LectureLab: Die interaktive VorlesungM ANFRED H OFER (UNIVERSITÄT M ANNHEIM)Universität MannheimPädagogische PsychologieA5, B-Gebäude, 3. Stock68131 MannheimTel.: +49 (0) 621 83 – 181 2209 manfred.hofer@sowi.uni-mannheim.de___________________Die Vorlesung als akademische Lehrformhat sich über die Jahrhunderte hinwegetabliert und ist neben Seminarenund Übungen bis heute die weltweit wohlam weitesten verbreitete universitäre Unterrichtsmethode.Der Lehrvortrag gilt alsbewährte Grundform der Wissensvermittlung,bei der ein Thema zusammenhängenddargestellt und kommentiert wird,damit die Zuhörenden einen Einblick indie komplexe Struktur wissenschaftlicherReflexion erhalten. Auf der anderen Seitewurde die Vorlesung immer wieder inFrage gestellt. Als Hauptnachteil wird dieeingeschränkte Möglichkeit gesehen,Studierende in das Lehr-Lern-Geschehenaktiv einzubeziehen. Die geringe odergänzlich fehlende Interaktivität gefährdetauf der Seite der Studierenden Aufmerksamkeitund Motivation und in der Folgeden Wissenserwerb. Der Dozent erhältkaum Rückmeldungen für die Anpassungdes Unterrichts.In einem Projekt, das in Zusammenarbeitmit praktischen Informatikern stattfand,wurden an der Universität Mannheim zurHerstellung von Interaktivität zwischenDozenten und ihren Hörern funkbasierteTechnologien (Wireless Local Area Networks,WaveLANs) eingesetzt 1 . Die Studierendenkonnten mit kleinen mobilen1 Das in diesem Beitrag vorgestellte Projekt wurdevon der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Az.:HO 649/18-1) gefördert (Antragsteller neben demAutor waren: Prof. Dr. Wolfgang Effelsberg, Informatik,Universität Mannheim, und Stefan Fries,Psychologie, inzwischen Universität Bielefeld).Endgeräten während der Vorlesung ingezielte Interaktion mit dem Dozententreten. Auf der Grundlage der Feedbackforschungwird der Nutzen von Rückmeldungin zwei Richtungen gesehen:Von den Studierenden zum Dozentenund umgekehrt. Dozenten, die einschlägigeInformationen über die Lernleistung,über Fehler und über die aktuelle Einschätzungihrer Vorlesung durch dieStudierenden erhalten, können ihr Lehrverhaltenanpassen und optimieren. UndStudierende, die vom Dozenten Informationenüber ihren aktuellen Wissens- undVerständnisstand und Antworten auf ihreFragen erhalten, sollten nicht nur imHinblick auf ihren Wissenserwerb profitieren,sondern auch eine Steigerungvon Motivation und Interesse erfahren.Insgesamt sollte eine stärkere „Lernerzentriertheit“der Unterrichtsform „Vorlesung“erreicht werden, die über die zwischenden Präsenzterminen der Vorlesungnutzbaren Formen (Messaging-,Chat- und Foren-Dienst) hinausgehenund durch die Lerner trotz ihrer unverändertrezeptiven Rolle Möglichkeiten derEinwirkung auf den Lehrprozess haben.Die Förderung der Interaktivität wurdemit den Diensten Quiz, Onlineevaluation/Feedbackund Call-in zu erreichenversucht, wobei die ersten beiden imZentrum des Projekts standen.Quiz. Die Teilnehmer an einer interaktivenVorlesung wurden mit mobilenComputern (Personal Digital Assistants,PDAs) ausgestattet. Zu zwei bis drei8 Ze-phir 15 (2008) 2
L ECTUREL ABZeitpunkten der Vorlesung wurden jeweilszwei bis vier Quizfragen nach demMultiple Choice-Verfahren zum eben gehörtenVorlesungsinhalt auf die mobilenRechner der Studierenden geschickt. DieTeilnehmer hatten einige Minuten Zeit,um aus den Antwortalternativen die richtigeLösung anzuklicken (Abb. 1, oben).Die Antworten wurden sofortig onlineausgewertet. Jeder Studierende erhieltein individuelles Feedback, das über daseigene Resultat, das Ergebnis im Vergleichmit den anderen Studierendenund im Vergleich zu den bisherigen Ergebnisseninformierte. Auch wurden dieErgebnisse der Quiz-Runde allen Teilnehmernund dem Dozenten grafisch aufdem Whiteboard präsentiert (vgl. Abbildung1, unten). Der Dozent hatte dieMöglichkeit, eventuelle Wissensdefiziteoder Rezeptionsprobleme sofort zu beseitigen.Studie 1. Ziel einer Studie (Vorlesung„Rechnernetze“ Informatik) war die Ermittlungder optimalen Informationsmengein der Rückmeldung beim Quiz-Dienstim Hinblick auf den Lernerfolg und dieBewertung des Szenarios durch die Studierenden.Die untersuchte Informatik-Vorlesung fand vollständig als interaktiveVorlesung statt. Im Rahmen dieser Veranstaltungwurde der Informationsgehaltdes Feedbacks, das nach Durchführungder Quiz-Runden gegeben wurde, überdie Veranstaltung hinweg systematischvariiert: Eine bloße Richtig-Falsch-Rückmeldungwurde mit zwei Arten informativenFeedbacks mit unterschiedlicher Informationsmenge(Informationen zu richtigenAntwortalternativen vs. Informationenzu richtigen und falschen Antwortalternativen)verglichen. Es wurde erwartet,dass ein informatives Feedback zubesseren Lernleistungen und zu einerbesseren Bewertung als eine reine Richtig-Falsch-Rückmeldungführt, da die informativeRückmeldung eine Korrekturfehlerhafter Vorstellungen ermöglicht.Abb. 1. Exemplarische Quizfrage aus einer interaktivenVorlesung (oben), exemplarische grafischeDarstellung der Ergebnisse aus einerQuizrunde (unten).Tatsächlich wiesen jene Teilnehmer dierelativ höchsten Wissenszuwächse beieiner Rückmeldung auf, die weitergehendeInformationen zu richtigen undfalschen Antwortalternativen enthielt, imVergleich zu den Rückmeldebedingungen,welche Informationen nur zu richtigenAntworten oder nur Informationenzur Korrektheit der Antworten enthielten.Ze-phir 15 (2008) 2 9