Im FokusWas blieb übrig vomPhänomen Haider?In der Nacht zum <strong>11</strong>. Oktoberstarb Jörg Haider, ein Datum,wie er es persönlich nicht besseraussuchen hätte können.Die Nacht des Landesfeiertagesvon Kärnten wird zum Todestagfür einen außergewöhnlichenPolitiker. Oder Ausnahmepolitiker,wie man es eben sehenJörg Haider, einen Monat vor seinem Ablebenauf dem Schleppe-Kirchtag Foto: Pixelpointmag. Eklatante Missstände,Landesschulden und das Hypodebakelprägen die Erinnerung,aber auch ein unausweichlichesCharisma, gepaartmit einer Medienpräsenz in derganzen Welt – man kannte JörgHaider, aber wusste irgendjemand, wer er wirklich war?60Seit Bruno Kreisky war er der vielleichtwirkmächtigste Politiker Kärntens,Europa erzitterte vor seiner rechtspopulistischenStrahlkraft und Kärnten wurdezu einem eigenen „Kontinent“. Nach einerdurchzechten Nacht starb er bei einem Autounfallnahe Lambichl und ein rotes Lichtermeerzum Gedenken überschwemmtefortan die Unfallstelle nebst vielen Schaulustigen,die man lange nach dem Unfallbeim Vorbeifahren noch beobachten konnte.Die folgende Landtagswahl in Kärntenwurde ein Tribut an Haider, sein NachfolgerGerhard Dörfler kam mit 45 Prozent der Bevölkerungin den Genuss einer späten Sympathiebekundung,doch bald schon sollte dasGötzenbild bröckeln. Spätestens am 3. Märzwar dann traurige Gewissheit für alle, die zurückblieben– der Verfall aller Moral querdurch die Landesparteien und die Freunderlwirtschaftwurden zu offensichtlich, derspielsüchtige Umgang mit Steuergeld, derdem Land 4,8 Milliarden Euro Schulden einbrachte,dazu rätselhafte Geldflüsse in alleRichtungen, die „Ära Haider“ verlor ihrenGlanz.Doch wer blieb übrig? Die einstige „Buberlpartie“ist mittlerweile ein zerstreuter HaufenMittvierziger, einmal mehr, einmal wenigerim Kreuzfeuer von Justiz und Öffentlichkeit.Von Meischberger über Strutz bis hin zuWestenthaler und dem Chef fürs „Grobe“,Gernot Rumpold, sind alle mehr oder wenigernegativ aufgefallen. Karl-Heinz Grasser,WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN <strong>11</strong>/<strong>2013</strong>einst Ziehsohn, dann zu erfolgreich wiederwegradiert, ist heute Anhängsel einer societysüchtigen,alternden MöchtegernVIP–Lady.Franz Koloini, seines Zeichens Kellnerlehrlingvor seiner Entdeckung durch Haider,dann jahrelang größenwahnsinniger Sklaveeben dessen, ist heute mittellos und in Privatkonkurs,sein Nachfolger Stefan Petzner,wohl sehr bekannt durch seine tränenreichenund dramatischen Fernsehauftritte, hielt biszur letzten Wahl noch an Seppi Bucher fest,der das BZÖ am Sterben hindern wollte, wasoffensichtlich nicht gelang. Und nicht zuletztblieben übrig: die Gebrüder Scheuch, Großherrenleute,Herrscher über das Mölltal undselbsternannte Herrscher Kärntens, bis siegnadenlos über sich selbst stolperten.Uwe Sommersguter, Redakteur der KleinenZeitung, im aktuellen Kärntner Monat: „ DieKonsequenzen von Fehlentwicklungen, dieKärnten noch Jahre, wenn nicht Jahrzehntebelasten, gewannen in den letzten Jahrenkräftig an Kontur und legen ein ernüchterndesZeugnis über seine Politik ab. Noch beider Nationalratswahl 2008 ging Haider mitdem Erfolgsmodell Kärnten hausieren underntete bundesweit einen durchaus ansehnlichenWählerzuspruch – heute wissen nichtnur die Kärntner: Haiders Geschick, einLand in eine erfolgreiche Zukunft zu führen,hielt leider keineswegs mit seinem unzweifelhaftenCharisma Schritt.“Politisches Talent mit (un)charmantem Hangzur egomanisch gesteuerten Demagogie –gleichzeitig durchaus links außen sozialromantischangehauchter Visionär – er war derscheinbar ideale Heilsbringer für den latentenMinderwertigkeitskomplex der Österreicher– „die da oben und WIR ALLE da unten“.Als „Rächer der Entrechteten“, mit persönlichemHandschlag und offener Teuerungszuschlags-Brieftaschestets am Puls derkleinen Leute, angreif- und anfühlbar undzugleich schräges Designer-Klamotten-Modell,das war Jörg Haider. Permanenter Widerspruchzwischen Anspruch und Ergebnis,und dies ausgetragen in einem Bundesland,in dem gefühlte oder tatsächliche Grenzenund die leicht melancholische Senza-Confini-Mentalitätseit Ewigkeiten den Blickaufs Wesentliche verstellen und letztlich irgendwieimmer im „Varlossn, varlossn, wiada Stan auf da Strossn ...“ enden.So kann Stefan Petzner ein ganz persönlichesLied davon singen, gerade nach der letztenLandtagswahl. Und so verkommen dannauch politisch ambitionierte Höhenflüge oftmalssehr rasch wieder in den Niederungender Alltagstauglichkeit und werden zu Halbfertigkeitenin der Ankündigung, bei derUmsetzung und letztlich im Ergebnis. HalbfertigeBudgets, halbfertige Großprojekte,halbfertige Demokratisierungsprozesse – allesirgendwie eine scheinbare Großartigkeitund doch letztlich nur teures Spielzeug einesvon einem „Wer ist stärker – ich oder ich“geprägten Einzelgängers. Denn alle, die je-
Im FokusFranz Koloini Foto: APA/Georg Hochmuth Karl-Heinz Grasser Foto: APA/ Roland Schlager Stefan Petzner Foto: APA/Robert JägerGernot Rumpold Foto: APA/Herbert Pfarrhofer Uwe Scheuch Foto: Gert Eggenberger Peter Westenthaler Foto: APA/Herbert Neubauermals in die Nähe seiner Einzigartigkeit kamen,wurden sogleich wieder entfernt: HeideSchmid, Karl-Heinz Grasser und vor allemSusanne Riess-Passer.Himmelhoch über die Karawankenfelsenjauchzende Wahltriumphe, dabei gleichzeitigschon wieder die Asche der Zerstörung suchend– all dies und so manch anderes endetdann zwangsläufig in einer Tragödie – sowohlfür den Protagonisten als auch für seineEntourage, noch dazu wenn Letztere außereinem „Heil dir, Jörg“ absolut nichts in dieWaagschale der Geschichte legen können.Und so bleibt uns Jörg heute als Quotenbringerfür auflagen- und zuschauerschwächelndeMedien, als Sündenbock für seineeigenen Schwächen und Fehler und jener dervielen anderen Mitläufer und Gegenspielersowie für den von uns so oft herbeigesehntenund eben wieder einmal unerfüllten Traumvom „WIR DA OBEN und die Bösen endlichmal da unten“ – kurzum, letztlich wares dann halt „doch nix G’scheits“.Egal ob er nun unter dem Begriff Egomane,Borderliner oder Außergewöhnlicher eingereihtwird, was bleibt ist, dass wir uns vorcharismatischen Personen seines Formats inAcht nehmen sollten und nicht blind demSystem verfallen, sonst bleibt nämlich nurübrig, was auch in diesem Fall übrig blieb:ein Haufen navigationsloser Chaoten ohneKopf, die sich gegenseitig restlos zerstört haben.Ü WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN <strong>11</strong>/<strong>2013</strong> 61