405 K. Nenmann, lieber den Backstein. 406anzupassen. — Da nun aber das Backsteinmaterial einertreuen Nachbildung der antiken Formen die gröfsten Schwierigkeitenentgegenstellt — wie dies weiter unten näherentwickelt werden soll, — so ist die Scheu, auch die Formenbildungder Backstoingesimse in die Fesseln des Schemasder antiken Säulenordniingeu zu zwängen, wohl sehr erklärlicli-Nachdem aber der Versuch erst einmal gemacht war,auch für den Backsteinbau die strengeren antiken Formenin Anwendung zu bringen, da gestalteten die Umstände sichbald anders. — Denn in wie geistvoller Weise, mit welch'feinem Sinne die Umdeutung der antiken Schemata für dieneuen Bedüifnisse auch vielfältig bewirkt worden ist, —wie viel Neues und Originales trotz der Selbstboschränkungin Bezug auf Formenerfindung auch geschaffen wurde, soblieb doch mit dieser Methode immer die Gefalir verbunden,in ein mecbaniscbes, geistloses Copiron der antiken Säulenordnungenzu verfallen, insbesondere, da man deren innereBedeutung nicht verstand, vielmehr nur die daran haftendeFormenschönhoit, wie die edlen Verhältnisse empfand undbewunderte. — Ueber diese Gefahr aber hob wieder dieBacksteinarehitektur hinweg. Indem sie eine stricto Nachbildungder antiken Formen und Verhältnisse eben nichtgestattete, veranlafste sie den Architekten, von der strengenformalen Regel der Schule abzuweichen, eigener Erfindungwieder gröfseren Kaum zu geben und danach zu streben, imGeiste der antiken Formenbildung, nicht nach deren todtemSchema zu arbeiten. — Nun bethätigten sich gerade die geistvollstenund strebsamsten Architekten gern im Backsteinbau,und es entstanden die herrlichsten Werke, durch und durchgesättigt in Schünheit der Verhältnisse, in Keichthum derErfindung, im Schwünge der Begeisterung, — Es darf nuran die Backsteinhöfe der Certosa bei Pavia, an Klosterhöfein Mailand, Bologna, Ferrara u. s. w. erinnert werden. Diefeinen, zierlichen Formen des Backsteinbaues, die als Repräsentantenweiblicher Anmuth und Zartheit gelten können,übten sodann auf die fernere Ausbildung der Renaissance -Architektur überhaupt noch einen weiteren, bedeutungsvollenEinflufs aus, — Sie standen in vollem Gegensätze zu demvon Florenz ausgegangenen Bausysteme, welches in derRustica-Fa^'ade mit ihrer gewaltigen, grofsartigen Einfachheitdie höchste, stolzeste Manneswürde darstellt. — Zwischenbeiden Extremen mufste eine Vermittelung gesuchtwerden — wie im Alterthum zwischen ionischer und dorischerBauweise — und sie wurde gefunden. — Der grüfsesteMeister der Renaissance-Architektur, Bramante, verlebteseine Jugendzeit m den Gegenden, welche vorherrschend denPJacksteinbau cultivirten; er erwuchs zum Meister in derUebung der Backsteinbauformen und er componirte Anfangsvorzugsweise für Backsteinbau. — Die zierlichen, feinen,reinen Formen dieser Bauweise, welche ihm geläufig waren,wirkten fort und halfen die Formen schaffen, welche durchBramante's Beispiel mustergültig wurden, als er, nach Romübergesiedelt, seine Ki-aft den höchsten Aufgaben widmendurfte, welche einem Architekten je gestellt wurden. —Auf diesem Wege übte die Backsteinarehitektur einen bedeutendenEinflufs auf die architektonische Composition überhauptans und wurde auch für die Architektur in Stein zueinem wesentlich mitwirkenden Elemente, um die architektonischeProdaction zur vollendet schönen Erscheinung znführen.g. Die Backsteinarehitektur der Neuzeit.Die Cultur und Kunst der Renaissance, welche imlöten Jahrhunderte in Italien aufblühte und in glänzendemTriumphzuge durch die ganze gebildete Welt wanderte, hatWährend dreier Jahrhunderte ihren Kreislauf räumlich undjseitlieh vollendet. — Aus den Anschauungen und Gedanken,auf welchen sie beruhte, wurde eine reiche Fülle des Neuen,Tüchtigen und Schonen geschaffen; aber zahlreiche Verirrungenlegen ebenso auch Zeugnifs davon ab, dafs der Gedanken-und Ideenkreis, aus welchem diese neue Culturentwickelungerwachsen war, bei "Weitem noch nicht dievolle Wahrheit erfafst hatte.Eine neue Welt ist seitdem ei'standen, das ganze Lebenist grüfser und weiter geworden, aber es ist derselbe Geistder Freiheit, welcher jetzt wie damals wirkte. — Damalsergriff er nur die bevorzugte Klasse der Gebildeten, gegenwärtigdurchdringt er völlig die Völker. — Im gesammtenLeben wiederholen sich die Vorgänge jener Zeit aber inweiterer Ausdehnung und in intensiverer Weise. — Auchdie Kunst ist eine Kunst der Renaissance geblieben.Ebenso kräftig, wie vor 400 Jahren, wirken heute Kunstund Leben des klassischen Altorthums auf unsere Kunst undunser Leben ein. Aber das Yerständnifs Beider hat sichganz anders, tiefer und freier gestaltet. — Das Studium derKunstwerke des Alterthums hat uns die Schönheit der hellenischenPlastik und Architektur erschlossen, währenddiese dem 15. und 16. Jahrhunderte unverständlich gebliebenwar. Jetzt erst haben sich unserer Erkenntnifs diePforten der reinen, der absoluten Schönheit aufgethan, undgesättigt mit diesen Anschauungen ist unsere Zeit an dieGestaltung einer neuen Kunst der Renaissance gegangen,deren Aufgaben weiter, deren Ziele höher sind, als die deritalienischen Renaissance, so viel gröfser und höher, als dieZiele unserer gesammten modernen Cultur diejenigen derCultur im 15. und 16. Jahrhunderte überragen.Die Architektur ist unter den Schwesterkünsteu nichtzurückgeblieben, aber ihr Weg ist der weiteste, ihre Aufgabewohl die schwierigste, denn in ihr sind die durch Traditionüberkommenen und nothwendig zu vermittelndenGegensätite am gröfsesten. Sowohl die hellenischen, als diegothischen Formen waren in den Bereich ihrer Thätigkeitzu ziehen, die Vorstufe des Eklokticismus, welche der freienNeuschöpfung unvermeidbar vorhergeht, wurde deshalb weitausgedehnt und dauert noch fort. — In ihr nimmt der Backsteinbaueine wichtige Stelle ein, ja er ist von vielen feinsinnigenund schaffensfreudigen Architekten bevorzugt worden5 sie fanden einen besonderen Reiz darin, in diesemMateriale zu arbeiten, weiches, wie weiterhin näher begründetwerden soll, eine von der hergebrachten Regelabweichende Formenbehandlung für sich fordert, — Was inOberitalien an manchen Stellen der Ortsstolz und die Ruhmessachtder Städte bewirkte, das Festhalten an einemkünstlerisch schwieriger zu behandelnden Materiale, auchohne äüfsere Nöthigung, das thut in unseren [Tagen vielfachdas liebevolle Versenken des Künstlers in die ihm gewordeneAufgabe.Schinkel wurde auch für den Backsteinbau der Bahnbrecherund der Führer auf neuen, noch wenig betretenenWegen. — Mit der Bauschule in Berlin begann er den Bei-26*
407 K. Neumann, Ueber den Backstein. 408gen der Backsteingebäude und legte in diesem Bauwerkeseine künstlerischen Anschauungen über das Weseu desBacksteinbaues nieder, — Er schuf ein IMusterwerk, in derConstruction sowohl wie in ornamentaler Durchbildung, einWerk von höchster Würde als Ausgangspunkt für eine neuePhase der Entwickelung, welcher wir nunmehr im <strong>Sp</strong>cciellenzu folgen haben.Und diese neue Phase der Entwickelung ist eingetreten.— Der Aufschwung, welcher sich im gesammteu Leben dereuropäischen Völker kundgiebt, bothätigt sich ebenfalls aufdem Felde der Architektur, und auf diesem treibt auch dieBacksteinarchitektur von Jalir zu Jahr neue und schönereBlüthon. — Auffälligerweise beschränkt sich der Backsteinbaunicht auf die steinarmen Flachländer, denen der Ziegeldas einzige von der Xatur gebotene Baumaterial ist, sonderner steigt hinauf in die von Felsen umgebenen Thäler, insolche Gegenden, welche guten Werkstein ohne Schwierigkeitin der Nähe zu gewinnen und herbeizuführen gestatten,es darf hierbei nur an Wien, München, Hannover, Wiesbadenerinnert werden. — Freilich sehen wir, begünstigtdurch das weitverzweigte Neti der Eisenbahnen, auch denHausteinbau sich weiter verbreiten, als ehedem, sehen Hausteinfagadenin Berlin, Hamburg etc, erstehen, — dafüraber unterstützt der erleichterte Transport ebeasowohl wiederdie Backsteinfabrikation, indem die vorzüglichsten Productederselben in weiter Entfernung von den Thonlagern Verwendungfinden. — Auch die Fabrikation der Backsteinewie die Verwendungsweise derselben hat bedeutende Fortschrittegemacht und geht weiterer Vollendung entgegen. —Die Backsteine und Baustücke aus gebranntem Thone werdenwetterbeständiger, schärfer und reiner in den Formen,klarer und gleichmäfsiger in der Farbe hergestellt, manwird der Farbe selbst mehr und mehr Herr; ebenso gelingtes, gröfscre Stücke mit Sicherheit herzustellen.Die Art der Verwendung ist eine mannichfaltigere geworden;erscheinen bei einem Bau nur die Wandflächon mitilufserst sauber bearbeiteten Ziegeln ausgesetzt, währendGesimse, Einrahmungen der Oeffnungen, Säulen, Pilasteraus Haustein bestehen, — so zeigen andere Bauausführungenvollständig durchgeführte Baeksteinarchitektur entwedermit consequenter Beibehaltung des VoUziegols auch für dieArchitekturgliederungen oder unter reichlicher Anwendunghohler Baustücke. — Auf den Wechsel der Farben mit oderohne Unterstützung glasirter Oberflächen wird besondererWerth gelegt, selbst bis zu vollständiger Inkrustation mitfarbigen Thonplatten ist mau vorgegangen.Welchen von diesen Wegen man einzuschlagen habe,darüber sind die Meinungen noch getheilt und schroff stehensich in manchen Dingen die Ansichten gegenüber. — DerEine legt das Hauptgewicht auf die materiellen Eigenschaftendes Backsteines, welche die Construction des Bauwerksvorzugsweise bedingen, er sucht in den Kunstformen eineideale Darstellung der Backsteinconstructionen zu gebenund erachtet damit die künstlerische Aufgabe des Architektenim Ailgemeinea für abgeschlossen. — Der Andere glaubtmit dem Backsteine gleiche, ja dieselben Wirkungen hervorbringenzu können, wie mit der Architektur in Stein, erimitirt einen Hausteinban in Backstein, soweit es gehen will,wenn er auch dem Materiale Zwang anthun mufs. — Aufweicher Seite die Wahrheit liege, darüber steht die Entscheidungnoch oifen und mufs gesucht werden. Und wennim Folgenden der Versuch gemacht wird, einige Fingerzeigezu geben, welche auf den richtigen Wog hinweisen, dessenBetreten allein zu einer gedeihlichen Weiterentwickoluiigunseres gesammten <strong>Bauwesen</strong>s nach seiner künstlerischenSeite hin führen kann, so wird dabei freilich immerhin dieNachsicht der Fachgenossen in Anspruch genommen werdenmüssen; — aber es dürften solche Betrachtungen dochwesentlich dazu beitragen, die Standpunkte der einzelnenParteien klar zu stellen, den Wog zu Erreichung des wahrenZieles, nach welchem Alle hinstreben, abzukürzen undebenso vor Irrwegen zu bewahren, — Andere mögen demVerfasser nachfolgen, widerlegend und berichtigend, oderergänzend und bestätigend. — In unserem denkendonJahrhundert, in welchem auch die Kunst, nicht mehr blosgenialen Intuitionen folgend, instinctiv das Rechte erfaCst,sondern aus dem freien Bewnlstsein des Künstlers herausdas Wahre und Schöne gestaltet, darf die kritische Betrachtungnicht darauf beschränkt werden, vergangene und vollendeteThatsachen zu beurtheilen, sondern sie darf das Rechtbeanspruchen, an den grol'sen Werken der Gregenwart, wennauch nur mittelbar, gestaltend mitzuschaffen.4. Die technische Herstcllnng' des Backsteins.Bevor jedoch dieses Thema weiterer Erörterung unterzogenwird, erscheint es nothwendig, die technische Grundlagedes Backsteinbaues schärfer ins Auge zu fassen, zuzusehen,wie Ziegel und namentlich Formsteine aus gebranntemThon hergestellt werden, welche Schwierigkeiten die bezüglicheTechnik verursacht, Avelche Vortheile im Gegensatzezu anderen Baumaterialien aus der Anwendung des Backsteineserwachsen. — Auf dieser Grundlage werden dannmanche, scheinbar davon weitab liegende Fragen sich beantwortenlassen, denn die Gebiete der Kunst und der Technikgreifen in der Architektur eng in einander, sie bedingenund erklären sich gegenseitig.Nicht soll hier ein Abrifs der Ziegelfabrikation gegebenwerden, aber die wichtigsten Beziehungen zur Herstellungsweiseder eigenartig geformten Backsteine, wie der gröfserensogenannten Baustücke sollen uns beschäftigen. Denn aufder Herstellung dieser Producte beruht wesentlich der Backsteinbau,sobald er nicht blofse Mauermasson herstellt, sondernarchitektonische Formen dem Auge bieten will, welchesich nicht aus gewöhnlichen Ziegeln herstellen lassen. —Die Operationen, welche hier besprochen werden sollen,gehören theils der Ziegelei, theils der Töpferei an oder sindauch als eine Technik zu bezeichnen, welche zwischen Ziegeleiund Töpferei in der Mitte steht, aufserdem aber, überbeide hinausgreifend, ein eigenes Gebiet, das der Plastikin gebranntem Thon, darstellt. — Es sind dabei drei verschiedeneOperationen zu betrachten: die Zubereitungdes Thones, das Formen desselben und das Brennen derThonwaaren.a. Die Zubereitung des Thones.Zur Herstellung gewöhnlicher Ziegel mufs der Thonbekanntlich soweit zubereitet werden j dafs die Haupteigenschaftdesselben, die Plasticität, auf welcher seine Verwendbarkeitberuht, zur vollen Geltung kommt. — Es mufsdaher ein Aufweichen des Thones und ein Reinigen desselben
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