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Heinrich Heines Heimkehr zu Gott - DWG Radio

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ler4t, das merkte ich erst viele Jahre später hier in paris, alsich mich damit beschäftigte, aus dem abstrakten schul-Idiomjene Formeln in die Muttersprache des gesunden Verstandes undder allgemeinen verständlichkeit, ins Französische, <strong>zu</strong> übersetzen.Hier muß der Dolmetsch bestimmt wissen, was er <strong>zu</strong>sagen hat, und der verschämteste Begriff ist gezwungen, diemystischen Gewänder fallen <strong>zu</strong> lassen und sich in seiner Nacktheit<strong>zu</strong> zeigen. Iih hatte nämlich den vorsatz gefaßt, eine allgemeinverständliche Darstellung der ganzen Hegel'schen philosophiezLr verfassen, um sie einer neuern Ausgabe meinesBuches ,,De l'Allemagne" als Ergän<strong>zu</strong>ng desselben ein<strong>zu</strong>verleiben.Ich beschäftigte rnich während zwei Jahren mit dieser Arbeit,und es gelang mir nur mit Not und Anstrengung, clenspröden Stoff <strong>zu</strong> bewältigen und die abstraktesten partien sopopulär als möglich vor<strong>zu</strong>tragen. Doch als clas werk endlichfertig war, erfaßte mich bei seinem Anblick ein unheimlichesGrauen, und es kam mir vor, als ob das Manuskript mich mitfremden, ironischen, ja boshaften Augen ansähe. rch war in einesonderbare Verlegenheit geraten; Autor uncl Schrift paßten nichtmehr <strong>zu</strong>sammen. Es hatte siih nämlich um jene zeit der obenerwähntewiderwille gegen den Atheismus schon rneines Gemütesbemeistert, und da ich gegen den stehen mußte, daß allencliesen <strong>Gott</strong>seligkeiten diese llegel'sche Philosophie den furchtbarstenVorschub geleistet, ward sie mir äußerst unbehaglichund fatal. Ich empfand überhaupt nie eine all<strong>zu</strong>große Begeisterungfür die Philosophie, und von überzeugung konnte in Be<strong>zu</strong>gauf dieselbe gar nicht die Rede sein. Dann schreibt Heine davon,wie bereits oben erwähnt, daß die Hegel'sche Lehre seiner Eitelkeitschmeichelte, indem sie den Menschen selber zrrrrr <strong>Gott</strong>erklärt. Heine fährt dann fort: ,,Dieser törichte stolz übte.keineswegs einen verderhlichen Einfluß auf meine Gefühle, dieer vielmehr bis zl;lrtr Heroismus steigerte; und ich machtedamals einen solchen aufwand von Großmut und selbstaufopferung,daß ich dadurch die brillantesten Hochthaten jenerguten Spießbärger der Tugend, die nur aus Pflichtgefühl handeltenund nur den Gesetzen der Moral gehorchen, gewiß außerordentlichverdunkelte. war ich doch selber jetzt das lebendeGesetz der Moral und cler Quell alles Rechtes und aller Befugnis.,rAber die Repräsentationskosten eines ,<strong>Gott</strong>es', der sich nichtiumpen lassen will und weder Gesundheit noih Börse schont, sinclungeheuer; um eine solche Rolle mit Anstand <strong>zu</strong> spielen, sindbesonders zwei Dinge unentbehrlich: viel Geld und viel Gesundheit.Leider geschah €s, daß eines Tages im Februar/ 'tIB4B diese beiden Requisiten mir abhanden - kamen, undmeine Göttlichkeit geriet dadurch sehr ins Stocken. Zum Glückwar das verehrungswürdige Publikum in jener Zeit mit. sogroßen, unerhörten, fabelhaften Schauspielen beschäftigt, daßdasselbe die Yeränderungen, die darnals mit meiner kleinenPerson vorging, nicht besonders bemerken mochte. Ju, siewaren unerhört und fabelhaft, die Ereignisse in jenen tollenFebruartagen? wo die Y/eisheit der Klügsten <strong>zu</strong> Schanden ge-l:lffr,lIch war die Ursittlichkeit, ich war unsündbar, ich war clie inkarnierteReinheit; die anrüchigsten Magdalenen wurden purifiziertdurch die läuternde und sühnende Macht meiner Liebesflammen,und fleckenlos wie Lilien und errötend wie keusche Rosen, miteiner ganz lneluen Jungfräulichkeit gingen sie hervor aus denIJmarmungen <strong>Gott</strong>es. Diese Restaurationen beschädigter Magdtümer,ich gestehe es, erschöpften <strong>zu</strong>weilen meine Kräfte. Aberich gab, ohne <strong>zu</strong> feilschen, und unerschöpflich war der Bornmeiner Barmherzigkeit. Ich war ganz Liebe und war ganz freivon Haß. Icla rächte mich auch nicht mehr an meinen Feinden,cla ich im Grunde keinen Feind mehr hatte, oder vielmehr niemandals solchen anerkannte; für mich gab es jetzt nur nochtingläubige, die an meiner Göttlichkeit zweifelten. JedeUnbill, die sie mir antaten, war ein Sakrilegium, und - ihreSchmähungen waren Blasphemien. Solche <strong>Gott</strong>losigkeiten konnteich freilich nicht immer ungeahndet lassen, aber alsdann war esnicht eine menschliche Rache, sondern die Strafe <strong>Gott</strong>es, die denSänder traf. Bei dieser höheren Gerechtigkeitspflege unterdrückteich <strong>zu</strong>weilen mit mehr oder weniger Mühe alles gemeineMitleid. .Wie ich keine Feinde besaß, so gab es für mich auchkeine Freunde, sondern nur Gläubige, die an meine }lerrlichkeitglaubten, de miih anbeteten, auch rneine Werke lobten, sowohltlie versifizierlen.. wie die, welche ich in Prosa geschaffen, unddieser Gemeinde von wahrhaft Frommen und AndächtiEen tatich sehr viel Gutes, zarnal den jungen Devotinnen."12

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