- 822 -M. H., in den östlichen Grenzen unseres Industriereviershat die von Rufsland <strong>und</strong> Galizien her drohendeCholera nicht nur mancherlei Umstände, sondern aucheinige, allerdings nicht bedeutende, Verluste an Menschenveranlaßt. W ir wollen bei dieser Gelegenheit konstatieren,dafs die verhältnismäßig gute Versorgung des Industriereviers,<strong>und</strong> namentlich der zunächst bedrohten KreiseBeuthen <strong>und</strong> Kattowitz, mit Trinkwasser, welches zumgrößten Teile aus den Gruben gehoben wird, der Verbreitungder Cholera unter unserer dicht gedrängt wohnendenArbeiterbevölkerung die sichersten Schranken gesetzt hat.M. H., mit der Erledigung der für Oberschlesien sowichtigen Frage der Verhinderung der ungeregelten Ueberbauungunserer Grubenfelder sind wir auch in diesemJahre keinen Schritt weiter gekommen. Die Bedeutung derSache nicht nur für die Gruben selbst, sondern auch füralle unsere Gemeinwesen ist oft von uns auseinandergesetztworden; bis jetzt ist es uns aber nicht gelungen, die bezüglichenBehörden so weit dafür zu interessieren, daßein wirkungsvoller Schritt zur Bekämpfung der Kalamitätgethan worden wäre, — trotz der vorhandenen sehr bedeutendenSchädigungen des Volksvermögens.M. H., Sie werden von der Eröffnung des KoselerHafens gehört haben. Leider können wir diese Maßregelnicht so mit freudigem Herzen begrüßen, wie wir das seinerzeitbei Beginn der Kanalisierung der oberen Oder gedachthaben. Die kanalisierte obere Oder bleibt bis zur Herstellungdes Grofsschiffahrtsweges durch Breslau nur einTorso. Die Behörden scheinen dasselbe zu denken, dennnoch ist weder die Frage der Tarife nach dem KoselerHafen, noch die Frage der auf der oberen Strecke zuzahlenden Schleusengebühren endgültig geregelt. Bei dieserSachlage ist es natürlich, daß man irgend welche begründeteHoffnungen oder Berechnungen bezüglich des auf der StreckeKosel— Breslau zu erwartenden Verkehrs nicht hegenoder anstellen kann.M. H., die günstigen Folgen, welche der deutschrussischeHandelsvertrag für unsere Eisen- <strong>und</strong> Kohlenindustriegehabt hat, habe ich Ihnen schon vorhin kurzangegeben. Ich möchte aber gegenüber der ungemessenenAgitation gegen die niedrigen Getreidepreise, die sich, obwohlzum größten Teile unberechtigt, an den russischenHandelsvertrag knüpft, auch diese Seite des Vertrages kurzbehandeln. M. H., die Brotgetreide - Versorgung unseresIndustriereviers ist durch den Handelsvertrag wenig beeinflußtworden. Vor <strong>und</strong> nach dem Abschluß desselbenhaben die hiesigen Mühlen ihren Getreidebedarf hauptsächlichdurch Ankauf im Inlande gedeckt. Es geht das am bestendaraus hervor, daß sowohl Getreide wie Mehl in Kattowitzteurer ist wie in Breslau, <strong>und</strong> daß ein T eil unsererKonsumvereine seinen Mehlbedarf durch Ankäufe von denBreslauer Mühlen deckt, während sich doch die Verhältnisseganz anders stellen würden, wenn unsere Getreide-Versorgungs-Quelle, wie das ja in der That noch vor 15 Jahren derFall war, im Osten läge. M. H., es soll trotzdem nichtbestritten werden, dafs der Abschluß des deutsch-russischenHandelsvertrages die Roggenpreise <strong>und</strong> damit auch dieMehl- <strong>und</strong> Brotpreise zeitweise herabmindernd beeinflussenkann, wenn auch diese Beeinflussung nicht annähernd sogroß ist, als das von der agrarischen Agitation behauptetwird. Jedenfalls empfiehlt es sich, einen Versuch zu machen,zu ermitteln, wer denn eigentlich in den gegenwärtigenfür die Landwirtschaft „schlechten Zeiten“ von der jedenfallsstattgehabten Einnahme- oder Vermögensverschiebungden Vorteil gehabt hat, <strong>und</strong> w ie groß sich derselbe stellt.W ie Ihnen bekannt ist, hatte der <strong>Berg</strong>assessor Kuhnavor zwei Jahren in einersehr verdienstvollen <strong>und</strong> mühsamenArbeit, welche natürlich, w eil auch das Lesen einer solchenA rbeitM ühe macht, von nahezu unserer ganzen Presse totgeschwiegen worden ist, die Durchschnittskosten der Ernährungeiner oberschlesischen Montanarbeiterfarailie ermittelt. Umdabei auf einen richtigen Durchschnitt zu kommen, hatte HerrKuhna durch Umfragen den Lebensmittelverbrauch von 4 0 tArbeiterfamilien festgestellt <strong>und</strong> die Marktpreise aller größerenoberschlesischen Ortschaften berücksichtigt. Die so erhaltenenResultate hatte er dann mit den entsprechenden anderweitigbekannt gewordenen Zahlen aus den übrigen Industrierevierenverglichen. Dabei hatte sich schließ lich ergebeu,daß nicht nur die Ernährung unserer oberschlesischenArbeiter eine reichliche <strong>und</strong> von der Ernährung der Arbeiterder anderen Industriereviere sich nicht wesentlich unterscheidendeist, sondern daß sie auch, was die Auswahl derNährstoffe anbetrifft, eine ganz rationelle ist. Im übrigenhatte aber die Arbeit, welche auf den Preisermittelungcndes Winter 1 8 9 1 /9 2 beruhte, gezeigt, daß in dieser Zeitdoch ein verhältnismäßig großer T eil des Verdienstes unsererArbeiter zu ihrer <strong>und</strong> ihrer Angehörigen Ernährung verbrauchtwurde. Der Winter 1 8 9 1 /9 2 brachte nämlich imZusammenhänge mit der damaligen russischen Roggen-Exportsperre die höchsten Getreide- <strong>und</strong> M ehlspeise im letztenJahrzehnt. Seit jener Zeit sind nun die Preise ungemeinheruntergegangen, <strong>und</strong> Herr Kuhna hat jetzt auf VeranlassungIhres Vorstandes einen gleichzeitig mit diesem Bericht inunserer Zeitschrift zu veröffentlichenden Nachtrag zu jenerArbeit geliefert.In diesem Nachtrage sind die Durchschnittsernährungskostenderselben 4 0 7 Arbeiterfamilien einmal unter Zugr<strong>und</strong>elegungder Preise des vorigen Sommers <strong>und</strong> dasandere Mal unter Zugr<strong>und</strong>elegung der Durchschnittspreisedes letzten Jahrzehntes festgestellt, <strong>und</strong> ermittelt, in welcherHöhe diese Preisschwankungen auf das Ernährungsbudgeteiner Arbeiterfamilie ausschlagen. Die gef<strong>und</strong>enen Zahlensind darum wohl von allgem einerem Interesse, w eil diePreise des Winters 1 8 9 1 /9 2 <strong>und</strong> des Sommers 1 8 9 4 gewissermaßenals Grenzpfähle Für die hiesigen Marktpreise,die ersteren nach oben zu, die letzteren nach unten zu, geltenkönnen, so daß also durch diese Arbeit nicht nur die äußerstenSchwankungen dieser Preise, sondern auch ihr Durchschnittsstandberücksichtigt ist.M. H., Herr Kuhna hat ermittelt, daß gegenüber demLebensmittelpreisstande von 1 8 9 1 /9 2 unsere Arbeiter aufGr<strong>und</strong> des Preisstandes des vorigen Jahres pro Fam ilie imMonate um 1 6 ,8 2 besser dagestanden haben, <strong>und</strong> daßsie auch gegen den Durchschnitt der letzten 10 Jahre nochum 6,8 pro Monat besser dastanden. Dabei sind inerster Linie für diese ganze große Differenz die Preise fürRoggenbrot <strong>und</strong> Hausbackmehl <strong>und</strong> erst in zweiter Liniedie Kartoffelpreise ausschlaggebend.M. H., nach diesem Rechenexem pel hat nicht nur jedeArbeiterfamilie, sondern aüch jede andere Fam ilie mitähnlicher Ernährung wie unsere Arbeiter, <strong>und</strong> das ist dochder bei weitem größte T eil unseres V olkes, im verflossenenJahre gegen den Durchschnitt des verflossenen Jahrzehntes7 0 — 8 0 ^C. Minderausgaben für ihre Ernährung gehabt, <strong>und</strong>gegen das Jahr 1 8 9 1 /9 2 betrug die Differenz sogar gegen2 0 0 JL. Die auf diese Thatsachen aufzubauenden Schlüsse
- 823 -sind einfach genug. Zunächst ergiebt sich hieraus, dafs inden letzten Jahren in allen denjenigen Fällen, in welcheneine Minderung des Arbeitsverdienstes nicht eingetreten ist,sich infolge der verbilligten Lebensmittelpreise die Lage derArbeiter sehr wesentlich gebessert hat. Bei unserer Montanindustriesteht aber die Sache naclr unserer Statistik so,dafs im ganzen in 1 8 9 4 eine kleine Steigerung desGesamtverdienstes unseres Arbeiters stattgef<strong>und</strong>en hat <strong>und</strong>dafs, wenn trotzdem hier <strong>und</strong> da vereinzelt eine Minderungder Jahresverdienste eintrat, dieselbe hauptsächlich in derverminderten Beschäftigung infolge von Feierschichten,d. i. in der verminderten Arbeitsgelegenheit beruht.M. H., hierin, in der verminderten Erwerbsgelegenheit,liegt wohl überhaupt die Kalamität der gegenwärtigen Geschäftslage,<strong>und</strong> auch diejenigen, welche unter Unterschätzungder anderen das Gedeihen des Völkerwohlstandes bedingendenFaktoren, lediglich die gute Lage des Arbeiterstandes zumMafsstabe für den Stand des Erwerbslebens nehmen, sollteder an so vielen Punkten bei uns hervortretende Mangelan Arbeitsgelegenheit bedenklich <strong>und</strong> darauf aufmerksammachen, dafs nicht die Einschnürung, sondern die Entwickelungder Industrie dem Arbeiterstande in allererster Reihe zumVorteile gereicht. Die oberschlesische Eisenindustrie ist durchden Abschlufs des deutsch-russischen Handelsvertrages imvorigen Jahre wesentlich gefördert worden. Die natürlicheEntwickelung der oberschlesischen Kohlenindustrie ist aberseit 10 Jahren dadurch sehr beeinträchtigt worden, dafsunsere Eisenbahnverwaltung im Gegensatz gegen das Vorgehender Eisenbahnverwaltungen aller Nachbarländer <strong>und</strong>zu ihrem eigenen materiellen Schaden mit der Ausbildungihres Tarifsystems denjenigen W eg nicht weiter verfolgt hat,welchen die für Oberschlesien mafsgebenden Bahnen vorihrer Verstaatlichung eingeschlagen hatten. Dem gegenübersind die Flufs- <strong>und</strong> Seefrachten immer weiter zurückgegangen,<strong>und</strong> da mufste dann schliefslich das eintreten, was eingetretenist: die oberschlesische Kohle, deren Verfrachtungnach ihren nördlichen Absatzgebieten vermöge der grofsenStreckenlängen die beste Einnahmequelle für die Staatsbahnverwaltungbilden sollte, mufste hier an Absatzgebiet verlieren.Unsere beste Hoffnung auf Aenderung in diesemVerhältnisse beruht übrigens in den Einnahm e-Ausfällen,welche die Eisenbahn in diesem Verkehr erleidet <strong>und</strong> welchesich in der nächsten Zeit noch viel deutlicher als bisherbemerkbar machen werden."D ie B eratu n g d es S ta a tsh a u sh a lts d er p reu fsisch enB erg-, H ü tten - <strong>und</strong> S a lin e n v e r w a ltu n g fü r1895/96 im A b g eo rd n eten h a u se.(Fortsetzung.)Abg. v. W a ld o w (fortfahrend):Meine H erren, ich stehe um so mehr auf diesem Standpunkt,als auch alle übrigen Erwerbsstände kein Interesse an dem Beständeder Goldwährung, sondern vielm ehr nur Schädigung von derselbenzu erwarten haben. Ich erinnere beispielsw eise an diejenigenIndustrieen, welche m it ihren A rtikeln auf den Export angewiesensind nach Ländern m it unterw ertiger V aluta. Dieselben befindensich in derselben üblen Lage wie die Landwirtschaft.Das Gold dient lediglich den Zwecken des Kapitals für seineninternationalen V erkehr. Dieses allein hat ein Interesse an demFortbestände der Goldwährung, <strong>und</strong> wir haben, glaube ich, keinengrofsen Anlafs, dies zu unterstützen. Man soll nur nicht glauben,dafs die Zeiten hohen Geldwertes <strong>und</strong> niedriger Preise ein Segenseien. Das ist nicht der Fall. Die Thatsachen beweisen das Gegenteil.Wenn wir auf die Zeiten vor der Goldwährung zurückblicken,so sehen wir, dafs wir damals einen niedrigen Stand des G eldwertes<strong>und</strong> hohe Preise hatten <strong>und</strong> uns in einer Periode steigendenVolkswohlstandes befanden; heute, nach Einführung der Goldwährung,ist m it dem fortgesetzten Steigen der K aufkraft des Goldes<strong>und</strong> dem entsprechend dem Fallen der Preise der W ohlstand derNation gesunken. Es mag hiergegen theoretisch gesagt werden,was will, die Thatsache selbst steht unleugbar fest <strong>und</strong> läfst sichnicht in Abrede stellen.W ir sehen nun in der Rem onetisierung des Silbers, in der H erstellungeines festen <strong>und</strong> günstigeren W erts Verhältnisses zwischenGold <strong>und</strong> Silber, als es jetzt besteht, ein wesentliches Mittel,wenn auch nicht das alleinige, zur H ebung des Nationalwohlstandes<strong>und</strong> besonders zur Erhaltung der Landwirtschaft. Der Landwirtschaftist nur dadurch zu helfen, daß ihr höhere Preise verschafftwerden, uud wir sind der Ansicht, dafs m it der Rem onetisierungdes Silbers sich die Preise w ieder heben w erden. W ir sehen inder Lösung der W ährungsfrage eins der grofsen M ittel, m it welchemder Landwirtschaft geholfen werden kann. Ich sage, wir sehendarin eins dieser M ittel; denn wir erwarten bestim m t, daß außerdemnoch andere M ittel zu gunsten der Landw irtschaft angewandtwerden. Das will ich h ier ausdrücklich hervorgehoben haben;denn wir wissen sehr wohl, daß an Einführung der Doppelwährung,an W iederherstellung des Silberw ertes nicht von heute auf morgenzu denken ist, <strong>und</strong> daß der V erw irklichung unserer W ünsche sichviele Schw ierigkeiten entgegenstellen. Aber gerade deswegen sindwir der Ansicht, dafs möglichst bald die einleitenden Schritte gethanwerden müssen. Deshalb haben w ir auch m it ganz besondererG enugthuung im Gegensatz zu dem H errn Abgeordneten Bueckdie wohlwollenden E rklärungen des H errn Reichskanzlers uud desH errn Staatssekretärs des Reichsschatzamtes in den Sitzungen desReichstages vom 15. <strong>und</strong> 16. Februar dieses Jahres, betreffendden A ntrag auf Einladung zu einer M ünzkonferenz behufs internationalerRegelung der W ährungsfrage, em pf<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> könnendie preußische Regierung nur dringend bitten, daß sie ihrenganzen E influß bei der Reichsregierung dahin geltend m acht, daßden in diesem A ntrag enthaltenen W ünschen, den W ünschen derLandwirtschaft, so bald wie möglich Rechnung getragen w erde; siekann versichert sein, dafs sie sich dam it den Dank der weitestenK reise verdienen wird. (Bravo !)A bgeordneter v. T i e d e m a n n (B om st): Meine H erren, ichwill in der späten St<strong>und</strong>e nicht noch ausführlich auf die Erörterungen,die hier eben gepflogen worden sind, eingehen. Ich habe imw esentlichen nur eine kurze Erklärung im Namen <strong>und</strong> im Aufträgem einer politischen Fre<strong>und</strong>e hier abzugeben.W ir halten den augenblicklichen Z eitpunkt nicht füg geeignet,unsererseits in eine so ausführliche D ebatte über die W ährungsfrageeinzutreten, wie sie eben stattgef<strong>und</strong>en hat. W enn HerrDr. A rendt — der ja übrigens ausdrücklich hinzugefügt hat, dafser nur persönliche Bemerkungen zu machen habe — die Frageangeschnitten hat, so waren das im w esentlichen nur A usführungenüber die Preisbildung des Silbers <strong>und</strong> des Goldes zu einander;die W ährungsfrage als solche hat er in der Breite nicht behandelt.(Sehr richtig!) W enn wir also auf diesem Standpunkt stehen, daßin dem Augenblick, wo eben der Reichstag gesprochen <strong>und</strong> derH err Reichskanzler im Namen der verbündeten Regierungen eineentgegenkom m ende Erklärung abgegeben hat <strong>und</strong> wo wir allewissen, dafs die ausgiebige B ehandlung dieser Frage durch denS taatsrat in allerkürzester Zeit bevorsteht, d aß wir, sage ich, ineinem solchen Z eitpunkt es ablehnen müssen, unsererseits aufdiese Frage einzugehen, so fühlen wir doch das Bedürfnis, überunsere Stelluug zu diesen Fragen keinen Zweifel zu lassen.Meine H erren, m eine politischen F re<strong>und</strong>e <strong>und</strong> ich stehen voll<strong>und</strong> ganz auf dem Boden der Resolution, die vor kurzem derReichstag angenommen h a t; wir haben Freude über die Erklärungen