Coronader nächsten Freudtragenden standen — ein herzerhobenderAnblick — alle Gebildeten des deutschen Volkes. In gröiseremAbstände folgte das Ausland, hier vorsichtig reservirt,dort in wohlwollender Neutralität, an einigen Orten nicht freivon patriotischen Beklemmungen oder unverholener Mifsgunst.Die in der ersten Campagne erzielten Erfolge sind inden Hauptumrissen bekannt, bekannt auch, was zu ihrermögliehst raschen Verbreitung hinterher geschehen ist. Dererste Band eines fortlaufend geplanten Werkes ist in zweiAusgaben erschienen, die Öffentliche Ausstellung der wichtigstenGipsabgüsse hat stattgefunden ^ an 27 Kuustinstitutedes In- und Auslandes sind von Seiten der General-Verwaltungder K. Museen Gipsabgüsse geliefert worden.Nicht minder lohnend sind die Arbeiten der zweitennoch nicht abgeschlossenen Campagne verlaufen. Schon bisjetzt ist eine gleiche Anzahl von Skulpturen gehoben worden,wie im vorigen Jahre und noch liegen 2 — 3 Monatebester Arbeitszeit vor uns. Aller Widerstände ungeachtet,welche das Klima und die unentwickelten Vorhältnisse desLandes fortdauernd hervorrufen, wird es gelingen, nicht nurden Zeus-Tempel an allen Seiten auf Distanzen von 35 — 45"'frei zu legen, sondern von diesem Oontrum aus noch einenkräftigen VorstoCs nach Norden in der Riclitung auf denKronos-IIügel zu machen, um topographisclie Aufschlüssezur Feststellung des weiteren Arbeitsprogramms zu gewinnen.Wie zu erwarten war, ist auf die dunkelste Epochevon Olympia -— die nachklassische — das erste dämmerndeLicht gefallen. Bisher horte unsre Kenutnifs mit dem Jahre39Ü n. Chr. auf. Der letzten -- der 293 — Festfeier derOlympischen <strong>Sp</strong>iele, welche ein Edict des Theodosius verbot, folgte rasch der für die alte Kunst und Kultur vernichtendeEinbruch Alarich's und seiner beutelustigen Schaaron.Was zu jener Zeit an Edelmetallen und Bronze nochexistirte, ging sicher verloren. Aus den damals vom Tischegefallenen und dankbar von uns aufgelesenen Brosamenersehen wir jetzt, in welcher Fülle unsre Ahnen hier geschmausthaben.Bald darauf hat das Christeuthum seine Hand auf denalten Festplatz gelegt. Westlich vom Zeus-Tempel erhobman eine dreischiffigc Backsteinkirchc mit Narthex und Vorhalle;ihre Maafse sprechen für eiue kleine Gemeine. Esist ein bescheidener altchristlicher Bau aus der ersten Hälftedes 5. Jahrhunderts, schon mit <strong>Sp</strong>olien klassischer Kunstdurchwebt. *) Der doppelte, weil nachträglich erhöhte Fulsbodenbeweist zweierlei. Erstlich dafs die Kirche doch längereZelt benutzt worden ist und zweitens, dals schon damalseinige der furchtbaren Katastrophen eingetreten seinmüssen, welche durch langdauernde Ueberschwemmungen denalten Boden beträchtlich erhöht haben. Noch später kamenschwere Zeiten, Jahrzehnte ununterbrochener Invasion, daueniderFriedlosigkeit. Man wich von dem Kirchplatze und benutztedie Cella-Mauern des grofsen Tempels sowie die nalivorbeistreichende Ostmauer der Altis, um mittels einer Nord-,West- und Südmauer, welche aus alten BautrUmmern rohund notbdürftig zusammengepackt wurden, eine Art von Befestigungherzustellen, in deren Bezirk man sich ansiedelte.Die stattgofundene Erhöhung der Altis-Mauer durch die innerenmit <strong>Sp</strong>arrenbettungen versehenen Kranzgesimssteine beweist,dafs schon damals die oberen Bauglieder des Tempelsherabgestürzt und verschleppt worden sind. In höheremMaafse traf dies sicher die Kleinbauwerke, die Altäre, dieStatuenbaseu und ähnliche Bautheile.Und doch hat man sich des von Norden herabsteigendenBarbarenthuraa nicht erwehren können, dazu waren jeneSchaaren zu dicht und strömten unablässig. Seit der Mittedes sechsten Jahrhunderts brachen grofse mit Erdbeben verbundeneKatastrophen herein. Wieder flüchteten die Einwohner,wieder wälzte der Alpheios seine Schlammfluthen über dieMauern und Häuser. Mit der ablaufenden Fluth kamen neueVölkerschaaren, noch ärmer, noch kulturloser wie jene ersten,und richteten sich auf dem alten immer höher gewachsenen*) Wenige Tage nach der NiederacLreibung dieser Zeilen wurdedie Thatsache ermittelt, dafa die Kirche auf einer wohl erhaltenenhellenischen Ringmauer Blande, die einen heiligen Bejirkj dessen Eingangan der Oatseite lag, umßchloflsen hat.


453 Schinkelfest am 13. März <strong>1877</strong>. 454Boden ein. Sie brannten keine Ziegel mehr und verzichtetenauf den Gebrauch des Mörtels. Ihre Hütten stehen überden älteren besser gebauten, iu rohster Technik. Was nurWand bilden half, — hochkantig gestellte Platten, zerschlageneQuadern, Statuentorscn, Säuionschäfte, — alles wurdebenutzt und die Zwischenräume nothdürftig mit Lehm verstrichen.Kein Heerd ist vorhanden; den ureinfachen Geschirrenentsprechen die rohen Gräber.Noch später haben erneute und furchtbare Erdbeben denTempel in seinen Grundfesten erschüttert und die kolossalenSäulenreihen niedergestreckt wie die Glieder einer Schlachtreihe^ die Bewohner sind gcfiüchtet — aber nicht wicdcrgcltehrt.Bann folgt ein tausendjähriges Dunkel, in welcher, wiedie Höhe der Sandablagerungeu beweist, noch viele üeberscliwenimungenstattgefunden haben müssen. Zuletzt hat dieewig sprossende Natur ihr lautloses Schöpfungswerk an diesemPlatze von Neuem begonnen. Als stilles Waldthal mitvier kleinen Backstcinruinon und einer hochragenden Quadermauervom Zeus-Tempel, — so tritt uns Olympia in Chandler'sReisebericht von 1766 wieder entgegen.Aber wertlivoller als jener streifende Blick in das Chaosdes rriihmittclalters, ist der küiistlcnschc wie kunsthistorischeGewinn, den wir dem Zeus-Tempel schon jetzt verdanken.Ihn so wohlerhalten wiederzufinden, so vollständigwiederhcrsteilbar in der Zeichnung, hatte Niemand erwartet.Möglich, dafs für die innere Restauration einige Lückenbleiben werden, die Hauptsache ist aber gerettet. Der Tempelsteht in den absoluten Maafsen dem jetzigen Parthenonnahe, im relativen -Maafsstabe übertrifft er ihn. Er übertrifftihn auch — und um Vieles — in der Schönheit derVerhältnisse. Noch ein Mal tritt uns der wuchtige Ernstder altdürischen Kunst entgegen, aber von einem seltenenSchünheitssinne verklärt und geläutert. Ebenso fern von derUebertreibung, die in gleichzeitigen Bauwerken Siciliensherrscht, wie von der immer stärker hervortretenden Tendenzin der attischen Bauschule, die herbe Strenge desDorismus zu mildern, zum Anmuthigen ja Eleganten binüberzuführen,scheint der Zeus-Tempel im ästhetischen Sinneden Gipfelpunkt der dorischen Kunst zu bilden. Selbst diein der inncrn Raumgestaltung erkennbare einseitige Uebertreibungsowie einige Derbheiten in der Detailbildung änderndaran nichts.Sodann hat die Ausgrabung eine lange schwebendeStreitfrage, — Avar der Zeus-Tempel nur Fest- und Agonal-Tcmpel oder diente er auch Kultuszwecken —, im letzterenSinne entschieden. Vorn in Höhe der zweiten Stufe erhobsich auf einer grofscn Terrasse, zu welcher von dem mitQuadern gepflasterten Vorplätze eine schräge Rampe hinaufführte, ein oblonger Altar.Der ganze Bau — aus einem derben in der Nähe breeilendenMnschclconglomerate errichtet, — war aufsen undinnen mit feinem Stucke in zwei Lagen überzogen. Nurdas Dach einschliefslich der mit Löwenmasken besetztenund bemalten Traufrinne, bestand ^ius pentelischem Marmor.Das alte Thonziegeldach, von der altdorischen Kunst so erfolgreichdurchgebildet und wie die erhaltone Sima beweist,sogar am älteren Parthenon noch festgehalten, ist hier beseitigt,ja der kunstvolle Fugeuschnitt an den Deck- wiePlattziegeln beweist sicher, dafs alle diese oberen Bautheileerst dem fünften Jahrhundert angehören können, währendder Bauentwurf der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhundertsentstammt. Man hat auch hier wie so oft in Kleinstaatenmit einer gewissen Langsamkeit und Ruhe gebaut^aber rechtzeitig alle neuen Erfahrungen benutzt und zuletztdas Glück gehabt, für das Hauptwerk im Tempel, für dasZeusbild einen Pbeidias zu finden.Endlich das Wichtigste. Den verhältnifsmäfsig so kurzenAusgrabungen verdanken wir schon jetzt den gröfstenThcil des marmornen Bildschmuckes, mit welchem ausgezeichneteMeister aus attischer und peloponnesischer Schuledas Bauwerk einst ausgestattet haben. Die französische Ausgi-abnngvon 1829 hatte aul'ser zahlreichen Bruchstückendrei ziemlich erhaltene Metopen geliefert; jetzt sind dieFragmente von fünf neuen dazu getreten, darunter die dreifigurigcAtlasmetope, nach H. Brunn's Urthcil das schönsteStück der pelopounesischon Kunst, welches bisher bekanntgeworden ist. Von den zwölf Thaten des Herakles, welchedas Triglyphon über der Pronaos imd Opisthodora-Frontschmückten, sind daher acht hinreichend genau bekannt, umunter Heranziehung von Vasenbildern Restaurationsversuchezu unternehmen.Noch lohnender war der Ertrag bei Aufsuchung derSkulpturen aus den beiden Griebeln.Im Üstgiebel nennt Pausanias, wenn die acht Rosse derbeiden Quadrigen mitgezählt werden, 21 Statueji. Ob erzwei übersehen hat und 23 angenommen werden müssen,bedarf noch genauerer Untersuchung, Bis jetzt sind —mehr oder weniger gut erhalten — jene 21 wieder gefunden.Auf Grund der Pausanias-Beschreibung und desbekannten strengen Parallclismus von Gruppcncompositionen 'in der griechischen Kunst wird es möglich sein, die zahlreichenkleinen und grofsen Fragmente von kundiger Handzusammenfügen zu lassen und dadurch ein Seitenstück zuden Aegineten-GiTippen zu schaffen, welche Thorwaldsen'sMeisterhand ebenso taktvoll wie richtig ergänzt liat."Wie weit das gleiche Verfahren für den Westgiebel,dessen Composition leider Pausanias nur flüchtig beschreibt,möglich sein wird, bleibt abzuwarten. Bis jetzt sind aberalle Zeichen günstig. Schon sind acht Köpfe, di'ei Kentaurengruppenund acht Torsen der Erde enthoben. Sollten aberauch noch einige Lücken zur spateren Ergänzung bleiben,immer werden wir in wenigen Wochen den Tempel mit seinemäufseron reichen Bildschmuckc in angenäherter Vollständigkeitübersehen und so eingehend beurtheilen können,wie es bisher nur von zwei griechischen Tempeln, demParthenon zu Athen und dem Athena-Tempel zu Aeginamöglich gewesen ist.Dafs alle Sculpturen dem fünften Jahrhundert, der höchstenBlüthezeit der hellenischen Kunst entstammen, ist aufserFrage. Gleich nach Vollendung des Parthenon — 438 —war Pbeidias von den eleischen Behörden nach Olympia berufenworden, um hier das Seitenstück zur Athena, denGoldelfenbeinkolofs des Zeus zu errichten. Verwandte undSchüler begleiteten ihn; Panainos als Maler, Kolotes alsElfenbeintechniker. Dagegen ist es nicht ganz sicher, abereinige Wahrscheinlichkeitsgründe sprechen dafür, dafs gleichzeitig,— also etwa in den Jahren 437 — 32 — die Giebelgruppenangefertigt worden sind: nach Pausanias* Zeugnifsdie östliche von Paionios, die westliche von Alkamenes.29*


455 Architekten-Verein zu Berlin. 456Sollte also, wie kaum zweifelhaft, die Restauration boi-''er Gruppen glücken, so werdeu zwei der berühmtestendem Pheidias nahe gestandeneu Küustler aus jener Glanz-'poche in grofsen Werken •wieder vor uns erscheinen. IhreWiedergebui-t für die Kunstgeschichte läfst aber weitereResultate erhoffen. Aus dem Studium so grofscr Schöpfungenwird sich ein Maal'sstah gewinnen lassen (an dem esMsher gänzlich fohlte), um die noch in Athen erhaltenen,iber weder sicher datirbaren nocli auf bekannte Künstlernamenzu vcrtheilendcn Werke schärfer zu prüfen, oh nichtdie Sinnesweise, der Stil des Einen oder dofä Andern darinuachweisbar ist. Wenn ferner die Mctopen, wie wahrscheinlich,älter sind als die (ricbeli'elder und der peloponnosisciiünKunstschule entstammen, während jene trotz aller kleinstaatlichenOekoiiomie und provinziellen Maclie die kühnen Fort-^chritto in der attischen Schule veranschauliclien, so wirdes auch möglich seiti, die peloponnesische Plastik aus derZeit des grofsen Meisters Ageladas, bei welchem Piieidias,Polyklet und Myron in die Lehre gegangen sind, genauerals bisher kennen zu lernen.Aber neben so vielversprechenden Ausblicken für dieweitere Erforschung der Geschichte der griechischen Plastik,gewinnen wir in dem Zeus - Tempel das erste grofse giiccbischeBauwerk mit zwei hinreichend gut erhaltenen Giebelieldernals erwünschtes Material zu ästhetischen üntersuchun-!^cn, deren Resultate für die Kunstphilosophie wie für moderneIvunst von einschneidender Bedeutung werden können. Dietraurigen Zerstörungen , welche die Giebelgruppen des Par-Tiienon erlitten haben, besonders das östliche, behindern —^ie es acheint füi" immer — - eine sichere Erkenutnii's derursprünglichen Composition und in den beiden Gruppen vomTempel zu Aigina äut'sert sich eine ältere Kunstaufl'assmign,;ch in voller Befangenheit: es ist nur eine Lösung desselbenKunstproblcms, wenn auch in zwei Varianten. Wast'iieidias als eine fruchtbare Neuerung bei Gruppencompositionenam Parthenon schon angehahnt hatte -— der bcab-^^chtigte Gegensatz zwischen Ruhe und Bewegung in denbeiden Giebelgruppen im Osten und Westen - tritt in Olympianoch deutlicher liervor. Hier im Osten die Vorbereitungu. h. die letzten Minuten vor dem entscheidenden Wettkampfezwischen Oinomaos und Pelops, unter der Obhut des in Person—. nicht als Götterbild — anwesenden Zeus. Und dennoch,trotz aller voraus zu setzenden <strong>Sp</strong>annung in den Gemülhern,welche Sammlung, ja last foierliclie Ruhe der Krwartungdes Kommenden! Selbst die Rosse stehen wie gebannt. Istes die persönliche Erscheinung des tiöttervaters unter denMenschen, welche diese lautlose Stille iiervorruft, die hangei-]rwartung stcigcrtV Oder hat der Künstler mit der starreui;ist parallelen Aufstellung der Hauptpersonen, den Ernst desAugenblicks, wo jeder nur mit sich beschäftigt die Aul'scnueltvergilst, schärfer betonen wollen VIm Westen der Gegensatz; die durch Weingenufs beider Hochzeit des Peirithoos entzündete Brunst der haihthielischenKentauren, ihr Angriff gegen Flauen und Jungfraueuund der leidenschaftliche Kampf gegen die Wilden zur Rettungdieser. Und schon jetzt übersehen wir, dal's das alteGesetz des Parallelismus auch hier in den Gruppen festgehaltenworden ist, aber durch eine Fülle von interessantenAbweichungen in den Einzel gestalten ebensosehr aufgelöstwie bereichert Eine ganze Reihe wohlerhaltener Köpfe,Avcjblicher wie männlicher und aus verschiedenen Altersstufen,giebt uns endlich die laug erwünschte unmittelbare Anschauungvon dem Talente des Alkamenes, der unter den Schülerndes Pheidias als der erste galt.Eine Metopenreiho mit fünf Thaten des Herakles undzwei Giebelfelder mit Über 40 überlebcnsgrOlsen Statuen imLaufe von zwei kurzen Campagnen für die Kunstwissenschafterrungen zu haben, ist viel, selbst für hochfliegende Hoitnungen.Und doch ist dies nicht alles. Eine seltene Schicksalsgunstbeschcerte uns gleich im Anfange die marmorneNike des Paionios nnt ihrer hohen dreiseitigen Basis, einUnikum für die Kunst des Alterthums. Die in JicrrlichsterJugondblüthe leicht und sicher hcrabscliwobende Tochter desZeus, die den Siegeskranz bringt, welchen der Vater guadenvollverleiht, ist allen bekannt, da kein Fund solchesAufseilen erregt hat wie dieser, Mit vollem Recht, denn seitder Entdeckung der Venus von Melos, also seit 50 Jahren, hatGriechenlands Schools nichts Aehnliches gespendet. Eine imherabschwebenden Finge gedachte Jungfrau, — nicht ausErz, sondern aus Marmor, ja aus einem einzigen Blockegehauen. Nur durch die kunstvollste Massenvertheilung konntedie nöthige Stabilität gewonnen werden. Hat Paionios gradein einer solchen vor keiner Schwierigkeit zurückschreckendenSinnesweise, die mit den kühnsten Leistungen des Erzgusseswetteifert, besonderen Ruhm gesucht? Ist vor seinemAuftreten schon Aehidiches versucht worden? Welchen Einflufsübte diese merkwürdige Richtung auf die verschiedenenKunstschulen? Alles Fragen, die ihrer Beantwortung harren.Und wie woithvoU die Basis mit ihrer Inschrift, in welcherder Meister ei'zahlt, dal's er bei einer Concurrenz umdie Akroterien des Zeus-Tempels den Preis errungen. Heii'senhier Akroteria nur die Aufsätze auf dem Giebel, bestehendaus einer ehernen Nike und zwei Dreiful'skesseln auf denEcken, oder heifson Akroteria die Giebel cinschliefslich derGiebelgruppen ? Die Ansichten sind getlieilt, eine sichereEntscheidung steht noch aus, aber richtiger ist wohl dieerste Deutung.Aehnlich wird bereits um das Zeitalter der Nike gekämi)ft.Sie ist ott'enbar ebensosehr ein Weihegeschenk anden Zeus wie ein Siegeszeichen gewesen, das den Waffenruhmder Stifter, der Messenier in Naupaktos dauernd inder Altis verkünden sollte. Die glorreichste Wati'enthat, dieihtieii während des peloponnesischen Krieges gelungen —oder den Athenern durch ihre kluge Mithülfe --, wai" dieGefangennahme der <strong>Sp</strong>artiaton auf der lüsel <strong>Sp</strong>haktcria 425.Dieses Lokal stellt Paionios dar: eine meorumrauschte Felsklippc,einsam, nur von Adlern bewohnt. Der leise Flugder Göttin scheucht einen solchen auf. Wenn aber dieseCharakteristik jedem Griechen verständlich war, so konnten dieMessenier es sich wohl gefallen lassen, wenn die Eifersuchtder <strong>Sp</strong>artaner eine Erwähnung von <strong>Sp</strong>hakteria in der Inschriftbehinderte. Dalier lautet diese: Messenier und Naupaktierweihen dem Olympischen Zeus Zehnten von der feindlichenBeute. Ist aber ein Datum von 420 für die Aufstellungder Nike richtig, so erkejmt man ans dem Werke, welcheFortschritte der Meister Paionios — Dank seiner Beziehungzur attischen Schule — seit der Zeit der OstgiebeJgnippe,d.h. in 10—12 Jahren, speciell im Studium der Gewandbehandlunggemacht hatte.


457 ScfainkeUest am 13. März <strong>1877</strong>. 458Die Idealgostalt der Nike ist eine verhäliiirsmäfsig späteSchöpfung der antiken Kunst, aber dafür wohnt ihr unsterblichesLeben ein. Sie allein — von so vielen Götteridealen— hat den Fall .des Heideiithums überdauert, und in demletzten Jahrhundert, bis in unsere Tage hinein, durch dasTalent grofser Meister ein neues und volksthümliches Ansehengewonnen.Wie der Schools der Altis-Erde viele Reste der Plastikgerettet hat, so hat er auch eine Fülle von Inschriftengehütet. Kur ein Theil ist schon publicirt und erläutertworden. Viel steht noch zurück und jeder Tag bringt neuesMaterial. Aulser mehren metrischen Inschriften und Dcdikationcn,einem vollständigen Proxenie-Dekrete, einer Klageder Lakodämopier gegen die Mossenier und dem Schiedssprücheder Milesier, sind Künstlerinschriftcn oder Siegerinschriftenoder die Namen von Weihgeschenkstiftern hier zu-nennen. Berühmte Künstlernamen wie Agcladas, Mikon,Philesios, Paionios haben sich gefunden, auch neue wieSophokles der Bildhauer, Aristomencs der Messenier. Fernerberühmte Kedner wie Gorgias und Hcrodes Attikus, auchSiegernamen, die in den überlieferten Listen fehlen u. dgl.öebr lehrreich ferner ist die schlichte Anbringung der Dedikationselbst bei grölseren und kostbaren Weihgeschenken,Sie steht entweder oben auf der Horizontalfiäcbe des Sockclstejns,auf dem das Bildwerk errichtet war, oder am oberenRande. Kurz und knapp ist sie immer, z. H, am Weiligoschenkeeines grofsen Erzstieres: „Philcsios machte es.Die Kretrier dem iieus"; oder am Weihgcscliönke der Lakedämonier,einem Lrzkolosse des Zeus, das Distichon:,.Nimm olyiiipisclier ZCUR , Kronide, dieä .^«iianc GebildeAuf ]nit gnäJijsY'm Sinn für dü-s Lakonischt^ Volk."Lehrreich ist ferner die unsrer Gewohnheit widersprechendeTiefstellung fast aller Statuen, selbst der kolossalen Götterbilder.Die griechische Kunst in ihrer iiesten Zeit concentrirtodie ganze kün.stlerische Kraft in der Bildsäule, derSockel war ihr Nebensache, nur auf die sichere und beliuemeErkennbarkeit des Werkes, besonders der Porträtstatue,kam es ihr an. Architektonische Effekte wurdendamit niemals oder nur in seltenen Fällen wie 'i. B. bei derNike des Paionias beabsichtigt.Und neben der Verbindung von Schrift uüd Denkmallernen wir hier — wie Curtius so treffend bemerkt hat — dieverschiedenen Mundarten, ja die in stetem Umbilduiigsprocessobegrittenen Schriftzüge an lauter Originalwerken kennen;ein Arbeitsstoff für die verschiedensten Fächer, der nur sehrallmiilig bewältigt werden kann.Eine ganz besondere Ernte wird die Baukunst halten,eine Ernte auf einem klassischen Kunstterrain, das nochnicht lange entdeckt ist und einen fast jungfräulichen Bodenbildet.Bisher galt unser Studium mit grofser Einseitigkeit nurder Sammlung und Erforschung von Steinbauten. Die griechischeBaukunst hat aber auch einen hochentwickelten Backsteinbaugehabt, der älter als der Steinbau immer neben ihmhergegangen ist. Erst in der neuesten Zeit ist man auf diesennoch ungehobenen Schatz aufmerksam geworden und hatdie zerstreuten, selten für museumgwürdig erachteten Fragmentein Griechenland, Sicilien und Unter-Italien gesammeltDa Olympia von der Natur kein Gnadengeschenkedelsten Marmors wie Athen, Ephesos, Faros, Naxos empfangenhatte, war man hier von Alters lier auf Backsteinbauangewiesen. Dies beweisen die vier noch stehenden spätrömischenRuinen am Kande der Altis sowie mehrere neugefundene.Und was von Terracotten bisher ans Licht getretenist, ermuthigt zu den besten Hoffnungen. Fast injeder "Woche sind Traufrinnen, Stirnziegel, Balkenbekleidungen,Krönungen und Masken zu Tage gekommen von einerSchönheit in der Zeichnung, von einer Feinheit und Soliditätin der Technik, wie solches bisher nur aus Athen bekanntwar. Nicht ohne Grund darf man im Angesichte solcherSchätze von einer Zukunfts - Keramik reden.Die Malerei und zwar die dekorative ist nur durchein Werk vertreten, aber durch ein hochvoUendctes. Diesist der aus Flufskieseln des Alpheios hergestellte Fufsbodcnim Pronaos, bis jetzt der älteste Mosaikboden in der Kunstgeschichte,ein Meisterwerk klarer und gesetzmäfsiger Flächcncomposition,— leider schon so sehr beschädigt, dal'sseine fernere Erhaltung grofse Schwierigkeiten machen wird.Begreiflicher Weise haben bronzene Reste wie Silbermünzendas schwächste Contingent gestellt. Indessen fohltes nicht an autonomen Münzen aller Epochen und aufserGeräthen und Waffen, einer wohlerhaltenen Staatsurkunde,in welcher einem Sieger Demokrates von Tenedos das Gastrechtvon Elis verliehen wird, sind noch kleinere Figinchen,ein Greifenkopf, ein kleiner Greif, eine Votivlanze, fernerein sehr schön gegossener Kalbskopf, sowie das llorn undOhr des von den Eretriern geweihten Stieres gefundenworden.So düifen wir denn mit freudigem und dankbaremStolze auf das Erreichte zurückblicken, setzen aber hinzu:Dies ist nur der Anfang. Kein andres öffentliches odermonumentales Gebäude, als der Zeus-Tempel ist bisher gefundenworden. Und doch wissen wir, dal's in geringer Entfernungvon ihm noch zwei dorische Periptcral-Tempel*) undkleinere CapcUen standen, dafs 11 Schatzhäuser, mehre heiligeBezirke, die Verwaltungsgebäude der Behörden, dasGymnasium und die eigentlichen Kampfplätze Stadion undHippodrom vorhanden waren.Gewil's werden wir auch hier auf arge Zerstörung treffen,aber nicht auf völlige Leere. Und erst, weim die Standplätzeeiniger der Haupt-Bauanlagen erkundet sein werden,können die so wichtigen topographischen Fragen mit Aussichtauf Erfolg behandelt und entschieden werden.Aber schon jetzt hat es die künstlerische Phantasie gedrängt,die erworbene Lokalkenutnifs mit den schönen Resultatender Ausgrabungen, besonders den architektonischenzu einem Bilde zusammenzufassen. Es ist der Ihnen alsErinnerungsblatt eingehändigte Restaurations - Versuch; fürdie Reconstruction des Zeus-Tempel angenähert sicher, auchin der Verwcrthung der Standplätze der Nike, des PhilesiosStieres, der Thymele, der Exedorn U.A.; in wesentlichenPunkten dagegen, wie der Vermuthung, dafs das Thor fürdie Festzüge in der südlichen Altis-Mauer, das Heräon aufder Stelle der byzantinischen Kirche gestanden habe, sehrzweifelhaft und verbesserungsßlhig. Eins ist jetzt schon*') Während des Druckes ist bereits in einer Entfernung von80 Metern nördlich vom Zeus-Tempel das lleräon, ein altdorlacherPeripteral-Tempel YOÜ 50,09 Limge und 18,73°* Breite mit sechs zusechszebn Säulen gefunden und vollständig hlöls gelegt A«ordeo, Inseinem Innern wutde als besonduren Prachtstück der diesjährigen Anagraijangender marmortie Hermes des Praxiteles entdeckt.


45') Architekten-Verein zu Berlin. ScbiukoUcst am 13. März <strong>1877</strong>. 460sicher. Im Altevthume, zumal zur Zeit dos Pausanias, daCS Abend werden woUte über Hellas, ^var das Bild, welchesdie Altis bot, viel reicher, niannichfaltigtir und dichter.Welch' eine Fülle von Bau- und BildvAcrken, zu Grup"peu geordnet, durch Stralseu getheilt und von hochragendenPlatanen, Weilspappcln, Cypressen und Oelbäumcu beschattet,stand hier zusammengedrängt auf engem Räume 1 Wohinday Auge blickte, sah es die reich gcschiuüf.-kten Plätze alterGottesverehrung. Aufser dem kolossalen Brandopfer-Altare,zu welchem Treppen omporfübrten, mehr als GO im Freienstehende Altäre, darunter viele Boppelaltäre.An zahlreichen Punkten traf man auf stattliche Götter-I,)ilder (davon 43 allein dc]i Zeus darstellend und eins derselben!)"' hoch) und überall dehnten sich die fast unabsehbarenKeihen der Standbilder j^liicklicher Sieger zu Rofs oderzu Wagen, hier sich vorbereitend zum Kampfe, dort im Laufebegriffen, einige ringend, andre den Diskus werfend, wiederandre sich kränzend oder zu den Göttern betend. Pausaniasnennt nur die wichtigsten, die er gesehen hat, es sind234. Unter Berufung auf Plinius' Angaben über den Statuen-Beichthum /u Rhodos, Delphi, Athen und Olympiadarf man diese Zahl getrost versechs - ja veracbtfachen undwird noch unter der Wivklicldieit bleiben. Waren doch selbsteinzelne Theile der Altis - Mauer mit statuarischen Weih-^geschenken besetzt. so sehr gebrach es an Platz. Von allenuntergeordneten A'"otivgaben, von Thieren, Dreifülsen, Kandelabern, Stelen schweigt unser Gewährsmann ebenso wievon den massenhaft vorhandenen Urkunden in Krz undMarmor.Und dieses ganze auf engem Raum versammelte A^olkvon edlen Gestalten — ein durch die Kunst verklärtes Geiiammtabbilddes Hellenenvolkes selbst — fand seinen Mitteljmnktin dem Goldelfenbein-Kolols dos Zeus, der in erhabenerMajestät im grofsen Tempelhanse thronte und 3iiit gnadenreicherMilde den rüstigen Männern und Knaben für all' ihr Mühenund Kämpfen (.Ion höchsten Siegespreis, den Kranz vom„Baum der schünon Kränze'" selbst verlieh. Wohl kannman das Innere des Olympieiou rcstaurircn, da viel Materialvorliegt und es an Analogien nicht i'ehlt; aber einenTotal-Kindruck des hochgeweihten Raumes mit seinein Farbenzauber,seiner Liclitfülle und mit dem ein unsterblichesLeben athmenden Meisterwerke des Pheidias als grofsartigenSchlufspunkt durcli die Kraft der Phantasie sich vorzustellen,darauf wird wohl verzichtet werden müssen, so viel Versucheauch schon gemacht sind, um von diesem Gipfel- und A^ercinigungs- Punkte der drei bildenden Künste eine anniiherndcVorstellung zu gewinnen.Jene Schöpfung ist für immer dahin, wie das alte Hellasselbst mit seinem Kunsttriebe, der keine Ermattung, undseinem Kunstvermögeu, das keine Schranke gekannt hat.Unsere Aufgabe aber bleibt es, das grofac Archiv hellenischerVergangenheit, da£ wir geöffnet haben, auszubeutenftir künstlerische wie wissenschaftliche Zwecke. Solches thunwir nicht für uns allein, nicht für enge und bevorzugteKreise, sondern für alle Gebildeten, füi- die Welt. Die Aufgabeist schwer und grofs, noch gröiser die A'erantwortungfür alle, welche mit der Lösung mittelbar oder unmittelbarverbunden sind.Wenn aber etwas geeignet ist, die persönlichen Mühenund Sorgen vergessen zu lassen, so ist es eine Freude, dieaus doppelten Quellen flielst. Einmal der dauernde Flufsvon Nachrichten, die von neuen und werthvollen Fundenberichten. So lautot ein erst heut bei dorn auswärtigenAmte eingegangenes Telegramm aus Pyrgos: West unteranderen schöner Frauenkopf und kolossaler Jünglingskopf,wohl ein Gott, grofsartigcr Fund.Und zweitens ist es die nachhaltige warme Theilnahmc,welche für das Olympia-Unternehmen sich überall im deutschenA'olke kund gegeben hat. Das wärmste Interesse, —mau darf sagen; ein herzliches Verhältnifs —- hat und hegtzu dieser Sache der erhabene Herr, der an der <strong>Sp</strong>itze desStaates stehend, in wenigen Tagen sein achtzigstes Jahrvollendet. In dem von der Mit- wie Nachwelt ihm geweihtenIluhmeskrauzc wird neben den Blättern mit grofsen kriegerischenTbaten auch das Blatt nicht fehlen, welches dieerste und schöne Friedensarbeit des durch ihn wiedererstandenendeutschen Reiches bezeichnet, die Friedensarbeit:»Olympia."Die \'ersammlung folgte dem Redner mit grofsem Interessebis zum Schlufs des A'ortrags, nach dessen Beendigungder zweite Theil der Feier, das gemeinsame Festmahl begann.Im Verlaufe desselben wurde zum ersten Mal vordem das Andenken Schinkels feiernden Toast von Hen-nBaurath Hobrecht ein Hoch auf den ehrwürdigen und vielgeliebtenHerrscher unseres Vaterlandes ausgebracht. Derdann folgende Toast auf Schinkel, von dem diesmaligen Redner,Herrn Geh. Ilegierungsrath Lucae, in äufserst ansprechenderund ergreifender Weise vorgetragen, gestaltete sichebenfalls, wie die nachfolgenden Worte zeigen, in sofernanders als in früheren Jahren, als der Gedanke darin zumAusdruck gelangt, dafs es nunmehr an der Zeit sei, an dieStelle der Trauer über den hingegangenen Meister die Freudetreten zu lassen, dafs es uns vergönnt sei, einen solchenMeister wie Schinkel zu besitzen. Die Worte des Toastslautoten:,,Meine Herren, wir feiern das Schinkelfest nun seit einigendreifsig Jahren und wir dürfen uns daher nicht wundern,wenn seine Bedeutung im Laufe der Zeit allmälig eineandere geworden ist.Zuallererst als die Wunde, die Schinkels Heimgang gerissenhatte, noch vor aller Augen offen lag, war der 13. Märzeine ernste — ich müchto sagen, — eine persönliche Todtenfeierfür alle diejenigen, die in Ihm ihren Freund undMeister verloren hatten.<strong>Sp</strong>äter wurde der heutige Tag das populärste berlinerKünstlerfest, zu welchem sich nicht allein die Architektenvereinigten, um den gröfston Baumeister seiner Zeit zufeiern, sondern an welchem die gesammte Kunstwelt durchihr Erseheinen davon Zeugnifs ablegte, dafs in Schinkel einGenie anerkannt werden mul'ste, welches mit seiner unerschöpflichenGestaltungskraft sowohl die Baukunst als auchdie Schwesterkünstc beherrschte, denen Allen der tonangebendeFührer fehlte.Alle, auch die Gröfsteu die neben ihm gestanden hatten,gaben oder gönnten ihm wenigstens den ersten Preisund so gestaltete sich allmälig die jährlich begangene GeburtstagsfeierSchinkels zu einem Cultus, den die Betheihgtenaus aufnchtiger Bewunderung eines Verklärten, oder —


461 Verein ft!r Eisenbalmkunde zu Berlin. ProtocoU der Versammluag am 12. December 1876. 462wenn ich mich dieses Ausdrucks bedienen darf — i;ur Verherrlichungihi'cs Apostels pflegten.Dals dem wirklich so war und ich hierin nicht etwanur meine persüidiehen Empfindungen dem Manne gegenüberausspreche, dessen Antlitz auf uns hernieder blickt, dayonlegt allein schon ein Zeugnifs ab die grofse Menge von Festreden,in denen rnan versucht hat, die Vielseitigkeit und diegeniale Tiefe dieses merkwürdigen Maimes zu erschöpfen.Auch der heutige Festredner hat dieser Schinkelfest-Literatur ein inhaltvoUes Blatt hinzugefügt, denn wenn erauch nicht zum Thema seines Vortrages unsern Meister gewählthatte, so war es doch, als ob dieser in seinem Bildeden Worten folgte und am Schlüsse hätte sprechen können:auch ich habe Crriechenland wieder entdecken helfen.Aber meine Herren, ich sagte, die Bedeutung des Schinkelfestessei allmälig eine andere geworden.Die Zeiten und die Ziele der Menschen sind eben nichtmehr dieselben. Die eine grofse EünsÜergemeinde, die esfrüher hier nur gab und die von dem einen Geiste — nämlichdem Glauben au die Antike — durchdrungen war, hatallmälig einer Genossenschaft Platz gemacht, in welcher dieallerverschiedonsten künstlerischen Bekenntnisse vertreten undgleich berechtigt sind.Mit einem Worte: das Schinkelfest ist nicht mehrdie Feier einer ausschliefslichen Kunstrichtung.Unser Herr YorsitÄende hat una Allen aus der Seologesprochen, als er mit stolzer Freude auf dieses Haus hinwies,welches der Gemeinsinn unseres Vereins geschaffen hat.Aber meine Herren, wir haben nicht allein ein neuesHaus bekommen; es ist in dieses Hans auch ein neuer Geisteingezogen.Diejenigen, welche diesen Verein gründeten und dieSchinkelfeier zuerst begingen, würden, wenn sie unter unswären, diesem neuen Geist vielleicht mit Milstrauen begegnen, denn sie vertraten ausschlieCslich die alte BerhnerKunst und die war eben nur Schinkcl.Wir aber wollen diesen neuen Geist im Namen dessen,der als der Yornehmsto unserer Penaten hier nun einebleibende Stätte gefunden hat, auf der Schwelle diesesunsres neuen Hauses herzlich bewillkommnen, denn wir müssender Zukunft vertrauensvoll in'g Auge sehen. —Zurück wollen wir nur schauen, um zu lernen — auchvon Ihm — und um Ihm zu danken, dafs er, damals einEinzelner, ein Moses unter den Künstlern in einer Wüste,der schönheitsdurstigen Welt erquickende IS'ahrung brachte.Wir wollen Ihm danken, dafs er den Boden wieder fruclitbargemacht hat, so dafs überall fi-isehe Quellen individuellenLebens sprudeln, und hoffen wollen wir, dafs dieselbendereinst zu einem Strome werden mögen, in welchem sichein Geist wie der Seine spiegelt. —Dafs wir seit dem Tode Schinkels nicht müfsig gewesensind, dafs sich die ßauthlltigkeit auf allen ihren Gebietenreich entfaltet und der Kreis ihrer Aufgaben sich überraschenderweitert hat, davon legt das Buch „Berlin undseine Bauton" unter Anderem ein Zeugnifs ab, aber diesesBuch liefert auch den Beweis, was Sehinkel einst war undwas er auch heute noch ist. —Ja dieses Buch wurde, ohne dafs man die Absicht damithatte, von selber eine der schönsten Festgaben, die wirunserm grofsen Todten gewidmet haben, denn wenn es auchunpartheiisch jeder Richtung Raum gab, um ihre Werkefür sich sprechen zu lassen, so glaube ich doch nicht, dafsJemand unter uns ist, der — einmal ganz abgesehen vonjedem speciiischcn Stilbekenntnifs — die heutigen Bautenin Bezug auf wirkliche architektonische Potenz, überdie Werke Schinkels stellen möchte.Nun meine Herren, wenn Sie darin mit mir übereinstimmen,dann ergreifen Sie mit mir Ihre Gläser, um durchein Hoch auf Sehinkel von Ihrer Gesinnung Zeugnifs abzulegen.Die Trauerjahre sind vorüber, in denen wir unsermMeister ein stilles Glas weihten. Heute dürfen wir ihn lautleben lassen. Ja er soll leben in unserer Dankbarkeit,in unserer Verehrung und in unserer Arbeit."Das nunmehr in heiterer Weise verlaufende Mahl wurdedurch Quartett-Gesänge, vorzügliche Solo - Vorträge, sowie dievon Herrn Land-Baumeister Appelius vorgetragene, vielfachgrofse Heiterkeit hervorrufende Erklärung des humoristischen,von Herrn Director Grunert entworfenen Festblattes und endlichdurch eine Anzahl telegraphischer Grüfse von Festgenossenaus anderen Städten des Vaterlandes unterbrochen und belebt.Nach Beendigung desselben blieb ein grofser Theil der Festgenossennoch fast bis zum Morgen des neuen Tages in denschonen Räimicn des Architekten-Hauses in gehobener Stimmungversammelt, wobei die Darstellung ergötzlicher Nebelbildernicht wenig zur Unterhaltung und Heiterkeit beitrug.Verein für Eisenbalmkunde zu Berlin.Versammlung am 12. December 187G.Vorsitzender Hr. Weishaupt, Schriftführer Hr. Streckert.Herr Quassowsky besprach in eingehender Weisedie Auswechselung der Brüekenüberbauten an der alten Eibbrückebei Magdeburg.Bei der Ertheilung der Erlaubnifs zum Bau einer neuenEibbrücke unterhalb Magdeburg wurde der Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn - Gesellschaft die Bedingung auferlegt,einen Mittelpfeiler der alten Eisenbahn-Eibbrückeoberhalb Magdeburg im Interesse der Schifffahrt zu entfernen.Um dies zu ormüglichen, mufste der oisome Ueberbauvon zwei Brückenöffnungen beseitigt und statt desseneine Ueberbauconstruction hergestellt werden, welche dieUnterstützung des erwähnten Pfeilers entbehren konnte. DieFahrbahn der alten Eibbrücke Hegt mit dem der Stadt Magdeburgzunächst befindlichen Theil in einer Curve von 592°Radius, so dafs die Brücke selbst als Polygon angelegt ist.Aufserdem liegt sie schräg zum Stromstrich und bildet dieMittelase des umgebauten Theila einen Winkel von 59*^ 25'mit der Mittellinie des Flusses. Die normale lichte Weiteder Oeffnung betrug 18,83" ^^^ ^^^ Länge jeder Ueberban-


403 Verein für Eiscnbnhnkuude zu Berlin. 464Cüiistruction, wekhe aus Gitterträgern liesteheu und nur vonPfeiler zu Pfeiler reichen, 22,28"* bei 2.^'" Gesammthöhe(l,(t"' Höhe der Schienen), das Gewicht ca. 350U0\ Dieneue Ueberbau -Construction, bestehend in Schwcdler'schenTrägern von 7,3,'" Höhe in der Mitte und H,2i'" Höhe anden Enden, hatte eine Länge von 4i),7g'" und ein Gewichtvon ca. 9{K)00'' excl. Fahrbahn. Da es bei der Lage derVerhältnisse nicht geboten war, die Auswechselung des Ueberbaueswie bei der Werder- und Potsdamer Brücke in wenigenStunden zwischen zwei Zügen auszuführen , sondern fürdiese Arbeiten einige Tage zur Disposition gestellt werdenkonnten, so war folgendes Programm Seitens der Bauverwaltungaufgestellt;1) der neue Ueberbau wird über einem Nebengeleise desBahnhofes im Fricdiich-Williolms-Gartcn niontirt;2) derselbe wird so hoch gehoben, dafs er bei eintretendemTransi)ort über den alten Ueberbau frei fortreieht,und in dieser Höhenlage auf Eisenbahnwagen verladen;3) die Eisenbahnwagen werden mit dem neuen Ueberbaumittelst einer Locomotive bis auf den Bestimmungsortgezogen, wobei auf das Durchfahren von Curven insofernRücksicht /,ü nehmen ist, als die Verschiebbarkeitder mittleren Wagen durch Unterlegen von Walzenermöglicht wird, während die Endwagen je in einemDrehpunkte mit dem Ueberbau fest verbunden werden.4) Am Bestimmungsort wird der neue Ueberbau von Locomotivwindeii,die auf den Pfeilern stehen, aufgenommenund auf beiden Enden so unterstützt, dafs einHerablassen stattfinden kann.5) l)ie alten Ueberbau-Constructionen werden mit Kähnenausgefahren, die Auflager für den neuen Ueberbau• hergestellt und die oberen Schichten des Mittelpfeilersabgebrochen.(i) Die neue Constmction wird auf die Auflager herabgelassen,der Oberbau verlegt und an beiden Enden andas alte Geleise angeschlossen.7) Alle diese Arbeiten etc. hat der Unternehmer für denzu offerircnden Preis auszuführen und wird ihm für dieAuswechselung eine Zeit von in maximo 8 Tagen bewilligt.Wagen, Locomotiven, Schwellen zum Gerüstete,stellt die Bahnverwaltung.8) Der Unternehmer kann abweichende Constructionen etc.zur <strong>Sp</strong>rache bringen, welche aber nur dann zugelassensind, wenn eine ausdrückliebe Vereinbarung über dieselbenmit der Bahnvorwaltung stattgefunden hat.Bei der Submission übernahm der Fabrikant Vollheringaus Sudenburg bei Magdeburg die Lieferung desUeberbaues mit allen Nebenarbeiten zum Preise von 43,9 ^I^irkpro 100'' und verpflichtete sich die Auswechselung derUeberbauten in 24 Stunden zu bewirken, wenn ihm gestattetWürde, zum Herablassen des neuen Ueberbaues mit Sandgefüllte Cylinder an Stelle der Locomotivwinden 2U benutzen,welche Offerte acceptirt wurde.Der Vortragende erläuterte sodann die Details derMontirung und Verladung, sowie des Transports und derSenkung der Ueberbau-Constraction unter Vorlegung vonZeichnungen. Die bei der Senkung benutzten Sandcylindervon je 3 Höhe bestanden jeder aus 7 einzelnen Trommeln,welche durch 12 Stück Schrauben in ihren Flanschen verbundenwaren. Jede Trommel war aus 2 Halbcylindernzusammengesetzt, hatte 0,4'" Höhe, 0,52"" lichten Durchmesser,0,Q2"' stärke und wog ca. 3 Centner.Die unterste Trommel hatte eine feste Decke mit einemdurch einen Schieber verschliefsbaren Loche von 0,„g^'"Durchmesser, durch welches der Sand aus dem ganzen Cylinderherausgelassen wurde.An den Enden der Brücke waren 4 Kolben provisorischbefestigt, mit denen der Ueberbau auf der Sandfüllung ruhte.Das Senken um die Höhe einer Trommel erforderte ca. G^/^Minuten, worauf die Trommel durch Lösen der Schraubenabgcnümmen wurde und die Senkung durch die nächsteTrommel begann. Im Ganzen hat das Senken ca. 3 Stunden,die ganze Auswechselung der Ueberliauten aber ca. 4 Tagein Anspruch genommen, da man bei der sehr ungünstigenWitterung des Novembers es vorzog, nur bei Tage und zwarwahrend ca. 7 Stunden täglich zu arbeiten.Herr Kessler erläuterte hierauf die Construetion desihm patcntirten Sicherheit s - Rades für Eisenbahnzwecke.Der Radreifen wird innen mit einer schwalbenschwanzförmigenNuthe versehen, welche '/An Ersparnifs von Materialund Arbeit schon beim Walzen des Reifens in entsprechenderrechtwinkliger Form hergestellt werden kann. DerUnterreifen erhält eine schwalbenschwanzfürmige Feder, welchejener Nutlie des Radreifens genau entspricht. Der letzterewird in warmem Zustande auf den ersteren aufgezogen.Um die Zusanmienstcllung beider Radtbeile zu ermöglichen,wird an dem inneren Umfange des Radreifens au 8 Stellen,bezw. an so viel Stellen, als das Kad <strong>Sp</strong>eichen hat, dieschwalben seh waniüförmigc Nuth ausgestofsen und die gleiclicOperation mit dem Unterreifen an seinem äufseren Umfangevorgenommen. Hiernach kann, nach Art des Bajonett - Verschlusses,der Stern des Rades in den Radreifen hineingedrebtwerden, der nach Analogie des Verfahrens, welchesbei gewöhnlichen Rädern beobachtet wird, um ein Gering'^senger gedreht wird, damit er sich beim Erkalten überallfest dem Unterreifen anschliofst Die nunmehr am TJmfangedes Rades vorhandenen 8 Lücken von bogenförmiger Gestaltwerden durch stramm hineinpassende Schliefskeile von Eisenoder Stahl, welche zur Sicherung gegen Losschütteln zu vernietensind, ausgefüllt.Durch diese Construetion soll erreicht werden: eineErliöhung der Sicherheit des Radreifens gegen Zerspringenund eine Sicherheit gegen die, den rollenden Zug gefährdendenFolgen eines dennoch eintretenden Radreifenbruehes.Ein weiterer Vorzug dieser Construetion sei, dafs keineSchrauben und Niete zur Verwendung kommen, Befestigungsmittel,welche bei eintretenden Stöl'sen stets unzuverlässigerNatur sind. Die Construetion eigne sich auch zur Anwendungbei vorhandenen alten Radgestellen, seien es <strong>Sp</strong>eichenoderScheibenräder-Centres, oder Scheiben abgenutzter Gufsstahl-Scheibenräder,An der sieh hier anschlielsenden Discuseion über dieZweckmäfsigkeit dieser Construetion betheiligten sich dieHerren Weishaupt, Schwartzkopff, Quassowsky, Borsig, Gust,Kaselowsky und der Vortragende.Bei der statutenmäfslg stattfindenden Wahl des Vorstandeswurden die seitherigen Vorstands - Mitglieder: dieHerren Weishaupt) Hartwich, Streckert, Oberbeck,Ernst und Röder wiedergewählt.


465 ProtocoU der Versammlung am 9. Januar 1876, 466In üblicher Abstimmung wurden sodann die HerrenBau-Unternehmer Rob. Donath, Baiiini?pector Endell undBaumeister F. ßinteleu als einhoiniische ordentliche Mitgliederin den Verein aufgenommen.Versammlung am 9. Januar <strong>1877</strong>.Vorsitzender Hr. Weishaupt, Schriftführer Hr. Oberbeck.Herr Frischen besprach die verschiedenen Anordnungen,welche in Bezug auf die Umstellung doppelter englischerWeichen getroffen werden können. Von den vier dazu gehörigenZungenvorrichtungen wird entweder jede einzelne voneinem besonderen Stellbock aus bewegt, oder es erhalten jezwei einen gemeinschaftlichen StcUbock, oder alle vier werdenjedesmal gleichzeitig durch einen einzigen Bewegungsilcchanismusumgestellt. Bei der zuletzt bezeichneten, neuerdingsvorzugsweise angewandten Anordnung müssen dieZungen derartig mit einander in Verbindung gesetzt werden,dafs entweder die beiden geraden oder die beiden gekrümmtenWege für die Durchfahrt geöffnet sind, wobei eine einzigeSignalvorrichtung an dem Stellbock genügt, um demLoco motivführ er anzuzeigen, in welcher Richtung er dieWeiche durchfahren darf. Der Vortragende veranschaulichtdies an einem Modell und knüpft daran die Betrachtung,dafs, wenn jene Einrichtung auch, unverkennbare Vorzügebiete, es doch unter gewissen Verhältnissen zweckmäfsigersein möchte, jede einzelne Zungenvorrichtung für sich verstellbarzu machen oder auch an jedem Ende der englischenWeiche eine Stellvorrichtung vorzusehen und alsdann dieZugstangen so anzubringen, dafs die vier neben einanderliegenden Zungen sich stets in derselben Richtung bewegen.Bei nur einer Stellvomchtnng könne nämlich unter Umständenden für die neueren Sicherheitsapparate gestelltenAnforderungen nicht entsprochen werden, welche darauf abzielen,durch geeignete Verbindung der Signal- und Weichen-Stellvorrichtungen die CoUisioa eines einfahrenden Zuges miteinem Rangirzuge zu verhüten. Hierbei komme es wesentlichdarauf an, das Geben des Einfahrsignals so lange unmöglichzu machen, als nicht alle zwischen Haupt- und Kebengeleisenbestehenden Weichenverbindungen unterbrochen seien.Bei einfachen Weichen werde dies jedesmal durch eine derbeiden möglichen Stellungen erreicht. Wenn aber der Fallvorkomme, dafa das Einfahrtsgeleis von einer Weichenstrafsegekreuzt werde, in welcher eine doppelte englische Weicheliegt, so werde bei Anwendung eines einzigen Bewegungs-Mechanismus immer entweder aus dem geraden oder aus demgekrümmten Geleis ein Rangirzug in die nach dem Hauptgeleiseführende Weichenstrafse gelangen können, der gegebenenBedingung also durch keine der beiden möglichenWeichensteilungen zu entsprechen sein. Die Anordnung vonvier oder zwei Stellböeken bedinge freilich auch die Anbringungmehrerer Weichensignale, was als ein Nachtheil anzusehen,aber für den betrachteten Fall nicht zu umgehen sei.Herr Hartwich brachte zur <strong>Sp</strong>rache, dafs nach sicherenNachrichten ans Salonichi ein mit Kohlen beladenesPreufsisches Schiff genöthigt gewesen sei, seine Ladung zulöschen, weil die Kohlen in Brand zu geratben drohten. Beider Wichtigkeit, welche der Export über den Ocean für dieWestfälischen Kohlen habe, erscheine es dringend geboten,den Ursachen einer derartigen Erscheinung nachzuforschen;<strong>Zeitschrift</strong> f. <strong>Bauwesen</strong>.Jahrg. <strong>XXVII</strong>.die Qualität und Behandlung der Kohlen, naraenlich beimVerladen, werde dabei näher in Betracht zu ziehen sein; eslasse sich annehmen, dafs gemischte Kohlen sich besondersleicht entzünden.Es knüpfte sich hieran eine längere Debatte, in welcherHcn- Hennig das tiefe Herabfallen der Kohlen beimVerladen als besonders schädlich bezieichnete, während Hen-Frischen auf die Anwendung sogenannter elektrischerThermometer zur Erkennung des Wärmegrades im Innernder Kohlenhaufen hinwies. Herr Dircksen bemerkte, dafsnach den Zeitungsberichten auf sehr verschiedene Ursachender Entzündung zu sehlicfsen sei und dafs anscheinend dieeinzelnen Kohlensorten eine verschiedene Behandlung verlangten; durch die häufig angewandten Luftzüge, welche zurAbkühlung der Kohlen beitragen sollten j sei die Entzündungin mehreren Fällen nur befördert; ebenso habe sich dasAüfgielsen von kaltem Wasser als nutzlos erwiesen. Vornehmliclikomme es darauf an, dafs in den Kohlen keinSchwefelkies enthalten sei; wenn nur klare gesiebte Kohlegenommen werde, so könne auch Würfelkohle unbedenklichzum Export zugelassen werden. Herr Bensen erkannte dieSchädlichkeit dos Schwefclkiesgehaltes an, sprach sich aberim Allgemeinen gegen den Export von Würfelkohle aus. . Diefrüheren Versuche, der englischen Kohle jenseit des Oceansdurch Ausfuhr der westfälischen Kohle Concurrenz zu macheu,seien zum Theil gerade in Folge des Umstandos gescheitert,dafs statt der viel gängigeren Stticlfkoble bröckelnde Würfeikohleversandt sei. Da durch das Herabgehen der Preisefür die deutsche Kohle der Absatz der letzteren zur Zeitnach Möglichkeit begünstigt werde, so sei besonderer Werthdarauf zu legen, dafs bei der Wahl der zu esportirendenKohlensorten das Richtige getroffen und künftig nur Stückkohleüber den Ocean versandt werde, üebrigens sei mehrfachbeobachtet worden, dafs auch die besten englischenKoakskohlen, in hohen Bergen aufgestapelt, leicht in Brandgeratben; als wirksames Gegenmittel habe sich möglichsteAbsperrung der Luft herausgestellt.Der Vorsitzende führte im Anschlufs hieran aus, wiedie Tarifsätze für den Kohlentransport auf weite Entfernungenin der letzten Zeit mehrfach schon so weit ermäfsigtseien, dafs auf erheblichen Gewinn selbst bei gröfseremKohlenabsatz kaum noch gerechnet werden könne. Immerhinempfehle es sich bei den gegenwärtigen Xothständen,entsprechende Versuche in gröfserem Umfange noch weiterauszudehnen. Die Frage, wie weit es überhaupt angänglichsei, mit jenem Tarifsatz herabzugehen, lasse sich nicht generellbeantworten; vielmehr sei dies wesentlich von den Verhältnissender einzelnen Bahnstrecken und von der Möglichkeiteiner guten Wagenausnutzung abhängig. In letztererBeziehung sei es von besonderer Wichtigkeit, dafs ein rechtregelmäfsiger Turnus bei den Kohlentransporten durchgeführtwerde; es erscheine deshalb die häufig aufgestellte Behauptungunzutreffend, dafs mit einzelnen Extrazügen billigerbefördert werden könne, indem dazu besonderes Personalund Material beschafft werden müsse, für welches die regelmäfsigeAusnützung fehle; wo die Erfahrungen für jeneBehauptung zu sprechen schienen, wie bei den Bahnen inden westlichen Kohlenrevieren, sei den betreffenden Zügendie Bezeichnung „Extrazüge" zum Theil mit Unrecht beigelegt,indem dieselben regelmäfsig kursirten. Bei den öst-30


467 Literatur. 468liehen Bahnen (Oberschlesien-Berlin) habe man von jeherjede einzelne Wagenladung zu den überhaupt angenommenenbiUigsteiJ Sätzen transportirt und hiermit eine vorzuglicheAusnutzung von Personal und Material in geschlossenenregelmäPsigen, in der Zahl wenig wechselnden Zügen erreicht.Zum Schlufs wurden iu übliclier Abstimmung die HerrenDr. jur, Koch, Oberingenieur Haafsengier und BaumeisterWeifs als einheimische ordentliche Mitglieder in denVerein aufgenommen.Literatur.Dictionnaii'e raisonne d'Architecture et des seiences etarts qui s'y rattacheiitj par Ernest Bose^ architecte.Paris, librairie de Firmia Didot et C'', 1876. 77.Lex. 8. Lieferung 1 — 4.Ein Werk wie das vorliegende, von dem freilich erst4 Lieferungen (bis zum Worte choragique) erschienen sind,ruft unwillkürlich eine Vergleichung einerseits mit dem vorKurzem in 3. Auflage beendigten bekannton Baulcxikon vomBaurath Dr. Oscar Mothes, andererseits mit dem auch vonden deutschen Architekten und Archäologen hochgeschätztenDictionnaire do TArchitocture frangaisc von Viollet-le-Duc,und, wenn man will, auch mit ßamee's dict. g6nera] destermes d'architecture, Paris 1868, hervor. Jedes derselbenist in seiner Aufgabe vom anderen verschiedcji; uuserErnest Bosc will, wie der Titel sagt, die gesammto Architekturaller Zeiten und aller Völker und die damit zusammenhängendenKünste und Wissenschaften beiiandeln, läfst aber,da dieser Zusammenhang ein sehr unbestimmter, dehnbarerBegriff ist, in dieser letzteren Beziehung Manches zu wünschenübrig; Mothes, schon wegen seiner 4 <strong>Sp</strong>rachen nichtnur an Artikeln der reichste, ist auch im eigentlichen Inhaltder reichste und in Betreff der mit der Architektur verbundenenKünste der weitgreif endste; Viollot - le -Duo behandeltbekanntlich in verhältnifsmäfsig wenigen, grofscntheilssehr eingehenden Artikeln fast nur das eigentliche Mittelalterund zeichnet sich vorzugsweise durch seine trefl'lichen Abbildungenaus- Ramee ist, wie sich ebenfalls schon aus demTitel dos Buches ergiebt, der kürzeste und dürftigste, nichtnur iu der Angabe der historischen Entwickelung der einzelnenBaustile und Bauthelle, sondern auch in den bildlichen Yeranschaulichungon,die bei ihm, was sich in einem architektonischenWörtorbuche kaum begreifen läfst, gänzlich fehlen.Aus allen 4 genannten geht aber zunelchst so \iel hervor,dafs in derartigen Wörterbüchern, ebenso wie in allgemeinensprachlichen, absolute Vollständigkeit von keinem erreichtworden ist; denn auch Bosc und Mothes, die unbedingt anArtikeln reichsten, können einander noch Vieles abgeben.Manches hat Ersterer, was Leteterer nicht hat, und umgekehrt.Im Allgemeinen aber mufs man sagen, dafs Boscmit ebenso grofser historischen und technischen Kenntnilsals Klarheit und Gründlichkeit seine Artikel behandelt, abernnr so weit sie die architektonischen Erscheinungen desAlterthiuns und Frankreichs zum Inhalt haben; wo es darüberhinausgeht, namentlich wo Deutsehland, aber auch Englandund Italien in Beti'acht kommen, da reicht das Wissen desVerf. oft nicht aus, da werden die Angaben oft dürftig oderverfallen in Irrthümer. Was dagegen, wie wir bereits andeuteten, die Aufnahme oder Nichtaufnahme der Hülfswissen-Schäften der Architektur anlangt, so läfst sich hierin schwerlichein vom Verf. befolgter Grundsatz erblicken, z. B. inden Kunstausdrücken aus dem Grcbiete der Heraldik, wohin und wieder das Streben nach VolJstäudigkeit durchblickt,wähi'end andere, bekannten heraldischen Handbüchern zuentnehmende Ausdrücke fehlen. Ja selbst auf dem Gebietder Architektur selber finden sich einige unbegreiflicheLücken, (s. unten), aber auch umgekehrt einige in denübrigen Wörterbüchern fohlende Ausdrücke.Heben wir zunächst unter den ausführlicheren Artikelneinige der besten und gründlichsten hervor, so sind vor allenDingen zu nennen: acropole, arc de triomphe (soweit erdas Alterthum betrifft), canueiure, carreau, monuments celtiquesund ihre verschiedeneu Bestimmungen, chäteau d'cau,Chaussee, cheminee und cheneau, während dagegen andereziemlich oder sehr dürftig ausgefallen sind, z. B, abbayo,deren innere Räumlicbkeiten zwar aufgezählt, aber in ihrerLage und Einrichtung nicht weiter beschrieben werden, washoffentlich der Artikel monastöre oder architecture monastiquenoch nachholen wird; aber sehr dürftig wird die Aufzählungder berühmtesten Abteien in Deutschland abgemachtmit den drei Namen Altenberg (soU wohl Altenberg beiKöln, nicht Altenberg a. d. Lahn sein), Maalbronn (sie!),Rommersdorf; ebenso der Artikel architecture allemande, woschon der Satz: „on peut retrouver des traces profondes desmodifications que nous venons de signaler dans toute Tarchitecturoromano-byzantine des bords du Rhin, notammentdans Ics eglises de Worms, de Mayence, de <strong>Sp</strong>iro, de Bäle,de Linibourg, do Treves, d'Erfurt, de Nuremberg etc. einhinlängliches Zeugnifs von der Kenntnils des Verf, in derdeutschen Baukunst ausstellt; ebendaselbst ist auch die Notizüber Wolfgang MüHer, den Erbauer der St. MichaeJskirchein München, dahin zu berichtigen, dafs diese Erbauung1585 — 1589 (nicht 1507) geschah. Ebenso dürftig siehtes aus mit den Artikeln architecture anglaise, wo dochwenigstens die Haupteigenthümlichkeiten im Grundplan undim Aufbau der Kirchen leicht anzugeben waren; mit ambon,archeologue, wo, wenn die Namen der bedeutendsten Archäologengenannt werden sollten, zunächst eine strenge Unterscheidungzwischen den Erforschem der Kunstdenkmale desAlterthuras und denen des Mittelalters zu machen war, dasich bekanntlich selten Beides in einem Forscher vereinigt.Wie kümmerlich mag es in Deutschland wohl mit der Archäologieaussehen, wenn es wahr wäre, dafs ea nur2 bedeutende Namen hierin aufzuweisen hat, nämlich„Böttiger und Ottfried Müller", während aus Frankreich18 Namen und „tous les membres de TAcad^mie des inscriptionset helles-lettres" paradiren. Dazu kommen dieArtikel atriura (der mittelalterlichen Kirchen), blason,worüber wir bereits oben eine das ganze Gebiet der Heraldik


469 Literatur. 470betreffende Bemerkung machten; bourse, campanile, wo dieAufzählung der bedeutendsten, welche Italien besitzt, mitden Worten schliefst: de Padoue, de Garifcndi (sie), deBologne, de Ravenne et de Sainte-Agnes de Mantoue. Dahat sich wohl erstens ein böser Druckfehler eingeschlichen,zweitens aber giebt es keine Kirche St. Agnes in Mantua;drittens vermifst man die viel bedeutenderen Glockenthürmevon St. Marco in Venedig und von St. Maria in Cosraedinin Rom. Ebenso mangelhaft ist der Artikel chaire, Kanzel,wo sogar gesagt wird, daCs die ältesten noch vorhandenenKanzeln aus dem 15. Jahrh, datiren, eine Behauptung, dieim Munde eines Architekten ganz unbegreiflich ist, der jadoch gewifs, wenn auch nicht die ältesten in Deutschlandund England, doch die berühmten Kanzeln Niccolo Pisan'sim Baptisterium zu Pisa und ira Dom zu Siena, die in St,Giovanni in Pistoja und im Dom zu Ravello kennt, diesämratlicb dem IB, Jahrh. angehören; oder hat er im französjchenetwa einen anderen Ausdruck dafür, als chaire?Kbenso dürftig die Artikel Camposanto, ceramique, chartreuse,wo, weil die Definition unrichtig ist, auch die Angabe dereigenthümlichen Einrichtungen der Carthäuser - Kloster fehlt;dasselbe gilt endlich von den sehr wichtigen Artikeln choeurund chäteau fort, wenn letzteres nicht etwa noch unter demStichwort militaire (architecture) in vollkommnerer Gestaltauftreten wird.Ein näheres Eingehen verdient unseres Erachtens derArtikel „abside^' (richtiger apside), ein Begriff, über dessenNamen zwar hinlängliche Untersuchungen angestellt sind(vgl. Otte, Handb, der kirchl. Archäol. 4. Aufl. S, 3G, Kreuser,der christl. Kirchenbau I, S. 129 ff., Wcingärtner, Ursprungund EntWickelung des christl. Kirchengebäudes S. 111 ff.),der aber von unserem Yerf. sehr ungenau, von Viollet-le-Duc geradezu falsch definirt, von Beiden daher auch in derWirklichkeit unrichtig nachgewiesen wird. Wenn es nämlichschon aus dem griechischen Worte selbst, sowie aus concha,Muschel, hinlänglich hervorgeht, dafs die Form der gewölbtenNische dabei unerläfelich ist, so ist die von Bosc aufgestellteDefinition „partie ordinairement circulaire ou polygonalequi termine le choeur d'une eglise" zunächst insofernungenau, dafs sie das Wort ordinairement lieber weglassensollte, und die von Yiollet-le-Duc gegebene Definition, „c'estla partie, qui termine le choeur d'une eglise, soit par unhemicyclG, soit par des pans coupes, soit par un mur plat",gradozu falsch, denn erstlich kann die Form der Apsis auchweniger als einen Halbkreis bilden, zweitens ist der murplat dem Begriff der Apsis völlig widersprechend. Er fügtfreilich hinzu: „Obgleich das Wort abside streng genommennur vtn der Tribüne oder dem tiberwölbten Halbrund (culde-four)gesagt werden kann, das die alte Basilika abschliefst"(was wieder eine zu enge Definition wäre), „sobezeichnet man doch heutzutage damit das Chorhaupt (che-7et), den Chorschlufs, ja sogar die halbrunden oder polygonenKapellen der Kreuzflügel oder des runden Chorhauptes.Dann nennt er eine Menge von Kirchen, „die viereckigeApsiden haben", was schon an sich ein Widerspruch ist.(Emen ähnlichen Widerspruch duldet freilich die Terminologieder Architektur in dem Ausdruck „scheitrechter Bogen,franz. arc-linteau, engl, straight arch"). Richtiger schreibtund definirt das Dictionnaire de TAcad. des Beaux-arts dasWort apside: „il a 6t^ employ^ par les anciens et par lesecrivains chretiens pour d6signer la tribune ou grando nichesurmontee d'ane voüte, qui terminait les basiliques antiqueset Celles des premiers siöcles de notre ere. La demi-calottespherique dont la tribune est couverte etant la seule partievoütöe des premiers temples chretiens, l'ensemble de la trlbunoa 6tö denomme comme dovait l'etre seulement la partiela plus caracteristique, la voüte." Es fügt dann freilichhinzu, dafs heutzutage das Wort ausgedehnt wird auf jeden,sogar rechteckigen Chorschlufs, „qui n'offre par consequentaucune analogie avec les formes arrondies portant une demicalottespheriques, telles que les presentaient les veritablesapsides." „Mithin wird das Wort gebraucht, um ganz allgemeinden äufsersten Theil des Sanetuariums zu bezeichnen, ohne Kücksicht auf die Formen desselben." Wenn alsodas Dictionn. de l'Acad. schon viel richtiger definirt (aberdie widersimiige Anwendung des Wortes auf den geradenChorschlufs hätte verwerfen sollen), so ist doch in Bezugauf alle drei Definitionen zu bemerken, dafs sie das zweitecharakteristische Merkmal einer wirklichen Apsis durchausnicht betonen, dafs sie nämlich nicht einfach das äufaersteEnde eines runden oder poiygonen Chorschlusses ist, sondernein organisch gesondertes Glied, eine selbständige Vorlagedes Altarhauses, die aus dem Schlüsse desselben heraustretenmufs, deren daher die einfach polygon schliefsendengothischen Kirchen schon vom 13. Jahrh. an gänzlichentbehren. Aus diesem Mifsverständnils und Mifsbrauch desBegriffes Apsis entspringen eine Menge von unrichtigenSätzen dieses Artikels im Dictionn. von Bosc, aber auchsonstige Ungenauigkeiten, z. B. sagt er: im 13., 14. und 15-Jahrh. fing man an, die Apsiden mit 3, 5 oder 7 chapellesrayonnantes zu umgeben, wofür er, abgesehen davon, dafsman nicht gut di'ei Jahrhunderte nach einander anfangenkann, das nicht sehr passende Beispiel von Saint-Guilhemle-Desertangiebt, wo die drei eigentlichen Apsiden in gleicherFlucht liegen, also nicht chapelles rayonnantes sind, und nurdie südliche Ncbenapais kleine Mauernischen hat, die kaumradiante Kapellen zu nennen sind. Warum nicht hebcr einsder bekannten Muster dieser Anordnung, z. B. die Abteikirchein Fontevrault, oder Saint-Ililaire in Poitiers, oderNotre Dame du Port in Clermont, von denen die beidenletzteren vier radiante Apsiden haben? AuFserdem ist esauch ein grofser Irrthum, dafs diese Anordnung radianterKapellen erst im 13. Jahrh. aufgekommen sei; ein Blick inden Artikel „chapelle" von VioUct-le-Duc (Dictionn. d'archit.II. p. 450) hätte gezeigt, dafs in Frankreich dergleichenwenigstens schon im 10. Jahrh. geschah. Damit und mit deroben erwähnten Dürftigkeit des Artikels Choeur hangen aberauch die schwachen Bemerkungen des Veif. über das namentlichin Deutschland häufige Vorkommen einer westlichenApsis (contro-apside) zusammen. Wenn also der Begriffeiner wirklichen Apsis unseres Erachtens sehr leicht, aberanders zu definiren ist, als es hier geschehen, so läfst sichdagegen schwerlich eine genaue Grenze zwischen den BegriffenApsis und Chorkapelle ziehen, also sagen, wann eineApsis zur Kapelle wird, and wann radiante Apsiden denNamen Kapellenkranz verdienen.Nach dieser Hervorhebung der uns besonders schwachoder mangelhaft scheinenden Artikel bleibt ans noch diekurze Aufzählung einzelner Irrthümer und Unrichtigkeiten,sowie derjenigen Wörter übrig, die Aufnahme hätten finden30*


471 Nekrolog. 472müssen. S. 11. Die Biene ist in der Ikonographie das Attributnicht nur deg h. Ambrosius, sondern auch des Bernhardvon Clairvaux und des Johannes Chrysostomus. —S. 51. Alleren, die bekannte umgekehrte <strong>Sp</strong>irale, ist nichterst dem Jesuitenstile eigen, sondern zeigt sich in Italienschon gleich bei den ersten ßenalssancebauten, ^vobl amfrühsten von Leon Battista Alberti an der Fagade von S.Maria N'ovella in Florenz, Mitte des 15. Jahrb. — S. 70sind die Maafse des Amphitheaters in Pozzuoli uurichtigangegeben. Nach Bosc wäre es das gröfste von allen; esist aber kleiner als die von Rom, Capua und Verona, dasein gröfserer Durchmesser nur 147, sein kleinerer 117"'beträgt. — S, 257 ist die heraldische Bezeichnung von orangeunrichtig angegeben; es ist vertikale und schrügliake (nichtscbrägi'cchte) Schraffirnng. — S. 257 ist zu lesen niUee oderoder anillee, nicht nellco; ebenso griiigolce, nicht gringalee.— S. 250. Mantele bedeutet in der Heraldik nichts als eineniedrige <strong>Sp</strong>itze. — S. 327, Campanes (in dritter Bedeutung)sind nichts als die Tropfen am dorischen Gebälk. — S. 340.Die Abtei Lorsch ist gestiftet 764, nicht 776. — S. 369ist die Definition non ccrcle nicht richtig, denn nicht jedebeliebige circonference begrenzt den Kreis, sondern nur dievon einem Mittelpunkt überall gleich weit entfernte.Etwas grölser als diese Liste würe, wenn wir sie vollständiggeben wollten, wohl die der fehlenden, nothwendigaufzunehmenden Wörter. Unter den auf den ersten Blickvon uns vermifsten nennen wir nur ant6glise Vorkirche,grofse Vorhalle einer Kirche, antcmural äuFsere llingmauereiner Burg, antestature leichte Verschanzung von Palissaden,arc en car^ne Kielbogen; arc ebrasc ausgeschrägter undarc renfoncö eingehender Bogen, sowie mehrere andere ausMüthes' Baulexicon zu entnehmende Bogenarten, arehitecturearmenienne, avant-nef innere Vorhalle einer Kirche, avantporcheäul'sere Vorhalle, avant-porte, avant-seuil breite Stufevor einer Thür, bastide nach Cauraont, Abecedaire 2. ed. ILp. 158 ff., bäton tordu gewundener Stab, im Artikel blasonviele lieraldische Kreuze, im Artikel bois viele das <strong>Bauwesen</strong>betreffende Ausdrücke, boisagc Holzwerk, houge al.s Subst.in seinen verschiedenen Bedeutungen, bris6 in zwei heraldischenBedeutungen, cabinet in der Bedeutung Kunstschrank,cachot Kerker, cantonniere Eckbeschlag, cartoucbe als Wappenschild, cassette, ceroplastiquo, chomin de Jenisalem,chien (ikonographisch) und andere, die aus Mothes' Baulexikonmit leichter Mühe zu vermehren wären. Ebenso ist,wie es sich z. B. im Artikel animaux (Symbolik der Tbiere)und anderen bomerklich macht, die Literatur unter denHauptartikeln, wo sie sich bestrebt die einschlägigen deutschenWerke zu nennen, höchst mangelhaft, abgesehen davon,dafs, wo sie sich findet, die ISamen deutscher Schriftstelleroft ebenso falsch geschrieben sind, wie die deutschenOrtsnamen,Trotz aller dieser gröfseren und kleineren Irrthümcr,Versehen und Mängel kann man dem Werke, so weit es bisjetzt vorliegt — und sicher wird es sich im weiteren Fortgangeher verbessern als verschlechtern — und namentlichso weit es das Alterthum und Frankreich betrifft, das Lobvielseitiger Kenntnifs und grofser Umsicht deshalb nicht versagen, weil es einen einzigen Architekten zum Verfasser hat,und nicht etwa, wie Mothes' Baulexikon, unter Mitwirkunganderer Fachmänner und Kunstforschcr entstanden ist. Diedarin beobachtete <strong>Sp</strong>rache leidet freilich an einer gewissenBreite und würde, wenn sie sich kürzer fafste und sichmanchmal mit Verweisungen und Zusammenfassung verwandterWörter begnügte, viel Kaum, also auch dem KäuferKosten ersparen. Biese Kostspieligkeit, die Folge der luxuriösenAusstattung des Werkes, das in jeder Lieferang mitwenigstens einer cbromolithographirteii Tafel und aurserdemselbstverständlich mit zahlreichen Holzschnitten versehen istund überhaupt in seinem ganzen Acufscrn als Pendant zudem in gleichem Verlage erscheinenden, aber leider imSchneckengang vorrückenden Dictionnaire de l'Acadömie desBeaux-arts auftritt, diese Kostspieligkeit, fürchten wir, wirdder verdienten Verbreitung des Werkes in Deutschland imWege stehen.Bremen.H. A. Müller.Nekrolog.Seit Monaten deckt der Uasen die sterblichen Reste eines Mannes, dem reiches Wissen, nnermüdete Thatkraft undedler Charakter ebenso allseitig Achtung und Liebe erworben hatten, wie die schweren Schicksalsschläge, die seine letztenLebensjahre verdunkelten. Alle, welche ihm näher standen, mit dem innigsten Mitgefühle erfüllten:Theodor Stein,Königlicher Geheimer Rcgieruugsrath a. D. und Vorsitzender des Directoriums der Berlin-Stettiner Eisenbahn-Gesellschaft,weilt nicht mehr unter uns. Dieser Verlust wird nicht nur schmerzlich empfunden im Kreise (seiner Familie und Freunde,nicht nur in seinem ausgedehnten Wh-kungskrciac wird die belebende Kraft schwer vermifst: die Vielen, denen er mit ßathund That treu zur Seite stand, beklagen tief das Fehlen des kräftigen Führers und Helfers. — Das Baufach hat durch seinenHintritt einen seiner tüchtigsten und edelsten Zierden verloren.Am 18. Juli 1802 in Flock von deutschen Eltern katholischen Glaubens geboren, kam er schon im ersten Lebensjahrenach Königsberg i/Pr., wo er seine Schulbildung empfing.Sein Vater, ein Postbeamter, bestimmte ihn für den Justizdienst, zu dessen Erlernung er beim Gerichte in Labiau alsSchreiber eintrat. Der dortige Landbaumeister Jester lernte Stein kennen, bemerkte sein Talent und veranlaCste ihn, demWillen des Vaters entgegen, seine Stellung aufzugeben und die Feldmefskunst, die damalige Vorschule der Bauwissenschaftenzu erlernen. 1821 wurde Jester nach Heilsberg versetzt. Stein ging mit ihm, arbeitete dort noch 2 Jahre als Eleve und


473 Nekrolog. 474machte, nachdem er durch Beschäftigung bei Terschiedenen Bauten, u. a, beim Bau der Altstädtischen Kirche in Königsberg i/Pr.seine Keimtnisse im Baufache erweitert hatte, im Jahre 1825 das Examen als Bau-Conducteur, dem 1829 die Bauinspector-J^achprüfimg folgte.Als Baw-Oonducteur wai" sein erster Bau das Regierungs-Gebäude in Gumbinncu. Daneben führte er mehrere Privatbautenauf benachbarten Gütern aus. Sein Hauptaugenmerk richtete er auf Beachaifung guter und preiswürdiger Materialien,und vorzugsweise auf Herstellung guter Mauersteine, deren Fabrikation damals noch sehr im Argen lag. Durch sehi ernstesStreben und seinen unermüdlichen Eifer hatte er die Aufmerksamkeit Schinkel's und Bcuth's auf sich gelenkt und sich besondersSchinkel's Wohlwollen erworben, der ihn in Gumbinnen besuchte, ihn auf seinen Dienstreisen mit sich nahm, und auch inbrieflichem Verkehr mit ihm blieb. Schinkel war dem Verstorbenen stets ein hehres Vorbild, dem er mit Begeisterung nachstrebte.Mit inniger Wärme erzählte er von der milden Bourtheilung, die der grofsc Meister den oft recht dürftigen, mifsverstandcnenAusführungen seiner bis in das kleinste Detail au-sgearb ei toten Entwürfe zu Theil werden liefs, von dem feinenGefühl für Naturschönheiten und besonders von dem genialen Zuge, durch den er auch die einfachsten Dienstgoschäfte ausder <strong>Sp</strong>häre der Alltäglichkeit zu erheben wufste. 1838 wurde Stein als Bauinspector nach Danzig versetzt Neben seinenausgedehnten Berufsarbeiten leitete er auch hier eine erhebliche Anzahl von Privatbauten; Stadt- und Landhäuser reicherDanziger Kaufherren (Borent, Amort, Hepner) wurden mit gutem Geschmack auf- und ausgebaut. Stein's stets auf das Idealegericlitetem Sion, seiner Thatkraft und allgemein anerkannten Uncigennützigkeit gelang es, verbaltuifsmäfsig bedeutende Summenfür liiese Bauten flüssig zu machen und sich die Zufriedenheit der Bauherren zu erwerben, so dafs ihm noch jetzt ein gutesAndenken in Danzig gewahrt ist. Nicht oime Interesse ist es, dafs ihm Seitens einzelner seiner Auftraggeber ein angemessenesHonorar zum Theil dadurch zugewendet wurde, dafs sie ihn bei gewinnreichen Weizenspeculattonen betheiligten. So erfreulichdiese Bautliätigkeit, der Verkehr mit den Freunden und die <strong>Sp</strong>eculation an der Borge auch gewesen, so trübe endete derAufenthalt in Danzig. 1841 starb seine Frau, und im Januar 1842 folgte ihr das einzige Töchterchen. Der Schmerz überdiese Vernichtung eines glücklichen Familienlebens war so grofs, dafs Stein sich aufser Stande fühlte, die Danziger Stelleweiter zu verwalten, vielmehr einen längeren Urlaub erbat und erhielt, den er zu einer Reise nach Italien benutzte.Sein steter Begleiter auf di'cser Reise war der Bildhauer Ilopfgarten, mit dem er bis zum Tode des hochbegabtenKünstlers in freundschaftlichem Verkehr blieb.In Rom lebte er ganz der Kunst, befreundete sich mit vielen Künstlern, besonders mit den Malern Horner und Müller,malte auch selbst viel, und erwarb sich in dieser Zeit einen klaren Blick für Kunstform und Farbe, der ihm eine reicheQuelle der Befriedigung und des Genusses für das ganze Ijobon geblieben ist.Bald uach seiner llückkchr am letzten Tage des Jahres 1842 erhielt Stein die Berufung zur Ministerial-Bau-Commission,der er im Januai' 1843 Folge leistete. In Berlm eröffnete sich ihm ein reiches Feld der Tbätigkeit. Sein bedeutendster Bauwar die Diakonissen --instalt Bethanien; die ersten, von Persius herrührenden Entwürfe wurden durch Stein umgearbeitet,besonders die Grundrifsbildung, die Ventilation und viele wirthschaftliche Einrichtungen in Folge einer zu diesem Zweckegemachten Studienreise nach England eigenartig ausgeführt. Das Kochen der <strong>Sp</strong>eisen in G-efäfsen mit doppelten Wänden, inderen Zwischenraum heifso Wasserdärapfe eingeführt werden, ist wohl hier mit zuerst in Deutschland angewendet.Mit der eigentlichen Bauleitung war der jetzige Baurath und Director der Muldethal-Eisenbahn Römer beschäftigt. Anseiner Wahl bewies Stein zum ersten Mal die Gabe, tüchtige Männer zu erkennen und sich zu Mitarbeitern heranzubilden,eine Gabe, die ihm später die Erfüllung der mannigfachen Aufgaben seines Lebens wesentlich erleichtert hat.Der Bau des unter dem Protectorate der Ilochseligen Königin Elisabeth stehenden Krankenhauses brachte Stein mitden höchsten Kreisen in Berührung und bei der Eröffnung der Ai^talt wurde er mm ersten Male durch die Verleihung einesOrdens ausgezeichnet.Vom den vielen Bau-Ausführungen, deren Leitung ihm in Berlüi oblag, interessirte ihn am meisten der im Jabre 1844begonnene Ausbau der Klosterkirche, dem im Wesentlichen Pläne von Schinkel zu Grundo liegen, von denen Stein cinxelneals heilige Vermächtnisse in seinen Mappen aufbewahrte.Die Verwendung von Eisen und Zink zu den Giebelthurmspitzen war damals noch neu, und ist im Laufe der Zeit durchStein öfter wiederholt. (Werder'sche und Louisenstädtische Kii'che in Berlin, Klosterkirche zum guten Hirten in Aachen,Evangelische Kirche in Eupen.)In den Jahren 1847/49 lehrte Stein au der Bau - Akademie; Constructionslehre und Landwirtbschaftliche Baukondewaren die Fächer, über die er vortrug. Auch diesem Zweige seiner Tbätigkeit widmete er sich mit regem Eifer, mit welchemErfolg, darüber kann mau urtheilen aus der Begeisterung, mit der seine damaligen Schüler sich des lebendigen anregendenVortrages und des liebenswürdigen Lehrers erinnern.Aufserdem beschäftigten ihn viele Privatbauten, wie die Bergmann'sche Schönfärberei, die Kunheim'sche Fabrik, dasGerson'sche Modewaareiilager, die Lampenfabrik von Wiobke u. a. m. Diese ausgebreitete Tbätigkeit brachte ihn in Verbindungmit den bedeutendsten Künstlern; Stüler, Bauch, Kifs, Dankberg gehörten zu seinen näheren Bekaamteu und Freuaden.Es wurde ihm daher nicht leicht, Berlin zu verlassen und die Ernennung zum Regierungs- und Baurath in Aachenanzunehmen.Er hatte in Berlin zum zweiten Male geheirathet und ging mit der Familie im Jahre 1849 nach seinem neuenBestimmungsorte,Auch dort liefs er es bei der Erfüllung der Dienstpflichten nicht bewenden, sondern suchte und fand Gelegenheit zuerweiterter Wirksamkeit- Es gelang ihm, durch die auf eigene Kosten ausgeführte Restauration des ersten Apostels am Domzu Aachen eine so allgemeine Theilnahme für die Wiederherstellung dieses stark baufälligen alten Bauwerks zu wecken, dafs


475 Nekrolog. 476bimicn wenigen Jahren bedeutende Mittel aus Privat-Beiträgen zusammengeflossen waren, und Seine Majestät der König sichbewogen gefühlt hatte, Tier gemalte Fenster von hohem Wertbe zu stiften. Kahe Beziehungen zum ßegierungs-Präsidentenvon Kühlwetter sowie zu bedeutenden Künstlern, wie Scheureu, Eethel, Zwirner, ergaben sich aus seineu Bestrebungen underleichterten dieselben.Der Pabst ehrte Stcin's uneigennützige Bemühuagen duccli den Gi'Ogorius-Orden und einen schmeichelhaften Brief inlateinischer <strong>Sp</strong>rache.In die Aachener Zeit fallen auch die Commissorien für die Weltausstellungen in Londen und Paris 1851 und 1855.Schon bei der Gewerbe-AusstcIIuung im Berliner Zeughause im Jaiu-e 1844 hatte Stein seinen guten Geschmack im Arrangementder Ausstellungs-Gegenstände gezeigt, und auf den Weltausstellungen hatte er von neuem Gelegenheit, dieses Geschick zubethätigen. Jeder Besucher der ersten Londoner Ausstellung wird sich erinnern, wie sehr die von Stein angeordnete Ausstellungdes Zoihereuis sich durch Klarheit, Ruhe und Schönheit der Anordnung vor den meisten anderen auszeichnete.Seinem unermüdlichen Eifer gelang es auch, Vortbeile ^u gewinnen und Mittel zu beschaffen, die den Ausstellern undder Ausstellung selbst zu Gute kamen. Anerkonnungsschrcibon und Orden aller Art, auch von Regierungen, für derenAngehörige er nur aufscramtüch und mittelbar wirksam gewesen war, geben Zeugnils von dem grofsen Eifer und von denErfolgen seiner Thätigkeit.Wie sieb Stein aber auch sonst Anerkennung und Liebe zu erwerben wul'ste, geht daraus her^'or, dafs er im Jahre 18&ifür die Kreise Schieiden, IVInntjoie und Malmedy zum Abgeordneten gewählt wurde und während 2 Legislaturperioden dieseKreise vertrat.Die schnelle Vermehrung seiner Familie nuthigtc den genügsamen Mann, a,n weitere Erwerbsquellen zu denken. ImJahre 1853 sehreibt er einem Danziger Freunde, dafs er schon 3 Knaben und 4 Mädchen habe, und da er nie ein guterFinanzier gewesen, daran denken müsse, anderweit Etwas zu erwerben, dafs er daher den Staatsdienst verlassen, und für einePrimat-Gesellschaft eine Eisenbahn in der Eifcl hauen y.'olle.Dies Project kam z\yar nicht zur Ausführung, aber der Eisenbahnbau bleibt jetzt das Feld, auf dem er glaubte, seineKräfte hinreichend ausnutzen zu können. Der Strarsenbau war nicht allein während seiner Lehrzeit, sondern auch in seinenflienstlichen Stelluiigou, besonders aber im Regierungsbezirk Aachen von ihm auf das Eifrigste gepflegt; jetzt studirte er mitFleifs und mit der ihm eigenen SclineUigkeit der Auffassung den Eisenbabnbau, und schon im Jahre 1856 wird er zum Vorsitzendender Gommissiou für den Bau der Kreuz-Cüstrin-Frankfurter Eisenbahn ernannt (der aulser ilim noch der damaligeRegierungs-Assessor von Mutius angehörte). Im Frühjahr des genannten Jalu-es siedelte er nach Frankfurt a/0. über.Das Streben, die Zweifler zu beschämen, die Wohlwollenden zu erfreuen, sich selbst zu genügen, treibt den thatkräftigenMann zur Anspannung aller Kräfte, um die ihm gestellte Aufgabe durchzuführen und die Bahn innerhalb 2 Jahren zu vollenden.Zunächst galt es, tüchtige Männer für seine Bureaus und für die Strecke zu finden und für ihre Aufgabe zu begeistern. Dawaren Römer und Sternberg, Hobrecht, Lange und Kirchhoff, Jacdicke uud Schorfs, Anderer nicht zu gedenken, von denendie meisten jetzt hervorragende Stellungen im Baufach einnehmen. Dann ging es an die Organisation. Zunächst mufstc diebisherige bewährte, wenn auch etwas vielgegliederte Form vom Aufseher, Bauführer und Streckenbaumeister zur Abtheilungund erst von dieser zur Centralstelle boibehalton werden; bald aber kam neues Lehen in die alte Form, Wo eine selbststandigcKraft sich regte, wurde ihr Freiheit zum eigenen Schaffen gelassen, wo die Leistungen nicht befriedigten, wurde in derliebenswürdigsten niemals verletzenden and hemmenden, vielmehr das Werk stets fördernden Weise commissarische oderdauernde Hülfe gegeben, und von dem Dirigenten überall persönlich eingegriffen, wo durch den strengen GeschäftsgangAufentlialt entstehen konnte. Mit schnellem Entschlüsse wurden die Linien und alle Projectc festgestellt; die Baueriaubnisswurde in der denkbar kürzesten Zeit, che noch die Besitzer Gelegenheit hatten, Bedenklichkeiten auszusinnen, fast bei allenGemcindeu in ad hoc zusammengerufenen Versammlungen von den Interessenten erwirkt, und mit den Arbeiten ohne Verzugbegonnen. Für die Verträge wurde die möglichst einfachste Form gewählt, bei Ermittelung der Untcniehmer aber vor Allemauf Tüchtigkeit und Redlichkeit gesehen; Klein-Akkorde waren im Allgemeinen ausgeschlossen.Alle diese Grundsätze, die Stein bei seinen späteren Bauten noch mehr ausgebildet hat, sind heute, nachdem '20 Jahrehingegangen, nicht mehr neu: damals bedeuteten sie einen erheblichen Fortschritt gegen die formelle Behandlung der Geschäfte,die beim Eisenbahnwesen nicht anders als bei der Verwaltung aller anderen Staatsbauten üblich war, und gegen die Stein, demGß stets mehr um die Saclie als um die Form zu thun war, sich überall nicht ohne Erfolg aufgelehnt hatte. Durch dieseMittel, besonders aber durch seine anregende Persönlichkeit, unterstützt durch die Gunst der Witterungs-Verhältnisse gelanges, schon im October 1857 nach einer Bauzeit von kaum iVa Jahren die Bahn fertig zu stellen, und auch die Abrechnungenmid Schlufsvermossungen schon in den ersten Monaten dos folgenden Jab^es vollständig abzuschliefsen.Bei der Eröffnung wurde Stein zum Geheimen ßegierungsrath ernannt und ihm der rothe Adlerorden 3. Klasse mitder Schleife verlieben.Dennoch wurden damals die bedeutenden Leistungen Stein's nicht in vollem Maafse anerkannt, wenngleich es demdamaligen Minister von der Heydt zur Ehre nachgesagt werden mufs, dafs er diese Gegenströmung stets zu hemmen und aufdas richtige Maafs einzuschränken wufste. Mit Unterstützung des Ministers gelang es denn auch, durchzusetzen, dafs Stein imJahre 1861 Seitens der Berlin-Stettincr Eisenbahn-Gesellschaft zum Dirigenten für den Bau der Angermünde-Stralsunder(Vorpommerschen) Bahnen gewählt wurde, nachdem er in der Zwischenzeit in Berlin mit Vorarbeiten für die ebengenannte unddie Bahn von Cüstrin nach Damm beschäftigt gewesen war. Im Juni 1861 siedelte er von Berlin nach Stettin über, undwidmete von nun au seine Kräfte lediglich der Berlin-Stettiner Eisenbahn-Gesellschaft.


477 Nekrolog. 478Zunächst wurden die Erfahrungen von der Kreuz-Frankfurter Bahn für den Bau der Vorpommerschefl Bahueu nutzbargemacht, und vor Allem in der Verwaltung und in der Form der Verträge Vereinfachungen in Anwendung gebracht, diewesentlich Kosten- und Zeit-Ersparnisse bezweckten.So gelang es denn, die 323 Kilometer lange Bahn unter mancherlei erheblichen Schwierigkeiten in weniger als 2 Jahrenzu vollenden; nur der letzte, durch die fortificatorischen Schwierigkeiten bei Stralsund verzögerte Theil der Linie konnte erstetwas später (1. November 1863) eröfliiet werden.Nach Vollendung dieses Baues wurde Stein in das Directorium der Berlin-Stettiner Bahn gewählt, und bildete mitFretzdorff und Zencke das engere CoUegium, dem es vergönnt war, die Bahn in einer bis dahin nicht geahnten Weise auszubildenund zu erweitern. Die ganze Hauptbahn von Berlin nach Stargard erhielt ein zweites Geleise ^ sämmtliche Bahnhöfewurden demgemäfs umgebaut und vergröfsert, die Station Neustadt E./W. wurde mit dem Oderbruch hei Wrietzen, späterauch mit Frankfurt a/O,, die Station Pasewalk mit der Meklenburgischen Friedrich-Franz-Bahn in Verbindung gesetzt, dieHinterpommersche Bahn bis Danzig, die Vorpommersche bis Swinemünde verlängert.Die wichtigste Bauausführung, die wesentlich dem zähen Festhalten Stein's an dem einmal für richtig Erkannten ihrZusammenkommen verdankt, ist der Umbau des Bahnhofes in Stettin und die Anlage des Centralgüter-Bahnhofes daselbst.Es ist hier nicht der Ort, diese circa 8 Millionen Mark kostende, unter erheblicher Beihülfe des Staates zu Stande gekommeneAusführung zu beschreiben, um so weniger, als Stein selbst eine Monographie darüber veröffentlicht hat (Erweiterungsbautender Berlin-Stettiner Eisenbahn'Gesellschaft, Berlin 1870 Ernst A Korn). Wohl aber ist darauf hinzuweisen, mit wie richtigemBlicke Stein nicht allein die Nothwendigkeit der Abhülfe erkannte, sondern auch die Lage, die Abmessungen und die Verbindungdes Bahnhofes mit der Stadt und deren Wassersfrafsen in weitschauendster Weise erwog und Pläne für die Gestaltungder ganzen Stettiner Bahnverhäitniaae entwarf, die soweit sie ausgeführt sind, sich trefflich bewähren und den zwanglosenRahmen für jede gewünschte Erweiterung bieten. Die Nothwendigkeit einer Umgestaltung des Stettiner Bahnhofes wurde zwarschon lange allgemein anerkannt; Pläne dazu gingen aber je nach den verscbicdenen Interessen weit auseinander, weil in jedemnur einseitige und halbe Maafsregeln zur Geltung gebracht wurden. Der Kampf war schwer und langwierig: alle Gegenprojectewurden sorgfältig bearbeitet, Amd gerade dadurch ihre Haltlosigkeit am sichersten bewiesen. Schlierslich gelang es auch, denKostenpunkt zu Überwinden, und nach Sjähriger Arbeit konnte das grofse Werk der Anlage eines ausgedehnten Güter- undRangir - Bahnhofes mit Ufermauerix, Ladestellen für den Schiffsverkehr etc. im Flutbgebiete der Oder auf einem 6 bis 7 Metertiefen Moorboden in Angriff genommen werden. Die Ausführung war ebenso interessant als schwierig, die Mittel zur Ueberwindimgder Schwierigkeiten häufig höchst originell. So sehr auch hier die Hülfe der tüchtigen Männer, die Stein sich alsMitarbeiter gewählt hatte, die gute Ausführung erleichterte, so waren es doch seine Gedanken, die das Ganze erfüllten, seinEifer, seine bis in die letzten Jahre jugendliche Eiasticität, die Alles belebte ntid mit sich fortriCs.Sein letztes gröfseres Werk war aufser der Vervollständigung der Linien Frankfurt-Angermüade-Swinemünde derUmbau des Bahnliofes in Berlin, und besonders die Herstellung des dortigen Empfangsgebäudes der Stettiner Bahn. Maggegen dieses Werk auch vom künstlerischen Standpunkte dies und jenes eingewendet werden dürfen: in der Auffassung wird esimmer ein bedeutendes eigenartiges Werk bleiben, und manches andere, in schönerer Form vorgetragen, an Gedankentiefeüberragen.Wenn die BauthätigUeiten, das lebendige Schaffen, die Beseitigung sich entgegenstellender technischer Schwierigkeitenauch das Hauptfeld der Tbätigkeit des Verewigten waren, so übte er doch auch auf die Verwaltung der Bahn den wohltbätigstenEiafluss aus. Auch hier war Vereinfachung des Organismus in jeder Richtung, Beseitigung des Unwesentlichen, richtige Abwägungdes Werthes einer Arbeit oder einer Controle gegenüber dem damit zu erlangenden Nutzen das Ziel seiner Wünsche. Wenner auch hier auf manchen Widerstand stiefs, so verkannte er doch nie den guten Willen und die Berechtigung der Männer,die am Hergebrachten festhielten; und gerade dadurch, dafs die von ihm angeregte Bewegung langsam vor sich ging, wurdeihm gute Wirkung um so sicherer.Am 20. Juni 1875 feierte Stein das 50jährige Jubiläum seines Eintritts in den Staatsdienst. Des Kaisers Majestätehrte seine erfolgreiche Wirksamkeit durch Verleihung der 2. Klasse des Kronen-Ordens; Abgeordnete des Berliner Architekten-Vereins, zu dessen ersten Mitgliedern er gehörte, Deputationen seiner Schüler und Mitarbeiter, der von ihm beschäftigtenUnternehmer und viele viele andere Freunde eilten nach Stettin, um mit den dortigen Freunden vereint den geliebten hochverehrtenJubilar zu feiern. Dieser Tag hätte der schönste seines Lebens sein können, wenn nicht, während alle seine Unternehmungender erwünschte Erfolg krönte, im Kreise seiner Familie der Todesengel die schönsten Hoffnungen seines Lebensgebrochen hätte.Die drei ältesten Söhne, hoffnungsvolle Jünglinge, von denen der älteste, höchst begabt, ein tüchtiger Architekt zuwerden versprach, während die beiden andern im Kriege gegen Frankreich mitgefocbten hatten, aus dem der eine mitdem eisernen Kreuz geziert zurückgekehrt war, — alle drei fielen kurz nacheinander dem Tode zum Raub; und währenddas Fest dem auf sein langes Leben zurückblickonden Manne den erfreulichen Beweis lieferte, dafs er nicht umsonst gelebt,mufste der Vater tief trauern, denn auch die älteste Tochter, seit wenig Jahren glückhche Frau und Mutter, auch sie Jagauf dem Todtenbette, und hauchte 4 Wochen sj^ter ihr junges Leben ans.Mit bewundernder Rührung sahen die beim Festmahl versammelten Verehrer den kräftigen Greis mit dem vollen,kraus aufgerichteten weiisen Haare, dem lebhaften Auge and den freundlichen Zügen, elastischen Schrittes in den Saal tretenund mit echter Geistesgröfse und Selbstverleugnung über der Erinnerung an all' das Gute, das ihm die verflossenen Jahreverschönt, den herben Schmerz der Gegenwart zurückdrängend, mit seiner erwärmenden Herzlichkeit dem Feste dieWeihe geben.


479 Nekrolog. <strong>480</strong>Wenn auch aufs Tiefste bekümmert, so doch äufserlich ungebrochen, suchte und fand er wenn aaeb nicht Trost sodoch Ablenkung und Aufrichtung in der Arbeit, der er sicii auch ferner mit gewohntem Eifer widmete.Da traf ihn schmerzlich der Tod seiner beiden CoUegen Fretzdorff und Zenkc, die Ende 1875 und Anfang 1876schnell hintereinander wegstarben. Es wurde ihm der Vorsitz im Directorium übertragen; aber seine Gesundheit war soerschüttert, sein nervöser Zustand war so bedenklich, dafs weder die Heihiuellcn von Carlsbad noch das reizende Wildbad,aus denen er schon mehrmals gekräftigt zurückgekehrt war, ilim die ersehnte Genesung brachten. Krank kam er am15, August 1876 zu seiner Familie zurück, versuchte auch jetzt noch mit Aufbietung aller Kräfte seine Berufspflichten merfüllen, mufste aber am 18. October das Krankenlager bestei^^cu, von dem er nicht wieder aufstehen sollte. In der Nachtvom 12, zum 13. November hörte das Herz des edlen vielgeprüften Mannes auf zu schlagen.Ein grofser Schmerz blieb ihm noch erspart. Nachdem es ihm versagt war, den ältesten Sohn als Erben seines Namensim Baufach zu haben, war er erfreut, dafs eine seiner Töchter sich einem Collegen verlobt hatte. Auch diese, schon kränklich,folgte nur wenige Monate später dem Vater ins bessere Jenseit,Am 10. November v. Js. war in den schwarz drapirten Repräscntationsiäumen des Directorial - Gebäudes der Berlin-Stettiner Eisenbahn-Gesellschaft eine ernste Menge versammelt; auch die Treppen und Gänge sowie der Platz vor dem Hausewaren durch Trauernde gefüllt. Die Rede am Sarge wies darauf hin, wie sehr der Verstorbene in jeder Hinsicht seine Pflichtgegen Gott und Menschen erfüllt habe, durch Ai-beit für Andere und Arbeit an sich selbst. Ein langer Zug bewegte sichschwennüthig zum Friedhofe; die Nacht brach herein, als wir ihn der Erde übergeben hatten.Wohl hatte er seine Pflicht gethan! Ein selbstgemachter Mann hatte er vom Eintritt in das Leben bis zum Tode seine"Wege mit eigener Kraft zu bahnen gehabtNiemals damit zufrieden, Hergebrachtes in gewohnter Uebung zu wiederholen, war er stets bemüht, aus eigenenBeobachtungen und Erfahrungen Anderer zu lernen.Neben seiner ausgedehnten Eerufsthätigkeit fand er stets Zeit zum Durchlesen der einschlägigen Fachliteratur und zuStudienreisen. Nichts Wichtiges und Neues entging ihm und er gehörte stets zu den Ersten, die neue Ei-flndungen anzuwendenund einzuführen bemüht waren. Unsere Zeit lebt so schnell, dafs die meisten dieser I>ingc schon Gemeingut geworden sind:als aber Stein unter Anderem beim Bau der Cüstriner Oderbrücken die Kreiselpumpe, beim Bau der Vorponunerschen Bahnendas jetzt allgemein eingeführte, dem englischen nachgebildete Signalsystem, hei Beschaffung der Betriebsmittel die Intercommunicationund Anlage von Closets in den Wagen, beim Stettiner Bahnhof das System der mit den Signalen verbundenenCentral-Weichenstell-Apparate in Anwendung brachte, waren sie noch neu und wenig bekannt, und die von Stein damitgemachten Erfahrungen haben zur A'^endlkommnmig und weiteren Einfühning wesentlich beigetragen.Galt es eine Aufgabe zu lösen, so war er schnell von Entschlufs und wurde nicht müde, seinen Mitarbeitern einzuprägen,dafs durch langes Bedenken nur Zeit verloren geht, Fehler aber doch nicht vermieden werden. Mit der wachsenden Schwierigkeitwuchs auch seine Energie, und gerade bei den schwersten Ereignissen zeigte er seine bewuudemswerthe Schnelligkeitdes Entschlusses, dem dann die Ansfülu-ung auf der Stelle folgen mufste. Als die hölzerne Eisenbahn-Brücke im Oderthalebei Stettin auf eine längere Strecke durch Brand zerstört war, gelang es ihm, in der unglaublich kurzen Zeit von 10 Tagenden Bau wieder herzustellen; ähnliche Leistungen wufste er bei einer durch Sturmfluth veranlafsten Zerstörung der VorpommerschenBahn bei Anciam, bei Wiederherstellung des im strengen Winter abgebrannten Obergeschosses und Daches des Verwaltungsgebäudesin Stettin, und bei anderen Gelegenheiten herbeizuführen,Üeberall war es nicht sein augenblickliches Eingreifen allein, sondern das Geschick, mit dem er das Selbstdenken undSelbstthun der ausführenden Organe anzuregen und zu fördern wufste, wodurch so grofse Wirkungen hervorgebracht wurden.Weit schwieriger als der Kampf gegen die Elemente war ihm der Kampf gegen widerstreitende Ansichten. Stets offenund rückhaltslos, gab er dem Gegner Waffen gegen sich seihst in die Hand, und wenn auch achliefslich die gute Sacheden Sieg davon trug, so schmerzten ihn doch viele Wunden und selbst die Karben brannten gelegentlich mehr, als er vorder AVeJt erkennen liefs.Im Kreise seiner Familie und im Verkehr mit Bekannten wie mit Untergebenen war er von der herzgewinnendstenLiebenswürdigkeit, ohne seiner Würde jemals Etwas zu vergeben.Er buhlte nicht um Volksgunst, und war dennoch bei dem gemeinen Mann beliebt, sobald er mit ihm in Berührungkam, wozu aufser dem ausdrucksvollen Kopfe die Gabe, leicht zu verstehen und sich verständlich zu machen, viel beitrug.Nicht nur die Gaben seines Geistes liefs er auf Alle einwirken, die mit ihm in Berülirung kamen; auch mit irdischenGütern half er, wo irgend geholfen werden konnte. Besonders eifrig sorgte er dafür, dafs alle, die bei ihm beschäftigt waren,so schnell als irgend möglich ihre Examina zum Abschlufs brachten, und wo die Mittel fehlten, unterstützte er geni undreichlich, ohne auf Rückerstattung zu rechnen.So hat er sich nicht allein durch seine Werke ein bleibendes sichtbares Denkmai gesetzt, sondern auch in den Herzenvon Allen, die den edlen Mann gekannt haben, wird sein Andenken unvergefslich bleiben, denn sein Leben ist würdig, einVorbild zu sein für Jeden, der es ernst meint mit sich selbst und seinen Lebensaufgaben.Magdeburg, im Mai <strong>1877</strong>.Skalweit.Halle, Druck der Wni^euliani-Iluplidrurliscei.

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