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12 VII 05 - MDZ-Moskau

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<strong>12</strong><strong>Moskau</strong>erLEBEN IN MOSKAUDeutsche Zeitung Nr. 17 (240) September 2008Hinter Schloss und ZiegelWenn <strong>Moskau</strong>er Wahrzeichen zu Langzeitbaustellen verkommenIm <strong>Moskau</strong>er Planetarium ist der Weltraum endlich,aber die Sanierung unendlich. Der <strong>Moskau</strong>erFernsehturm gilt als technische Pionierleistung,wird jedoch mit den Folgen eines Brandes nichtfertig. Das <strong>Moskau</strong>er Raumfahrtmuseum will hochhinaus und wächst nach unten. Drei klassischeSehenswürdigkeiten der russischen Hauptstadt sind schon seit Jahrengeschlossen. <strong>MDZ</strong>-Autorin Anna Wirz ging den Gründen nach.Planetarium:Schwarzes Loch mit HutMitten in <strong>Moskau</strong> versteckt sichunter einer riesigen Kuppel einkleines Stückchen Himmel. DerSternenhimmel, um genau zu sein.Er hat einen Durchmesser von 27Metern, ist Jahrgang 1929 und einNachbar des Zoos. Mit solch einerVisitenkarte müsste das <strong>Moskau</strong>erPlanetarium eigentlich Besucher enmasse anlocken. Es gehört nichtnur zu den größten der Welt, eswar auch Russlands erstes überhauptund das 13. weltweit. Früherwurde es in einem Atemzugmit dem Kreml und der Metrogenannt. Doch heute ist diesesKompakt-Universum buchstäblichein schwarzes Loch. Zum einengingen bereits 1994 wegen Baufälligkeitdie Lichter aus, zum anderenist trotz Rubelinvestitionen in Milliardenhöheimmer noch kein Endeder 2002 begonnenen Sanierungin Sicht.80 Prozent der Bauarbeiten sollengeleistet gewesen sein, als die StadtAnfang des Jahres ihre Zahlungeneinstellte. Sie war mit 61 ProzentMehrheitseigentümerin einerBetreibergesellschaft, die anderen39 Prozent hielten Privatinvestoren,vertreten von Generaldirektor IgorMikitassow. Der hatte die Gesellschaftzu Beginn der 90er Jahregegründet, dann aber die Stadt insBoot holen müssen, um die Rekonstruktiondes konstruktivistischenBaus und dessen Metamorphosezu einem Wissenschafts- undBildungszentrum zu schultern.Die Zwangsehe gipfelte zuletzt ineinem öffentlichen Rosenkrieg.Mikitassow wirft der Stadt vor, mitfalschen Karten zu spielen und seineEnteignung inszeniert zu haben.Die Verantwortlichen bei der Stadtwiederum fragen laut, warum dieAnlage eigentlich noch nicht fertigist, obwohl die Finanzierung fastausschließlich mit Haushaltsmittelnerfolgt sei und sich auf 1,7 MilliardenRubel belaufen habe.Im Mai wurde die Betreibergesellschaftfür bankrott erklärt.Schon im März hatte es eine Aktionärsversammlunggegeben, zu derMikitassow nach eigenen Angabennicht eingeladen war und dieWann das <strong>Moskau</strong>er Planetarium wieder eröffnet wird, steht in den Sternen.ihn absetzte. Kurz darauf drangenbewaffnete Beamte eines privatenWachdienstes in das Planetariumein, führten alle Angestellten ausdem Gebäude und verwehrtenihnen fortan den Zutritt zumGelände. Mikitassow sprach voneiner „gewaltsamen Übernahme“.Er befürchte, dass das Planetariumversteigert und von einem Privatunternehmerzweckentfremdetwerden könnte. Inzwischen hatder ehemalige Generaldirektor dasLand verlassen, um nicht „umgebrachtoder eingesperrt“ zu werden,wie er verlauten ließ.Bei der Stadt heißt es, es habesich mitnichten um einen Überfallgehandelt, sondern nur um dieDurchsetzung des Wechsels derGeschäftsführung. Die liegt nunbei Andrej Bordunow, dem Chefder städtischen Firma „PokrowskijeWorota“. Und der versichert allenthalben,das Gebäude werde aufjeden Fall ein Planetarium bleiben.Der Architekt Alexander Anissimow,nach dessen Entwürfen derUmbau erfolgt, beziffert die benötigteRestsumme auf 500 MillionenRubel. Fließt das Geld, könntendie Arbeiten binnen fünf Monatenzum Abschluss gebracht werden.Viel hat sich bereits getan. DasGebäude wurde um sechs Meterangehoben und somit die Flächevon 3 000 auf 14 000 Quadratmetervergrößert. „In der Baubranche eineinmaliges Unterfangen“, sagt Anissimow.Geplant sind neben einemMuseum eine Aussichtsplattformauf dem Dach mit 30 verschiedenenBeobachtungsgeräten, einWissenschafts- und Lehrzentrum,ein Raum zur Simulation des Weltraums,eine Bibliothek, ein Restaurant,ein Jugendcafé und Parkplätzeim Kellergeschoss. Außerdemwird der Hauptraum mit einerneuen Projektionskugel ausgestattet.Die Technik sei zum Großteilbereits erworben oder angefertigt,so Anissimow. Im Juli schwärmteBürgermeister Jurij Luschkow, dasPlanetarium werde einmal „einesder schönsten“ sein. Auf einen Termindafür hat er sich aber liebernicht festgelegt.Foto: ArchivFür Besucher tabu: der Fernsehturm.Schlank und spitz wie eine Nadelragt er aus der <strong>Moskau</strong>er Tiefebene,als ob er in die Wolken pieksenwollte. Theoretisch ginge dasschon. Der Fernsehturm von Ostankinoist immerhin 540 Meter hoch.1967 erbaut, war er seinerzeit dashöchste freistehende Gebäude derWelt. Unter den Fernsehtürmen hatihm bis heute nur der CN Tower inToronto mit seinen 553 Metern denRang abgelaufen.Das Raumfahrtzeitalter hatte geradebegonnen, da wurde den „Er obererndes Weltalls“ 1964 schon einDenkmal gesetzt. Gleich neben derMetrostation WDNCh glänzt esauch heute noch silbrig in der Sonne.110 Meter hoch und mit poliertenTitanplatten beschlagen, beschreibtdas Monument die Startbahn einerRakete im Winkel von 77 Grad. SergejKoroljow, der Vater des sowjetischenRaumfahrtprogramms, hattebei der Errichtung auch gleich einMuseum mit konzipiert – im Sockel.Diese Pläne wurden jedoch erst 1981Wirklichkeit, zum 20. Jahrestag desRaumfluges von Jurij Gagarin.Heute umgibt ein hoher Zaun dasGelände. Baumaschinen versperrenden Weg zum Eingang, Bauarbeiterhängen wie Freeclimber an derAußenhaut des Monuments. Seit2006 wird der Komplex aufwändigmodernisiert und erweitert. DasIn einem Raum mit Trainingsgerätenwird die Schwerelosigkeitam eigenen Leibgetestet werden können.veraltete Lüftungs- und Abwassersystemsowie die beengten Räumlichkeitenhätten den Umbau nötiggemacht, sagt Olga Anissimowa, einestellvertretende Museumsdirektorin.Das Museum solle nun „das größteseiner Art weltweit“ werden. Dafürbaut es an – nach unten.Fernsehturm:Sendepause für BesucherFoto: André NaumannNeben der schieren Höhe machteauch die neuartige SicherheitskonstruktionSchlagzeilen. Um denHalt im sandigen Untergrund zugewährleisten, hätte 40 Meter in dieTiefe gebohrt werden müssen. AberArchitekt Nikolaj Nikitin erdachteeine kühne Alternative, mit derer schließlich auch Zweifler überzeugte:149 Stahlseile und die zehn„Füße“ des Turmes sind fest in einervier Meter dicken Betonplatte von60 Metern Durchmesser verankert.So kann er nicht umkippen.Rund zehn Millionen Besucherverzeichnete der <strong>Moskau</strong>er Fernsehturmbis zum Jahre 2000. Dergrandiose Blick auf <strong>Moskau</strong> von derAussichtsplattform in 337 MeterHöhe verschlug Einheimischen undTouristen gleichermaßen den Atem.Beliebt war auch das Restaurant„Siebenter Himmel“. Es bestand ausdrei Etagen und drehte sich langsamum die eigene Achse.Doch das ist alles Geschichte.Auch nach acht Jahren hat sich derFernsehturm noch nicht von einerBrandkatastrophe am 27. August2000 erholt. Ein Kurzschluss solldie Ursache für das Feuer gewesensein, das in 463 Metern Höheausbrach. „Der Turm brannte wieeine Kerze: von oben nach unten“,erzählt Verwaltungschef MichailKalinin. Zerstört wurden Elektrogeräteund Kabel im Inneren desTurmes, Aufzüge stürzten ab, Rauchruinierte die Räumlichkeiten. Besucherkamen nicht zu Schaden. DreiPersonen starben bei Löscharbeiten.Fernsehen und Radio fielen aus. Esdauerte ein Jahr, bis die 30 TV- undRundfunkstationen wieder in vollemUmfang senden konnten.Für die Öffentlichkeit ist der Fernsehturmbis heute nicht zugänglich,Raumfahrtmuseum:All-Tägliches im UntergrundDie Ausstellungsfläche verdreifachtsich fast von 300 auf 850 Quadratmeter.Acht Meter hohe Decken bietenauch größeren Objekten Platz.Um sie zu besichtigen, begeben sichdie Besucher künftig bis zu zwölfMeter unter die Erde. Dort soll unteranderem ein begehbares Modell derRaumstation „Mir“ die Lebens- undArbeitsumstände im All veranschaulichen.In einem Raum mit Trainingsgerätenwird die Schwerelosigkeit ameigenen Leib getestet werden können.Außerdem bieten nachgebauteMondoberflächen, Videosequenzenim großen Kinosaal und interaktiveComputer Futter fürs Auge.„Wir wollen in unserem Museumaber nicht nur die technische Seiteder Raumfahrt beleuchten, auchdie gesellschaftliche Wahrnehmungund die Menschen stehen im Blickpunkt“,so Anissimowa. Ein Bereichauch wenn schon 2002, 20<strong>05</strong> und2007 von der bevorstehenden Wiedereröffnungdie Rede war. Medienwirksamwurden vor drei Jahrenneue Lifte in Betrieb genommen.Die Zeitungen berichteten in allenEinzelheiten von der Gestaltung desneuen Restaurantbereichs. Dochdann verstrich auch der 40. Geburtstagdes Turms , ohne dass sich an derLage etwas geändert hätte. Finanzierungsschwierigkeitenund immerneue Brandschutzverordnungen sollenden Umbau verzögert haben.Zudem, so Kalinin, wolle man, wennschon, denn schon, „mit der Ausstattungbeeindrucken“. Eine neue Glasfassade,ein elektronisches Kassensystem,schöne Inneneinrichtungenund moderne Beobachtungsgerätemit Schaltung zu anderen Fernsehtürmenwie dem in Berlin – alldas soll für ein zeitgemäßes Freizeitvergnügensorgen.Mehr oder weniger präsentabelmuss der lange Lulatsch bereits MitteSeptember sein. Dann ist er nämlicherstmals Schauplatz der Jahreskonferenzdes Weltverbandes der größtenTürme, zu deren Mitgliedern ergehört. Den Teilnehmern geht esum Themen wie Brandschutz, Terrorismusund touristische Aspekte.Die im Verband zusammengeschlossenenFernsehtürme müssen funktionierendeAussichtsplattformenunterhalten und Besuchern offenstehen. Es heißt, dass der <strong>Moskau</strong>erFernsehturm in diesem Zusammenhangauch tatsächlich wieder Außenstehendenach oben lässt – allerdingszunächst nur Sondergruppen. Undauch im „Siebenten Himmel“ wirdnicht so bald der Herd angeworfen:Die Umbauarbeiten im Restauranthaben noch gar nicht begonnen.Derzeit wird ein Käufer gesucht.Foto: RaumfahrtmuseumDer Obelisk überdem Raumfahrtmuseum.ImHintergrund dasHotel Kosmos.wird deshalb den wissenschaftlichenWegbereitern der Raumfahrttechnologiegewidmet. In einem anderenRaum soll sich alles um die Kunstdrehen, mit Gemälden, Skulpturen,Grafiken, Plakaten und Ansteckernzum Thema Weltraum.Bereits zum Stadtgeburtstag amersten September-Wochenende warnach Verschönerungsarbeiten Einweihungfür die überirdische „Alleeder Kosmonauten“. Ende 2008 willauch das umgebaute Museum seineTore wieder öffnen. Die Besuchermüssen sich dann allerdings daraufeinstellen, dass der frühere Eintrittspreisvon 30 Rubel ebenfalls„renoviert“ wird. „Ermäßigungenund kostenlose Tage gibt es aberweiterhin“, versichert Anissimowa.Auch Führungen in ausländischenSprachen, darunter in Deutsch undEnglisch, würden angeboten.

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