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12 VII 05 - MDZ-Moskau

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<strong>Moskau</strong>er Deutsche Zeitung Nr. 17 (240) September 2008GESCHICHTE09Requiem für ein Totenschiff01Foto: PrivatSo verstrichen am Ende kostbareAugenblicke, die klare Entscheidungenverlangt hätten, um Lebenzu retten. „Augenblicke, die unserenLiebsten zum Verhängnis wurden“,sagt Luisa Iljuchina. Ihr Sohn ertrankin dieser Nacht.Gegen 23 Uhr setzte die „Nachimow“einen letzten Funkspruch andie „Wassew“ ab. Doch als Tkatschenkobefahl, die Maschinen zustoppen, war es schon zu spät. Umder Kollision auszuweichen, ließTschudnowskij im letzten Momentzehn Grad beidrehen und machtedamit alles nur noch schlimmer.Danach Funkstille. Bis zuletzt.Kalininas Tochter Natascha hattezunächst ihren zehnjährigen SohnPawlik zu Bett gebracht. Dannbegab sie sich in die Bar. Dort tanztedie 32-Jährige ausgelassen. Sie habealle Blicke auf sich gezogen, grazilund leichtfüßig, schilderten Überlebendeihrer Mutter. „Es war ihrSchwanentanz“, murmelt die ehemaligeLehrerin. „Meine Tochterwar eine leidenschaftliche Tänzerin,sie tanzte wie eine Königin.“ Dannversagt ihre Stimme.Um 23.<strong>12</strong> Uhr rammte die „PjotrWassew“ mit etwa 5 Knoten (9 km/h)die Steuerbordseite des Passagierlinersund riss ein 84 Quadratmetergroßes Loch in die Außenwand.Es gab einen lauten Knall, Funkenwirbelten umher. Die Beleuchtungfiel aus. Das unterste Deck fülltesich sekundenschnell mit Wasser,da sich die einzelnen Sektionen desRumpfes nicht verschließen ließen.Die „Admiral Nachimow“ sankinnerhalb von nur sieben Minuten.423 Menschen starben. Ihre Überrestesind zum Teil bis heute nichtgefunden. „Der Sog verschlang dieKörper regelrecht“, erzählt TatjanaSchornjak. Sie arbeitete an Bordals Zimmermädchen und überlebte.Wie? Daran hat sie keine Erinnerung.836 Menschen wurden ausdem Wasser gezogen. An der Rettungsaktionbeteiligten sich nebender „Wassew“ auch herbeigeeilteHilfskräfte aus dem Hafen. Die Bergungdauerte insgesamt 80 Minuten.Zum Glück bewahrten die spätsommerlichen24 Grad Wassertemperaturdie im Meer Treibenden zumindestvor Auskühlung.„Es war gespenstisch“, erzähltVitalij, „gerade sahen wir das Schiffnoch vor uns, und dann war es verschwunden.Lautlos. Die Lichterwaren erloschen. Wir blickten insdunkle Nichts.“ Wie hatte das passierenkönnen? Um die Ursachen derrätselhaften Katastrophe bei klaremVom Traum zum Alptraum: Die „Admiral Nachimow" und ihre Passagiere. Pawel undNatalja, Enkel und Tochter von Kalerija Kalinina, kamen beim Untergang ums Leben.Foto: PrivatFoto: ArchivProzession der Hinterbliebenen in der Hafenstadt Noworossijsk. In der Mitte (rechts neben dem Geistlichen) Kalerija Kalinina.Wetter und ruhiger See ranken sichbis heute zahlreiche Spekulationen.Auch Altersschwäche der „Nachimow“wurde angenommen. DasSchiff hatte als „Berlin III“ schon1925 die Bremer Vulkanwerft verlassenund Häfen auf aller Welt angesteuert,bevor es die Nationalsozialistenfür ihr Urlaubs programm„Kraft durch Freude“ requirierten.Im Zweiten Weltkrieg diente derDampfer als Lazarettschiff und lief1945 vor Swinemünde auf eine Mine.In der DDR wieder flott gemacht,ging er 1957 als Reparationsleistungan die sowjetische „Baltische Reederei“und wurde zur „Admiral Nachimow“,benannt nach einem Marineoffizieraus dem Krimkrieg. Dass dertechnische Zustand des Schiffes denschnellen Untergang des Schiffesherbeigeführt haben könnte, wurdevon der Untersuchungskommissionjedoch verworfen. Die Hauptursachesahen die Ermittler in elementarerSchlamperei. Beide Kapitäne wurdenvon einem Gericht in Odessazu 15 Jahren Haft verurteilt, 1992jedoch amnestiert.In den Medien kamen der Zusammenstoßund seine Folgen zunächstnicht vor. Eine Traueranzeige in der„Prawda“ am 5. September war dererste Hinweis auf das Unglück. DieEinwohner von Noworossijsk leistetenderweil selbstlos Hilfe. Taxifahrerfuhren Nachtschichten, ohneauf Entlohnung zu pochen. Angehörigeder Verstorbenen, die in derStadt eintrafen, wurden von Familienaufgenommen. Keine einzigeStraftat soll es in jenen Tagen gegebenhaben. Das gemeinsam empfundeneLeid ließ die Menschenzusammenrücken, wie so oft.Um Überlebende und Hinterbliebenedes Unglücks kümmert sichseit 1997 der gemeinnützige Fonds„Nachimowez“. Direktorin NatalijaRoschdestwenskaja sorgt unteranderem für therapeutischen Beistand,wenn sich die Betroffeneneine Behandlung selbst nicht leistenkönnen. Und jedes Jahr vom28. bis zum 31. August veranstaltetsie Gedenktage in Odessa undNoworossijsk. „Ich habe alles darangesetzt, diese Menschen zusammenzubringen,ihnen Hoffnungzu geben“, sagt Roschdestwenskaja,deren Großmutter 32 Jahre aufder „Admiral Nachimow“ gearbeitethatte und starb, als sie bei derKatastrophe vom Deck ins Wassergeschleudert wurde.In diesem Jahr finanzierte derFonds 26 Personen den zweitägigenAufenthalt in Noworossijsk. „MehrGeld hatten wir nicht zur Verfügung“,klagt Natalija, „wir geratenimmer mehr in Vergessenheit“. Ehemalsaktive Sponsoren haben sichmittlerweile zurückgezogen. DieStadt Noworossijsk gibt sich jedochweiterhin großzügig.Es sind überwiegend ältere Da men,einige wenige Männer und Jugendliche,die an Bord des Passagierkuttersgegangen sind. Sie stammenaus allen Regionen der ehemaligenSowjetunion. Kalerija Kalinina isteine der Ältesten. Erinnerungen anihren Enkel wühlen sie jedes Malauf, wenn sie Kinderstimmen hört.Sie hat sogar ihren Beruf aufgegebenund einen weiteren Enkelnach dem Tod ihrer Tochter selbstgroßgezogen. Heute ist Maxim 26.Er hat das Technische Institut mitSehr gut abgeschlossen und hauchtseiner Großmutter immer wiederLebensgeister ein. „Ich bin einstarker Mensch“, sagt sie beinahetriumphal, „aber ohne den Jungen –wer weiß.“Der Wind frischt auf. Wellenschaukeln den Passagierkutter voneiner Seite auf die andere. BeklemmendeStille. Ein Priester zeichnetein großes Kreuz in die Luft, währender ein kleines in der Hand hält.Dann bittet er die Angehörigen,ihre Kränze und Blumen dem Meerzu übergeben.Am Unglücksort werfen Angehörige Blumen ins Meer, zur Erinnerung an die Opfer.Foto: Andre NaumannFoto: Andre NaumannThemenhefte der <strong>MDZ</strong> für Branchen-Profis!ANZEIGEAktuelle Ausgabe:Wissenschaft und BildungBitte kontaktieren Sie uns unterTel.: (499) 937 6544 oder perE-Mail: gtv@martens.ruBesonders schöne Villa im arabischenStil auf der spanischen Insel Teneriffazu verkaufen. Einmalige Lage,Grundstück 10 000 m 2 . Preis: 2,6 Mio.Euro. Zahle 100 000,- Euro Provisionfür eine erfolgreiche Vermittlung.Infos: info@inter-werbekombi.deTelefon: +7 985 210 76 91www.teneriffa.efreitag.info

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