4.4 Wie unterscheiden sich <strong>pflegende</strong> <strong>Kinder</strong> von nicht <strong>pflegende</strong>n <strong>Kinder</strong>n?<strong>Kinder</strong> übernehmen Verantwortungen für verschiedene Dinge, auch wenn niemand krank ist. Dies istTeil des normalen Sozialisationsprozesses <strong>und</strong> der Erziehung. In welchem Umfang „normale“Verantwortungen wahrgenommen werden <strong>und</strong> wie sich zwischen <strong>pflegende</strong>n <strong>und</strong> nicht <strong>pflegende</strong>n<strong>Kinder</strong>n, abseits gesellschaftlicher <strong>und</strong> kultureller Normen, innerfamiliärer Beziehungen <strong>und</strong>ökonomischen Verhältnissen unterscheiden, ist nicht eindeutig dargelegt (Newman, 2002; Olsen,1996).Im quantitativen Teil einer australischen Studie wurden bereits identifizierte <strong>pflegende</strong> <strong>Kinder</strong> mitnicht identifizierten („versteckten“) <strong>pflegende</strong>n <strong>Kinder</strong>n zwecks Entwicklung eines „Profils“ derjeweiligen Gruppe miteinander verglichen (Morrow, 2005). Die „versteckten“ <strong>pflegende</strong>n <strong>Kinder</strong>wurden identifiziert, indem ein Fragebogen an viele verschiedene Sozialeinrichtungen versendetwurde, mit dessen Hilfe MitarbeiterInnen <strong>Kinder</strong> identifizieren sollten, von denen sie annahmen,dass es sich bei diesen um <strong>pflegende</strong> <strong>Kinder</strong> handelte. „Bekannte“ <strong>pflegende</strong> <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> deren Elterngaben auf einem Fragebogen an, welche Tätigkeiten die <strong>Kinder</strong> übernehmen. Eine differenzierteBetrachtung kann laut dieser Studie dadurch erfolgen, dass „instrumentelle“ Tätigkeiten destäglichen Lebens (IADL) wie z.B. Einkaufen, Wäsche waschen oder Müll entsorgen von Tätigkeiten destäglichen Lebens (ADL) wie z.B., beim Essen helfen, jemanden anziehen, waschen oder badenunterschieden werden (ebd., S. 30). Nicht <strong>pflegende</strong> <strong>Kinder</strong> würden demnach die meisten der ADL inviel geringem Ausmaß übernehmen <strong>als</strong> es <strong>pflegende</strong> <strong>Kinder</strong> tun (ebd., S. 65).Pakenham et al. (2006) untersuchten 100 potentiell <strong>pflegende</strong> <strong>Kinder</strong> (<strong>Kinder</strong>, die mit einemchronisch erkrankten Familienmitglied zu Hause lebten) <strong>und</strong> 145 Personen, (wahrscheinlich) nicht<strong>pflegende</strong> <strong>Kinder</strong> im Alter zwischen 10 <strong>und</strong> 25 Jahren, mit der Absicht, Pflegetätigkeiten, sozialeUnterstützung <strong>und</strong> Coping-Strategien <strong>und</strong> Lebenszufriedenheit bei <strong>pflegende</strong>n <strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> nicht<strong>pflegende</strong>n <strong>Kinder</strong>n zu messen. Die Werte der „<strong>pflegende</strong>n <strong>Kinder</strong>“ waren in allen Bereichendurchgehend schlechter.Über diverse Jugendeinrichtungen rekrutierte Warren (2007) ca. 400 zufällig ausgewählte <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong><strong>Jugendliche</strong> zwischen 9 <strong>und</strong> 18 Jahren <strong>und</strong> erhob mittels Face-to-Face Fragebogeninterviews ihreSichtweise darüber, was sie tun, um zu Hause zu helfen. Diese Ergebnisse verglich Warren mit jenenvon 12 bereits bekannten <strong>pflegende</strong>n <strong>Kinder</strong>n. Warren trifft eine gr<strong>und</strong>sätzliche Unterscheidungzwischen <strong>pflegende</strong>n <strong>und</strong> nicht <strong>pflegende</strong>n <strong>Kinder</strong>n, ebenfalls anhand des Involviertseins inpersönliche Pflegetätigkeiten <strong>und</strong> Körperpflege. Pflegende <strong>Kinder</strong> übernehmen dies häufiger aufregulärer Basis, inklusive des Verabreichens von Medikamenten, der Unterstützung in der Mobilität,des An- <strong>und</strong> Auskleidens, des Waschens oder Badens, zur Toilette Begleitens oder beim Essen <strong>und</strong>Trinken Helfens. Pflegende <strong>Kinder</strong> verbringen mehr Zeit mit diesen Tätigkeiten <strong>und</strong> sind häufigeralleine dafür verantwortlich. Unbeabsichtigt zeigten die Daten, dass auch nicht <strong>pflegende</strong> <strong>Kinder</strong> einnicht unbeträchtliches Maß an Haushaltstätigkeiten übernehmen. Gelegentlich auch mehr <strong>als</strong> bereitsbekannte Young Carers (Janet Warren, 2007).Ähnliches zeigt sich auch in einer bereits erwähnten US-Studie (Hunt, et al., 2005), in dieser wurden213 <strong>pflegende</strong> <strong>Kinder</strong> mit nicht <strong>pflegende</strong>n <strong>Kinder</strong>n im Alter von 8-18 Jahren verglichen. Dabei zeigte24
sich, dass auch nicht <strong>pflegende</strong> <strong>Kinder</strong> viele Dinge tun, wenngleich eine Gegenüberstellung nur imTätigkeitsbereich „Haushaltstätigkeiten“ <strong>und</strong> auf der Outcome-Ebene „Freizeit <strong>und</strong> Hausübungen“erfolgte.„in einer normalen Woche, wie viel Zeit verbringst du mit …“Pflegende<strong>Kinder</strong>(n=213)Nicht <strong>pflegende</strong><strong>Kinder</strong> (n=250)Haushaltstätigkeiten % Angaben „viel“ % %Aufwischen, Staubsaugen oder Kehren 84 72Lebensmittel einkaufen 68 55Geschirr waschen 63 56Die Wäsche machen 57 48Essen zubereiten 58 45Freizeit <strong>und</strong> Hausübungen % Angaben „wenig“ % %Mit Fre<strong>und</strong>en Zeit verbringen 97 96Zeit für dich selber für Dinge die du magst (nicht Fernsehen) 96 95Fernsehen 95 95Hausübungen machen 91 94Organisierten Schulaktivitäten wie Sport Team, Musik, Kunst, … 72 72Tabelle 6: Unterscheidung von <strong>pflegende</strong>n <strong>und</strong> nicht <strong>pflegende</strong>n <strong>Kinder</strong>n in der Durchführung vonHaushaltstätigkeiten, Freizeit <strong>und</strong> Hausübungen. Zusammengefasst nach Hunt et al. (2005, S. 30)Pflegende <strong>Kinder</strong> verbringen mehr Zeit mit Haushaltsaktivitäten <strong>als</strong> nicht <strong>pflegende</strong> <strong>Kinder</strong>.Hinsichtlich der Freizeitgestaltung <strong>und</strong> der Hausübungen ist kaum ein Unterschied bemerkbar. Fürges<strong>und</strong>e Geschwisterkinder nehmen <strong>pflegende</strong> <strong>Kinder</strong>n häufiger Verantwortung <strong>als</strong> nicht <strong>pflegende</strong><strong>Kinder</strong> (80% vs. 64%). Obwohl <strong>pflegende</strong> <strong>Kinder</strong> mehr Haushalts- <strong>und</strong> Pflegetätigkeiten übernehmen,schätzen sie ihre Gesamtverantwortung ähnlich hoch ein wie nicht <strong>pflegende</strong> <strong>Kinder</strong>. 45% der<strong>pflegende</strong>n <strong>Kinder</strong> <strong>und</strong> 43% der nicht <strong>pflegende</strong>n <strong>Kinder</strong> stufen ihre Verantwortung die sieinnehaben, <strong>als</strong> hoch ein (Hunt, et al., 2005, S. 31).4.5 Wie wirkt sich die Pflege aus?<strong>Kinder</strong> chronisch kranker Eltern haben generell ein erhöhtes seelisches Ges<strong>und</strong>heitsrisiko (Möller,2011; Möller, Stegemann, & Romer, 2008; Romer & Haagen, 2007; Thastum, Johansen, Gubba,Olesen, & Romer, 2008). Die Auswirkungen der Pflegearbeit auf <strong>Kinder</strong> sind nicht in allen Studiendokumentiert; diese reichen von niemand zum Reden oder keine persönliche Freizeit haben, imVerborgenen <strong>und</strong> in sozialer Isolation leben, bis hin zu psychosozialen Auswirkungen wie Einsamkeit,Traurigkeit, Angst <strong>und</strong> Scham; oder es kann sich in Form von physischer <strong>und</strong> mentaler Erschöpfungbemerkbar machen (<strong>als</strong> Literaturarbeit zum Thema "Auswirkungen" siehe Metzing & Schnepp, 2007).<strong>Kinder</strong> berichten ebenso von körperlichen Symptomen, meist Schmerzen, verursacht durch eineüberdurchschnittliche körperliche Beanspruchung (ebd.). Dazu kommen Probleme, die sich durch die25
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Familien mit chronischer Krankheit
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aufgrund des Identifikationsmusters
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Wert dar. Es ist allerdings nicht d
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den Anteil pflegender Kinder zu erk
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8 DIE SITUATION EHEMALIGER PFLEGEND
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Ende des Interviews wurden noch soz
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Nr. Alter Beginn der Pflegeerkrankt
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HaushaltstätigkeitenInterviewteiln
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mehr im gemeinsamen Haushalt oder s
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Familienangehörigen mit einer eher
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Person und deren Wohlbefinden veran
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oder viel häufiger als unbewusste
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8.3.5.1 Innere BilderAuf die Frage
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„Sie hat gejammert und, also dies
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„Ich hab sicher seither mit meine
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„Also ich glaube, dass übernimmt
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„Also ich war selber eine Zeit la
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und das „Nichtwissen“ des Umgan
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„Und da war auch so eine prägend
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„Ich sage einmal Skikurs ist ein
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Eine andere Interviewperson bestät
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9 RESÜMEEDie vorliegende Studie gi
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9.3 Das soziale Phänomen „Pflege
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10 EMPFEHLUNGEN UND ZIELE ZUR UNTER
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MedizinerInnen konfrontiert werden.
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pflegerische Verantwortung; trotzde
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von Familien die „Family Health N
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teilzunehmen oder die Kinder teilne
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11 LITERATURVERZEICHNISAldridge, J.
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The National Commission for the Pro
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13 ANHANG13.1 TabellenverzeichnisTa
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Haushaltpflegende Kinder - nicht pf
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Hilfe warumpflegende Kinder - nicht
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