Psychische Faktoren bei schweren Brandverletzungen:Psychotherapeutische Beiträgezur Verbesserung der LebensqualitätHanna Wallis-Simon 1 & Babette Renneberg 21BG Unfallklinik Ludwigshafen, 2 Freie Universität BerlinZusammenfassung: Brandverletzungen ziehen häufig lang anhaltende emotionale,berufliche und soziale Folgeprobleme nach sich. Obwohl Studien belegen, dass derBedarf an psychologischer Unterstützung bei Patienten mit Brandverletzungen hochist und dass viele Betroffene gerade auch im Langzeitverlauf psychische Problemeentwickeln, mangelte es bisher an fundierten psychotherapeutischen Konzepten zurgezielten Unterstützung dieser Patientengruppe. Der Artikel gibt einen Einblick indie relevante Forschungsliteratur, fasst Ergebnisse aktueller Studien unserer eigenenForschungsgruppe zusammen und benennt hieraus abgeleitete Implikationen fürdie psychotherapeutische Unterstützung von Schwerbrandverletzten. Ein auf Basisder Forschungsbefunde neu entwickeltes verhaltenstherapeutisches, ressourcenorientiertesGruppenbehandlungskonzept für Schwerbrandverletzte in der Rehabilitationsphasewird vorgestellt. Neben psychoedukativen Elementen ist ein Trainingsozialer Kompetenzen im Umgang mit Reaktionen der Öffentlichkeit auf den durchdie Brandnarben veränderten Körper zentraler Bestandteil des Behandlungsprogramms.1. EinleitungIn Deutschland erleiden jährlich circa20.000 Menschen einen Unfall mit Brandverletzungen,wobei etwa 1.500 Erwachsenedabei derart schwere Verbrennungendavontragen, dass sie in einer Spezialklinikfür Brandverletzungen intensivmedizinischversorgt werden müssen. Die medizinischeTherapie von Verbrennungswundenist aufwändig, langwierig sowie ausgesprochenschmerzhaft und kann zahlreicheOperationen erfordern (siehe hierzu Künzi& Wedler, 2004; Bruck, Müller & Steen,2002). Die narbigen Veränderungen derHautoberfläche nach einer Brandverletzungsind permanent sicht‐ und fühlbar,sie verändern sich über den Zeitraum vonzwei Jahren nach der Verletzung weiterund beeinträchtigen die körperliche Leis‐tungs‐ und Funktionsfähigkeit – unter Umständenlebenslang. Jahre nach der Verletzungkönnen körperliche Probleme wieerhöhte Hautsensibilität, Schmerzen oderParästhesien vorliegen (Altier, Malenfant,Forget & Choiniere, 2002) und weitereOperationen erforderlich sein, beispielsweiseum die durch Narbenstränge eingeschränkteFunktionsfähigkeit zu verbessernoder zur ästhetischen Korrektur. Nebenkörperlichen Funktionseinschränkungenund ästhetischen Entstellungen kommtes häufig zu lang währenden psychischen,sozialen, beruflichen und ökonomischenVeränderungen (Pallua, Künsebeck & Noah,2003; Thompson & Kent, 2001). Eineschwere Brandverletzung bedeutet alsoeinen starken Einschnitt in das Leben desBetroffenen 1 und stellt gleichermaßen einephysische wie psychische Verletzung dar.Durch die hohe Effektivität medizinischerMaßnahmen in der Erstversorgung sinddie Überlebenschancen von Brandverletztenin den letzten Jahren enorm gestiegen(Waymack & Rutan, 1994; Saffle, 1998;Germann, Wentzensen, Brandt & Steinau,1999). Wird aus medizinischer Sichtmeist „alles Menschenmögliche“ für denVerletzten getan und nach dem neuestenForschungsstand vorgegangen, so werdengleichzeitig viele brandverletzte Patientennur unzureichend psychologisch versorgt.Keineswegs in jedem Brandverletztenzentrumzur Erstversorgung ist psychologischeBetreuung ausreichend gewährleistet undnur ein Bruchteil der Betroffenen erhälttatsächlich psychologische Unterstützung(Van Loey, Faber & Taal, 2001). Auch mangeltes bisher an tragfähigen psychotherapeutischenKonzepten zur speziellenBehandlung von Brandverletzten. Im Zusammenhangmit der Verbesserung dermedizinischen Versorgung besteht einhoher Bedarf, Konzepte zur psychosozialenBetreuung Brandverletzter weiterzuentwickeln,zu standardisieren und in ihrerWirksamkeit zu prüfen, um auch von psychotherapeutischerSeite einen Beitrag da‐1 Im weiteren Text wird zugunsten der besserenLesbarkeit auf die korrekte Nennung beiderGeschlechterformen verzichtet. Es wirdlediglich die männliche Form verwendet.Diese schließt stets beide Geschlechter mitein.142 Psychotherapeutenjournal 2/2009
H. Wallis-Simon, B. Rennebergzu zu leisten, die Lebensqualität Schwerbrandverletzter2 zu verbessern.2. Aktueller Forschungsstandzu psychischenFaktoren bei schwerenBrandverletzungenFasst man den aktuellen Forschungsstandzusammen, so wird deutlich, dass das Auftretenpsychischer und sozialer Problemenach schweren Brandverletzungen eher dieRegel als Ausnahme zu sein scheint. Geradein der akuten Behandlungsphase sindBrandverletzte zahlreichen Belastungsfaktorenausgesetzt (vgl. Rossi, da Vila, Zago &Feirreira, 2005). Viele Verletzte erleben einWechselbad von intensiven Gefühlen wieSchock, Angst, Verwirrung, Trauer, Furcht,Depression (vgl. z. B. Ptacek, Patterson &Heimbach, 2002), berichten von Konzentrations‐und Schlafproblemen sowie vonFlashbacks (Ehde, Patterson, Wiechmann& Wilson, 1999), dem Erleben von tiefemVerlust, aber auch von Euphorie, überlebtzu haben (Partridge & Robinson, 1995).In verschiedenen Studien wurden bei60-70% der Betroffenen in der akuten BehandlungsphaseSymptome einer akutenStressstörung, depressive und Angstsymptomegefunden (Überblick bei: Pattersonet al., 1993). Bei einem beträchtlichen Anteilder brandverletzten Patienten kommtes während des Aufenthalts auf der Verbrennungsintensivstationin der Phaseder Analgosedierung außerdem zum Auftreteneines so genannten „Durchgangssyndroms“,einer organischen Psychosemit Symptomen wie Wahnvorstellungen,Halluzinationen (vorwiegend optisch),Albträumen und Bewusstseinsstörungen.Viele der in der akuten Behandlungsphasebeschriebenen psychischen Reaktionenund Symptome klingen im weiteren Behandlungsverlaufab. Sie sind als vorübergehendeund normale Reaktionen auf einbedrohliches Lebensereignis und außergewöhnlichephysische und psychischeBelastung zu bewerten. In der Arbeit mitBetroffenen und d eren Angehörigen ist eshäufig wichtig, Symptome in dieser Formzu interpretieren und damit zu normalisieren,um Ängste, z. B. bezüglich deren Persistenz,abzubauen.Betrachtet man Forschungsarbeiten zu psychischenLangzeitfolgen schwerer Brandverletzungen,werden erhöhte Prävalenzratenvor allem für psychische Störungen wiedie Posttraumatische Belastungsstörung(Flatten, Wälte & Perlitz, 2008; Wiechmann& Patterson, 2004), Depressionen, Alkohol‐und Substanzmissbrauch (Bernsteinet al., 1992) sowie Phobien und andereAngststörungen (Malt & Ugland, 1989; Altieret al., 2002; Van Loey & Van Son, 2003)angegeben. Allerdings werden in diesenStudien sehr unterschiedliche Angaben zurAuftretensrate psychischer Störungen nachschweren Brandverletzungen gemacht. EinigeForscher gehen davon aus, dass etwajeder vierte Schwerbrandverletzte im Langzeitverlaufpsychische Probleme entwickelt(Flatten et al., 2008; Altier et al., 2002), anderesprechen von bis zu jedem zweiten (Elhamaoui, Yaalaoui, Chihabessine, Boukind& Moussaoui, 2002). Eine dritte Gruppevon Autoren wiederum äußert optimistisch,dass lediglich ein sehr geringer Prozentsatzder Brandverletzten in der Unfallfolge ernsthaftpsychisch beeinträchtigt sei (Pattersonet al., 1993). Das Variieren der berichtetenPrävalenzraten ist vor allem auf methodischeGesichtspunkte zurückzuführen, z. B.auf die uneinheitliche Operationalisierungpsychischer Probleme und Störungen, aufsehr unterschiedliche Verletzungsschweregradeder Probanden und damit auf dieStichprobenzusammensetzung sowie aufhohe Dropout-Raten bei Längsschnitterhebungen(siehe Wallis, 2006).2 In Literatur, Forschung und Behandlungspraxishat sich für brandverletzte Patienten,welche einer stationären Versorgung bedürfen,der Terminus „Schwerbrandverletzte“ alsfachklassifikatorische Bezeichnung eingebürgert,ohne dass diese direkt an die üblicheEinteilung von Verbrennungen in Schweregradegeknüpft wäre. Es ist also nicht eindeutigdefiniert, ab welchem Verletzungsausmaßein brandverletzter Patient als „Schwerbrandverletzter“zu bezeichnen ist. Ergänzt sei, dasszur Einteilung der Schwere einer Brandverletzungdie Größe der betroffenen verbranntenKörperoberfläche (in Prozent) sowie dieVerbrennungstiefe (erst‐, zweit‐, dritt‐ undviertgradig) herangezogen werden. Der sogenannteABSI-Score (Abbreviated-Burn-Severity-Index, siehe Bruck et al., 2002) alsIndex zur groben Abschätzung der globalenVerbrennungsschwere und der damit einhergehendenÜberlebenswahrscheinlichkeit desbrandverletzten Patienten bezieht zusätzlichzu Tiefe und Ausdehnung der Verbrennungdas Lebensalter und das Geschlecht des Patientensowie das Vorliegen eines Inhalationstraumasmit ein.Fachkundenachweis in Verhaltenstherapie fürapprobierte PsychotherapeutInnenBerlinerFortbildungsAkademiefür PsychotherapieKonzept: Integration von bewährten und neuen Methoden undTechniken in die Verhaltenstherapie Kollegiale und praxisorientierte Wissensvermittlung Refinanzierung durch vergütete Behandlungsstundeninnerhalb der Weiterbildung Wohnortnähe durch Lehrpraxen in Berlin und denneuen Ländern Voraussetzungen für die AbrechnungsgenehmigungGruppenbehandlung VT inklusiveZiel: Eintragung ins Arztregister Zugang zur vertragspsychotherapeutischenVersorgung (´Kassenzulassung`) sowie den´Neuen` VersorgungsformenFormat: 2-jähriges Theoriecurriculum im Umfang von 400 Stunden 120 Stunden Selbsterfahrung mind. 250 Behandlungsstunden VT unter SupervisionMit dem Nachweis der Approbation entfällt das ´psychiatrische Jahr`.Start: 26. 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