Aktuelles aus der ForschungResilienz, Überleben, Verwundbarkeit: Drei unterschiedliche Profile jungerErwachsener beim Umgang mit der Trennung ihrer ElternEldar-Avidan, D., Haj-Yahia,M.M. & Greenbaum, C.W.(2009). Divorce is a part of mylife… Resilience, Survival, andVulnerability: Young adults´perception of the implicationsof parental divorce. Journal ofMarital and Family Therapy,35 (1), 30-46.Die vorliegende Untersuchungstellt eine qualitative Studiemittels Grounded Theory dar.Grounded Theory eignet sichzur Entwicklung von theoretischenKonzepten und Modellenin Bereichen, in denennoch recht wenig empirisch gesichertesWissen vorhanden ist.Einen solchen Bereich stellenBewältigungsmodi und Erfahrungsmusterelterlicher Trennung/Scheidungvon jungenErwachsenen dar (wenngleichrecht viel quantitativ empirischgesichertes Wissen zu denAuswirkungen von Trennungund Scheidung auf die psychischeGesundheit vorliegt). Inder Studie wurden mit 22 jungenErwachsenen (20-25 Jahren)halbstrukturierte Tiefeninterviewsdurchgeführt. DieInterviewmitschriften wurdenkodiert. Kodieren bedeutet,dass Aussagen und Sätze imInterview nach thematischenÄhnlichkeiten/Unähnlichkeitenund Bedeutungszusammenhängenund ‐divergenzenstrukturiert werden. DieserAuswertungsschritt wird imRahmen der Grounded Theoryauch als „offenes Kodieren“oder „Aufbrechen der Daten“bezeichnet. Hierbei ergabensich 52 Kodes bzw. Kategorien.Diese Kategorien wurden imnächsten Auswertungsschritt„axial kodiert“. Damit ist dasZusammenfügen der Kategorienzu Kernkonzepten gemeint.In einem letzten Auswertungsschrittwurden die Kategorienund Kernkonzepte nochmalsnach Zusammenhängen untereinanderanalysiert und nochmalsumgruppiert.Als Resultat dieses Kodierungsprozesseskonnten dreiinhaltlich gut unterscheidbareProfile im Umgang und Erlebenvon elterlicher Trennung/Scheidung ermittelt werden.Diese drei Profile sind: Resilienz(resilience), Überleben(survival) und Verletzlichkeit(vulnerability). Resilienz (9 der22 jungen Erwachsenen wurdendiesem Profil zugeordnet)bedeutet hier, dass die elterlicheTrennung von den jungenErwachsenen als ein sinnstiftenderund „befähigender“Prozess wahrgenommen wird,der zu positiven psychosozialenEntwicklungsprozessen etwahinsichtlich Identitätsbildungbeigetragen hat. Überleben(8 der 22) bedeutet, dass dieelterliche Trennung von denjungen Erwachsenen als einvielschichtiger Prozess erlebtwird, der sowohl bedeutsameAnpassungsleistungen und Bewältigungsschritteerfordert, alsauch mit erhöhter Verwundbarkeitund schmerzhaftenErfahrungen zusammenhängt.Verletzlichkeit (5 der 22) bedeutet,dass die elterlicheTrennung von den jungen Erwachsenenals schmerzhaftesEreignis interpretiert wird, dassich negativ auf das Leben allerdavon Betroffenen ausgewirkthat und weiter auswirkt. Die Autorendifferenzieren diese dreiProfile anhand von Leitthemenweiter aus, wie z. B. „Zentralitätfamiliärer Bindungen“, „Entwicklungsaufgabenim jungenErwachsenenalter“ oder „Selbstwahrnehmung“.Als Leitunterscheidungskriteriumzwischenden drei Profilen stellte sichdie Qualität der Beziehung derjungen Erwachsenen zu ihrenEltern nach deren Trennung/Scheidung dar. Hierbei erschienals besonders maßgeblich dasErleben der jungen Erwachsenen,ob elterliche Verantwortungnach der Trennung weiterhinwahrgenommen wurde.Kommentar: Zunächst bestätigtdiese Studie, was umfangreichequantitative Langzeituntersuchungenauch zeigen:nämlich dass die Mehrzahl vonMenschen, die die Trennungihrer Eltern im Kindes‐ und Jugendaltererfahren haben, sichvon Menschen, die ein solcheskritisches Lebensereignis nichterlebten, hinsichtlich ihrerseelischen und körperlichenGesundheit nicht bedeutsamunterscheiden. Außerdem bestätigtdie Studie, was auchbei anderen Untersuchungen,in denen vor allem mit kleinenStichproben und mit qualitativerMethodik gearbeitet wird,herauskommt: nämlich dasses eine bedeutsame Minderheitvon eindeutigen „Scheidungsverlierern“mit lang anhaltendenVerletzungen gibt.Für die Praxis folgt daraus: vonder Forschungsseite her istes berechtigt davon auszugehen,dass bei den Betroffenenhäufig Ressourcen im Kontextvon Scheidungsbewältigungvorhanden sind und dass esförderlich sein kann, diese zuerkunden und zu stärken.Darüber hinaus gibt die vorliegendeStudie wichtige Hinweisedarauf, was bei suboptimalerScheidungsbewältigung therapeutischhilfreich sein kann:Die Erkundung und, falls möglichund indiziert, die Stärkungder Bindungen zu den Eltern,und zwar nicht nur bei Kindernund Jugendlichen, sondernauch bei jungen Erwachsenen.Hierzu kann die Einbeziehungder Eltern in die Therapie dienlichsein. Es kann zudem, sodas wichtigste Ergebnis derStudie, sehr nützlich sein, Elterndabei zu unterstützen, ihreelterliche Verantwortung trotzeigener Belastungen durch dieScheidung/Trennung adäquatwahrnehmen zu können – undzwar auch noch im jungen Erwachsenenalterihrer Kinder.Abschließend ist allerdings anzumerken,dass aufgrund dergeringen Fallzahl der Studieund der qualitativen Methodikeine gültige Verallgemeinerungder Ergebnisse nicht möglichist. Gültigkeit haben die Ergebnisselediglich als empirischbegründete Anregungen fürdie Praxis.Dr. Dipl.-Psych.Matthias OchsPsychologischer PsychotherapeutWissenschaftlicher Referentder Landeskammer fürPsychologische Psychotherapeutinnenund ‐therapeutenund Kinder‐ und Jugendlichenpsychotherapeutinnenund‐therapeuten HessenGutenbergplatz 165187 Wiesbadenmochs@ptk-hessen.de160 Psychotherapeutenjournal 2/2009
BuchrezensionenRetzlaff, R. (2008). Spiel-Räume – Lehrbuch der systemischen Therapiemit Kindern und Jugendlichen. Stuttgart: Klett-Cotta. 431 Seiten. 34,00 €.Hans MetschIn weiten Teilen der Psychotherapieforschungwerden Einzeltechnikenbeschrieben und aufihre therapeutische Wirksamkeithin untersucht. Das gehtim Wesentlichen nach demParadigma der pharmakologischenForschung, wo dasselbemit einzelnen Substanzenoder Präparaten gemacht wird:Welches Mittel/welche Technikhilft gegen welche Krankheit?Unter den Tisch fallen dabeidie in der Psychotherapie sowichtigen unspezifischen Faktoren,wie etwa die therapeutischeBeziehung und die Haltungdes Therapeuten.Das vorliegende Buch bestehtnun in der Tat hauptsächlich ausder Vorstellung einzelner Technikender Familien‐ und Kindertherapie.Es ist aber ein sehrschönes Buch geworden, dennes gelingt Retzlaff, den Leser inkeiner Minute vergessen zu lassen,dass all dieser Reichtum anTechniken immer an eine entsprechendeHaltung des Therapeutengebunden bleibt undohne sie sinnlos ist. Die Haltungbeschreibt er als „Leichtigkeit“,die bei aller Anstrengung undSorge um die Patienten vorherrschtund mit der er auch andie Beschreibung der im Buchvorgestellten Techniken geht, sodass man sie als Leser immervor Augen hat.Es geht hier wirklich um dieSchaffung von Spiel-Räumenfür Therapeuten und ihre kleinenund großen Patienten.Deshalb ist das Buch auch nichtrezeptartig störungsspezifischgeordnet. Und weil das zugrundeliegendesystemische Krankheitsmodell– ähnlich wie dasder Verhaltenstherapie – offenist, sind dem therapeutischenErfindungsreichtum kaumGrenzen gesetzt. Die schiereAnzahl der Interventionen, dieRetzlaff hier zusammengetragenund – als Lehrtherapeutdes Heidelberger Helm StierlinInstituts und Leiter der familientherapeutischenAmbulanzder Universität Heidelberg –teilweise selbst entwickelt hat,ist beeindruckend.Im ersten Teil des Buches wirdein Therapieverlauf nachgebildet.Es beginnt mit einer kurzenEinführung in den Kontextund die Konzepte der systemischenTherapie mit Kindernund Jugendlichen und der Gestaltungdes therapeutischenSettings. Der darauf folgende„Aufbau eines therapeutischenSystems“ beschäftigt sich mitdem Erstgespräch, den Besonderheitender Arbeit mitKindern und Jugendlichen undder Diagnostik.Dabei diskutiert der Autorauch den Umstand, dass daspsychotherapeutische Systemseinerseits wieder Teil einesVersorgungszusammenhangsund eines größeren systemischenGanzen ist, zu der diemedizinische und schulischeBetreuung ebenso gehört wiedie Angebote der Jugendhilfe.Der zweite Teil ordnet weitereInterventionen nach psychologischenund kommunikationstheoretischenGesichtspunkten.Hier finden sich zunächst„sprach‐ und handlungsorientierte“Maßnahmen, etwa dieauch außerhalb der systemischenTherapie inzwischenbekannten „paradoxen Interventionen“,aber auch lösungsorientierteund vor allemnarrative Techniken, also Metaphernund Geschichten. DieDarstellung therapeutischerRituale und kommunikativerElemente zur Stärkung vonBindung und Grenzen rundendas Bild ab.Die sich anschließenden sogenannten„analogen Techniken“befassen sich mit sprachfreienElementen, etwa Familienskulpturen,Bildern, Rollenspielenund Spielen mit Handpuppen.Schließlich folgennoch Abschnitte über „bewegungs‐und körperorientierteInterventionen“, Technikender Entspannung, Hypnoseund Imagination sowie eineDarstellung der systemischenElternarbeit, die einmal mehrdie wichtige Einbeziehung vonEltern im systemischen Kontextunterstreicht. Der Therapieabschlusswird in einemeigenen Abschnitt ausführlichbesprochen.Durchgängig lockern viele Fallbeispieledie Darstellung aufund geben Anleitungen zurUmsetzung der Techniken inrealen Therapiesituationen. Soliefert das Buch viele Anregungensowohl für beginnendeTherapeuten, die hier einenEindruck von den vielfältigenMöglichkeiten gewinnen, alsauch für die schon Erfahrenen,die neue Ideen sammeln undaus dem reichen Fundus dasjenigeauswählen können, waszu ihrem eigenen therapeutischenStil passt.Das Buch ist also ein Praxis-Buch. Es verzichtet daher weitgehendauf grundlegende theoretischeErörterungen zumsystemischen Modell und derenphilosophischem und epistemologischemHintergrund.Denn es geht, wie gesagt, umdie Schaffung eines therapeutischenRaumes für Spiel, Phantasieund Leichtigkeit.Mein Lieblingscharakter in demBuch ist der Kannichtosaurus.Aber lesen Sie selbst.Dipl.-Psych. Hans MetschPP, KJPHermann-Dreher-Str. 1370839 Gerlingenpraxis@psyon.dePsychotherapeutenjournal 2/2009161
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