13.07.2015 Aufrufe

Anwaltsblatt 2011/01 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

Anwaltsblatt 2011/01 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

Anwaltsblatt 2011/01 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

EditorialBudgetbegleitgesetz <strong>2<strong>01</strong>1</strong> – EineNachbetrachtungDie Diskussionen, auch um den Justizteil des Budgetbegleitgesetzes,waren heftig und sind mit viel Emotiongeführt worden. Das Gesetz liegt nunmehr vor, derGesetzgeber ist der Regierungsvorlage mehr oder wenigerohne Abstriche nachgekommen. 1)Eine Nachbetrachtung soll aber dennoch erfolgen,denn die Argumente, die geführt worden sind und diesich letztlich nicht durchgesetzt haben, sind deshalb nichtfalsch geworden.Es ist nach wie vor richtig, dass die Gerichtsgebührenmehr als 110% der Gerichtskosten decken. Zutreffendist, dass diese Betrachtungsweise die Kosten des Strafvollzugesaußer Acht lässt. Gerade wenn man vom Verursacherprinzipspricht, also davon, dass der, der die Kostenverursacht, diese auch tragen soll, dürfen die Kostendes Strafvollzuges nicht mit Gerichtsgebühren in einenTopf geworfen werden. Die Partei, die sich heute an einGericht wendet, verursacht Kosten, der Strafvollzug verursachtKosten. Es ist unzulässig, beides miteinander zuverrechnen, denn welcher Grund soll denn dafür bestehen,dass der, der ein Zivilgericht in Anspruch nimmt,auch für die Kosten von Strafgefangenen aufkommensoll. Hier wird dem Verursacherprinzip gerade nichtRechnung getragen.Dass die Abschaffung der verhandlungsfreien Zeit zueiner gleichmäßigeren Auslastung des Gerichtsbetriebesführen wird und daher ein Akt der Verwaltungsvereinfachungist, ist – und das wird sich in kurzer Zeit herausstellen– ebenfalls nicht zutreffend. Die seinerzeit so genanntenGerichtsferien waren eine sinnvolle Einrichtung undwirkten kostensparend, weil in der Urlaubszeit Parteien,Zeugen, Sachverständige, aber auch Rechtsanwälte aufUrlaub sind und Gerichtstermine daher in vielen Fällennur zu Leerläufen führten. Der Einzige, der nach derneuen Regel seinen Urlaub tatsächlich planen kann, istder Richter. Der Partei und gerade der unvertretenenPartei kommt dieses Recht nicht mehr oder nicht mehrausreichend zugute. Sie ist darauf angewiesen, dass derRichter einer Vertagungsbitte Folge gibt. Nur auf Bittedes Vertreters der vertretenen Partei ist Urlaub ein Vertagungsgrund.Da sich an den tatsächlichen Urlaubsgewohnheitendennoch nichts ändern wird, werden dieLeerläufe zumindest gleich bleiben, aber es wird mehrAufwand damit verbunden sein.Abzuwarten bleibt auch, wie sich die neue Regelung einerKostenentscheidung nach Rechtskraft bewährenwird. Tatsächlich soll ein Vorbehalt der Kostenentscheidungdem Richter nur möglich sein, wenn dies aufgrundder Komplexität der zu treffenden Kostenentscheidungaus Gründen der Verfahrensökonomie zweckmäßig ist.Dies lässt dem Richter ein weites Feld offen. Seine Entscheidungist übrigens nicht anfechtbar. Es wird großenAugenmaßes bedürfen, um hier eine tatsächlich für alleTeile vorteilhafte Praxis zu finden.Dass die Einwendungen gegen eine Honorarnotekeine Kosten für den einwendenden Rechtsanwalt bringenund damit eine gegenteilige Entscheidung desObersten Gerichtshofes einfach ausgehebelt wird, istauch ein Moment, das bedenklich stimmt.Augenmaß wird auch die Anwendung des § 86 a ZPO(neu) verlangen, wonach verworrene, unklare, sinn- oderzwecklose Ausführungen und solche, die sich in der Wiederholungerledigter Streitpunkte erschöpfen, ohne Verbesserungsversuchzurückzuweisen sind. Hier wird dasGericht ohne ausreichendes Korrektiv zum Herrn überdas Vorbringen gemacht. Wir werden sehen, wie damitin der Praxis umgegangen wird.Gefahr birgt schließlich eine nicht ausreichendeÜbergangsvorschrift im Zusammenhang mit der Erhöhungder Eintragungsgebühr für Einverleibungen undVormerkungen um 10%. Auch wenn der Vertrag vordem 31. 12. 2<strong>01</strong>0 abgeschlossen wurde und die Selbstbemessungder Grunderwerbssteuer ebenfalls noch imJahre 2<strong>01</strong>0 erfolgte, wird die erhöhte Eintragungsgebührnur dann nicht fällig, wenn die grundbücherliche Durchführungbis spätestens 31. 3. <strong>2<strong>01</strong>1</strong> erfolgt. Ob dies sachlichauch möglich ist, darauf wird keine Rücksicht genommen.Parteienvertreter und Treuhänder werden mitdieser unzureichenden Übergangsregelung, mit der dasGebührengesetz unzulässig in bereits endgültig abgeschlosseneRechtsgeschäfte eingreift, umgehen müssen.All dies sind Dinge, die für Rechtsanwälte, aber auchfür Parteien unerfreulich, möglicherweise aber sogar gefährlichsind. Man wird ein genaues Auge darauf habenmüssen, wie diese Änderungen in der Praxis tatsächlichgehandhabt werden, und es wird unsere Aufgabe sein,Missstände aufzuzeigen, die sich aus dieser Praxis ergeben.Wir wollen dies tun, denn mehr bleibt im Momentnicht zu tun übrig. Wir, sehr geehrte Frau Kollegin undsehr geehrter Herr Kollege, benötigen dazu Ihre aktiveMithilfe.In diesem Sinne wünsche ich Ihnen nochmals ein erfolgreichesund fruchtbringendes Jahr <strong>2<strong>01</strong>1</strong>.1) Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses (23. 12. 2<strong>01</strong>0) lag der endgültigeGesetzestext allerdings noch nicht vor.Präsident Dr. Benn-IblerÖsterreichisches <strong>Anwaltsblatt</strong> <strong>2<strong>01</strong>1</strong>/<strong>01</strong>1

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!