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04. Zeitschrift für Bauwesen XXVII. 1877, H. VIII-X= Sp. 337-480

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405 K. Nenmann, lieber den Backstein. 406anzupassen. — Da nun aber das Backsteinmaterial einertreuen Nachbildung der antiken Formen die gröfsten Schwierigkeitenentgegenstellt — wie dies weiter unten näherentwickelt werden soll, — so ist die Scheu, auch die Formenbildungder Backstoingesimse in die Fesseln des Schemasder antiken Säulenordniingeu zu zwängen, wohl sehr erklärlicli-Nachdem aber der Versuch erst einmal gemacht war,auch für den Backsteinbau die strengeren antiken Formenin Anwendung zu bringen, da gestalteten die Umstände sichbald anders. — Denn in wie geistvoller Weise, mit welch'feinem Sinne die Umdeutung der antiken Schemata für dieneuen Bedüifnisse auch vielfältig bewirkt worden ist, —wie viel Neues und Originales trotz der Selbstboschränkungin Bezug auf Formenerfindung auch geschaffen wurde, soblieb doch mit dieser Methode immer die Gefalir verbunden,in ein mecbaniscbes, geistloses Copiron der antiken Säulenordnungenzu verfallen, insbesondere, da man deren innereBedeutung nicht verstand, vielmehr nur die daran haftendeFormenschönhoit, wie die edlen Verhältnisse empfand undbewunderte. — Ueber diese Gefahr aber hob wieder dieBacksteinarehitektur hinweg. Indem sie eine stricto Nachbildungder antiken Formen und Verhältnisse eben nichtgestattete, veranlafste sie den Architekten, von der strengenformalen Regel der Schule abzuweichen, eigener Erfindungwieder gröfseren Kaum zu geben und danach zu streben, imGeiste der antiken Formenbildung, nicht nach deren todtemSchema zu arbeiten. — Nun bethätigten sich gerade die geistvollstenund strebsamsten Architekten gern im Backsteinbau,und es entstanden die herrlichsten Werke, durch und durchgesättigt in Schünheit der Verhältnisse, in Keichthum derErfindung, im Schwünge der Begeisterung, — Es darf nuran die Backsteinhöfe der Certosa bei Pavia, an Klosterhöfein Mailand, Bologna, Ferrara u. s. w. erinnert werden. Diefeinen, zierlichen Formen des Backsteinbaues, die als Repräsentantenweiblicher Anmuth und Zartheit gelten können,übten sodann auf die fernere Ausbildung der Renaissance -Architektur überhaupt noch einen weiteren, bedeutungsvollenEinflufs aus, — Sie standen in vollem Gegensätze zu demvon Florenz ausgegangenen Bausysteme, welches in derRustica-Fa^'ade mit ihrer gewaltigen, grofsartigen Einfachheitdie höchste, stolzeste Manneswürde darstellt. — Zwischenbeiden Extremen mufste eine Vermittelung gesuchtwerden — wie im Alterthum zwischen ionischer und dorischerBauweise — und sie wurde gefunden. — Der grüfsesteMeister der Renaissance-Architektur, Bramante, verlebteseine Jugendzeit m den Gegenden, welche vorherrschend denPJacksteinbau cultivirten; er erwuchs zum Meister in derUebung der Backsteinbauformen und er componirte Anfangsvorzugsweise für Backsteinbau. — Die zierlichen, feinen,reinen Formen dieser Bauweise, welche ihm geläufig waren,wirkten fort und halfen die Formen schaffen, welche durchBramante's Beispiel mustergültig wurden, als er, nach Romübergesiedelt, seine Ki-aft den höchsten Aufgaben widmendurfte, welche einem Architekten je gestellt wurden. —Auf diesem Wege übte die Backsteinarehitektur einen bedeutendenEinflufs auf die architektonische Composition überhauptans und wurde auch für die Architektur in Stein zueinem wesentlich mitwirkenden Elemente, um die architektonischeProdaction zur vollendet schönen Erscheinung znführen.g. Die Backsteinarehitektur der Neuzeit.Die Cultur und Kunst der Renaissance, welche imlöten Jahrhunderte in Italien aufblühte und in glänzendemTriumphzuge durch die ganze gebildete Welt wanderte, hatWährend dreier Jahrhunderte ihren Kreislauf räumlich undjseitlieh vollendet. — Aus den Anschauungen und Gedanken,auf welchen sie beruhte, wurde eine reiche Fülle des Neuen,Tüchtigen und Schonen geschaffen; aber zahlreiche Verirrungenlegen ebenso auch Zeugnifs davon ab, dafs der Gedanken-und Ideenkreis, aus welchem diese neue Culturentwickelungerwachsen war, bei "Weitem noch nicht dievolle Wahrheit erfafst hatte.Eine neue Welt ist seitdem ei'standen, das ganze Lebenist grüfser und weiter geworden, aber es ist derselbe Geistder Freiheit, welcher jetzt wie damals wirkte. — Damalsergriff er nur die bevorzugte Klasse der Gebildeten, gegenwärtigdurchdringt er völlig die Völker. — Im gesammtenLeben wiederholen sich die Vorgänge jener Zeit aber inweiterer Ausdehnung und in intensiverer Weise. — Auchdie Kunst ist eine Kunst der Renaissance geblieben.Ebenso kräftig, wie vor 400 Jahren, wirken heute Kunstund Leben des klassischen Altorthums auf unsere Kunst undunser Leben ein. Aber das Yerständnifs Beider hat sichganz anders, tiefer und freier gestaltet. — Das Studium derKunstwerke des Alterthums hat uns die Schönheit der hellenischenPlastik und Architektur erschlossen, währenddiese dem 15. und 16. Jahrhunderte unverständlich gebliebenwar. Jetzt erst haben sich unserer Erkenntnifs diePforten der reinen, der absoluten Schönheit aufgethan, undgesättigt mit diesen Anschauungen ist unsere Zeit an dieGestaltung einer neuen Kunst der Renaissance gegangen,deren Aufgaben weiter, deren Ziele höher sind, als die deritalienischen Renaissance, so viel gröfser und höher, als dieZiele unserer gesammten modernen Cultur diejenigen derCultur im 15. und 16. Jahrhunderte überragen.Die Architektur ist unter den Schwesterkünsteu nichtzurückgeblieben, aber ihr Weg ist der weiteste, ihre Aufgabewohl die schwierigste, denn in ihr sind die durch Traditionüberkommenen und nothwendig zu vermittelndenGegensätite am gröfsesten. Sowohl die hellenischen, als diegothischen Formen waren in den Bereich ihrer Thätigkeitzu ziehen, die Vorstufe des Eklokticismus, welche der freienNeuschöpfung unvermeidbar vorhergeht, wurde deshalb weitausgedehnt und dauert noch fort. — In ihr nimmt der Backsteinbaueine wichtige Stelle ein, ja er ist von vielen feinsinnigenund schaffensfreudigen Architekten bevorzugt worden5 sie fanden einen besonderen Reiz darin, in diesemMateriale zu arbeiten, weiches, wie weiterhin näher begründetwerden soll, eine von der hergebrachten Regelabweichende Formenbehandlung für sich fordert, — Was inOberitalien an manchen Stellen der Ortsstolz und die Ruhmessachtder Städte bewirkte, das Festhalten an einemkünstlerisch schwieriger zu behandelnden Materiale, auchohne äüfsere Nöthigung, das thut in unseren [Tagen vielfachdas liebevolle Versenken des Künstlers in die ihm gewordeneAufgabe.Schinkel wurde auch für den Backsteinbau der Bahnbrecherund der Führer auf neuen, noch wenig betretenenWegen. — Mit der Bauschule in Berlin begann er den Bei-26*

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