OPERElīna Garančaim April 2013:CharlotteWerther20., 24., 27., 30. AprilTitelpartie Carmen20., 23., 26., 30 Mai<strong>und</strong> 2. Junitionellen Fledermaus-Aufführung ein so umjubelterwie überraschend auftretender Gast beim FürstenOrlofsky. Und nicht weniger als sechsmal stand sie imApril 2011 – zugleich ihr bisher letztes Auftreten imHaus am Ring – in der Titelrolle von Anna Bolena aufder <strong>Staatsoper</strong>nbühne. Ihren mittlerweile 52. <strong>Staatsoper</strong>nauftrittbestreitet die gewiss populärste Operndivaunserer Tage am 12. April mit einem Rollendebüt,der Tatjana in einer von Andris Nelsons dirigiertenEugen Onegin-Serie mit Dmitri Hvorostovsky in derTitelrolle, Dmitry Korchak als Lenski <strong>und</strong> Alisa Kolosovaals ihre Bühnenschwester Olga.DIE ZWEITE PRACHTSTIMMEManchmal dominiert nicht nur eine Primadonna dasBühnengeschehen, sondern gleich zwei. Wie beispielsweisein Gaetano Donizettis Anna Bolena. Da lässtsich dann vergleichen, wer von beiden den Sieg davongetragen hat. Manchmal aber gleich beide, wie im April2011 an der <strong>Wiener</strong> <strong>Staatsoper</strong>, als diese Oper hier zumersten Mal gezeigt wurde. „Der Operngipfel“ übertiteltedenn auch einer der Rezensenten seinen Premierenbericht.„Zwei Prachtstimmen im vollen Saft ihrerAusdruckskraft, fähig feine Gefühlsregungen im melodischenFluss mitschwingen zu lassen. Das ist es, wasBelcanto ausmacht“, urteilte Wilhelm Sinkovicz in derPresse über die beiden Hauptdarstellerinnen: der AnnaBolena von Anna <strong>Netrebko</strong> <strong>und</strong> der mit ebenso unwiderstehlicherAusstrahlung aufwartenden ElīnaGaranča als Giov<strong>anna</strong> Seymour. So etwas wie eineSchicksalspartie. Kaum mehr als zehn Tage hatte sieZeit, sich diese Rolle während ihres Studiums an derLettischen Musikakademie ihrer Heimatstadt Riga zuerarbeiten <strong>und</strong> dabei die Faszination des Belcanto fürsich zu entdecken, die sie seit dem nicht mehr losgelassen hat.Anna Bolena ist die bisher einzige <strong>Staatsoper</strong>nproduktion,die beide Weltstars, die <strong>Netrebko</strong> <strong>und</strong>die Garanča, deren Lebenslauf eine Reihe von Gemeinsamkeitenaufweist, auf der Bühne vereint hat.Denn auch die Garanča hat für ihr Kind eine mehrmonatigePause eingelegt. Auch sie lässt keinen Zweifel,wie wichtig ihr Familienleben ist. Und auch siehat einen Musiker zum Mann, den Dirigenten KarelMark Chichon, unter dessen Leitung die 1976 imlettischen Riga als Tochter eines Gesangslehrerin <strong>und</strong>eines Chordirigenten geborene, international vielgefragte Mezzosopranistin gerne auftritt. Warum?Weil er zu jenen wenigen Dirigenten zählt, die davonüberzeugt sind, „dass Proben einen besser machen“<strong>und</strong> er sich viel Zeit nimmt, mit ihr Programme vorzubereiten.Nicht selten transponiert der studierteOrganist auch Lieder für sie, wenn er überzeugt ist,dass sie zu ihrer Stimme passen.Auch bei der Garanča, die erste Bühnenerfahrungenam Staatstheater Meiningen sammelte, stand einWettbewerb am Anfang der Weltkarriere: 1999 derGewinn des finnischen Mirjam-Helin-Gesangswettbewerbs.Im Jahr darauf wurde sie mit dem Großenlettischen Musikpreis ausgezeichnet <strong>und</strong> an dieFrankfurter Oper engagiert, wo sie in Mozart- <strong>und</strong>Rossini-Rollen ebenso Erfolge feierte wie als Hänselin Humperdincks Märchenoper Hänsel <strong>und</strong> Gretel.2001 war sie Finalis tin in BBC-Gesangswettbewerb inCardiff <strong>und</strong> gestaltete mit Opernarien ihre erste Soloeinspielung.Zwei Jahre später landete sie bereitsan der <strong>Wiener</strong> <strong>Staatsoper</strong>. Die Lola in Mascagnis Cavalleriarusticana <strong>und</strong> der Nicklausse in OffenbachsLes Contes d’Hoffmann waren ihre Debütrollen, davor,im Sommer 2003 war sie in Salzburg bereits alsAnnio in La clemenza di Tito zu hören. Zufall, dass,wie ein Jahr zuvor bei Anna <strong>Netrebko</strong> <strong>und</strong> ebenfallsin einer Mozartproduktion, Harnoncourt dirigierte<strong>und</strong> Kušej Regie führte? 2003 lud sie auch Anna <strong>Netrebko</strong>ein, bei ihrem Debüt album mit Opernarienmitzuwirken. Eine weitere Gemeinsamkeit beiderSängerinnen.Mittlerweile war Elīna Garanča neben ihren zahlreichenKonzert- <strong>und</strong> Opernverpflichtungen in nichtweniger fünfzehn Rollen im Rahmen ihrer 129 Auftritte– nicht eingerechnet jenen als Orlofskys Überraschungsgastanlässlich der Silvester-Fledermaus2006 – im Haus am Ring zu hören. Darunter am meisten– nämlich jeweils elfmal – als Dorabella (Così fantutte), Meg Page (Falstaff) <strong>und</strong> Rosina (Il barbiere diSevilla), zwölfmal als Bersi (Andrea Chènier), achtzehnmalals Rosenkavalier-Octavian, eine Partie, mitder die Vielumworbene auch in der kommendenSaison gastieren wird, <strong>und</strong> neunzehnmal als Charlottein Massenets Werther. Eine Rolle, mit der sie bereitsbei der Premiere unter der Leitung von PhilippeJordan, mittlerweile Musikdirektor der Pariser Oper<strong>und</strong> designierter Chefdirigent der <strong>Wiener</strong> Symphoniker,im Februar 2005 zu begeistern wusste. „Dieblutjunge Lettin bestätigte mit dem Schmelz ihrerStimme <strong>und</strong> der Kultur ihres Gesanges, dass hier einkommender Weltstar im Werden zu sein scheint“,konnte man in einer der hymnischen Rezensionenlesen. Eine Prognose, die sie längst erfüllt hat. Manbraucht dafür nur einige ihrer Engagements in denletzten Jahren entsprechend Revue passieren lassen,wie Auftritte unter Dirigentenprominenz wie Abbado,Muti, Jansons in Lucerne, Salzburg, München<strong>und</strong> Berlin, viel umjubelte Gastspiele an der Met,der Deutschen Oper Berlin, der Bayerischen <strong>Staatsoper</strong>München, dem Genfer Opernhaus, in CoventGarden, zahlreiche Konzerttourneen mit renommiertenKlangkörpern oder – womit wir wiederbeim Thema Anna <strong>Netrebko</strong> <strong>und</strong> Garanča sind –ihre gemeinsame, hochgelobte Plattenproduktionvon Bellinis I Capuleti e i Montecchi,die im <strong>Wiener</strong> Konzerthaus mit den <strong>Wiener</strong>Symphonikern unter ihrem ChefdirigentenFabio Luisi entstandenist. Aber nicht nur als Werther-Charlotte an der Seite von RobertoAlagna <strong>und</strong> unter der Stabführungvon Bertrand de Billy ist dieGaranča diese Saison an der <strong>Staatsoper</strong>zu hören, sondern im Mai <strong>und</strong>Juni auch noch in einer anderenihrer Glanzpartien: als Carmen.„Doch wie sie mit ihrer Stimmelockt <strong>und</strong> girrt, wie sie nach ihrerKarten-Arie den Tod vorAugen sieht, das macht ihr zurZeit wohl kaum jemand nach“,schwärmte nach einer ihrerMünchner Carmen-Aufführungender Rezensent derSüddeutschen Zeitung überdie gleichermaßen sinnlichewie überlegte Rollengestaltung,die „fast jedes Klischeeeiner femme fatale“ vermeidet.Ab 20. Mai kann man sichdavon im Haus am Ring begeisternlassen. Walter Dobner8 N° 168 www.wiener-staatsoper.at www.wiener-staatsoper.at N° 168 9
PREMIEREEIN MEISTERWERKFÜR DIE KLEINENRegisseur René ZistererAngelehnt an die Geschichte vom KleinenDäumling schuf Hans Werner Henze um 1980die aus der Tradition der deutschen romantischenOper kommende Märchenoper Pollicino, die seitherinternational zu den bedeutendsten Werkendieser Gattung zählt. Große Teile sind bewusst tonalgehalten, verströmen das musikalische Fluidum dersüdlichen Toskana <strong>und</strong> zeichnen sich außerdemdurch wirkungsvolle rhythmische Strukturen aus.Einige Zitate aus bekannten Opern <strong>und</strong> Melodienitalienischer Volklieder reichern die Partitur zusätzlichan <strong>und</strong> sollen all jene, die sich mit dem Werkbefassen, sei es als Zuhörer oder Mitwirkende, sensibelmachen für Musik im Allgemeinen – nach Henzedem treuesten Verbündeten im Leben jedes Menschen.Die Instrumente selbst werden dramaturgischeingesetzt <strong>und</strong> Personen, Situationen, Stimmungen<strong>und</strong> Zuständen zugeordnet, sodass eineenge Verbindung zwischen Bühne <strong>und</strong> Orchestergrabenentsteht. An der <strong>Wiener</strong> <strong>Staatsoper</strong>, an derPollicino zuvor noch nie gezeigt worden ist, wirddas Werk auf der großen Bühne des Hauses aufgeführt,um auch Kindern, die die Vorstellungen besuchen,die Möglichkeit zu geben mit dem Zauberin Berührung zu kommen, den das Auditorium <strong>und</strong>die Bühne einer großen Oper verströmen.Einige Worte die Hans Werner Henze im Zusammenhangmit seinem Pollicino geschrieben hat, mögenan dieser Stelle wiedergegeben sein, weil sie mehrüber diese kleine Oper aussagen, als seitenlangeBeschreibungen <strong>und</strong> Analysen: „Die Partitur, 1980fertiggestellt, enthält vielerlei pädagogischenÜbungsstoff für Anfänger. Man könnte Pollicino alseinen Intensiv-Musikkurs bezeichnen. Kinder könnenübrigens diese neuen Klänge ohne besonderepsychische Schwierigkeiten singen <strong>und</strong> spielen: siesind sich der Probleme, die Erwachsene in die zeitgenössischeMusik hineinprojizieren <strong>und</strong> in ihr zufinden scheinen, nicht bewusst. Dieses Werk ist mitder Absicht geschrieben, nicht nur zu lehren, sondernauch zu unterhalten. Die Kinder, die sich damitbeschäftigen, sollen wie im Spiel an die Musik herangeführtwerden. Das Abenteuer einer solchenAufführung sollte eben im Glücksfall so enden, dasssie sich bewusst werden, mit einem Mal einen Schrittin die musikalische Realität gemacht zu haben: Musikist in ihre zarten <strong>und</strong> zerbrechlichen Leben eingedrungen.“Die Dauer der einzelnen Aufführungen wird an der<strong>Wiener</strong> <strong>Staatsoper</strong>, um die Konzentration der jungenBesucher nicht überzustrapazieren, nur wenig längerals eine St<strong>und</strong>e betragen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> wurdeneinige rein instrumentale Zwischenspiele weggelassen– was insofern nicht gegen die IntentionenHenzes verstößt, als er betonte, dass die Partitur wieein Baukasten angelegt sei, <strong>und</strong> sich deshalb einzelneTeile problemlos herausnehmen ließen.Regisseur René Zisterer, der zuletzt an der OperDarmstadt mit Verdis Forza del destino einen großenErfolg erringen konnte <strong>und</strong> manchen <strong>Wiener</strong>Besuchern vielleicht noch mit der gelobten Inszenierungvon Carl Orffs Klugen an der <strong>Wiener</strong> Volksoperin Erinnerung sein dürfte, sieht in der Herangehensweisebei Inszenierungen keinen Unterschied,ob er nun eine Kinderoper oder eine Operfür Erwachsene auf der Bühne umsetzt <strong>und</strong> zumLeben erweckt. Lediglich im Umgang mit den darstellendenKindern, die ja wie Zisterer betont, vomHerzen eben so viel verstehen wie die Großen, istvielleicht ein anderes Vokabular beim Erarbeiten desSzenischen verlangt. Aber die Qualität des Gebotenensollte nach seiner Meinung am Ende um keinenDeut geringer sein, als bei anderen Werken, da dann<strong>und</strong> zwar nur dann, die Kinder im Zuschauerraumbleibend ergriffen <strong>und</strong> für die Musik, die Oper gewonnenwerden können.Andreas LángBühnenbild PollicinoINHALTPollicino <strong>und</strong> seine Brüder leben mit ihren Eltern ineiner kleinen Hütte. Die Familie ist bitterarm, zu Essengibt es praktisch nichts. Also beschließen die Eltern dieKinder in den Wald zu führen, um sie dort zurückzulassen.Doch Pollicino gelingt es zunächst, seine Brüdernach Hause zurückzuführen. Als die Eltern sie allerdingserneut in den Wald bringen, verirren sich dieKinder, sodass ihr Heim für immer verloren ist. DieAngst der Kinder im dunklen Wald wird durch diefre<strong>und</strong>lichen Tiere, die den Ausgesetzten zur Seitestehen, gemindert. Schließlich kommen Pollicino <strong>und</strong>seine Brüder zur Behausung des gefährlichen Menschenfressers.Aber mit der Hilfe der liebevollen Fraudes Menschenfressers <strong>und</strong> den kleinen Menschenfressertöchtern– können Pollicino <strong>und</strong> seine Brüder demMenschfresser <strong>und</strong> seinem großen Hunger entkommen<strong>und</strong> sich gemeinsam mit den Menschenfressertöchernüber den großen Fluss in Sicherheit bringen<strong>und</strong> einer neuen Zukunft entgegen gehen.Schlusslied aus PollicinoAbdruck mit fre<strong>und</strong>licher Genehmigungvon Schott Music, MainzPremiere:28. AprilReprisen:1., 4., 7*., 8*.Mai*Schulvorstellung10 N° 168 www.wiener-staatsoper.at www.wiener-staatsoper.at N° 168 11