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Aus der PraxisAus der PraxisElektroherdeauf dem Weg ins IrgendwoEin Fall von Transportbetrug über eine Scheinspedition könnte durchaus Schule machenVon Peter NigglFrühjahr 2011. Aus Großbritannien treffen Container mit „weißer Ware“ – essind Elektroherde – im Hamburger Freihafen ein. Der Kontrakt mit der Speditionist längst geschlossen. Der Bestimmungsort für die Küchengeräte liegt fast2.000 Kilometer entfernt, nahe der rumänischen Hauptstadt Bukarest. So weit, sogut; ein alltäglicher Vorgang – wenn sich moderne Gesetzesbrecher nicht dieFreiheit nehmen ließen, den Wirtschaftskreislauf und die Warenlogistik nachSchwachstellen abzuklopfen. Sie sind dabei sehr kreativ und operieren überStaatsgrenzen hinweg. Obwohl wir hier weder Namen noch Adressen nennen,versichern wir, dass der Fall sich genau wie beschrieben zugetragen hat.Logistik bei Nacht und Nebel – nicht immer landet die Ladung, wo sie landen sollte.Der Logistiker, der hier den Auftrag übernommenhat, verfügt überhaupt nichtüber die Kapazität, alle Transporte mitder eigenen Flotte auszuführen. Auchdas kein Beinbruch, schließlich gibt esdas Internet, wo jeder seine Fuhre anbietenkann. Fachleuten sind solche Portalebestens bekannt. Allein diese Web-Vermittlungbringt der Hamburger Speditionschnell verdientes Geld. Dieses Vorgehenist längst Usus in der Branche.Eine in Slowenien ansässige Speditionmeldet sich auf das Angebot und bekundetInteresse, als Subunternehmer denFoto: lassedesignen - Fotolia.comTransport zu übernehmen. Der Vertragwird via E-Mail und Fax geschlossen.Nun fordert der Hamburger Logistiker dieUnterlagen des „Subs“ an, zum Beispielden Handelsregistereintrag, die Firmenkonzessionund andere Dokumente. Dazugehören auch die Angaben über Kennzeichen,Typ und Ausstattung des Lkws,mit dem der Transport erfolgen wird.Nach Ungarnstatt RumänienNoch während die Hamburger Speditionauf die Unterlagen des slowenischenSubs wartet, zieht dieser eine Transportfirmaaus Moldawien als „Subsub“ anLand. Um das Geflecht, das im internationalenLogistikumfeld keinen Seltenheitswerthat, etwas zu entwirren, sei hierschon eingefügt: Spätere Ermittlungenergaben, dass der slowenische „Handelspartner“in betrügerischer Absichthandelte.Mit den Fahrzeugunterlagen, die er vommoldawischen Subsub erhalten hatte,und eigenen gefälschten oder manipuliertenDokumenten, die wieder per Faxoder E-Mail übermittelt werden, ist sichder slowenische Subunternehmer mitdem Hamburger Logistiker handelseinig.Der avisierte Laster holt tatsächlich dieWare am Hamburger Freihafen ab undmacht sich auf den Weg. Schon nach kurzerZeit erhält der Lenker des Trucks eineSMS von seiner Firmenzentrale. Dieseteilt ihm mit, dass sie der Auftraggeber(der „Sub“) darüber informiert habe,dass die Fracht nicht nach Rumäniengehen solle, sondern an eine Adresse ineinem Ort unweit der ungarischen HauptstadtBudapest. Der Fahrer steuert nachdieser Order den neuen Zielpunkt an.Hier findet er jedoch weder eine Lagerhallenoch eine andere Ladestelle, sondernlediglich ein Hotel. Allerdings wirder bereits von einem Mittelsmann erwartet,der ihm bedeutet, dass er ihn nun zurLagerhalle geleiten werde, weil diese nurschwer zu finden sei. Die Fahrt führt tatsächlichdurch etwas unübersichtlichesGelände. Nach kurzer Fahrt ist man aneinem Lagerplatz. Die Fracht wird in einerHalle abgeladen, und der Trucker kanndie Rückfahrt antreten.Langmutam GründonnerstagDer Langmut des tatsächlichen Adressatender Warenlieferung in Rumänien wirdindessen auf eine harte Probe gestellt.Aber die Ganovenlogistik ist ausgefeilt.Die Ankunft der Lieferung war für den 21.April 2011 avisiert – Gründonnerstag, denletzten Arbeitstag vor den Osterfeiertagen.Der unruhig werdende Empfängermuss sich deshalb bis zum 26. April inGeduld üben, ehe er zunächst auf eigeneKappe Nachforschungen über den Verbleibdes Frachtguts anstellt. Bis er danndie Ermittlungsbehörden einschaltenkann, ist eine Woche ins Land gegangen,genügend Zeit für die illegalen Abnehmer,die Fracht in ihren Kanälen versickernzu lassen und die Spuren zu verwischen.Allein der Lotse, der den Trucker zu denLagerhallen führte, war Teil des Tatplans.Somit war dem Sub-Sub-Transporteurkeine verwertbare Adresse hinterlassenworden. Der Lkw-Fahrer konnte späternur vage den endgültigen Bestimmungsortbeschreiben.Diese Einzelteile sind aber nur Facetteneines über mehrere europäische Ländergrenzengelegtes kriminelles Puzzle.Dieser grenzüberschreitende Transportbetrugstellt auf anschauliche Weise dieAchillesferse (besser gesagt: -fersen)der Logistiksicherheit bloß. Die wirklichenVerlierer im kriminellen Spiel ohneNicht zuletzt dem enormen Zeit- undKonkurrenzdruck in der Logistikbranchesei es geschuldet, dass dort die Sicherungsmechanismen„suboptimal“ seien,sagt Lothar Müller vom Berliner ErmittlungsbüroiD-intertrace.Grenzen sind – so der heutige Stand derErmittlungen – die Versicherungsgesellschaften,die für den Verlust haften. DerHamburger Logistikfirma kann bis heutekeine Verfehlung nachgewiesen werden.Die Vorgaben für die Vergabe von Transportaufträgenwaren eingehalten worden.Auch die Sub-Sub-Transportfirmascheint aus dem Schneider. Bleiben dieslowenischen „Zwischenhändler“, aufderen Konto der Coup ganz offensichtlichgeht.Die Spur der Täter führt aber noch weiternach Osteuropa. Auch ein Ukrainersteht im Fokus der Ermittlungen, die zumgroßen Teil inzwischen Privatdetektiveübernommen haben, die jedoch angesichtsdes grenzenlosen Gaunerstücksselbst an ihre Grenzen stoßen. DieseForm des Betrugs über eine Scheinspeditionist (noch) nicht signifikant ausgeprägt,könnte aber durchaus Schulemachen.Anleihen für die kriminellen Ideen könntendie Täter aus den USA erhaltenhaben. Dort hatten sich die russischenEinwanderer Nicholas Lakes und ViachelavBerkovich Zugang zum Internet-Portal Safersys des US-Department ofTransportation verschafft, wo ebenfallsTransportaufträge angeboten werden.Die beiden bemächtigten sich als Hackerder Identität einer realen Transportfirmaund manipulierten wichtige Daten. Sovergaben sie an Subtransporteure Aufträgeund ließen sich dafür bezahlen.Die Firma, die den Auftrag ausgeführthatte, blieb auf ihren Kosten sitzen. DieBeschwerde bei der Firma, deren Identitätmissbraucht worden war, fördertedann den Betrug zutage. In der Zwischenzeithatten sich jedoch die Betrügerauf einem anderen Portal eingehacktund das Spielchen ein weiteres Malgetrieben. Bis für das Duo die Handschellenklickten, dauerte es drei Jahre,in denen sie rund 300 Speditionsfirmenum ihr Geld brachten. Im Spätsommer2009 schickte ein Gericht in Los Angelesdie beiden Exilrussen für mehrere Jahrehinter Gitter.Zeit- und KonkurrenzdruckNicht zuletzt dem enormen Zeit- undKonkurrenzdruck in der Logistikbranchesei es geschuldet, dass dort die Sicherungsmechanismen„suboptimal“ seien,sagt Lothar Müller vom Berliner ErmittlungsbüroiD-intertrace, der in Fällendes internationalen Speditionsbetrugsrecherchiert. Nach seinem Dafürhaltenkönnen nur schärfere Gesetze dazu führen,dass auch die Versicherer die Lattefür Auftragsweitergabe an Sub- undSub-Sub-Speditionen höher legen. Auchmüsste die Zusammenarbeit zwischenden Ermittlungsbehörden vereinfachtund beschleunigt werden, um den Straftäternnicht uneinholbaren Vorsprung zugewähren.Mit dem Hebel der Selbstbeteiligungbei der Versicherungssumme, so Müller,könnten „die Spediteure mehr Anreizerhalten, die Dokumente und Angabender Subunternehmer genauer unter dieLupe zu nehmen und damit dem Schwindeldurch Fälschungen vorbeugen“.www.id-intertrace.info56Security <strong>insight</strong>1/20<strong>12</strong> 57

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