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Editorial - Psychotherapeutenkammer NRW

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BuchrezensionenWollschläger, M. (Hrsg.). (2008). Hirn Herz Seele Schmerz– Psychotherapie zwischen Neurowissenschaften und Geisteswissenschaften.Tübingen: dgvt-Verlag. 304 Seiten. 24,00 €.Gerd MöhlenkampDer Titel des Readers weistdarauf hin: es geht nicht nurum Hirn und Seele, sondernauch um Herz und Schmerz,d. h. der inhaltliche Rahmenist weit gesteckt und soll diePsychotherapie zwischen Neurowissenschaftenund Geisteswissenschaftenverorten.Die meisten der insgesamtneunzehn Beiträge befassensich kritisch mit dem Reduktionismusder Neurowissenschaftenund deren Anspruch,Leitwissenschaft auch vonPsychologie und Psychotherapiezu sein. Die Abwehrfrontgegen den vorherrschendenNeurohype scheint sich zuformieren. Die Geisteswissenschaftlermüssten endlich ausder Defensive herauskommen,ihre „Leisetreterei“ überwindenund dem medialen „Braintainment“etwas entgegensetzen,so fordert es z. B. Gerald Ulrichin seinem Beitrag.Grob lassen sich die Beiträgezwei Kategorien zuordnen. Zumeinen mehr erkenntnistheoretischeund wissenschaftshistorischeAuseinandersetzungenmit der Frage, was in Psychologieund Psychotherapienaturwissenschaftlich – respektiveneurobiologisch in Erfahrunggebracht werden kannund was nicht. Zum anderenmehr anwendungsorientierteBeiträge, die Eigenarten undQualitäten von Psychotherapiebeleuchten, die sich einer naturwissenschaftlichenHerangehensweiseentziehen.Worum geht es in den einzelnenBeiträgen?Der schon zitierte Gerald Ulrichstreitet in zwei Beiträgengegen die Neuropathologisierungvon Psychologie, Medizinund Gesellschaft und redetKlartext, was die hinter diesenPathologisierungskampagnenstehenden Interessen betrifft.Auch die psychologische Forschungbekommt ihr Fett ab,wenn der Psychiater Ulrich diePsychologen fragt, weshalbsie die eigenen experimentellhervorragend abgesichertenBefunde der psychologischenKognitionsforschung, z. B. dergestaltpsychologischen Schuleaus den 20er Jahren, nichtnutzen.Hervorzuheben ist der Beitrag„Was ist Neuropsychotherapie?“des Herausgebers MartinWollschläger, der sich als Psychologemit der „Substratfixierung“der empirisch psychologischenTherapieforschungkritisch auseinandersetzt.Zusammenarbeit und Zusammenschauvon Geistes‐ undNeurowissenschaft sind für ihnnur denkbar unter Anerkennungder Komplementaritätund Perspektivendifferenz beiderAnsätze.Manfred Velden zeichnet dieEtappen des „Neurowahns“wissenschaftshistorisch nachund macht verständlich, wieder geisteswissenschaftlicheAnsatz unter die Räder „harterWissenschaft“ geriet.Vor einer „Verhirnlichung“ derPsychologie warnt Uwe Laucken.Hinter der derzeitigenDominanz physisch naturwissenschaftlicherErklärungsversuchevermutet er eine intellektuelleund politische Krise.Zum einen seien viele Wissenschaftlervon technischen Allerklärungsfantasienbeseelt, zumanderen sieht er dahinter auchviel Aufschneiderei aufgrundnachvollziehbarer Forschungsförderinteressen.Volker Gadenne gibt einenÜberblick über die Rolle vonBewusstsein und Erleben inder Psychologie – ein ausgewogenerund umfassenderGrundkurs über die aktuellenwissenschaftstheoretischen Positionenund Gegenstandsentwürfe.Getragen von der Vision einerEinheit der Wissenschaftensind die Beiträge von WernerStrik und Bettina Walde. Strikkommt als Vertreter der biologischorientierten Psychiatriezu Wort und vertritt mit vielSelbstbewusstsein die These,dass die bildgebendenMethoden Rückschlüsse aufdie Arbeitsweise des Gehirnsselbst bei höchsten psychischenFunktionen erlauben.Eine gemeinsame Sprache vonNeurobiologie, Psychopathologieund Geisteswissenschafthält er für durchaus denkbar.Für Walde hat die Philosophieals Neurophilosophie für dieverschiedenen Beschreibungsebenenund Erklärungsperspektivendes Geistes eine verbindendeFunktion.Wolfgang Leuschner versuchteine psychoanalytische Deutungund sieht das „Brain engeneering“im Zusammenhangmit Allmachtsfantasien, Krankheitund Tod besiegen zu können.Aus verhaltenstherapeutischerSicht denkt Peter Fiedler „ÜberNutzen und Grenzen der Neurobiologiefür die Psychotherapie“nach. Er kommt dabeizu einer erstaunlich selbstkritischenEinschätzung der KognitivenVerhaltenstherapie, dieeine Art Wende der kognitivenWende einläuten könnte. Erplädiert für eine sowohl theoretischeals auch therapiepraktischeAufwertung emotionszentrierterPsychotherapie inder Verhaltenstherapie. Endlich– und wenn die offizielleVerhaltenstherapie sich diesenüberfälligen Schritt auch nurtraut unter Hinweis auf neurobiologischeErkenntnisse –sei´s drum.Thomas Fuchs schlägt auf seineWeise in zwei sehr lesenswertenBeiträgen den Bogenvon der Neurobiologie zur Psychotherapie.Er betont die Bedeutung„phänomenologischerSpurensuche“ für den gelingendentherapeutischen Prozess,d. h. real erlebte prägendeEreignisse müssen aufgespürtund über bloße Einsichtsvermittlunghinausgehend emotionalnacherlebt werden. In162 Psychotherapeutenjournal 2/2009

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