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Wenn überraschende Post im Briefkasten liegt… - Bundesverband ...

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SEITE XII DIE WELT FRÜHJAHR 2012Inkasso-Unternehmen SONDERSEITENEmpathie gefragtMitarbeiter in der Branche müssen zuhören und vermitteln könnenT TV-Dokus über Inkassozeichnen ein schräges Bild, derAlltag in seriösen Firmen siehtganz anders ausLENA BULCZAKWer Inkasso hört, hatschnell das „Inkasso-Team Moskau“ vorAugen, wie es sich inFernsehsendungeninszenierte. Schwarz gekleidet, gut trainiert– die Geldeintreiber, meist frühereTürsteher verschiedenster Nationen,machten säumigen Schuldnern mit rigorosenAuftritten vor laufenden Kamerasklar, dass sie ihre Rechnungen in Zukunftbesser pünktlich begleichen sollten. „Forderungsmanagement!Das heißt: Im tiefschwarzenMercedes SL 600 mit getöntenScheiben den säumigen Schuldner ausfindigzu machen und auf alles gefasst zusein“, bewarb zum Beispiel der MännersenderDMAX seine mehrteilige Doku.„Kugelsichere Westen und Schusswaffengehören in der Branche zum Alltag.“Wer sich in Erwartung eines derartigenHarte-Männer-Kr<strong>im</strong>is zu einer Repräsentanzder Creditreform aufmacht, wird unweigerlichenttäuscht. Schlägerqualitäten?Fehlanzeige. Die Mitarbeiter eines dergrößten Inkassounternehmen Deutschlandserinnern eher an Bankberater, währendsie <strong>im</strong> Großraumbüro in Reih undGlied vor ihren Rechnern sitzen und abund an zum Telefon greifen. KlapperndeTastaturen, konstantes St<strong>im</strong>mengemurmel,ansonsten verschluckt ein dunkelblauerTeppich jedes Geräusch. Ist draußenein Fahrzeug <strong>im</strong> Einsatz, dann ist esmeist ein Lkw, der kistenweise Akten herankarrt.Und 31 der 34 Angestellten derANZEIGE© Alterfalter - Fotolia.comNICHT PFÄNDBARIm Rahmen eines Inkassos sind nurbest<strong>im</strong>mte Gegenstände und Geldmittelpfändbar. Nicht gepfändet werdendürfen u. a. notwendige Kleidungoder Haushaltsgeräte. Auch Geldwertekönnen nur bis zu einer best<strong>im</strong>mtenGrenze gepfändet werden, sodass derLebensunterhalt des Schuldners gewährleistetbleibt.Glossar: Constantin Graf von PocciBerliner Inkassoabteilung von Creditreformsind Frauen wie Jeanine K. Die Bürokauffrauarbeitet hier seit 16 Jahren <strong>im</strong>Forderungsmanagement. Eine kugelsichereWeste oder eine Pistole hat sie nochnie in der Hand gehabt.Doch auch Jeanine K. besitzt eine inder Inkassobranche nicht zu verachtendeWaffe: ihr psychologisches Gespür. Tagfür Tag muss die Brandenburgerin herausfinden,wie ihr Kunde, der Gläubiger, amschnellsten an sein Geld kommt. Telefoniertdie 37-Jährige säumigen Schuldnernhinterher, stellt sich <strong>im</strong>mer wieder auchdie Frage, ob es sich um einen notorischenLügner oder einen Pechvogel handelt.So kann die Beerdigung der Oma eineAusrede sein, während ein Hund auchwirklich mal eine Rechnung aufgefressenhat. „Wir sind wie Friseure“, sagt Frau K.Wer sich um das Eintreiben offener Rechnungenkümmere, müsse stets auch einoffenes Ohr für die Nöte der Schuldnerhaben. Sympathien bleiben da <strong>im</strong> Einzelfallnicht aus. Doch Mittlerrolle hin oderReelles Verhalten ist Grundvoraussetzung be<strong>im</strong> Umgang mit finanziellenForderungen – wer Geld verlangt, dem wird verständlicherweise ganz genauauf die Finger geschaut (aus dem Gemälde „Be<strong>im</strong> Steuereinnehmer“ vonJan Massys, 1509–1575, Kunstsammlung Dresden, Alte Meister)her, die Prioritäten sind <strong>im</strong>mer klar. „Inerster Linie vertreten wir die Interessender Gläubiger“, sagt sie.Das Massengeschäft erledigt K.s Computerallerdings fast von allein. Oft erhältdie Creditreform Hunderte von Datensäumiger Schuldner aus Buchhaltung oderMahnwesen eines ihrer Kunden. Sind dieAdress- und Rechnungsdaten eines jedenSchuldners erst einmal in der elektronischenAkte zusammengetragen, genügtein Mausklick der Sachbearbeiterin, undder Rechner erstellt standardisierteMahnschreiben. Das reicht oft schon aus,um die ausstehenden Zahlungen hereinzuholen.Erst wenn ein Schuldner nachzwei Mahnschreiben und einer weiterenAufforderung nicht reagiert hat, greiftFrau K. zum Telefon. „Viele Menschenhorchen erst auf, wenn sie persönlich angesprochenwerden“, weiß K. „Sie wissendann, dass es jetzt brenzlig wird.“Immer wieder erlebt Frau K., wie Menschenhilflos vor ihren Schuldenbergenstehen. Ein typischer Fall ist der Mittelständler,der kurz vor der Insolvenz steht,weil sich in seinen Büchern <strong>im</strong>mer mehroffene Forderungen sammeln, oder derArbeitslose, der nach dem Jobverlust seinenlaufenden Verpflichtungen nichtmehr nachkommen kann. Bietet K. ihnenRaten oder ein neues Zahlungsziel an, seiensie oft fast froh, einen Ansprechpartnerzu haben, der sie ermuntert und ihneneinen Weg aus der Misere weist.Nicht <strong>im</strong>mer ist es leicht, sich von denpersönlichen Schicksalen zu distanzieren.Da ist die alleinerziehende Mutter, die eineBürgschaft für ihren Ex-Mann unterzeichnethat und jetzt auf seinen Schuldensitzen bleibt, während er sich ins Auslandabgesetzt hat. Oder die Firma, beider man selbst gern einkaufte, die in dieInsolvenz rutscht. „Ich versuche, die Arbeitauf der Arbeit zu lassen – aber das gelingtnicht <strong>im</strong>mer“, gesteht K. Doch nichtalle Schuldner sind einsichtig und nichtalle offenen Forderungen berechtigt. Malist es der Choleriker, der versucht, seineVerpflichtungen wegzuschreien – undfünf Minuten später von selbst zurückruft,um sich zu entschuldigen. Mal heißtes, der Handwerker habe ein falschesRohr eingebaut, weshalb die Forderungnichtig sei. So jagt Jeanine K. nicht nur offenenRechnungen hinterher, sondernmuss <strong>im</strong> Zweifel auch recherchieren, obdie Forderungen des Gläubigers überhauptberechtigt sind. „Kein Fall ist wieder andere“, sagt die Brandenburgerin.Und genau diese Vielfalt ist es, die sie anihrem Job liebt. Kommt es zu keiner Einigung,geht es vor Gericht – und K.s Job istbeendet und eine Kollegin übern<strong>im</strong>mt dieTitelüberwachung, also die Betreuung alljener Forderungen, die richterlich bestätigtwurden.Auch wenn K.s Alltag mit der Geschichtevon der „Moskau Inkasso“ nicht viel zutun hat – die Fragen nach den Waffen undder kugelsicheren Weste bekommt sie fastjedes Mal zu hören, wenn sie Bekanntenvon ihrem Job erzählt. Manchmal spieltsie kurz mit und berichtet von ihren gefährlichenEinsätzen. Meist ärgert es sieaber nur, dass die Öffentlichkeit ihren Berufso falsch wahrn<strong>im</strong>mt. Denn auchwenn das „Inkasso-Team Moskau“ denAnschein einer Inkassofirma erweckenwollte – registriert war das dubiose Unternehmennie. Im Gegenteil – das VerwaltungsgerichtLüneburg hat dem ehemaligenFirmenchef Werner H. 2010 dasGewerbe untersagt. Nach einer Verurteilungwegen Nötigung und Falschaussagefehle dem Geschäftsführer die nötige Zuverlässigkeit.Außerdem wird gegen H.wegen gewerbsmäßigen Betrugs ermittelt.Mit falschen Versprechungen habe er vonseinen Auftraggebern Geld eingestrichen– ohne je eine Gegenleistung zu erbringen.Es geht um einen Schaden von mindestens1,2 Millionen Euro.AKG-IMAGESDie meisten Versicherungsnehmerzahlen zuverlässig – wir kümmernuns um alle anderen.Versicherungsinkasso aus Erfahrungwww.legial.deSachkunde als Karriere-KickOhne Erfahrung und Zeugnis keine Registrierung als UnternehmerLENA BULCZAKEine kleine Urkunde macht manchmaleinen großen Unterschied: AnjaM. (Name geändert) arbeitetseit acht Jahren <strong>im</strong> Forderungsmanagementund hat in einer MünsteranerRechtsanwaltskanzlei die Inkasso-Abteilungaufgebaut. Im vergangenen Jahr beschlossdie 40-Jährige, ihr praktischesWissen mit einem Zertifikat zu untermauern.Vom Juli 2011 bis Februar 2012besuchte sie den Sachkunde-Lehrgangder Deutschen Inkasso Akademie (DIA).Vier Wochen nachdem Frau M. ihren Abschluss<strong>im</strong> Karriere-Netzwerk Xing veröffentlichthat, zählt sie bereits sieben Stellenangebotevon Personalern aus der Inkassobranche– in den Jahren zuvor kamkein einziges. „Ich war total baff, mit soviel Interesse hatte ich nicht gerechnet.“Das Sachkunde-Zertifikat ist für die Inkasso-Branchetatsächlich ein sehr entscheidendes.Wer offiziell als Inkassodienstleisteroder als Niederlassungsleitereiner Inkassogesellschaft tätig werdenwill, muss sich laut Rechtsdienstleistungsgesetzregistrieren lassen. Die Registrierungerhält jedoch nur, wer strafrechtlichunbescholten ist, in geordneten wirtschaftlichenVerhältnissen lebt – undüber die erforderliche theoretische undpraktische Sachkunde verfügt. ZumindestLetztere können zukünftige Inkassounternehmeran Weiterbildungsstätten wieder Deutschen Inkasso Akademie erwerben.Mindestens 120 Stunden, so fordertes das Gesetz, müssen angehende Schuldeneintreibersich unter anderem <strong>im</strong>Zwangsvollstreckungsrecht, Zivilverfahrensrecht,<strong>im</strong> Schuld-, Sachen-, FamilienundErbrecht sowie <strong>im</strong> Allgemeinen Teildes BGB schulen lassen. Und: „Nur wermindestens zwei Jahre in diesem Berufsfeldgearbeitet hat, kann sich als Inkassodienstleisterregistrieren lassen“, ergänztKay Uwe Berg, Geschäftsführer der DeutschenInkasso Akademie sowie des <strong>Bundesverband</strong>esDeutscher Inkasso-Unternehmen(BDIU).Anja M. können die vielen Angeboteder Personaler heute wenig locken. IhreZusatzqualifikation hat sie wegen der Flutder Anfragen – inzwischen kommen täglichbis zu vier Mails – bereits wieder gestrichen.Denn sie hat ihr eigenes Ziel:Mit ihrem frisch verbrieften Wissen willsie sich selbstständig machen. Im Kurshat sie auch schon zwei Kolleginnen gefunden,mit denen sie in Zukunft zusammenarbeitenmöchte. Dennoch sind Anja„Dienstleistungender Inkasso-Branche sindgefragt wienie zuvor“Wolfgang Spitz, Präsident BDIUM. und ihre künftigen Mitstreiter – zumindestin diesem Jahrgang – eine Ausnahme.Nur wenige Kollegen suchten wiesie den Gang in die Selbstständigkeit. DasGros wurde vom Arbeitgeber geschickt.Meist waren sie Teamleiter großer Inkassounternehmen,die zum Niederlassungsleiterbefördert und registriert werdensollten. Die DIA bietet ihre Weiterbildung<strong>im</strong>mer wieder an verschiedenen Ortenan. Dass sich die angehende InkassounternehmerinM. ihrer Sache sicherer istals je zuvor, hängt auch mit dem Engagementder Seminarleiter zusammen. „Ichwar absolut überrascht, wie viel Rückenwindich hier von den Dozenten bekommenhabe.“ Ob als Richter, Rechtsanwalt,Rechtspfleger oder Datenschutzexperte,die Dozenten der Akademie stehen allesamtin Vollzeitjobs. Trotzdem seien siefür die Kursteilnehmer stets ansprechbargewesen.Was die Deutsche Inkasso Akademieihren Teilnehmern vermitteln will, istlängst nicht nur das theoretische Rüstzeug.Denn <strong>im</strong> Alltag kommt es häufig aufein gewisses Fingerspitzengefühl an. Geradedies ist für Anja M. auch besonderswichtig: Sie vertritt oft kleine und mittelständischeUnternehmen, die von ihrenKunden und Geschäftspartnern zwar offeneForderungen einholen wollen. Dasbestehende Geschäftsverhältnis wollendie Mittelständler aber nicht gefährden.Sich selbst sieht sie daher als eine Mittlerin:„Die Forderungen sind zumeist demGrunde und der Höhe nach unstreitig“,sagt M. In ihrer praktischen Arbeit gehees daher vor allem darum, eine Einigungzu finden und den wirtschaftlichen Schadenauf beiden Seiten möglichst gering zuhalten.Für die berufliche Zukunft rechnet sichAnja M. gute Chancen aus. „Die Wirtschaftsteht nach wie vor auf wackeligenBeinen“, beobachtet sie. Die Auftragsbücherseien voll, oft fehle aber die Liquidität.Und vielen Mittelständlern fehle <strong>im</strong>Alltag schlicht die Zeit, offenen Forderungenhinterherzulaufen. Das kann auchWolfgang Spitz, Präsident des <strong>Bundesverband</strong>esDeutscher Inkasso-Unternehmen,bekräftigen: Dienstleistungen der Inkassobrancheseien gefragt wie nie zuvor.Doch bei aller Liebe zur Aufgabe – amEnde ist es doch wie in der Schule. Ein„Hassfach“ hat es auch für Anja M. gegeben:das Kostenrecht. Trotz der Versucheder Dozentin, die Möglichkeiten der Vergütungklar darzulegen. Frau M. bleibt dabei:„Auch wenn es unser Job ist, Geld fürMandanten reinzuholen – das heißt nochlange nicht, dass wir selbst gerne Rechnungenschreiben.“+

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