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Editorial - Psychotherapeutenkammer NRW

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Psychische Faktoren bei schweren BrandverletzungenZusätzlich zur Supervision entlastend istder Austausch mit Kollegen, welche in derSchwerbrandverletztenrehabilitation arbeiten,erhält man doch hier immer wiederInformationen darüber, wie sich Patientenim Langzeitverlauf weiterentwickeln undstabilisieren und damit Zugang zu einerlangfristigeren Perspektive, die in vielenFällen Hoffnung macht.Gerade dann, wenn bisher wenig Erfahrungin diesem speziellen Bereich vorliegt, wennalso beispielsweise der Anblick brandverletzterMenschen noch unvertraut ist, kanndie Konfrontation mit der brandverletztenHaut oder mit von Brandnarben stark gezeichnetenMenschen schockierend sein.Unsere Erfahrung ist jedoch, dass mansich hieran sehr schnell gewöhnt und esoft nur wenige Konfrontationen benötigt,um das unter Umständen entstellte Ausseheneiner Person als vertraut und völlig„normal“ zu empfinden. Ergänzt sei an dieserStelle, dass dies ja auch ein zentralerAspekt unseres Behandlungsprogrammsin der Bearbeitung des Körperkonzepts ist,den wir unseren Patienten zu vermittelnversuchen, dass nämlich ihr Äußeres vonanderen toleriert und als „normal“ empfundenwerden kann, so das Gegenüberdie Möglichkeit hat, sich nach einer erstenneugierigen Orientierungsreaktion hieranzu adaptieren.Die Arbeit mit schwerbrandverletztenPatienten konfrontiert den Therapeutenimmer wieder aufs Neue mit existenziellenThemen, rückt die Verletzlichkeit undEndlichkeit der menschlichen Existenz insBlickfeld. Dies kann – gerade auch in besonderenLebensphasen wie beispielsweisebei Konfrontation mit schwerer Krankheitam eigenen Leib oder im Familien‐ undFreundeskreis, bei Schwangerschaft etc. –belastend und überfordernd sein und eineverstärkte Angst vor eigenen oder wichtigeBezugspersonen betreffenden Unfällen,unkontrollierbaren Katastrophensituationenetc. auslösen. Unserer Erfahrung nachist jedoch ebenso das Erleben von einertiefen Bereicherung durch die Konfrontationmit existenziellen Themen möglichim Sinne eines spirituellen Wachstums(vgl. Yalom, 2000). Es ist immer wiederberührend, längere Behandlungsverläufevon Schwerstverletzten mitzuerleben, derenEntwicklung begleiten zu dürfen unddabei zu erfahren, zu welch enormenBewältigungsleistungen Menschen fähigsind. Natürlich ist regelhafte Supervisionsowie der kollegiale Austausch in Form vonTeambesprechungen und Intervisionsgruppensehr hilfreich dabei, das Gleichgewichtzwischen der geschilderten Überforderungauf der einen und Bereicherung auf deranderen Seite zu finden.7. AusblickDie Evaluation des Programms wird derzeitdurchgeführt, die Publikation des Gruppenmanualserfolgt in Kürze (Holtfrerich et al.,in Druck). Wir sind davon überzeugt, dassmit dem Gruppenangebot von psychotherapeutischerSeite ein zentraler Beitragzur Verbesserung der Lebensqualität undRehabilitation schwer brandverletzter Menschengeleistet wird. Sicherlich ist zu diskutieren,inwiefern es möglich wäre, das Programmumfangreicher zu gestalten und zuerweitern, beispielsweise noch mehr körpertherapeutischeÜbungen miteinzubeziehenund für manche Themenbereichemehr als nur eine Stunde zur Verfügung zuhaben. Das mit acht Sitzungen sehr knappgehaltene Programm stellt eine ökonomischeVariante dar, die sich an kurze stationäreRehabilitationsdauern anpasst.Ungeachtet der Relevanz, welche dasentwickelte Gruppenprogramm für diemultiprofessionelle Rehabilitation vonschwerbrandverletzten Patienten hat, istabschließend die Wichtigkeit von zusätzlichenpsychologischen Unterstützungsangebotenin Form der Einzel‐ und der Angehörigenbetreuungzu betonen. Die Tätigkeiteines klinischen Psychologen in einemSchwerbrandverletztenzentrum umfasstein weites Spektrum an therapeutischenAngeboten, beispielsweise Traumatherapie,Vermittlung von Bewältigungsstrategienim Umgang mit starken Schmerzenund schmerzhaften Verbandswechselnsowie die Unterstützung der Angehörigen,welche häufig stark belastet sind. Die Möglichkeitpsychologischer Betreuung solltein Zukunft noch selbstverständlicher Bestandteilder Akutbehandlung und RehabilitationSchwerbrandverletzter sein. Dennnur durch multiprofessionelles Vorgehenund die Ausrichtung an einem bio-psychosozialenModell ist es möglich, die großenHerausforderungen, vor welche dieVerbrennungsmedizin alle Behandelndenstellt, konstruktiv zu bewältigen. Es wärewünschenswert, dass psychische Aspekteim Rahmen der GesamtbehandlungBrandverletzter mehr Berücksichtigungfinden. Zitate wie das folgende, das voneinem Patienten aus einer unserer Interviewstudienstammt, würden dann derVergangenheit angehören: „Um meinenKörper haben sie sich gekümmert, aberfür das Innere, für die Psyche, wird nichtsgemacht, da ist man ganz alleine.“Unser ganz herzlicher Dank gilt Prof. Dr.med. Günter Germann, Dipl.-Psych. SabineRipper, Dr. phil. Dipl.-Psych. Annette Stolle,Dipl.-Psych. Annika Seehausen, Dipl.-Psych.Diemut Holtfrerich, Dipl.-Psych. GerhardWind sowie Dr. med. Bernd Hartmann.8. LiteraturAltier, N., Malenfant, A., Forget, R. & Choiniere,M. (2002). Long-term adjustmentin burn victims: a matched-controlstudy. Psychological Medicine, 32,677-685.Astin, J. (2004). Mind-body therapies forthe management of pain. Clinical Journalof Pain, 20 (1), 27-32.Bernstein, L., Jacobsberg, L., Ashman, T.,Musagni, G., Goodwin, C.W. & Perry, S.(1992). Detection of alcoholism amongburn patients. Hospital and CommunityPsychiatry, 43 (3), 255-256.Bruck, J.C., Müller, F.E. & Steen, M. (Hrsg.).(2002). Handbuch der Verbrennungsmedizin.Landsberg: ecomed.Ehde, D. M., Patterson, D.R., Wiechmann,S.A. & Wilson, L.G. (1999). Post-traumaticstress symptoms and distressfollowing acute burn injury. Burns, 25,587-592.El hamaoui, Y., Yaalaoui, S., Chihabessine,K., Boukind, E. & Moussaoui, D. (2002).Post-traumatic stress disorder in burnedpatients. Burns, 28, 647-650.Flatten, G., Wälte, D. & Perlitz, V. (2008).Self-efficacy in acutely traumatized patientsand the risk of developing posttraumaticstress syndrome. GMS Psycho-Social-Medicine,5, 1-8.150 Psychotherapeutenjournal 2/2009

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