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Editorial - Psychotherapeutenkammer NRW

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Recht: Aktuellgen dem Patienten nicht zurKenntnis gelangen, muss dasEinsichtsrecht des Patientenauch in die persönlichen Aufzeichnungenzurücktreten. DasEinsichtsrecht wird (lediglich)für die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchenbenötigt,so dass die Belastung des Patientenmit einer (etwaigenteilweisen) Nichtherausgabevon Unterlagen und der damitmöglicherweise verbundenenBeweiserschwernis im Schadenersatzprozessgeringer zubewerten ist als die möglicheVerletzung des verfassungsrechtlichgeschützten Persönlichkeitsrechtsdes Psychotherapeuten(so ausdrücklich LGBremen, Urteil vom 25. Juli2008, AZ. 3 O 2011/07,S. 9 f.).Dies beruht darauf, dass gegenüberder Entscheidung desBundesverfassungsgerichts zuder erheblichen grundrechtlichenGefährdungslage einesPatienten im Maßregelvollzugund dem daraus abgeleitetenweitgehenderen Einsichtsrechteine solche Gefährdung vonGrundrechten des Patientenin einem privatrechtlichen Behandlungsverhältnisnicht ingleicher Intensität gegebenist. Diese hier in der Entscheidungdes Landgerichts Bremennachvollzogene Differenzierungwird allerdings in derEntscheidung des LandgerichtsMünster nicht berücksichtigt.Im Ergebnis kommen beideGerichte zu der vom BundesverfassungsgerichtvorgegebenenLösung, dass der Psychotherapeutberechtigt ist,diejenigen Passagen in seinenpersönlichen Aufzeichnungenunkenntlich zu machen, die ihnin seinem Persönlichkeitsrechtbetreffen. Fraglich könnte sein,wie weit der Psychotherapeutzur Unkenntlichmachung derpersönlichen Aufzeichnungenberechtigt ist und ob er hierbeieiner Kontrolle unterliegt. Soweitvon Patientenseite eine zuweitgehende Unkenntlichmachungvon persönlichen Aufzeichnungenbis hin zum Missbrauchdieses Rechts geltendgemacht würde, ist eine Missbrauchsgefahrhinzunehmen,da eine Überprüfung, ob essich tatsächlich um persönlicheAufzeichnungen handelt, durchunbeteiligte Dritte mangels persönlicherBeteiligungen nichtmöglich ist (LG Bremen und LGMünster unter Bezugnahme aufBGH in NJW, 1983, S. 328).Insbesondere ist nach Auffassungdes Landgerichts Bremennicht erheblich, wenn der Psychotherapeutmöglicherweisenur persönliche Aufzeichnungenangefertigt hat und infolgedessen möglicherweiseausschließlich unkenntlich gemachteUnterlagen herausgibt.Soweit dann ein Behandlungsfehlerauf Grund einer dannggf. weitgehend unkenntlichgemachten Behandlungsdokumentationnicht nachgewiesenwerden kann, gelten für denPatienten Beweiserleichterungenbis zur Beweislastumkehrgegenüber dem Psychotherapeuten(vgl. Rasehorn, 2007,Psychotherapeutenjournal,6 (4), S. 369 unter I. 4.). Insbesonderewären die persönlichenAufzeichnungen nichtschon deshalb herauszugeben,weil keine objektive Verlaufsdokumentationvorhanden wäre.Ein solches Ergebnis würde dieBeweisnot des Patienten pauschalhöher gewichten als dasPersönlichkeitsrecht des Psychotherapeuten(LG Bremen,a.a.O., S. 11).Auf jeden Fall sind aber dieBerichte an den Gutachter derKrankenkasse herauszugeben,da diese Berichte ohnehin aneinen Dritten gerichtet warenund nicht zum geschütztenPersönlichkeitsbereich desPsychotherapeuten gehört (LGMünster, a.a.O., S. 2).3. Zur DurchführungdesEinsichtsrechtsBeide Gerichte sprechen aus,dass die Einsichtnahme in dieDokumentation durch Aushändigungder Unterlagen an einendrittbeteiligten Behandlerin Kopie Zug um Zug gegenKostenerstattung der durch dasKopieren und ggf. Schwärzenentstehenden Kosten zu erfolgenhat, wobei das LandgerichtBremen einen Kostensatz von0,50 € je Kopie festsetzt.Aus den Urteilen kann entnommenwerden, dass die Gerichteeine vollständige Herausgabeder Behandlungsdokumentationfür berechtigt ansehen, d. h.Aushändigen der objektivenVerlaufsdokumentation, derBerichte an Gutachter, Krankenkasseoder sonstige Dritte,der mit und über den Patientengeführten schriftlichen Korrespondenz,auch mit anderennatürlichen und juristischenPersonen sowie der Therapie-Protokolle bzw. persönlichenAufzeichnungen. Der Psychotherapeutist berechtigt bzw.es bleibt ihm freigestellt, dabeisolche Passagen durch Schwärzungoder Überdeckung unkenntlichzu machen, die seinesubjektiven Empfindungen, Gegenübertragungenoder anderepersönliche Informationen überden Psychotherapeuten zumInhalt haben, die einen Einblickin seine Persönlichkeit erlaubenwürden.Für die Praxis dürfte es Sinnmachen, die Behandlungsdokumentationchronologischfortlaufend in einer Aktenheftungzu führen und subjektiveAufzeichnungen ggf. in einergesonderten Heftung zu dieserPatientenakte. Bei einem Einsichtsverlangenkann sodanneine schnelle Durchsicht undZusammenstellung der Unterlagenfür einen Kopiensatzzur Aushändigung erfolgen.Dasselbe gilt sodann für diepersönlichen Aufzeichnungenund die ggf. vorzunehmendenSchwärzungen.Grundsätzlich darf jede auszuhändigendeKopie mit einemBetrag von 0,50 € berechnetwerden. Der Aufwand für dieDurchsicht und Schwärzungder persönlichen Aufzeichnungenkann beispielsweisemit dem Stundensatz für einAusfallhonorar abgerechnetwerden. Die Kosten der Tätigkeitdes einsichtnehmendendrittbeteiligten Behandlers hatder Patient zu tragen.Ggf. entstehen dem Patientenhiernach Kosten für dieGewährung der Einsichtnahmein einer Höhe, die wiederumAnlass für Streitigkeitenzwischen Psychotherapeutund Patient geben könnte.Beide Gerichte weisen allerdingsdarauf hin, dass die Einsichtnahmenur Zug um Zuggegen Kostenerstattung zugewähren ist. Der vorausleistungspflichtigePsychotherapeutkann die Aushändigungder Unterlagen bei erkennbarerGefahr der mangelndenZahlungsfähigkeit oder‐bereitschaft des Patientensolange zurück halten bis zunächstder Kostenerstattungsbetraggezahlt oder zumindesthinterlegt oder hierfüreine Sicherheit gegeben wird.Allerdings dürften derartigeStreitigkeiten für keinen Beteiligtenzielführend sein.154 Psychotherapeutenjournal 2/2009

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