DGM-Handbuch Mit der Krankheit leben lernen - Deutsche ...
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<strong>DGM</strong>-<strong>Handbuch</strong><br />
ALS<br />
<strong>Mit</strong> <strong>der</strong> <strong>Krankheit</strong> <strong>leben</strong> <strong>lernen</strong><br />
Herausgegeben von <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> · <strong>Deutsche</strong> Gesellschaft für Muskelkranke e.V.<br />
8. Auflage · August 2010
<strong>DGM</strong> – <strong>Handbuch</strong> ALS<br />
- <strong>Mit</strong> <strong>der</strong> <strong>Krankheit</strong> <strong>leben</strong> <strong>lernen</strong><br />
Impressum<br />
Bundesgeschäftsstelle<br />
Im Moos 4<br />
79112 Freiburg<br />
Telefon: 07665 / 9447-0<br />
Telefax: 07665 / 9447-20<br />
E-Mail: info@dgm.org<br />
Internet: http://www.dgm.org<br />
<strong>Mit</strong> freundlicher Unterstützung <strong>der</strong><br />
Sanofi Aventis Deutschland GmbH<br />
Potsdamer Str. 8<br />
10785 Berlin
INHALT<br />
VORWORT ............................................... 4<br />
1 NEUE DIAGNOSE ALS - WAS KOMMT JETZT<br />
AUF MICH ZU, WAS IST ZU TUN? ................ 5<br />
Der Herausfor<strong>der</strong>ung begegnen – ALS<br />
und Familie<br />
Hilfen bei <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit<br />
<strong>der</strong> Erkrankung<br />
Materielle Hilfen<br />
2 MEDIZINISCHE VERSORGUNG –<br />
THERAPEUTISCHE MÖGLICHKEITEN ........... 18<br />
Das Behandlungsteam<br />
Aktueller Stand <strong>der</strong> Therapie <strong>der</strong><br />
Amyotrophen Lateralsklerose<br />
Physiotherapie, Ergotherapie<br />
und Logopädie<br />
Stationäre Rehabilitation<br />
Alternative Therapiemethoden<br />
3 SELBSTSTÄNDIGKEIT UND MOBILITÄT<br />
ERHALTEN – HILFSMITTEL UND<br />
UMBAUMASSNAHMEN ............................ 32<br />
4 PFLEGE ............................................ 40<br />
Pflegende Angehörige: Unterstützung<br />
ist nötig<br />
Was hilft Pflegenden?<br />
Pflegen bis <strong>der</strong> Rücken schmerzt... Tipps<br />
für rückenschonendes Heben und Tragen<br />
Tipps für die Pflege zu Hause – <strong>Mit</strong> Pfle<br />
gehilfsmitteln die Pflege erleichtern<br />
Pflege im Hospiz - Aufatmen nach kräf<br />
tezehren<strong>der</strong> Überfor<strong>der</strong>ung<br />
5 KOMMUNIKATION ................................ 54<br />
Beeinträchtigung beim Sprechen – Wie<br />
ALS die Sprache beeinflusst<br />
Kommunikation ist eine Partnerschaft –<br />
Regeln zur Erleichterung <strong>der</strong> Kommunikation<br />
Technische Hilfen zur Kommunikation<br />
6 SCHLUCKSTÖRUNGEN UND ERNÄHRUNG ..... 65<br />
Gut und richtig ernährt – wenn<br />
Schlucken zum Problem wird<br />
Ernährung bei ALS-Betroffenen<br />
Wenn <strong>der</strong> Bissen im Hals stecken bleibt<br />
und das Essen nicht mehr schmeckt...<br />
Ernährung über eine PEG-Sonde<br />
3<br />
7 ATMUNG UND BEATMUNG ...................... 80<br />
Atemtherapie, Management des Sekrets,<br />
Bronchialtoilette<br />
Heimbeatmung: Behandlung <strong>der</strong> Atem -<br />
muskelschwäche bei <strong>der</strong> Amyotrophen<br />
Lateralsklerose<br />
Notfallsituationen – Beatmung<br />
über Tracheostoma<br />
8 VORSORGE DURCH VOLLMACHT,<br />
BETREUUNGSVERFÜGUNG,<br />
PATIENTENVERFÜGUNG ......................... 90<br />
9 SELBSTHILFE UND UNTERSTÜTZUNG<br />
DURCH DIE <strong>DGM</strong> ............................... 93<br />
Die <strong>Deutsche</strong> Gesellschaft für<br />
Muskelkranke <strong>DGM</strong> e.V.<br />
Die Schweizerische Gesellschaft<br />
Muskelkranker SGMK<br />
ANHANG .............................................. 95<br />
Weiterführende Materialien, Literatur und<br />
Adressen<br />
Autorenverzeichnis<br />
Literaturverzeichnis<br />
Verzeichnis <strong>der</strong> Abbildungen<br />
<strong>DGM</strong>-Stellungnahme: Festsetzung des Behin<strong>der</strong>tengrades<br />
bei ALS<br />
<strong>DGM</strong>-Stellungnahme: Stationäre<br />
Medizinische Rehabilitation bei ALS<br />
Bestellschein <strong>der</strong> <strong>DGM</strong>-Informationen<br />
für ALS-Betroffene<br />
Beitrittserklärung
Vorwort<br />
Die Amyotrophe Lateralsklerose ist eine voranschreitende<br />
Erkrankung und geht mit ständigen<br />
Verän<strong>der</strong>ungen einher. Wie viele chronische Erkrankungen,<br />
betrifft ALS neben <strong>der</strong> erkrankten<br />
Person auch die Menschen in ihrer unmittelbaren<br />
Umgebung. Alle Beteiligten brauchen Unterstützung<br />
und Angebote, die ihnen helfen, die Erkrankung<br />
anzunehmen und mit den Verän<strong>der</strong>ungen<br />
ihres Lebens fertig zu werden. Praktische Tipps<br />
und Hilfen können und werden deshalb immer<br />
wie<strong>der</strong> für Ihr Leben mit dieser Erkrankung nützlich<br />
sein.<br />
Die wichtigsten Themen haben wir für Sie in diesem<br />
<strong>Handbuch</strong> zusammengetragen. Sie finden hier<br />
umfassende Informationen zur symptomatischen<br />
Behandlung, zu Ernährung, Kommunikation, Beatmung,<br />
Pflege, Vorsorge und vielem mehr, aber<br />
auch zur Bewältigung <strong>der</strong> Erkrankung und zum Erhalt<br />
von Selbstständigkeit und Mobilität. Unser<br />
Ziel ist, Ihnen alles gebündelt „an die Hand zu<br />
geben“, was Sie für das Leben mit <strong>der</strong> Erkrankung<br />
an Wissen o<strong>der</strong> Informationen benötigen. Im Anhang<br />
haben wir außerdem Hinweise auf weiterführende<br />
Broschüren, Bücher, Filme und Internetadressen<br />
für Sie zusammengestellt. Dort finden Sie<br />
auch eine Bestellmöglichkeit für die Materialien,<br />
die Sie direkt bei <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> beziehen können. So<br />
haben Sie je<strong>der</strong>zeit die Möglichkeit, sich mit<br />
einem bestimmten Thema auseinan<strong>der</strong>zusetzen und<br />
müssen sich nicht erst mühsam die Informationen<br />
beschaffen.<br />
Aber bitte erschrecken Sie nicht, Sie müssen keinesfalls<br />
dieses <strong>Handbuch</strong> als Ganzes durcharbeiten.<br />
Die einzelnen Kapitel können Sie unabhängig<br />
voneinan<strong>der</strong> lesen und sich jeweils mit dem Abschnitt<br />
beschäftigen, <strong>der</strong> gerade für Sie von Bedeutung<br />
ist.<br />
Wir hoffen sehr, dass wir mit dem <strong>Handbuch</strong> eine<br />
Hilfestellung für Sie geschaffen haben, die Ihnen<br />
das Leben und den Alltag mit <strong>der</strong> Erkrankung erleichtert.<br />
Unser herzlicher Dank geht an alle, die uns mit<br />
Ihrem Fachwissen und Ihren Textbeiträgen bei <strong>der</strong><br />
grundlegenden Überarbeitung dieses <strong>Handbuch</strong>es<br />
unterstützt haben.<br />
Ihr „ALS-<strong>Handbuch</strong>-Team“ <strong>der</strong> <strong>DGM</strong><br />
4
1 Neue Diagnose ALS – Was kommt jetzt<br />
auf mich zu, was ist zu tun?<br />
DER HERAUSFORDERUNG BEGEGNEN –<br />
ALS UND FAMILIE<br />
Antje Faatz, Dipl. Sozialpädagogin (FH),<br />
Fachkraft für Palliative Care,<br />
<strong>DGM</strong>-Sozialberatung<br />
(Quelle: Manual for People living with ALS,<br />
ALS Society of Canada)<br />
Viele Menschen mit einer schwerwiegenden Erkrankung<br />
versuchen eine Zeit lang, die Bedrohung<br />
durch die <strong>Krankheit</strong> mit Hilfe einer positiven Lebenshaltung<br />
von sich fern zu halten und wissen zugleich,<br />
dass sie eines Tages akzeptieren müssen,<br />
dass sie wirklich ernsthaft krank sind. Manche<br />
Menschen entscheiden sich, gegen die <strong>Krankheit</strong><br />
anzukämpfen. An<strong>der</strong>e gehen ihren Weg, indem sie<br />
versuchen, Tag für Tag mit den Dingen umzugehen,<br />
die auf sie zukommen.<br />
Die ALS-Erkrankung kann gesunde familiäre Beziehungen<br />
stärken o<strong>der</strong> bereits geschwächte erschüttern.<br />
Niemand weiß genau, wie er o<strong>der</strong> sie<br />
reagieren wird. In manchen Menschen weckt die<br />
<strong>Krankheit</strong> ungeahnte Kräfte, bei an<strong>der</strong>en ruft sie<br />
Gefühle hervor, mit denen sie nicht umgehen können.<br />
Die <strong>DGM</strong> will Ihnen und Ihrer Familie dabei<br />
helfen, Mut zu fassen und mit <strong>der</strong> ALS-Erkrankung<br />
zu <strong>leben</strong>. Mehr über unsere Hilfs- und Unterstützungsangebote<br />
finden Sie im letzten Kapitel<br />
dieses <strong>Handbuch</strong>s. Im vorliegenden Abschnitt wollen<br />
wir Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung<br />
einige Möglichkeiten zeigen, wie Sie einen<br />
persönlichen Weg mit dieser schicksalhaften Erkrankung<br />
finden können.<br />
Verän<strong>der</strong>ungen – was kommt<br />
auf mich zu?<br />
Im Leben jedes Menschen gibt es Verän<strong>der</strong>ungen.<br />
In Beziehungen zu Familie und Freunden,<br />
Kin<strong>der</strong>n und Kollegen gibt es immer wie<strong>der</strong><br />
Verän<strong>der</strong>ungen, Phasen des Übergangs. Enge<br />
Freunde und Verwandte - auch Kin<strong>der</strong> – sollten<br />
von Ihrer ALS-Erkrankung erfahren. Nicht<br />
zu wissen, was passiert, ist für die meisten<br />
Menschen schwerer zu ertragen als die Wahrheit.<br />
Beson<strong>der</strong>s Kin<strong>der</strong> entwickeln Ängste und<br />
beunruhigende Phantasien, wenn jemand<br />
krank ist und in ihrer Anwesenheit nicht darüber<br />
gesprochen wird. Offenheit und Wissen<br />
machen es den Menschen in Ihrer Umgebung<br />
außerdem leichter, Ihnen zu helfen und<br />
Unterstützung anzubieten. Scheuen Sie sich<br />
5<br />
nicht, um Hilfe zu bitten, auch wenn sie Ihnen<br />
nicht von selbst angeboten wird. Oft wissen<br />
Menschen nicht, was sie sagen o<strong>der</strong> wie sie<br />
helfen können. Die meisten Menschen, beson<strong>der</strong>s<br />
die direkten Angehörigen, sind sehr froh,<br />
wenn sie hilfreich sein können.<br />
Wenn Sie An<strong>der</strong>en von Ihrer Situation erzählen<br />
werden Sie häufig auch herausfinden, wer<br />
Ihre wahren Freunde sind. Manchen Menschen<br />
fällt <strong>der</strong> Umgang mit <strong>Krankheit</strong> generell<br />
schwer. An<strong>der</strong>e sind einfach nicht bereit, in<br />
einer so schwierigen Situation verbindlich und<br />
verlässlich zu helfen. Stellen Sie sich darauf<br />
ein, dass manche Menschen die Beziehung zu<br />
Ihnen abbrechen. Auch wenn dies sehr<br />
schmerzlich ist, sollten Sie dies nicht persönlich<br />
nehmen. Die meisten Menschen werden<br />
versuchen, Ihnen zu helfen und Sie zu unterstützen.<br />
(Quelle: ALS: Strategies for Living,<br />
ALS-Society of British Columbia, 1993)<br />
Der Herausfor<strong>der</strong>ung begegnen -<br />
Strategien <strong>der</strong> <strong>Krankheit</strong>sbewältigung<br />
für die Person, die an ALS<br />
erkrankt ist<br />
Sie können das Leben mit ALS als eine Folge von<br />
Funktionsverlusten betrachten. ALS kann daneben<br />
aber auch eine intensive Erfahrung sein, die Ihr<br />
Leben nicht nur beeinträchtigt, son<strong>der</strong>n in mancher<br />
Hinsicht auch bereichert. Sie haben die Wahl.<br />
Viele individuell verschiedene und sehr persönliche<br />
Wege sind möglich, wenn Sie sich entschließen,<br />
ALS als Herausfor<strong>der</strong>ung und Lebensaufgabe<br />
zu begreifen und Ihr Leben weiterhin aktiv zu gestalten.<br />
Vielleicht entscheiden Sie sich, die Beziehungen<br />
innerhalb Ihrer Partnerschaft und Familie o<strong>der</strong> zu<br />
Freunden zu vertiefen. Vielleicht schließen Sie<br />
neue Freundschaften mit Menschen, mit denen Sie<br />
Ihre Erfahrungen teilen können, und mit an<strong>der</strong>en<br />
ALS-Betroffenen. Vielleicht <strong>lernen</strong> Sie Neues über<br />
Computer und wie man sich im Internet mit an<strong>der</strong>en<br />
verständigen kann. Wahrscheinlich werden Sie<br />
in Ihrer Umgebung manches neu entdecken, beachten<br />
und schätzen, das Sie bisher für selbstverständlich<br />
hielten. Vielleicht nehmen Sie sich Zeit<br />
zu lesen, Musik zu hören, sich mit spirituellen Fragen<br />
auseinan<strong>der</strong> zu setzen...
Diese Liste kann sicher noch endlos fortgesetzt<br />
werden. Sie wird wohl nicht alles umfassen, was<br />
Sie schon immer tun wollten; aber sie kann genug<br />
enthalten, um Ihnen trotz aller Einschränkungen<br />
ein erfülltes und befriedigendes Leben zu ermöglichen.<br />
Es kommt sehr auf Ihre innere Haltung und<br />
Vorstellungskraft an.<br />
Hoffnung, Glaube, Liebe und ein starker Lebenswille<br />
verheißen keine Unsterblichkeit. Sie stehen<br />
aber für unsere Einzigartigkeit als Menschen und<br />
die Chance, unsere Möglichkeiten auch unter den<br />
schwierigsten Umständen voll zu entfalten. Eine<br />
Uhr ist nur eine sehr eingeschränkte und technische<br />
Möglichkeit, die Spanne unseres Lebens zu<br />
messen. Wichtiger als das Ticken <strong>der</strong> Uhr ist die<br />
Art und Weise, wie wir uns diese Zeit erschließen<br />
und ihr Sinn und Bedeutung geben: Wir können<br />
unserem Leben nicht mehr Tage, aber unseren<br />
Tagen mehr Leben geben.<br />
Die <strong>Krankheit</strong> ALS anzunehmen bedeutet nicht<br />
sich aufzugeben. Akzeptanz ist <strong>der</strong> erste Schritt auf<br />
dem Weg, das Beste aus Ihrem Leben mit ALS zu<br />
machen. Vieles kann Ihnen dabei helfen, ein erfülltes<br />
und befriedigendes Leben zu führen. Seien Sie<br />
zuversichtlich, aber beschönigen Sie Ihre Lage<br />
nicht. Es ist nicht hilfreich so zu tun, als ob ALS<br />
harmlos und alles in bester Ordnung sei. An<strong>der</strong>erseits<br />
ist es auch nicht notwendig, sich dauernd und<br />
ausschließlich mit den negativen Seiten <strong>der</strong> Erkrankung<br />
zu befassen. 20 % <strong>der</strong> ALS-Patienten<br />
<strong>leben</strong> länger als fünf Jahre mit <strong>der</strong> Erkrankung,<br />
fast 10% <strong>leben</strong> zehn Jahre o<strong>der</strong> länger. Vielleicht<br />
gehören Sie zu diesen Menschen. Die neurologische<br />
Forschung schreitet voran - niemand weiß<br />
heute, wann ein Durchbruch erreicht werden<br />
wird... vielleicht schon bald. Das gibt uns Hoffnung,<br />
und Hoffnung ist ein zentraler Bestandteil<br />
des Lebens. Es ist manchmal sehr schwer, die richtige<br />
Balance zwischen Hoffnung und Realismus zu<br />
finden – das müssen wir alle <strong>lernen</strong>.<br />
Sozialberatung, Psychotherapie, Beratung durch<br />
Gleichbetroffene o<strong>der</strong> Erfahrungsaustausch in<br />
einer Selbsthilfegruppe können dabei sehr hilfreich<br />
sein. Sie können Ihre Erfahrungen teilen und Verständnis<br />
finden bei den Menschen, die vor denselben<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen stehen wie Sie und von<br />
denen, <strong>der</strong>en <strong>Krankheit</strong> bereits weiter fortgeschritten<br />
ist, etwas über den Umgang mit zukünftigen<br />
Problemen erfahren.<br />
6<br />
Bewältigungsmöglichkeiten für<br />
Familienangehörige<br />
Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass Ihre Erkrankung<br />
bei Ihren Familienangehörigen und Ihren<br />
Freunden starke Gefühle auslösen wird. Vielleicht<br />
fühlen sie sich schuldig, weil Sie krank sind und<br />
sie selbst gesund. Vielleicht reagieren sie unerwartet<br />
ungeduldig und gereizt, sind angespannt durch<br />
die Verantwortung und neue Aufgaben, die sie<br />
nach und nach im Haushalt übernehmen müssen –<br />
zusätzlich zur Liebe und Fürsorge, die sie Ihnen<br />
entgegen bringen. Manchmal empfinden sie diese<br />
Situation vielleicht als ungerecht und fühlen sich<br />
obendrein schuldig, weil sie so reagiert haben.<br />
Der beste Weg, sich immer wie<strong>der</strong> von diesen verwirrenden<br />
und belastenden Gefühlen zu befreien,<br />
sind offene Gespräche. Sprechen Sie offen mit<br />
Ihrer Familie über Ihre Gefühle. Ermutigen Sie<br />
Ihre Angehörigen, ihre Gefühle auch mit Ihnen zu<br />
teilen. Wenn Ihnen das schwer fällt, können Sie<br />
sich z.B. an eine Psychologische Beratungsstelle<br />
für Ehe-, Familie und Lebensfragen o<strong>der</strong> einen<br />
Psychotherapeuten wenden (Ihre Krankenkasse<br />
kann Ihnen zugelassene Therapeuten vermitteln).<br />
Er o<strong>der</strong> sie kann Ihnen und Ihrer Familie dabei helfen,<br />
die Kommunikationsprobleme zu lösen und<br />
sie eine Zeitlang auf Ihrem Weg begleiten und unterstützen.<br />
Wichtig ist, dass Sie mit jemandem<br />
sprechen können, <strong>der</strong> sich durch das, was Sie zu<br />
sagen haben, nicht so leicht aus <strong>der</strong> Fassung bringen<br />
lässt. Das kann auch Ihr Hausarzt sein, ein<br />
Freund o<strong>der</strong> ein Verwandter.<br />
Die meisten Menschen, ob gesund o<strong>der</strong> krank,<br />
empfinden eine Mischung von einigen o<strong>der</strong> allen<br />
<strong>der</strong> im Folgenden aufgelisteten Gefühle. Sie sollten<br />
unbedingt wissen, dass niemand sich wegen irgendeines<br />
dieser Gefühle schuldig fühlen muss.<br />
Sie werden wahrscheinlich auftreten und sind völlig<br />
normal.<br />
Häufige Gefühle zu Beginn <strong>der</strong> Erkrankung sind<br />
Verunsicherung, Liebe, Hoffnung, Unglaube, Verlust,<br />
vorweggenommene Trauer, Schuld, Verleugnen,<br />
Verantwortung, Verschlossenheit und Offenheit<br />
gegenüber an<strong>der</strong>en.<br />
Häufige und dauerhafte Gefühle: Durchhalten,<br />
Hoffnung, Liebe, Wertschätzung (u.a. des Lebens),<br />
Traurigkeit, Schuld, Einsamkeit, Neid und Eifersucht,<br />
Ärger, sich betrogen o<strong>der</strong> in einer Falle gefangen<br />
fühlen, Überfor<strong>der</strong>ung / überwältigt sein.<br />
Die <strong>Mit</strong>glie<strong>der</strong> Ihres engeren Familienkreises wer-
den höchstwahrscheinlich eingebunden sein in Ihre<br />
Pflege und Versorgung. Die meisten ALS-Kranken<br />
bleiben so lange wie möglich zu Hause, die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
an die Angehörigen können dabei sehr<br />
groß werden. Die Hauptpflegepersonen wie Ehepartner<br />
o<strong>der</strong> erwachsene Kin<strong>der</strong> widmen dann,<br />
speziell in einem fortgeschrittenen Stadium <strong>der</strong> Erkrankung,<br />
einen großen Teil ihres eigenen Lebens<br />
Ihrer Pflege widmen. Die meisten wollen alles<br />
geben, was in ihren Kräften steht, um Ihnen zu helfen<br />
– aber es sollte Grenzen <strong>der</strong> Selbstaufopferung<br />
geben.<br />
Pflegende Angehörige sollten sich auch noch einen<br />
Rest ihres eigenen Lebens bewahren und auch für<br />
sich selbst sorgen. Zeit mit Freunden o<strong>der</strong> gesunden<br />
Familienmitglie<strong>der</strong>n zu verbringen, Hobbies<br />
o<strong>der</strong> eigenen Interessen nachzugehen o<strong>der</strong> Zeit für<br />
sich allein zu haben sind wichtige Möglichkeiten,<br />
etwas Abstand zu gewinnen, seelisch ins Gleichgewicht<br />
zu kommen und wie<strong>der</strong> Kraft zu schöpfen<br />
für den anstrengenden Alltag. Zögern Sie nicht, an<strong>der</strong>e<br />
Familienangehörige zu bitten, Ihnen regelmäßige<br />
Pausen zu ermöglichen und für Ihre Aufgaben<br />
einzuspringen o<strong>der</strong> organisieren Sie – wenn möglich<br />
- bezahlte Hilfe.<br />
Die Bedürfnisse <strong>der</strong> pflegenden Angehörigen<br />
werden oft den Bedürfnissen <strong>der</strong> ALS-Kranken<br />
untergeordnet. Es ist sehr hart, so schwer<br />
krank zu sein; aber es ist auch nicht leicht, für<br />
jemanden zu sorgen, <strong>der</strong> so schwer krank ist.<br />
Denken Sie daran, je<strong>der</strong> hat das Recht...<br />
sich selbst an die erste Stelle zu setzen,<br />
manchmal Fehler zu machen, eine eigene Meinung<br />
und eigene Überzeugungen zu haben,<br />
seine/ihre Meinung zu än<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> sich für<br />
einen an<strong>der</strong>en Weg zu entscheiden, sich gegen<br />
ungerechte Behandlung und ungerechtfertigte<br />
Kritik zu wehren.<br />
Quelle: ALS: Strategies for Living,<br />
ALS-Society of British Columbia, 1993)<br />
<strong>Mit</strong> Kin<strong>der</strong>n über die Erkrankung<br />
sprechen<br />
Obwohl ALS in <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Fälle eher bei<br />
älteren Menschen auftritt, kommt es doch auch<br />
vor, dass junge Familien, in denen noch kleine<br />
Kin<strong>der</strong> <strong>leben</strong>, von <strong>der</strong> Erkrankung betroffen sind.<br />
In <strong>der</strong> eigenen Not und Überfor<strong>der</strong>ung kann leicht<br />
7<br />
übersehen werden, dass auch die Kin<strong>der</strong> erfahren<br />
müssen, auf welche Weise Sie als ihre geliebten Eltern<br />
o<strong>der</strong> Großeltern von <strong>der</strong> Erkrankung betroffen<br />
sind und wie sich das auf Ihre ganze Familie auswirken<br />
wird. Familienangehörige o<strong>der</strong> professionelle<br />
Berater sollten sich Zeit nehmen, sich mit<br />
den Auswirkungen <strong>der</strong> Erkrankung auf die Kin<strong>der</strong><br />
zu befassen.<br />
Erwachsene und Kin<strong>der</strong> sind in beunruhigenden<br />
Situationen ähnlichen Gefühlen wie Ärger, Hilflosigkeit,<br />
Angst, Hoffnung und Verzweiflung ausgesetzt.<br />
Kin<strong>der</strong> verfügen jedoch über weniger Möglichkeiten,<br />
Gefühle auszudrücken und mit ihnen<br />
umzugehen. Kleine Kin<strong>der</strong> können dies noch nicht<br />
sprachlich tun und agieren ihre Gefühle eher aus.<br />
Älteren Kin<strong>der</strong>n fällt es ebenfalls oft schwer, über<br />
ihre Gefühle zu sprechen und Jugendliche haben<br />
oft keine Freunde, mit denen sie über so ernste Situationen<br />
sprechen können. Sorgen und Belastungen<br />
zeigen sich bei Kin<strong>der</strong>n jeden Alters in emotionalen<br />
und Verhaltensän<strong>der</strong>ungen und in körperlichen<br />
Symptomen. Kin<strong>der</strong> scheuen sich oft, Fragen<br />
zu stellen, wenn sie die Aufgeregtheit <strong>der</strong> Erwachsenen<br />
er<strong>leben</strong> und wissen gleichzeitig nicht,<br />
wie sie auf an<strong>der</strong>en Wegen Informationen und Antworten<br />
finden können. Die meisten Menschen<br />
haben das Bedürfnis, Kin<strong>der</strong> vor <strong>Krankheit</strong> zu<br />
schützen. Nicht darüber zu sprechen, ist dabei aber<br />
kein Ausweg. Kin<strong>der</strong> spüren genau, dass etwas<br />
nicht stimmt und sind in jedem Fall beunruhigt.<br />
Im Umgang mit Kin<strong>der</strong>n, die <strong>Krankheit</strong> und tiefgreifende<br />
Verän<strong>der</strong>ungen ihres Lebens und ihrer<br />
Familien erfahren, ist es wichtig, alles so umfassend<br />
wie möglich zu erklären. Wenn Sie Kin<strong>der</strong>n<br />
nicht erklären, was passiert, neigen sie dazu, sich<br />
selbst verantwortlich zu machen für die Traurigkeit<br />
zu Hause und sich schuldig zu fühlen. Kin<strong>der</strong> sollten<br />
wissen, dass sie Fragen stellen dürfen und dass<br />
jemand versuchen wird, sie ihnen zu beantworten.<br />
Falls Sie als Eltern sich nicht selbst dazu in <strong>der</strong><br />
Lage fühlen, sollten Sie dafür sorgen, dass das<br />
Kind einen Verwandten, Freund, Arzt o<strong>der</strong> Therapeuten<br />
als Ansprechpartner hat, <strong>der</strong> je<strong>der</strong>zeit erreichbar<br />
ist - nicht nur für ein Gespräch über die<br />
Erkrankung son<strong>der</strong>n für alle Fragen o<strong>der</strong> Sorgen,<br />
die Ihr Kind bewegen.<br />
Es kann sein, dass ein Kind genau wissen will, was<br />
das für eine <strong>Krankheit</strong> ist, ob er o<strong>der</strong> sie selbst<br />
diese <strong>Krankheit</strong> auch kriegen kann und was mit <strong>der</strong><br />
kranken Person passieren wird.
Diese Fragen sollten so positiv wie möglich beantwortet<br />
werden. Formulierungen wie z.B. Ja, es<br />
geht ihr nicht so gut, aber die Ärzte sagen, es gibt<br />
immer noch Einiges, was wir tun können. Wir<br />
können... sind aufrichtig und geben zugleich etwas<br />
Hoffnung, eine Handlungsmöglichkeit.<br />
Beson<strong>der</strong>e Sorgen machen Kin<strong>der</strong> sich oft um die<br />
Frage, was passiert, wenn die kranke Person sehr<br />
krank wird o<strong>der</strong> stirbt. Damit wollen sie vielleicht<br />
wissen, ob sie umziehen müssen, wer für sie sorgen<br />
wird, ob o<strong>der</strong> von welchen Freunden, Gewohnheiten,<br />
Dingen sie sich trennen müssen, ob sie z.B.<br />
die Schule wechseln müssen. Es kann auch sein,<br />
dass ihre Angst vor solchen Verän<strong>der</strong>ungen zu groß<br />
ist, so dass sie sich nicht trauen, danach zu fragen.<br />
Sie sollten ihnen deshalb in diesen Fragen Sicherheit<br />
geben, sie - wo es möglich ist - beruhigen und<br />
ihnen jegliche geplante Verän<strong>der</strong>ung für ihren Alltag<br />
frühzeitig mitteilen. Auch sehr kleine Kin<strong>der</strong><br />
sind beunruhigt, können aber sachliche Erklärungen<br />
vielleicht noch nicht verstehen. Liebe, Aufmerksamkeit<br />
und körperliche Zuwendung geben<br />
ihnen Geborgenheit und werden ihnen helfen bis<br />
sie alt genug sind, mehr zu erfahren.<br />
Was Kin<strong>der</strong>n hilft...<br />
· Kin<strong>der</strong> brauchen beson<strong>der</strong>e Zuwendung und Aufmerksamkeit,<br />
wenn ein Elternteil an ALS erkrankt<br />
ist. Das kann auch bedeuten, dass Sie die<br />
Großeltern, an<strong>der</strong>e Familienmitglie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> gute<br />
Freunde um Hilfe bitten.<br />
· Kin<strong>der</strong> sollten wissen, dass Verän<strong>der</strong>ungen im Erscheinungsbild<br />
nicht bedeuten, dass sich die Gefühle<br />
<strong>der</strong> kranken Person ihnen gegenüber geän<strong>der</strong>t<br />
haben. Schützen Sie Kin<strong>der</strong> ggfs. vor starken<br />
emotionalen Schwankungen <strong>der</strong> kranken Person.<br />
· Gestatten Sie auch den Kin<strong>der</strong>n „Auszeiten“. So<br />
wie die Erwachsenen in <strong>der</strong> Pflege brauchen auch<br />
sie Pausen, in denen sie unbeschwert Spaß haben<br />
dürfen.<br />
· Ermutigen Sie die Kin<strong>der</strong> immer wie<strong>der</strong>, ihre Gefühle<br />
auszudrücken.<br />
· Aufrichtigkeit: Weichen Sie Fragen nicht aus und<br />
sprechen Sie offen und ehrlich mit den Kin<strong>der</strong>n.<br />
Kin<strong>der</strong>n spüren sofort, wenn Eltern ihnen nicht<br />
die Wahrheit sagen, verlieren das Vertrauen und<br />
hören vielleicht nicht mehr zu.<br />
8<br />
· Angemessenheit: Die angebotenen Informationen<br />
sollten altersgemäß sein, so dass die Kin<strong>der</strong> sie<br />
verstehen können. Machen Sie sich den Entwicklungsstand<br />
des Kindes klar, zu frühe abstrakte Informationen<br />
verwirren Kin<strong>der</strong>. Bevor Sie mit <strong>der</strong><br />
Beantwortung einer Frage loslegen, nehmen Sie<br />
sich etwas Zeit herauszufinden, worum es genau<br />
in <strong>der</strong> Frage geht (z.B. bedeutet die Frage: Geht<br />
es Papa gut? eines kleinen Kindes, dessen ALSkranker<br />
Vater gerade die Treppe herunter gefallen<br />
ist, wahrscheinlich nur: Ist er verletzt? Braucht er<br />
Hilfe?).<br />
· Kleine Portionen: Wir <strong>lernen</strong> am besten Schritt<br />
für Schritt, Information kann dosiert am besten<br />
aufgenommen werden. Kin<strong>der</strong> zeigen uns (und<br />
wenn wir aufmerksam zuhören merken wir es<br />
auch), wenn sie genug gehört haben und kehren<br />
zu einem späteren Zeitpunkt zu ihren Fragen zurück.<br />
Es ist nicht notwendig, die „ganze Wahrheit“<br />
auf einmal zu eröffnen.<br />
· Ruhige Gesprächsatmosphäre: Sorgen Sie dafür,<br />
dass Sie in Ruhe und ungestört mit Kin<strong>der</strong>n sprechen<br />
können. Bereiten Sie sich auf das Gespräch<br />
vor.<br />
· Einige wichtige Haltungen und Einstellungen, die<br />
Kin<strong>der</strong>n vermittelt werden sollten: Akzeptanz und<br />
Respekt für das ALS-kranke Familienmitglied,<br />
Hoffnung und Zuversicht (die Forschung schreitet<br />
voran, eine Heilungsmöglichkeit wird hoffentlich<br />
gefunden werden), niemand trägt Schuld für<br />
die Erkrankung - ALS ist keine Strafe, Zugeständnis,<br />
dass ALS verwirrend und beunruhigend<br />
ist - und schwer zu verstehen.<br />
Was auch passiert, tun Sie Ihr<br />
bestes, um die Kin<strong>der</strong> einzube -<br />
ziehen und ihnen Sicherheit zu<br />
geben!
HILFEN BEI DER AUSEINANDERSETZUNG<br />
MIT DER ERKRANKUNG<br />
Pamela Schmidt, Dipl.-Psychologin,<br />
Psychologische Psychotherapeutin<br />
(Verhaltenstherapie),<br />
Klinische Neuropsychologin und<br />
Supervisorin (GNP), Berlin<br />
Die Ausgangssituation<br />
Die Diagnose ALS hat weitreichende Konsequenzen<br />
und im Zuge <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dieser<br />
Diagnose wird allen Beteiligten (physisch ohnehin)<br />
psychisch sehr viel abverlangt. <strong>Mit</strong> dem<br />
Wissen <strong>leben</strong> zu müssen, eine schwere unheilbare<br />
<strong>Krankheit</strong> zu haben, kann zu <strong>der</strong> Frage führen, ob<br />
das Weiter<strong>leben</strong> so noch einen Sinn hat. Es sind oft<br />
Grenzsituationen, die bei allen Beteiligten Verzweiflung,<br />
Angst, Wut, Trauer etc. auslösen. Manche<br />
Erkrankten wollen an<strong>der</strong>en nicht länger zur<br />
Last fallen o<strong>der</strong> können ihrem Leben keine Freude<br />
mehr abgewinnen. So wünschenswert es in solchen<br />
Extremsituationen ist, die Nähe eines vertrauten<br />
Menschen zu haben, so schwierig wird diese oft erlebt.<br />
Nicht nur, dass dadurch Konfliktsituationen<br />
entstehen können. Zu groß ist die Sorge, den an<strong>der</strong>en<br />
mit den eigenen Nöten über das bereits vorhandene<br />
Maß hinaus zu belasten.<br />
Gerade in solchen Situationen kann es sinnvoll<br />
sein, sich zusätzlich Unterstützung und Entlastung<br />
von außen zu holen. Voraussetzung dafür ist, dass<br />
<strong>der</strong> Wunsch nach einer solchen bei den betreffenden<br />
Personen vorhanden sein muss, damit dies ein<br />
sinnvoller Einsatz wird. Lei<strong>der</strong> kommt es immer<br />
noch häufig vor, dass einige ALS-Patienten (vor<br />
allem Männer) versuchen, alleine und wortlos mit<br />
<strong>der</strong> Situation klar zu kommen. Dieses Schweigen<br />
führt in <strong>der</strong> Regel zu einer zusätzlichen Belastung<br />
in einer ohnehin sehr angespannten und schwierigen<br />
Situation. Kin<strong>der</strong> als Angehörige sind durch<br />
solche Umstände dann ganz beson<strong>der</strong>s hart betroffen.<br />
Der folgende Beitrag soll helfen, die erste<br />
Hürde diesbezüglich für alle Betroffenen etwas<br />
leichter zu nehmen.<br />
Welche Hilfsangebote und<br />
-möglichkeiten gibt es?<br />
Es gibt eine Fülle von Hilfsangeboten bei seelischen<br />
Krisen, nicht alle können hier besprochen<br />
werden. Es sollen zunächst jene Erwähnung finden,<br />
die sich tatsächlich als hilfreich erwiesen haben<br />
o<strong>der</strong> häufig in Anspruch genommen werden. Auch<br />
die finanzielle Seite soll hier erwähnt werden.<br />
9<br />
Die Grenzen zwischen den betreffenden Angeboten<br />
sind fließend (so kann ein Psychotherapeut<br />
einen explizit christlichen Hintergrund vertreten<br />
o<strong>der</strong> auch ein Seelsorger eine psychotherapeutische<br />
Zusatzausbildung haben). Diese Angebote<br />
verstehen sich nicht als einan<strong>der</strong> ausschließend, jedoch<br />
unterscheiden sie sich hinsichtlich des<br />
Schwerpunkts, des Anspruchs, des Hintergrunds<br />
und auch in <strong>der</strong> Dauer. Diese Aufzählung versteht<br />
sich nicht als wertend (obwohl sie durchaus kritisch<br />
ist) und nicht als vollständig. In einer ersten<br />
sehr groben Übersicht lassen sich die Hilfsangebote<br />
wie folgt einteilen: Krisenintervention, Psychotherapie,<br />
Seelsorge, Beratung, therapeutische<br />
Angebote, Esoterische und spirituelle Hilfen.<br />
Krisenintervention<br />
Gerade wenn es um eine akute Krisensituation<br />
geht, kann man sich zuerst einmal an einen Krisendienst<br />
wenden. Anlaufstellen dafür sind u.a. die<br />
Krisendienste o<strong>der</strong> die Telefonseelsorgen. Kriseninterventionen<br />
sind, wie <strong>der</strong> Name bereits sagt,<br />
Hilfen bei akuter seelischer Belastung. Bei <strong>der</strong> Telefonseelsorge<br />
(Adressen und Telefonnummern in<br />
Ihrer Region unter www.telefonseelsorge.de) werden<br />
Sie keine Pfarrer am an<strong>der</strong>en Ende <strong>der</strong> Leitung<br />
antreffen, son<strong>der</strong>n ausgebildete Laien o<strong>der</strong> Fachleute,<br />
die mit bestimmten Problemen gut vertraut<br />
sind. Sie arbeiten in <strong>der</strong> Regel rund um die Uhr.<br />
Oft besteht hier auch die Möglichkeit zu einem<br />
brieflichen Kontakt, wenn Ihnen nicht nach Reden<br />
zumute sein sollte bzw. Ihnen dies z. B. motorisch<br />
nicht möglich ist (Briefseelsorge).<br />
Eine Übersicht über Krisendienste <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Region findet man im Internet z.B. unter www.krisenintervention-notfallseelsorge.de.<br />
Bei den jeweiligen<br />
Adressen können Sie entwe<strong>der</strong> direkt Hilfe<br />
erhalten o<strong>der</strong> auch Informationen darüber, wo sich<br />
an Ihrem Wohnort eine solche Stelle befindet. Dort<br />
finden Sie Menschen, die sich ausreichend Zeit<br />
nehmen werden, sich mit Ihnen und Ihrer schwierigen<br />
Lebenslage zu befassen. Vor allem, wenn Sie<br />
bisher noch nie die Möglichkeit hatten, mit einem<br />
Fachmann (-frau) über Ihre Probleme zu reden,<br />
sollten Sie dies in einer für Sie schwierigen Lebenslage<br />
erwägen.<br />
Für manche Menschen ist es wichtig, dass ein solcher<br />
Krisendienst einen kirchlichen Hintergrund<br />
hat (dies ist bei <strong>der</strong> Telefonseelsorge <strong>der</strong> Fall), für<br />
manch an<strong>der</strong>en ist das ein Ausschlussgrund. Wichtig<br />
ist, dass man den jeweiligen Hintergrund erfragt,<br />
sofern er für einen selbst eine Bedeutung<br />
haben sollte. Weiterhin kann es wichtig sein, zu
wissen, ob sich das jeweilige Gegenüber in <strong>der</strong><br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung mit einem solchen Problem<br />
auskennt. Je<strong>der</strong> professionelle Helfer hat sich<br />
i.d.R. auf ein bestimmtes Gebiet spezialisiert (sie<br />
kennen diese Spezialisierung bei vielen Berufsgruppen).<br />
Es ist Ihr gutes Recht, dies zu erfragen.<br />
Alle staatlichen und kirchlichen Angebote sind in<br />
<strong>der</strong> Regel kostenlos und können auch mehrfach in<br />
Anspruch genommen werden.<br />
Aber auch wenn Sie schon mit solchen Fachleuten<br />
für Krisen o<strong>der</strong> Psychotherapeuten zu tun hatten<br />
und nicht weitergekommen sind, sollten Sie es<br />
nicht gleich ablehnen, diese Hilfsmöglichkeit in<br />
Anspruch zu nehmen. Es kann sein, dass Sie dort<br />
bisher nur auf Menschen getroffen sind, die Ihnen<br />
als Person vielleicht nicht so zugesagt haben, wo<br />
"die Chemie einfach nicht gestimmt hat". Wichtig<br />
ist, dass Sie den Eindruck haben, fachlich wie<br />
menschlich gut aufgehoben zu sein, d.h. die betreffende<br />
Person soll auf <strong>der</strong> einen Seite empathisch<br />
genug sein, Sie zu verstehen, aber auch genügend<br />
Abstand besitzen, um vielleicht an<strong>der</strong>e Sichtweisen<br />
bzw. Perspektiven aufzeigen zu können. Für<br />
eine längere und kontinuierliche Begleitung eignet<br />
sich dann eher eine Psychotherapie.<br />
Psychotherapie - was ist darunter<br />
zu verstehen?<br />
Psychotherapie bedeutet wörtlich übersetzt "Behandlung<br />
<strong>der</strong> Seele" beziehungsweise "Behandlung<br />
von seelischen Problemen". Sie bietet Hilfe bei<br />
Ängsten, Depressionen, Zwängen, Essstörungen,<br />
Suchterkrankungen usw., aber auch Hilfen bei außergewöhnlichen<br />
Belastungen, wie einer ALS-Erkrankung.<br />
Um hier eine Unterstützung zu bekommen,<br />
können Sie einen Psychotherapeuten aufsuchen.<br />
Psychotherapeut darf sich nur nennen, wer<br />
nach einem Universitätsstudium <strong>der</strong> Psychologie,<br />
Medizin o<strong>der</strong> (bei Kin<strong>der</strong>- und Jugendlichenpsychotherapeuten)<br />
auch <strong>der</strong> Pädagogik o<strong>der</strong> Sozialpädagogik<br />
eine mindestens dreijährige psychotherapeutische<br />
Ausbildung absolviert hat. Damit ist<br />
"Psychotherapeut" also ein geschützter Begriff.<br />
Wie findet man einen zugelassenen<br />
Psychotherapeuten? Welche<br />
Verfahren werden von <strong>der</strong> Kasse<br />
bezahlt?<br />
Die Adressen <strong>der</strong> in Ihrer Nähe nie<strong>der</strong>gelassenen<br />
Vertragspsychotherapeuten bekommen sie von<br />
Ihrer regionalen Kassenärztlichen Vereinigung<br />
o<strong>der</strong> von Ihrer Krankenkasse. Sie können nach vorheriger<br />
telefonischer Vereinbarung mit ihrer Chip-<br />
10<br />
karte direkt einen Psychotherapeuten aufsuchen<br />
und können zwischen ärztlichen und psychologischen<br />
Psychotherapeuten wählen. Entscheidend für<br />
eine Kostenübernahme ist, dass das jeweilige psychotherapeutische<br />
Verfahren als Kassenleistung<br />
anerkannt ist, nur dann wird diese Form <strong>der</strong> Unterstützung<br />
von <strong>der</strong> Kasse bezahlt. Derzeit sind als<br />
Kassenleistung nur folgende Verfahren anerkannt:<br />
· Analytische Psychotherapie<br />
· Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie<br />
· Verhaltenstherapie<br />
Das Spektrum reicht dabei je nach Verfahren von<br />
Einzel- bis Gruppentherapie, von Kurzzeit- (25<br />
Stunden) bis Langzeittherapie (bis zu 300 Stunden).<br />
Die Stundenfrequenz kann i. d. R. mit dem<br />
Therapeuten abgesprochen und vereinbart werden.<br />
Solch eine Behandlung kann eine wertvolle Unterstützung<br />
bei <strong>der</strong> Bewältigung <strong>der</strong> seelischen Belastung<br />
sein, <strong>der</strong> man als Betroffener o<strong>der</strong> Angehöriger<br />
ausgesetzt ist.<br />
Da die Wartezeiten bei Psychotherapeuten manchmal<br />
länger sind, kann es sinnvoll sein, sich gleich<br />
bei mehreren Psychotherapeuten auf die Warteliste<br />
setzen zu lassen. Da sich Therapeuten i. d. R. auf<br />
bestimmte Probleme spezialisiert haben, beschreiben<br />
Sie am Telefon, worum es geht, so lässt sich<br />
die Frage, ob <strong>der</strong>(die) Therapeut(in) sich zuständig<br />
fühlt, manchmal schon vorab klären. Sie können<br />
hier auch schon erfahren, welche Therapierichtung<br />
er o<strong>der</strong> sie vertritt. Manche Therapeuten(innen)<br />
haben neben ihrer zugelassenen Therapieform<br />
(Verhaltenstherapie, Psychoanalyse o<strong>der</strong> tiefenpsychologisch<br />
fundierte Therapie) auch noch weitere<br />
therapeutische Verfahren gelernt, die sie je nach<br />
Bedarf anwenden. Die wichtigsten sind: Gestalttherapie,<br />
Familientherapie od. Systemische Therapie,<br />
Hypnotherapie, Gesprächstherapie, Transaktionsanalyse,<br />
Psychodrama und Bioenergetik. Natürlich<br />
gibt es noch mehr therapeutische Ansätze als<br />
die oben genannten und wenn Sie sich für eine bestimmte<br />
Richtung interessieren, sollten Sie schon<br />
am Telefon direkt danach fragen.<br />
Zwei ALS Betroffene waren nach dieser Information<br />
sehr skeptisch, da sie fürchteten zum einen mit<br />
ihrer fortgeschrittenen Sprechstörung (Dysarthrie),<br />
zum an<strong>der</strong>en mit dem benutzen Kommunikationsgerät<br />
auf wenig Verständnis zu stoßen. Hier ist es<br />
natürlich sinnvoll zu fragen, ob sich <strong>der</strong> betreffende<br />
Therapeut mit einem solchen Problem ausei-
nan<strong>der</strong>setzen kann und möchte. Auch Hausbesuche<br />
sind möglich, hier ist ebenfalls nachzufragen, ob<br />
<strong>der</strong> Therapeut diese leistet.<br />
Seelsorge<br />
Seelsorge ist wie Beratung (siehe dort) kein geschützter<br />
Begriff. Er findet sich jedoch oft bei<br />
Hilfsangeboten mit explizit christlichem Hintergrund.<br />
Es kann sich dabei um eine Pfarrerin o<strong>der</strong><br />
einen Pfarrer, an<strong>der</strong>e kirchlichen <strong>Mit</strong>arbeiter o<strong>der</strong><br />
auch z.B. um einen Heilpraktiker handeln. Eine<br />
seelsorgerische Ausrichtung versucht in biblisch<br />
begründeter, theologisch verantworteter und methodisch<br />
ausgewiesener Weise bei Problemen zu<br />
helfen. Ein Anspruch dabei ist, eine Grundhaltung<br />
zu verwirklichen, die durch ein tiefes Verstehen<br />
des an<strong>der</strong>en Menschen, <strong>der</strong> eigenen Person und <strong>der</strong><br />
Beziehung zwischen beiden gekennzeichnet ist.<br />
Eine Seelsorge hat an ihr Tun den Anspruch, dass<br />
<strong>der</strong> Betreffende es mit Hilfe selbst schafft, eine an<strong>der</strong>e<br />
Perspektive zu gewinnen. Menschen, die ihre<br />
Probleme in Worte fassen können, sehen sie i. d. R.<br />
klarer. Ein Seelsorger sieht sich auch und gerade<br />
heute als Gesprächspartner, wenn es um die Sinnfrage<br />
geht: Wer Unglück ertragen muss, fragt nach<br />
dem Sinn seiner Leiden. Und das ist im Grunde, so<br />
die Seelsorge, die Frage nach Gott. Diesen Fragen<br />
gemeinsam nachzugehen, ist eine <strong>der</strong> Aufgaben<br />
eines Seelsorgers. D.h., wenn Sie bei <strong>der</strong> Klärung<br />
und Hilfe einen explizit christlichen Hintergrund<br />
wünschen, können sie sich an einen Seelsorger<br />
wenden. Ein kassenzugelassener Psychotherapeut<br />
wie auch Heilpraktiker kann mit Ihnen auch über<br />
die "Sinnfrage" sprechen, jedoch ist dies nicht sein<br />
primärer bzw. alleiniger Auftrag. Wenn bei einer<br />
Psychotherapie eine religiöse Ausrichtung explizit<br />
eine Rolle spielen soll, sollten Sie sich vorher bei<br />
dem Psychotherapeuten bzw. Behandler danach erkundigen.<br />
Beratung, therapeutische<br />
Angebote, esoterische und<br />
spirituelle Hilfen<br />
Alle die in <strong>der</strong> Überschrift genannten Angebote<br />
sind begrifflich nicht geschützt. So finden sich solche<br />
Angebote häufig in allen Arten von psychologischen<br />
Ratgebern sowie Esoterik-Zeitschriften<br />
etc.. Grundsätzlich kann sich je<strong>der</strong> von jedem bei<br />
Problemen und Schwierigkeiten beraten lassen.<br />
Obwohl die Grenzen zwischen professioneller Beratung<br />
und Psychotherapie oft fließend sind, gibt es<br />
einige Kriterien <strong>der</strong> Unterscheidung:<br />
11<br />
Nach § 1 Absatz 3 Psychotherapeutengesetz ist<br />
Ausübung von Psychotherapie "jede mittels wissenschaftlich<br />
anerkannter psychotherapeutischer<br />
Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung,<br />
Heilung o<strong>der</strong> Lin<strong>der</strong>ung von Störungen mit<br />
<strong>Krankheit</strong>swert, bei denen Psychotherapie indiziert<br />
ist." Psychotherapie ist also explizit ausgewiesen<br />
als eine Heilbehandlung und wird daher von <strong>der</strong><br />
Krankenkasse bezahlt. Professionelle Beratung<br />
muß i. d. R. selbst bezahlt werden, wenn sie nicht<br />
ausdrücklich kostenfrei angeboten wird.<br />
Neben <strong>der</strong> etablierten Psychotherapie gibt es eine<br />
alternative Psychoszene. Seit den 80er Jahren werden<br />
zunehmend Angebote mit religiösen o<strong>der</strong> esoterischen<br />
Vorstellungen vermittelt. So hilfreich<br />
diese Angebote im Einzelnen sein können, ist hier<br />
doch auch Vorsicht geboten. Viele Psychoangebote<br />
zielen darauf, Sie aus Ihren gewohnten Verhaltensweisen<br />
zu lösen und für neue Erfahrungen zu öffnen.<br />
Das ist nicht grundsätzlich falsch, doch sollten<br />
Sie, sofern Sie sich in einer außergewöhnlichen<br />
Belastungssituation (wie einer ALS Erkrankung)<br />
befinden gut abwägen, ob Sie eine solche Hilfe in<br />
Anspruch nehmen können. Wenn Sie sich psychisch<br />
ohnehin "labil" fühlen, besteht die Gefahr,<br />
dass es Ihnen bei unsachgemäßer Behandlung hinterher<br />
noch viel schlechter geht, ohne dass Sie u.U.<br />
jemand therapeutisch auffängt. Daher sollten Sie<br />
sich grundsätzlich jedem Angebot auf dem Psychomarkt<br />
mit gesundem Misstrauen nähern. Führen<br />
Sie vor je<strong>der</strong> avisierten Beratung o<strong>der</strong> Therapie,<br />
jedem Kurs ein Vorgespräch mit dem Therapeuten<br />
bzw. Trainer, um sich von ihm einen persönlichen<br />
Eindruck machen zu können. Lassen Sie<br />
sich die Inhalte erklären. Das Vorgespräch hat kostenlos<br />
zu sein.<br />
Abschlussbemerkung<br />
An ALS zu leiden ist eine <strong>der</strong> größten Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />
<strong>der</strong> sich ein Mensch gegenüber sehen<br />
kann. Dort, wo grundlegend anstehende Lebensthemen<br />
(so auch Fragen nach dem Tod, dem Sinn<br />
des Lebens, <strong>der</strong> Art und Weise wie bisher Beziehungen<br />
geführt wurden usw.) weggeschoben und<br />
verdrängt werden, wächst die innere Not (zu <strong>der</strong><br />
schon vorhandenen äußeren), damit wird die Situation<br />
häufig noch schwerer, als sie ohnehin ist. Ein<br />
seriöses Hilfsangebot als Begleiter kann einen in<br />
<strong>der</strong> Bewältigung dieser Aufgabe stärken und Mut<br />
und Kraft freisetzen, um so inneren Frieden und<br />
Klarheit zu gewinnen.
MATERIELLE HILFEN<br />
Albertine Deuter, Dipl. Sozialpädagogin (FH),<br />
Sozialberatung <strong>DGM</strong>-Landesverband Bayern<br />
Antje Faatz, Dipl. Sozialpädagogin (FH),<br />
Fachkraft für Palliative Care,<br />
<strong>DGM</strong>-Sozialberatung<br />
Die Diagnose ALS stellt Betroffene und <strong>der</strong>en Angehörige<br />
vor die Aufgabe, eine neue Lebenssituation<br />
zu bewältigen, die viele Einschränkungen mit<br />
12<br />
sich bringt. Damit stellt sich auch die Frage, bei<br />
welchen Institutionen man Unterstützung und<br />
Hilfe bekommt. Um verschiedene Sozialleistungen<br />
in Anspruch nehmen zu können, hilft es, Bescheid<br />
zu wissen über die Art <strong>der</strong> Hilfen und die entsprechenden<br />
Anlaufstellen. Hier können nur einige Bereiche<br />
angesprochen werden, die für ALS- Patienten<br />
regelmäßig wichtig sind, um eine erste Orientierungshilfe<br />
zu geben.<br />
Checkliste materielle Hilfen<br />
Der Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweis (SGB IX)<br />
· Antrag beim Landesversorgungsamt (Formular ausfüllen + Passfoto beifügen)<br />
· Antrag vor dem Versenden mit den behandelnden Ärzten durchsprechen / Gutachten beifügen<br />
· Feststellungsbescheid und Ausweis (ab GdB 50) – ggfs. Wi<strong>der</strong>spruch<br />
· Finanzamt, Krankenkasse (s.u.) und evtl. Arbeitgeber informieren<br />
Pflegeversicherung (SGB XI) (s. Kapitel „Pflege“)<br />
· Formloser Antrag zur Einstufung in die Pflegeversicherung an die zuständige Pflegekasse<br />
· Ausfüllen des Antragsvordrucks, den die Pflegekasse zuschickt<br />
· Vorbereitung auf den Besuch des MDK: Führen eines Pflegetagebuchs<br />
· Begutachtung durch den MDK<br />
· Bescheid <strong>der</strong> Pflegekasse – bei Bedarf Wi<strong>der</strong>spruch gegen die Einstufung durch die Pflegekasse<br />
mit Begründung und Einreichen des Pflegetagebuchs<br />
· Krankenkasse informieren (s.u.)<br />
· Weitere Leistungen: Pflegeerleichternde Hilfsmittel, Zuschuss zu Umbaumaßnahmen, Pflegekurse,<br />
Verhin<strong>der</strong>ungspflege / Kurzzeitpflege, Soziale Sicherung <strong>der</strong> Pflegenden Angehörigen<br />
Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)<br />
· Antrag auf Befreiung von Zuzahlungen über einem Eigenanteil von 1% des Bruttoeinkommens<br />
(„Chronikerregelung“: GdB 60, Pflst. II/III, ärztl. Gutachten)<br />
· Kostenübernahme von Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung (bei Pflst. II /III, Mz aG/H)<br />
· Medizinische Rehabilitation (Ziel: <strong>Krankheit</strong>sfolgen mil<strong>der</strong>n, Verschlechterung verhüten)<br />
· Heilmittel (Physiotherapie / Logopädie)<br />
· Hilfsmittel (s. Kapitel „Selbstständigkeit erhalten – Hilfsmittel und Wohnen“)<br />
· Häusliche Krankenpflege / Behandlungspflege (v.a. bei Beatmung)<br />
· Medikamente<br />
· Ambulante ärztliche Behandlung<br />
· Stationäre Krankenhausbehandlung<br />
Beruf / Arbeitsunfähigkeit / Rehabilitation / Rente<br />
· Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweis beantragen (s.o.)<br />
· Arbeitsplatz sichern / innerbetrieblich verän<strong>der</strong>n / umgestalten<br />
· Betriebsrat / Schwerbehin<strong>der</strong>tenvertretung / Integrationsamt / Integrationsfachdienst einschalten<br />
· Lohnfortzahlung / Krankengeld<br />
· Evtl. Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation (Ziel: Arbeitsfähigkeit wie<strong>der</strong> herstellen,<br />
Begutachtung)<br />
· Rente wegen Erwerbsmin<strong>der</strong>ung beantragen
Der Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweis<br />
ALS Kranke sollten frühzeitig einen Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweis<br />
beantragen. Ob man als schwerbehin<strong>der</strong>t<br />
anerkannt wird, hängt dabei nicht allein<br />
von <strong>der</strong> Diagnose ALS, son<strong>der</strong>n von den durch die<br />
Erkrankung bedingten individuellen Einschränkungen<br />
und Beeinträchtigungen ab, die durch ärztliche<br />
Gutachten nachgewiesen werden. Stimmen Sie<br />
Ihre Vorgehensweise bei <strong>der</strong> Antragstellung deshalb<br />
unbedingt mit Ihren behandelnden Ärzten ab.<br />
Eine Stellungnahme <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> zur Festsetzung des<br />
Grades <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung bei ALS finden Sie ebenfalls<br />
in diesem Kapitel.<br />
Wozu dient <strong>der</strong> Ausweis?<br />
Der Ausweis des Versorgungsamtes dient zum<br />
Nachweis <strong>der</strong> Schwerbehin<strong>der</strong>teneigenschaft, des<br />
Grades <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung und gegebenenfalls weiterer<br />
gesundheitlicher Merkmale in verschiedenen<br />
Lebensbereichen (z.B. gegenüber dem Arbeitgeber,<br />
dem Arbeitsamt, dem Integrationsamt o<strong>der</strong> dem Finanzamt).<br />
<strong>Mit</strong> Hilfe des Ausweises können die zustehenden<br />
Rechte nach dem SGB IX (= Sozialgesetzbuch,<br />
Neuntes Buch: Rehabilitation und Teilhabe)<br />
geltend gemacht werden, die <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
zum Ausgleich behin<strong>der</strong>ungsbedingter Nachteile<br />
o<strong>der</strong> Mehraufwendungen vorgesehen hat.<br />
Dazu gehören steuerliche Freibeträge, Ermäßigung<br />
o<strong>der</strong> Übernahme von KFZ-Steuern o<strong>der</strong> Fahrtkosten<br />
für öffentliche Verkehrsmittel, ermäßigten o<strong>der</strong><br />
kostenlosen Eintritt für kulturelle Veranstaltungen.<br />
Im Arbeits- und Berufs<strong>leben</strong> beziehen sie sich beispielsweise<br />
auf den Kündigungsschutz, Zusatzurlaub,<br />
Hilfen zur behin<strong>der</strong>tengerechten Arbeitsplatzausstattung<br />
u. a..<br />
Was enthält <strong>der</strong> Ausweis?<br />
Der Ausweis enthält u.a. das Datum, an dem <strong>der</strong><br />
Antrag beim Versorgungsamt eingegangen ist. Von<br />
diesem Datum an gilt die Schwerbehin<strong>der</strong>teneigenschaft<br />
im Regelfall als nachgewie-sen. Der Grad<br />
<strong>der</strong> festgestellten Behin<strong>der</strong>ung (GdB) wird mit<br />
einer Zahl, die beanspruchbaren Nachteilsausgleiche<br />
werden als sog. Merkzeichen im Ausweis angegeben<br />
(s.u.).<br />
Wer gilt als schwerbehin<strong>der</strong>ter Mensch?<br />
Als schwerbehin<strong>der</strong>t gelten Menschen mit einem<br />
Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung von mindestens 50. Menschen<br />
sind nach § 2 Absatz 1 SGB IX behin<strong>der</strong>t,<br />
wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit<br />
o<strong>der</strong> seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
länger als 6 Monate von dem für das Le-<br />
13<br />
bensalter typischen Zustand abweichen und daher<br />
ihre Teilhabe am Leben in <strong>der</strong> Gesellschaft beeinträchtigt<br />
ist.<br />
Nach § 69 Absatz 1 SGB IX werden die Auswirkungen<br />
auf die Teilhabe am Leben in <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
als Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung (GdB) nach Zehnergraden<br />
abgestuft bewertet. Der GdB ist unabhängig<br />
vom ausgeübten o<strong>der</strong> angestrebten Beruf zu<br />
beurteilen. Aus dem GdB ist nicht auf das Ausmaß<br />
<strong>der</strong> (beruflichen) Leistungsfähigkeit zu schließen.<br />
Die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsmin<strong>der</strong>ung<br />
durch einen Rentenversicherungsträger<br />
o<strong>der</strong> die Feststellung einer Dienst- beziehungsweise<br />
Arbeitsunfähigkeit erlauben keine Rückschlüsse<br />
auf den GdB. Umgekehrt kann aus dem<br />
GdB nicht auf die Leistungsvoraussetzungen an<strong>der</strong>er<br />
Rechtsgebiete geschlossen werden.<br />
Wer kann die Parkplätze für Rollstuhlfahrer<br />
benutzen?<br />
Schwerbehin<strong>der</strong>te Menschen, denen von <strong>der</strong> zuständigen<br />
Ortsbehörde ein beson<strong>der</strong>er Parkausweis<br />
mit dem Rollstuhlfahrer-Symbol erteilt wurde. Voraussetzung<br />
ist die Feststellung <strong>der</strong> Merkzeichen<br />
aG o<strong>der</strong> Bl (blind) durch das Versorgungsamt.<br />
Zeitlich befristete Ausnahmen sind nach Absprache<br />
mit <strong>der</strong> Ortsbehörde/ Straßenverkehrsamt im<br />
Einzelfall möglich (s.u. Merkzeichen: aG). Seit einigen<br />
Jahren gibt es einen europäischen Parkausweis<br />
für behin<strong>der</strong>te Menschen. Er wird in den <strong>Mit</strong>gliedstaaten<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union anerkannt.<br />
Damit können Sie Parkerleichterungen nutzen, die<br />
in dem <strong>Mit</strong>gliedstaat eingeräumt werden, in dem<br />
Sie sich aufhalten.<br />
Es gibt für Personen mit beson<strong>der</strong>en gesundheitlichen<br />
Voraussetzungen die Möglichkeit, eine bundesweit<br />
gültige Son<strong>der</strong>regelung zur Ausnahmegenehmigung<br />
für Parkerleichterungen zu erlangen.<br />
Dies gilt nur bei Personen mit:<br />
· einem GdB von wenigstens 80 allein für die<br />
Funktionsstörungen <strong>der</strong> unteren Gliedmaßen und<br />
· den Merkzeichen B und G<br />
· den Merkzeichen B und G und einem GdB von<br />
wenigstens 70 allein wegen <strong>der</strong> Funktionsstörungen<br />
an den unteren Gliedmaßen und gleichzeitig<br />
Funktionsstörungen des Herzens o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Atmungsorgane,<br />
die wenigstens einen GdB von 50<br />
bedingen
Merkzeichen<br />
Neben dem Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung kann <strong>der</strong><br />
Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweis eine Reihe von Eintragungen<br />
enthalten, mit denen verschiedene Nachteilsausgleiche<br />
verbunden sind.<br />
B – Begleitung<br />
Das Merkzeichen B auf <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>seite des Ausweises<br />
erhält, wer bei <strong>der</strong> Benutzung öffentlicher<br />
Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen<br />
ist und deshalb Begleitung braucht. <strong>Mit</strong><br />
diesem Merkzeichen erhalten Sie als Schwerbehin<strong>der</strong>ter<br />
eine Berechtigung zur <strong>Mit</strong>nahme einer Begleitperson<br />
in öffentlichen Verkehrsmitteln. Ob Sie<br />
davon Gebrauch machen, entscheiden Sie selbst.<br />
Das Merkzeichen „B“ in Ihrem Ausweis schließt<br />
nicht aus, dass Sie öffentliche Verkehrsmittel auch<br />
ohne Begleitperson nutzen können. Die Begleitperson<br />
kann im öffentlichen Personenverkehr unentgeltlich<br />
mitfahren, nicht jedoch in Son<strong>der</strong>zügen<br />
und Son<strong>der</strong>wagen. Bedingt gilt die unentgeltliche<br />
Beför<strong>der</strong>ung auch bei innerdeutschen Flügen <strong>der</strong><br />
Lufthansa.<br />
G - erheblich gehbehin<strong>der</strong>t<br />
Voraussetzung für dieses Merkzeichen ist, dass<br />
man eine Gehstrecke von zwei Kilometern nicht<br />
ohne erhebliche Schwierigkeiten und Gefahren bewältigen<br />
kann.<br />
Als Nachteilsausgleich kommen die unentgeltliche<br />
Beför<strong>der</strong>ung im öffentlichen Nahverkehr mit gültiger<br />
Wertmarke o<strong>der</strong> Kfz-Steuerermäßigung in<br />
Betracht. Bei MZ „G“ und GdB 70 können Sie<br />
Privatfahrten bis zu 3000 km im Jahr steuerlich<br />
absetzen.<br />
aG – außergewöhnlich gehbehin<strong>der</strong>t<br />
Für Betroffene, <strong>der</strong>en Gehvermögen so sehr<br />
schwer beeinträchtigt ist, dass Sie außerhalb eines<br />
Kfz nur noch unter großen Mühen o<strong>der</strong> mit frem<strong>der</strong><br />
Hilfe kürzeste Strecken zu Fuß zurücklegen<br />
können ist dieses Merkzeichen wichtig, um die unentgeltliche<br />
Beför<strong>der</strong>ung im öffentlichen Nahverkehr<br />
und Parkerleichterungen in Anspruch nehmen<br />
zu können. Weitere Nachteilsausgleiche: Bis zu<br />
15.000 km werden Kfz-Kosten für Privatfahrten als<br />
außergewöhnliche Belastung anerkannt. Außerdem<br />
können Sie in einigen Städten den kostengünstigen<br />
Fahrdienst für Behin<strong>der</strong>te in Anspruch nehmen.<br />
Das Merkmal „aG“ setzt nicht voraus, dass ein<br />
schwerbehin<strong>der</strong>ter Mensch nahezu unfähig ist, sich<br />
fortzubewegen. ALS-Kranke könnten manchmal<br />
rein von <strong>der</strong> Muskelkraft her betrachtet noch einige<br />
14<br />
Meter laufen. Aufgrund <strong>der</strong> Fußheberschwäche ist<br />
jedoch die Sturzgefahr schon bei kleinsten Unebenheiten<br />
des Straßenbelags so hoch, dass fremde<br />
Hilfe immer nötig ist, bzw. dass Sie für die Fortbewegung<br />
außerhalb des Hauses auf die Benutzung<br />
eines Rollstuhls angewiesen sind. Erschwerend<br />
kommt häufig hinzu, dass ALS-Kranke sich durch<br />
die Funktionseinschränkungen in Armen und Händen<br />
bei einem Sturz in <strong>der</strong> Regel kaum abfangen<br />
können, also ungebremst fallen und sich dadurch<br />
erhebliche Verletzungen zuziehen können. Weisen<br />
Sie ggfs. auf bereits erlittene Verletzungen durch<br />
Stürze hin. Obendrein besteht die Gefahr, dass<br />
durch Überanstrengung die betroffene Muskulatur<br />
zusätzlich geschädigt wird und <strong>der</strong> krankheitsbedingte<br />
Muskelschwund sich noch beschleunigt.<br />
Überanstrengung muss daher unbedingt vermieden<br />
werden. In einem Urteil des Bundessozialgerichtes<br />
(BSG) vom 11.03.1998 (B 9 SB 1/97) wurde festgestellt,<br />
dass das Merkzeichen aG auch zuerkannt<br />
werden soll, wenn durch Überanstrengung eine<br />
konkrete Verschlechterung <strong>der</strong> Gehfähigkeit droht<br />
und die vorhandene Rest-Gehfähigkeit deshalb außerhalb<br />
<strong>der</strong> Wohnung nicht mehr genutzt werden<br />
kann. Weitere Urteile bestätigen diese Auffassung.<br />
Wer nur noch unter erheblichen Schmerzen gehen<br />
kann, hat ebenfalls Anspruch auf das Merkzeichen<br />
aG .<br />
H – hilflos<br />
Voraussetzung ist, dass man für die gewöhnlichen<br />
und regelmäßig wie<strong>der</strong>kehrenden Verrichtungen im<br />
Ablauf des täglichen Lebens wie An- und Auskleiden,<br />
Nahrungsaufnahme, Körperpflege etc. dauernd<br />
fremde Hilfe benötigt (mindestens zwei Stunden<br />
täglich). Wenn Sie Leistungen <strong>der</strong> Pflegestufe<br />
II <strong>der</strong> Pflegeversicherung (SGB XI) erhalten, können<br />
Sie nach einem Urteil des Bundessozialgerichtes<br />
das Merkzeichen H beantragen (nähere Informationen<br />
dazu erhalten Sie bei <strong>der</strong> <strong>DGM</strong>). Wenn<br />
dieses Merkzeichen vorliegt, können die pflegenden<br />
Angehörigen (o<strong>der</strong> nahestehenden Personen)<br />
einen Pflegepauschbetrag von 924 € im Kalen<strong>der</strong>jahr<br />
steuerlich geltend machen. Bitte erfragen Sie<br />
Einzelheiten bei Ihrem Finanzamt. Der Pauschbetrag<br />
für außergewöhnliche Belastung beträgt für<br />
den Betroffenen <strong>der</strong>zeit 3700 €.
RF – Rundfunkgebührenbefreiung und Telefon -<br />
gebührenermäßigung<br />
Wenn es Ihnen selbst mit Hilfe von Begleitpersonen<br />
nicht mehr möglich ist, an öffentlichen Veranstaltungen<br />
teilzunehmen, können Sie das Merkzeichen<br />
„RF“ beantragen. Weitere Voraussetzung ist<br />
ein GdB von 80. <strong>Mit</strong> diesem Merkzeichen wird<br />
die Befreiung von <strong>der</strong> Zahlung <strong>der</strong> Rundfunkgebühren<br />
bei <strong>der</strong> GEZ beantragt. Außerdem können<br />
Sie damit einen Antrag auf Telefongebührenermäßigung<br />
und ermäßigte Anschlussgebühr bei <strong>der</strong> Telekom<br />
stellen.<br />
Wie ist die Feststellung einer Behin<strong>der</strong>ung zu<br />
beantragen?<br />
Der Antrag ist beim zuständigen Versorgungsamt<br />
mit dem dafür vorgesehenen Formblatt zu stellen.<br />
Er kann formlos angefor<strong>der</strong>t werden (z.B. mit einer<br />
Postkarte „Bitte senden Sie mir einen Antrag auf<br />
Feststellung einer Behin<strong>der</strong>ung zu.“). Dem Antrag<br />
sollten möglichst aktuelle und umfassende ärztliche<br />
Atteste (Hausarzt, Neurologe, ggf. Orthopäde)<br />
beigelegt werden. Diese Atteste sollten eine genaue<br />
Beschreibung des Befundes, <strong>der</strong> Funktionsausfälle<br />
o<strong>der</strong> sonstiger Beeinträchtigungen beinhalten.<br />
Auch unregelmäßig auftauchende Beschwerden<br />
(Schmerzen, Stürze, Schwächephasen,...) sollten<br />
hier genannt werden. Beim Hausarzt befindliche<br />
Untersuchungsunterlagen, wie z.B. Facharztbriefe,<br />
Krankenhausberichte, Abschlussberichte einer Rehabilitationsmaßnahme<br />
(Kur) und Röntgenbefunde<br />
können beigefügt werden, soweit sie die Behin<strong>der</strong>ungen<br />
betreffen. Ärztliche Bescheinigungen o<strong>der</strong><br />
sonstige Berichte, die lediglich Klagen und Beschwerden<br />
enthalten, reichen nicht aus.<br />
Eine eigene detaillierte schriftliche Stellungnahme<br />
über den Verlauf <strong>der</strong> Erkrankung und die daraus resultierenden<br />
regelmäßig wie<strong>der</strong>kehrenden (und<br />
sporadisch auftretenden) Beeinträchtigungen beizulegen,<br />
ist jedoch empfehlenswert. Wichtig ist,<br />
dass Sie sich klar machen, dass Ihr Antrag zunächst<br />
von einem Sachbearbeiter gelesen wird (<strong>der</strong><br />
sich unter ALS möglicherweise überhaupt nichts<br />
vorstellen kann) und nicht von einem medizinischen<br />
Sachverständigen. Sie sollten also anschaulich,<br />
verständlich und konkret mit Ihren eigenen<br />
Worten Ihre Situation schil<strong>der</strong>n und dabei beson<strong>der</strong>s<br />
Ihre Einschränkungen <strong>der</strong> Gehfähigkeit,<br />
Hand- und Armfunktion, ggfs. Einschränkungen<br />
<strong>der</strong> Atemfunktion und des Herzens, Gefährdung im<br />
Verkehr, Sturzgefahr, notwendige Begleitperson,<br />
Möglichkeit öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen<br />
15<br />
o<strong>der</strong> nicht, evtl. genutzte Hilfsmittel, Haushaltsführung,<br />
ggfs. Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe) beschreiben.<br />
Sollten dem Sachbearbeiter des Versorgungsamtes<br />
die medizinischen Unterlagen für eine Entscheidung<br />
nicht ausreichen, werden die auf dem Antrag<br />
genannten Ärzte telefonisch befragt o<strong>der</strong> die betroffene<br />
Person wird zu einer ärztlichen Untersuchung<br />
schriftlich eingeladen. Sofern beson<strong>der</strong>e<br />
Umstände (z.B. eine Kündigung) nach <strong>der</strong> Antragstellung<br />
eintreten, müssen diese unverzüglich mitgeteilt<br />
werden. Daraufhin kann die Bearbeitung<br />
des Antrages vorgezogen werden.<br />
Wie wird die Eigenschaft als schwerbehin<strong>der</strong>ter<br />
Mensch festgestellt?<br />
Das für den Wohnort zuständige Versorgungsamt<br />
hat auf Antrag die Behin<strong>der</strong>ungen, den Grad <strong>der</strong><br />
Behin<strong>der</strong>ung und ggf. weitere gesundheitliche<br />
Merkmale festzustellen. Es erteilt hierüber einen<br />
rechtsbehelfsfähigen Feststellungsbescheid, in dem<br />
die einzelnen Behin-<strong>der</strong>ungen, <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung<br />
und die weiteren gesundheitlichen Merkmale<br />
ange-geben werden. Dies gilt auch dann,<br />
wenn <strong>der</strong> festgestellte GdB weniger als 50 beträgt.<br />
Eine solche Feststellung wird nicht getroffen, wenn<br />
die Behin<strong>der</strong>ungen und <strong>der</strong> GdB (o<strong>der</strong> die MdE/<br />
Min<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Erwerbsfähigkeit) bereits in einem<br />
Rentenbescheid o<strong>der</strong> <strong>der</strong>gleichen festgestellt worden<br />
sind (z.B. Bescheid einer Berufsgenossenschaft<br />
o<strong>der</strong> eines Versorgungsamtes; nicht aber Bescheide<br />
<strong>der</strong> Träger <strong>der</strong> Rentenversicherung über<br />
Berufs- o<strong>der</strong> Erwerbsunfähigkeitsrente).<br />
Beträgt <strong>der</strong> im Bescheid festgestellte GdB mindestens<br />
50, so stellt das Versorgungsamt einen Ausweis<br />
mit Lichtbild über die Eigenschaft als schwerbehin<strong>der</strong>ter<br />
Mensch, den Grad <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung<br />
und ggf. die weiteren gesundheitlichen Merkmale<br />
aus.<br />
Wi<strong>der</strong>spruch<br />
Wenn <strong>der</strong> GdB zu niedrig eingestuft wurde o<strong>der</strong><br />
ein Merkzeichen hätte zuerkannt werden müssen,<br />
kann innerhalb von 28 Werktagen nach Erhalt des<br />
Bescheides Wi<strong>der</strong>spruch eingelegt werden. Nähere<br />
Erläuterungen hierzu siehe Infodienst-Blatt „Recht<br />
/ Antrag – Wi<strong>der</strong>spruch – Klage“.
Bei Verschlimmerung <strong>der</strong> Erkrankung<br />
Wenn die Erkrankung fortschreitet und die Beeinträchtigungen<br />
zunehmen, kann je<strong>der</strong>zeit ein sog.<br />
Verschlimmerungsantrag (je nach Bundesland<br />
auch „Neufeststellungsantrag“) gestellt werden.<br />
Was ist zu tun, wenn die Gültigkeit des Ausweises<br />
abläuft?<br />
Es ist nicht erfor<strong>der</strong>lich, einen Neufeststellungsantrag<br />
zu stellen! Rechtzeitig vor Ablauf versendet<br />
das Versorgungsamt ein Schreiben, mit dem man<br />
die Gültigkeit bei <strong>der</strong> zuständigen Ortsbehörde<br />
o<strong>der</strong> beim Versorgungsamt verlängern lassen kann.<br />
Wenn die Gültigkeit bereits zweimal verlängert<br />
wurde, muss das Versorgungsamt einen neuen Ausweis<br />
ausstellen. Hierzu sendet man den bisherigen<br />
Ausweis und ein neues Passbild ein o<strong>der</strong> legt beides<br />
persönlich vor.<br />
Wann endet die Gültigkeit des Ausweises?<br />
Auf dem Ausweis ist z.B. 03/2009 eingestempelt.<br />
Die Gültigkeit endet immer am Ende des eingestempelten<br />
Monats, in diesem Fall also am 31.<br />
März 2009.<br />
Was muss beachtet werden, wenn Ersatz für<br />
den verlorenen Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweis<br />
benötigt wird?<br />
Ein Passbild kann per Post zusammen mit einer<br />
kurzen Erklärung über den Verlust des bisherigen<br />
Ausweises an das Versorgungsamt gesendet werden.<br />
Wenn <strong>der</strong> Ausweis gestohlen wurde, muss<br />
eine Kopie <strong>der</strong> polizeilichen Bescheinigung über<br />
die abhanden gekommenen Papiere beigelegt werden.<br />
Zuzahlungen und Fahrtkosten<br />
(Gesetzliche Krankenversicherung<br />
SGB V)<br />
Zuzahlungen- Belastungsgrenze wegen chronischer<br />
Erkrankung<br />
Für alle Versicherten gibt bei den Zuzahlungen<br />
eine Belastungsgrenze von zwei Prozent ihrer jährlichen<br />
Bruttoeinnahmen. Für chronisch kranke Patienten<br />
gilt eine niedrigere Obergrenze von einem<br />
Prozent. Die Definition „chronisch krank“ setzt<br />
voraus, dass Sie sich in ärztlicher Dauerbehandlung<br />
befinden und mindestens einmal pro Quartal<br />
zum Arzt gehen. Zusätzlich muss entwe<strong>der</strong> ein<br />
GdB von mindestens 60 vorliegen, Pflegestufe II<br />
o<strong>der</strong> III o<strong>der</strong> die Einschätzung des Arztes, dass<br />
ohne kontinuierliche medizinische Versorgung eine<br />
<strong>leben</strong>sbedrohliche Verschlimmerung, vermin<strong>der</strong>te<br />
16<br />
Lebenserwartung o<strong>der</strong> dauerhafte Beeinträchtigung<br />
<strong>der</strong> Lebensqualität zu erwarten ist.<br />
Kostenübernahme <strong>der</strong> Fahrtkosten zur ambulanten<br />
o<strong>der</strong> stationären Behandlung<br />
Unter bestimmten Voraussetzungen können Fahrten<br />
zur ambulanten Behandlung verordnet und genehmigt<br />
werden. Für alle Fahrten besteht die gesetzliche<br />
Zuzahlungspflicht in Höhe von 10% <strong>der</strong><br />
Kosten je Fahrt (mindestens 5,- Euro und höchstens<br />
10,- Euro). Geleistete Zuzahlungen zu verordneten<br />
und genehmigten Fahrten sind auf die Belastungsgrenze<br />
anrechenbar.<br />
Wichtig ist, dass Sie sich frühzeitig um die ärztliche<br />
Verordnung und die Genehmigung <strong>der</strong> Krankenkasse<br />
kümmern. Der Arzt macht Angaben zur<br />
vorliegenden zwingenden medizinischen Notwendigkeit<br />
<strong>der</strong> Fahrt, zur erfor<strong>der</strong>lichen Ausstattung<br />
des Transportmittels und eventuell zur erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Betreuung.<br />
Wenn Sie in Ihrer Mobilität so eingeschränkt sind,<br />
dass in Ihrem Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweis das<br />
Merkzeichen „aG“ (außergewöhnliche Gehbehin<strong>der</strong>ung),<br />
o<strong>der</strong> „H“ (hilflos) vermerkt ist o<strong>der</strong> wenn<br />
Pflegestufe II o<strong>der</strong> III vorliegt, können die Fahrten<br />
genehmigt werden. In Ausnahmefällen kann Ihr<br />
Arzt auch bei vergleichbarer Beeinträchtigung <strong>der</strong><br />
Mobilität eine Fahrtkostenübernahme verordnen.<br />
Fahrten zu an<strong>der</strong>en ambulanten Therapien, wie z.<br />
B. Logopädie sind keine Kassenleistung.<br />
Bei Fahrten zur stationären Behandlung brauchen<br />
Sie keine Genehmigung. Zehn Prozent <strong>der</strong> Kosten<br />
müssen Sie jedoch selbst übernehmen (Mindestgrenze<br />
fünf Euro /Höchstgrenze zehn Euro).<br />
Beruf, längerfristige Arbeitsunfähigkeit,<br />
Rehabilitation und Rente<br />
wegen Erwerbsmin<strong>der</strong>ung<br />
Häufig ist <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong> Berufstätigkeit sehr früh<br />
von den Auswirkungen <strong>der</strong> ALS-Erkrankung betroffen.<br />
Meist werden zunächst Wege gesucht, den<br />
Arbeitsplatz so lange wie möglich zu erhalten –<br />
durch Anpassung, Umgestaltung, Verlegung nach<br />
Hause o.ä. Wenn es schwierig wird, die bisherige<br />
Tätigkeit weiter auszuüben, ist manchmal ein Arbeitsplatzwechsel<br />
innerhalb des Betriebes möglich.<br />
Manchmal können auch durch beson<strong>der</strong>e Hilfen im<br />
Arbeits<strong>leben</strong> bessere Bedingungen geschaffen werden.<br />
Zuständig für unterstützende Maßnahmen wie<br />
technische Arbeitshilfen, Hilfen zum Erreichen des<br />
Arbeitsplatzes, Erhaltung einer behin<strong>der</strong>ungsge-
echten Wohnung o<strong>der</strong> Arbeitsassistenz sind die<br />
Integrationsämter. Beratung und Unterstützung<br />
bieten die Integrationsfachdienste.<br />
Durch das rasche Voranschreiten <strong>der</strong> Erkrankung<br />
reicht die Zeit manchmal nicht aus, umfangreichere<br />
Maßnahmen <strong>der</strong> beruflichen Rehabilitation<br />
in die Wege zu leiten und es kommt relativ schnell<br />
zu einer Berentung. Beson<strong>der</strong>s für jüngere Betroffene<br />
und ihre Familien bringt dies neben den psychischen<br />
Auswirkungen und notwendigen Verän<strong>der</strong>ungen<br />
des Lebenskonzeptes auch gravierende materielle<br />
Einbußen mit sich und Mehrfachbelastungen<br />
des Partners, <strong>der</strong> jetzt evtl. die Familie ernähren<br />
soll, für die Kin<strong>der</strong> sorgen, den ALS-kranken<br />
Partner pflegen und obendrein die Hilfen organisieren<br />
und bei den Kostenträgern durchsetzen soll,<br />
wie z.B. Rehamaßnahmen, Hilfsmittel, Pflegestufe<br />
usw.<br />
Bei Erkrankung haben Sie als Arbeitnehmer zunächst<br />
Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den<br />
Arbeitgeber. Danach erhalten gesetzlich Versicherte<br />
Krankengeld, privat Versicherte haben in <strong>der</strong><br />
Regel eine Krankentagegeld-Versicherung. Das<br />
Krankengeld beträgt 70 Prozent des zuvor regelmäßig<br />
erzielten Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens,<br />
abzüglich Beiträgen zur Renten-, Arbeitslosen-<br />
und Pflegeversicherung. Der Anspruch<br />
besteht jedoch längsten 78 Wochen innerhalb von<br />
drei Jahren.<br />
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation können<br />
beantragt werden, wenn die Erwerbsfähigkeit<br />
erheblich gefährdet o<strong>der</strong> bereits gemin<strong>der</strong>t ist und<br />
durch diese Leistung erheblich gebessert, wie<strong>der</strong><br />
hergestellt o<strong>der</strong> eine wesentliche Verschlechterung<br />
abgewendet werden kann. Solange Sie berufstätig<br />
bzw. krank geschrieben sind ist <strong>der</strong> zuständige<br />
Kostenträger hierfür die Rentenversicherung.<br />
Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass Ihr Antrag<br />
als Rentenantrag umgedeutet werden kann,<br />
wenn ein Erfolg nicht zu erwarten ist o<strong>der</strong> die<br />
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation die<br />
vermin<strong>der</strong>te Erwerbsfähigkeit nicht verhin<strong>der</strong>t<br />
haben. Im Falle von Arbeitsunfähigkeit müssen Sie<br />
also gut abwägen, ob und ggfs. wann Sie von sich<br />
aus eine Maßnahme <strong>der</strong> medizinischen Rehabilitation<br />
beantragen wollen.<br />
Wenn aus Ihren Arztberichten hervorgeht, dass<br />
Ihre Erwerbsfähigkeit auf Dauer erheblich gemin<strong>der</strong>t<br />
ist, verlangt die Krankenkasse oft eine Stel-<br />
17<br />
lungnahme, aus <strong>der</strong> hervorgeht, ob die Berufstätigkeit<br />
wie<strong>der</strong> aufgenommen werden kann. Sie kann<br />
Ihnen eine Frist setzen, in <strong>der</strong> sich für eine Rehabilitationsmaßnahme<br />
o<strong>der</strong> den Rentenantrag entscheiden<br />
müssen. In <strong>der</strong> Regel haben Sie 10 Wochen<br />
Zeit. Wenn Sie jedoch nicht antworten, entfällt<br />
mit Ablauf <strong>der</strong> Frist <strong>der</strong> Anspruch auf Krankengeld.<br />
Um ein Rentenantragsverfahren rechtzeitig einzuleiten,<br />
ist es hilfreich zu wissen, dass die Rentenversicherer<br />
bei Renten wegen voller Erwerbsmin<strong>der</strong>ung<br />
von einer Bearbeitungszeit von etwa einem<br />
halben Jahr ausgehen.<br />
Anspruch auf Rente wegen Erwerbsmin<strong>der</strong>ung<br />
hat, wer teilweise o<strong>der</strong> voll erwerbsgemin<strong>der</strong>t ist,<br />
eine Versicherungszeit von 60 Kalen<strong>der</strong>monaten<br />
(kleine Wartezeit) erfüllt und in den letzten fünf<br />
Jahren mindestens 36 Monate Pflichtbeiträge gezahlt<br />
hat. Voraussetzung für die volle Erwerbsmin<strong>der</strong>ungsrente<br />
ist, dass Sie weniger als 3 Stunden<br />
am Tag arbeiten können. Wer noch 4 – 6 Stunden<br />
am Tag arbeitsfähig ist, erhält die Teilerwerbsunfähigkeitsrente.<br />
Durch den fortschreitenden Verlauf <strong>der</strong> Erkrankung<br />
werden sich jedoch oft Einschränkungen <strong>der</strong><br />
beruflichen Belastbarkeit ergeben, die es erfor<strong>der</strong>lich<br />
machen, einen Antrag auf volle Erwerbsmin<strong>der</strong>ungsrente<br />
zu stellen.<br />
Den Antrag stellen Sie bei Ihrem zuständigen Rentenversicherungsträger<br />
o<strong>der</strong> Sie wenden sich an<br />
einen Versichertenältesten in Ihrer Nähe. Seit Oktober<br />
2006 begegnen alle Rentenversicherungsträger<br />
ihren Versicherten als „<strong>Deutsche</strong> Rentenversicherung“.<br />
Versichertenälteste sind ehrenamtliche<br />
<strong>Mit</strong>arbeiter, die Ihnen bei <strong>der</strong> Antragstellung helfen.<br />
Wenn Sie überprüfen wollen, ob <strong>der</strong> Bescheid in<br />
Ordnung ist, z. B. ob die Zeiten richtig erfasst wurden,<br />
können Sie sich auch an einen Rentenberater<br />
wenden, <strong>der</strong> Sie individuell berät, seine Leistungen<br />
aber auch abrechnet.<br />
In geringem Umfang können Sie auch bei einer<br />
vollen Erwerbsmin<strong>der</strong>ungsrente hinzuverdienen.<br />
Die Grenzen dieses Hinzuverdienstes können Sie<br />
bei Ihrem Rentenversicherungsträger erfragen.
2 Medizinische Versorgung –<br />
therapeutische Möglichkeiten<br />
Das Behandlungsteam<br />
Dr. Jens-Peter Weber, ehemaliger Medizinischer<br />
Referent <strong>der</strong> <strong>DGM</strong><br />
Bei allen Arten von körperlichen o<strong>der</strong> psychischen<br />
Zeichen einer Erkrankung sollte zunächst <strong>der</strong><br />
Hausarzt für Sie <strong>der</strong> Ansprechpartner sein. Er<br />
sollte auch allgemeiner Wegweiser sein und als<br />
Zentralstelle für die Zusammenführung und<br />
Sammlung aller Befunde und Untersuchungsberichte<br />
<strong>der</strong> hinzugezogenen Fachärzte dienen. Dies<br />
gilt zunächst bei <strong>der</strong> Suche nach einer Diagnose,<br />
aber auch im Verlauf <strong>der</strong> Erkrankung, wenn die Diagnose<br />
bereits bekannt ist.<br />
Beim Vorliegen einer neuromuskulären Erkrankung<br />
wie einer ALS wird vielfach eine Betreuung<br />
18<br />
bei einem Neurologen notwendig sein. Dabei sollte<br />
jedoch bedacht sein, dass neuromuskuläre Erkrankungen<br />
auch im Berufs<strong>leben</strong> eines Neurologen<br />
eine Seltenheit darstellen. In vielen Fällen kann<br />
dieser Sie bei spezielleren Fragestellungen nur an<br />
eine spezialisierte Ambulanz o<strong>der</strong> Sprechstunde in<br />
einer Klinik überweisen.<br />
Die <strong>Deutsche</strong> Gesellschaft für Muskelkranke hat<br />
vor einigen Jahren ein Netz von 26 sog. Neuromuskulären<br />
Zentren initiiert. In jedem Bundesland<br />
ist damit mindestens ein Zentrum in erreichbarer<br />
Nähe. In diesen Kliniken arbeiten spezialisierte<br />
Ärzte in verschiedenen Fachabteilungen. Ihr Ziel<br />
ist es, durch erfahrene Untersucher eine effiziente<br />
Diagnostik zu ermöglichen, kompetente Beratung<br />
anzubieten und wenn möglich eine Therapie einzuleiten.
In einigen dieser Zentren gibt es sogar auf die ALS<br />
spezialisierte Sprechstunden. Neben den neurologischen<br />
Fachabteilungen sind in diesen Zentren<br />
auch an<strong>der</strong>e wichtige Fachbereiche wie Fachärzte<br />
für Erkrankungen des Bewegungsapparates (Orthopäden),<br />
Lungenfachärzte (Pneumologen), Fachärzte<br />
für Herzerkrankungen (Kardiologen) und an<strong>der</strong>e<br />
vertreten. Damit wird eine kompetente, interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit erreicht. Für den Betroffenen<br />
ist es möglich, an einer Stelle zu den verschiedenen<br />
Problemen, die sich im Verlauf <strong>der</strong> Erkrankung<br />
entwickeln können, beraten und betreut<br />
zu werden. Darüber hinaus sind die Ärzte dort über<br />
den Stand <strong>der</strong> medizinischen Forschung aktuell informiert<br />
und forschen auch vielfach selbst.<br />
Über die rein medizinische Betreuung hinaus sind<br />
aber bei <strong>der</strong> Betreuung von Betroffenen mit einer<br />
ALS weitere Fachleute von großer Bedeutung:<br />
Ein/e Physiotherapeut/in und Ergotherapeut/in, die<br />
u.U. auch ins Haus kommen, muss gefunden werden.<br />
Ein/e Logopäde/in zur Unterstützung bei Störungen<br />
des Schluckens o<strong>der</strong> des Sprechens sollte<br />
miteinbezogen werden. Ein/e Sozialberater/in, die<br />
bei den lei<strong>der</strong> so häufig vorkommenden Fragen zu<br />
sozialrechtlichen Problemen und natürlich auch<br />
psychosozialen Fragestellungen wichtige Hilfestellung<br />
geben können.<br />
Auch die pflegenden Angehörigen o<strong>der</strong> gegebenenfalls<br />
auch die <strong>Mit</strong>arbeiter/innen eines unterstützenden<br />
Pflegedienstes zählen im weiteren Sinne<br />
zum Team.<br />
Alle diese Spezialist/inn/en zusammen bilden das<br />
Behandlungsteam, welches zur optimalen Betreuung<br />
auch untereinan<strong>der</strong> im Austausch stehen sollte.<br />
AKTUELLER STAND DER THERAPIE DER<br />
AMYOTROPHEN LATERALSKLEROSE<br />
Dr. med. Katja Kollewe, Prof. Dr. med. Susanne<br />
Petri, Hannover<br />
aus: Management of Neuromuscular Diseases,<br />
Letter Nr. 33 „Aktueller Stand <strong>der</strong> Therapie <strong>der</strong><br />
ALS“, überarbeitet im Juni 2010 entsprechend <strong>der</strong><br />
aktuellen Leitlinien <strong>der</strong> European Fe<strong>der</strong>ation of<br />
Neurological Societies (EFNS task force on Management<br />
of Amyotrophic Lateral Sclerosis. Revised-Guidelines<br />
for diagnosing and clinical care of<br />
patients and relatives. An evidence-based review<br />
with Good Practice Points. An<strong>der</strong>sen et al. 2010).<br />
19<br />
Neuroprotektive Therapie<br />
Bisher ist nur die antiglutamaterge Substanz Riluzol<br />
zur kausalen Therapie <strong>der</strong> ALS zugelassen. In<br />
zwei placebokontrollierten, doppelblinden Studien<br />
konnte gezeigt werden, dass Riluzol bei einer täglichen<br />
Einnahme von 100 mg in zwei Einzeldosen<br />
von 50 mg über einen Zeitraum von 18 Monaten<br />
den Verlauf <strong>der</strong> Erkrankung verzögert und die Lebenserwartung<br />
um etwa 3 Monate erhöht. An Nebenwirkungen<br />
traten in den beiden Studien am<br />
häufigsten Müdigkeit, Übelkeit und Erhöhungen<br />
<strong>der</strong> Werte in Leberfunktionstests auf.<br />
Therapieempfehlungen<br />
Patienten mit ALS sollten möglichst früh 2x<br />
täglich 50 mg Riluzol als Dauertherapie einnehmen.<br />
Retrospektive Analysen haben gezeigt,<br />
dass dadurch die Patienten länger in den<br />
früheren Stadien <strong>der</strong> Erkrankung verbleiben.<br />
Bislang konnten keine weiteren Medikamente<br />
mit neuroprotektiver Wirkung bei ALS entwickelt<br />
werden. Umso mehr hat die symptomatische<br />
Therapie einen hohen Stellenwert für die<br />
Besserung <strong>der</strong> Lebensqualität <strong>der</strong> Patienten.<br />
Symptomatische Therapie <strong>der</strong><br />
Sialorrhoe (Speichelfluss)<br />
Die Sialorrhoe resultiert aus <strong>der</strong> Schluckstörung<br />
und nicht aus einer Überproduktion von Speichel<br />
(Pseudosialorrhoe). Sie ist sozial stigmatisierend,<br />
kann aber gut behandelt werden.<br />
Der Einsatz von Amitriptylin ist weit verbreitet,<br />
da es eine sehr gute anticholinerge Wirkung hat<br />
und kostengünstig ist. Eine Dosierung von 25-<br />
50mg 2-3x täglich ist meist ausreichend.<br />
In einer Studie zeigte sich eine signifikante Reduktion<br />
<strong>der</strong> Speichelproduktion unter Atropin-<br />
Tropfen. Für ALS-Patienten wird auf empirischer<br />
Datenlage eine Dosierung von 0,25-0,75<br />
mg Atropin-Tropfen sublingual 3x täglich empfohlen.<br />
Scopolamin kann oral verabreicht o<strong>der</strong> als Pflaster<br />
appliziert werden. Bei Patienten mit sehr starkem<br />
Speichelfluss können bis zu 2 Pflaster alle 3<br />
Tage notwendig sein.<br />
Eine mo<strong>der</strong>ne Alternative ist Botulinumtoxin: In<br />
Studien an ALS-Patienten zeigte sich eine Reduktion<br />
des Speichelflusses durch Injektion von<br />
Botulinumtoxin Typ A in die Speicheldrüsen.
Der Effekt stellt sich nach wenigen Tagen ein.<br />
Erneute Injektionen werden nach 3-4 Monaten<br />
notwendig.<br />
Eine weitere Alternative ist eine Bestrahlung <strong>der</strong><br />
Speicheldrüsen. Drei Studien an ALS-Patienten<br />
haben zufrieden stellende Resultate <strong>der</strong> Behandlung<br />
<strong>der</strong> Sialorrhoe mit externer Bestrahlung <strong>der</strong><br />
Parotis und <strong>der</strong> submandibulären Speicheldrüsen<br />
erbracht. Eine Einzelbehandlung <strong>der</strong> Parotiden<br />
mit 7 - 8 Gy ist eine einfache, schnelle, sichere<br />
und kostengünstige Prozedur.<br />
Therapieempfehlungen<br />
1. Die Sialorrhoe bei ALS-Patienten kann mit<br />
Scopolamin oral o<strong>der</strong> trans<strong>der</strong>mal behandelt<br />
werden. Als Alternativen stehen gleichwertig<br />
Atropin-Tropfen o<strong>der</strong> Amitriptylin zur<br />
Verfügung.<br />
2. Botulinumtoxin-Injektionen können in die<br />
Speicheldrüsen verabreicht werden. Eine<br />
Bestrahlung <strong>der</strong> Speicheldrüsen kann versucht<br />
werden, wenn die pharmakologische<br />
Behandlung keine Erfolge erzielt.<br />
Bronchiale Sekretion<br />
Bei Patienten mit respiratorischer Insuffizienz<br />
kann es sehr schwierig sein, die Atemwege von<br />
zähem Schleim zu befreien. Tragbare Absauggeräte<br />
sind geeignet, die oberen Luftwege zu reinigen<br />
und überschüssigen Schleim abzusaugen.<br />
Medikament wie Guaifenesin o<strong>der</strong> N-Acetylcystein,<br />
Betarezeptorantagonisten (Metoprolol o<strong>der</strong><br />
Propranolol) und/o<strong>der</strong> ein anticholinerger Bronchodilatator<br />
wie Ipratropium und/o<strong>der</strong> Theophyllin<br />
können zur Schleimverflüssigung und -lösung<br />
eingesetzt werden, allerdings liegen bisher<br />
keine kontrollierten Studien bei ALS-Patienten<br />
vor.<br />
Mechanische Hustenauslöseapparate (Insufflator-Exsufflator/Cough<br />
assist) werden bei ALS-<br />
Patienten in unkontrollierten Studien als sehr effektiv<br />
beschrieben.<br />
Therapieempfehlungen<br />
1. Der Patient und die Betreuer sollten in <strong>der</strong><br />
Technik von assistierter Hustenauslösung<br />
unterrichtet werden.<br />
2. Ein tragbares Absauggerät und ein Luftbefeuchter<br />
sollten angeboten werden.<br />
20<br />
3. Schleimlösende Medikamente wie N-Acetylcystein,<br />
200 - 400 mg 3x/Tag können angewendet<br />
werden.<br />
4. Wenn diese Maßnahmen unzureichend sind,<br />
kann ein Vernebler mit Salinen o<strong>der</strong> mit<br />
einem Betarezeptorantagonisten und/o<strong>der</strong><br />
einem anticholinergen Bronchodilatator in<br />
Kombination verwendet werden.<br />
5. Der Gebrauch eines mechanischen Insufflators/Exsufflators<br />
kann sehr hilfreich sein.<br />
Pseudobulbäre emotionale<br />
Labilität<br />
Pseudobulbäre Zeichen wie Zwangsweinen,<br />
Zwangslachen o<strong>der</strong> Zwangsgähnen können ein<br />
erhebliches soziales Problem darstellen. Die Affektlabilität<br />
tritt bei ca. 50% <strong>der</strong> ALS- Patienten<br />
auf. Eine randomisierte kontrollierte Studie mit<br />
einer Kombination von Dextrometorphan und<br />
Quinidin hat gezeigt, dass diese Kombination<br />
eine Verbesserung <strong>der</strong> Affektlabilität und <strong>der</strong> Lebensqualität<br />
erbringt. Fluvoxamin, Amitriptylin,<br />
Citalopram und auch Dopamin (L-Dopa) und Lithium<br />
wurden bei an<strong>der</strong>en neurologischen Erkrankungen<br />
mit pseudobulbären Zeichen mit<br />
guten Resultaten getestet. Es scheint keinen Vorteil<br />
in <strong>der</strong> Behandlung für ein bestimmtes Medikament<br />
zu geben, daher sollte die Medikation<br />
unter dem Aspekt <strong>der</strong> Verträglichkeit und Sicherheit<br />
verordnet werden.<br />
Therapieempfehlungen<br />
1. Der Patient und seine Angehörigen sollten<br />
über das Wesen <strong>der</strong> pseudobulbären emotionalen<br />
Labilität informiert werden.<br />
2. Wenn <strong>der</strong> inadäquate emotionale Ausdruck<br />
den Patienten belastet, sollte eine Behandlung<br />
erfolgen. Es können Amitriptylin,<br />
Fluvoxamin o<strong>der</strong> Citalopram eingesetzt<br />
werden.<br />
3. Eine Kombination aus Dextrometorphan<br />
und Quinidin hat sich in einer Klasse I A-<br />
Studie als effektiv erwiesen, es fehlen aber<br />
breitere Erfahrungen.<br />
Krämpfe<br />
Krämpfe können ein frühes und belastendes<br />
Symptom <strong>der</strong> ALS sein. In zwei placebo-kontrollierten<br />
und doppelblinden Studien bei Patienten<br />
mit Krämpfen ohne ALS konnte ein positiver Effekt<br />
<strong>der</strong> Behandlung mit Chinin(-sulfat) festgestellt<br />
werden, nicht jedoch bei Behandlung mit<br />
Vitamin E. Erfahrungsgemäß können auch Mas-
sage, Krankengymnastik, Hydrotherapie, Magnesium,<br />
Carbamazepin, Diazepam, Phenytoin,<br />
Verapamil und Gabapentin Muskelkrämpfe abmil<strong>der</strong>n,<br />
wobei evidenz-basierte Studie dazu ausstehen.<br />
Therapieempfehlungen<br />
1. Krämpfe sollten mit Chinin (-sulfat) behandelt<br />
werden.<br />
2. Physiotherapie, Krankengymnastik und/o<strong>der</strong><br />
Hydrotherapie können hilfreich sein.<br />
Spastik<br />
Spastik kann die Bewegungsmöglichkeiten einschränken<br />
und schmerzhaft sein. Physikalische<br />
Therapie/Krankengymnastik ist hilfreich. Dies<br />
konnte in einer Klasse II B-Studie gezeigt werden.<br />
An<strong>der</strong>e Anwendungen wie Hydrotherapie, Wärme,<br />
Kälte, elektrische Stimulation und in seltenen Fällen<br />
eine chirurgische Intervention können therapeutisch<br />
genutzt werden, obwohl keine kontrollierten<br />
Studien bei ALS-Patienten existieren. Die orale<br />
Gabe von Baclofen (bis zu 80 mg/Tag) kann<br />
ebenso wie die intrathekale Baclofen-Behandlung<br />
effektiv sein in <strong>der</strong> Spastiktherapie bei ALS-Patienten.<br />
Die intrathekale Baclofen-Gabe war in<br />
kleinen Vergleichsuntersuchungen effektiver als<br />
die orale Medikation und erbrachte eine deutliche<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Lebensqualität <strong>der</strong> Patienten. An<strong>der</strong>e<br />
Medikamente sind bisher nicht systematisch<br />
bei ALS-Kranken untersucht worden. Im klinischen<br />
Alltag hat sich die Gabe von Gabapentin<br />
(900 – 2400 mg täglich), Tizanidin (6 – 24 mg/täglich),<br />
Memantin (10 – 60 mg täglich), Dantrolen<br />
(25 – 100 mg täg¬lich) und Diazepam (10 – 30 mg<br />
täglich) bewährt. In Einzelfallstudien wird über<br />
den Einsatz von Botulinumtoxin A berichtet, um<br />
Trismus und Stridor zu behandeln.<br />
Therapieempfehlungen<br />
1. Bei ausgeprägter Spastik wird regelmäßige<br />
Physiotherapie empfohlen.<br />
2. Hydrotherapie mit Übungen in gewärmten<br />
Pools (32 – 34°) und Kryo-(Kälte)Therapie<br />
können hilfreich sein.<br />
3. Antispastika wie Baclofen und Tizanidin<br />
können verwendet werden.<br />
4. Wenn die Spastik mit oraler Medikation<br />
nicht ausreichend behandelt ist, kann <strong>der</strong><br />
Einsatz von intrathekalem Baclofen hilfreich<br />
sein.<br />
21<br />
Depression, Angst und<br />
Schlaflosigkeit<br />
Depressionen wie auch Schlafstörungen treten<br />
häufig und in allen Stadien <strong>der</strong> Erkrankung auf.<br />
Die vier am häufigsten eingesetzten Antidepressiva<br />
sind Amitriptylin, Sertralin, Fluoxetin und Paroxetin.<br />
Amitriptylin hat einen guten Effekt bei niedrigen<br />
Behandlungskosten. Zur Behandlung <strong>der</strong><br />
Schlaflosigkeit bei ALS-Kranken werden Amitriptylin<br />
und Zolpidem am häufigsten eingesetzt. Es<br />
existieren keine systematischen Studien zur Behandlung<br />
<strong>der</strong> Angstsymptomatik, empfohlen werden<br />
kann die orale Gabe von Diazepam o<strong>der</strong> Lorazepam.<br />
Therapieempfehlungen<br />
1. Depressionen bei ALS-Patienten sollten mit<br />
adäquaten Antidepressiva behandelt werden,<br />
z.B. mit Amitriptylin o<strong>der</strong> einem SSRI.<br />
2. Einschlafstörungen sollten mit Amitriptylin<br />
o<strong>der</strong> einem adäquaten Schlafmittel behandelt<br />
werden (z.B. Zolpidem, Zopiclon, Diphenhydramin).<br />
3. Angstzustände sollten mit Benzodiazepinen<br />
wie Diazepam-Tabletten o<strong>der</strong> -Suppositorien,<br />
o<strong>der</strong> mit Lorazepam (z.B. lyophilisierte<br />
Tabletten) behandelt werden.<br />
Schmerzen<br />
Schmerzen treten bei ALS häufig auf. Bei einigen<br />
familiären ALS-Syndromen gehört auch ein<br />
neuropathischer Schmerz zum <strong>Krankheit</strong>sbild.<br />
Die Behandlung ist unspezifisch und sollte den<br />
internationalen Standards <strong>der</strong> Schmerzbehandlung<br />
<strong>der</strong> WHO folgen. Die Therapie sollte mit<br />
einfachen Analgetika wie Paracetamol begonnen<br />
werden, gefolgt von schwachen Opioiden wie<br />
Tramadol. Als nächster Schritt können stärkere<br />
Opioide wie Morphin eingesetzt werden. Ein liberaler<br />
Gebrauch von Opioiden ist vertretbar,<br />
wenn nicht-steroidale Antiphlogistika nicht mehr<br />
ausreichend wirksam sind, mit dem weiteren<br />
Vorteil, gleichzeitig einen positiven Einfluss auf<br />
Dyspnoe sowie Angstsymptomatik zu haben. Ein<br />
Nachteil ist jedoch die mögliche Opstipation.<br />
Therapieempfehlungen<br />
Schmerzen bei ALS-Patienten sollten nach den<br />
internationalen Leitlinien zur Schmerzbehandlung<br />
erfolgen.
PHYSIOTHERAPIE, ERGOTHERAPIE<br />
UND LOGOPÄDIE<br />
Janine Šušak, Physiotherapeutin,<br />
<strong>DGM</strong>-Hilfsmittelberatung<br />
Cordula Winterholler, M. A., Lehrlogopädin<br />
für Dysphagie und Dysarthrophonie,<br />
Erlangen<br />
Die verschiedenen therapeutischen Techniken zur<br />
Schmerzlin<strong>der</strong>ung, Aktivierung <strong>der</strong> Muskulatur<br />
und Entspannung entsprechend dem persönlichen<br />
Leistungsniveau geben den ALS Patienten begleitend<br />
zur ärztlichen, pflegerischen und psychosozialen<br />
Therapie die Möglichkeit zur Schmerzverarbeitung<br />
sowie zur Aneignung von Kompensationsstrategien<br />
zum Ausgleich von abnehmenden Körperfunktionen.<br />
In den Vor<strong>der</strong>grund werden die Bewegungsmöglichkeiten<br />
des Patienten gestellt und<br />
nicht seine Einschränkungen, da durch diese Maßnahmen<br />
den Patienten auch Erfolgserlebnisse vermittelt<br />
werden sollen. Die Bereiche Bewegungserlebnis,<br />
Wahrnehmung und Handlungskompetenz<br />
werden geför<strong>der</strong>t sowie die Bereiche Flexibilität,<br />
Kraft, Ausdauer und Koordination erhalten bzw.<br />
verbessert. Ein erweiterter Aktionsradius, Eigeninitiative<br />
und das Vermitteln neuer Erfahrungen sowie<br />
Freude an <strong>der</strong> Bewegung sind weitere wichtige<br />
Ziele die in <strong>der</strong> Therapie verfolgt werden.<br />
Das primäre Ziel <strong>der</strong> s.g. symptomatischen Therapien<br />
ist es, durch entsprechende Behandlungskonzepte<br />
die Auswirkungen <strong>der</strong> ALS und die Folgen<br />
<strong>der</strong> Erkrankung so gering wie möglich zu halten,<br />
um dadurch die Selbständigkeit ALS Betroffener<br />
im Alltag zu erhalten bzw. zu verbessern sowie<br />
eine bestmögliche Lebensqualität zu ermöglichen.<br />
Um vorhandene Fähigkeiten auf einem möglichst<br />
stabilen Niveau zu erhalten und den Verlauf <strong>der</strong> Erkrankung<br />
positiv zu beeinflussen, sind regelmäßige<br />
ambulante Therapien erfor<strong>der</strong>lich. Darüber hinaus<br />
sollte ebenfalls in regelmäßigen Abständen eine<br />
stationäre Rehabilitation erfolgen.<br />
Die Behandlungsmethoden <strong>der</strong> symptomatischen<br />
Therapien sollten vor allem befundorientiert sein<br />
und sich stets an <strong>der</strong> individuellen Situation des<br />
Betroffenen sowie dem aktuellen Stadium <strong>der</strong> Erkrankung<br />
orientieren.<br />
Von großer Bedeutung ist die Schulung <strong>der</strong> Körperwahrnehmung<br />
und <strong>der</strong> Alltagsaktivitäten, so<br />
22<br />
dass die Betroffenen eigene Leistungsreserven,<br />
aber auch Grenzen erkennen und die vorhandene<br />
Muskelkraft im Alltag effektiv und zielgerichtet<br />
einsetzen können. Durch die Erarbeitung von<br />
Kompensationsstrategien, z.B. beim Gehen o<strong>der</strong><br />
Sprechen, ist es möglich, den Verlust von Körperfunktionen<br />
teilweise auszugleichen. An<strong>der</strong>s als bei<br />
an<strong>der</strong>en neurologischen Erkrankungen sollte in <strong>der</strong><br />
Therapie von Patienten mit ALS das Anwenden<br />
von Kompensationsbewegungen geför<strong>der</strong>t werden.<br />
Sie sind oftmals die einzige Alternative für den Betroffenen,<br />
den Alltag so lange wie möglich selbstbestimmt<br />
gestalten zu können.<br />
Physiotherapie<br />
Die Physiotherapie ist neben <strong>der</strong> Ergotherapie und<br />
Logopädie ein wesentlicher Bestandteil <strong>der</strong> symptomatischen<br />
Therapie. <strong>Mit</strong> entsprechenden individuellen<br />
Behandlungskonzepten und <strong>der</strong> Anpassung<br />
von Hilfsmitteln zum Ausgleich <strong>der</strong> körperlichen<br />
Defizite kann dem Betroffenen und seinen <strong>Mit</strong>menschen<br />
die Bewältigung des Alltages und die<br />
Erhaltung <strong>der</strong> großmöglichsten Selbständigkeit erleichtert<br />
werden.<br />
Die physiotherapeutische Behandlung bietet Hilfe<br />
bei <strong>der</strong> Erhaltung <strong>der</strong> Muskelkraft und –ausdauer,<br />
vor allem aber wird die Funktion <strong>der</strong> Muskulatur<br />
erhalten bzw. verbessert sowie <strong>der</strong>en Leistung optimiert.<br />
Durch das Dehnen verkürzter Muskeln kann<br />
die Gelenkbeweglichkeit verbessert, komplexe Bewegungsabläufe<br />
können dadurch häufig leichter<br />
bewältigt werden. <strong>Mit</strong>tels entsprechen<strong>der</strong> Übungen<br />
können Alltagsbewegungen leichter und ausdauern<strong>der</strong><br />
durchgeführt, erkrankungsbedingte Beschwerden<br />
können dadurch insgesamt gelin<strong>der</strong>t<br />
werden.
Passive Maßnahmen, wie Schmerzlin<strong>der</strong>ung, Entspannung<br />
und Lagerung sind ebenfalls geeignete<br />
Therapiemaßnahmen bei ALS. Die Abnahme des<br />
Eigengewichts im Schlingentisch ermöglicht z.B.<br />
viele Bewegungen, <strong>der</strong>en Durchführung aufgrund<br />
<strong>der</strong> schwachen Muskulatur sonst unmöglich wäre.<br />
In gleicher Weise wirkt <strong>der</strong> Auftrieb des Wassers<br />
im Bewegungsbad. Vor Beginn <strong>der</strong> Therapie im<br />
Wasser sollten durch den Arzt die kardiologische<br />
und beson<strong>der</strong>s die pulmonale Belastbarkeit festgestellt<br />
werden.<br />
Bei ALS arbeitet die betroffene Muskulatur oft an<br />
ihrer Leistungsgrenze. Der zunehmende Kraftverlust<br />
hat seine Ursache nicht in einem Mangel an<br />
Bewegung und Training, son<strong>der</strong>n im Verlust <strong>der</strong><br />
Nervenstrukturen in <strong>der</strong> Muskulatur. Der behandelnde<br />
Therapeut sollte daher stets darauf achten,<br />
dass die Kraftreserven <strong>der</strong> Muskulatur nicht während<br />
<strong>der</strong> Therapie verbraucht werden, son<strong>der</strong>n dem<br />
Betroffenen zur Bewältigung des Alltages zur Verfügung<br />
stehen. Die Wahl <strong>der</strong> optimalen Reiz- und<br />
Belastungsdosierung ist bei je<strong>der</strong> Behandlung in<br />
Zusammenarbeit mit dem Betroffenen neu festzulegen.<br />
Im <strong>Krankheit</strong>sverlauf werden sich immer<br />
wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Charakter und Inhalt <strong>der</strong> Therapie verän<strong>der</strong>n.<br />
Gesetzte Ziele müssen in regelmäßigen<br />
Abständen auf ihre Realisierbarkeit hin überprüft<br />
und nach Bedarf flexibel verän<strong>der</strong>t werden. Es hat<br />
zum Beispiel wenig Sinn, an einem nicht mehr innervierten<br />
Fußhebermuskel zu arbeiten, während<br />
das Fortschreiten <strong>der</strong> Erkrankung ein stabiles Sitzen<br />
unmöglich macht.<br />
Auch bei Beeinträchtigung <strong>der</strong> Lungenfunktion ist<br />
Physiotherapie in Form von Atemtherapie unerlässlich,<br />
einerseits zum Training <strong>der</strong> entsprechenden<br />
Muskulatur, an<strong>der</strong>erseits zur Unterstützung <strong>der</strong> Sekretelimination<br />
und des Abhustmeachanismus. Zu<br />
den möglichen Folgen <strong>der</strong> ALS gehört eine Schwächung<br />
<strong>der</strong> Atemmuskulatur, die je nachdem, wel-<br />
23<br />
che Muskelgruppen durch die Erkrankung betroffen<br />
sind, in unterschiedlichem Ausmaß auftreten<br />
kann. Ein frühzeitiges Training <strong>der</strong> Atemmuskulatur<br />
mittels Atemtherapie kann eine sog. ventilatorische<br />
Insuffizienz verzögern. Im fortgeschrittenen<br />
Stadium <strong>der</strong> Erkrankung zielt die Atemtherapie in<br />
erster Linie auf die Erhaltung <strong>der</strong> Beweglichkeit<br />
des Brustkorbs sowie die Sekretmobilisation durch<br />
Vermittlung entsprechen<strong>der</strong> Hustentechniken.<br />
Ergotherapie<br />
Die Ergotherapie hat ähnliche Ansätze wie die<br />
Physiotherapie, <strong>der</strong> Schwerpunkt liegt aber auf <strong>der</strong><br />
Unterstützung des Betroffenen bei den selbständigen<br />
Verrichtungen des alltäglichen Lebens. Im<br />
Rahmen <strong>der</strong> Ergotherapie erfolgt nicht nur das Einüben<br />
alltagsrelevanter Aufgaben, son<strong>der</strong>n auch die<br />
Versorgung und Anpassung geeigneter Hilfsmittel.<br />
Logopädie<br />
Bei ungefähr 25% <strong>der</strong> Patienten beginnt die ALS<br />
bulbär, was bedeutet, dass das Sprechen, die<br />
Stimme und das Schlucken zuerst betroffen sind.<br />
Dabei bemerken oft erst die <strong>Mit</strong>menschen das diskret<br />
verän<strong>der</strong>te Sprechen, bevor den Patienten<br />
selbst die allmählichen Verän<strong>der</strong>ungen auffallen.<br />
Oft herrscht Unsicherheit darüber, wer <strong>der</strong> richtige<br />
Ansprechpartner für bestimmte Probleme ist. Wer<br />
hilft, wenn die Stimme nicht mehr so kräftig ist,<br />
das Sprechen verwaschen klingt und schwer fällt<br />
und das Essen immer anstrengen<strong>der</strong> und belasten<strong>der</strong><br />
wird? Für diese Fälle gibt es therapeutische<br />
Unterstützung von Seiten <strong>der</strong> Logopädie. Die logopädische<br />
Therapie ist Teil <strong>der</strong> medizinischen<br />
Grundversorgung und wird von dem behandelnden<br />
Arzt verordnet. Ein Rezept umfasst 10 Behandlungseinheiten,<br />
die Möglichkeit einer Langzeitverordnung<br />
ist mit medizinischer Begründung möglich.<br />
Ebenso besteht die Möglichkeit von Hausbesuchen,<br />
wenn Betroffene nicht mehr mobil sind.<br />
Dies muss <strong>der</strong> Arzt auf dem Rezept geson<strong>der</strong>t vermerken.<br />
Zu den Schwerpunkten <strong>der</strong> logopädischen Therapie<br />
gehört neben <strong>der</strong> Behandlung von Sprechstörungen
(Dysarthrophonie) auch gezieltes Schlucktraining.<br />
Als geeignete restituierende Behandlungsmethoden<br />
haben sich Therapieansätze aus <strong>der</strong> F.O.T.T.<br />
(Fazio-Orale-Trakt-Therapie), sowie aus <strong>der</strong> Castillo<br />
Morales und Vojta Therapie (je nach Indikation)<br />
erwiesen. Für den Bereich des Sprechens gehören<br />
außerdem die Einbeziehung entsprechen<strong>der</strong><br />
Hilfsmittel, wie z.B. verschiedener Kommunikationsgeräte<br />
und <strong>der</strong>en individuelle Anpassung zu<br />
den Aufgaben eines Logopäden.<br />
In jedem Fall beginnt die Therapie mit einer eingehenden<br />
Diagnostik. Hier verschafft sich die TherapeutIn<br />
einen Eindruck von dem Stimmklang, <strong>der</strong><br />
Belastbarkeit <strong>der</strong> Stimme, dem Sprechen, den<br />
Möglichkeiten <strong>der</strong> Kommunikation, <strong>der</strong> Atmung,<br />
<strong>der</strong> Gesamtkörperhaltung, <strong>der</strong> Ernährung sowie<br />
<strong>der</strong> möglichen Schluckbeschwerden.<br />
Diese Diagnostik sowie die individuellen Bedürfnisse<br />
des Patienten sind die Basis für eine weitere<br />
Therapie. Gemeinsam werden Inhalte und Ziele<br />
besprochen. Auch eine eingehende Angehörigenberatung<br />
gehört dazu.<br />
Wichtig ist beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Aspekt, dass die Diagnostik<br />
sich nicht ausschließlich auf das ”Sprechen”<br />
o<strong>der</strong> das ”Schlucken” beschränkt. Häufig er<strong>leben</strong><br />
Logopäden, dass Betroffene mit ersten Sprechproblemen<br />
zu ihnen kommen, aber dass eine Schluckstörung<br />
noch gar nicht so ins Gewicht fiel. Wenn<br />
das Sprechen schlechter wird, sind die Reaktionen<br />
<strong>der</strong> Umwelt immer sehr schnell und deutlich. Da<br />
aber das Schlucken und Sprechen im gleichen<br />
”Muskelbereich” stattfinden, ist eine sorgfältige<br />
Überprüfung bei<strong>der</strong> Funktionen angebracht. Des<br />
Weiteren ist die Atmung eine notwendige Voraussetzung<br />
für die Stimmgebung und darf somit auch<br />
nicht außer Acht gelassen werden. In <strong>der</strong> Therapie<br />
wird dann mit Hilfe von Stimulation des Mundraumes<br />
(z.B. mit Eis, durch Massage, etc.), mit spe-<br />
24<br />
ziellen Übungen zu den einzelnen Bereichen versucht,<br />
die jeweilige individuelle Situation des Betroffenen<br />
zu unterstützen und vielleicht auch zu<br />
verbessern.<br />
Die Annahme, dass mit Ende <strong>der</strong> Sprechfähigkeit<br />
eine logopädische Therapie nicht mehr sinnvoll sei,<br />
ist sehr kurz gefasst und gedacht. Im Bereich <strong>der</strong><br />
Sprechfähigkeit hat die TherapeutIn den Betroffenen<br />
optimalerweise schon länger betreut, sodass<br />
die Auswahl eines geeigneten Kommunikationsmittels<br />
sinnvollerweise auch in das Aufgabengebiet<br />
fällt. Ebenso das Gebrauchstraining und die Schulung<br />
<strong>der</strong> Angehörigen, die ja auch vor einer neuen<br />
Kommunikationssituation stehen. Was aber noch<br />
sehr viel wichtiger ist, ist die weitere Arbeit an <strong>der</strong><br />
Schluckfähigkeit. Denn passiert jetzt, wenn das<br />
Sprechen nicht mehr möglich ist, keine Stimulation<br />
des Mundraumes mehr, baut dieser Bereich<br />
noch sehr viel schneller ab.<br />
Ein Ende <strong>der</strong> Therapie ist daher nicht generell und<br />
pauschaliert zu definieren, son<strong>der</strong>n ist gemeinsam<br />
mit dem Betroffenen und seinen individuellen Bedürfnissen<br />
abzustimmen.<br />
Überlastung vermeiden!<br />
Muskelschmerzen, Erschöpfungszustände, Schwächegefühl<br />
nach <strong>der</strong> Behandlung, ausgeprägte Muskelkrämpfe<br />
sowie anhaltende Kurzatmigkeit können<br />
auf eine Überlastung deuten. Da eine hohe Belastung<br />
<strong>der</strong> geschwächten Muskulatur während <strong>der</strong><br />
Therapie Muskelkrämpfe för<strong>der</strong>t, zu Mikroverletzungen<br />
<strong>der</strong> Muskulatur (Muskelkater) und zu Erschöpfungszuständen<br />
führt, ist von einem intensiven<br />
Krafttraining grundsätzlich abzuraten.<br />
Kooperation zwischen den Therapeuten<br />
aus den einzelnen Therapiebereichen<br />
Die Symptome sind bei jedem ALS Betroffenen<br />
äußerst unterschiedlich, daher erfor<strong>der</strong>t die Komplexität<br />
des individuellen <strong>Krankheit</strong>sverlaufs von<br />
den Therapeuten eine fundierte Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
mit dem Mechanismen <strong>der</strong> ALS und eine<br />
ständige, kritische Überprüfung <strong>der</strong> gewählten<br />
Therapiemethoden sowie <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Übungen.<br />
Die jeweiligen Übungen und Methoden aus<br />
den verschiedenen therapeutischen Bereichen können<br />
sich gut ergänzen. Wenn sich die Therapeuten<br />
aus den einzelnen Therapiebereichen gut abstimmen<br />
und ein gut kooperierendes interdisziplinäres<br />
Team mit dem Patienten arbeitet, profitieren häu-
fig alle davon. Auch wenn das im therapeutischen<br />
Alltag nicht immer realisierbar ist, gilt grundsätzlich,<br />
dass sich die Therapeuten untereinan<strong>der</strong> austauschen<br />
und die Erfahrungen und Eindrücke ihrer<br />
Therapie darlegen sollten. Auf diese Weise kann<br />
eine effektive und für den Patienten optimale Zusammenarbeit<br />
entstehen, ohne dass einzelne Therapieinhalte<br />
und Ziele den Zweck verfehlen.<br />
Es empfiehlt es sich grundsätzlich, die Angehörigen<br />
in die Therapien mit einzubeziehen und entsprechend<br />
anzuleiten. Diese können natürlich kein<br />
Fachpersonal ersetzen, aber durch ein fachgerechtes<br />
Handling unterstützen.<br />
Hilfsmittelversorgung<br />
Da ALS Betroffene für die Bewältigung ihres Alltags<br />
häufig spezielle Hilfsmittel benötigen, ist es<br />
empfehlenswert, sich bereits vor <strong>der</strong> Antragstellung<br />
über geeignete Hilfsmittel unverbindlich zu<br />
informieren und beraten zu lassen. Hilfsmittel sind<br />
häufig aus verschiedenen Prospekten bekannt, <strong>der</strong><br />
praktische Umgang damit bietet jedoch ganz an<strong>der</strong>e<br />
Perspektiven. Daher sollten die in Frage kommenden<br />
Hilfsmittel unbedingt vor <strong>der</strong> definitiven<br />
Versorgung auf die individuelle Eignung getestet<br />
werden. Auf diese Weise können Fehlversorgungen<br />
vermieden werden.Vor allem das Ausprobieren von<br />
Hilfsmitteln wie Rollstühle und Kommunikationssysteme<br />
in <strong>der</strong> häuslichen Umgebung zeigt eventuelle<br />
Schwierigkeiten und Grenzen bei <strong>der</strong> Benutzung<br />
auf. Gleichzeitig erleichtert es die Entscheidung,<br />
welche Produkte für den Benutzer beson<strong>der</strong>s<br />
geeignet und sinnvoll sind. Verschiedene Prospekte<br />
und Broschüren liefern Informationen zu einzelnen<br />
Hilfsmitteln, ersetzen jedoch nicht das Testen und<br />
die Beratung im Einzelfall.<br />
Eine optimale Hilfsmittelversorgung erfolgt im<br />
Idealfall in enger Zusammenarbeit von Patient,<br />
Arzt, Therapeut und Sanitätshaustechniker. Hier<br />
sind aufgeklärte und kritische Patienten mit Eigenkompetenz<br />
gefragt, die wissen, dass sie nicht abwarten<br />
dürfen bis es zu einer Fehlversorgung<br />
kommt, son<strong>der</strong>n aktiv in die Hilfsmittelversorgung<br />
eingreifen müssen – je früher desto besser. Erfahrungen<br />
von professionellen Beratern z. B. aus<br />
Selbsthilfeverbänden sowie von an<strong>der</strong>en Betroffenen<br />
können dabei sehr hilfreich sein. Durch diese<br />
Vorgehensweise lassen sich in vielen Fällen Fehlversorgungen<br />
vermeiden.<br />
25<br />
Die Suche nach qualifizierten<br />
Therapeuten<br />
Sehr häufig fragen ALS Betroffene und ihre Angehörigen<br />
nach einer speziellen Therapiemethode,<br />
die beson<strong>der</strong>s gut auf den <strong>Krankheit</strong>sverlauf Einfluss<br />
nimmt, nach geeigneten Therapieeinrichtungen<br />
sowie nach entsprechend ausgebildeten Therapeuten.<br />
Grundsätzlich sind Therapeuten nicht auf<br />
einzelne Muskelerkrankungen spezialisiert, dafür<br />
treten diese <strong>Krankheit</strong>en zu selten auf. Auch eine<br />
spezielle Therapiemethode zur Behandlung <strong>der</strong><br />
Symptomen von ALS gibt es nicht.<br />
Wichtig bei <strong>der</strong> Suche nach dem „richtigen” Therapeuten<br />
ist, sich zunächst über seine berufliche<br />
Qualifikation zu informieren und bereits bei <strong>der</strong><br />
ersten Kontaktaufnahme nach den Erfahrungen mit<br />
<strong>der</strong> Behandlung von neuromuskulären Erkrankungen<br />
zu fragen. Je nach persönlichem Behandlungsschwerpunkt<br />
arbeiten die meisten Therapeuten methodenübergreifend.<br />
Das heißt, sie wenden eine<br />
persönliche Mischung verschiedener Methoden<br />
und Behandlungstechniken an, die sich aus bestimmten<br />
Schwerpunkten herleiten (Neurologie,<br />
Orthopädie). Nicht jede Behandlungsmethode ist<br />
für jeden Betroffenen gleichermaßen geeignet. Insofern<br />
ist die Eignung des Therapeuten nicht nur<br />
von <strong>der</strong> Berufsausbildung und dem individuellem<br />
Behandlungsschwerpunkt abhängig, son<strong>der</strong>n auch<br />
davon, ob er bereit ist, sich auf die beson<strong>der</strong>en Bedürfnisse<br />
des Patienten einzulassen und die Behandlung<br />
entsprechend zu gestalten. Um die gemeinsam<br />
festgelegten Therapieziele zu erreichen,<br />
sollte je<strong>der</strong> Therapeut die Therapiemethoden und<br />
Maßnahmen anwenden, die er am besten beherrscht,<br />
und die individuellen Bedürfnisse des Patienten<br />
berücksichtigen.<br />
Aus diesem Grund können keine allgemeinen<br />
Empfehlungen bzgl. einzelner Therapieeinrichtungen<br />
pauschal gegeben werden, da für die meisten<br />
Patienten neben <strong>der</strong> verordneten Therapie weitere<br />
individuelle Faktoren bei <strong>der</strong> Auswahl wichtig<br />
sind: Art des therapeutischen Angebotes, persönliche<br />
Beziehung zum Therapeuten, Ausstattung und<br />
Erreichbarkeit <strong>der</strong> Praxis, geographische Lage,<br />
mögliche Kostenträger usw. Insofern ist es sinnvoll,<br />
in einem Vorgespräch alle diese Aspekte abzuklären.<br />
Seit vielen Jahren bietet die <strong>DGM</strong> bundesweit<br />
Fortbildungen für Therapeuten an, die Patienten<br />
mit neuromuskulären Erkrankungen behandeln.<br />
Die Adressen <strong>der</strong> Fortbildungsteilnehmer sowie Informationsbroschüren<br />
und Faltblätter zum Thema
symptomatische Therapien können in <strong>der</strong> Bundesgeschäftstelle<br />
<strong>der</strong> <strong>DGM</strong> angefor<strong>der</strong>t werden.<br />
STATIONÄRE REHABILITATION<br />
Dr. med. Carsten Schröter, Klinik Hoher<br />
Meissner, Bad Sooden-Allendorf<br />
„Leistungen zur medizinischen Rehabilitation“<br />
werden oft auch nur kurz als „Reha“ bezeichnet.<br />
Man unterscheidet ambulante, teilstationäre und<br />
vollstationäre Rehabilitation. Wenn ambulante Rehabilitationsleistungen<br />
nicht ausreichen, kann eine<br />
stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung<br />
in einer Rehabilitationseinrichtung erbracht<br />
werden. Die stationäre Rehabilitation ermöglicht<br />
eine optimale Patientenbehandlung, um<br />
latent vorhandene Fähigkeiten und Funktionen zu<br />
verbessern und damit möglichst den Verlauf <strong>der</strong><br />
Erkrankung günstig zu beeinflussen. Eine Maßnahme<br />
<strong>der</strong> stationären Rehabilitation sollte in einer<br />
Neurologischen Fachklinik stattfinden, die in <strong>der</strong><br />
Behandlung neuromuskulärer <strong>Krankheit</strong>sbil<strong>der</strong><br />
versiert ist – eine Liste geeigneter Rehabilitationskliniken<br />
hält die <strong>DGM</strong> vor.<br />
Der Antrag erfolgt unterstützt durch den Hausarzt<br />
o<strong>der</strong> betreuenden Neurologen an den zuständigen<br />
Kostenträger. Für Berufstätige ist <strong>der</strong> Kostenträger<br />
in <strong>der</strong> Regel die Rentenversicherung. Ist das Ziel<br />
<strong>der</strong> Rehabilitationsmaßnahme nicht <strong>der</strong> Erhalt <strong>der</strong><br />
Erwerbsfähigkeit, ist in <strong>der</strong> Regel die Krankenkasse<br />
anzusprechen. Die Krankenversicherung gewährt<br />
Leistungen mit dem Ziel, Behin<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong><br />
Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu<br />
min<strong>der</strong>n, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu<br />
verhüten o<strong>der</strong> ihre Folgen zu mil<strong>der</strong>n. Wichtig ist,<br />
dass <strong>der</strong> Hausarzt bei <strong>der</strong> Beantragung detailliert<br />
begründet, warum ambulante Maßnahmen nicht<br />
ausreichen und welche Ziele mit <strong>der</strong> stationären<br />
Maßnahme erreicht werden sollen, weshalb also<br />
ein Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik sinnvoll<br />
ist.<br />
In einer Rehabilitationsklinik erfolgen, abgestimmt<br />
in einem interdisziplinären Behandlungsteam, regelmäßige<br />
Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie<br />
zur Verbesserung <strong>der</strong> muskulären Funktionen,<br />
des Sprechens, des Atmens und des Schluckens.<br />
Wichtig sind dabei auch das Abklären des<br />
Ausmaßes <strong>der</strong> sinnvollen körperlichen Belastung<br />
und das Er<strong>lernen</strong> eines jeweiligen Eigenübungs-<br />
26<br />
programms mit in <strong>der</strong> Behandlung dieser Erkrankung<br />
erfahrenen Therapeuten.<br />
Weitere Bestandteile sind die psychologische Betreuung<br />
zur <strong>Krankheit</strong>sverarbeitung, das Sammeln<br />
von Erfahrungen über den Umgang mit <strong>der</strong> Erkrankung,<br />
wenn gewünscht auch <strong>der</strong> Austausch mit an<strong>der</strong>en<br />
Betroffenen. Oft werden bei ALS-Betroffenen<br />
depressive Syndrome beobachtet. Ursache ist<br />
dabei die Verarbeitung <strong>der</strong> progredienten Erkrankung.<br />
Oft kommen aber auch Probleme <strong>der</strong> sozialen<br />
Integration und Sicherheit hinzu. Entsprechend<br />
kann <strong>der</strong> Aufbau einer konstruktiven Einstellung<br />
zum Umgang mit <strong>der</strong> Erkrankung sehr erschwert<br />
sein. Aber nur mit einer konstruktiven Einstellung<br />
kann <strong>der</strong> Patient optimal bei <strong>der</strong> Behandlung mithelfen.<br />
Psychologische Einzelgespräche sind deshalb<br />
im Rahmen <strong>der</strong> stationären Rehabilitation in<br />
<strong>der</strong> Regel notwendig.<br />
Auch die Partner <strong>der</strong> Betroffenen dürfen hier nicht<br />
vergessen werden. Sie leiden ebenfalls unter Störungen<br />
<strong>der</strong> Verarbeitung <strong>der</strong> Erkrankung des Partners.<br />
Sie können bei <strong>der</strong> Versorgung des erkrankten<br />
Partners überlastet sein. Je nach Interesse des Patienten<br />
und des Angehörigen ist es möglich, auch<br />
Einzelgespräche mit dem Angehörigen o<strong>der</strong> gemeinsame<br />
Gespräche mit Patient und Angehörigen<br />
durchzuführen. Bei Bedarf kann <strong>der</strong> Partner in vielen<br />
Kliniken mit aufgenommen werden. Nach unserer<br />
Erfahrung ist es sogar beson<strong>der</strong>s günstig,<br />
wenn <strong>der</strong> Partner zur moralischen Unterstützung<br />
den Patienten begleitet.<br />
Vielerorts ist eine enge ambulante Betreuung des<br />
Patienten durch einen mit <strong>der</strong> Erkrankung vertrauten<br />
Arzt nicht möglich, viele Fragen des Betroffenen<br />
bleiben dadurch offen. Unter stationären Bedingungen<br />
hat <strong>der</strong> Patient die Möglichkeit, mit seinem<br />
Arzt über seinen <strong>Krankheit</strong>sverlauf und die<br />
damit verbundenen Probleme und – soweit dies gewünscht<br />
wird – auch vorausschauend über Aspekte<br />
des weiteren Verlaufs zu sprechen.<br />
Neben den Therapien können in einer Rehabilitationsklinik<br />
auch verschiedene sozialmedizinische<br />
Aspekte zur Sprache kommen. Gilt es zum Beispiel<br />
den Arbeitsplatz zu erhalten, kann das Beantragen<br />
einer <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung angepassten Arbeitsplatzeinrichtung<br />
wichtige Unterstützung bringen.<br />
<strong>Mit</strong>arbeiter des Klinik-Sozialdienstes können bei<br />
diesen Problemen beraten und unterstützen. Sie<br />
wissen, welche Kostenträger hierfür anzufragen
sind. Auch in Fragen zu Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweis,<br />
(Teil-) Erwerbsmin<strong>der</strong>ungsberentung o<strong>der</strong><br />
Pflegeversicherung können hier wichtige Hilfestellungen<br />
gegeben werden.<br />
Ganz beson<strong>der</strong>s schwer fällt es vielen Patienten<br />
mit neuromuskulären Erkrankungen, ein Hilfsmittel<br />
wie z.B. einen Rollstuhl anzunehmen. Im Rahmen<br />
<strong>der</strong> stationären Rehabilitation haben Patienten<br />
die Möglichkeit, verschiedene Hilfsmittel zur Erleichterung<br />
<strong>der</strong> Alltagsbewältigung kennen zu <strong>lernen</strong>,<br />
z.B. einen Rollstuhl, evtl. auch mit Elektroantrieb,<br />
wenn die Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigt<br />
ist, sowie eine Reihe von weiteren nützlichen<br />
Hilfsmitteln. Das praktische Ausprobieren kann die<br />
Angst vor den als beson<strong>der</strong>s stigmatisierend wahrgenommenen<br />
Hilfsmitteln nehmen.<br />
Im Anhang finden sie eine Stellungnahme <strong>der</strong><br />
<strong>DGM</strong>, die eine Notwendigkeit stationärer medizinischer<br />
Rehabilitation für ALS-Erkrankte<br />
erläutert und begründet. Diese Stellungnahme<br />
können Sie Ihrem Antrag auf stationäre Rehabilitation<br />
beilegen.<br />
ALTERNATIVE THERAPIEMETHODEN<br />
Dr. Jens-Peter Weber, ehemaliger Medizinischer<br />
Referent <strong>der</strong> <strong>DGM</strong><br />
Bei vielen neuromuskulären Erkrankungen stehen<br />
nur begrenzt Medikamente und an<strong>der</strong>e Behandlungsverfahren<br />
zur Verfügung. Als Ergänzung <strong>der</strong><br />
klassischen, schulmedizinischen Behandlung o<strong>der</strong><br />
als Ersatz, wenn diese versagt, wagt eine große<br />
Zahl von Betroffenen den Versuch mit alternativen<br />
Therapiemethoden o<strong>der</strong> Therapiesubstanzen. Vielfach<br />
geschieht dies auch aus Enttäuschung über<br />
den mangelnden Fortschritt in <strong>der</strong> Wissenschaft<br />
o<strong>der</strong> Unmut über die „Drehtürmedizin“ die den<br />
Befund ernst nimmt, aber nicht das Befinden; die<br />
die <strong>Krankheit</strong>en behandelt, aber den Kranken aus<br />
dem Auge verliert.<br />
Das Angebot an verschiedenen Verfahren und Substanzen<br />
sowie die Vielzahl <strong>der</strong> unterschiedlich qualifizierten<br />
Behandler ist nahezu unüberschaubar.<br />
Die positive o<strong>der</strong> auch nur unkritische Berichterstattung<br />
in den Medien sorgt dabei für einen großen<br />
Bekanntheitsgrad aller populären Verfahren.<br />
Zusätzlich werben manche Vertreter unkonventio-<br />
27<br />
neller Methoden in <strong>der</strong> bunten Presse. Als Aushängeschild<br />
dienen häufig Prominente, die angeblich<br />
geheilt wurden. An<strong>der</strong>e Naturheiler schmücken<br />
sich mit unechten Professorentiteln o<strong>der</strong> bilden<br />
Gesellschaften mit klingenden Namen wie „Internationales<br />
Forschungsinstitut für ...“, die den Eindruck<br />
erwecken, es handle sich um anerkannte<br />
wissenschaftliche Einrichtungen. Dem gegenüber<br />
wird <strong>der</strong> Begriff „naturgemäß“ häufig mit „wissenschaftlich<br />
nicht anerkannt“ gleichgesetzt. Dies<br />
kann, muss aber nicht sein. Eine Heilmethode gilt<br />
heutzutage als wirksam, wenn <strong>der</strong> Erfolg nicht nur<br />
bei einem bestimmten Menschen eintritt, son<strong>der</strong>n<br />
überprüfbar und wie<strong>der</strong>holbar ist. Für solche Prüfungen<br />
haben sich mittlerweile internationale Standards<br />
etabliert, die alle westlich ausgerichteten, am<br />
naturwissenschaftlichen Denken orientierten Medizinsysteme<br />
akzeptieren.<br />
Alle Verfahren o<strong>der</strong> Medikamente müssen sich an<br />
einem Placeboeffekt messen lassen. Placebos sind<br />
Scheinarzneimittel. Sie enthalten keinen Wirkstoff,<br />
entfalten aber trotzdem eine Wirkung im Körper.<br />
Sie können messbare Verän<strong>der</strong>ungen bewirken und<br />
sogar Nebenwirkungen verursachen. Doch nicht<br />
nur <strong>Mit</strong>tel, auch Menschen wirken auf Menschen.<br />
So kann allein das, was <strong>der</strong> Arzt seinen Patienten<br />
sagt, und die Art, wie er sie berät, Besserung bewirken.Am<br />
Effekt einer jeden medizinischen Behandlung<br />
sind <strong>der</strong> Glaube des Arztes an seine Therapie<br />
und das Vertrauen des Patienten zu seinem<br />
Arzt beteiligt. Beides verstärkt sich gegenseitig<br />
und ist nicht voneinan<strong>der</strong> zu trennen. Der Anteil<br />
des Placeboeffekts bei <strong>der</strong> Lin<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> Heilung<br />
von <strong>Krankheit</strong>szuständen wird etwa zwischen 20 –<br />
70% beziffert. Jede geglückte Behandlung enthält<br />
Placebokomponenten, die je<strong>der</strong> gute Therapeut bewusst<br />
nutzt.<br />
Zu den Alternativen Therapien zählen z.B.: Phytotherapie,<br />
Homöopathie, Akupunktur, Traditionelle<br />
Chinesische Medizin (TCM), Ayurveda, Magnetfeldtherapie,<br />
Orthomolekulare Medizin, Frischzellentherapie.<br />
Je<strong>der</strong> dieser Ansätze hat an<strong>der</strong>e<br />
Grundlagen und Wirktheorien.<br />
Darüber hinaus gibt es einzelne Substanzen, z.T.<br />
Nahrungsergänzungsstoffe o<strong>der</strong> Medikamente, die<br />
bei an<strong>der</strong>en <strong>Krankheit</strong>sbil<strong>der</strong>n eingesetzt werden<br />
und von Betroffenen als alternative Behandlungsmittel<br />
eingesetzt werden.
Traditionelle Chinesische Medizin<br />
(TCM)<br />
Die TCM wird heute neben <strong>der</strong> naturwissenschaftlich<br />
orientierten westlichen Medizin in China gelehrt.<br />
Die Begriffe, mit denen die TCM Gesundheit<br />
und <strong>Krankheit</strong> beschreibt, sind im Westen schwer<br />
verständlich. Gesund sein bedeutet, dass die Gegensätze<br />
„Yin“ und „Yang“ in einem Wechselspiel<br />
zusammenwirken. Sie bringen die Lebensenergie<br />
„Qi“ hervor. Yang (Sonnenseite) steht für: „männlich“<br />
und verkörpert die Dynamik, das Aktive, die<br />
Wärme. Yin (Schattenseite) steht für das Weibliche,<br />
verkörpert die Substanz, das Passive, die<br />
Kälte.<br />
Diese beiden Begriffe sind den Organen bzw. den<br />
verschieden Funktionskreisen des Körpers zugeordnet.<br />
Die Diagnose stellt <strong>der</strong> TCM-Arzt durch<br />
Betrachten, Hören, Riechen, Betasten und Fragen.<br />
Der Arzt diagnostiziert nicht eine <strong>Krankheit</strong>, son<strong>der</strong>n<br />
macht sich ein Bild vom „Kranksein“.<br />
Ayurveda<br />
Ayurveda ist das 3500 Jahre alte Gesundheitssystem<br />
Indiens. Es ist ein Lebenskonzept mit moralischen<br />
Kategorien, ein System, das auch eine möglichst<br />
umfassende und zugleich einfache Antwort<br />
auf die Frage nach dem Sinn des Lebens zu geben<br />
versucht. Wie alles zusammenwirkt, beschreibt Ayurveda<br />
mit dem Konzept <strong>der</strong> drei „Doshas“:<br />
· Vata (Aktivität des Nervensystems),<br />
· Pitta (wärmesteuernde, enzymatische Abläufe),<br />
· Kapha (Funktionen des Immunsystems,<br />
Körperflüssigkeiten).<br />
Diese Doshas charakterisieren die fundamentalen<br />
Regulationssysteme des Körpers. Sie bestimmen<br />
auch die Eigenschaften <strong>der</strong> Menschen. Das Verhältnis<br />
<strong>der</strong> drei Doshas macht den Menschen- o<strong>der</strong><br />
Konstitutionstyp aus. Ziel <strong>der</strong> ayurvedischen Behandlung<br />
ist es, die drei Doshas wie<strong>der</strong> ins Gleichgewicht<br />
zu bringen.<br />
Orthomolekulare Medizin<br />
Die Entdeckung <strong>der</strong> Vitamine und ihrer Wirkung zu<br />
Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts war die Voraussetzung<br />
dafür, dass sich eine Behandlungsrichtung wie die<br />
Orthomolekulare Medizin entwickeln konnte. Hierbei<br />
werden Substanzen verabreicht, die im Körper<br />
und in <strong>der</strong> Nahrung vorkommen, allerdings in einer<br />
Menge, die den üblichen Bedarf um ein Vielfaches<br />
überschreitet. Die großen Vitaminmengen sollen<br />
Stoffwechselprozesse maximal anregen.<br />
28<br />
Magnetfeldtherapie<br />
Es werden unterschiedlichste Geräte mit statischen<br />
o<strong>der</strong> pulsierenden Magnetfel<strong>der</strong>n mit sehr verschiedenen<br />
Frequenzen, Intensitäten und Programmen<br />
angeboten. Darüber hinaus gibt es Permanentmagnete,<br />
die statische Magnetfel<strong>der</strong> erzeugen, z.B.<br />
in Form von Pflastern, Einlegesohlen o<strong>der</strong> Armbän<strong>der</strong>n.<br />
Bislang fehlen einheitliche technische<br />
Vorgaben für die Therapiegeräte. Aufgrund <strong>der</strong> daraus<br />
resultierenden großen Unterschiede dürfen<br />
Aussagen über die Wirksamkeit o<strong>der</strong> Nichtwirksamkeit<br />
einer bestimmten Magnetfeldanwendung<br />
nicht ohne Weiteres verallgemeinert o<strong>der</strong> auf an<strong>der</strong>e<br />
Anwendungen übertragen werden. Die Wirkungsweise<br />
<strong>der</strong> Magnetfeldtherapie ist bis jetzt<br />
nicht endgültig geklärt. Aus wissenschaftlicher<br />
Sicht können magnetische Wechselfel<strong>der</strong> durch<br />
ihre Einwirkung im Körper elektrische Spannungen<br />
induzieren. Diese könnten die chemischen und<br />
physikalischen Vorgänge an Zellmembranen beeinflussen.<br />
Tatsächlich haben Zellkulturen im Experiment<br />
Reaktionen gezeigt, und die Erregungsleitung<br />
an isolierten Nerven wurde im Magnetfeld<br />
verän<strong>der</strong>t. Diese Effekte sind von <strong>der</strong> Stärke des<br />
Magnetfeldes und <strong>der</strong> Frequenz sowie von <strong>der</strong> Signalform<br />
abhängig. Der wichtigste Mechanismus<br />
scheint die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Durchblutung und des<br />
Zellstoffwechsels zu sein.<br />
Die Magnetfeldtherapie scheint bei Abnützungserscheinungen<br />
<strong>der</strong> Gelenke und bei schlecht heilenden<br />
Knochenbrüchen recht gut zu wirken. Die Literatur<br />
und die Datenlage geben allerdings keine<br />
klaren Hinweise darauf, wie die Dosierung und die<br />
Frequenz sein sollen und wie oft welche Applikation<br />
angewendet werden soll. Das erzeugte Magnetfeld<br />
selbst kann man nicht spüren. Manche Anwen<strong>der</strong><br />
berichten jedoch von einem Wärmegefühl<br />
o<strong>der</strong> einem leichten Kribbeln durch die Anwendung.<br />
Die Therapeuten führen dies auf eine verbesserte<br />
Durchblutung zurück.<br />
Nach bisherigen Erkenntnissen gibt es bei ordnungsgemäßer<br />
Anwendung keine Nebenwirkungen.<br />
Menschen mit einem Herzschrittmacher o<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en elektronischen Implantaten sollten grundsätzlich<br />
keiner Magnetfeldtherapie unterzogen<br />
werden, da es zu gefährlichen Wechselwirkungen<br />
mit <strong>der</strong> Steuerelektronik kommen könnte.
Bei keiner <strong>der</strong> aufgeführten Alternativen Therapiemethoden<br />
konnte bisher ein Einfluss auf<br />
den Verlauf neuromuskulärer Erkrankungen<br />
nachgewiesen werden. Eine Behandlung einzelner<br />
Symptome kann aber in Einzelfällen<br />
durchaus erfolgreich sein. Ob die eine o<strong>der</strong> die<br />
an<strong>der</strong>e Therapie bei dem jeweiligen Betroffenen<br />
hilfreich ist, kann im Einzelfall nicht vorhergesagt<br />
werden.<br />
Kreatinmonohydrat<br />
Kreatin ist eine körpereigene Substanz, d.h. sie<br />
wird im Körper selbst (in <strong>der</strong> Leber, Niere und<br />
Bauchspeicheldrüse) gebildet, aber auch über die<br />
Nahrung (vor allem Fisch und Fleisch) aufgenommen.<br />
Der tägliche Bedarf beträgt ca. 2-4<br />
Gramm, <strong>der</strong> zur Hälfte aus <strong>der</strong> körpereigenen<br />
Produktion und zur an<strong>der</strong>en Hälfte aus <strong>der</strong> Nahrung<br />
gedeckt wird.<br />
Im Körper wird Kreatin mit Hilfe <strong>der</strong> Kreatinkinase<br />
(CK) zur energiereichen Verbindung Phosphokreatin<br />
umgewandelt und steht in dieser<br />
Form für die Energiebereitstellung bei kurz dauernden,<br />
sog. anaeroben Muskelbelastungen, aber<br />
auch zur Aufrechterhaltung des speziellen inneren<br />
Zellmilieus zur Verfügung. Im Muskel wird<br />
Kreatin dann zu Kreatinin abgebaut und schließlich<br />
über die Niere ausgeschieden.<br />
Während einer stärkeren Belastung sorgt Kreatin<br />
für eine höhere Energieproduktion, zwischen den<br />
Belastungsphasen für eine verbesserte Erholung<br />
<strong>der</strong> energiebereitstellenden Systeme. Durch die<br />
Kreatin-Supplementation (vermehrte Zufuhr zur<br />
normalen Ernährung) wird die Kreatinkonzentration<br />
im Muskel gesteigert, wobei ein gewisser<br />
oberer Wert nicht überschritten werden kann.<br />
Das bedeutet, dass die Einnahme einer noch größeren<br />
Menge Kreatin die positiven Auswirkungen<br />
nicht weiter steigern kann.<br />
Um diese Speicher in relativ kurzer Zeit zu erhöhen,<br />
wird zu Beginn <strong>der</strong> Einnahme für ca. eine<br />
Woche die Zufuhr einer höheren Dosis als <strong>der</strong><br />
Dauerdosis von ca. 2-5 Gramm (genauer: 0,1<br />
g/Kilogramm Körpergewicht in <strong>der</strong> ersten<br />
Woche, dann 0,05 g/kgKG) empfohlen.<br />
Bedeutsame Nebenwirkungen sind bei <strong>der</strong> Einnahme<br />
von Kreatin bisher nicht bekannt geworden.<br />
Jedoch wird Patienten, bei denen eine Einschränkung<br />
<strong>der</strong> Ausscheidungsfunktion <strong>der</strong><br />
Niere besteht, von einer Supplementation mit<br />
29<br />
Kreatin abgeraten, da es hier zu Problemen kommen<br />
kann.<br />
Bei <strong>der</strong> Einnahme ist auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr<br />
zu achten, um Blähungen zu vermeiden.<br />
Eine leichte Gewichtszunahme als Folge<br />
einer Wassereinlagerung in den Muskelzellen<br />
kann sich ebenfalls einstellen.<br />
Bei einigen Personen traten vermehrt Muskelkrämpfe<br />
auf. Dies wird durch eine vermehrte<br />
Bindung von Magnesium in <strong>der</strong> Muskelzelle erklärt.<br />
Durch die zusätzliche Einnahme von 150-<br />
600 mg Magnesium pro Tag ist diese Nebenwirkung<br />
meist zu beheben.<br />
Vereinzelt wurde auch von Durchfall und Bauchkrämpfen<br />
berichtet, wobei die Ursache dafür<br />
möglicherweise in <strong>der</strong> Einnahme einer zu hohen<br />
Kreatin-Dosis lag.<br />
Der tägliche Kaffeekonsum sollte auf 1-2 Tassen<br />
beschränkt werden. Die gleichzeitige Einnahme<br />
von Kaffee und Kreatin sollte vermieden werden,<br />
da eine negative Beeinflussung möglich ist.<br />
L-Carnitin<br />
L-Carnitin ist eine Aminosäureverbindung, die<br />
hauptsächlich in <strong>der</strong> Muskulatur vorkommt. Sie<br />
spielt eine beson<strong>der</strong>e Rolle im Rahmen des Fettstoffwechsels.<br />
Damit die Energiekraftwerke <strong>der</strong><br />
Zellen, die <strong>Mit</strong>ochondrien, richtig arbeiten, benötigen<br />
sie Fettsäuren. Diese Fettsäuren sind<br />
aber in den <strong>Mit</strong>ochondrien nicht enthalten, son<strong>der</strong>n<br />
müssen erst dort hin transportiert werden.<br />
Diesen Transport übernimmt das L–Carnitin. Es<br />
heftet sich an die Fettsäuren an und schleust –<br />
insbeson<strong>der</strong>e auch langkettige Fettsäuren, die die<br />
Zellwand <strong>der</strong> <strong>Mit</strong>ochondrien alleine nicht passieren<br />
könnten - in die <strong>Mit</strong>ochondrien hinein. Liegt<br />
ein Mangel an L-Carnitin vor, werden weniger<br />
Fettsäuren in die <strong>Mit</strong>ochondrien transportiert<br />
und es kann weniger Fett in Energie umgesetzt<br />
werden.<br />
Über diese „Transport-“ und die Schlüsselfunktion<br />
im Rahmen <strong>der</strong> Fettverbrennung hinaus, beteiligt<br />
sich L–Carnitin direkt o<strong>der</strong> indirekt an<br />
vielen biochemischen Prozessen des Organismus.<br />
Normalerweise deckt <strong>der</strong> Körper seinen<br />
täglichen L-Carnitin-Bedarf durch Eigensynthese<br />
(aus den Aminosäuren Methionin und<br />
Lysin) und durch Zufuhr mit <strong>der</strong> Nahrung.<br />
Fleisch, vor allem Schaf- und Lammfleisch, enthält<br />
einen hohen Anteil an L-Carnitin. Ein Er-
wachsener nimmt im Rahmen seiner täglichen<br />
Ernährung durchschnittlich zwischen 10 und 70<br />
Milligramm L-Carnitin auf. Bei Belastung des<br />
Körpers, z.B. durch <strong>Krankheit</strong> o<strong>der</strong> starke Anstrengung,<br />
steigt <strong>der</strong> Bedarf bzw. <strong>der</strong> Verlust.<br />
Unter diesen Bedingungen kann die Einnahme<br />
von zusätzlichem L-Carnitin nützlich sein. Eine<br />
Überdosierung kann zu Übelkeit, Erbrechen und<br />
Durchfall führen. Man geht bereits bei einer<br />
Menge von 3 bis 4 Gramm von einer so genannten<br />
„Überdosierung“ aus. Da Carnitin im Überschuss<br />
ausgeschieden wird, än<strong>der</strong>t sich die Carnitin<br />
– Konzentration in den Muskeln nicht über<br />
das Normalmaß hinweg. Somit kann we<strong>der</strong> eine<br />
Leistungssteigerung noch eine verstärkte Fettverbrennung<br />
möglich werden. Eine Zufuhr bei gesunden<br />
Menschen führt we<strong>der</strong> zu Leistungssteigerungen<br />
im Ausdauersport noch zu einer Körperfettreduktion.<br />
Die einzige medizinische Indikation<br />
zur Gabe von L-Carnitin ist <strong>der</strong> erworbene<br />
nachgewiesene L-Carnitin-Mangel.<br />
Coenzym Q10<br />
Coenzyme Q sind chemische Verbindungen aus<br />
Kohlenstoff-, Wasserstoff- und Sauerstoffatomen,<br />
die sich ringförmig zu einer so genannten<br />
Chinonstruktur zusammensetzen. Da diese Substanzen<br />
in allen <strong>leben</strong>den Zellen in <strong>der</strong> Natur<br />
vorkommen, werden sie als Ubichinone bezeichnet<br />
(lat. “ubi” bedeutet “überall”). In <strong>der</strong> Natur<br />
sind die Coenzyme Q1 bis Q10 bekannt. Coenzyme<br />
sind an vielen Enzymreaktionen beteiligt.<br />
Für den menschlichen Organismus ist vor allem<br />
das Coenzym Q10 relevant. Tiere und Pflanzen<br />
können auch die Coenzyme Q1 bis Q9 verwenden.<br />
Q10 kann im menschlichen Körper selbst produziert<br />
werden, ist von Natur aus in den <strong>Mit</strong>ochondrien<br />
aller Zellen des Körpers vorhanden und<br />
wird auch durch die Nahrung von außen zugeführt.<br />
Niedrigkettige, von außen aufgenommene<br />
Coenzyme (Q1-Q9) werden im Organismus zu<br />
Coenzym Q10 umgebaut. Es beeinflusst und beschleunigt<br />
biochemische Reaktionen im menschlichen<br />
Körper und sorgt damit für eine kontinuierliche<br />
Energieproduktion. Neben dieser fundamentalen<br />
Funktion ist Q10 auch als Antioxidans<br />
wirksam und sorgt durch die Vernichtung freier<br />
Radikale für die Entgiftung des Körpers.<br />
Bislang konnte nicht nachgewiesen werden, dass<br />
die Zufuhr von Coenzym Q10 als Nahrungsergänzungsmittel<br />
eine signifikant positive Wirkung<br />
auf die Funktion des menschlichen Körpers<br />
30<br />
hat [Ernährungsmedizinische Beurteilung von<br />
Werbeaussagen zu Coenzym Q10, Stellungnahme<br />
des BgVV vom 20. April 2001, Bundesinstitut<br />
für gesundheitlichen Verbraucherschutz<br />
und Veterinärmedizin, 2001].<br />
Mangelerscheinungen an Coenzym Q10 sind bis<br />
jetzt noch nicht bekannt. Möglicherweise ist die<br />
körpereigene Produktion von Coemzym Q10<br />
aber reduziert, wenn die Versorgung mit an<strong>der</strong>en<br />
Nährstoffen und Vitaminen schlecht ist.<br />
Als mögliche Nebenwirkungen von Coenzym<br />
Q10 wurden in Dosierungen zwischen 50 und<br />
300 mg pro Tag im Rahmen klinischer Studien<br />
am Menschen bei zumeist mehrwöchiger Anwendung<br />
gastrointestinale Unverträglichkeiten<br />
wie Appetitverlust, Übelkeit, Durchfälle o<strong>der</strong> allgemeines<br />
Unwohlsein beobachtet, im oberen<br />
Dosierungsbereich auch Erhöhung <strong>der</strong> Plasmaenzymwerte<br />
von Laktatdehydrogenase o<strong>der</strong> Glutamat-Oxalacetat-Transaminase.<br />
In einer Untersuchung<br />
an gesunden Sportlern, die entwe<strong>der</strong><br />
120 mg Coenzym Q10 o<strong>der</strong> Placebo erhielten,<br />
zeigte sich nach mehreren Tagen intensiven Trainings<br />
eine erhöhte Aktivität <strong>der</strong> Plasma-Kreatinkinase<br />
in <strong>der</strong> Q10-Gruppe, was als Hinweis auf<br />
Zellschädigungen interpretiert werden kann<br />
(Malm, 1996). Möglicherweise bedingt Coenzym<br />
Q10 in hohen Dosen die Bildung von freien<br />
Radikalen, die zur Lipidoxidation und Schädigung<br />
von Zellmembranen führen kann (Demopoulous<br />
et al., 1986).<br />
Vitamin E<br />
Vitamin E steht für eine Gruppe von (bis heute)<br />
acht fettlöslichen Vitaminen mit antioxidativer<br />
Wirkung. Sie sind Bestandteil aller Membranen<br />
tierischer Zellen, werden jedoch nur von Pflanzen<br />
gebildet. Die für den Menschen bedeutendste<br />
in <strong>der</strong> Natur vorkommende Verbindung mit<br />
Vitamin-E-Aktivität ist α-Tocopherol. Eine seiner<br />
wichtigsten Funktion ist die eines lipidlöslichen<br />
Antioxidans, das in <strong>der</strong> Lage ist, mehrfach<br />
ungesättigte Fettsäuren vor einer Zerstörung<br />
durch Oxidation (Lipidperoxidation) zu schützen.<br />
Freie Radikale würden die Doppelbindungen<br />
<strong>der</strong> Fettsäuren <strong>der</strong> Zell- und Organellmembranen<br />
angreifen. Tocopherol kommt vor allem<br />
in pflanzlichen Lebensmitteln vor: Getreiden,<br />
Nüssen, Samen und Pflanzenölen, insbeson<strong>der</strong>e<br />
Keimölen und kaltgepressten Speiseölen guter<br />
Qualität. Die empfohlene Tagesdosis bei gesunden<br />
Erwachsenen (nach DGE) ist: 12 mg
(Frauen)/14 mg (Männer) pro Tag. Schwangere<br />
und Stillende haben einen erhöhten Bedarf.<br />
Manche Vitamin-Forscher empfehlen auch weit<br />
höhere Mengen von 400 IU pro Tag und mehr.<br />
Eine Analyse mehrerer Studien (amerikanische<br />
Herzgesellschaft 19 Studien mit ca. 136.000 Patienten)<br />
weist jedoch darauf hin, dass eine dauerhafte<br />
Einnahme von hochdosiertem Vitamin E<br />
(täglich 400 I.E. bzw. 400 mg o<strong>der</strong> mehr) nicht<br />
nur keine gefäßschützende Wirkung habe, son<strong>der</strong>n<br />
sogar dem Herzen schaden können.<br />
31
3 Selbstständigkeit und Mobilität erhalten -<br />
Hilfsmittel und Umbaumaßnahmen für<br />
ALS-Patienten<br />
Annette Held-Wehmer, Ergotherapeutin,<br />
<strong>DGM</strong>-Hilfsmittelberatung<br />
Janine Šušak, Physiotherapeutin,<br />
<strong>DGM</strong>-Hilfsmittelberatung<br />
Durch den zunehmenden Verlust <strong>der</strong> Aktivitäten<br />
des Stütz- und Bewegungsapparates aufgrund <strong>der</strong><br />
ALS werden alltägliche Verrichtungen wie z.B.<br />
Ankleiden, Haare kämmen, Wasserhahn aufdrehen<br />
o<strong>der</strong> Türschloss öffnen sowie Aufstehen, Gehen<br />
und Treppensteigen immer beschwerlicher. Viele<br />
Betroffene sind dabei auf die Hilfe an<strong>der</strong>er Personen<br />
angewiesen. Will man sich seine Mobilität und<br />
damit seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit<br />
bewahren und weniger auf die Hilfe seiner <strong>Mit</strong>menschen<br />
angewiesen sein, führt <strong>der</strong> Weg an<br />
einem Hilfsmittel nicht vorbei. Im Verlauf und je<br />
nach Schweregrad <strong>der</strong> Erkrankung, werden unterschiedliche<br />
Hilfsmittel benötigt. Demzufolge<br />
nimmt neben den medizinischen Therapien sowie<br />
Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie, die<br />
Hilfsmittelversorgung einen wichtigen Platz bei<br />
<strong>der</strong> Erhaltung <strong>der</strong> Selbständigkeit und <strong>der</strong> Lebensqualität<br />
Betroffener ein.<br />
Gelenke schützen,<br />
Bewegung ermöglichen<br />
Schmerzen und Erschöpfungszustände aufgrund<br />
<strong>der</strong> Erkrankung verleiten oft dazu, sich zu schonen<br />
und möglichst wenig zu bewegen. Fehlerhafte Körperhaltungen<br />
und Ruhigstellung <strong>der</strong> Gelenke<br />
schwächen jedoch die Muskulatur. Gelenkschutzbandagen,<br />
Orthesen und Schienen sollen die betroffenen<br />
Gelenke und Bän<strong>der</strong> stützen und schützen.<br />
Richtig eingesetzt, können Bandagen und<br />
Schienen Fehlstellungen vermeiden und das betroffene<br />
Gelenk vor Überbeanspruchung schützen.<br />
Falsch angepasst und eingesetzt, können sie jedoch<br />
mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen, indem<br />
sie z.B. die notwendige Bewegung verhin<strong>der</strong>n und<br />
die Beweglichkeit weiter einschränken. Daher sollten<br />
diese Hilfsmittel von erfahrenen Therapeuten<br />
und Orthopädietechnikern individuell angepasst<br />
werden.<br />
Umsetz- und Aufstehhilfen<br />
Aufstehhilfen sind für ALS-Betroffene von beson<strong>der</strong>em<br />
Interesse. Im Verlauf <strong>der</strong> Erkrankung tritt<br />
immer mehr das Problem auf, sich aus eigener<br />
Kraft nicht mehr aus dem Sitzen aufrichten zu können.<br />
Da die Kraft <strong>der</strong> Bein- und Rückenmuskulatur<br />
früher o<strong>der</strong> später nicht mehr ausreicht, um in den<br />
Stand zu kommen, wird das Aufstehen von Ses-<br />
32<br />
seln, Sofas, Bett und Toilette immer beschwerlicher.<br />
Verschiedene Umsetz- und Aufstehhilfen wie<br />
Haltegriffe, Rutschbretter, Drehscheiben o<strong>der</strong><br />
Gleitunterlagen sowie erhöhte Sitzkissen aus festem<br />
Schaumstoff und Aufstehstühle erleichtern das<br />
selbständige Umlagern, Umsetzen sowie das Aufstehen.<br />
Die meisten niedrigen Sitzmöbel können<br />
grundsätzlich mit Distanzklötzen o<strong>der</strong> auch mit<br />
einfachen <strong>Mit</strong>teln wie z. B. Backsteinen erhöht<br />
werden.<br />
Aufstehstühle gibt es mit mechanischer o<strong>der</strong> elektrischer<br />
Sitzhöhenverstellung. Sie werden nach<br />
dem Baukastensystem individuell an die Bedürfnisse<br />
des Benutzers angepasst und sind im Sanitätshandel<br />
erhältlich.<br />
Körperhygiene erleichtern<br />
Wenn <strong>der</strong> Weg zur Toilette zu weit und beschwerlich<br />
ist, kann eine Urinflasche und/o<strong>der</strong> ein Toilettenstuhl<br />
eingesetzt werden. In <strong>der</strong> Regel werden<br />
Urinflaschen bei Männern eingesetzt, im Sanitätshandel<br />
sind aber auch Urinschalen für Frauen erhältlich.<br />
Ein zu niedriger Toilettensitz lässt sich zunächst<br />
durch einen Toilettenaufsatz erhöhen. Im<br />
Sanitätshandel werden viele Varianten in verschiedenen<br />
Höhen bis hin zu elektrisch steuerbaren Modellen<br />
angeboten. <strong>Mit</strong> <strong>der</strong> Toilettensitzerhöhung<br />
kommt man wie<strong>der</strong> deutlich leichter in den Stand.<br />
Der einfache Toilettenaufsatz ist leicht montierbar<br />
und tragbar und kann so auch auf Reisen mitge-
nommen werden. Ein Toilettenstuhl ist sinnvoll bei<br />
Betroffenen, die zwar aufstehen, jedoch nicht selbständig<br />
gehen können.<br />
An den Rand <strong>der</strong> Badewanne sollten zusätzliche<br />
Haltegriffe und in die Badewanne eine rutschfeste<br />
Auflage angebracht werden. Ein Badewannenbrett<br />
sowie ein Badewannenlifter erleichtern das Einund<br />
Aussteigen aus <strong>der</strong> Badewanne. In <strong>der</strong> Dusche<br />
kann ein stabiler Duschstuhl aus Kunststoff o<strong>der</strong><br />
ein klappbarer Duschwandsitz mit o<strong>der</strong> ohne Armlehnen<br />
aufgestellt werden.<br />
Gut und bequem sitzen und liegen<br />
Optimal zu sitzen und zu liegen ist für ALS Betroffene<br />
aufgrund <strong>der</strong> Abnahme <strong>der</strong> Kraft und Beweglichkeit<br />
in vielen Fällen nicht möglich, daher ist<br />
eine gute Lagerung eine wichtige Maßnahme<br />
gegen Schmerzsyndrome und Pflegeprobleme wie<br />
z. B. Dekubitus. Im Kapitel 4 unter „Tipps und<br />
Hilfsmittel für die häusliche Pflege“ finden Sie<br />
weitere Informationen zu diesem Thema.<br />
Spezielle Aufstehsessel sind individuell anpassbar<br />
sowie teilweise elektrisch verstellbar und ermöglichen<br />
ein längeres, beschwerdefreies Sitzen sowie<br />
einen recht einfachen und eigenständigen Lagewechsel.<br />
Viele Modelle besitzen eine Hubvorrichtung,<br />
die den Benutzer beim Aufstehen und Hinsetzen<br />
unterstützt und ihm so mehr Selbständigkeit<br />
gibt. Herkömmliche Seniorensessel aus dem Möbelhandel<br />
eignen sich für ALS Betroffene nur bedingt,<br />
da ihre Aufstehfunktion aufgrund <strong>der</strong> relativ<br />
geringen und abfallenden Hubhöhe nur sehr eingeschränkt<br />
genutzt werden kann, außerdem können<br />
sie nicht an fortschreitende Bewegungseinschränkungen<br />
angepasst werden. Um das Ein- und Aussteigen<br />
aus dem Bett zu erleichtern, kann das vor-<br />
33<br />
handene Bett im Schlafzimmer zunächst mit Erhöhungsklötzen<br />
aus dem Sanitätshandel o<strong>der</strong> mit<br />
Backsteinen unterlegt werden. Scheuen Sie sich jedoch<br />
nicht, bei Bedarf einen elektrisch verstellbaren<br />
Einlegerahmen o<strong>der</strong> ein Pflegebett zu beantragen,<br />
welches das selbständige Umlagern und Aufstehen<br />
erheblich erleichtert. Das elektrisch verstellbare<br />
Einlegerahmen kann in dem vorhandenen<br />
Bettrahmen eingesetzt werden. Das Schlafzimmer<br />
bzw. das (Doppel)Bett bleibt dadurch unverän<strong>der</strong>t.<br />
Weitere Informationen zum Pflegebett finden Sie<br />
ebenfalls im Kapitel 4 unter „Tipps und Hilfsmittel<br />
für die häusliche Pflege“.<br />
Kleine Hilfsmittel im Alltag<br />
verwenden<br />
Zu den Begleiterscheinungen von ALS gehören<br />
Probleme mit <strong>der</strong> Feinmotorik. Durch spezielle<br />
Aufsätze wie Verlängerungs- und Moosgummigriffe<br />
auf herkömmliche Alltagsgegenstände wie<br />
Besteck, Stifte, Haarbürste, Kamm o<strong>der</strong> Zahnbürste,<br />
können Betroffene wie<strong>der</strong> essen, schreiben<br />
sowie eine Vielzahl von Hobbygeräten bedienen.<br />
Wenn die Armfunktion intakt, die Greif- und Haltefunktion<br />
<strong>der</strong> Hände jedoch stark eingeschränkt<br />
ist, kann ein automatisches Greifsystem helfen,<br />
welches es seinem Benutzer ermöglicht im Alltag<br />
selbstständig zu greifen bzw. zu halten (Gripability-System).<br />
Bei schwacher Oberarmmuskulatur<br />
jedoch gut funktionieren<strong>der</strong> Handmuskulatur, ermöglichen<br />
spezielle Armauflagen die Abnahme<br />
des Armgewichts und erweitern dadurch den Bewegungsradius<br />
<strong>der</strong> Arme.<br />
Sich von Konventionen lösen<br />
Scheuen Sie sich nicht, das Fleisch z.B. mit einem<br />
Pizzaschnei<strong>der</strong>ad o<strong>der</strong> mit Spezialbesteck zu<br />
schneiden, wenn <strong>der</strong> Umgang mit Messer und<br />
Gabel zu schwierig für Sie ist. Auch ist es nicht<br />
verboten und muss es Ihnen nicht unangenehm<br />
sein, statt mit Messer und Gabel nur mit einem
Löffel zu essen. Schrecken Sie nicht davor zurück,<br />
Getränke und Suppen aus einer Spezialtasse zu<br />
verzehren bzw. mit Hilfe eines Strohhalms zu trinken.<br />
Verwenden Sie breite Teller und Untertassen<br />
sowie leichte Becher mit großem o<strong>der</strong> halbem<br />
Henkel und abgeschrägtem Rand. Das Essbesteck<br />
sollte dicke und leichte Griffe haben (z.B. Moosgummigriffe).<br />
Benutzen Sie spitze Gabeln und<br />
scharfe Messer, um unnötige Anstrengungen zu<br />
vermeiden. Eine rutschfeste Unterlage aus<br />
Gummi verhin<strong>der</strong>t das Wegrutschen des Tellers<br />
und <strong>der</strong> Tasse.<br />
Sich das Ankleiden erleichtern<br />
Außer den zuvor genannten Problemen, kann auch<br />
das Zuknöpfen <strong>der</strong> Bekleidung o<strong>der</strong> das Verschnüren<br />
von Schnürsenkeln Schwierigkeiten bereiten.<br />
Verwenden Sie elastische Schnürsenkel, Druckknöpfe<br />
o<strong>der</strong> Reiß- und Klettverschlüsse, die weitaus<br />
einfacher zu handhaben sind. Lassen Sie Ihre<br />
Kleidung umnähen o<strong>der</strong> tragen Sie Oberteile, die<br />
man überziehen kann. Wenn Sie auf Knöpfe nicht<br />
verzichten möchten, können Sie sich im Sanitätshandel<br />
eine Knöpfhilfe beschaffen. Anziehhilfen in<br />
Form von Schuhanziehern mit einem langen Griff,<br />
Stiefelknechten und Strumpfanziehern erhalten Sie<br />
ebenfalls im Sanitäts- und Schuhhandel.<br />
Rollstuhlfahrer können sich im Fachhandel spezielle<br />
Kleidung beschaffen, die ihren beson<strong>der</strong>en<br />
Bedürfnissen entspricht.<br />
Haushaltsführung vereinfachen<br />
Höhenverstellbare und (für Rollstuhlfahrer) unterfahrbare<br />
Arbeitsplatten sowie höhenverstellbare<br />
Oberschränke in <strong>der</strong> Küche erleichtern das Kochen<br />
und die Haushaltsführung. Wenn sich die Kraft und<br />
<strong>der</strong> Greifradius <strong>der</strong> Arme verringern sollte, sollten<br />
die Küchenutensilien in einer erreichbaren Höhe<br />
aufgestellt werden. Für Rollstuhlfahrer sind niedrige<br />
Regale geeignet, die dem Greifradius <strong>der</strong><br />
Arme entsprechen.<br />
Was man <strong>leben</strong>slang bewerkstelligt hat, muss deswegen<br />
noch lange nicht praktisch sein. Bereiten<br />
Sie Ihr Essen nach Möglichkeit für mehrere Mahlzeiten<br />
auf einmal zu und frieren Sie es anschließend<br />
ein. Einkäufe und Getränke können Sie sich<br />
von vielen Geschäften gegen eine geringe Gebühr<br />
anliefern lassen.<br />
34<br />
Die häusliche Umgebung<br />
optimieren<br />
Für viele Menschen mit ALS wird es im Verlauf<br />
ihrer Erkrankung erfor<strong>der</strong>lich, ihre häusliche Umgebung<br />
anzupassen. Eine Vielzahl <strong>der</strong> Stürze aufgrund<br />
fehlen<strong>der</strong> Muskelkraft passieren im häuslichen<br />
Bereich: Hast und Eile, fehlende Stützen, Tragen<br />
von Lasten, Unachtsamkeit, Unkonzentriertheit,<br />
ein schlechter Tag – schon ist ein Sturz passiert!<br />
<strong>Mit</strong> Ausblick auf den Verlauf <strong>der</strong> Erkrankung<br />
und die damit verbundenen Bewegungseinschränkungen,<br />
sollten die Anpassungsmaßnahmen im Voraus<br />
sorgfältig durchdacht werden. Schon durch<br />
kleine bautechnische Verän<strong>der</strong>ungen und durch den<br />
Einsatz verschiedenster Hilfsmittel, können individuelle,<br />
komfortable Lösungen gefunden werden.<br />
Türschwellen, Teppiche, Vorleger sind Stolperfallen<br />
und können ohne großen Aufwand umgehend beseitigt<br />
werden. Ausreichende Beleuchtung und<br />
Handläufe auf beiden Seiten <strong>der</strong> Treppe verhin<strong>der</strong>n<br />
Stürze und sorgen für Sicherheit. Die Bewegungsflächen<br />
in den Wohnräumen sollten großzügig sein<br />
und dürfen nicht durch abgestellte Gegenstände,<br />
sperrige Pflanzen o<strong>der</strong> offene Türen eingeschränkt<br />
sein. Funktionsgerechte und gut erreichbare Arbeitsplatzhöhen,<br />
Schalter und Armaturen sowie<br />
leicht zu öffnende Schranktüren sollten ebenfalls<br />
angebracht werden.<br />
Wenn sich Badezimmertüren nach innen öffnen,<br />
kann dies bei einem Sturz des Benutzers gefährlich<br />
werden. Es empfiehlt sich daher, die Badtür so anzubringen,<br />
dass sie sich nach außen öffnen lässt.<br />
Wenn das gesamte Bad umgebaut werden muss,<br />
sollten die Toilettenschüssel sowie das Waschbecken<br />
in <strong>der</strong> Höhe angebracht werden, die für den<br />
Benutzer am leichtesten zu erreichen ist. Hohe<br />
Duschwannen können ebenfalls zu einem Hin<strong>der</strong>nis<br />
werden. Hier sollte in Erwägung gezogen werden,<br />
den Duschbereich ebenerdig umzubauen.<br />
Verschiedene, im Handel erhältliche Notrufsysteme<br />
sorgen für zusätzliche Sicherheit und ermöglichen<br />
den Angehörigen nächtliche Ruhe.<br />
Für umfangreichere Wohnungsanpassungen bieten<br />
die Empfehlungen <strong>der</strong> DIN-Normen 18025- Teil 1<br />
und 2 für barrierefreien Wohnraum erstmal eine<br />
Orientierung. Wer das barrierefreie Wohnen eher<br />
praktisch erproben möchte, kann die Probewohnungen<br />
<strong>der</strong> <strong>DGM</strong>, angeglie<strong>der</strong>t an die Bundesgeschäftsstelle,<br />
für einige Tage mieten und/o<strong>der</strong> das<br />
Beratungsangebot nutzen.
Der Zugang zur Wohnung<br />
Der Zugang zur Wohnung sollte stufenfrei<br />
sein. Vorhandene Stufen können meist mit<br />
einer Rampe überbrückt werden, <strong>der</strong>en Steigung<br />
(nach DIN-Norm 18025-2) möglichst<br />
nur 6% betragen sollte. Wenn diese geringe<br />
Steigung aufgrund <strong>der</strong> Länge <strong>der</strong> Rampe nicht<br />
einzuhalten ist, haben Sie vielleicht die Möglichkeit,<br />
eine Hebeplattform mit senkrechtem<br />
Hub o<strong>der</strong> einen Treppenschrägaufzug zu installieren.<br />
Alle Türen im Außen- und Innenbereich<br />
sollten eine lichte Breite von mindestens<br />
80 cm haben. Türen sollten leicht zu öffnen<br />
sein (vorteilhaft sind elektrische Türöffner).<br />
Klingelknöpfe, Türöffner und an<strong>der</strong>e Schalter<br />
sollten in einer Höhe von 85 über dem Boden<br />
und 50 cm aus <strong>der</strong> Ecke heraus angebracht<br />
sein, ein Türspion in max. 110 cm Höhe.<br />
Der Zugang zu Freisitz o<strong>der</strong> Balkon sollte stufenfrei<br />
o<strong>der</strong> mit einer anlegbaren, mobilen<br />
Rampe möglich sein.<br />
Das Bad<br />
Im Badezimmer sollten Sie eine Bewegungsfläche<br />
von ca. 1,50 m x 1,50 m vorsehen, möglichst<br />
in <strong>der</strong> <strong>Mit</strong>te des Raumes.<br />
Für den Bodenbelag auf Rutschfestigkeit achten<br />
(z.B. rutschfeste Fliesen, Mosaikfliesen)<br />
Die Tür zum Badezimmer sollte nach außen<br />
hin öffnen.<br />
Die Badausstattung:<br />
Eine stufenlos befahrbare Dusche (150 x 150<br />
cm), Duschsitz o<strong>der</strong> Duschrollstuhl, Haltegriffe<br />
o<strong>der</strong> eine Badewanne (kann mit Badewannensitzlift<br />
(Bild) ausgerüstet werden), daneben<br />
90 cm für den Rollstuhl.<br />
Ein möglichst flacher, unterfahrbarer Waschtisch<br />
in ca. 75 cm Höhe.<br />
Neben dem (erhöhten o<strong>der</strong> mit Sitzlift und Hygienefunktion<br />
ausgestatteten) WC sollte Platz<br />
für den Rollstuhl o<strong>der</strong> fahrbaren Lifter sein (ca.<br />
90 cm), um einen Transfer zu ermöglichen.<br />
Ggf. ein Platz sparen<strong>der</strong> Deckenlift, mit dem<br />
die im Badezimmer erfor<strong>der</strong>lichen Umsetzvorgänge<br />
wesentlich erleichtert werden.<br />
Ggf. eine Notrufklingel.<br />
35<br />
Treppen überwinden<br />
Die Auswahl <strong>der</strong> geeigneten technischen Hilfsmittel<br />
zur Treppenüberwindung hängt wesentlich<br />
von <strong>der</strong> Treppenführung, aber auch von den Finanzierungsmöglichkeiten<br />
ab. Die einfachste,<br />
aber nur vorübergehend zu benutzende Anpassung<br />
ist das Halbieren von Treppenstufen und<br />
das Anbringen eines (zusätzlichen) Handlaufs.<br />
So können auf einer Seite <strong>der</strong> Treppenstufen stabile<br />
Blöcke von halber Stufenhöhe aufgelegt und<br />
fixiert werden, z.B. flach aufgelegte Ziegelsteine<br />
o<strong>der</strong> Holzklötze. Auf diese Weise wird das das<br />
Anheben <strong>der</strong> Beine und des Körpergewichts auf<br />
die halbe Stufenhöhe reduziert und dadurch erleichtert.<br />
Um Treppen sitzend o<strong>der</strong> im Rollstuhl zu überwinden,<br />
können Treppensteiger verwendet werden.<br />
Die meisten Geräte sind an wechselnden<br />
Orten einsetzbar. Sie haben akkugetriebene<br />
Raupenkettenantriebe o<strong>der</strong> rotierende Radsätze,<br />
die sich Stufe um Stufe „heraufarbeiten“. Ein<br />
Faltrollstuhl kann am Treppensteiggerät befestigt<br />
werden, ein Elektrorollstuhl jedoch nicht.<br />
Diese Transfers können allerdings nur mit Hilfe<br />
einer an<strong>der</strong>en, geschulten Person bewältigt werden.<br />
Darüber hinaus ergeben sich Einschränkungen<br />
in <strong>der</strong> Einsetzbarkeit, je nach Ausführung<br />
<strong>der</strong> Treppe. Treppensteiger sind dessen ungeachtet<br />
als Alternative zum Treppenlifter interessant,<br />
weil die Kosten im Gegensatz zu den fest eingebauten<br />
Anlagen von den gesetzlichen Krankenkassen<br />
übernommen werden.<br />
Wenn Sie Rollstuhlfahrer sind, brauchen Sie zur<br />
selbständigen Treppenüberwindung eine Anlage<br />
mit Plattform für den Rollstuhl o<strong>der</strong> einen Außenaufzug.<br />
Bei entsprechenden baulichen Voraussetzungen<br />
ist es möglich, einen Senkrechtaufzug<br />
zu installieren. Außenaufzüge können<br />
auch nachträglich am Haus angebaut werden.<br />
Weitere Informationen zu diesem Thema erhalten<br />
Sie im Hilfsmittelberatungszentrum <strong>der</strong><br />
<strong>DGM</strong> o<strong>der</strong> bei den örtlichen Wohnberatungsstellen<br />
(s. Anhang).<br />
Mobilität erhalten<br />
Gehstöcke und Rollatoren zählen zu den Gehhilfen,<br />
die für die selbständige Fortbewegung benötigt<br />
werden. Die Schwierigkeiten beim Gehen sind von<br />
Betroffenen zu Betroffenen sehr unterschiedlich,<br />
daher sollte bei <strong>der</strong> Auswahl von Gehhilfen vor<br />
<strong>der</strong> endgültigen Versorgung eine gründliche Bera
tung und Erprobung erfolgen. Dies kann in einem<br />
Sanitätshaus o<strong>der</strong> in einer Therapie- o<strong>der</strong> Rehabilitationseinrichtung<br />
stattfinden.<br />
In <strong>der</strong> Anfangsphase <strong>der</strong> Erkrankung sind Gehstützen<br />
recht nützlich, um einen unsicheren Gang auszugleichen<br />
und Stürze zu vermeiden. Gehstützen<br />
entlasten die Beine, erfor<strong>der</strong>n dafür aber Kraft in<br />
Händen und Armen des Benutzers.<br />
Rollatoren sind fahrbare Gehhilfen, sie werden im<br />
Handel in verschiedenen Ausführungen angeboten.<br />
Sie bieten eine größere Sicherheit auf unebenem<br />
Gelände und eine Sitz- sowie Ablagemöglichkeit.<br />
Die Kraft in den Händen muss noch ausreichend<br />
sein, um die Bremsen betätigen zu können. Empfehlenswert<br />
für ALS Betroffene sind Rollatoren<br />
mit einem geringen Eigengewicht und erhöhter<br />
Sitzfläche.<br />
Als Mobilitätshilfen für muskelkranke Menschen<br />
eignen sich darüber hinaus Rollstühle, Spezial-<br />
Fahrrä<strong>der</strong> und Elektroscooter.<br />
Ein Rollstuhl wird im Verlauf einer ALS-Erkrankung<br />
in <strong>der</strong> Regel erfor<strong>der</strong>lich. Doch welcher Rollstuhl<br />
ist <strong>der</strong> "richtige"? Welcher Rollstuhl sich im<br />
Einzelfall für einen selbst eignet, lässt sich nur an<br />
Hand <strong>der</strong> persönlichen Situation (Gesundheitszustand,<br />
Restkraft, Mobilitätsbedürfnis) sowie Lebensumstände<br />
(Wohnsituation, Transport) beurteilen.<br />
Grundsätzlich sind für ALS Betroffene je nach<br />
Einsatz und Funktion drei Gruppen von Rollstühlen<br />
geeignet. Das wären Faltrollstühle, die zusammengeklappt<br />
wenig Platz benötigen, Elektrorollstühle<br />
und Multifunktionsrollstühle. Sie werden in<br />
verschiedensten Ausführungen angeboten und können<br />
sowohl von Hand als auch elektrisch bedient<br />
werden. Bei allen gilt: Ihr Einsatzbereich und die<br />
jeweiligen Vor und Nachteile sind vor <strong>der</strong> endgültigen<br />
Versorgung sorgfältig abzuwägen. Eine möglicherweise<br />
notwendige Anpassung an die Bedürfnisse<br />
des Benutzers, wie z.B. die Nachrüstung mit<br />
entsprechendem Zubehör zu einem späteren Zeitpunkt<br />
sollte im Hinblick auf dem Verlauf <strong>der</strong> Erkrankung<br />
möglich sein.<br />
Solange man noch allein aufstehen o<strong>der</strong> Transfers<br />
bewältigen kann, ist für den häuslichen Bereich<br />
und für die Überwindung kürzerer Entfernungen<br />
zunächst ein kompakter, leichter Faltrollstuhl eine<br />
gute Wahl. Faltrollstühle sind Platz sparend und bei<br />
36<br />
ausreichen<strong>der</strong> Muskelkraft in den Armen sowie<br />
vorhandener Assistenz für ALS-Betroffene durchaus<br />
geeignet. Sie sollten kompakt, leicht und wendig<br />
sein. Wenn die Kraft nicht mehr ausreicht, um<br />
das eigene Körpergewicht und das Gewicht eines<br />
Faltrollstuhles zu bewältigen, empfiehlt es sich,<br />
den vorhandenen Faltrollstuhl mit einem elektrischen<br />
Zusatzantrieb aufzurüsten. Schwere Stahlrohrrahmen-Rollstühle<br />
sind für ALS Betroffene<br />
nicht geeignet!<br />
Will man sich beim Fortbewegen seine Selbständigkeit<br />
erhalten und weniger auf die Hilfe seiner<br />
<strong>Mit</strong>menschen angewiesen sein, führt <strong>der</strong> Weg an<br />
einem Elektrorollstuhl nicht vorbei. Für ALS-Betroffene<br />
eignen sich Elektrorollstühle mit guter<br />
Stoßdämpfung (z.B. für Ausflüge auf unebenen<br />
Wegen) sowie mit elektrischen Verstelloptionen <strong>der</strong><br />
Sitz- und Rückeneinheit, Sitzneigungs- und Sitzlängsverstellung,<br />
Sitzhub- o<strong>der</strong> Aufrichtvorrichtung.<br />
Die Ausstattung eines Elektrorollstuhles mit<br />
einer Son<strong>der</strong>steuerung ermöglicht es auch schwer<br />
körperbehin<strong>der</strong>ten Nutzern, die verschiedenen<br />
Rollstuhlfunktionen eigenständig zu bedienen und<br />
sich fortzubewegen. Für den Einsatz im Innenbereich<br />
eignen sich schmale und wendige Elektrorollstühle.<br />
Multifunktionsrollstühle sind für ALS Betroffene<br />
geeignet, die die o.g. Funktionen nicht mehr selbständig<br />
bedienen können und zum Sitzen und Lagewechsel<br />
viel Unterstützung brauchen. Sie ermöglichen<br />
die individuelle Versorgung im häuslichen<br />
Umfeld durch vielfältige Einstellungsmöglichkeiten.<br />
Die verschiedenen Optionen wie z.B.<br />
elektrisch o<strong>der</strong> durch Gasdruckfe<strong>der</strong> winkelverstellbaren<br />
Sitz und Rücken sowie winkel- und tiefenverstellbare<br />
Fußstützen ermöglichen ein längeres,<br />
ermüdungsfreies Sitzen.<br />
Sicher Autofahren<br />
Sollten Sie sich als Autofahrer aufgrund einer fortschreitenden<br />
ALS-Erkrankung zunehmend unsicher<br />
fühlen, können Sie sich ein objektives Bild<br />
von Ihren Fahrfähigkeiten verschaffen, indem Sie<br />
beispielsweise Ihre Reaktionszeit durch den ADAC<br />
testen lassen. Es besteht außerdem die Möglichkeit,<br />
einen Eignungstest beim technischen Überwachungsverein<br />
(TÜV) zu machen. Der TÜV bietet<br />
eine solche Untersuchung an, die Sie auf eigene<br />
Rechnung freiwillig und vertraulich machen lassen<br />
können, ohne dass dadurch Ihr Führerschein in irgendeiner<br />
Form gefährdet ist.
Solange man noch einen Faltrollstuhl hat, ist <strong>der</strong><br />
Transport des Rollstuhles in einem Kraftfahrzeug<br />
recht unkompliziert. Bei großen Elektrorollstühlen<br />
reicht ein Kleinwagen jedoch nicht mehr aus. Benötigt<br />
wird i.d.R., je nach individuellem Bedürfnis,<br />
ein Minivan, Minibus o<strong>der</strong> ein Kleintransporter mit<br />
Rollstuhllift, Auffahrrampe bzw. elektrischer Hebebühne.<br />
Verschiedene Kfz-Umrüstfirmen in<br />
Deutschland bieten individuelle Umbaulösungen<br />
für behin<strong>der</strong>te Menschen an. Grundsätzlich können<br />
alle gängigen Modelle umgerüstet werden. Im herkömmlichen<br />
Kfz-Handel können entsprechende<br />
Neuwagen aber auch bereits umgebaute Gebrauchtwagen<br />
erworben werden.<br />
Weiterhin genussvoll reisen<br />
und Urlaub machen<br />
Eine Muskelerkrankung ist kein Reisehin<strong>der</strong>nis,<br />
sofern Sie übermäßige Anstrengungen vermeiden<br />
und Sie Ihre Reise im Voraus gut und sorgfältig<br />
planen. Viele Verkehrsunternehmen bieten behin<strong>der</strong>ten<br />
Menschen einen Reise- und Begleitservice<br />
an. Eine große Reihe von Reiseveranstaltern bieten<br />
außerdem barrierefreie sowie ärztlich betreute Reisen<br />
an.<br />
Fit bleiben durch Training<br />
Wer noch in <strong>der</strong> Lage dazu ist, sollte spazieren,<br />
schwimmen und Fahrrad fahren so lange es geht.<br />
Jede Art von gemäßigter sportlicher Aktivität an<br />
frischer Luft tut Körper und Seele gut. Gehen Sie<br />
dabei nicht an Ihre Leistungsgrenze, son<strong>der</strong>n haushalten<br />
Sie mit Ihren Kräften. Gezieltes Bewegungstraining<br />
für die Muskulatur ist wichtig, um<br />
dem Muskelschwund entgegenzuwirken und eine<br />
Verkürzung <strong>der</strong> Sehnen zu vermeiden. Zu diesem<br />
Zweck können neben Physio- und Ergotherapie<br />
verschiedene Trainingsgeräte (Ergometer mit Elektroantrieb<br />
o<strong>der</strong> ein Spezialfahrrad), eingesetzt werden.<br />
Die Auswahl und Bedeutung <strong>der</strong> einzelnen<br />
Trainingsgeräte kann für jeden Betroffenen unterschiedlich<br />
sein, je nach Ausprägung des <strong>Krankheit</strong>sbildes<br />
und <strong>der</strong> Beschwerden.<br />
Computer & Co.<br />
Ein Computer lässt sich an öffentliche Datennetze<br />
anschließen und zur Kommunikation, Kontaktpflege,<br />
Erledigung von Bankgeschäften, Einkäufen<br />
usw. nutzen. Außerdem wird die Kommunikation<br />
mit an<strong>der</strong>en Menschen geför<strong>der</strong>t und einer durch<br />
die <strong>Krankheit</strong> geför<strong>der</strong>ten sozialen Isolierung entgegenwirkt.<br />
37<br />
Hilfsmittel auswählen und<br />
ausprobieren<br />
Um optimalen Nutzen für den Betroffenen zu bringen,<br />
müssen Hilfsmittel individuell auf den Benutzer<br />
zugeschnitten sein. Oft findet man erst nach<br />
mehreren Austauschgesprächen, Beratungen o<strong>der</strong><br />
Erfahrungsberichten an<strong>der</strong>er Betroffener heraus,<br />
was für einen selber eigentlich nützlich sein könnte<br />
und was man tatsächlich benötigt.<br />
Besuchen Sie ein Sanitätshaus und lassen Sie sich<br />
aus dem vorhandenen Sortiment o<strong>der</strong> anhand von<br />
Herstellerkatalogen über die im Handel erhältlichen<br />
Hilfsmittel informieren. Doch Vorsicht –<br />
viele Hilfsmittel gibt es mittlerweile in vielen verschiedenen<br />
Ausführungen, so dass es für den Laien<br />
mitunter schwer fallen kann, das „richtige“ Hilfsmittel<br />
für sich auszuwählen. Wer zum Beispiel ein<br />
ungeeignetes und nicht angepasstes Rollstuhlmodell<br />
auswählt und von <strong>der</strong> Krankenkasse finanziert<br />
bekommt, riskiert, dass dieses mehr zum „Staubfänger“<br />
o<strong>der</strong> zur Klei<strong>der</strong>ablage als zum nützliches<br />
Hilfsmittel wird. Insbeson<strong>der</strong>e die Auswahl und<br />
Anpassung von Rollstühlen, Alltags- und Kommunikationshilfsmitteln<br />
gehört in die Hand von erfahrenen<br />
Fachleuten. Daher sollten Sie die Auswahl<br />
des geeigneten Hilfsmittels stets gemeinsam mit<br />
Fachleuten aus dem Therapie- und Sanitätsbereich<br />
treffen.<br />
Eine gute Möglichkeit, Hilfsmittel auf ihre individuelle<br />
Eignung zu testen, bieten auch die<br />
beiden Probewohnungen <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> am Beratungszentrum<br />
in Freiburg. Die beiden behin<strong>der</strong>tengerechten<br />
Wohnungen bieten eine Vielzahl<br />
an Lösungen wie höhenverstellbare<br />
Küche, Umfeldsteuerung, Deckenlifter uvm.<br />
Darüber hinaus kann man sich in den Probewohnungen<br />
Anregungen für den Um- o<strong>der</strong><br />
Neubau holen (Kontakt s. Anhang).
Eva Köhler, die Gattin des ehemaligen Bundespräsidenten,<br />
hört genau zu bei ihrem Besuch <strong>der</strong> <strong>DGM</strong>-Probewohnungen.<br />
Frau Köhler ist begeistert von den vielen Lösungen, die behin<strong>der</strong>ten<br />
Menschen den Alltag erleichtern.<br />
Bei größeren Hilfsmittel-Anschaffungen<br />
- langfristig denken!<br />
Der Standpunkt "Ich kann das alles noch" und<br />
die späte Einsicht über das Nutzen und die Notwendigkeit<br />
eines Hilfsmittels werden seitens <strong>der</strong><br />
Krankenkasse in vielen Fällen erst einmal mit<br />
einer pauschalen Ablehnung des Antrags o<strong>der</strong><br />
langen Bearbeitungszeiten bestraft. Nicht, das<br />
man generell keinen Anspruch hätte auf ein<br />
Hilfsmittel, das medizinisch notwendig ist. In<br />
<strong>der</strong> Regel bekommt man es - eines Tages, oft erst<br />
nach mehreren Monaten. In vielen Fällen folgen<br />
dem Antrag zunächst die Einschaltung des MDK<br />
und darauffolgend eine Ablehnung. Das kann<br />
einen Wi<strong>der</strong>spruch, vielleicht sogar ein Sozialgerichtsprozess<br />
erfor<strong>der</strong>lich machen - und das kann<br />
dauern. Daher sollte die Hilfsmittelversorgung<br />
38<br />
gerade bei ALS Betroffenen vorausschauend und<br />
langfristig erfolgen.<br />
Und wer bezahlt das alles?<br />
Als Kostenträger bei <strong>der</strong> Finanzierung von Hilfsmitteln<br />
kommen je nach Anspruchsgrundlage die<br />
Kranken- und Pflegekassen und unter bestimmten<br />
Voraussetzungen auch die Bundesagentur für<br />
Arbeit (bei Hilfsmitteln zur Berufsausübung),<br />
die Träger <strong>der</strong> Rentenversicherung (wenn es um<br />
die Sicherung <strong>der</strong> Erwerbsfähigkeit geht) o<strong>der</strong><br />
die Sozialhilfeträger (für Einglie<strong>der</strong>ungshilfen<br />
für Behin<strong>der</strong>te) in Betracht.<br />
Es gibt viele Hilfsmittel, die Sie in Ihrer Selbständigkeit<br />
unterstützen, die aber von den Kostenträgern<br />
als so genannte "Gegenstände des täglichen<br />
Lebens" betrachtet werden und daher<br />
grundsätzlich nicht übernommen werden. Hierzu<br />
zählen beispielsweise Esshilfen o<strong>der</strong> herkömmliche<br />
Seniorensessel. Erkundigen Sie sich daher<br />
vor Antragstellung bei den Kostenträgern, ob<br />
grundsätzlich eine Aussicht auf Kostenübernahme<br />
des von Ihnen benötigen Hilfsmittels besteht.<br />
Die Kosten für ein behin<strong>der</strong>tengerechtes Kraftfahrzeug<br />
bzw. die behin<strong>der</strong>tengerechte Kraftfahrzeug-Umrüstung<br />
werden nicht von den<br />
Krankenkassen übernommen. Eine teilweise<br />
Kostenübernahme durch die Arbeitsagentur, Integrationsamt<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Rentenversicherung ist<br />
bei behin<strong>der</strong>ten Menschen die berufstätig sind,<br />
im Einzelfall möglich. Erkundigen Sie sich<br />
daher vor Abschluss eines Kfz-Kaufvertrages<br />
bzw. vor einer Kfz-Umrüstmaßnahme nach möglichen<br />
Kostenträgern.<br />
Private Krankenversicherung<br />
Die Leistungen <strong>der</strong> gesetzlichen Krankenversicherung<br />
in Deutschland sind im Fünften Gesetzbuch<br />
(SGB V) geregelt. Die Leistungen <strong>der</strong> privaten<br />
Krankenversicherung sind nicht einheitlich geregelt.<br />
Ansprüche auf Kostenübernahme von Hilfsmitteln<br />
von einer privaten Krankenversicherung<br />
können im Einzelfall erheblich von denen <strong>der</strong> gesetzlichen<br />
Krankenversicherung abweichen. Entscheidend<br />
ist, was <strong>der</strong> Versicherte und seine Versicherung<br />
vertraglich vereinbart haben. Die erstattungsfähigen<br />
Hilfsmittel sind i.d. Regel in den Tarifbedingungen<br />
<strong>der</strong> Versicherung in Form eines<br />
Hilfsmittelkataloges festgehalten.
Vom Antrag bis zur<br />
Kostenübernahme<br />
Für das notwendige Hilfsmittel muss vom behandelnden<br />
Arzt ein Rezept ausgestellt werden. Ein<br />
medizinisch notwendiges Hilfsmittel muss erst bei<br />
den Kostenträgern beantragt, dann muss auf die<br />
Genehmigung gewartet werden. Das kann einige<br />
Zeit dauern. Empfehlenswert ist grundsätzlich eine<br />
kurze aber nachvollziehbare schriftliche Begründung<br />
des Antrages mit <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> persönlichen<br />
Situation, wenn möglich mit einer fachärztlichen<br />
Stellungnahme, die die Notwendigkeit des<br />
Hilfsmittels und dessen Nutzen aus medizinischer<br />
Sicht hervorhebt. Es ist wichtig, dass das benötigte<br />
Hilfsmittel auf dem Rezept genau bezeichnet und<br />
erfor<strong>der</strong>liches Zubehör zusätzlich vermerkt wird.<br />
Außerdem kann es hilfreich sein, als Zusatz die<br />
Hilfsmittelnummer <strong>der</strong> Produktgruppe mit aufzuführen.<br />
Für ein neu angeschafftes o<strong>der</strong> leihweise zur Verfügung<br />
gestelltes technisches Hilfsmittel gelten die<br />
allgemeinen Zuzahlungen (10 % vom Abgabepreis,<br />
mindestens 5 EUR, höchstens 10 EUR) und die<br />
Härtefallrichtlinien <strong>der</strong> Krankenversicherung.<br />
Falls die Krankenkasse trotz ausführlicher Begründung<br />
die Kostenübernahme für ein medizinisch<br />
notwendiges Hilfsmittel ablehnt, sollten Sie sich<br />
fachlichen Rat holen (z. B. in einem Beratungszentrum),<br />
um dann gegebenenfalls gegen den ablehnenden<br />
Bescheid Wi<strong>der</strong>spruch zu erheben. Auf<br />
diesen Wi<strong>der</strong>spruch sollte dann ein Wi<strong>der</strong>spruchsbescheid<br />
erfolgen. Wird das Hilfsmittel in diesem<br />
Wi<strong>der</strong>spruchsbescheid wie<strong>der</strong> abgelehnt, kann innerhalb<br />
von 4 Wochen Klage vor einem Sozialgericht<br />
erhoben werden. Zwar ist die Klage in <strong>der</strong><br />
39<br />
ersten In¬stanz <strong>der</strong>zeit gebührenfrei und es besteht<br />
keine Anwaltspflicht, ein solcher Schritt sollte jedoch<br />
trotzdem gründlich überlegt werden, denn ein<br />
Gerichtsverfahren ist langwierig und schon in <strong>der</strong><br />
zweiten Instanz können für den Kläger erhebliche<br />
Kosten anfallen.<br />
Finanzierung durch Stiftungen<br />
Neben <strong>der</strong> Finanzierung durch die bereits genannten<br />
Kostenträger gibt es noch die Möglichkeit,<br />
einen finanziellen Zuschuss bei Stiftungen zu beantragen.<br />
Diese verteilen ihre finanziellen <strong>Mit</strong>tel<br />
nach regionalen, behin<strong>der</strong>ungsspezifischen o<strong>der</strong><br />
sozialen Aspekten. Weitere Informationen hierzu<br />
finden Sie im Kapitel im Beitrag „Materielle Hilfen“).<br />
Not macht erfin<strong>der</strong>isch -<br />
„selbstgemachte“ Hilfsmittel<br />
Teure Hilfsmittel aus dem Fachhandel haben<br />
durchaus ihre Berechtigung. Dessen ungeachtet<br />
gibt es verschiedene einfache preiswerte Hilfsmittel<br />
die das Leben erleichtern und den Geldbeutel<br />
schonen. Von <strong>der</strong> Büroklammer als Knopfhilfe bis<br />
zum Zollstock als Spielkartenstän<strong>der</strong> - die meisten<br />
einfachen Hilfsmittel werden von kreativen Betroffenen<br />
selbst entworfen und erleichtern den Alltag<br />
gleichermaßen wie Hilfsmittel aus dem Fachhandel.<br />
Wir bitten zu beachten, dass die im Text genannten<br />
Hilfsmittel keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.<br />
Die namentlich genannten Modelle sind als<br />
Beispiele zu verstehen. Im Sanitätshaus o<strong>der</strong> direkt<br />
bei den Herstellern sind Kataloge erhältlich in<br />
denen alle genanten Hilfsmittel in verschiedenen<br />
Ausführungen abgebildet sind.
4 Pflege<br />
"Es ist eine schlimme <strong>Krankheit</strong>, und es war schon<br />
sehr schwer, und ich dachte oft, dass ich das nicht<br />
schaffe. Ich hatte auch Angst und war an meiner<br />
Grenze. Aber jetzt muss ich sagen, mit <strong>der</strong> Unterstützung,<br />
die ich bekommen habe, ging es doch<br />
recht gut. Mein Mann war so froh, dass er immer<br />
zuhause bleiben konnte. Zum Glück hatte er die<br />
<strong>Krankheit</strong> akzeptiert und genoss unsere gemeinsame<br />
Zeit. Ich konnte es gut sehen. Und ich muss<br />
sagen, wir waren uns im Gesunden nie so nahe wie<br />
in dieser Zeit, und ich bin eigentlich glücklich,<br />
dass wir es so gut miteinan<strong>der</strong> haben konnten.<br />
Trotz allem möchte ich diese Zeit nicht missen."<br />
Ehefrau eines ALS Betroffenen, St. Gallen 2006<br />
Hilfreiche Fragen vor <strong>der</strong><br />
Übernahme einer Pflege<br />
Bea Goldman, Intensivpflege,<br />
ALS-Nurse, St. Gallen / Schweiz<br />
· Kann ich pflegen? (Bin ich körperlich dazu in<br />
<strong>der</strong> Lage?)<br />
· Will ich pflegen?<br />
· Warum möchte ich pflegen? (aus Zuneigung,<br />
Verantwortungs-/Pflichtgefühl, Schuldgefühl,<br />
Sinn finden, religiöse Überzeugung)<br />
· Wie gut ist meine Beziehung? („Altlasten“<br />
vorhanden? Ist es mir möglich zu pflegen?<br />
Was muss bereinigt werden?)<br />
· Wie dringlich sind eigene Pläne?(Job, Ausbildung,<br />
an<strong>der</strong>e Verpflichtungen, finanzielle<br />
Möglichkeiten)<br />
· Habe ich genügend Unterstützung? (Wer hilft<br />
noch mit? Wie kann die Aufgabenverteilung<br />
sein? Ist genug Zeit für eigene Familie vorhanden?<br />
Kann die Pflege auf mehrere Schultern<br />
verteilt werden?)<br />
· Habe ich genügend Zeit? (Organisatorische<br />
und finanzielle Aspekte)<br />
· Wer kann mein Coach sein?( medizinisch,<br />
pflegerisch, seelsorgerisch)<br />
Wichtig: Pflege ist ein andauern<strong>der</strong> Prozess,<br />
<strong>der</strong> Kompromisse erfor<strong>der</strong>t und verhandelbar<br />
sein muss. Es soll ein Geben und Nehmen<br />
sein. Auch als Angehörige haben Sie ein Recht<br />
auf Lebensqualität.<br />
40<br />
PFLEGENDE ANGEHÖRIGE:<br />
UNTERSTÜTZUNG IST NÖTIG<br />
(...DOCH BITTEN IST SCHWER)<br />
Antje Faatz, Dipl. Sozialpädagogin (FH),<br />
Fachkraft für Palliative Care,<br />
<strong>DGM</strong>-Sozialberatung<br />
Häusliche Pflege ist eine nie endende Gratwan<strong>der</strong>ung<br />
zwischen <strong>der</strong> Bewältigung <strong>der</strong> Pflegeanfor<strong>der</strong>ungen,<br />
allen an<strong>der</strong>en privaten Beziehungen<br />
rundum und den eigenen Wünschen und Bedürfnissen.<br />
Pflegende, die glauben, die Versorgung<br />
eines/einer schwer Kranken ganz ohne Hilfe bewältigen<br />
zu können, riskieren, selbst ernsthaft<br />
krank zu werden. Sie leisten <strong>der</strong> eigenen Isolation<br />
und Unzufriedenheit Vorschub und för<strong>der</strong>n Abhängigkeit<br />
und Ausschließlichkeitsansprüche des/<strong>der</strong><br />
Kranken. „Ich lasse mir nur von dir helfen“, ist einerseits<br />
natürlich verständlich, bedeutet an<strong>der</strong>erseits<br />
aber bei zunehmendem Pflegebedarf auch zunehmende<br />
Überfor<strong>der</strong>ung und Vereinnahmung <strong>der</strong><br />
pflegenden Angehörigen.<br />
Nötig wäre es und sicher gut, sich rechtzeitig entbehrlich<br />
zu machen und stundenweise vertreten zu<br />
lassen. Doch das ist ein schwieriger Lernprozess.<br />
Welche/r pflegende Ehefrau/-mann müsste sich<br />
nicht überwinden, Außenstehenden ungehin<strong>der</strong>t<br />
Zugang zu allen Räumen zu gewähren, oft auch zu<br />
den eigenen? Wer setzt schon leichten Herzens<br />
einen kranken Menschen in all seiner Hilflosigkeit<br />
fremden Blicken und fremden, ungeübten Händen<br />
aus? Wer gewährt an<strong>der</strong>en freiwillig Einblick in familiäre<br />
Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten,<br />
die in keinem Pflegehaushalt ausbleiben? Wer wäre<br />
frei von <strong>der</strong> Angst, moralisch bewertet zu werden?<br />
Das sind nur einige Gründe, die erklären, warum<br />
so viele Pflegende lange versuchen, mit sämtlichen<br />
Erfor<strong>der</strong>nissen und Belastungen allein fertig zu<br />
werden, oft viel zu lang. Verständlich aber gefährlich!<br />
Dagegen hilft nur, ein Hilfenetz für den Alltag<br />
zu weben und konsequent zu erweitern.<br />
Die Inanspruchnahme bezahlter Fachkräfte (Sachleistungen<br />
aus <strong>der</strong> Pflegeversicherung) ist dabei<br />
gefühlsmäßig einfacher als die von Privatpersonen,<br />
denen man immer etwas „schuldig“ zu bleiben<br />
glaubt. Aber Fachdienste können nur einen Bruchteil<br />
des tatsächlichen Hilfebedarfes abdecken. Die<br />
Entlastung <strong>der</strong> pflegenden Bezugsperson ist dabei<br />
als Ziel gar nicht vorgesehen, darum muss diese<br />
sich schon selbst kümmern. Bei Stundensätzen um
30 Euro können viele Pflegehaushalte sich professionelle<br />
Entlastung auch finanziell kaum leisten.<br />
Für die Entlastung durch Privatpersonen gilt: Niemand<br />
ist rechtlich verpflichtet, pflegenden Angehörigen<br />
zu helfen, nicht einmal Verwandte. Viele<br />
Pflegende glauben o<strong>der</strong> erhoffen immer wie<strong>der</strong>,<br />
an<strong>der</strong>e würden von sich aus fragen, was sie zur Erleichterung<br />
<strong>der</strong> Pflegesituation tun können. Aber<br />
diese Hoffnung ist eine Selbst-Täuschung, die zu<br />
vielen Ent-Täuschungen führt. Wer ein beengtes<br />
Leben führt, verliert leicht aus dem Blick, wie<br />
rasch in <strong>der</strong> betriebsamen Welt die Zeit vergeht.<br />
Zeiträume, die Pflegenden wie eine Ewigkeit erscheinen<br />
(zum Beispiel seit dem letzten Anruf o<strong>der</strong><br />
Besuch), empfinden die „draußen“ wie einen Augenblick.<br />
Um ein „Pflegeghetto“ zu verhin<strong>der</strong>n,<br />
müssen Angehörige <strong>lernen</strong>, um ergänzende Hilfen<br />
(in manchen Fällen auch gegen geringfügige Bezahlung)<br />
zu bitten, nicht einmal, son<strong>der</strong>n immer<br />
wie<strong>der</strong>, solange die Pflegesituation dauert. Gerade<br />
die endlose „Bittsteller-Rolle“ fällt den meisten<br />
Pflegenden schwer.<br />
Doch es gibt glücklicherweise auch viele hilfsbereite<br />
Menschen unterschiedlicher Alters- o<strong>der</strong> Berufsgruppen,<br />
mit und ohne Familie, mit und ohne<br />
Pflegeerfahrung, mit und ohne Zugehörigkeit zu<br />
einer Gruppe, Gemeinde o<strong>der</strong> Bürger-initiative<br />
(mehrheitlich sind es übrigens Frauen - mit Lebenserfahrung<br />
und vollem Programm). Aber egal<br />
ob Verwandte, Bekannte o<strong>der</strong> ehrenamtlich Engagierte<br />
in Betracht kommen – niemand hilft bedingungslos:<br />
Ich helfe gern, aber... Alle wollen so<br />
frühzeitig wie möglich gefragt werden, um den<br />
Termin in den eigenen Kalen<strong>der</strong> einfügen zu können.<br />
Alle wollen ihre Freiheit behalten, ehrlich ja<br />
o<strong>der</strong> nein zu sagen, bei akuten Engpässen auch<br />
kurzfristig, ohne dass ihnen das übel genommen<br />
wird. Niemand möchte zu oft „dran kommen“.<br />
Pflegende müssen <strong>lernen</strong>, Absagen als normal einzukalkulieren.<br />
Wer sie als persönliche Zurückweisung<br />
einordnet, schlägt Hilfsbereite in die Flucht.<br />
Aber das ist leichter gesagt als getan: Eine Absage<br />
ist zu verkraften, aber wenn man zufällig von mehreren<br />
Leuten nacheinan<strong>der</strong> „einen Korb bekommt“,<br />
wird es schwer. Sofort ist da das Gefühl, lästig zu<br />
sein, und die allgegenwärtige Versuchung, sich gekränkt<br />
– und erschöpft - zurückzuziehen und alles<br />
alleine zu bewältigen. Leichter ist übrigens eine<br />
Absage zu verkraften (und dies ist ein Hinweis an<br />
die potentiellen Helfer/innen <strong>der</strong> Pflegenden),<br />
41<br />
wenn sie zusammen mit einer Ermutigung für<br />
künftige Anfragen gegeben wird: „Heute geht es<br />
nicht, aber dienstags und donnerstags normalerweise<br />
ganz gut, du darfst mich gern wie<strong>der</strong> fragen...“<br />
Um nicht zu oft in die Situation einer Absage zu<br />
gelangen, ist es gut, sich eine möglichst konkrete<br />
Übersicht über den regelmäßigen o<strong>der</strong> in beson<strong>der</strong>en<br />
Engpässen notwendigen Hilfe- und Unterstützungsbedarf,<br />
das persönliche Unterstützungsnetz<br />
und die persönlichen Ressourcen und Freiräume<br />
zu verschaffen (am besten bildlich auf einem großen<br />
Plakat o<strong>der</strong> Kalen<strong>der</strong>: denn es tut gut zu sehen,<br />
von welchen Menschen man umgeben ist und auch<br />
<strong>der</strong> Berg an Arbeit erscheint eher bewältigbar,<br />
wenn man seine Dimensionen überblicken und einzelne<br />
„Felsbrocken“ und kleinere „Steinchen“<br />
Stück für Stück abtragen kann!).<br />
Vielleicht können folgende Vorschläge<br />
dabei helfen:<br />
· Machen Sie sich einen Tages- und Wochenplanmit<br />
<strong>der</strong> Frage: Was ist zu tun?<br />
· Sehen Sie den Plan dann durch mit den Fragen:<br />
Was davon mache ich gerne und kann ich gut?<br />
Was ist zuviel, fällt mir schwer (was kann ich<br />
vielleicht auch lassen), wobei treten regelmäßig<br />
Engpässe auf ? Wann / wobei / wie oft genau<br />
könnte ich welche Art von Hilfe brauchen?<br />
(Liste mit genauen Angaben erstellen)<br />
· Wen gibt es in meiner unmittelbaren bis weiteren<br />
Umgebung (Verwandte, Freunde, Nachbarn,<br />
Bekannte, Arbeitskollegen, Kirchengemeinde,<br />
Sportverein, Selbsthilfegruppe, ...) und<br />
welche Art von Unterstützung erhalte ich bereits<br />
o<strong>der</strong> könnte ich dort vielleicht erhalten?<br />
(emotionale Unterstützung, praktische Hilfe,<br />
Beratung, ...) Gibt es darunter jemanden,<br />
den/die ich Tag und Nacht je<strong>der</strong>zeit anrufen<br />
dürfte, wenn ich nicht mehr weiter weiß?<br />
· Welche Freiräume und Kraftquellen brauche<br />
und nutze ich bereits in meinem Alltag? Was<br />
fehlt noch und wer könnte mir dabei helfen?<br />
· Wer könnte mir helfen, diese Fragen zu erarbeiten,<br />
mit wem kann ich mein Netzwerk weben?
Hilfsbereite gibt es, aber man muss ihre Grenzen<br />
respektieren und einplanen. Wenn jemand einmal<br />
seine Hilfsbereitschaft angeboten hat, darf man ihn<br />
auch fragen: Je frühzeitiger und genauer eingegrenzt<br />
seine Unterstützung erbeten wird, umso<br />
eher kann er ja sagen. Für den Einsatz von Helfern<br />
in <strong>der</strong> direkten Pflege sollten möglichst klare (evtl.<br />
schriftliche) Informationen vorbereitet werden<br />
(Welche Beson<strong>der</strong>heiten sind zu beachten? Wer<br />
kann bei unvorhergesehenen Schwierigkeiten weiterhelfen?<br />
Wo sind notwendige Dinge im Haushalt<br />
zu finden? Wann kehrt die pflegende Bezugsperson<br />
zurück?) Solche Informationen sind für Helfer<br />
unbedingt wichtig und geben Sicherheit.<br />
WAS HILFT PFLEGENDEN?<br />
Bea Goldman, St. Gallen / Schweiz<br />
Training<br />
Durchdachte<br />
Organisation<br />
Probezeit vereinbaren<br />
Hausarzt informieren<br />
42<br />
Alles in allem: Die Suche nach Hilfsbereiten und<br />
die Organisation eines tragfähigen Hilfenetzes zur<br />
eigenen Entlastung bleiben aktuell, solange eine<br />
Pflege andauert. Sie sind für die pflegende Bezugsperson<br />
das sicherste <strong>Mit</strong>tel, eigener Überfor<strong>der</strong>ung<br />
vorzubeugen. Sie erfor<strong>der</strong>n Planung und rechtzeitige<br />
Organisation sowie eine Mischung aus Selbstzurücknahme,<br />
Selbstbehauptung und gesun<strong>der</strong><br />
Selbstliebe. Dabei immer das richtige Maß zu finden<br />
und auch noch den richtigen Ton zu treffen ist<br />
nicht einfach, denn die eigene Tagesform wechselt.<br />
Aber die Mühe lohnt!<br />
Pflege-Kurse, Fachliteratur, ev. Maßnahmen bei Physio/Ergotherapeuten<br />
er<strong>lernen</strong>, evtl. ehemals ALS-Pflegende kontaktieren – kann Sicherheit<br />
und Vertrauen geben.<br />
· Pflegeplan erarbeiten (evtl. mit Hilfe vom Betroffenen, eines ambulanten<br />
Pflegedienstes, Familie und Umfeld)<br />
· Tagesablauf an körperl. Befinden anpassen (z.B. „Morgenmuffel“ ausschlafen<br />
lassen und amb. Dienst später kommen lassen, ev. gemeinsam<br />
<strong>Mit</strong>tagsschlaf halten, bei Erschöpfung abends amb. Dienst zur rationelleren<br />
Pflege beiziehen)<br />
· „Auszeiten“ für beide fix einplanen!<br />
· Selbständigkeit des Pat. so lang wie mögl. erhalten mit angepassten<br />
Hilfsmitteln (Hilfe von Ergo-/Physiotherapeut)<br />
· Frühzeitiges Organisieren <strong>der</strong> Hilfsmittel und baulicher Maßnahmen,<br />
Anträge stellen (Hilfe von Sozialarbeiter)<br />
· Routine entwickeln (z.B. Wochenplan/Monatsplan)<br />
Situationsanalyse nach einiger Zeit: was ist gut , was müssen wir än<strong>der</strong>n,<br />
was kann wie ausgebaut werden, wie geht es uns dabei – es muss für Betroffene<br />
und Pflegende akzeptabel sein.<br />
Es ist wichtig, dass er es weiß, meine Situation kennt und so im Bedarfsfall<br />
Unterstützung geben kann.<br />
Ist für alle ersichtlich, dass ich <strong>der</strong>/die Hauptpflegende/r bin und als<br />
gleichberechtigte/r Ansprechpartner zusammen mit dem/r Betroffenen<br />
wahrgenommen werde?
Ehrlichkeit in Umgang<br />
miteinan<strong>der</strong><br />
Eigene Grenzen kennen<br />
und akzeptieren<br />
Support von und<br />
durch Kin<strong>der</strong><br />
„Inseln“ schaffen<br />
Regelmäßige Entlastung<br />
Es ist nicht immer leicht, aber durch Heimlichkeiten können sehr viele<br />
vermeidbare Spannungen und ungute Gefühle entstehen, Transparenz<br />
und klare Absprachen im Betreuungsteam sind wichtig (mit Betroffenem:<br />
wie soll Pflege aussehen, wer kann einbezogen werden, ev. Pflegevertrag<br />
abschließen).<br />
· Zu eigenen Bedürfnissen stehen (Hobbies pflegen), <strong>lernen</strong> auch mal<br />
nein zu sagen, Sorgen äußern<br />
· Gefühle wahrnehmen und äußern (z.B. Einsamkeit, Isolation, Aggression,<br />
Traurigkeit, Bitterkeit, Trauer, Frustration - evtl. medikamentöse<br />
Hilfe, Gesprächstherapie, mehr Entlastung)<br />
· Wichtig: man ist auch nur ein Mensch und darf mal „durchhängen“<br />
· Anzeichen für eine Erschöpfung (Burnout) erkennen und rechtzeitig<br />
um Hilfe ersuchen (z.B. Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Depression,<br />
allg. Schwächegefühl, Konzentrationsprobleme, erhöhte Reizbarkeit,<br />
Gewichtsprobleme)<br />
· Auf eigene Gesundheit achten (z.B. Rückentraining, Fitness, Massage,<br />
tgl. Spaziergänge, Sport, Entspannungstechniken er<strong>lernen</strong> wie z.B.<br />
Yoga, Feldenkrais, progressive Muskelrelaxation)<br />
· Auf Schlaf und Ernährung achten, bes. wenn Partner Sonde hat, z.B.<br />
Mahlzeitendienst, Vorkochen, Nachtwache organisieren<br />
Nicht vergessen!<br />
· Kin<strong>der</strong> wollen oft ihre Familie schützen und äußern sich mögliche<br />
weise nicht, haben ev. Angst, Schuldgefühle, sie können stumm leiden.<br />
· Kin<strong>der</strong> brauchen das Gefühl, Teil des Ganzen zu sein, ihre Aufgabe zu<br />
haben und auch Kind sein zu dürfen.<br />
· Manchmal kann professionelle Unterstützung sinnvoll sein.<br />
Regelmäßig einan<strong>der</strong> persönliche Freiräume zugestehen und v.a. fest einplanen,<br />
sich trauen eigene Bedürfnisse zu äußern, gemeinsam „Neuland“<br />
betreten, indem man sich auf neue Erfahrungen einlässt, Gewohntes hinterfragt,<br />
neue Qualitäten entdecken.<br />
„Ferienaufenthalt“ (ev. gemeinsam) organisieren, wo Pflege übernommen<br />
wird und Therapien gemacht werden können, aber keine Überfor<strong>der</strong>ung<br />
stattfindet, o<strong>der</strong> ganz einfach Wellnessferien. <strong>Mit</strong> Verwandten,<br />
Freunden die häusliche Pflege planen, damit Angehörige unbelastet in<br />
die Ferien können.<br />
43
Kontakte pflegen<br />
Netz<br />
Sich auf Verän<strong>der</strong>ungen<br />
vorbereiten<br />
Eventualitäten<br />
einbeziehen, Reserven<br />
schaffen<br />
Erinnerungen schaffen/<br />
Zeit genießen<br />
Gespräche tun gut, wenn man abladen darf, auch wenn mal über was an<strong>der</strong>es<br />
als die <strong>Krankheit</strong> gesprochen wird<br />
Bei belastenden Situationen ist manchmal eine neutrale Person beson<strong>der</strong>s<br />
hilfreich (z.B. Psychotherapie, Seelsorge, Unterstützung von religiöser<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Gruppe, Freiwillige) Beziehungen aus dem individuellen<br />
Lebensbereich pflegen<br />
· Info an Umfeld (es ist für Freunde und Bekannte oft einfacher, damit<br />
umzugehen, wenn sie Bescheid wissen)<br />
Freunde brauchen auch eine Chance, um „mitwachsen“ zu können<br />
· Hilfe annehmen (z.B. Einkaufen, Vorlesen, E-Mails/Briefe schreiben,<br />
Gartenarbeiten, Putzen, Auto waschen, Spazieren gehen, Kochen, Restaurantbesuch,<br />
Unterhaltsarbeiten in Wohnung, administrative Unterstützung)<br />
· Wertschätzung zeigen (z.B. auch mal Blumen, Gutschein o<strong>der</strong> ähnl. organisieren<br />
für Pflegende)<br />
Beim ALS Spezialisten, Hausarzt o<strong>der</strong> Neurologen über <strong>Krankheit</strong>sverlauf<br />
und mögl. zu erwartenden Symptome informieren und mit Pflegefachperson<br />
sich auf mögl. Szenarien vorbereiten (Medikamente organisieren,<br />
Hilfsmittel), Patientenverfügung/Vorsorgevollmacht frühzeitig!!!<br />
aufsetzen, das vermeidet Stress und v.a. Angst<br />
Was ist, wenn Pflegende krank werden o<strong>der</strong> wenn die Pflege nicht mehr<br />
bewältigt werden kann?<br />
Festhalten von Erlebnissen, Erfahrungen, <strong>Krankheit</strong>sverlauf, z.B. Tagebuch<br />
führen, Video, Zeichnungen, Festivitäten o<strong>der</strong> geplante Ferien vorziehen,<br />
solange es <strong>der</strong> Gesundheitszustand erlaubt, Projekte (ev. zusammen<br />
mit an<strong>der</strong>en) verwirklichen.<br />
44
PFLEGEN BIS DER RÜCKEN SCHMERZT...<br />
Tipps für rückenschonendes<br />
Heben und Tragen in <strong>der</strong><br />
häuslichen Pflege<br />
Janine Šušak, Physiotherapeutin,<br />
<strong>DGM</strong>-Hilfsmittelberatung<br />
Viele an ALS erkrankte Menschen werden zu<br />
Hause von Familienangehörigen gepflegt. Sie<br />
kümmern sich nicht nur Wochen und Monate, son<strong>der</strong>n<br />
oft über Jahre hinweg rund um die Uhr um<br />
ihre Pflegebedürftigen. Einen Angehörigen zu pflegen,<br />
bedeutet immer auch eine Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
mit den eigenen psychischen und körperlichen<br />
Grenzen. Der Betroffene muss häufig mehrmals<br />
am Tag und in <strong>der</strong> Nacht gelagert, gebettet und<br />
umgesetzt werden. <strong>Mit</strong> fortschreiten<strong>der</strong> Erkrankung<br />
bzw. Behin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Betroffenen, wird auch<br />
die Pflege umfassen<strong>der</strong> und somit auch anstrengen<strong>der</strong>.<br />
Pflegerische Verrichtungen bedeuten für den Körper<br />
eine außerordentliche Belastung, denn viele<br />
ungewohnte und anstrengende Bewegungen sind<br />
notwendig, bis <strong>der</strong> Betroffene sicher und beschwerdefrei<br />
versorgt werden kann. Dauert die Betreuungssituation<br />
über Wochen, Monate o<strong>der</strong> Jahre,<br />
stellt dies sowohl für die Betroffenen als auch für<br />
die Pflegenden eine außergewöhnliche körperliche,<br />
emotionale und soziale Belastung dar.<br />
Durch die intensive Pflege und den regelmäßigen<br />
Hebe- und Tragevorgängen werden vor allem die<br />
Strukturen <strong>der</strong> Wirbelsäule <strong>der</strong> pflegenden Personen<br />
beansprucht. Im Laufe eines Tages müssen im<br />
Rahmen <strong>der</strong> Alltagsaktivitäten wie z.B. Essen, Anziehen,<br />
Aufstehen und <strong>der</strong> Körperpflege viele Bewegungen<br />
von und mit dem Pflegebedürftigen ausgeführt<br />
werden, die den Rücken extrem beanspruchen.<br />
Gerade pflegende Personen haben sehr häufig<br />
Rückenschmerzen, weil sie bei <strong>der</strong> Pflege großen<br />
körperlichen Belastungen ausgesetzt sind und<br />
weil sie sich unter Umständen bei Hilfestellungen<br />
für den Betroffenen falsch bewegen und damit die<br />
Muskulatur belasten. Die meisten pflegenden Angehörigen<br />
haben keine professionelle Ausbildung<br />
in Krankenpflege. Oft kommt hinzu, dass sie sich<br />
aus mehreren Gründen nur selten o<strong>der</strong> gar nicht<br />
sportlich betätigen. Sie machen viele falsch angeeignete<br />
Bewegungsabläufe, kommen dadurch häufig<br />
an ihre körperlichen Belastungsgrenzen und<br />
45<br />
handeln sich so schon nach kurzer Zeit Rückenbeschwerden<br />
ein. Fast je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> einen Angehörigen<br />
pflegt, kann aus eigener schmerzhafter Erfahrung<br />
davon erzählen. Umso wichtiger ist es zu <strong>lernen</strong><br />
pflegerische Verrichtungen in rückengerechter Arbeitsweise<br />
auszuführen. Diese erfor<strong>der</strong>t nicht nur<br />
viel Geduld, son<strong>der</strong>n auch die Bereitschaft umzudenken.<br />
Wenn man sich aber die Zeit dafür nimmt,<br />
wird man feststellen dass sich die Mühe lohnt, um<br />
langfristigen Schädigungen <strong>der</strong> Wirbelsäule vorzubeugen.<br />
Muskeltraining und Dehnen -<br />
Stärken statt schonen<br />
Ungeübte und verkürzte Muskulatur neigt zu Verspannungen<br />
und Schmerzen. Verspannungen sind<br />
nicht nur eine unangenehme und schmerzhafte Erscheinung,<br />
sie können auf Dauer die Beweglichkeit<br />
und Belastbarkeit <strong>der</strong> Wirbelsäule erheblich einschränken.<br />
<strong>Mit</strong> Hilfsmitteln Überlastungs -<br />
schäden vorbeugen<br />
Viele pflegende Angehörige verbinden den Einsatz<br />
von Hilfsmitteln mit umständlicher und zeitrauben<strong>der</strong><br />
Bedienung und verzichten aus Unkenntnis und<br />
Unsicherheit lieber auf die Anwendung praktischer<br />
Hilfsmittel. Die Erfahrung zeigt: Wenn <strong>der</strong> Umgang<br />
mit Hilfsmitteln einmal richtig erlernt ist,<br />
werden sie auch anhaltend genutzt. Während in <strong>der</strong><br />
professionellen Pflege technische Hilfsmittel wie<br />
Pflegelifter und Umsetzhilfen oft eingesetzt werden,<br />
ist im häuslichen Bereich eher eine Zurückhaltung<br />
im Gebrauch zu beobachten. Dabei kann<br />
die Verwendung von Hilfsmitteln wie Pflegebett,<br />
Badelift, Rollstuhl, Toilettenstuhl den Betroffenen<br />
und seine pflegenden Angehörigen erheblich entlasten.<br />
Für die Anschaffung von technischen Hilfsmitteln<br />
gibt es finanzielle Unterstützung durch die<br />
Krankenkassen, daher sollte die Kostenübernahme<br />
kein Hin<strong>der</strong>nis darstellen.<br />
Entlastung und Freizeit<br />
Pflegende Angehörige sind häufig durch die lang<br />
andauernde und intensive Pflege körperlich erschöpft,<br />
gesundheitlich gefährdet und durch den<br />
zeitlichen Aufwand zum Teil sozial isoliert. Um<br />
das Gleichgewicht zwischen Belastung und Entlastung<br />
zu halten und nicht selber krank zu werden,<br />
müssen sie in ihrem Leben eine körperliche und<br />
zeitliche Entlastung erreichen und als notwendigen<br />
Ausgleich ausreichend Freizeit fest einplanen. Von<br />
beson<strong>der</strong>er Bedeutung für das Wohlbefinden einer
pflegenden Person sollte vor allem <strong>der</strong> körperliche<br />
Ausgleich durch Sport und/o<strong>der</strong> Entspannungsmaßnahmen<br />
sein sowie die Überlegung, wie sich<br />
möglichst oft Entlastung durch weitere pflegende<br />
Personen und durch technische Hilfsmittel organisieren<br />
lässt.<br />
Was pflegende Angehörige noch<br />
für ihren Rücken tun können<br />
Es gibt verschiedene Angebote zur Entlastung pflegen<strong>der</strong><br />
Angehöriger. Wer regelmäßig bei <strong>der</strong> häuslichen<br />
Pflege heben und tragen muss, sollte unbedingt<br />
seine Rückenmuskulatur mit gezieltem Training<br />
kräftigen. Dazu eignen sich z.B. Übungen<br />
nach dem Rückenschule-Konzept, die in vielen<br />
Sportvereinen, Volkshochschulen und Physiotherapiepraxen<br />
angeboten werden. Regelmäßige Kräftigungs-<br />
und Dehnungsübungen, das Er<strong>lernen</strong> bestimmter<br />
Bewegungsabläufe aus den Methoden<br />
wie Bobath o<strong>der</strong> Kinästhetik stärken die Rumpfmuskulatur<br />
und entlasten die Wirbelsäule. Eine<br />
weitere Möglichkeit <strong>der</strong> Schulung stellen Pflegekurse<br />
dar, die von den Pflegekassen für Angehörige<br />
und ehrenamtliche Pflegepersonen angeboten<br />
werden, um pflegebedingte körperliche und seelische<br />
Belastungen zu min<strong>der</strong>n. In Kinästhetik- Kursen<br />
<strong>lernen</strong> Pflegende und Angehörige wie sie Patienten<br />
mit weniger Anstrengung und körperlicher<br />
Belastung in ihrer Bewegung unterstützen können.<br />
Auf dieser Weise können pflegende Personen aktiv<br />
Abnutzungserscheinungen wirksam vorbeugen und<br />
chronische Beschwerden und Schmerzsyndrome<br />
verhin<strong>der</strong>n.<br />
Die Erfahrung zeigt, dass es pflegenden Angehörigen<br />
oft schwer fällt, Hilfe von außen anzunehmen.<br />
Zeitmangel und Erschöpfung hin<strong>der</strong>n sie daran, an<br />
einem Kurs teilzunehmen. Viele Pflegende wollen<br />
und können ihren Angehörigen nicht allein lassen<br />
o<strong>der</strong> denken, dass sie sich die nötigen Kenntnisse<br />
bereits selbst beigebracht hätten. Wenn jedoch<br />
während und nach <strong>der</strong> Pflege größere Beschwerden<br />
im Bereich <strong>der</strong> Wirbelsäule auftreten, ist das<br />
Er<strong>lernen</strong> rückenschonen<strong>der</strong> Bewegungsabläufe<br />
dringend notwendig, damit die Pflege nicht auf<br />
Kosten <strong>der</strong> eigenen Gesundheit geht.<br />
Oft übersehen Pflegende auch, wie wichtig es gerade<br />
in einer belastenden Situation sein kann, sich<br />
mit Menschen auszutauschen, die sich in <strong>der</strong> gleichen<br />
Situation befinden und mit ähnlichen Problemen<br />
fertig werden müssen. Dieser Austausch kann<br />
z. B. auch im Rahmen eines Pflegekurses stattfin-<br />
46<br />
den. Professionelle Fachkräfte vermitteln praktische<br />
Hinweise und Tipps rund um das Thema Rücken<br />
schonendes Heben und Tragen und beantworten<br />
Fragen zum Pflegealltag. Neben Rücken schonendem<br />
Heben und Lagern sowie <strong>der</strong> Anwendung<br />
von Hilfsmitteln bieten Pflegekurse auch Unterstützung<br />
bei seelischen und körperlichen Belastungen,<br />
zum Abbau von Versagensängsten und den Erfahrungsaustausch<br />
<strong>der</strong> Pflegepersonen untereinan<strong>der</strong>.<br />
Die Kurse werden von den Krankenkassen, ambulanten<br />
Pflegediensten und sozialen Einrichtungen<br />
angeboten. Die Kursgebühren werden in <strong>der</strong> Regel<br />
von den Pflegekassen übernommen. Wenn Sie an<br />
einem Pflegekurs interessiert sind, informieren Sie<br />
sich vor Kursbeginn bei den lokalen Kursanbietern<br />
o<strong>der</strong> Ihrer Pflegekasse über das Angebot <strong>der</strong> Kurse<br />
sowie die Kostenübernahme.<br />
Pflegende Angehörige können mithilfe eines Pflegekurses<br />
den Pflegealltag sicherer und besser bewältigen,<br />
die Zufriedenheit bei <strong>der</strong> Arbeit steigern<br />
und sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse ernst<br />
nehmen. Das kommt nicht zuletzt auch dem pflegebedürftigen<br />
Menschen zu Gute.<br />
TIPPS FÜR DIE PFLEGE ZU HAUSE<br />
<strong>Mit</strong> Pflegehilfsmitteln die Pflege<br />
erleichtern<br />
Bea Goldman, Intensivpflege, ALS-Nurse,<br />
St. Gallen / Schweiz<br />
Annette Held-Wehmer, Ergotherapeutin,<br />
<strong>DGM</strong>-Hilfsmittelberatung<br />
Das Pflegebett<br />
Wenn das selbstständige Aufstehen und Positionsverän<strong>der</strong>ungen<br />
eingeschränkt sind, sprechen viele<br />
praktische Gesichtspunkte für die Anschaffung<br />
eines Pflegebetts. Es lässt sich elektrisch in <strong>der</strong><br />
Höhe verstellen, hat eine mehrfache Unterteilung<br />
<strong>der</strong> Liegefläche und kann auf Rollen sehr einfach<br />
im Raum bewegt werden. Es besteht die Möglichkeit,<br />
weitere Hilfsmittel anzubringen.<br />
Sie können in einem Pflegebett Ihre Lage per<br />
Knopfdruck verän<strong>der</strong>n: liegend, halbliegend, sitzend.<br />
Zum leichteren Aufstehen ist das Bett entsprechend<br />
höhenverstellbar. Zum Transfer, z.B. in<br />
einen Rollstuhl, können, durch die Höhenverstellbarkeit,<br />
die Liegefläche und die Sitzfläche des
Sitzmöbels aufeinan<strong>der</strong> abgestimmt werden. So<br />
sind Sie weniger sturzgefährdet. Für Ihre Pflegeperson<br />
o<strong>der</strong> Angehörigen bedeutet die Höhenverstellbarkeit,<br />
dass die pflegerischen Tätigkeiten in<br />
einer rückenentlastenden Stellung verrichtet werden<br />
können. Pflegebetten werden von den Kranken-<br />
bzw. Pflegekassen zur Verfügung gestellt.<br />
Wenn Sie den Wunsch haben, in Ihrem vorhandenen<br />
Bett gepflegt zu werden, besteht die Möglichkeit<br />
als „Bettzurichtung zur Pflegeerleichterung“<br />
einen elektrisch verstellbaren Einlegerahmen<br />
für Ihr vorhandenes Bett bei Ihrer Kranken- o<strong>der</strong><br />
Pflegekasse zu beantragen.<br />
Durch das Benützen von Satin- o<strong>der</strong> Mikrofaserbettwäsche<br />
und Pyjamas aus glattem Material<br />
wird Reibung vermin<strong>der</strong>t, und das Drehen im Bett<br />
ist einfacher (manche Patienten verzichten ganz<br />
auf Schlafbekleidung). Allerdings ist mit glatter<br />
Bettwäsche auch Vorsicht geboten: man rutscht<br />
beim Aussteigen aus dem Bett schneller aus.<br />
Das Tragen von Antirutschsocken im Bett kann<br />
helfen, sich auf einem glatten Mikrofaserleintuch<br />
besser abzustoßen. Matratzenschutzbezug, Laken<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Einlagen müssen stets sauber, trocken<br />
und faltenfrei in das Pflegebett eingelegt werden.<br />
Das Liegen auf Falten kann Schmerzen verursachen,<br />
und es kann sich unter Umständen eine<br />
Druckstelle bilden, ein Dekubitus. Allerdings ist<br />
dies bei ALS Betroffenen eher selten <strong>der</strong> Fall.<br />
Vorsicht geboten ist bei <strong>der</strong> Verwendung von viskoelastischen<br />
Matratzen wie z.B. „Tempur“. Durch<br />
die Körperwärme und das -gewicht sinkt <strong>der</strong> darauf<br />
Liegende ein. Das oft bereits eingeschränkte<br />
Bewegungsvermögen kann durch das Einsinken<br />
zusätzlich erschwert werden. Bewährt haben sich v.<br />
a. bei etwas fortgeschrittener Erkrankung Matratzen<br />
mit Würfelstruktur. Sie haben den Vorteil,<br />
dass einzelne kleine Schaumstoffelemente problemlos<br />
zur Druckentlastung entfernt werden können.<br />
Laken o<strong>der</strong> sonstige Bezüge dürfen nicht zu straff<br />
eingespannt werden. Durch ein zu straff gespanntes<br />
Laken wird bei einer Anti-Dekubitus-Matratze<br />
o<strong>der</strong> -Matratzenauflage die druckentlastende Wirkung<br />
aufgehoben. Darüber hinaus ist die Art <strong>der</strong><br />
Bettschutzeinlage – standard, wasserdampfdurchlässig,<br />
atmungsaktiv – ebenfalls zu berücksichtigen.<br />
Immer gilt <strong>der</strong> Grundsatz: So viel Bettschutz-<br />
Hilfsmittel wie nötig – aber so wenig wie möglich.<br />
47<br />
Wird je<strong>der</strong> ALS Patient<br />
bettlägerig?<br />
Diese Frage kann nicht allgemein beantwortet werden.<br />
Es gibt viele Betroffene, die nicht bettlägerig<br />
werden, außer vielleicht in ihren letzten Tagen. An<strong>der</strong>e<br />
Patienten, die früh einen schnellen Verlust<br />
ihrer Muskelmasse hinnehmen müssen, haben bei<br />
intakter Atemfunktion vielleicht Mühe, den ganzen<br />
Tag im Rollstuhl zu sitzen und wollen sich öfter<br />
hinlegen.<br />
Tritt ein Infekt wie z.B. eine Erkältung o<strong>der</strong> Lungenentzündung<br />
auf, kann es sein, dass Sie aufgrund<br />
<strong>der</strong> Erschöpfung (z.B. durch Husten) und<br />
Müdigkeit viel mehr schlafen und weniger aufstehen<br />
und sich bewegen wollen o<strong>der</strong> können. Durch<br />
Inaktivität können aber Funktionen, die vielleicht<br />
schon vorher geschwächt waren, ganz verloren<br />
gehen. Dies wird dann manchmal als „Schub“ erlebt.<br />
Einige kleine technische Hilfen<br />
Die Wohnsituation kann sich ungünstig auf die<br />
Pflegebedingungen auswirken. Deshalb sind für<br />
den häuslichen Bereich zunächst Kräfte und Platz<br />
sparende kleine technische Hilfen zweckmäßig, die<br />
gut mit den Funktionen eines Pflegebetts kombiniert<br />
werden können.<br />
Ein Beistelltisch („Server“) kann mit seinem rollbaren<br />
Fußgestell unter das Bett geschoben werden<br />
und bietet eine Ablagefläche über dem Bett. Die<br />
Ablagefläche kann zum Lesen schräggestellt werden.<br />
Wenn es die räumlichen Bedingungen zulassen,<br />
können auch größere Hilfsmittel zum Einsatz kommen<br />
– z.B. ein bodengeführter Pflegelifter, ein<br />
Liftstuhl, ggf. auch ein Deckenschienen-Liftsystem.<br />
(siehe auch Kap. Hilfsmittel und Wohnen)<br />
Kleine Transferhilfen:<br />
– Aufrichtehilfe (Bettleiter)<br />
Sie wird am Fußende des Pflegebettes befestigt.<br />
Benötigt <strong>der</strong> Betroffene unterstützende Hilfe, beispielsweise<br />
beim Übergang vom Liegen zum Sitzen<br />
im Bett, dann umgreift er wechselnd – leiterähnlich<br />
– die Rundhölzer <strong>der</strong> Aufrichtehilfe. Wenn<br />
nötig, unterstützt die Pflegeperson beim Aufrichten<br />
den Kopf und den Brustkorb. Manche Patienten<br />
befestigen auch ein Seil am seitlichen Bettrand und<br />
ziehen sich daran hoch.
– Gleithilfe<br />
Die Gleithilfe, ein tunnelartig zusammengenähtes,<br />
glattes, nur in eine Richtung gleitendes Tuch unterstützt<br />
den Pflegenden beim Umlagern des Betroffenen<br />
im Bett. Auch kann ein Flanelltuch (unter<br />
den Patienten gelegt) auf einem glänzenden, rutschigen<br />
Jerseybezug, gute Dienste leisten.<br />
– Rutschbrett<br />
Ein Rutschbrett hat eine Art Brückenfunktion,<br />
etwa beim seitlichen Transfer eines Pflegebedürftigen<br />
vom Bett auf einen Dusch-Toilettenrollstuhl<br />
o<strong>der</strong> in den Rollstuhl. Hilfreich ist <strong>der</strong> Einsatz<br />
auch, wenn geringe Höhenunterschiede zu überbrücken<br />
sind. In sitzen<strong>der</strong> Position kann <strong>der</strong> Betroffene<br />
evtl. selbständig o<strong>der</strong> durch unterstützende<br />
Hilfe seiner Pflegeperson auf den Stuhl o<strong>der</strong> Rollstuhl<br />
gleiten.<br />
– Drehteller<br />
Er vereinfacht das Drehen vom Bett in den Stuhl,<br />
beson<strong>der</strong>s dann, wenn kein selbständiges Gehen<br />
mehr möglich ist o<strong>der</strong> eine ausgeprägte Spastik<br />
Gehbewegungen einschränken. Allerdings sollte<br />
man den Einsatz zusammen mit <strong>der</strong> Physiotherapie<br />
o<strong>der</strong> Ergotherapie einüben, am besten bevor er<br />
nötig ist.<br />
48<br />
Kleine Hilfsmittel zur Lagerung:<br />
So lange für einen ALS- Betroffenen Eigenbewegungen<br />
möglich sind, bestimmt er selbst seine<br />
Lage und seinen Lagewechsel: Er kann sich aufsetzen,<br />
kann sich drehen. Er empfindet einen Druck<br />
als unangenehm und führt spontan eine Druckausgleichsbewegung<br />
durch. Schwer Pflegebedürftige<br />
dagegen sind oft nicht mehr in <strong>der</strong> Lage, sich selber<br />
so zu legen, wie sie wollen. Sie sind auf unterstützende<br />
Hilfe durch eine Pflegeperson und auf<br />
den Einsatz von speziellen Lagerungskissen angewiesen.<br />
Die Art <strong>der</strong> Lagerung vermag Prophylaxe<br />
und Therapie von Folgeerkrankungen <strong>der</strong> Immobilität<br />
zu unterstützen wie z.B Dekubitus (Druckgeschwür),<br />
Kontraktur (Gelenkversteifung), Thrombose<br />
(Venenentzündung), Pneumonie (Lungenentzündung).<br />
Praktische Hinweise zu verschiedenen<br />
Umlagerungstechniken und Lagerungsarten sollten<br />
Sie sich bei Ihrer Pflegefachkraft o<strong>der</strong> dem behandelnden<br />
Therapeuten geben lassen.<br />
Rollen zur Positionsunterstützung<br />
Die 2,20 m bzw. 1,00 m langen Rollen und 20 cm<br />
im Durchmesser bieten durch die spezielle Füllung<br />
beste Modellierbarkeit und unterstützen verschiedene<br />
Positionen.<br />
Anwendungsbeispiele:<br />
Die 2,20 m lange Rolle ermöglicht den Betroffenen<br />
vom Kopf bis und mit den Beinen zu lagern.<br />
Sie kann für die Vor<strong>der</strong>seite (vgl. Abb.) sowie für<br />
die Rückseite verwendet werden.<br />
Wird die Rolle in A-Form ins Bett eingelegt, kann<br />
eine atemerleichternde Lagerung erreicht werden.<br />
Das Kopfteil des Pflegebettes wird bedarfsorientiert<br />
höher gestellt.
Wer trägt die Kosten für Hilfsmittel,<br />
die zur Pflege notwendig sind?<br />
Kosten für Hilfsmittel zur Pflege werden (nach §<br />
40 SGB XI)von den Pflegekassen übernommen.<br />
Ein Zuschuss zur Wohnraumanpassung in Höhe<br />
von <strong>der</strong>zeit 2557.- Euro wird für Baumaßnahmen<br />
in <strong>der</strong> Wohnung gewährt, wenn diese die häusliche<br />
Pflege ermöglichen, erheblich erleichtern o<strong>der</strong> die<br />
möglichst selbstständige Lebensführung <strong>der</strong> pflegebedürftigen<br />
Menschen wie<strong>der</strong>hergestellt wird.<br />
Dabei kann es sich zum Beispiel um bauliche<br />
Maßnahmen handeln, wie Türverbreiterungen, fest<br />
installierte Rampen und Treppenlifter o<strong>der</strong> Installationen<br />
im Badbereich.<br />
Zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel (Einmalhandschuhe,<br />
saugende Bettschutzeinlagen etc.)<br />
werden bis zu einem Betrag von monatlich 31,-<br />
Euro übernommen.<br />
Was ist ein Dekubitus?<br />
Wie entsteht er?<br />
Ein Dekubitus (Druckgeschwür) ist eine Gewebeschädigung.<br />
Je nach Schweregrad können die oberen<br />
o<strong>der</strong> auch die tiefer gelegenen Hautschichten<br />
und sogar das darunter liegende Muskelgewebe<br />
schwer geschädigt werden. Dekubiti werden durch<br />
anhaltenden Druck ausgelöst.<br />
49<br />
Dieser Vorgang kann durch Scherkräfte o<strong>der</strong> Reibung<br />
zusätzlich negativ beeinflusst werden. Unter<br />
Scherung wird das Verschieben <strong>der</strong> verschiedenen<br />
Hautschichten gegeneinan<strong>der</strong> verstanden; zum<br />
Beispiel beim Umdrehen, Lagern o<strong>der</strong> Ziehen des<br />
Betroffenen. Die Blutgefäße verkrümmen sich,<br />
werden abgeschnürt und unterbinden damit ebenfalls<br />
die Blutzirkulation.<br />
Wegen eines krankheitsbedingt einsetzenden Collagenumbaus<br />
im Gewebe kommt ein Dekubitus bei<br />
ALS glücklicherweise eher selten vor.
Maßnahmen gegen die Entwick -<br />
lung von Druckgeschwüren<br />
· Wenn möglich: Eigenbewegung des Patienten<br />
för<strong>der</strong>n.<br />
· Individuelles Lagern: Lagerungsintervalle individuell<br />
festlegen, Anwenden verschiedener<br />
Lagerungskissen.<br />
· Sog. „Mikrolagerungen“ anwenden: 30-Grad<br />
Lagerung o<strong>der</strong> 135-Grad Lagerung. Eine<br />
schiefe Ebene lässt sich durch unter die Matratze<br />
gelegte Keile o<strong>der</strong> eine zusammengerollte<br />
Decke erzielen.<br />
· Freilagerung von beson<strong>der</strong>s gefährdeten, hervorstehenden<br />
Körperpartien, z.B. <strong>der</strong> Fersen<br />
· Spezielle Matratzen für großflächige Auflage<br />
des Körpers, d.h. geringer Auflagedruck.<br />
· Manuelle Umlagerung trotz „optimalem Lagerungssystem“.<br />
· Beobachtung <strong>der</strong> Haut, unverzüglich professionellen<br />
Rat einholen, falls Zeichen einer<br />
Hautschädigung (Rötung an einer Auflagestelle)<br />
bemerkt werden.<br />
· Eine vollwertige Ernährung und ausreichende<br />
Flüssigkeitszufuhr<br />
· Bei Inkontinenz-Betroffenen: entsprechend<br />
<strong>der</strong> Beratung durch eine Pflegefachkraft eine<br />
geeignete Inkontinenz-Versorgung<br />
· Druckentlastung durch intermittierende Lagerungsarten,<br />
unterstützt durch gewebeschonende<br />
Bewegungs- und Transfertechniken<br />
· Druckmin<strong>der</strong>ung durch Einsatz von ausgewählten<br />
Anti-Dekubitus-Hilfsmitteln.<br />
Mehr Informationen unter:<br />
www.dekubitus.de/dekubitusprophylaxehilfsmittel.htm<br />
50<br />
Matratzensysteme zur Dekubitusprophylaxe<br />
und -Behandlung<br />
· Weichlagerungssysteme (z.B. Schaumstoff,<br />
Gelauflagen, Luftkissen u.a.): die prophylaktische<br />
Wirkung entsteht durch Vergrößerung <strong>der</strong><br />
Auflagefläche des Körpers. Je besser sich die<br />
Oberfläche an die Körperkonturen anpasst,<br />
desto größer wird die Auflagefläche. Damit<br />
nimmt <strong>der</strong> Auflagedruck ab. Nachteil: vorhandene<br />
Möglichkeiten zur Eigenbewegung werden<br />
erschwert.<br />
· Wechseldrucksysteme: Diese Matratzen bestehen<br />
aus aneinan<strong>der</strong> gereihten Luftkissen, die<br />
abwechselnd mit Luft auf- o<strong>der</strong> abgepumpt<br />
werden. Auflagedruck und Entlastung des<br />
Körpers wechseln mehrfach stündlich. Viele<br />
Wechseldruckmatratzen können auch statisch<br />
eingestellt werden, so dass je nach Bedarf<br />
Wechseldruck o<strong>der</strong> Weichlagerung eingestellt<br />
werden kann.<br />
· Micro-Stimulationssysteme: för<strong>der</strong>n die Wahrnehmung<br />
des Patienten durch Rückkopplung<br />
bei Eigenbewegungen. Diese Rückkopplung<br />
entsteht aus <strong>der</strong> Flügelfe<strong>der</strong>technik (Torsionsflügelfe<strong>der</strong>)<br />
des Bettrosts, die selbst geringfügige<br />
Bewegungen des Patienten (z.B. die<br />
Atembewegung) in Mikro-"Gegenbewegungen"<br />
umwandelt. Dadurch wird die physiologische<br />
Durchblutung <strong>der</strong> Haut gewährleistet.<br />
· Seitenlagerungssysteme: abwechselndes<br />
Heben und Senken <strong>der</strong> seitlichen Hälften <strong>der</strong><br />
Unterlage in langsamem, einstellbarem Rhythmus<br />
durch einen Elektromotor. Es entsteht<br />
eine wechselnde 30-Grad-Schräglagerung.<br />
· Es gibt kein universell einsetzbares System,<br />
das allen Betroffenen gleichermaßen hilft. Das<br />
individuelle Empfinden sowie <strong>der</strong> Grad eines<br />
eventuell bereits vorhandenen Dekubitus sind<br />
für die Auswahl entscheidend. Holen Sie sich<br />
Rat bei einer erfahrenen Pflegefachkraft o<strong>der</strong><br />
bei Ihrem Arzt.<br />
· Wichtig: Trotz druckreduzieren<strong>der</strong> Lagerung<br />
ist die Kontrolle und Pflege <strong>der</strong> Haut und eine<br />
patientenangepasste regelmäßige Umlagerung<br />
erfor<strong>der</strong>lich. Jedoch können die Intervalle <strong>der</strong><br />
Umlagerung mit einem geeigneten Matratzensystem<br />
verlängert werden.
PFLEGE IM HOSPIZ – AUFATMEN NACH<br />
KRÄFTEZEHRENDER ÜBERFORDERUNG<br />
Erfahrungsbericht einer Ehefrau (Name ist<br />
<strong>der</strong> Redaktion bekannt)<br />
Im Sommer bemerkte mein Mann die ersten Anzeichen<br />
seiner ALS-Erkrankung: Schwierigkeiten<br />
beim Aussprechen bestimmter Wörter, häufiges<br />
Verschlucken. Die Symptome verstärkten sich, es<br />
begannen die Arztbesuche und das diagnostische<br />
„Einkreisen“ <strong>der</strong> <strong>Krankheit</strong>. Im Februar des folgenden<br />
Jahres wurde an einem Muskelzentrum die<br />
Diagnose ALS, bulbäre Form, gestellt. Zu dem<br />
Zeitpunkt hatte mein Mann seinen Beruf bereits<br />
aufgeben müssen - ein sehr bitterer Schritt für ihn.<br />
Trotz all <strong>der</strong> Verzweiflung, die über uns zusammenschlug,<br />
begannen wir Pläne zu machen für ein<br />
Leben mit <strong>der</strong> <strong>Krankheit</strong>. Wegziehen, eine behin<strong>der</strong>tengerechte<br />
Wohnung suchen? Unser Haus<br />
wäre durch wenige kleinere Umbauten rollstuhlgerecht<br />
zu gestalten. Also blieben wir. Die <strong>Krankheit</strong><br />
schritt fort, nach meinem Eindruck sehr schnell.<br />
Anfang August ließ sich mein Mann eine Magensonde<br />
legen. Kommunikation war bald nur noch<br />
schriftlich möglich. Ernsthafte Bewegungsstörungen<br />
tauchten auf; im Winter stürzte mein Mann<br />
mehrmals so heftig, dass Platzwunden genäht werden<br />
mussten.<br />
Im Dezember besuchte uns <strong>der</strong> Gutachter des Medizinischen<br />
Dienstes und stellte Pflegestufe I fest.<br />
Als uns das Gutachten Anfang Februar vorlag, versuchte<br />
ich meinen Mann zu überreden, sofort einen<br />
neuen Antrag auf Höherstufung einzureichen. Er<br />
wollte das noch nicht: Schließlich könne er viele<br />
alltäglichen Dinge noch alleine erledigen, meinte<br />
er. Aber die Lähmungserscheinungen verstärkten<br />
sich so schnell, dass unsere Situation bald zum<br />
Verzweifeln war. Unser Wohnort weit draußen auf<br />
dem Land, zwei Kin<strong>der</strong> im Alter von elf und neun<br />
Jahren, meine Berufstätigkeit (mein Arbeitsplatz<br />
war über 20 km vom Wohnort entfernt) und die<br />
rasch zunehmende Pflegebedürftigkeit und Lähmung<br />
meines Mannes… Hilfe beim Aufstehen,<br />
beim Anziehen, bei Gängen im Haus und zur Toilette,<br />
Zubereitung und Verabreichung von Sondennahrung<br />
und Medikamenten, Schriftverkehr mit<br />
<strong>der</strong> Krankenkasse und Behörden: Ohne die Hilfe<br />
unseres befreundeten Nachbarn, <strong>der</strong> meinen Mann<br />
morgens betreute, hätten wir diese Zeit nicht bewältigen<br />
können Ich war inzwischen auch krank<br />
geworden, hatte starke Magenprobleme, wahr-<br />
51<br />
scheinlich psychischer Ursache. Der Gastrologe<br />
stellte eine chronische Speiseröhrenentzündung<br />
fest, und ich wurde für mehrere Wochen krankgeschrieben.<br />
Unsere Kin<strong>der</strong>, denen wir in den Weihnachtsferien<br />
erzählt hatten, dass die <strong>Krankheit</strong><br />
ihres Vaters nicht zu heilen sei und dass er irgendwann<br />
daran sterben müsse, waren verstört. Mein<br />
Mann brauchte inzwischen so viel Hilfestellung<br />
und Betreuung, dass ich am Ende des Tages völlig<br />
ausgepowert und erschöpft war. Die Kin<strong>der</strong> musste<br />
ich mit all ihren Bedürfnissen und Sorgen immer<br />
wie<strong>der</strong> auf „später“ vertrösten und viel zu oft alleine<br />
lassen.<br />
Ein Pflegedienst mit „ALS-Erfahrung“ kam zu den<br />
Zeiten, wenn we<strong>der</strong> unser Nachbar noch ich für<br />
meinen Mann da sein konnten - die Leistungen<br />
für Pflegestufe I sind aber schnell erschöpft. Zweimal<br />
wöchentlich Hilfe beim Aufstehen mit „großer<br />
Morgentoilette“ (Duschen + Versorgung des Magensonden-Eingangs<br />
+ Hilfe beim Anziehen + Anlegen<br />
<strong>der</strong> Sondennahrung): Mehr war nicht drin.<br />
Den Antrag auf Höherstufung hatten wir inzwischen<br />
gestellt und warteten auf den Gutachtertermin.<br />
Zunehmend wurden jetzt auch die Nächte für meinen<br />
Mann zur Qual. Atembeschwerden bzw. –aussetzer,<br />
zunehmende Unbeweglichkeit und demzufolge<br />
Panikattacken machten ihm und <strong>der</strong> ganzen<br />
Familie stark zu schaffen, dabei hätten wir alle<br />
dringend ein bisschen Schlaf und Erholung nötig<br />
gehabt. Das die Atmung unterstützende Gerät, das<br />
mein Mann schon vor einiger Zeit verschrieben bekommen<br />
hatte, war ihm in <strong>der</strong> Benutzung zu<br />
schwierig.<br />
Inzwischen hatten wir Kontakt zu einem Hospizverein<br />
aufgenommen und über diese Nahtstelle die<br />
Telefonnummer des „Palliativ-Care-Teams“ erhalten.<br />
Das Team leistet ehrenamtlich ambulante Betreuung<br />
für Schwerstkranke, vermittelt weitere<br />
Kontakte o<strong>der</strong> Hilfen und ist im palliativmedizinischen<br />
Bereich sehr erfahren. Toll war auch, wie<br />
schnell uns geholfen wurde: Gleich am Tag nach<br />
meinem Anruf besuchte uns Frau W. vom Care-<br />
Team und vermittelte meinem Mann innerhalb kürzester<br />
Zeit eine Aufnahme in einer Lungen-Fachklinik.<br />
Zweck des Krankenhausaufenthalts war zunächst<br />
die Neuanpassung des Atemgeräts, was einige<br />
Testtage und –nächte in Anspruch nahm. In<br />
dieser Zeit verschlechterte sich <strong>der</strong> Zustand meines<br />
Mannes aber noch weiter; immer häufiger musste
Schleim immer tiefer aus den Atemwegen abgesaugt<br />
werden - eine <strong>leben</strong>snotwendige, aber auch<br />
sehr unangenehme Prozedur, vor allem wenn sie<br />
bei einem akuten Anfall sehr schnell vorgenommen<br />
werden muss.<br />
Mein Mann war schließlich mit seiner Kraft und<br />
seinem Lebensmut ziemlich am Ende; <strong>der</strong> „Krankenhauskoller“<br />
kam dazu. Wir alle hatten gern gewollt,<br />
dass er wie<strong>der</strong> nach Hause kommt, wussten<br />
aber, dass das bei diesen medizinischen Erfor<strong>der</strong>nissen<br />
und <strong>der</strong> notwendigen Intensität <strong>der</strong> Betreuung<br />
schlecht möglich sein würde - auch das dichteste<br />
Hilfenetz von Familie, Nachbarn, Verwandten<br />
und Freunden wäre überfor<strong>der</strong>t gewesen. Es war<br />
mein Mann, <strong>der</strong> die Idee hatte sich das stationäre<br />
Hospiz anzusehen. Dort hatte man bereits Erfahrung<br />
mit ALS-Patienten. Frau W. vereinbarte einen<br />
Besuchstermin für uns.<br />
Obwohl das Hospiz seine Räumlichkeiten in einem<br />
Gebäudeflügel eines Krankenhauses hat, vermittelte<br />
es uns we<strong>der</strong> den Eindruck eines Krankenhauses<br />
noch den eines Pflegeheims - am ehesten<br />
noch den einer großen Wohngemeinschaft. Sieben<br />
helle freundliche Einzelzimmer für die Bewohner,<br />
mit Pflegebett, aber auch mit persönlich mitgebrachten<br />
Einrichtungsgegenständen, überall Pflanzen,<br />
die Wände voller Bil<strong>der</strong> und Fotos, schöne antike<br />
Möbel im Flur; ein großzügiger Wohn-, Küchen-,<br />
Ess-Gemeinschaftsraum mit Durchgang<br />
zum Garten als Treffpunkt für Bewohner, <strong>Mit</strong>arbeiter<br />
und Besucher. Frau H., die Leiterin, empfing<br />
uns freundlich, führte uns herum und nahm sich<br />
viel Zeit für all unsere Fragen. In großer Klarheit<br />
und Offenheit konnten wir auch die Patientenverfügung<br />
meines Mannes und seine darin geäußerten<br />
Wünsche (Ausschluss <strong>leben</strong>sverlängern<strong>der</strong> „maschineller<br />
Maßnahmen“) besprechen.<br />
Ich hatte Schwierigkeiten mich von dem Gedanken,<br />
dass mein Mann wie<strong>der</strong> nach Hause zurückkehren<br />
würde, zu verabschieden, wollte den Besuch<br />
erst einmal „sacken lassen“. Vor allem hatte<br />
ich Bedenken wegen <strong>der</strong> großen Entfernung - fast<br />
an<strong>der</strong>thalb Fahrstunden von unserem Zuhause entfernt.<br />
Zwei Tage später aber, nach einer für ihn unerträglichen<br />
Nacht im Krankenhaus, wollte mein<br />
Mann dort nicht mehr bleiben und vereinbarte<br />
(wie<strong>der</strong>um mit Hilfe von Frau W.) seine Übersiedlung<br />
ins Hospiz. Glücklicherweise war dort ein<br />
Zimmer unbelegt.Das Zimmer konnten wir nach<br />
seinen Vorstellungen einrichten. Selbst gemalte<br />
52<br />
Bil<strong>der</strong> unserer Kin<strong>der</strong> an den Wänden, „seine“<br />
Pflanzen auf den Fensterbänken, die kleine Musikanlage<br />
mit seinen CDs, das Bett so ausgerichtet,<br />
dass er in den Garten sehen konnte: Es sah dort<br />
bald nach „uns“ aus.<br />
Medizinisch werden die Hospiz-Bewohner neben<br />
den festen <strong>Mit</strong>arbeitern (Schwestern / Pfleger) von<br />
einer Hausärztin betreut, die außerdem noch eine<br />
eigene Praxis betreibt. Das hin<strong>der</strong>t sie aber nicht<br />
daran, zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten<br />
auch im Hospiz zu erscheinen. In Notfällen kann<br />
außerdem medizinische Hilfe vom Krankenhaus<br />
hinzugezogen werden, auf dessen Gelände sich<br />
dieses Hospiz befindet.<br />
Besucher können je<strong>der</strong>zeit kommen und gehen,<br />
dürfen und sollen je nach ihren Möglichkeiten<br />
gerne helfen beim Teekochen, Bett richten, bei <strong>der</strong><br />
Körperpflege und <strong>der</strong> Bewegung in den Räumen.<br />
Unsere Kin<strong>der</strong> wurden beson<strong>der</strong>s herzlich und liebevoll<br />
von den <strong>Mit</strong>arbeitern aufgenommen;<br />
sie durften im Gemeinschaftsraum spielen, malen,<br />
basteln und fernsehen o<strong>der</strong> im Garten herumtoben.<br />
Einfühlsam suchten auch immer wie<strong>der</strong> <strong>Mit</strong>arbeiter<br />
das Gespräch mit uns. Sowohl die Kin<strong>der</strong> als<br />
auch ich hatten das Gefühl mit unseren Sorgen<br />
nicht allein gelassen zu werden. Wir konnten (nach<br />
Voranmeldung) dort übernachten - im Diakonissen-Mutterhaus<br />
im Stockwerk über dem Hospiz<br />
können Gästezimmer preiswert gemietet werden.<br />
Was uns vieren (und auch den an<strong>der</strong>en besuchenden<br />
Freunden und Verwandten) so gut tat, war <strong>der</strong><br />
Eindruck von Ruhe, Zeit, Luft und Raum. Keine<br />
Krankenhaushektik mehr, keine kräftezehrende,<br />
uns überfor<strong>der</strong>nde (und doch das Wesentliche vernachlässigende)<br />
Pflege zu Hause, son<strong>der</strong>n das Gefühl,<br />
dass <strong>der</strong> Mensch, den wir lieben, freundlich,<br />
aufmerksam und respektierend versorgt wird, so<br />
dass wir einfach nur bei ihm sein können. In Ruhe<br />
an seinem Bett sitzen können, uns gegenseitig<br />
etwas „erzählen“, Zeit für die Kin<strong>der</strong> haben, zu<br />
Hause die Gedanken fließen lassen und meinem<br />
Mann einen langen Brief schreiben können: All<br />
das habe ich als echtes Geschenk empfunden.<br />
Auch mein Mann fühlte das so; natürlich fragten<br />
alle besuchenden Freunde ihn, ob es ihm im Hospiz<br />
gut ginge. Er antwortete mit einem erhobenen<br />
Daumen.
Mein Mann bekam eine Magen-Darm-Infektion,<br />
heftige Durchfälle schwächten ihn. Er wollte keinen<br />
Besuch mehr, bat mich und die Kin<strong>der</strong> nach<br />
Hause zu fahren. Die Ärztin behandelte ihn; die<br />
Medikamente brachten ihm auch Erleichterung,<br />
wie ich am nächsten Morgen am Telefon erfuhr.<br />
Mein Mann sei ganz entspannt, habe eine ruhige<br />
Nacht verbracht. Eine Stunde später ein Anruf vom<br />
Hospiz: Es gehe ihm auf einmal schlechter, ich<br />
solle bitte kommen. Bis ich die Kin<strong>der</strong> untergebracht<br />
und mit meinem Schwager im Hospiz angekommen<br />
war, vergingen zwei Stunden. Mein Mann<br />
war in <strong>der</strong> Zwischenzeit gestorben. Zwei Hospiz-<br />
<strong>Mit</strong>arbeiter waren bei ihm gewesen. Während <strong>der</strong><br />
morgendlichen Wasch- und Anzieh-Prozedur war<br />
es zu einer Atemschwäche und zu einer Art Kohlendioxid-Selbstnarkose<br />
gekommen. Sein Gesicht<br />
sah entspannt und friedlich aus.<br />
Wie<strong>der</strong> war unendlich viel ZEIT da, damit wir uns<br />
verabschieden konnten, mein Schwager und ich.<br />
Ich durfte mithelfen meinem Mann seine liebsten<br />
Kleidungsstücke anzuziehen. Zusammen mit dem<br />
Krankenhauspastor, <strong>der</strong> am Morgen noch bei meinem<br />
Mann gewesen war, konnten wir eine Aussegnungsfeier<br />
im Andachtsraum vorbereiten, an <strong>der</strong><br />
auch die Hospizmitarbeiter teilnahmen - das war<br />
unendlich tröstlich für mich und hat mir dabei geholfen,<br />
überhaupt an diesem Tag wie<strong>der</strong> nach<br />
Hause fahren zu können.<br />
53<br />
Ich habe mich von <strong>der</strong> Atmosphäre im Hospiz, von<br />
den Menschen, die dort arbeiten, aufgehoben und<br />
getragen gefühlt. Neun Tage waren es nur, die<br />
mein Mann im Hospiz GELEBT hat. Mir kommt<br />
es sehr viel länger vor, weil es ein so krasser Gegensatz<br />
zu <strong>der</strong> uns überfor<strong>der</strong>nden Situation zu<br />
Hause war. „Gäbe es Hospize nicht,“ sagte einer<br />
unserer Freunde, “müsste man sie erfinden.“ Jedenfalls<br />
ist es <strong>der</strong> beste Ort, wenn zu Hause nichts<br />
mehr geht.<br />
Der Hospiz-Aufenthalt wird von <strong>der</strong> Einrichtung<br />
selbst, <strong>der</strong> Kranken- und <strong>der</strong> Pflegekasse getragen,<br />
so dass die private Zuzahlung sehr viel geringer<br />
ausfällt als in Pflegeheimen. Dies wird v.a. durch<br />
Spenden ermöglicht.<br />
Adressen von ambulanten und stationären Palliativ-<br />
und Hospizeinrichtungen in Ihrer Nähe<br />
können Sie bei <strong>der</strong> Sozialberatung <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> in<br />
Freiburg erfragen.
5 Kommunikation<br />
BEEINTRÄCHTIGUNGEN BEIM SPRECHEN<br />
- WIE ALS DIE SPRACHE BEEINFLUSST<br />
aus: Yorkston, Miller, Strand (1995):<br />
Management of Speech and Swallowing<br />
in Degenerative Diseases<br />
Bei ALS können die Muskeln spastisch (zu hohe<br />
Muskelspannung) o<strong>der</strong> hypoton (schlaff) sein. In<br />
jedem dieser beiden Fälle nimmt die Beweglichkeit<br />
<strong>der</strong> Muskeln ab. Dies verursacht eine Verlangsamung<br />
<strong>der</strong> Funktionen und Einschränkungen im Bewegungsausmaß.<br />
Wenn Sie Beweglichkeitseinschränkungen<br />
in <strong>der</strong> Sprechmuskulatur haben,<br />
kann Ihre Sprache schwerer verständlich werden.<br />
Die hörbaren Verän<strong>der</strong>ungen beim Sprechen hängen<br />
davon ab, welche Muskeln Funktionsdefizite<br />
haben.<br />
Wenn die Atemmuskulatur betroffen ist, entsteht<br />
eine zu geringe Atemunterstützung für das Sprechen.<br />
Wenn dies <strong>der</strong> Fall ist, haben Sie möglicherweise<br />
Schwierigkeiten zu rufen, in einer lauten<br />
Umgebung zu sprechen o<strong>der</strong> lange Sätze in einem<br />
Atemzug auszusprechen. Vielleicht fühlen Sie sich<br />
auch ermüdet, wenn Sie eine Zeitlang gesprochen<br />
haben.<br />
Wenn die Kehlkopffalten spastisch sind und sich<br />
nicht koordiniert und geschmeidig bewegen können,<br />
kann Ihre Stimme rauh und verzerrt o<strong>der</strong> erstickt<br />
klingen. Wenn Ihre Kehlkopffalten nicht die<br />
Kraft haben, sich richtig zusammenzufügen, mag<br />
Ihre Stimme hauchig o<strong>der</strong> rauh klingen. Die<br />
Stimmhöhe kann auch zu hoch o<strong>der</strong> zu tief sein.<br />
Wenn Ihre Kehlkopffalten sich nicht ausreichend<br />
auseinan<strong>der</strong> bewegen, kann beim Einatmen ein<br />
stimmhafter Laut hörbar werden.<br />
Schwächen in den Muskeln <strong>der</strong> Lippen, Zunge,<br />
Kiefer und Gaumen erschweren das klare Aussprechen<br />
von Konsonanten und Vokalen, Ihre Sprache<br />
wird verwaschen und manchmal schwer verständlich<br />
sein. Auch kann Ihre Stimme sehr nasal klingen,<br />
da Luft aus <strong>der</strong> Nase ausströmen kann, während<br />
Sie sprechen.<br />
Die Sprache von ALS-Betroffenen ist oftmals langsam,<br />
angestrengt, und bei Belastungen reduziert.<br />
54<br />
Verän<strong>der</strong>ungen des Sprechens bei<br />
Fortschreiten <strong>der</strong> Erkrankung<br />
Vielleicht hatten Sie bereits zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Diagnosestellung<br />
Sprechprobleme. An<strong>der</strong>e Betroffene<br />
kommen erst im weiteren Verlauf zu dem<br />
Punkt, an dem das Sprechen spürbar mühsamer<br />
wird. Die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Sprache gehen bei<br />
verschiedenen Menschen nicht nach demselben<br />
Schema vor sich, denn das Muster <strong>der</strong> Nervenzellschädigungen<br />
ist sehr unterschiedlich.<br />
Die Stimmsymptome beginnen meist mit Heiserkeit<br />
o<strong>der</strong> mit einer monotoner werdenden Klangfarbe.<br />
Die Heiserkeit geht oftmals über in eine verzerrte<br />
bzw. erstickte Klangqualität, wenn die Muskeln<br />
zu fest (spastisch) sind. Sind die Muskeln<br />
schlaff, klingt die Stimme gehauchter. Oft werden<br />
beim Fortschreiten <strong>der</strong> Erkrankung die Muskeln,<br />
die die Kehlkopffalten öffnen, beeinträchtigt, und<br />
das Öffnen <strong>der</strong> Kehlkopffalten fällt immer schwerer.<br />
Dadurch kann ein Geräusch auftreten, wenn<br />
Sie tief ein- o<strong>der</strong> ausatmen.<br />
Die Symptomatik beginnt gewöhnlich zuerst mit<br />
einer Zungenschwäche, dann folgt die Schwäche<br />
<strong>der</strong> Lippenmuskulatur. Konsonanten wie p, t, k, bei<br />
denen <strong>der</strong> Luftstrom gestoppt werden muss, werden<br />
sehr schwer aussprechbar. Weil die Gaumenmuskulatur<br />
nachlässt, kann diese die ausströmende<br />
Luft in Richtung Nase nicht schnell genug abbremsen,<br />
daher klingt Ihre Stimme nasal.<br />
Wenn die Sprechschwierigkeiten noch gravieren<strong>der</strong><br />
werden, können Vokale aufgrund <strong>der</strong> mangelnden<br />
Zungenbeweglichkeit kaum mehr geformt<br />
werden, so dass Ihre Sprache sehr schwer verständlich<br />
wird.<br />
Was kann man bei<br />
Sprechproblemen tun?<br />
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, damit umzugehen.<br />
Welche am geeignetsten ist, hängt davon ab,<br />
welche Anteile <strong>der</strong> Sprachproduktion zur Dysarthrie<br />
(Sprechstörung) beitragen. Die Wahl <strong>der</strong> Methode<br />
hängt auch davon ab, wie gravierend die bestehenden<br />
Sprechschwierigkeiten sind. Um den optimalen<br />
Weg zur Behandlung <strong>der</strong> Sprechprobleme<br />
zu finden, sollte ein Logopäde einen genauen Befund<br />
erstellen. In <strong>der</strong> Regel wird <strong>der</strong> Logopäde<br />
Ihnen zur bestmöglichen Kompensation verhelfen,<br />
so dass Ihre Sprache so verständlich wie möglich<br />
bleibt.
KOMMUNIKATION IST EINE PARTNER-<br />
SCHAFT - REGELN ZUR ERLEICHTERUNG<br />
DER KOMMUNIKATION<br />
Yorkston, Miller, Strand (1995):<br />
Management of Speech and Swallowing in<br />
Degenerative Diseases (Übersetzung aus<br />
dem Englischen), entnommen aus: Oliver<br />
Wendt ”Wenn die Sprache verloren geht”<br />
(Diplomarbeit)<br />
In diesem Abschnitt finden Sie Richtlinien und<br />
Wegweiser, die das Verstehen und Verständlich-<br />
Machen erleichtern, wenn das Sprechen für einen<br />
<strong>der</strong> Gesprächspartner durch die geschädigte<br />
Sprechmuskulatur erschwert ist. Das durch die<br />
Muskelschwäche beeinträchtigte Sprechen wird im<br />
Folgenden mit dem medizinischen Fachbegriff<br />
“Dysarthrie” bezeichnet. Im ersten Teil werden<br />
Techniken vorgestellt, die ALS-Kranke mit Beeinträchtigungen<br />
des Sprechens selbst anwenden können.<br />
Im zweiten Teil folgen einige Regeln und Hinweise,<br />
die Ihre Gesprächspartner berücksichtigen<br />
sollten.<br />
1. Techniken zur Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Verständlichkeit - für den<br />
Sprecher mit einer Dysarthrie<br />
Die folgenden Techniken können für Menschen<br />
nützlich sein, <strong>der</strong>en natürliche Sprache manchmal<br />
schwer zu verstehen ist. Sie för<strong>der</strong>n die Verständlichkeit<br />
Ihrer Sprache und geben Ihrem Kommunikationspartner<br />
einige beson<strong>der</strong>e Hinweise.<br />
Geben Sie Ihrem Kommunikationspartner<br />
einen Zusammenhang für das, was sie sagen<br />
Wenn man das Thema <strong>der</strong> Unterhaltung kennt,<br />
kann man auch eine verzerrte Sprache besser verstehen.<br />
Wenn Ihre Sprache schwer verständlich ist,<br />
weisen Sie auf einen Zusammenhang hin, indem<br />
Sie das Thema Ihrer Aussage aufschreiben o<strong>der</strong><br />
buchstabieren.<br />
Wechseln Sie das Thema nicht plötzlich<br />
Wenn Ihre Sprache schwer verständlich ist und Sie<br />
übergangslos von einem Thema zu einem an<strong>der</strong>en<br />
wechseln, verwirren Sie ihren Partner. Lassen Sie<br />
Ihren Gesprächspartner wissen, dass Sie das<br />
Thema wechseln und welches Ihr neues Thema ist.<br />
55<br />
Zeigen Sie an, wenn Sie an die Reihe<br />
kommen möchten<br />
Unterhaltungen gehen normalerweise sehr schnell<br />
vor sich. Wenn Ihre Sprache langsam ist, kann es<br />
sein, dass Sie Signale einsetzen müssen, wenn sie<br />
sprechen möchten. Diese Signale können die Form<br />
eines Blicks, eines Atemmusters, einer Bewegung,<br />
einer Geste o<strong>der</strong> eines verbalen Einwurfs haben.<br />
Wählen Sie eines o<strong>der</strong> zwei Signale, die Sie gut<br />
ausführen können und versichern Sie sich, dass<br />
Ihre Zuhörer diese Zeichen wahrnehmen.<br />
Suchen Sie die Aufmerksamkeit<br />
ihres Zuhörers<br />
Es ist unmöglich für einen Zuhörer, jemanden zu<br />
verstehen, ohne dass er sich auf sein Gegenüber<br />
konzentriert. Wenn Ihre Sprache schwer verständlich<br />
ist, ist es noch wichtiger, dass die Zuhörer aufmerksam<br />
sind. Bevor sie etwas sagen, benachrichtigen<br />
Sie Ihren Kommunikationspartner, indem Sie<br />
seinen o<strong>der</strong> ihren Namen sagen.<br />
Bilden Sie vollständige Sätze<br />
Grammatikalisch vollständige Sätze sind gewöhnlich<br />
für den Zuhörer leichter zu verstehen. Vermeiden<br />
Sie Telegrammstil o<strong>der</strong> Sätze, in denen die<br />
kleinen grammatikalischen Wörter wegfallen.<br />
Benutzen Sie vorhersagbare Satz-Strukturen<br />
Einfache, grammatikalisch vorhersehbare Sätze<br />
sind im Allgemeinen leichter zu verstehen als<br />
lange, kompliziert aufgebaute Sätze.<br />
Verwenden Sie vorhersehbare Wörter<br />
Es gibt viele verschiedene Wege, einen Gedanken<br />
zu formulieren. Wenn Ihre Sprache schwer zu verstehen<br />
ist, vermeiden Sie ungewöhnliche Ausdrücke<br />
o<strong>der</strong> Dialekt-Wörter und seien Sie direkt: z. B.<br />
wird "schließe bitte das Fenster" leichter zu verstehen<br />
sein als "wärst Du bitte so freundlich, das<br />
Fenster zu schließen".<br />
Beachten Sie den Klang Ihrer Stimme<br />
Wir übermitteln Fehlinformation dadurch, dass wir<br />
den Klang unserer Stimme verän<strong>der</strong>n. Der Satz<br />
"du schaust ja toll aus" kann z.B. zwei völlig verschiedene<br />
Dinge bedeuten, je nachdem wie man es<br />
sagt. Wenn Sie Schwierigkeiten haben, Bedeutungsverän<strong>der</strong>ungen<br />
durch die Intonation auszudrücken,<br />
müssten sie Sarkasmus o<strong>der</strong> Humor auf<br />
an<strong>der</strong>e Weise klarstellen.
Formulieren Sie Ihre Aussage um<br />
Wenn Zuhörer Sie auch nachdem Sie Ihren Satz<br />
wie<strong>der</strong>holt haben, nicht verstanden haben, versuchen<br />
Sie Ihren Gedanken mit an<strong>der</strong>en Worten auszudrücken,<br />
aber geben Sie ein Zeichen, um die Zuhörer<br />
dies wissen zu lassen.<br />
Begleiten Sie Ihre Sprache mit einfachen<br />
Gesten, wenn es gerade passt<br />
Manchmal kann eine Aussage durch einfache Gesten<br />
ergänzt werden. Die hingehaltene Handfläche<br />
mit einer kreisenden Bewegung des Zeigefingers<br />
kann z.B. die Auffor<strong>der</strong>ung begleiten: "Halt an und<br />
dreh um".<br />
Nutzen Sie Situationen aus<br />
Ihre Umgebung kann dazu verhelfen, Ihren Zuhörern<br />
beson<strong>der</strong>e Hinweise zugeben. Zum Beispiel<br />
könnten Sie auf Dinge im Raum zeigen, um ein<br />
Thema einzuführen.<br />
Gestalten Sie die Umgebung so "freundlich"<br />
wie möglich<br />
Manche Situationen sind für die Kommunikation<br />
ungünstiger als an<strong>der</strong>e. Vermeiden Sie es, wichtige<br />
Gespräche in lauter Umgebung zu führen o<strong>der</strong> in<br />
einer Umgebung, in <strong>der</strong> Ihr Partner Sie, wenn Sie<br />
sprechen, nicht beobachten kann, z. B. im Halbdunkel<br />
o<strong>der</strong> in Situationen, in denen ihr Zuhörer<br />
weit weg von ihnen ist.<br />
Vermeiden Sie Kommunikationen<br />
über weite Entfernungen<br />
Es ist schwierig, mit jemandem zu sprechen, <strong>der</strong><br />
sich in <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Ecke des Zimmers o<strong>der</strong> in<br />
einem an<strong>der</strong>en Raum befindet. Wenn Sie die Aufmerksamkeit<br />
auf sich ziehen möchten, kann ein<br />
Summer o<strong>der</strong> Piepser o<strong>der</strong> ein ähnliches Signal-<br />
Gerät nützlich sein.<br />
Benutzen Sie eine Alphabettafel<br />
als Ergänzung<br />
Wenn Ihre Sprache sehr schwer zu verstehen ist,<br />
könnten Sie den ersten Buchstaben jedes Wortes<br />
zeigen, bevor sie es aussprechen. Dies reduziert ihre<br />
Sprechbemühungen und erlaubt es den geschwächten<br />
Muskeln, sich mehr Zeit zu nehmen um die präzisen<br />
Bewegungen zum Sprechen auszuführen.<br />
Auch gibt es dem Zuhörer Informationen über das<br />
Wort, das ausgesprochen wird. Wenn ein Wort nicht<br />
verstanden wird, obwohl <strong>der</strong> erste Buchstabe identifiziert<br />
wurde, können Sie das Missverständnis auflösen,<br />
indem Sie das Wort ganz buchstabieren.<br />
56<br />
Emotionale Aussagen mitteilen<br />
Beachten Sie, dass Sie Aussagen mit emotionalem<br />
Inhalt nur ausdrücken, wenn Sie nicht müde sind<br />
und wenn viel Zeit zur Verfügung steht.<br />
Reserve-Kommunikationssystem<br />
Halten Sie ein geeignetes unterstützendes Kommunikationssystem<br />
bereit, wenn sie in Schwierigkeiten<br />
geraten. Das kann etwas so Einfaches wie ein<br />
Stück Papier und ein Stift sein, um Schlüsselwörter<br />
aufzuschreiben. Im Allgemeinen raten wir Sprechern<br />
mit einer Dysarthrie, ihre Zuhörer nicht absolut<br />
den Zusammenhang verlieren zu lassen.<br />
Wenig o<strong>der</strong> gar nichts von einer Aussage zu verstehen,<br />
kann für einen Zuhörer sehr frustrierend sein.<br />
Wenn Sie sehen, dass jemand Sie nicht versteht,<br />
halten Sie inne und stellen Sie sicher, dass sie o<strong>der</strong><br />
er Sie versteht, bevor Sie fortfahren.<br />
2. Techniken zum besseren<br />
Verstehen - für die Kommunikationspartner<br />
des Sprechers mit<br />
einer Dysarthrie<br />
Versichern Sie sich, dass Sie das allgemeine<br />
Thema <strong>der</strong> Unterhaltung kennen<br />
Die Kenntnis des Themas in einer Unterhaltung<br />
spielt eine große Rolle beim Verstehen <strong>der</strong> verzerrten<br />
Sprache. Regen Sie Sprecher mit Dysarthrie<br />
dazu an, das Gesprächsthema zu nennen.<br />
Achten Sie auf Zeichnen ihres Partners,<br />
wenn er das Gespräch ergreifen will<br />
Manche Sprecher mit Dysarthrie, die langsam<br />
sprechen, haben Schwierigkeiten sich in eine Unterhaltung<br />
einzuklinken. Beobachten Sie sorgfältig<br />
die Signale Ihres Partners o<strong>der</strong> verabreden Sie<br />
zuvor ein Zeichen.<br />
Schenken Sie Ihre ungeteilte<br />
Aufmerksamkeit<br />
Sprache ist im Allgemeinen so leicht zu verstehen,<br />
dass Zuhörer an<strong>der</strong>e Dinge nebenbei tun können<br />
und immer noch verstehen, was gesagt wird. Sprache,<br />
die langsam und verzerrt ist, wird schwerer<br />
verstanden und daher verlangt sie ungeteilte Aufmerksamkeit.<br />
Nehmen Sie sich Zeit und schaffen Sie die<br />
Situationen zur Kommunikation<br />
Die meisten von uns können den ganzen Tag lang<br />
sprechen ohne müde zu werden. Die meisten von<br />
uns können viele Dinge tun während wir sprechen:
wir können gehen und sprechen, Kaugummi kauen<br />
und sprechen o<strong>der</strong> essen und sprechen. Für einen<br />
Sprecher mit Dysarthrie ist das Sprechen jedoch<br />
eine sehr schwierige Aufgabe. Vermeiden Sie<br />
wichtige Unterhaltungen, wenn <strong>der</strong> Sprecher müde<br />
ist. Mahlzeiten sind keine gute Gelegenheit für Unterhaltungen.<br />
Beobachten Sie den Sprecher<br />
Wir bekommen eine beträchtliche Zahl von Informationen,<br />
indem wir den Sprecher beobachten.<br />
Wenn die Sprache langsam o<strong>der</strong> verzerrt ist, ist es<br />
noch wichtiger, das Gesicht des Sprechers zu beobachten.<br />
Die Puzzle-Teile zusammensetzen<br />
Manche Menschen beschreiben die Aufgabe, langsame<br />
und verzerrte Sprache zu verstehen, als einen<br />
Prozess, in dem viele kleine Stückchen zusammengesetzt<br />
werden müssen. Manche dieser Bruchstücke<br />
kommen natürlich vom Gesprochenen, an<strong>der</strong>e<br />
Hinweise werden über Gesten verstanden o<strong>der</strong><br />
über an<strong>der</strong>e physischen Gegebenheiten. Nutzen Sie<br />
die Gelegenheit, möglichst viele Bruchteile zusammen<br />
zu bekommen.<br />
Lassen Sie die Umgebung für sich arbeiten<br />
Maximieren Sie Ihre Fähigkeit, den Sprecher mit<br />
Dysarthrie zu verstehen dadurch, dass Sie für genügend<br />
Licht sorgen, dass das Licht auf das Gesicht<br />
des Sprechers fällt und dass alle Geräusche<br />
um Sie herum eliminiert o<strong>der</strong> reduziert werden.<br />
Vermeiden Sie Kommunikationen über lange<br />
Entfernungen<br />
Versichern Sie sich, dass Sie mit Ihrem Kommunikationspartner<br />
stets im gleichen Raum sind, wenn<br />
Sie eine Unterhaltung beginnen. Für viele Sprecher<br />
mit Dysarthrie ist es schwer, laut genug zu sprechen,<br />
sodass sie in einem an<strong>der</strong>en Raum gehört<br />
werden können.<br />
Stellen Sie sicher, das Sie so gut wie möglich<br />
hören können<br />
Es ist wichtig, dass Sie gut hören. Wenn Sie den<br />
Verdacht haben, einen kleinen Hörfehler zu haben,<br />
lassen Sie Ihr Gehör testen. Gut angepasste Hörhilfen<br />
können die Sprache von Menschen mit eingeschränkter<br />
Sprechmotorik verständlicher machen<br />
57<br />
Legen Sie sich Strategien zurecht,<br />
um eine zusammengebrochene<br />
Kommunikation zu retten<br />
Manchmal ist es Ihnen nicht möglich, eine Aussage<br />
zu verstehen. Es ist wichtig, einen Plan zu<br />
entwickeln, nach dem man handeln kann, wenn das<br />
passiert. Manche Menschen finden die folgenden<br />
Schritte hilfreich, um Frustrationen vorzubeugen:<br />
· Geben Sie ein Zeichen, sobald sie etwas nicht<br />
verstehen (viele Menschen meinen, dass ein<br />
nonverbales Zeichen am besten ist, weil es den<br />
Konversationsfluss nicht unterbricht).<br />
· Lassen Sie den Sprecher wissen, welche Teile<br />
<strong>der</strong> Aussage Sie nicht verstanden haben. (So<br />
wird <strong>der</strong> Sprecher nicht das Ganze wie<strong>der</strong>holen<br />
müssen).<br />
· Lassen Sie den Sprecher das missverstandene<br />
Wort einmal wie<strong>der</strong>holen.<br />
· Wenn sie es immer noch nicht verstanden<br />
haben, bitten Sie den Sprecher mit Dysarthrie,<br />
nach einem vorgefertigten Unterstützungsplan<br />
vorzugehen, <strong>der</strong> vielleicht darin bestehen kann<br />
zu buchstabieren, aufzuschreiben o<strong>der</strong> zu beschreiben.<br />
Setzen Sie Spielregeln<br />
Sprecher mit Dysarthrie bevorzugen manche Ihrer<br />
Verhaltensweisen und wünschen sich, dass Sie an<strong>der</strong>e<br />
Verhaltensweisen unterlassen. Wenn Sie diese<br />
Vorlieben kennen, vermeiden Sie Frustrationen.<br />
Zum Beispiel: Möchte <strong>der</strong> Sprecher mit Dysarthrie,<br />
dass Sie das Gesagte erraten o<strong>der</strong> nicht?<br />
Möchte er, dass Sie ihn den Satz beenden lassen<br />
o<strong>der</strong> nicht?<br />
Kommunikation mit an<strong>der</strong>en<br />
Menschen anbahnen<br />
Für viele Sprecher mit Dysarthrie ist das Kommunizieren<br />
mit unbekannten Menschen schwierig. In<br />
manchen Situationen können Sie vielleicht als<br />
Übersetzer assistieren. Auch hier ist es wie<strong>der</strong><br />
nützlich, einige vorher vereinbarte Regeln zu beachten.<br />
Möchte <strong>der</strong> Sprecher mit Dysarthrie, dass<br />
Sie missverstandene Teile <strong>der</strong> Aussage “übersetzen”?<br />
O<strong>der</strong> dass Sie lange und schwierige Antworten<br />
auf Fragen geben, wenn Sie wissen, wie die<br />
Antwort sein wird? O<strong>der</strong> dass Sie das Essen in<br />
einem Restaurant bestellen?
Unterstützte Kommunikation<br />
Wenn das Sprechvermögen für die wichtigsten<br />
Kommunikationsbedürfnisse nicht mehr ausreicht<br />
o<strong>der</strong> wenn das Sprechen zu anstrengend und ermüdend<br />
wird, ist es effizienter, sich über alternative<br />
Medien verständlich zu machen. Wenn Sie nur wenige<br />
ausgeprägte o<strong>der</strong> keine Arm- und Handschwächen<br />
haben, ist das Handschreiben ein guter Weg,<br />
Missverständnisse zu klären. Das Handschreiben<br />
ist das natürlichste, zugänglichste und mobilste<br />
<strong>Mit</strong>tel <strong>der</strong> alternativen Kommunikation. Handschreiben<br />
ist auch schneller und natürlich weniger<br />
teuer als irgendeine mechanische o<strong>der</strong> elektronische<br />
Vorrichtung.<br />
Wenn Ihre Arm- und Handmuskeln so schwach<br />
sind, dass das Schreiben von Hand sehr schwierig<br />
bis unmöglich und das Geschriebene unleserlich<br />
wird, können technische Kommunikationshilfen<br />
angewendet werden.<br />
TECHNISCHE HILFEN ZUR<br />
KOMMUNIKATION<br />
Janine Šušak, Physiotherapeutin,<br />
<strong>DGM</strong>-Hilfsmittelberatung<br />
Wie kommuniziere ich und bleibe<br />
mit an<strong>der</strong>en in Kontakt, wenn ich<br />
mich sprachlich nicht mehr verständigen<br />
kann?<br />
In unserer täglichen Praxis begegnen wir immer<br />
wie<strong>der</strong> Menschen, die aufgrund <strong>der</strong> ALS-Erkrankung<br />
nicht o<strong>der</strong> nicht verständlich sprechen können.<br />
Häufig versuchen Betroffene verzweifelt, auf<br />
ihre intakt gebliebenen geistigen und intellektuellen<br />
Fähigkeiten aufmerksam zu machen, was aber<br />
aufgrund fehlen<strong>der</strong> <strong>Mit</strong>teilungsmöglichkeiten nicht<br />
gelingt o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Umwelt nicht verstanden<br />
wird. Sie haben mit Einschränkungen zu kämpfen,<br />
die ihre Grundbedürfnisse betreffen und den gewohnten<br />
Lebensalltag weitgehend beeinträchtigen.<br />
Der Verlust des Sprechens, des Klangs <strong>der</strong> vertrauten<br />
Stimme, stellt für Betroffene und Angehörige<br />
neben <strong>der</strong> Kommunikationserschwernis eine erhebliche<br />
psychische Belastung dar.<br />
Wenn <strong>der</strong> Sprechverlust so weit fortgeschritten ist,<br />
dass selbst unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Kommunikationsregeln<br />
keine Verständigung mehr möglich<br />
ist, stehen Betroffenen unterschiedliche Kommunikationshilfsmittel<br />
zur Verfügung – je nachdem, wie<br />
weit die Behin<strong>der</strong>ung fortgeschritten ist. Dadurch<br />
erreichen sie mehr Selbständigkeit und Unabhän-<br />
58<br />
gigkeit im täglichen Leben, können sich verständlich<br />
machen und haben die Möglichkeit, mit ihren<br />
<strong>Mit</strong>menschen zu kommunizieren. Sie können ihre<br />
Bedürfnisse und Wünsche, Gedanken und Gefühle<br />
relativ spontan äußern, können auf sich aufmerksam<br />
machen, die Initiative zu einem Gespräch ergreifen<br />
und das Gespräch selber steuern.<br />
Aufgrund des sehr umfangreichen Spektrums von<br />
Kommunikationshilfsmitteln beschränken wir uns<br />
hier bewusst auf die Darstellung <strong>der</strong> Kommunikationshilfsmittel<br />
für an ALS erkrankte Menschen mit<br />
Sprechverlust sowie mit vorhandener Sprache, jedoch<br />
fehlenden Bewegungsmöglichkeiten.<br />
Wie sehen einfache<br />
Kommunikationshilfsmittel aus?<br />
Wenn die Kommunikationspartner den unmittelbaren<br />
Kontakt unter Einbeziehung von Körpersignalen<br />
(Mimik, Blick, Laute) bevorzugen o<strong>der</strong> ein bereits<br />
vorhandenes elektronisches Kommunikationsgerät<br />
in einer bestimmten Situation nicht verfügbar<br />
ist, können einfache Kommunikationstafeln eingesetzt<br />
werden.<br />
Kommunikationstafeln<br />
Einfache Kommunikationshilfen wie Kommunikationstafeln,<br />
-bücher o<strong>der</strong> -ordner bestehen in <strong>der</strong><br />
Regel aus Papierbögen, die mit Bil<strong>der</strong>n, grafischen<br />
Symbolen, Buchstaben und/o<strong>der</strong> Wörtern versehen<br />
sind. Zur Herstellung einer individuellen Kommunikationstafel<br />
können sowohl käufliche Symbolsammlungen<br />
als auch eigene Zeichnungen, Bil<strong>der</strong><br />
o<strong>der</strong> Sätze verwendet werden. Um eine schnelle<br />
Abnutzung zu vermeiden, werden die Tafeln laminiert.<br />
Durch eine individuelle Zusammenstellung<br />
von Bil<strong>der</strong>n, Symbolen, Wörtern o<strong>der</strong> Buchstaben<br />
kann ein persönliches Vokabular erstellt werden,<br />
das ganz auf die Bedürfnisse <strong>der</strong> Benutzer abgestimmt<br />
ist. Die Kombination aus verschiedenen<br />
Objekten, Situatio¬nen, Orten und Personen ist<br />
grundsätzlich zu empfehlen und mit den Benutzern<br />
gemeinsam festzulegen. Dabei ist es wichtig, ohne<br />
große Umstände das Vokabular regelmäßig verän<strong>der</strong>n<br />
und erweitern zu können, damit die Symbolsammlung<br />
den unterschiedlichen Bedürfnissen <strong>der</strong><br />
Benutzer angepasst werden kann.<br />
Kommunikationstafeln sollten leicht und gut tragbar<br />
sein - sie können z. B. am Rollstuhltablett angebracht<br />
sein o<strong>der</strong> in einer Seitentasche des Rollstuhls<br />
verstaut werden. Bei einem großen Vokabu-
lar empfiehlt es sich, anstelle von einer, mehrere<br />
Tafeln o<strong>der</strong> ein Kommunikationsbuch anzufertigen.<br />
An regelmäßig aufgesuchten Orten können<br />
Kopien <strong>der</strong> Kommunikationstafeln an <strong>der</strong> Wand<br />
befestigt werden, damit eine spontane Kommunikation<br />
möglich wird, auch wenn die Tafel einmal<br />
nicht greifbar ist. Darüber hinaus ist es sinnvoll,<br />
für bestimmte Alltagsituationen (z.B. Arztbesuche,<br />
Krankenhausaufenthalt) themenspezifische Tafeln<br />
herzustellen.<br />
Die Anwendung ist sehr einfach, wenn <strong>der</strong> Betroffene<br />
selbst auf die Fel<strong>der</strong> mit den Aussagen zeigen<br />
kann, die sein Bedürfnis ausdrücken. In manchen<br />
Aussagefel<strong>der</strong>n kann nur ein Wort enthalten sein,<br />
z. B. „Hände“. Dieser Begriff kann mit einem an<strong>der</strong>en<br />
Wort kombiniert werden, z.B. „waschen“<br />
o<strong>der</strong> ”eincremen”.<br />
Wenn <strong>der</strong> Betroffene nicht selbst auf die Aussagenfel<strong>der</strong><br />
zeigen kann, können zwischen den Kommunikationspartnern<br />
Zeichen für „Ja“ und „Nein“ vereinbart<br />
und die Begriffe abgefragt werden (z.B. für<br />
„Ja“ könnte <strong>der</strong> Betroffene einen kurzen Lidschluss<br />
ausführen, bei ”Nein” könnte er die Li<strong>der</strong><br />
länger geschlossen halten).<br />
Kommunikationstafeln <strong>der</strong> <strong>DGM</strong><br />
Die „Eye-Link-Tafel” ist eine Buchstabentafel auf<br />
stabiler durchsichtiger Plastikfolie, mit <strong>der</strong> viele<br />
ALS-Betroffene und ihre Angehörigen gute Erfahrungen<br />
gemacht haben. Sie wird zwischen die Gesprächspartner<br />
gehalten. Durch die Augenbewe-<br />
59<br />
gungen und die Blickfixierung des nicht sprechenden<br />
Nutzers kann <strong>der</strong> sprechende Nutzer die Buchstaben<br />
nacheinan<strong>der</strong> erfragen und das gemeinte<br />
Schlüsselwort herausfinden. Man kann die Tafel<br />
selbst herstellen: Auf eine stabile, durchsichtige<br />
Folie in <strong>der</strong> Größe von ca.50 x 50 cm wird ein Raster<br />
mit ca. 8 cm großen Fel<strong>der</strong>n mit einem wasserfesten<br />
Filzstift markiert, zusätzlich jeweils links<br />
und rechts je ein Feld für ”Ja” und ”Nein“. Die Folientafel<br />
kann leicht zusammengerollt und mitgenommen<br />
werden.<br />
Eyelink<br />
Kommunikationshandbücher<br />
Bei einem großen Vokabular empfiehlt es sich, anstelle<br />
einer Tafel ein Kommunikationsbuch anzulegen.<br />
Beim „PictoCom“ Bildwörterbuch handelt es<br />
sich um ein kleines Taschenbildwörterbuch mit<br />
Spiralheftung (Format 9 x 13 cm), das zum Einstecken<br />
für den Alltag und insbeson<strong>der</strong>e für Reisen<br />
gedacht ist. Beson<strong>der</strong>heiten: Die Einstecklasche<br />
bietet Platz für wichtige <strong>Mit</strong>teilungen. <strong>Mit</strong> den verschiedensten<br />
Bil<strong>der</strong>n, die nach Themenbereichen<br />
geordnet sind, lassen sich einfache 2-Wort-Sätze<br />
bilden. Durch herausklappbare Verbseiten können<br />
verschiedene Verben mit den Substantiven kombiniert<br />
werden (man kann z.B. nicht nur auf ”Kaffee”<br />
deuten, son<strong>der</strong>n auch auf ”Kaffee kaufen” o<strong>der</strong><br />
„Kaffee trinken“ etc.).
Pictocom<br />
Da <strong>der</strong> Erfolg <strong>der</strong> Kommunikation mittels Kommunikationstafeln<br />
zu einem großen Teil von <strong>der</strong><br />
körperlichen Nähe und <strong>der</strong> genauen Aufmerksamkeit<br />
<strong>der</strong> Kommunikationspartner abhängig ist, wird<br />
die Kommunikation in <strong>der</strong> Gewöhnungsphase viel<br />
Geduld und Ausdauer von allen Beteiligten erfor<strong>der</strong>n.<br />
<strong>Mit</strong> etwas Übung und den Tafeln als ständigem<br />
Begleiter können sich Betroffene mit Hilfe<br />
dieses Hilfsmittels leichter verständlich machen,<br />
die Kommunikation kann dadurch vereinfacht werden.<br />
Im Vergleich zu elektronischen Hilfsmitteln liegt<br />
<strong>der</strong> entscheidende Vorteil von Kommunikationstafeln<br />
darin, dass sie nicht anfällig für technische<br />
Störungen sind und auch an Orten eingesetzt werden<br />
können, in denen die Nutzung technischer<br />
Hilfsmittel erschwert ist (Schwimmbad, Bad usw.).<br />
Der größte Nachteil nichtelektronischer Hilfsmittel<br />
liegt darin, dass sie den Benutzer abhängig machen<br />
von <strong>der</strong> körperlichen Nähe und <strong>der</strong> totalen Aufmerksamkeit<br />
seiner Kommunikationspartner. Telefongespräche<br />
o<strong>der</strong> Gespräche in einer Gruppe sind<br />
nur mit Hilfestellung möglich. Zudem wird <strong>der</strong> Erfolg<br />
<strong>der</strong> Kommunikation zu einem großen Teil<br />
davon bestimmt, ob die<br />
Kommunikationspartner/innen über die Fähigkeit<br />
verfügen, die angezeigten Symbole richtig zu interpretieren.<br />
Elektronische Hilfen<br />
Mobile Kommunikationsgeräte<br />
mit Sprachausgabe<br />
Wenn Ihre Sprache so schlecht wird, dass Sie, so<br />
sehr Sie sich auch anstrengen, überhaupt nicht<br />
mehr verstanden werden, könnten Sie ein tragbares<br />
Gerät mit Tastatur verwenden, um Aussagen<br />
60<br />
schriftlich zu verfassen und über eine synthetische<br />
Stimme aussprechen zu lassen. Für den mobilen<br />
Einsatz eignen sich kompakte Geräte mit Display,<br />
die speziell als Sprachersatzgeräte mit einer synthetischen<br />
Sprachausgabe konzipiert sind. Über<br />
eine computerähnliche Tastatur o<strong>der</strong> angeschlossene<br />
Son<strong>der</strong>sensoren werden einzelne Worte o<strong>der</strong><br />
ganze Sätze eingegeben. Häufig verwendete und<br />
umfassen<strong>der</strong>e Aussagen können abgespeichert und<br />
mit einem Tastendruck abgerufen werden. Eine<br />
Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> gespeicherten Aussagen ist je<strong>der</strong>zeit<br />
möglich. Ferner ermöglicht die Sprachausgabe<br />
dem Benutzer zu telefonieren und sich im Notfall<br />
bemerkbar zu machen. Die Geräte können überall<br />
hin mitgenommen und mit einer passenden Halterung<br />
an einem Rollstuhl befestigt werden.<br />
Solange alle bzw. einzelne Finger gezielt bewegt<br />
werden können, sind Geräte mit Tastaturen einsetzbar.<br />
Benutzer, die eine Tastatur nicht mehr o<strong>der</strong> nur<br />
sehr eingeschränkt bedienen können, können verschiedene<br />
Sensoren einsetzen, für <strong>der</strong>en Bedienung<br />
nur geringe Muskelkraft erfor<strong>der</strong>lich ist. Als Impulsgeber<br />
für diese Sensoren dienen Muskeln, die<br />
<strong>der</strong> Benutzer noch willkürlich an- und entspannen<br />
kann.<br />
Mobile Kommunikationsgeräte
Computer-Eingabesysteme<br />
Bei bestimmten Muskelerkrankungen kann eine<br />
Standard-Tastatur bzw. die Maus häufig nur eingeschränkt<br />
bedient werden, weil möglicherweise die<br />
Feinmotorik <strong>der</strong> Hände nachlässt, <strong>der</strong> Bewegungsradius<br />
o<strong>der</strong> die Kraft zur Betätigung <strong>der</strong> Tasten<br />
nicht ausreicht. <strong>Mit</strong> einer Reihe von speziellen<br />
Steuerungen wie Son<strong>der</strong>tastatur, Bildschirmtastatur,<br />
Mausersatzgerät, Mini-Joystick, Richtungso<strong>der</strong><br />
Saug- und Blassensor sowie Laserpointer,<br />
kann die Bedienung von Computern für behin<strong>der</strong>te<br />
Benutzer erleichtert werden. Kommunikationssysteme<br />
können auch durch Kopf- und Augenbewegungen<br />
sowie durch Sprache gesteuert werden.<br />
Wenn ein Computer, ein Taschencomputer (Pocket<br />
PC) o<strong>der</strong> ein tragbarer Computer (Laptop) vorhanden<br />
ist, kann er mit einer angepassten Son<strong>der</strong>ausrüstung<br />
sowie mit speziellen Programmen (Software)<br />
zur Erleichterung <strong>der</strong> Kommunikation sowie<br />
zur Umfeldsteuerung nachgerüstet werden. Grundsätzlich<br />
kann je<strong>der</strong> Computer mit ausreichen<strong>der</strong><br />
Leistungskapazität mit einem Kommunikationsprogramm<br />
und einem individuell angepassten Eingabegerät<br />
(Spezialtastatur, Sensoren) ausgestattet<br />
werden.<br />
Bildschirmtastaturen<br />
Hierbei handelt es sich um Programme, die die<br />
Tastatur auf einem Teil des Bildschirms darstellen.<br />
Sie sind individuell anpassbar und können mit <strong>der</strong><br />
Maus, einem Mausersatz o<strong>der</strong> mit speziellen Sensoren<br />
bedient werden. Tasteneingaben können entwe<strong>der</strong><br />
durch Anklicken o<strong>der</strong> durch Verweilen auf<br />
einem Tastenfeld erzeugt werden. Spezialtastaturen<br />
können mit einem Sprachausgabe-Programm kombiniert<br />
werden.<br />
Bildschirmtastatur<br />
Mausersatzsysteme<br />
Sehr viele Computer-Programme können über die<br />
Maus gesteuert werden. Die Maus erfor<strong>der</strong>t allerdings<br />
eine gut funktionierende Feinmotorik sowie<br />
einen ausreichenden Bewegungsradius <strong>der</strong> Hand.<br />
Dies ist bei bestimmten Behin<strong>der</strong>ungen nicht gegeben.<br />
Alternativ können verschiedene Mausersatzsysteme<br />
eingesetzt werden, die die erfor<strong>der</strong>lichen<br />
61<br />
Mausbewegungen auf dem Bildschirm ausführen<br />
können. In Verbindung mit speziellen Eingabeprogrammen<br />
ermöglichen einfache Taster und Sensoren<br />
(Einzel- und Doppelfunktionstaster, Saug- und<br />
Blassensor, Näherungs-Sensor) die Bedienung von<br />
einzelnen Anwendungen in unterschiedlicher Kom<br />
plexität.<br />
Touchpad<br />
Trackball Microlight<br />
Kopfmaus<br />
Wenn Sie die Hände nicht bewegen können, aber<br />
eine gute Kontrolle über die Kopfbewegungen<br />
haben, kann <strong>der</strong> Computer mittels Kopfmaus bedient<br />
werden. Dieses System besteht aus einem<br />
Gerät, das einen Infrarotsen<strong>der</strong> und eine Empfängerkamera<br />
enthält sowie einem aufklebbaren Reflektorpunkt.<br />
Der Reflektorpunkt kann auf <strong>der</strong><br />
Stirn, am Brillensteg o<strong>der</strong> an irgendeinem an<strong>der</strong>en<br />
Körperteil befestigt werden. Der Mauszeiger bewegt<br />
sich mit je<strong>der</strong> Kopfbewegung. Wird die Kopfmaus<br />
mit einer Bildschirmtastatur kombiniert,<br />
kann sie alle Funktionen einer herkömmlichen Tastatur<br />
übernehmen. Der Mausklick kann durch<br />
einen beliebigen Taster o<strong>der</strong> Sensor ausgelöst werden,<br />
welcher an die Kopfmaus angeschlossen werden<br />
kann. <strong>Mit</strong> einer speziellen Software ist es möglich,<br />
den Doppelklick sowie an<strong>der</strong>e Befehle auszuführen,<br />
ohne die Hände zu benutzen.
Augensteuerungssysteme<br />
Augensteuerungssysteme ermöglichen es Menschen<br />
mit schwersten Körperbehin<strong>der</strong>ungen und<br />
insbeson<strong>der</strong>e ALS-Betroffenen, mit Hilfe <strong>der</strong> Augenbewegungen<br />
auf sog. Bildschirmtastaturen am<br />
Computer zu schreiben sowie Computer-Program -<br />
me und elektrische Geräte zu steuern. Weitere<br />
Funktionsmöglichkeiten, wie z.B. die Einbindung<br />
einer Umfeldsteuerung sowie einer synthetischen<br />
Sprachausgabe, können nach Bedarf integriert<br />
werden.<br />
Augensteuerungssysteme<br />
Umfeldsteuerungssysteme<br />
(Bedienung <strong>der</strong> elektrischen Geräte<br />
in <strong>der</strong> näheren Umgebung)<br />
Menschen mit ALS haben oft Probleme mit <strong>der</strong><br />
Bedienung von Geräten wie Leuchten, Telefon,<br />
Fernseher, Computer, Stereoanlage, Türöffner, Hilferufsystemen<br />
uvm. Um diese zu bedienen, müssen<br />
sie laufend die Hilfe von an<strong>der</strong>en Menschen in<br />
Anspruch nehmen. Der Erhalt <strong>der</strong> Privatsphäre<br />
(z.B. bei privaten Telefongesprächen) ist dadurch<br />
nicht immer möglich.<br />
Seit einigen Jahren sind verschiedene Systeme zur<br />
Umfeldkontrolle auf dem Markt erhältlich, die die<br />
Steuerung von technischen Geräten über angepasste<br />
Sensoren o<strong>der</strong> über Sprachbefehl ermöglichen.<br />
Die Steuerungsbefehle werden über eine Infrarot-<br />
bzw. Funkschnittstelle übermittelt. Viele<br />
elektrische Geräte sind mit einer solchen Schnittstelle<br />
ausgestattet bzw. lassen sich nachträglich mit<br />
einer ausstatten, und können auf diese Weise mit<br />
einer Umfeldsteuerung bedient werden. <strong>Mit</strong>tels<br />
einfacher Befehle können Nutzer Freunde und Verwandte<br />
anrufen, dem Assistenten die Tür aufmachen,<br />
die Beleuchtung ein- o<strong>der</strong> ausschalten, die<br />
Lieblings-CD anhören o<strong>der</strong> den Fernsehsen<strong>der</strong><br />
wechseln.<br />
62<br />
Umfeldsteuerungssystem<br />
Computer-Programme mit Sprachausgabe<br />
Ein Sprachausgabe-Programm kann über eine<br />
Soundkarte Textdateien mittels einer synthetischen<br />
Stimme wie<strong>der</strong>geben. So wird über Lautsprecher<br />
o<strong>der</strong> Kopfhörer hörbar, was sonst nur auf dem<br />
Bildschirm zu sehen ist.<br />
Sprachausgabeprogramm<br />
„Meine eigene Stimme“<br />
Dieses Programm ist speziell für Menschen entwickelt,<br />
denen durch eine Erkrankung <strong>der</strong> Verlust<br />
ihrer Stimme droht. <strong>Mit</strong> Hilfe dieses Programms<br />
wird die Stimme des Nutzers möglichst naturgetreu<br />
wie<strong>der</strong>gegeben, was für den Anwen<strong>der</strong> und<br />
seine Umgebung von großer Bedeutung ist. Hierzu<br />
ist eine frühzeitige Stimmaufzeichnung erfor<strong>der</strong>lich,<br />
die vor Stimmverlust erstellt werden muss.<br />
Die Stimmaufzeichnungen werden vom Hersteller<br />
editiert und dem Nutzer in Form eines Installationsprogramms<br />
zugesendet.<br />
Auswahl des richtigen<br />
Kommunikationshilfsmittels<br />
Die Hilfsmittelversorgung bei Menschen, die an<br />
ALS erkrankt sind, sollte aufgrund <strong>der</strong> Progredienz<br />
schnellstmöglich und vorausblickend erfolgen, da<br />
sich die gegenwärtig vorhandenen motorischen Fähigkeiten<br />
schon in sehr kurzer Zeit verän<strong>der</strong>n<br />
könnten und dadurch die Auswahl <strong>der</strong> entsprechenden<br />
Hilfsmittel eine ganz an<strong>der</strong>e sein könnte.<br />
Entscheidend für die erfolgreiche Versorgung mit<br />
Kommunikationshilfen ist – neben <strong>der</strong> Akzeptanz<br />
des Nutzers – ein sorgfältig durchdachtes Konzept<br />
mit erreichbaren Zielvorgaben sowie eine fachübergreifende<br />
Zusammenarbeit aller Beteiligten,<br />
wobei die Bedürfnisse des Benutzers und seine<br />
motorischen und kognitiven Möglichkeiten im Vor<strong>der</strong>grund<br />
stehen sollten. Falsche o<strong>der</strong> unklare Ziel-
vorstellungen aller Beteiligten und <strong>der</strong> Glaube an<br />
die unbegrenzten Möglichkeiten <strong>der</strong> Technik sind<br />
Erwartungen, die in <strong>der</strong> Beratungspraxis häufig<br />
vorkommen. Gerade bei Menschen, die nicht sprechen<br />
können, unterscheiden sich oft die Anliegen<br />
<strong>der</strong> Angehörigen o<strong>der</strong> Betreuer von den Bedürfnissen<br />
und Wünschen des Betroffenen. Hinzu kommen<br />
die hohen Kosten <strong>der</strong> Geräte und die in <strong>der</strong><br />
Praxis mit Schwierigkeiten und Verzögerungen<br />
verbundene Kostenübernahme seitens <strong>der</strong> Leistungsträger,<br />
daher sind vor <strong>der</strong> endgültigen Versorgung<br />
ausführliche Beratungsgespräche, das praktische<br />
Erproben des Systems in <strong>der</strong> häuslichen Umgebung<br />
sowie <strong>der</strong> Vergleich von verschiedenen Geräten<br />
unerlässlich.<br />
Die Firmen, die im Bereich <strong>der</strong> unterstützten Kommunikation<br />
tätig sind, bieten größtenteils Beratung<br />
zu Hause an. Die Betroffenen und ihre Angehörigen<br />
können direkt mit den Firmen Kontakt aufnehmen<br />
und einen Beratungstermin vor Ort vereinbaren.<br />
Im Vorfeld <strong>der</strong> Versorgung ist die Abklärung<br />
<strong>der</strong> persönlichen Bedürfnisse und des Umfeldes<br />
des Benutzers wichtig.<br />
Die Qualität und die Möglichkeiten <strong>der</strong> Hilfsmittel,<br />
die auf dem Hilfsmittelmarkt angeboten werden,<br />
sind sehr unterschiedlich. Betroffene und ihre<br />
Angehörigen sollten sich daher umfassend informieren<br />
und verschiedene Produkte vergleichen.<br />
Die Erweiterbarkeit und Adaptationsmöglichkeiten<br />
sind weitere Kriterien, die berücksichtigt werden<br />
sollten. Das ausgewählte System o<strong>der</strong> Gerät sollte<br />
anschließend in einer Erprobungsphase zu Hause<br />
mit den Angehörigen einige Tage getestet werden<br />
können. Erst wenn sich zeigt, dass Betroffene und<br />
ihr soziales Umfeld mit dem Gerät zurechtkommen,<br />
sollte <strong>der</strong> Arzt eine Verordnung mit <strong>der</strong> genauen<br />
Bezeichnung des Hilfsmittels (mit evtl. Zubehör)<br />
ausstellen.<br />
Die Art <strong>der</strong> unterstützten Kommunikation, die ausgewählt<br />
wird, hängt zum Teil von den körperlichen<br />
Fähigkeiten des Nutzers sowie von dem Fortschreiten<br />
<strong>der</strong> Erkrankung ab. Genauso wichtig für die<br />
Entscheidung ist das individuelles Kommunikationsbedürfnis<br />
- ob das Hilfsmittel bei <strong>der</strong> Arbeit, in<br />
<strong>der</strong> Familie, mit Freunden in Gesellschaft usw. verwendet<br />
wird.<br />
63<br />
Tipps für die Kostenübernahme<br />
Zuständige Kostenträger<br />
Bei Kommunikationsgeräten handelt es sich größtenteils<br />
um ein im individuellen Fall notwendiges<br />
Hilfsmittel, das ebenso wie Rollstühle bei entsprechendem<br />
Bedarf von den Krankenkassen übernommen<br />
werden muss. Voraussetzung ist auch hier eine<br />
ärztliche Verordnung. Lehnt die Krankenkasse die<br />
Kostenübernahme des Hilfsmittels ab, sollte gegen<br />
diesen Bescheid Wi<strong>der</strong>spruch eingelegt und die<br />
Notwendigkeit <strong>der</strong> Hilfsmittelversorgung ausführlich<br />
und nachvollziehbar begründet werden.<br />
Bei berufstätigen Betroffenen können die Bundesagentur<br />
für Arbeit o<strong>der</strong> die Rentenversicherungsträger<br />
im Rahmen <strong>der</strong> Hilfe zur Arbeitsplatzausstattung<br />
Kommunikationshilfsmittel bis zu festgeschriebenen<br />
Sätzen, im Einzelfall auch vollständig,<br />
finanzieren. Auskünfte hierzu erteilen die jeweils<br />
zuständigen Kostenträger.<br />
Im Einzelfall kann auch das Sozialamt im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe die Kosten übernehmen.<br />
Dabei muss die Notwendigkeit im Einzelfall nachgewiesen<br />
werden. Sozialhilfe wird jedoch nur<br />
nachrangig gewährt, d.h. wenn kein an<strong>der</strong>er Kostenträger<br />
zuständig ist. Auskünfte hierzu erteilt das<br />
örtliche Sozialamt.<br />
Darüber hinaus besteht auch noch die Möglichkeit<br />
<strong>der</strong> Beantragung eines Zuschusses bei Stiftungen.<br />
Diese verteilen ihre Geldmittel entwe<strong>der</strong> nach regionalen,<br />
behin<strong>der</strong>ungsspezifischen, sozialen o<strong>der</strong><br />
gruppenspezifischen Gesichtspunkten.<br />
Gibt es einen rechtlichen Anspruch<br />
auf Kommunikationshilfsmittel?<br />
Auch bei Hilfsmitteln, die nicht ständig und unmittelbar<br />
am menschlichen Körper wirken, handelt es<br />
sich um Hilfsmittel im Sinne <strong>der</strong> Leistungspflicht<br />
<strong>der</strong> gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie<br />
<strong>der</strong> medizinischen Zielsetzung dienen. Dazu gehören<br />
auch Hilfsmittel zum Sprechen und zur Verständigung,<br />
die die Aufgabe haben, natürliche Körperfunktionen<br />
zu ersetzen.<br />
Handelsübliche Computer und Zubehörgeräte dagegen<br />
gelten als Gegenstände des täglichen Lebens.<br />
Hier trägt die Krankenkasse lediglich die<br />
Kosten für die behin<strong>der</strong>tengerechte Erweiterung<br />
eines Computers (Spezialtastatur, Kommunikati-
onssoftware, Sensoren). Die Kosten für den Computer<br />
an sich müssen vom Versicherten selbst o<strong>der</strong><br />
von eventuell in Frage kommenden an<strong>der</strong>en Kostenträgern<br />
wie z. B. Arbeits- o<strong>der</strong> Sozialämtern<br />
übernommen werden. Bei Bedürftigkeit besteht die<br />
Möglichkeit eines Zuschussantrags bei Stiftungen.<br />
Versicherte in <strong>der</strong> GKV müssen seit 2004 für<br />
Hilfsmittel eine Zuzahlung von 10% je Hilfsmittel<br />
leisten, mindestens fünf Euro und höchstens zehn<br />
Euro, jedoch nicht mehr als die Kosten des Hilfsmittels.<br />
Dies gilt auch für Kommunikationshilfsmittel.<br />
64<br />
Für die meisten Betroffenen ist <strong>der</strong> Verlust <strong>der</strong><br />
Selbständigkeit und Kommunikationsfähigkeit<br />
die schlimmste Folge einer ALS-Erkrankung.<br />
Kommunikationshilfsmittel können das Verständigungsproblem<br />
verringern und den Benutzern<br />
vielfältige Möglichkeiten für ein<br />
selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Menschen<br />
mit Einschränkungen <strong>der</strong> Sprechfähigkeit<br />
könnten z.B. wie<strong>der</strong> Kontakte zu Freunden<br />
pflegen, sich über das Weltgeschehen informieren<br />
und selbst Einkäufe und Bankgeschäfte<br />
erledigen. Dadurch können sie ihre Lebensqualität<br />
erheblich verbessern und nicht zuletzt<br />
die Freude am Leben wie<strong>der</strong> steigern bzw. zurückgewinnen.<br />
Weitere Informationen zu Kommunikationshilfen<br />
erhalten Sie im Hilfsmittelberatungszentrum <strong>der</strong><br />
<strong>Deutsche</strong>n Gesellschaft für Muskelkranke e.V., bei<br />
Beratungsstellen für Kommunikation in Ihrer Nähe<br />
sowie bei Anbietern elektronischer Hilfsmittel.
6 Schluckstörungen und Ernährung<br />
GUT UND RICHTIG ERNÄHRT - WENN<br />
SCHLUCKEN ZUM PROBLEM WIRD<br />
Birgit Palzer-Rohr, Ernährungs- und<br />
Diätberaterin, Lübeck<br />
Eine vollwertige und ausgewogene Ernährung ist<br />
für den gesamten Organismus sehr wichtig, um sowohl<br />
Verstopfung als auch Durchfall vorzubeugen<br />
und um alle Zellen – auch unsere Muskelzellen -<br />
optimal zu versorgen.<br />
Doch wie setzt man diese Grundlagen um, wenn<br />
Schlucken zum Problem wird?<br />
Zunächst einmal ist und bleibt es bedeutsam, dass<br />
die Kost abwechslungsreich, schmackhaft und natürlich<br />
entsprechend zubereitet sein sollte. Außerdem<br />
sollte man sich auf fünf bis sechs kleine<br />
Mahlzeiten pro Tag einlassen. Dies ist in <strong>der</strong> Regel<br />
weniger anstrengend und ermüdend. An dieser<br />
Stelle kann allerdings nur eine Aufzählung von<br />
Beispielen für eine mögliche Umsetzung gegeben<br />
werden, da die Stadien <strong>der</strong> Schluckproblematik unterschiedlich<br />
sind und vieles vorsichtig selbst getestet<br />
werden sollte, bzw. mit dem behandelnden<br />
Arzt und Logopäden durchgesprochen werden<br />
sollte.<br />
Betrachten wir zunächst die Grundlage einer vollwertigen<br />
Ernährung: die Getreideprodukte. Als gut<br />
geeignet haben sich weiches (Vollkorn-) Toastbrot<br />
Ungeeignete Nahrungsmittel<br />
· Scharf gewürztes Essen<br />
· Sauer Eingelegtes wie z.B. saure Gurken<br />
o<strong>der</strong> manche Salatdressings<br />
· Weiches, knuspriges frisches Brot<br />
· Cracker, Knäckebrot, Kekse und trockene Kuchen<br />
· Hartschalige o<strong>der</strong> kernreiche Früchte<br />
o<strong>der</strong> Gemüse (wie Erbsen, Mais, Äpfel, Beeren)<br />
· Faseriges Obst o<strong>der</strong> Gemüse (wie Ananas,<br />
Orangen, grüne Bohnen)<br />
· Gebratene Nudeln o<strong>der</strong> Reis<br />
· Popcorn, Kartoffelchips, Nüsse<br />
· Trockenes, faseriges Fleisch<br />
o<strong>der</strong> Fisch mit Gräten<br />
· Nüsse, Samen, Körner, trockenes Müsli,<br />
Kokosnuss<br />
· Klebrige Nahrungsmittel (z.B. Erdnussmus)<br />
65<br />
Geeignete Nahrungsmittel<br />
· Apfelmus, Pudding, Sorbet,<br />
Naturjoghurt<br />
· Saftiges Fleisch mit Soße<br />
· Dosenobst, weiches Obst<br />
(z.B. Bananen)<br />
· Eier (gekocht, als Rührei o<strong>der</strong><br />
Omelett, nicht gebraten)<br />
· Gekochtes Getreide mit Milch<br />
(Milchreis)<br />
· Aufläufe<br />
· Milchshakes<br />
· Kartoffelpüree mit Soße<br />
· Joghurt, Quarkspeise mit Gelatine<br />
· Lachs, Tunfisch, Eiersalat mit<br />
Mayonnaise o.ä.<br />
· Dicke, cremige o<strong>der</strong> pürierte Suppen<br />
· Fruchtnektar, Tomatensaft, Gemüsesaft<br />
· Nudelgerichte mit Soße<br />
(Antje Faatz, übersetzt aus: Manual for People<br />
Living with ALS, “swallowing problems – foods to<br />
lose, swallowing solutions – foods to choose”,<br />
ALS Society of Canada 2005)<br />
o<strong>der</strong> Graubrot (Grahambrot) erwiesen. Vielleicht<br />
schmeckt auch ein eingeweichter Zwieback? Gut<br />
ausgequollene, also sehr weiche Nudeln (auch<br />
Vollkornnudeln) sind ebenfalls empfehlenswert.<br />
Bei den Gemüsesorten sind ihrem Geschmack<br />
kaum Grenzen gesetzt, da sich praktisch jede<br />
weichgekochte Gemüsesorte pürieren lässt – nicht<br />
nur Kartoffeln - und etwas angedickt ausgesprochen<br />
schmackhaft ist. Vorsicht ist lediglich bei sehr<br />
faserigem Gemüse geboten (z .B. bei Spargel, Porree<br />
o<strong>der</strong> Brechbohnen, sowie bei ungeschälten<br />
Hülsenfrüchten). Das Obst sollte, wenn es roh verzehrt<br />
werden soll, sehr weich, d. h. sehr reif, sein.<br />
Wenn <strong>der</strong> rohe Verzehr jedoch Schwierigkeiten bereitet,<br />
lässt sich Obst sehr gut zu leckerem Kompott<br />
verarbeiten und bereitet so weniger Probleme.<br />
Milch und Milchprodukte sind grundsätzlich alle<br />
empfehlenswert, außer wenn z.B. Joghurt zu feste<br />
o<strong>der</strong> faserige Obststücke enthält. Bedenken Sie<br />
aber, dass Milchprodukte die Schleim- und Speichelbildung<br />
anregen können. Eier lassen sich z.B.<br />
gut als Omelett o<strong>der</strong> Rührei zubereiten. Bei dem<br />
Fleischverzehr sollten Sie auf weiche Sorten wie<br />
beispielsweise Würstchen, feine Bratwurst o<strong>der</strong>
Frikasseezubereitungen zurückgreifen. Als sehr<br />
schmackhaft und nahrhaft haben sich zudem z. B.<br />
Kochfische erwiesen, die gerne mit in das Nahrungsangebot<br />
aufgenommen werden könnten. Wer<br />
es gerne süß mag, wird sicherlich mit Vergnügen<br />
mal einen Pudding genießen, wogegen bei einer<br />
ausgewogenen Ernährung nicht das Geringste<br />
spricht. Wenn die Aufnahme von Getränken problematisch<br />
sein sollte, lassen sich diese andicken.<br />
Dies gilt für beispielsweise für Milch, Milchmixgetränke,<br />
Obst- und Gemüsesäfte. Geeignete Verdickungsmittel<br />
sind im Reformhaus o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Apotheke<br />
erhältlich. So betrachtet, bietet sich tatsächlich<br />
eine Fülle von guten und vollwertigen Nahrungsmitteln,<br />
die ausgesprochen empfehlenswert<br />
und umsetzbar sind. Vielleicht stehen wir nun,<br />
wenn wir eine ausgewogene Ernährungsweise anstreben,<br />
nicht mehr ganz so ratlos vor dem übervollen<br />
Regal im Supermarkt.<br />
Abschließend sei gesagt, dass eine abwechslungsreiche<br />
Ernährung unserem Körper alle wichtigen<br />
Nährstoffe zuführt, dennoch kann es manchmal angezeigt<br />
sein, dem Körper zusätzlich Vitaminpräparate<br />
zuzuführen, um Mangelerscheinungen vorzubeugen.<br />
Ein Ersatz für eine ausgefallene Mahlzeit<br />
sind diese Zusatzpräparate aber nicht! Auch ist<br />
eine Gewichtskontrolle unbedingt notwendig,<br />
damit kein Untergewicht entsteht. Sollte diese Gefahr<br />
bestehen, fügen Sie Ihren Mahlzeiten in ausreichendem<br />
Maße Butter o<strong>der</strong> Margarine, sowie<br />
Sahne o<strong>der</strong> Rahm hinzu.<br />
Wenn Sie nun auf den Geschmack gekommen sind,<br />
Ihnen aber noch probate Rezepte fehlen, schauen<br />
Sie doch mal in das Kochbuch „Ernährung bei<br />
Schluckstörungen“ (s. Literaturhinweise im Anhang).<br />
ERNÄHRUNG BEI ALS BETROFFENEN<br />
Bea Goldman, Intensivpflege,<br />
ALS-Nurse, St. Gallen / Schweiz<br />
Warum brauche ich mehr Kalorien?<br />
Bei ALS Betroffenen ist wahrscheinlich im Anfangsstadium<br />
<strong>der</strong> Kalorienbedarf gesteigert. Genaue<br />
Untersuchungen gibt es hierzu nicht. Bedingt<br />
durch das Schwächerwerden einzelner Muskeln<br />
müssen benachbarte Muskelgruppen <strong>der</strong>en Funktion<br />
übernehmen und dementsprechend mehr leisten.<br />
Häufig beobachten wir, dass das Hungerge-<br />
66<br />
fühl nicht dem benötigten Kalorienbedarf entspricht,<br />
Hunger wird oft nicht stark empfunden. Es<br />
kann ein schleichen<strong>der</strong>, kontinuierlicher Gewichtsverlust<br />
einsetzen obwohl man sich gleich wie vorher<br />
ernährt.<br />
Was geschieht bei ungenügen<strong>der</strong><br />
Kalorienzufuhr?<br />
Werden keine Maßnahmen ergriffen, so zehrt <strong>der</strong><br />
Körper von den vorhandenen Fettreserven, was<br />
unter Umständen Anlass zur Freude ist…. Sind jedoch<br />
diese Reserven aufgebraucht, macht sich <strong>der</strong><br />
Körper daran, Energie aus <strong>der</strong> Muskelmasse zu gewinnen.<br />
Dies kann fatale Auswirkungen haben,<br />
denn Muskeln die ohnehin schon mehr leisten<br />
müssen, werden zusätzlich vom Körper zur Energiegewinnung<br />
„abgebaut“. Geschieht dies alles bei<br />
einer ungenügenden Kalorienzufuhr kann ein Gewichtsverlust<br />
entstehen. Betroffene erzählen dann<br />
oft, dass bei gleichen Essgewohnheiten plötzlich<br />
binnen Monatsfrist einige Kilogramm abgenommen<br />
wurden. Häufig ist dieser Gewichtsverlust zusammen<br />
mit einer Schwäche für etliche Patienten<br />
erst <strong>der</strong> Grund einen Arzt aufzusuchen.
Was kann ich tun, um den<br />
Gewichtsverlust aufzuhalten?<br />
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten sein Gewicht zu<br />
erhalten. Wir erheben natürlich keinen Anspruch<br />
auf Vollständigkeit. Hier einige Beispiele aus <strong>der</strong><br />
ALS Beratung:<br />
· Hungerzeiten einschränken, d.h. nicht mehr als<br />
2-3 Std. ohne Kalorienzufuhr.<br />
· Regelmäßige Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten<br />
in den Tagesablauf einbauen.<br />
· Sich Zeit nehmen, um in Ruhe zu essen.<br />
· Kalorienanzahl erhöhen, z.B. morgens schon<br />
ein „kaiserliches“ Frühstück wie Omelettes,<br />
Schinken, Croissants, Müsli etc. (manche Patienten<br />
essen schon morgens „Käsenudeln“).<br />
· Kochgewohnheiten ev. anpassen, Kochen vermehrt<br />
mit Butter, Sahne, Kartoffeln/Nudeln etc.<br />
· Zwischenmahlzeiten: Müsliriegel, Süßspeisen<br />
mit Schokolade, Puddings, Sahne, Eiscreme,<br />
zwischendurch Süßgetränke.<br />
· Ergänzende Zusatznahrung, falls die Zeit zu<br />
häufigem Essen fehlt (z.B. auf Reisen, bei <strong>der</strong><br />
Arbeit)<br />
Was tue ich, wenn das Essen<br />
ziemlich ermüdet?<br />
Wenn <strong>der</strong> Gewichtsverlust trotz aller Anstrengungen<br />
fortschreitet und <strong>der</strong> Gedanke an Kalorienzufuhr<br />
stresst, kann eine PEG-Einlage in Betracht gezogen<br />
werden.<br />
Das bedeutet natürlich nicht, dass es mit dem<br />
Essen vorbei ist, son<strong>der</strong>n man kann bei Ermüdung<br />
fehlende Kalorien einfach mit Sondenkost ergänzen.<br />
Das Essen kann somit ein Vergnügen bleiben<br />
67<br />
für Betroffene und ihr Umfeld. Gleichzeitig reduziert<br />
sich so <strong>der</strong> Druck <strong>der</strong> ausreichenden Kalorienzufuhr.<br />
Wie viel soll ich trinken?<br />
Wir empfehlen 1,5 bis 2 l Flüssigkeit pro Tag. Wird<br />
über längere Zeit zu wenig Flüssigkeit zugeführt,<br />
kann dies beson<strong>der</strong>s für ALS Betroffene unangenehme<br />
Auswirkungen haben:<br />
· Erhöhte Salzkonzentration im Blut und somit<br />
erhöhte Anfälligkeit für Muskelkrämpfe.<br />
· Neigung zu Obstipation (Verstopfung).<br />
· Verstimmung.<br />
· Vermehrte Müdigkeit/Unwohlsein.<br />
· Thromboserisiko kann zunehmen<br />
· teilweise problematische Eindickung des zähen<br />
Speichels<br />
· größere Empfindlichkeit <strong>der</strong> Schleimhäute<br />
durch Austrocknung
Wie schaffe ich 1,5 l Flüssigkeit<br />
pro Tag?<br />
Tipps:<br />
· Jeweils morgens schon eine 1,5 l Flasche richten<br />
und vormittags mit dem Trinken beginnen.<br />
· Nicht die Geduld verlieren, erfolgreiche Trinkregime-Umstellungen<br />
dauern Wochen!<br />
· Gläser mit einem breiten Durchmesser werden<br />
als weniger voll empfunden als hohe Becher.<br />
· Versuchen die Trinkmenge bis zum frühen<br />
Nachmittag zu schaffen, somit reduzieren sich<br />
die nächtlichen Toilettengänge.<br />
· Falls man einfach keine Lust hat zu trinken,<br />
o<strong>der</strong> wenn Festes ganz einfach besser funktioniert,<br />
kann Flüssigkeit mit Gelatine eingedickt<br />
o<strong>der</strong> tiefgefroren werden und dann gegessen<br />
werden.<br />
· Flüssigkeiten abwechseln (Saft, Tee, Wasser,<br />
Kaffee, Bier, Bouillon etc.).<br />
· Wasser lässt sich bei Raumtemperatur mit ein<br />
wenig Zitrone/Limette o<strong>der</strong> sonstigem Fruchtsaft<br />
angereichert leichter trinken.<br />
Um die Verdauung zu unterstützen und Obstipation<br />
zu vermeiden, empfehlen wir auch den Einsatz von<br />
Kräutern und Gewürzen wie z.B. Kümmel und<br />
Kreuzkümmel, Zimt, Korian<strong>der</strong>, Minze, Kamille,<br />
Thymian, Lavendel etc. In Buchhandlungen finden<br />
Sie entspreche<br />
nde Fachliteratur.<br />
Tipps zur Verdauung bei ALS<br />
Betroffenen<br />
Die Ausprägung <strong>der</strong> ALS variiert stark und auch<br />
die Symptome unter denen Betroffene leiden.<br />
Nicht alle haben die gleichen Beschwerden und<br />
doch kann es kurzfristig dazu kommen, dass während<br />
einer gewissen Zeit Probleme auftreten. Wir<br />
sammeln Tipps und Erfahrungen von Betroffenen<br />
(auch aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n) beziehen Studienresultate<br />
mit ein und geben Nützliches aus <strong>der</strong> „Volksmedizin“<br />
weiter. Natürlich erheben wir keinen Anspruch<br />
auf Vollständigkeit. Wir freuen uns, wenn<br />
Sie Ihre Erfahrungen mit uns teilen. Nicht jede/r<br />
Betroffene spricht auf Maßnahmen in <strong>der</strong> gleichen<br />
Art an. Es muss individuell herausgefunden wer-<br />
68<br />
den, was am besten wirkt und nötigenfalls immer<br />
wie<strong>der</strong> sich verän<strong>der</strong>nden Gegebenheiten angepasst<br />
werden. Darum finden Sie unten eine Auswahl<br />
von unterschiedlichen Maßnahmen und Tipps<br />
zum Ausprobieren. Im Zweifelsfall fragen Sie<br />
ihren Arzt o<strong>der</strong> auch einen Apotheker.<br />
Pflanzliche/Mineralische Möglichkeiten (erhältlich<br />
in Drogerien):<br />
· Patiententipp: Flohsamen<br />
· San Pellegrino Pulver<br />
· Magnesium<br />
· Digestion Asaföetida Kapseln<br />
· Abführtee (Vorsicht: kann Krämpfe,<br />
Übelkeit verursachen)<br />
Medikamentöse Möglichkeiten:<br />
· Transipeg forte Sachets (1/2 – 2 S.<br />
pro Tag aufgelöst in Wasser)<br />
· Movicol Sachets (etw. stärker als Transipeg)<br />
· Laxoberon Tropfen<br />
· Als "Notfallreserve" Microclist Minieinläufe<br />
(erklären lassen)<br />
· ev. Colon-Hydrotherapie<br />
· Glycerinzäpfli sind meist zu schwach<br />
· eher schlechte Erfahrungen mit Importal<br />
(Blähungen, Übelkeit, Krämpfe)
Pflanze /Gewürz<br />
Pfefferminz<br />
Rosmarin<br />
Oregano<br />
Thymian<br />
Melisse<br />
Kamille<br />
Zwiebel<br />
Ingwer<br />
Kümmel<br />
(Carvonhaltig)<br />
Korian<strong>der</strong><br />
Kurkuma,<br />
(Gelbwurzpulver<br />
Turmeric)<br />
Wirkung<br />
· Appetitanregend.<br />
· Hilft bei Blähungen.<br />
· Vermin<strong>der</strong>t Völlegefühl.<br />
· Regt Appetit an.<br />
· Hilft Salz zu sparen.<br />
· Oregano regt zusätzlich Fettverbrennung<br />
an.<br />
· För<strong>der</strong>t Verdauungssaftbildung.<br />
· Regt Appetit an.<br />
· Schleimlösend<br />
· Hilft gegen Blähungen,<br />
Übelkeit.<br />
· Regt Leber/Gallefunktion an.<br />
· Wirkt krampflösend.<br />
· Sorgt für geregelte Darm -<br />
tätigkeit.<br />
· Lin<strong>der</strong>t Übelkeit<br />
· Verbessert Fliesseigenschaften<br />
des Blutes<br />
· Hilft bei Obstipation,<br />
Krämpfen, Blähungen<br />
· Soll Kälte entgegenwirken<br />
· Lin<strong>der</strong>t Völlegefühl, Blähungen,<br />
Koliken.<br />
· Hilft nach Durchfallerkrankung,<br />
schwerem Essen.<br />
· Bei „nervösen“ Magenbeschwerden<br />
.<br />
· Wirkt stimmungsaufhellend<br />
· Wirkt stark gegen Blähungen<br />
· Appetit anregend.<br />
· Aktiviert den Gallefluss<br />
· Soll Bronchialschleim lösen<br />
69<br />
Zubereitung<br />
· Tee: Aufgießen m. koch. Wasser, ziehen lassen<br />
2-5 Min.<br />
· Bei empf. Personen ev. Bauchkrämpfe mögl.,<br />
dann kürzere Ziehzeit.<br />
· <strong>Mit</strong>kochen.<br />
· Als aether. Öl<br />
· Tee: Aufgießen m. koch. Wasser, ziehen lassen<br />
2-5 Min.<br />
· Als aether. Öl<br />
· <strong>Mit</strong>kochen.<br />
· Tee: Aufgießen m. koch. Wasser, ziehen lassen<br />
2-5 Min.<br />
· Als aether. Öl<br />
· Tee: Aufgießen m. koch. Wasser, ziehen lassen<br />
2-5 Min.<br />
· <strong>Mit</strong>kochen.<br />
· 1 TL geriebener Ingwer mit 1-2 Tassen kochendem<br />
Wasser aufgießen, 5 Min. ziehen<br />
lassen und abseihen, über den Tag verteilt<br />
trinken (bei Erkältungen mit Honig gesüsst<br />
und ev. etwas Zimt dazu)<br />
· Als Öl den Speisen beimischen<br />
· Fleisch/Reisgerichten gerieben beimischen<br />
· Ingwerbonbons, Gingerbeer<br />
· Tee: 1 EL Kümmel mit 2-3 dl kochendem<br />
Wasser übergiessen und 20 Min. zugedeckt<br />
stehen lassen und lauwarm in kleinen Schlucken<br />
trinken (wirkt bereits nach 10 Min.)<br />
· <strong>Mit</strong>kochen<br />
· Vor o<strong>der</strong> nach den Mahlzeiten etwas Kümmel<br />
kauen (beseitigt auch Mundgeruch)<br />
· Kümmelöl den Speisen beigeben<br />
· Auch als Kraut verwendbar<br />
· <strong>Mit</strong>kochen, va. bei Eintöpfen,<br />
Hülsenfrüchten<br />
· V.a. für Eier, Reis, Hühnergerichte, Dressings,<br />
gegen Ende <strong>der</strong> Kochzeit beigeben<br />
(sonst bitter)
Pflanze /Gewürz<br />
Zimt<br />
Kardamom<br />
Nelken<br />
Anis<br />
Muskatnuss<br />
Wirkung<br />
· Appetit anregend<br />
· Verdauung för<strong>der</strong>nd (Fettverdauung)<br />
· Soll „Magen stärkend“<br />
wirken<br />
· Hilft beim Einschlafen<br />
· Senkt den Blutzuckerspiegel<br />
etwas<br />
· Lin<strong>der</strong>t Blähungen, Halsschmerzen,<br />
Husten<br />
· Verdauung för<strong>der</strong>nd<br />
· Appetit anregend<br />
· Krampflin<strong>der</strong>nd<br />
· Schleim lösend<br />
· Wirkt gegen Mundgeruch<br />
und Karies.<br />
· Wirkt positiv auf alle Verdauungsfunktionen.<br />
· Hilft bei Blähungen, Husten.<br />
· För<strong>der</strong>t Gallenfluss<br />
Was kann ich tun, um die<br />
Verdauung zu unterstützen?<br />
· Passive o<strong>der</strong> aktive Bewegung (z.B. mit dem Motomed<br />
passiv treten).<br />
· Wichtig: sich regelmässig an <strong>der</strong> frischen Luft<br />
aufhalten.<br />
· Gemüse und Früchte täglich konsumieren.<br />
· Hilfreich kann auch Apfelkompott morgens sein<br />
· Fruchtsaft morgens (wie z.B. Apfelsaft mit<br />
etwas Salz).<br />
· 1,5 bis 2 l pro Tag trinken.<br />
· Verdauungsunterstützende Tees o<strong>der</strong> Gewürze<br />
· Abends nur leichte Mahlzeiten: Reduktion von<br />
Brot o<strong>der</strong> Milchprodukten, keine Rohkost: gekochte<br />
Gemüse sind wesentlich leichter zu verdauen<br />
70<br />
Zubereitung<br />
· Bestreuen von Speisen mit Zimt(zucker).<br />
· <strong>Mit</strong>kochen.<br />
· Tee: 1 l Wasser mit 1 Zimtstange od. Zimtholz<br />
kurz aufkochen und nach 5 Min. entfernen.<br />
· Zimtöl beigeben.<br />
· Bei Magenbeschwerden:<br />
· 2 TL Kardamom, 2 TL zerst. Kümmel mit 1<br />
TL Anis und etwas Fenchelsamen mischen<br />
und davon 1-2 TL mit 1 Tasse kochendem<br />
Wasser übergiessen, 10 Min. ziehen lassen<br />
und abseihen und tgl. 2-4 mal trinken<br />
· <strong>Mit</strong>kochen.<br />
· Als Öl den Speisen beigeben.<br />
· Tee s. auch Kardamom, es kann auch zu<br />
gleichen Teilen mit Kümmel und Kardamom<br />
gemischt werden<br />
· Vorsichtig dosieren, Aroma verstärkt durch<br />
Anbraten.<br />
Tipp: Werden Gewürze nur leicht erhitzt, lösen sich die ätherischen Öle besser, das Aroma wird verstärkt,<br />
ebenfalls beim Mörsern (nicht zu heiss o<strong>der</strong> zu lange erhitzen – Bitterstoffe!)<br />
· Bei massiv eingeschränkter Beweglichkeit und<br />
zusätzlichen Atemproblemen half bei einigen Betroffenen<br />
eine Reduktion <strong>der</strong> tgl. Kalorienmenge<br />
und va. abends nur noch eine minimale Menge an<br />
Kalorien (z.B. waren bei einem Pat. nur noch tgl.<br />
1000 kcal ausreichend über Sondenkost und die<br />
frühere Gabe <strong>der</strong> letzten Mahlzeit gegen z.B.<br />
17.00 reduzierte eine regelmässig auftretende,<br />
starke abendliche Übelkeit).<br />
· Etwas Wein zum Essen nehmen<br />
· In ruhiger Atmosphäre essen, sich Zeit nehmen<br />
(unter Stress kann u.U. vermehrt Luft mitgeschluckt<br />
werden, die dann zu Blähungen und Unwohlsein<br />
führen kann).<br />
· Bei Schluckproblemen: sich während des Essens<br />
konzentrieren und nicht ablenken lassen.
WENN DER BISSEN IM HALS STECKEN<br />
BLEIBT UND DAS ESSEN NICHT MEHR<br />
SCHMECKT...<br />
Schluckprobleme und Schlucktherapie<br />
bei <strong>der</strong> ALS<br />
Cordula Winterholler, M.A., Lehrlogopädin für<br />
Dysphagie und Dysarthrophonie, Erlangen<br />
Essen und Trinken gehören zum alltäglichen<br />
Leben, sie dienen uns nicht nur zum Lebenserhalt,<br />
sie bereiten uns Freude und Genuss. Wir müssen<br />
uns keine Gedanken darum machen, wie das<br />
Schlucken funktioniert. Es geschieht so automatisch<br />
und selbstverständlich wie das Atmen o<strong>der</strong><br />
Sprechen. Umso schlimmer trifft es, wenn das<br />
Schlucken nicht mehr so einfach wie gewohnt<br />
funktioniert. Für den Betroffenen bedeutet das<br />
häufig eine Einschränkung <strong>der</strong> Lebensqualität,<br />
auch die Angehörigen fühlen sich hilf- und ratlos.<br />
Schluckprobleme ziehen nicht nur Folgen wie Lungenentzündung,<br />
Austrocknen o<strong>der</strong> Mangel-ernährung<br />
mit sich, sie führen auch zu psychischer Belastung.<br />
Schwierigkeiten beim Schlucken zeigen<br />
sich in manchen Fällen sehr auffällig. Der Betroffene<br />
hustet, ringt nach Luft und hustet solange, bis<br />
seine Atemwege wie<strong>der</strong> befreit sind. Diese Situation<br />
des Verschluckens kennt je<strong>der</strong> Mensch und<br />
wir alle wissen, dass das keine angenehme ist.<br />
Doch dies ist vielleicht schon die ”Spitze des Eisberges”,<br />
das auffälligste Zeichen, dass etwas nicht<br />
in Ordnung ist. Ist uns schon aufgefallen, dass ein<br />
Kind nicht gedeiht, ein Betroffener kontinuierlich<br />
an Gewicht verliert? Fällt uns auf, wenn bestimmte<br />
Nahrungsmittel gemieden werden, das Trinken zunehmend<br />
verweigert wird? Wie geht man damit um<br />
und was sind die Anzeichen einer möglichen<br />
Schluckstörung? In diesem ersten Teil des Beitrages<br />
geht es um das Thema „das richtige Schlucken”.<br />
Das physiologische Schlucken<br />
Mund und Rachenraum sind für unterschiedliche<br />
Funktionen verantwortlich: Atmen, Sprechen und<br />
Schlucken. In Sekundenschnelle kann von einer<br />
Funktion auf die an<strong>der</strong>e umgeschaltet werden. Im<br />
Wachzustand schlucken wir ungefähr 1 mal pro<br />
Minute. Bei Mahlzeiten ist die Häufigkeit des<br />
Schluckens abhängig von <strong>der</strong> Beschaffenheit und<br />
den individuellen Essgewohnheiten. Im Tiefschlaf<br />
lässt die Speichelproduktion nach und somit auch<br />
71<br />
die Schluckfrequenz. Der „normale” Schluckvorgang<br />
besteht aus einer Folge von exakt aufeinan<strong>der</strong><br />
abgestimmten Mechanismen, die bewirken, dass<br />
Speichel, Nahrung und Flüssigkeit vom Mund in<br />
den Magen beför<strong>der</strong>t werden. Dieser komplexe<br />
Vorgang wird über ca. 50 Muskelpaare und 6 Hirnnerven<br />
realisiert. Die physiologischen Mechanismen<br />
passen sich in fein abgestimmter Koordination<br />
dem jeweiligen Schluckgut an. So benötigen<br />
wir z.B. für das Essen eines Schweinebratens mehr<br />
Muskelkraft, Zeit zum Kauen als für das Trinken<br />
von Limonade. Bei Flüssigkeiten ist eine gute und<br />
schnelle Koordination <strong>der</strong> Muskeln im Mund- und<br />
Rachenbereich nötig, damit die Flüssigkeit in die<br />
”richtige” Röhre gelangt, nämlich in die Speiseröhre.<br />
Der Vorgang des Schluckens ist kein Einzelvorgang,<br />
son<strong>der</strong>n wird in 5 Phasen unterteilt.<br />
1. „Das Auge isst mit...“<br />
Die Nahrung muss zunächst erfasst werden, was<br />
uns über das Sehen und Riechen möglich ist. Im<br />
Idealfall läuft uns dabei schon das Wasser im<br />
Mund zusammen, die Speichelproduktion wird angeregt.<br />
Wir stellen uns innerlich auf das Essen ein<br />
und richten auch die äußeren Begebenheiten danach<br />
aus. Unsere Körperhaltung än<strong>der</strong>t sich, wir<br />
sind aufgerichtet, unsere Aufmerksamkeit gilt dem<br />
Essen. Wird die Hand zum Mund geführt, wird die<br />
Kieferöffnung schon vorbereitet - das Essen kann<br />
in den Mund kommen. In dieser Phase werden entscheidende<br />
Voreinstellungen getroffen, die den<br />
Schluckvorgang später positiv o<strong>der</strong> auch negativ<br />
beeinflussen.<br />
2. „Gut gekaut, ist halb verdaut”<br />
- die Kauphase<br />
In dieser Phase geht es um die Zerkleinerung <strong>der</strong><br />
Nahrung. Die Dauer dieser Phase ist individuell<br />
verschieden und abhängig von den persönlichen<br />
Essgewohnheiten und <strong>der</strong> Nahrungskonsistenz.<br />
Um die Nahrung im Mund zu behalten, sind die<br />
Lippen geschlossen. Die Zunge bewegt die Nahrung<br />
im Mundinnenraum, die Wangen besitzen abwechselnd<br />
eine gewisse Spannung, damit die Nahrung<br />
nicht ”abrutscht”. Die Nahrung wird zerkleinert<br />
und mit Speichel durchmischt. Das Gaumensegel<br />
ist gesenkt, damit die Nahrung nicht vorzeitig<br />
in den Rachenraum abgleitet. Am Ende dieser<br />
Phase wird <strong>der</strong> Speisebrei zu einem Bolus geformt<br />
und in <strong>der</strong> Zungenschüssel platziert.
3. „<strong>Mit</strong> vollem Munde spricht man nicht<br />
- die Transportphase<br />
Nun muss <strong>der</strong> Bolus Richtung Rachen beför<strong>der</strong>t<br />
werden. Hierzu legt sich die Zungenspitze hinter<br />
die oberen Schneidezähne und die Zunge transportiert<br />
mit Hilfe von Wellenbewegungen die Nahrung<br />
nach hinten. Die Phase dauert ca. eine Sekunde<br />
und endet mit <strong>der</strong> Schluckreflexauslösung. Noch<br />
könnten wir die Nahrung willentlich ausspucken,<br />
doch wenn die vor<strong>der</strong>en Gaumenbögen passiert<br />
wurden, setzt sich eine Reflexkette in Gang.<br />
4. „Nichts geht mehr…”<br />
- die Pharyngeale Phase (Rachenphase)<br />
Die Schluckreflexauslösung leitet diese Phase ein.<br />
Der Bolus kommt in den Rachenraum. Nun muss<br />
<strong>der</strong> Nasenraum verschlossen werden, dazu hebt<br />
sich das Gaumensegel. Wir können jetzt nichts<br />
mehr willentlich steuern. Wichtig in dieser Phase<br />
ist, die Atemwege zu schützen. Deshalb stoppt die<br />
Atmung kurz und schützt so die Atemwege vor<br />
Eindringen <strong>der</strong> Nahrung. Dazu senkt sich <strong>der</strong><br />
Kehldeckel, die Stimmlippen sind geschlossen und<br />
noch an<strong>der</strong>e Hilfsmuskeln verschließen die Atemwege.<br />
Nun ist auch Platz für die Nahrung, damit<br />
sie den Weg in die Speiseröhre findet. Diese Phase<br />
dauert weniger als eine Sekunde.<br />
5. „Hoffentlich stößt nichts sauer auf” – die<br />
Ösophageale Phase (Speiseröhrenphase)<br />
Der Bolus trifft in <strong>der</strong> Speiseröhre ein. <strong>Mit</strong> Hilfe<br />
einer peristaltischen Kontraktionswelle wird die<br />
Nahrung durch die Speiseröhre zum Magen beför<strong>der</strong>t<br />
Dieser primären Welle folgt eine Reinigungswelle,<br />
die die zurückgebliebenen Nahrungsreste<br />
abtransportiert. Diese Phase dauert 8 bis 20 Sekunden.<br />
Ursachen von Schluckstörungen<br />
Schluckstörungen kommen bei einer Vielzahl von<br />
Erkrankungen vor, entwe<strong>der</strong> als isolierte Symptomatik<br />
o<strong>der</strong> kombiniert mit an<strong>der</strong>en Funktionsbeeinträchtigungen.<br />
Schluckstörungen können akut<br />
auftreten o<strong>der</strong> sich schleichend entwickeln. Die<br />
Hauptursachen sind:<br />
a) neurogene Schluckstörungen im Rahmen von<br />
z.B. Schädelhirntraumata, Schlaganfall, Morbus<br />
Parkinson, Amyotrophe Lateralsklerose, Chorea<br />
Huntington, Multiple Sklerose, Myasthenia<br />
gravis, Polymyositis, mitochondriale Myopathien,<br />
okulopharyngeale Muskeldysthrophie,<br />
Lambert-Eaton-Syndrom, Dystrophia myotonica<br />
72<br />
Curschmann-Steinert-Batten, spinobulbäre Muskelatrophie<br />
Typ Kennedy und an<strong>der</strong>e.<br />
b) Strukturelle Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> ausführenden<br />
Endorgane und benachbarter Bereiche, z.B.<br />
nach chirurgischer, radiologischer o<strong>der</strong> chemotherapeutischer<br />
Tumorbehandlung.<br />
c) medikamentöse Ursachen, z.B. Nebenwirkungen<br />
von Psychopharmaka.<br />
Erste Anzeichen von<br />
Schluckstörungen<br />
Das heftige und häufige Verschlucken ist mit Sicherheit<br />
das auffälligste Anzeichen, dass das<br />
Schlucken Probleme bereitet. Solange <strong>der</strong> Hustenstoß<br />
kräftig ist und das verschluckte Nahrungsgut<br />
hoch gehustet werden kann, ist dies keine gefährliche<br />
Situation, aber eine unangenehme. Lässt die<br />
Hustenkraft allerdings nach, wird es zunehmend<br />
schwieriger, die Atemwege „sauber” zu halten.<br />
Schwierigkeiten zeigen sich aber auch schon, wenn<br />
die Nahrung nicht mehr ausreichend zerkleinert<br />
werden kann o<strong>der</strong> die Kaukraft für eine ganze<br />
Mahlzeit nicht ausreicht. Auch Probleme, die Nahrung<br />
aus dem Mund in den Rachen zu beför<strong>der</strong>n,<br />
können das Essen und Trinken sehr erschweren.<br />
Kommt Nahrung o<strong>der</strong> Flüssigkeit aus <strong>der</strong> Nase, so<br />
ist auch hier Vorsicht geboten.<br />
Ein „Kloß”- o<strong>der</strong> Fremdkörpergefühl im Halsbereich<br />
zeigt an, dass die Nahrung noch nicht vollständig<br />
abgeschluckt wurde. Klingt die Stimme<br />
nach dem Schlucken belegt o<strong>der</strong> brodelig, so kann<br />
das bedeuten, dass Schluckgut auf den Stimmlippen<br />
liegt. Auch dies Anzeichen für einen falschen<br />
Weg <strong>der</strong> Nahrung. Kommt die Nahrung unverdaut<br />
wie<strong>der</strong> zurück und muss hochgewürgt werden, ist<br />
sie vor dem Eintritt in die Speiseröhre gestoppt<br />
worden. Ein saurer Rückfluss <strong>der</strong> Nahrung, <strong>der</strong> sogenannte<br />
Reflux, zeigt, dass die Speiseröhre nicht<br />
richtig funktioniert. All diese unterschiedlichen<br />
Arten von Schluckproblemen können, gerade wenn<br />
sie gehäuft auftreten, Anzeichen einer ernstzunehmenden<br />
Schluckstörung sein. Eine umfassende Diagnostik<br />
sollte dann schnellstmöglich in die Wege<br />
geleitet werden.
Schluckprobleme bei <strong>der</strong> ALS<br />
· Wenn die Kaumuskulatur an Kraft nachlässt, passiert<br />
es, dass <strong>der</strong> Mund häufig offen steht.<br />
Manchmal läuft dann <strong>der</strong> Speichel aus dem<br />
Mund, was nicht auf eine plötzliche Überproduktion<br />
deutet. Dies ist eher ein Anzeichen dafür,<br />
dass die Kraft zum Speichelschlucken nicht ausreicht.<br />
· Auch kann es zur Ermüdung und Erschöpfung<br />
<strong>der</strong> Kaumuskulatur bei größeren Mahlzeiten<br />
kommen. Gerade wenn es sich um Fleisch, härteres<br />
Brot o<strong>der</strong> ähnliches handelt.<br />
· Auch das Trinken kann Schwierigkeiten machen,<br />
da Flüssigkeiten sehr schnell fließen und eine optimale<br />
Muskelkraft und Koordination benötigen.<br />
· Ist die Zunge in ihrer Kraft beeinträchtigt, ist es<br />
schwierig, die Mahlzeit im Mund hin- und herzuschieben,<br />
sie zu sammeln und mit <strong>der</strong> nötigen<br />
Kraft nach hinten Richtung Rachen zu bringen.<br />
· In manchen Fällen kommt es auch zu Kieferöffnungsstörungen.<br />
· Auch Krämpfe im Rachen- und Kehlkopfbereich<br />
können beobachtet werden.<br />
· Das Schlucken wird auch beeinflusst, wenn <strong>der</strong><br />
Kopf nicht gut gehalten werden kann. Dies erschwert<br />
ein gutes Abbeißen, Kauen und Abschlucken.<br />
· Wenn <strong>der</strong> Hustenstoß mit <strong>der</strong> Zeit nachlässt, ist<br />
ein Verschlucken problematisch. Denn dann<br />
reicht die Kraft häufig nicht aus, die Atemwege<br />
wie<strong>der</strong> zu säubern.<br />
· Wichtig ist, diese Problematik gut im Auge zu behalten.<br />
Durch eine Mangelernährung o<strong>der</strong> durch<br />
ein mögliches Austrocknen fühlt sich <strong>der</strong> Betroffene<br />
häufig noch sehr viel schwächer als es durch<br />
die Grun<strong>der</strong>krankung sein müsste.<br />
Erste Anzeichen einer<br />
beginnenden Schluckstörung<br />
Die ersten Anzeichen einer beginnenden Schluckproblematik<br />
sind ganz unterschiedlich:<br />
73<br />
· Gewichtsverlust:<br />
meistens gekoppelt mit einer großen Anstrengung<br />
beim Essen; auch im Zusammenhang mit einer<br />
Angst vor dem Verschlucken, weil das Abhusten<br />
nicht gelingt und die Atemnot sehr bedrohlich ist<br />
· Mahlzeit dauert lange und ist mühsam:<br />
die Zunge verliert langsam an Kraft und kann das<br />
Essen im Mund nicht mehr gut hin und her transportieren;<br />
die Kaumuskulatur ermüdet.<br />
· Essen, Trinken kommt durch die Nase:<br />
Das Gaumensegel schließt nicht mehr richtig, ist<br />
kraftlos.<br />
· Das Essen „geht nicht mehr aus dem Mund“,<br />
bleibt in den Wangentaschen hängen:<br />
die Zunge schafft den Transport nicht mehr, auch<br />
die Wangenmuskulatur ermüdet.<br />
· Die Stimme klingt belegt o<strong>der</strong> brodelig:<br />
Speichel, Essen o<strong>der</strong> Flüssigkeit liegen auf den<br />
Stimmlippen, da <strong>der</strong> muskuläre Ablauf gestört ist<br />
und die entsprechenden Schutzmechanismen<br />
nicht o<strong>der</strong> zu spät einsetzen.<br />
Wenn sich solche Anzeichen bemerkbar machen,<br />
sollte dies mit dem behandelnden Arzt besprochen<br />
werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine<br />
Schluckstörung zu diagnostizieren. Welche Möglichkeit<br />
speziell für Sie in Frage kommt, entscheidet<br />
<strong>der</strong> Arzt je nach Fragestellung.<br />
Die endoskopische Untersuchung<br />
Die Untersuchung wird meistens von einem Phoniater<br />
durchgeführt. Hierbei wird ein kleines<br />
Schläuchlein durch ein Nasenloch bis in den Rachen-/Halsraum<br />
geführt.<br />
Am Ende des Schlauches befindet sich eine kleine<br />
Kamera, mit <strong>der</strong> man gut alle wichtigen anatomischen<br />
Strukturen einsehen kann. Der Betroffene<br />
bekommt nun mit Lebensmittelfarbe angefärbtes<br />
Wasser zu trinken. Anhand <strong>der</strong> Kamera kann <strong>der</strong><br />
Weg <strong>der</strong> Flüssigkeit verfolgt werden und man kann<br />
erkennen, an welcher Stelle es zu Schwierigkeiten<br />
kommt. Danach erfolgt eine Schluckkontrolle mit<br />
Götterspeise, anschließend eventuell noch mit<br />
Keks.<br />
Diese Untersuchung ist nicht schmerzhaft, vielleicht<br />
drückt zu Beginn <strong>der</strong> Schlauch ein bisschen<br />
und macht ein ungewohntes Gefühl. Die endoskopische<br />
Untersuchung zeigt sehr gut, wo die Pro-
leme beim Schlucken liegen, sie gibt auch die<br />
Möglichkeit, die Nahrung sicher für den Betroffenen<br />
einzustellen und/o<strong>der</strong> Therapieziele für eine<br />
Schlucktherapie zu formulieren.<br />
Die radiologische Untersuchung<br />
Diese Untersuchung wird von einem Radiologen<br />
durchgeführt. Der Betroffene bekommt Flüssigkeit,<br />
Brei o<strong>der</strong> festere Kost zu trinken/zu essen, die<br />
mit Kontrastmittel angereichert sind. Während des<br />
Trinkens/Essens wird dann ein Röntgenfilm gemacht.<br />
Auf diesem Film sieht man den ganzen<br />
Schluckablauf sehr deutlich, auch lässt sich gut abschätzen,<br />
wie viel von dem Trinken/Essen in die<br />
Lunge kommt. Auch hier lässt sich anhand <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong><br />
eine Schlucktherapie planen, die Kost einstellen<br />
o<strong>der</strong> die Entscheidung für das Legen einer PEG<br />
diskutieren.<br />
Die logopädische Schluckuntersuchung<br />
Die Logopädin verschafft sich erst einmal ein Bild<br />
<strong>der</strong> einzelnen Funktionen im Kopf/Hals/Gesichtsund<br />
Mundbereich. Außerdem wird gezielt nach<br />
den Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Nahrungsaufnahme,<br />
des Speichelschluckens gefragt. Im anschließenden<br />
Schluckscreening wird mit Flüssigkeit und Götterspeise<br />
überprüft, wie <strong>der</strong> Kehlkopf sich hebt, die<br />
Stimme danach klingt, <strong>der</strong> Mundinnenraum gesäubert<br />
ist. Auch hier ist das Ziel, den Betroffenen<br />
adäquat zu unterstützen.<br />
Mögliche Therapieinhalte einer<br />
Schlucktherapie<br />
Die Therapieinhalte sind individuell verschieden<br />
und bedürfen einer exakten Anpassung am jeweiligen<br />
<strong>Krankheit</strong>sstadium. Dadurch än<strong>der</strong>n sich die<br />
Therapieziele mit <strong>der</strong> Progredienz <strong>der</strong> Erkrankung.<br />
74<br />
Es gibt 5 Säulen <strong>der</strong> Schlucktherapie:<br />
1. Die Kosteinstellung:<br />
Anhand <strong>der</strong> Untersuchungsergebnisse wird gemeinsam<br />
mit dem Betroffenen beraten, welche<br />
Nahrungsmittel geeignet sind. Auch wird geschaut,<br />
ob die Flüssigkeitsbilanz noch stimmt<br />
und ob die Flüssigkeit mit einem speziellen Andickungsmittel<br />
versetzt werden soll (z.B. Thick<br />
and easy von Fresenius, o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e von Nestlé,<br />
Novartis, etc.). Vielleicht können spezielle Hilfsmittel<br />
das Essen und Trinken noch unterstützen.<br />
2. Die Übungen:<br />
Übungen in <strong>der</strong> Schlucktherapie dürfen nie ermüden,<br />
sie sollen das Schlucken erleichtern.<br />
Kraftübungen haben in <strong>der</strong> Therapie mit ALS<br />
Patienten nichts zu suchen. Wenn Sie nach einer<br />
Schlucktherapie erschöpft sind, so besprechen<br />
Sie das mit Ihrem Therapeuten.<br />
3. Haltungsän<strong>der</strong>ungen:<br />
Manchmal kann eine kleine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Kopfhaltung,<br />
eine aufrechte Schrägstellung im Liegen<br />
das Schlucken erleichtern. Häufig finden<br />
Sie das als Betroffener selber heraus, wann und<br />
wie Ihnen das Essen und Trinken besser gelingt.<br />
Für den Therapeuten sind das wichtige Informationen,<br />
um die Therapie noch effektiver zu gestalten.<br />
4. Atmung:<br />
Dies ist schon in <strong>der</strong> Physiotherapie ein wichtiger<br />
Schwerpunkt, <strong>der</strong> sich aber in <strong>der</strong> Schlucktherapie<br />
wie<strong>der</strong> findet und im idealen Fall auch<br />
ergänzt. Es ist sehr wichtig an <strong>der</strong> Atmung zu arbeiten,<br />
um den Hustenstoß noch so lange wie<br />
möglich kräftig zu halten.<br />
5. Angehörigenarbeit:<br />
Essen und Trinken findet in <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
statt. Deshalb ist die Beratung <strong>der</strong> Angehörigen<br />
gerade was die Speisezubereitung, die geeignete<br />
Koststufe, etc. sehr wichtig.<br />
Tipps für den Alltag<br />
z.B. Der Nasenkerbenbecher<br />
Der Nasenkerbenbecher hat einen Ausschnitt,<br />
damit die Nase hereinpasst. Das hat zum Vorteil,<br />
dass <strong>der</strong> Kopf beim Trinken unten bleiben kann<br />
und man schluckweise abtrinken kann.<br />
Ein Glas mit einem großen Durchmesser hat einen<br />
ähnlichen Effekt.
z.B. Das Andicken von Flüssigkeit<br />
Viele Betroffene lehnen das Andicken von Flüssigkeiten<br />
ab. Sie möchten trinken und nicht so ein<br />
„zähes Etwas“ zu sich nehmen. Um die Flüssigkeitsbilanz<br />
zu sichern und wenn die breiige Kost<br />
noch gut zu schlucken geht, kann man sich seine<br />
Lieblingssäfte so dick wie einen Kompott andicken.<br />
Den kann man löffeln, er zählt aber trotzdem<br />
zur Flüssigkeitsbilanz<br />
75<br />
z.B. Wärmeteller<br />
Wenn die Mahlzeiten länger dauern, kühlt das<br />
Essen aus. Damit wird es häufig auch unansehnlich<br />
und es schmeckt auch nicht mehr so gut. Ein<br />
Wärmeteller hält die Mahlzeit bis zum Ende gut<br />
warm.<br />
z.B. Das Auge isst mit – auch pürierte Kost<br />
kann gut aussehen<br />
Wenn das Essen nur noch aus Breiklecksen besteht,<br />
mag man gar nicht mehr gerne essen. Auch<br />
hier ist es wichtig, die Beilagen getrennt auf den<br />
Teller zu tun. Auch ist es wichtig, püriertes Essen<br />
etwas anzudicken, so verhin<strong>der</strong>t man, dass Flüssigkeit<br />
austritt, die ja eventuell auch wie<strong>der</strong> gefährlich<br />
sein kann. Auch gibt es Förmchen, die man mit pürierter<br />
Kost füllen kann, sodass man auf dem Teller<br />
wie<strong>der</strong> erkennt, was das Fleisch, Gemüse, etc. sein<br />
soll.
ERNÄHRUNG ÜBER EINE PEG-SONDE<br />
Professor Dr. med. Axel Riecker , Ulm<br />
Einführung<br />
Der Ernährung wird bei <strong>der</strong> ALS nicht nur beim<br />
Auftreten von Schluckstörungen und daraus resultierenden<br />
Ernährungsstörungen eine wichtige<br />
Rolle zugesprochen. Die Aufrechterhaltung einer<br />
physiologischen Ernährung ist eng mit <strong>der</strong> Lebensqualität<br />
verknüpft. Es ist bekannt, dass bis zu 15 %<br />
<strong>der</strong> ALS-Patienten bereits vor dem Auftreten neuromuskulärer<br />
Symptome, o<strong>der</strong> – trotz fehlen<strong>der</strong><br />
bulbärer Beteiligung auch während des <strong>Krankheit</strong>sverlaufes<br />
– einen signifikanten Gewichtsverlust<br />
erleiden. Einem deutlichen Gewichtsverlust,<br />
welcher als unabhängiger krankheitsmodifizieren<strong>der</strong><br />
und prognostisch ungünstiger Faktor gilt, sollte<br />
so früh wie möglich begegnet werden. Eine beson<strong>der</strong>e<br />
Diät ist nicht erfor<strong>der</strong>lich, jedoch sollte auf<br />
eine regelmäßige kalorien- und nährstoffreiche und<br />
ausgewogene Ernährung geachtet werden. Im Verlauf<br />
<strong>der</strong> ALS setzt bei 75% <strong>der</strong> Patienten eine<br />
Schluckstörung (Dysphagie) ein. Diese birgt neben<br />
einer Aspirationsgefahr auch eine fortschreitende<br />
Mangelernährung. Aspiration bedeutet, dass Speichel,<br />
Magensaft o<strong>der</strong> Nahrung in die Luftröhre gelangen<br />
und zu einer Lungenentzündung führen<br />
können. Die Möglichkeiten <strong>der</strong> oralen Ernährung<br />
sollten bei Verdacht auf eine Schluckstörung durch<br />
eine klinische und gegebenenfalls auch durch eine<br />
zusätzliche, apparative Schluckuntersuchung (fiberendoskopische<br />
o<strong>der</strong> videofluroskopische Schluckuntersuchung)<br />
geprüft werden. Hierbei kann man<br />
entscheiden ob eine Kostanpassung (z.B. Einsatz<br />
von pürierter Kost, Andicken von Flüssigkeiten,<br />
etc.) und/o<strong>der</strong> verschiedene Schlucktechniken bzw.<br />
Haltungsän<strong>der</strong>ungen ausreichen, o<strong>der</strong> wie im Verlauf<br />
<strong>der</strong> Erkrankung häufig eine enterale Ernährung<br />
über Ernährungssonden notwendig ist. Am<br />
Anfang <strong>der</strong> Erkrankung sind diätetische Maßnahmen,<br />
wie Än<strong>der</strong>ung von Nahrungs- und Flüssigkeitskonsistenz<br />
und das Vermitteln von Schlucktechniken<br />
und Haltungsän<strong>der</strong>ungen (Logopädie)<br />
häufig sehr hilfreich für eine ausreichende orale<br />
Ernährung. Die Entscheidung zur Empfehlung<br />
einer Anlage einer Ernährungssonden sollte möglichst<br />
gemeinsam im Team (Patient - Angehörige /<br />
Pflegende – Logopäde – Arzt), unter ärztlicher Verantwortung<br />
entschieden und auch getragen werden,<br />
wenn vorab alle Therapieoptionen ausgeschöpft<br />
sind.<br />
76<br />
Enterale Ernährung<br />
Enteral bedeutet, dass die Ernährung direkt über<br />
den Magen-Darm-Trakt erfolgt. Das erfor<strong>der</strong>t den<br />
Einsatz von so genannten Ernährungssonden, über<br />
die Flüssigkeiten bzw. flüssige o<strong>der</strong> dünnbreiige<br />
Nahrung und auch Medikamente verabreicht werden<br />
können. Die verfügbare Palette von nährstoffdefinierten<br />
Diäten- und Sondenkostformen bietet<br />
zusammen mit den einfach anzuwendenden gewebefreundlichen<br />
Ernährungssondensystemen vielfältige<br />
Möglichkeiten für eine praktikable, patientenorientierte<br />
und komplikationsarme enterale Ernährung.<br />
Ernährungssonden<br />
Verschiedene Ernährungssonden stehen zur Verfügung.<br />
Kurzfristig, d.h. maximal über 14 Tage kann<br />
die Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr über eine nasogastrale<br />
Sonde erfolgen. Abhängig von <strong>der</strong><br />
Dauer <strong>der</strong> Anwendung bestehen jedoch eine erhöhte<br />
Aspirationsgefahr und die Gefahr <strong>der</strong> Ausbildung<br />
von Druckstellen im Bereich <strong>der</strong> Nase, des<br />
Rachens, <strong>der</strong> Speiseröhre und des Magens sowie<br />
<strong>der</strong> Fehlplatzierung <strong>der</strong> Sonde. Zudem wird die<br />
von Logopäden durchgeführte Schlucktherapie<br />
durch eine liegende nasogastrale Sonde erschwert.<br />
Wegen ihrer technisch einfachen und sicheren Anlagemöglichkeit<br />
und <strong>der</strong> hohen Akzeptanz durch<br />
die Patienten hat die Anlage einer PEG- o<strong>der</strong> auch<br />
PEJ-Sonde (Bild 1a und b) weltweit schnell eine<br />
starke Verbreitung erfahren und ist mittlerweile die<br />
Methode <strong>der</strong> Wahl für die mittel- und langfristige<br />
enterale Ernährung von Patienten, die wegen einer<br />
Schluckstörung nicht mehr ausreichend Nahrung<br />
zu sich nehmen können. Die perkutane endoskopische<br />
Gastrostomie (PEG) ist die Anlage einer Ernährungssonde<br />
mit Hilfe eines Endoskops durch<br />
die Bauchwand in den Magen, die perkutane endoskopische<br />
Jejunostomie (PEJ) in den oberen Abschnitt<br />
des Dünndarms. Der Begriff "perkutan" leitet<br />
sich aus dem Lateinischen ab und kann mit<br />
„durch die Haut hindurch“ übersetzt werden. Entgegen<br />
landläufiger Meinungen kann auch bei bestehen<strong>der</strong><br />
PEG- bzw. PEJ-Sonde eine zusätzliche<br />
orale Nahrungsaufnahme – in Abhängigkeit von<br />
<strong>der</strong> Schluckstörung - erfolgen. Die Vorteile einer<br />
PEG liegen darin, dass eine Ernährung sowohl<br />
über die Schwerkraft als Bolusgabe als auch über<br />
eine Pumpe möglich ist. Nachteilig wirkt sich das<br />
Risiko einer Aspiration aus, das durch eine 30<br />
Grad Hochlagerung des Oberkörpers während <strong>der</strong><br />
Ernährung minimiert werden kann. Die Benutzung<br />
<strong>der</strong> PEG kann erst 24 Stunden nach Anlage <strong>der</strong>
Sonde erfolgen. Die PEJ ermöglicht eine Ernährung<br />
ausschließlich unter <strong>der</strong> Verwendung einer<br />
Pumpe (max. 200 ml/h) unter Vernachlässigung<br />
einer Aspirationsgefahr. Eine Nahrungskarenz<br />
nach Anlage <strong>der</strong> Sonde ist nicht nötig.<br />
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es<br />
weitere Sondenarten gibt, die für ALS-Patienten jedoch<br />
nur eine untergeordnete Rolle darstellen und<br />
auf die deshalb hier nicht eingegangen werden soll.<br />
Abb. 1a) PEG Abb. 1b) PEJ<br />
Möglichkeiten <strong>der</strong> Sondenanlage<br />
Die PEG- / PEJ-Anlage kann durch verschiedene<br />
Techniken erfolgen. Zum einen mittels <strong>der</strong> Fadendurchzugs-Technik<br />
(PULL – Methode), mittels<br />
Seldinger-Technik (PUSH-Methode) und durch<br />
eine Direktpunktion. Letztere wird wegen erhöhter<br />
Komplikationsraten (Wundheilungsstörungen, Aszites,<br />
drohende Blutungen) selten verwendet. Die<br />
Fadendurchzugmethode hat sich als technisch einfache<br />
und sichere Methode in <strong>der</strong> klinischen Praxis<br />
durchgesetzt.<br />
Ablauf <strong>der</strong> Ernährungssonden -<br />
anlage<br />
Es steht eine Vielzahl von PEG-Anlagetechniken<br />
und PEG-Sondensystemen kommerziell zur Verfügung,<br />
die mit einer technischen Erfolgsrate von<br />
über 99% bei einer methodenbedingten Letalität<br />
von nahezu 0% in <strong>der</strong> Hand des erfahrenen Arztes<br />
angelegt werden können. Die Sondenanlage wird<br />
auf endoskopischem Weg (Ösophago-Gastro-Duodenoskopie)<br />
- ohne Operation - im Rahmen einer<br />
Magenspiegelung durchgeführt (Bild 2). Die Prozedur<br />
dauert durchschnittlich 15 Minuten. Gewöhnlich<br />
ist für diese Maßnahme keine Vollnarkose<br />
notwendig. Eine leichte medikamentöse Beruhigung<br />
wird jedoch empfohlen. Nach Einführen<br />
des Gerätes für die Magenspiegelung (Endoskop)<br />
über den Mund, die Speiseröhre und den Magen<br />
wird dieser durch Einblasen von Luft entfaltet. Ist<br />
das Licht des Endoskops dann von außen auf <strong>der</strong><br />
Bauchhaut zu sehen, wird an dieser Stelle eine ört-<br />
77<br />
liche Betäubung mit einem Lokalanästhetikum, die<br />
das Schmerz- und Berührungsempfinden für eine<br />
gewisse Zeit ausschaltet, durchgeführt. Anschließend<br />
wird über eine etwas dickere Nadel ein langer<br />
Faden in den Magen vorgeschoben. Dieser Faden<br />
wird mit einer kleinen Zange gefasst und durch<br />
Zurückziehen des Endoskops aus dem Mund herausgeführt.<br />
An das Fadenende wird nun die Ernährungssonde<br />
befestigt und durch Zug am an<strong>der</strong>en<br />
Fadenende über Mund, Speiseröhre und Magen<br />
durch die Bauchdecke herausgezogen. Eine kleine<br />
Rückhaltescheibe am inneren Ende im Magen<br />
sowie eine Gegenplatte auf <strong>der</strong> Bauchhaut verhin<strong>der</strong>n<br />
das Herausrutschen <strong>der</strong> Ernährungssonde.<br />
Die enterale Ernährung kann in <strong>der</strong> Regel einen<br />
Tag, nachdem die Ernährungssonde angelegt<br />
wurde, beginnen.<br />
Bei entsprechen<strong>der</strong> Pflege kann die Sonde über<br />
viele Jahre komplikationslos benutzt werden. Ist<br />
sie nicht mehr nötig bzw. wird <strong>der</strong> Wunsch nach<br />
Entfernung geäußert, kann sie wie<strong>der</strong> herausgezogen<br />
werden. Der Stichkanal wächst dann von alleine<br />
wie<strong>der</strong> zu.<br />
Abb. 2) Anlegen <strong>der</strong> Sonde<br />
Mögliche Komplikationen<br />
Je<strong>der</strong> Eingriff und jede Untersuchungsmethode<br />
bringt die Gefahr von Komplikationen mit sich.<br />
Das ist bei endoskopischen Untersuchungen sehr<br />
selten jedoch nicht völlig ausgeschlossen. Das<br />
Komplikationsrisiko dieser weltweit als Standardverfahren<br />
durchgeführten Endoskopie ist als sehr<br />
niedrig einzustufen.<br />
Neben Überempfindlichkeitsreaktionen auf das<br />
Beruhigungsmittel o<strong>der</strong> Herz- Kreislauf-Reaktionen<br />
können Verletzungen <strong>der</strong> Wand <strong>der</strong> Speiseröhre,<br />
des Magens, des Kehlkopfes und <strong>der</strong> Luftröhre<br />
durch das Endoskop auftreten. Ebenso kann
es nach Anlage <strong>der</strong> Ernährungssonde zu einer Entzündung<br />
im Bereich <strong>der</strong> Einstichstelle bzw. auch<br />
des Bauchfells kommen. Sollte dies auftreten, kann<br />
ein stationärer Aufenthalt, eine erneute endoskopische<br />
Untersuchung o<strong>der</strong> auch eine Operation erfor<strong>der</strong>lich<br />
werden. Durch eine Verkettung unglücklicher<br />
Umstände kann sich hieraus auch einmal eine<br />
<strong>leben</strong>sgefährliche Situation ergeben.<br />
Untersuchungen an ALS-Patienten haben gezeigt,<br />
das je nach Untersuchungsart Platzierungsprobleme<br />
zwischen 1-45%, Laryngospasmen bei<br />
7.2%, Lokalinfekte bei 6.6%, Bauchfellentzündungen<br />
bei 3.6%, Magenblutungen bei 1%, Aspirationspneumonien,<br />
Ateminsuffizienz und Atemstillstand<br />
(Atelektasen bei Luftinsufflation und Diaphragmaparese)<br />
mit konsekutivem Ab<strong>leben</strong> <strong>der</strong> Patienten<br />
bei 3.6% <strong>der</strong> beobachteten Patienten auftreten<br />
können.<br />
Indikationen<br />
Generell ist eine enterale Ernährung über eine<br />
PEG/PEJ-Sonde bei Patienten, denen eine quantitativ<br />
o<strong>der</strong> qualitativ ausreichende Nahrungsaufnahme<br />
nicht mehr möglich ist, zu erwägen. Primäres<br />
Ziel einer enteralen Sondenernährung ist die<br />
Vermeidung des weiteren Gewichtsverlustes mit<br />
konsekutiver Reduktion <strong>der</strong> Lebensqualität <strong>der</strong> Patienten.<br />
Unter dieser Zielsetzung ergibt sich über<br />
verschiedene Fachgebiete ein breites Indikationsspektrum<br />
für die Anlage einer PEG/PEJ-Sonde:<br />
· Krebs-Erkrankungen: einengende Geschwüre im<br />
Hals- und Nasenbereich, in <strong>der</strong> Speiseröhre, Bestrahlung<br />
/ Chemotherapie mit zu erwartendem<br />
Gewichtsverlust, Kachexie, etc.<br />
· Neurologische Erkrankungen (potenziell reversible<br />
und irreversible Schluckstörungen): Schlaganfall,<br />
Schädel-Hirnverletzungen, Hirntumoren,<br />
neurodegenerative Erkrankungen (z.B. die ALS),<br />
atypische Parkinsonsyndrome und Muskelerkrankungen<br />
mit Beteiligung <strong>der</strong> Schlundmuskulatur<br />
Kontraindikationen<br />
Zu den absoluten Kontraindikationen, bei denen<br />
eine endoskopische Anlage einer Ernährungssonde<br />
nicht möglich ist, gehören:<br />
· Schwere Blutgerinnungsstörungen<br />
· Verletzungen innerer Organe beim Durchstechen<br />
<strong>der</strong> Bauchhaut<br />
78<br />
· Krebsgeschwüre im Bauchfell<br />
(Peritonealkarzinose)<br />
· Bauchfellentzündung (Peritonitis)<br />
· nicht behandelte, ausgeprägte Wasseransammlung<br />
im Bauchraum (Aszites)<br />
Bestehen Folgeerscheinungen früherer Bauchoperationen<br />
(Teilentfernungen des Magens, Verwachsungen)<br />
o<strong>der</strong> eine ausgeprägte Dickleibigkeit sollte<br />
erwogen werden, die Ernährungssonde durch eine<br />
Bauchoperation legen zu lassen. Eine relative<br />
Kontraindikation besteht bei dem Vorliegen eines<br />
Morbus Crohn (Fisteln), von Speiseröhrenverengungen<br />
o<strong>der</strong> –varizen und bei einer Immunsuppression.<br />
Sondenpflege<br />
Nach <strong>der</strong> Anlage einer Ernährungssonde sollte vorsichtig<br />
nach einem zuvor individuell erstellten Ernährungsplan<br />
und nach Schulung des Patienten<br />
und seiner Angehörigen ein Kostaufbau erfolgen.<br />
Die Sonde sollte regelmäßig auf ihre Festigkeit und<br />
bezüglich Entzündungen an <strong>der</strong> Einstichstelle<br />
überprüft werden. Wichtig ist, dass insbeson<strong>der</strong>e<br />
die verschriebenen Medikamente auf ihre Sondengängigkeit<br />
überprüft werden (Rilutek® ist sondengängig).<br />
Verklebungen <strong>der</strong> Sonden sollten vermieden<br />
werden, da sonst eine erneute Endoskopie notwendig<br />
wird.<br />
Wann ist <strong>der</strong> richtige Zeitpunkt<br />
<strong>der</strong> Sondenanlage?<br />
Durch eine Ernährungssonde werden die Ernährungslage,<br />
konsekutiv somit auch die Lebensqualität<br />
und höchstwahrscheinlich auch die Lebensdauer<br />
positiv beeinflusst. Problematisch für die<br />
ALS ist, dass die Sondenanlage eine milde Sedierung<br />
erfor<strong>der</strong>t. Für Patienten im fortgeschrittenen<br />
Stadium <strong>der</strong> Erkrankung mit o<strong>der</strong> ohne respiratorische<br />
Beeinträchtigung ist die Prozedur vergleichsweise<br />
risikobehaftet. Der Zeitpunkt <strong>der</strong> Ernährungssonden-Anlage<br />
wird hauptsächlich von den<br />
Symptomen (Schluckstörungen), dem Ernährungszustand<br />
und <strong>der</strong> Atemfunktion bestimmt. Um die<br />
Risiken zu minimieren wird empfohlen die Ernährungssonden-Anlage<br />
durchzuführen, bevor die Vitalkapazität<br />
unter 50% fällt. Eine neue Alternative,<br />
die jedoch nur in wenigen Einrichtungen angeboten<br />
wird, bietet eine radiologische Technik (PRG).<br />
Hauptvorteil <strong>der</strong> PRG ist, dass die Anlage keine<br />
Sedierung erfor<strong>der</strong>t und auch bei Patienten mit respiratorischer<br />
Beeinträchtigung o<strong>der</strong> in einem<br />
schlechten Allgemeinzustand möglich ist.
Folgende Empfehlungen sollten in<br />
die Betreuung von ALS-Patienten<br />
eingehen:<br />
1. Bei jedem Arzt-Patienten-Kontakt sollte die<br />
Schluckfunktion, <strong>der</strong> Ernährungsstatus und das<br />
Gewichtsverhalten evaluiert werden<br />
2. Bei beginnen<strong>der</strong> Dysphagie sollten <strong>der</strong> Patient<br />
und Angehörige nach einer klinischen und apparativen<br />
Schluckdiagnostik über diätetische Maßnahmen<br />
sowie therapeutische Möglichkeiten informiert<br />
werden<br />
3. Bei einem Gewichtsverlust von > 10% des Ausgangsgewichtes<br />
sollte <strong>der</strong> Einsatz hochkalorischer<br />
Nahrungsergänzungen erwogen werden<br />
4. Der Zeitpunkt <strong>der</strong> Ernährungssonden-Anlage<br />
hängt vom Ausmaß bulbärer Symptomen, einer<br />
möglichen Mangelernährung (Gewichtsabnahme<br />
über 10%), <strong>der</strong> respiratorischen Funktion<br />
und dem Allgemeinzustand des Patienten ab.<br />
Allgemein wird eine frühe Anlage empfohlen.<br />
79<br />
5. Patienten und Betreuer sollten umfassend über<br />
die Ernährungssonde informiert werden, insbeson<strong>der</strong>e<br />
darüber, dass eine orale Nahrungsaufnahme<br />
in Abhängigkeit von einer bestehenden<br />
Schluckstörung weiter möglich ist und dass das<br />
Verschieben <strong>der</strong> Ernährungssonden-Anlage das<br />
Risiko <strong>der</strong> Prozedur erhöhen kann.<br />
6. Die vorbeugende Medikation mit Antibiotika am<br />
Tag <strong>der</strong> Ernährungssonden-Anlage kann das Risiko<br />
von Infektionen senken.
7 Atmung und Beatmung<br />
ATEMTHERAPIE, MANAGEMENT DES<br />
SEKRETS, BRONCHIALTOILETTE<br />
Dr. med. Jens Geiseler, Gauting<br />
Die ALS führt als chronisch fortschreitende Erkrankung<br />
bei den meisten Patienten im Verlauf zu<br />
Atemproblemen. Diese werden durch den Befall<br />
von 3 verschiedenen Muskelgruppen verursacht:<br />
Einatemmuskulatur, Ausatemmuskulatur und die<br />
Muskulatur des Rachen-/Kehlkopfbereichs (bulbäre<br />
Muskulatur).<br />
Folge des Befalls <strong>der</strong> Einatemmuskulatur – Hauptmuskel<br />
ist das Zwerchfell – ist eine Unterbeatmung<br />
<strong>der</strong> Lunge (alveoläre Hypoventilation), d.h.<br />
die Abatmung des von den Körperzellen produzierten<br />
Kohlendioxids ist eingeschränkt. Daneben ist<br />
aber auch <strong>der</strong> Hustenstoß eingeschränkt. Der Kohlendioxidspiegel<br />
im Blut steigt an, und sekundär<br />
80<br />
kommt es auch zu einem Abfall des Sauerstoffgehaltes<br />
des Blutes. Die Therapie besteht hier in<br />
einer Unterstützung o<strong>der</strong> einem Ersatz <strong>der</strong> Einatemmuskulatur<br />
durch ein Beatmungsgerät (s.Abschnitt<br />
„Nichtinvasive häusliche Beatmung“).<br />
Eine Schwäche <strong>der</strong> Ausatemmuskulatur – hier in<br />
erster Linie <strong>der</strong> Bauchmuskulatur – führt zu einer<br />
Abschwächung des Hustenstoßes. Es droht eine<br />
Ansammlung von Sekret in den Luftwegen, mit<br />
teilweise komplettem Verschluss <strong>der</strong>selben (Atelektase)<br />
o<strong>der</strong> sekundärer Infektion durch Besiedelung<br />
<strong>der</strong> schlecht belüfteten Lungenanteile mit<br />
Bakterien.<br />
Eine Lähmung <strong>der</strong> bulbären Muskulatur ist verantwortlich<br />
für Schluckstörungen mit Verschlucken<br />
(Aspirationen), was bei <strong>der</strong> ALS häufig vorkommt.<br />
Auch die Fähigkeit zu husten ist dann eingeschränkt.<br />
Schwäche <strong>der</strong> Einatemmuskulatur Führt zu Min<strong>der</strong>atmung,<br />
aber auch zur Abhuststörung<br />
Schwäche <strong>der</strong> Ausatemmuskulatur Führt zur Abhuststörung<br />
Schwäche <strong>der</strong> Rachenmuskulatur Führt zur Aspiration<br />
Wie funktioniert ein normaler<br />
Hustenstoß?<br />
Die Bronchialdrüsen produzieren kontinuierlich<br />
geringe Mengen Sekret, das durch die Flimmerhäarchen<br />
<strong>der</strong> Deckschicht <strong>der</strong> Bronchien in Richtung<br />
Kehlkopf aus den Atemwegen heraustransportiert<br />
wird. Beim Verschlucken von Speichel/Nahrung<br />
o<strong>der</strong> bei vermehrter Sekretbildung, z.B. im Rahmen<br />
eines Infektes, reicht dieser Reinigungsmechanismus<br />
<strong>der</strong> Atemwege nicht mehr aus – hierzu<br />
wird ein effektiver Hustenstoß benötigt, <strong>der</strong> den<br />
Schleim durch die hohe Strömungsgeschwindigkeit<br />
quasi aus den Atemwegen herausreißt.<br />
Für einen effektiven Hustenstoß sind 3 Komponenten<br />
erfor<strong>der</strong>lich: Zuerst einmal eine ausreichend<br />
tiefe Einatmung vor dem Husten, Minimalanfor<strong>der</strong>ung<br />
ist die Einatmung von mindestens 1,5 Liter<br />
Luft. Anschließend müssen die Stimmbän<strong>der</strong> geschlossen<br />
werden und geschlossen bleiben, trotz<br />
Druckanstieg im Brustkorb als Folge <strong>der</strong> Anspannung<br />
<strong>der</strong> Ausatemmuskulatur, bis es dann zu<br />
einem plötzlichen Öffnen <strong>der</strong> Stimmbän<strong>der</strong> und<br />
nachfolgend zu einem Ausströmen <strong>der</strong> Luft aus<br />
den Lungen kommt. Hierbei werden physiologischerweise<br />
hohe Strömungsgeschwindigkeiten von<br />
bis zu 360 – 500 l/min Spitzenfluss erreicht. Minimal<br />
effektive Strömungsgeschwindigkeiten sollten<br />
über 270 l/min Husten-Spitzenfluss liegen.<br />
Patienten mit ALS haben bei Befall einer o<strong>der</strong><br />
mehrerer <strong>der</strong> oben beschriebenen Muskelgruppen<br />
regelhaft einen abgeschwächten Hustenstoß. Folgen<br />
hiervon sind Sekretansammlung in den Atemwegen,<br />
Infektionen, Atemnot und Erstickungsängste.<br />
Möglichkeiten des<br />
Sekretmanagements bei ALS<br />
Die Physiotherapie bietet einige Möglichkeiten bei<br />
ALS, das Sekretmanagement zu erleichtern. Hierbei<br />
ist es wichtig, grundsätzlich 2 Komponenten<br />
des Sekretmanagements zu unterscheiden, die nur<br />
in Kombination bei vielen Patienten erfolgreich<br />
sind: auf <strong>der</strong> einen Seite die Mobilisierung des Sekrets<br />
(Sekretolyse), das an <strong>der</strong> Wand <strong>der</strong> Bronchien<br />
anhaftet – hierbei hilfreich können Vibrationsmassagen,<br />
Inhalation von hypertoner Kochsalzlösung,<br />
Flutter etc. sein. Diese Sekretolyse muss aber bei<br />
ALS gefolgt werden von Hilfen zum Abhusten<br />
(Sekretexpektoration), da aus dem oben Gesagten<br />
klar hervorgeht, dass die Abhustschwäche eigent-
lich das Hauptproblem bei ALS darstellt. Für die<br />
Sekretexpektoration bieten sich mehrere Möglichkeiten<br />
an, die aber nur für diejenigen Patienten,<br />
die nicht an einer ausgeprägten bulbären Lähmung<br />
leiden, geeignet sind: Air stacking („Luft-stapeln“),<br />
manuell assistiertes Husten und mechanisch<br />
unterstütztes Husten.<br />
Air stacking bedeutet, dass dem Patient zum Beispiel<br />
mit einem Beatmungsbeutel über Mundstück<br />
o<strong>der</strong> Nasenmaske mehrere Atemhübe hintereinan<strong>der</strong><br />
appliziert werden, die <strong>der</strong> Patient in <strong>der</strong> Lunge<br />
speichert ohne zwischendurch auszuatmen. Hierdurch<br />
wird die in <strong>der</strong> Lunge gesammelte Luftmenge<br />
vergrößert. Diese Maßnahme ist sinnvoll<br />
wenn eine eingeschränkte Einatemkapazität vorliegt<br />
und kann ausreichen, um den Hustenspitzenfluss<br />
anzuheben. Ist dies allein nicht effektiv, kann<br />
manuell <strong>der</strong> Hustenfluss weiter gesteigert werden,<br />
indem nach dem Air stacking zu Beginn <strong>der</strong> Ausatmung<br />
von einem Helfer mit <strong>der</strong> flachen Hand ein<br />
Druck auf den Oberbauch ausgeübt wird – hierdurch<br />
wird das Zwerchfell kopfwärts verschoben<br />
und <strong>der</strong> Hustenfluss beschleunigt. Dieses Manöver<br />
ist nicht ganz leicht, erfor<strong>der</strong>t gute Koordination<br />
und ist am besten von einem/r<br />
Physiotherapeuten/in durchzuführen.<br />
Wenn alle diese Maßnahmen keinen ausreichenden<br />
Effekt erzielen, kann einigen Patienten mit dem sogenannten<br />
„mechanical insufflator/exsufflator“<br />
(Cough Assist®) geholfen werden: Von dem Gerät,<br />
das über Mund-Nasen-Maske o<strong>der</strong> Mundstück mit<br />
dem Patienten verbunden ist, wird einerseits ein<br />
Überdruck bis zu 45 mbar aufgebaut, <strong>der</strong> zu einer<br />
ausreichenden Luftmenge in den Bronchien führt,<br />
an<strong>der</strong>erseits anschließend ein Unterdruck von bis<br />
zu – 45 mbar erzeugt, <strong>der</strong> quasi wie ein Staubsauger<br />
das Sekret aus den Atemwegen herauszieht.<br />
Die Effektivität dieser Maßnahme wurde mittlerweile<br />
bei vielen Patienten mit Hustenschwäche bestätigt<br />
- trotzdem gibt es Einschränkungen in <strong>der</strong><br />
Anwendung: Liegt eine ausgeprägte Schwäche <strong>der</strong><br />
bulbären Muskulatur vor, kommt es bei <strong>der</strong> Anlage<br />
des Unterdrucks zu einem Kollabieren des Rachenraums,<br />
so dass <strong>der</strong> Unterdruck nicht mehr in den<br />
Atemwegen wirkt. Einige Patienten mit bulbärer<br />
Lähmung reagieren auf den Überdruck mit einer<br />
paradoxen Engstellung <strong>der</strong> Stimmbän<strong>der</strong>, so dass<br />
die Füllung <strong>der</strong> Lunge mit Luft nicht mehr effektiv<br />
ist. Wenn mit allen diesen Maßnahmen keine effektive<br />
Steigerung des Hustenspitzenflusses möglich<br />
ist, stellt dies eine bedrohliche Situation dar. Deswegen<br />
muß bereits im Vorfeld mit den Patienten<br />
81<br />
besprochen werden, wie in solchen Situationen zu<br />
verfahren ist: Luftröhrenschnitt und invasive Beatmung<br />
o<strong>der</strong> palliative symptomlin<strong>der</strong>nde Maßnahmen.<br />
Das Wissen um diese Möglichkeiten zum Sekretmanagement<br />
ist lei<strong>der</strong> auch unter Ärzten<br />
und Physiotherapeuten nicht weit verbreitet.<br />
Wir empfehlen die Kontaktaufnahme zu einem<br />
Beatmungszentrum, das über große Erfahrung<br />
in Beatmung und Sekretmanagement bei Patienten<br />
mit neuromuskulären Erkrankungen<br />
verfügt. Da überprüft werden muss, welche sekreteliminierenden<br />
Maßnahmen angezeigt sind<br />
und dann diese Maßnahmen Patient, Angehörigen<br />
und Pflegepersonal gelehrt werden müssen,<br />
ist dies eigentlich nur im Rahmen stationärer<br />
Aufenthalte möglich.<br />
HEIMBEATMUNG: BEHANDLUNG DER<br />
ATEMMUSKELSCHWÄCHE BEI DER<br />
AMYOTROPHEN LATERALSKLEROSE<br />
PD Dr. Martin Winterholler, Schwarzenbruck<br />
Hintergrund - Historie und Effekte <strong>der</strong> Heimund<br />
Langzeitbeatmung<br />
Dank des Einsatzes <strong>der</strong> „eisernen Lunge“ überlebten<br />
viele Patienten mit Lähmungen <strong>der</strong> Atemmuskulatur<br />
die Polioepidemien <strong>der</strong> Nachkriegszeit.<br />
Nicht selten blieb den Patienten eine hochgradige<br />
Einschränkung <strong>der</strong> Funktion <strong>der</strong> Atemmuskulatur,<br />
die eine Langzeitbeatmung nötig<br />
machte. In Institutionen, selten auch in häuslicher<br />
Umgebung kam es so zu ersten Langzeitbeatmungen.<br />
Hier wurde ausschließlich Negativdruckbeatmungstechnik<br />
eingesetzt. Tankrespiratoren,<br />
die seit den 20er Jahren entwickelt wurden<br />
und <strong>der</strong>en Modifikationen nur Teile des Körpers<br />
umschlossen (Cuirass; Chest Shell; Pneumobelt)<br />
fanden Anwendung.<br />
Die Entwicklung kleiner, leichter und einfach zu<br />
bedienen<strong>der</strong> Heimbeatmungsgeräte und von Beatmungsmasken<br />
ermöglichte ab Anfang <strong>der</strong> 90er<br />
Jahre eine Beatmung von Patienten mit Lähmungen<br />
<strong>der</strong> Atemmuskulatur zu Hause.<br />
Diese „nicht invasive Heimbeatmung“ (NIH)<br />
wird in <strong>der</strong> Zwischenzeit bei einigen Tausend Patienten<br />
erfolgreich angewendet.
Die Überprüfung <strong>der</strong> Beatmungsindikation<br />
sollte in Muskelzentren, die die Beatmung<br />
selbst durchführen o<strong>der</strong> mit speziellen Lungenkliniken<br />
kooperieren, erfolgen.<br />
Während die Heimbeatmung bei wenig fortschreitenden<br />
neuromuskulären Erkrankungen ein Standardverfahren<br />
geworden ist, stellt die ALS auch erfahrene<br />
Neurologen immer wie<strong>der</strong> vor schwierige<br />
Entscheidungen.<br />
Wie häufig ist eine Atemmuskelschwäche<br />
bei <strong>der</strong> ALS?<br />
Lähmungen <strong>der</strong> Atemmuskulatur treten bei <strong>der</strong><br />
ALS regelhaft auf, bei 10-20% <strong>der</strong> Patienten bereits<br />
sehr früh im Erkrankungsverlauf. Nächtliche,<br />
schlafbezogene Atemstörungen sind unabhängig<br />
von <strong>der</strong> Vitalkapazität häufig. Fast 90% <strong>der</strong> ALS<br />
Patienten versterben an respiratorischen Komplikationen<br />
bzw. am Versagen <strong>der</strong> Atmung. Bei etwa<br />
10% <strong>der</strong> ALS Patienten besteht bereits bei o<strong>der</strong><br />
sogar vor Diagnosestellung eine zur Ateminsuffizienz<br />
und Beatmungspflicht führende Atemmuskelschwäche.<br />
Bei 60% <strong>der</strong> ALS Patienten wird die Lähmung <strong>der</strong><br />
Atemmuskulatur erst nach dem Verlust <strong>der</strong><br />
Gehfähigkeit im Rahmen <strong>der</strong> generalisierten Muskelatrophie<br />
manifest.<br />
Welche Folgen hat die Atemmuskelschwäche?<br />
Neuromuskuläre Erkrankungen führen aufgrund<br />
<strong>der</strong> Schwäche <strong>der</strong> Einatemmuskulatur zu einer vermin<strong>der</strong>ten<br />
Atembreite, einer „restriktiven Ventilationsstörung“<br />
mit niedriger Vital- (VK=atembare<br />
Lungenluft) und totaler Lungenkapazität (TK=gesamte<br />
Lungenluft). Die Atmung wird flacher, Kohlendioxid<br />
(CO2), das bei allen Stoffwechselvorgängen<br />
im Körper entsteht, wird nicht mehr ausreichend<br />
abgeatmet. Darüber hinaus kommt es zunächst<br />
im Tief- und Traumschlaf zu einer flacheren<br />
Atmung (Hypoventilation), die eine Störung des<br />
Nachtschlafes zur Folge hat („Schlaffragmentierung“),<br />
erst spät im Erkrankungsverlauf tritt Sauerstoffmangel<br />
während des Tages auf.<br />
Bei <strong>der</strong> klinisch-neurologischen Untersuchung beobachtet<br />
man eine flachere, schnellere Atmung,<br />
den Einsatz <strong>der</strong> Atemhilfsmuskulatur am Hals, die<br />
so genannte paradoxe Atmung mit Einziehung des<br />
Bauches während <strong>der</strong> Einatmung.<br />
82<br />
Der Betroffene berichtet typischerweise über<br />
Schlafstörungen, morgendliche Kopfschmerzen,<br />
Einschlafneigung am Tage. Hinzu kommen<br />
mangelnde Leistungsfähigkeit mit Konzentrationsstörungen,<br />
depressive Verstimmungen,<br />
Appetitmangel und Gewichtsabnahme.<br />
Diese sehr unspezifischen Symptome lassen<br />
primär nicht unbedingt an eine Atmungsstörung<br />
denken. Luftnot als Hinweis auf ein<br />
Atemproblem wird hier seltener genannt.<br />
Chronische „Unterbeatmung“ führt zu Schleimansammlungen<br />
mit Verlegung <strong>der</strong> kleinen Atemwege<br />
(Mikroatelektasen) in <strong>der</strong> Lunge. Es treten gehäuft<br />
Infekte auf. Diese Verän<strong>der</strong>ungen, insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Abnahme <strong>der</strong> Atemmuskelkraft, führen zu<br />
einer Dekompensation <strong>der</strong> Atempumpe d.h. zur<br />
ventilatorischen Ateminsuffizienz mit Hyperkapnie<br />
(CO2 Anstieg) und meist nur geringer Hypoxämie<br />
(Sauerstoffmangel).<br />
Welche Diagnostik ist sinnvoll?<br />
Alle oben aufgeführten Verän<strong>der</strong>ungen können<br />
frühzeitig gemessen werden, so dass eine Therapieentscheidung<br />
fast immer rechtzeitig getroffen werden<br />
kann. Dennoch wird die Atemschwäche nicht<br />
selten spät erkannt, wenn schon deutliche Beschwerden<br />
vorliegen, oftmals erst dann, wenn eine<br />
intensivmedizinische Behandlung notwendig geworden<br />
ist. Um Atemstörungen rechtzeitig zu erkennen<br />
ist deshalb eine regelmäßige Untersuchung<br />
<strong>der</strong> Atemfunktion sinnvoll.<br />
Klinisches Untersuchen, Lungenfunktionsmessung,<br />
Blutgasanalyse und nächtliche<br />
Poly(somno)graphie sind hier die wesentlichen<br />
Untersuchungen.<br />
Lungenfunktionsprüfung (Spirometrie)<br />
Am einfachsten durchzuführen und nahezu überall<br />
verfügbar ist die Spirometrie. Die Messung <strong>der</strong> Vitalkapazität<br />
(Atembreite) stellt einen globalen Parameter<br />
für die Atemmuskelfunktion dar. Bei ausgeprägter<br />
Atemmuskelschwäche ist sie unter 50%<br />
eingeschränkt. Oft ist sie im Sitzen nur geringfügig,<br />
im Liegen jedoch stark herabgesetzt.<br />
Blutgase (BGA), nächtliches Monitoring<br />
Bei noch kompensierter Atempumpstörung wird<br />
durch eine Steigerung <strong>der</strong> Atmung <strong>der</strong> pCO2 im<br />
Normbereich gehalten, eine Hyperkapnie tritt erst<br />
bei dekompensierter Störung auf. Da sich die Hypoventilation<br />
im Schlaf deutlich verstärkt, ist eine
nächtliche Messung zu empfehlen. Oft sind die<br />
Werte tags im Wachzustand noch normal, nachts<br />
im Schlaf jedoch schon deutlich erhöht. Zur kontinuierlichen<br />
Messung eignet sich die Kapnographie<br />
o<strong>der</strong> transkutane pCO2-Registrierung. Die Hyperkapnie<br />
wird immer von einer Hypoxämie begleitet,<br />
da mit Anstieg des Kohlensäurepartialdruckes <strong>der</strong><br />
alveoläre Sauerstoffpartialdruck etwas abfällt.<br />
Somit kann indirekt durch nächtliche Oxymetrie<br />
(<strong>der</strong> Untersuchte darf nicht zusätzlichen Sauerstoff<br />
zugeführt bekommen) auch auf eine Hypoventilation<br />
geschlossen werden; eine Oxymetrie ist einfach<br />
durchzuführen.<br />
Polysomnograpie (Schlaflaboruntersuchung)<br />
Die Hypoventilation kann zu erheblichen Schlafstörungen<br />
führen, deswegen ist zumindest in Einzelfällen<br />
eine Polysomnographie angezeigt, auch<br />
aus differentialdiagnostischen Gründen.<br />
Indikationsstellung zur nichtinvasiven<br />
Heimbeatmung (NIH)<br />
Die Indikation zur Heimbeatmung sollte beim Auftreten<br />
<strong>der</strong> typischen Hypoventilationssymptomatik<br />
(Tabelle 2) geprüft werden. Dieses „neuromuskuläre<br />
Hypoventilationssyndrom“ ist gekennzeichnet<br />
durch den klinischen Nachweis einer Schwäche<br />
<strong>der</strong> Atemmuskulatur und eine Begleitsymptomatik,<br />
die zum einen Folge <strong>der</strong> nachtlichen Hypoventilation<br />
ist, aber auch Folge einer hypoventilationsbedingten<br />
Hyperkapnie sein kann.<br />
Eine Sicherung <strong>der</strong> Diagnose <strong>der</strong> ventilatorischen<br />
Insuffizienz (CVI) erfolgt durch die Bestimmung<br />
<strong>der</strong> Blutgase (bei Tag und Nacht), die Bestimmung<br />
<strong>der</strong> Lungenfunktion und eine Polygraphie/ Polysomnographie<br />
(nächtliche Untersuchung <strong>der</strong> Atmung).<br />
Unseres Erachtens sollten bei <strong>der</strong> Indikationsstellung<br />
die zeitliche Dynamik dieser Parameter gemeinsam<br />
mit dem Verlauf <strong>der</strong> Grun<strong>der</strong>krankung<br />
berücksichtigt werden. Bei rasch progredienten Erkrankungen<br />
o<strong>der</strong> NME mit bulbärer Beteiligung<br />
sollte entsprechend dem bei <strong>der</strong> ALS vorgegeben<br />
Schema vorgegangen werden (Abbildung 1), um<br />
rechtzeitig mit <strong>der</strong> Behandlung zu beginnen.<br />
Die Indikation zur nächtlichen Beatmung wird<br />
heute von vielen Autoren großzügiger gestellt: Sobald<br />
sich polysomnographisch eine REM-Schlafassoziierte<br />
Hypoventilation bzw. Weckreaktionen<br />
(Arousals) nachweisen lassen und diese zu Tagesmüdigkeit,<br />
Dyspnoe o<strong>der</strong> Kopfschmerz führen,<br />
kann die nächtliche NIV zur Besserung <strong>der</strong> Wachheit<br />
und Leistungsfähigkeit am Tage, in vielen Fäl-<br />
83<br />
len auch <strong>der</strong> Lebensqualität beitragen. Tabelle 1<br />
fasst den aktuellen Konsens zur Indikationsstellung<br />
<strong>der</strong> häuslichen Beatmung zusammen.<br />
Steht <strong>der</strong> Patient einer Beatmung prinzipiell positiv<br />
gegenüber o<strong>der</strong> hat er noch keine Entscheidung gefällt,<br />
sollten Atmung und Lungenfunktion entsprechend<br />
dem in Abbildung 1 vorgegebenen Schema<br />
in 3-monatigen Abständen beurteilt werden.<br />
Voraussetzungen <strong>der</strong> Heimbeatmung<br />
Jede Beatmung stellt einen medizinischen Eingriff<br />
dar, <strong>der</strong> nur nach ausführlicher Aufklärung erfolgen<br />
sollte. ALS Patienten sollten über den gesamten<br />
Erkrankungsverlauf einschließlich <strong>der</strong> Spätphase<br />
<strong>der</strong> Erkrankung mit Abhängigkeit von <strong>der</strong><br />
Beatmung aufgeklärt werden. Bei <strong>der</strong> Indikationsstellung<br />
sind auch die Persönlichkeit des Patienten,<br />
sein allgemeiner Gesundheitszustand und sozialer<br />
Hintergrund (Pflegebelastung <strong>der</strong> Angehörigen) zu<br />
berücksichtigen.<br />
Umfangreiche Vorbereitungen sind<br />
vor <strong>der</strong> Heimbeatmung zu treffen, z.B.:<br />
· Sicherstellung eines technischen Support<br />
· Abschätzung <strong>der</strong> Pflegebelastung<br />
· Schulung von Angehörigen und<br />
Pflegepersonen<br />
· Sicherstellung einer professionellen Pflege<br />
· Klärung <strong>der</strong> entstehenden Kosten, Planung<br />
<strong>der</strong> Finanzierung <strong>der</strong> Heimbeatmung<br />
· Überprüfung <strong>der</strong> häuslichen (Wohn-)<br />
Verhältnisse<br />
· Verordnung von Hilfsmitteln und Verbrauchsmaterial<br />
Praxis <strong>der</strong> Heimbeatmung bei <strong>der</strong><br />
Amyotrophen Lateralsklerose<br />
(ALS)<br />
Nur für einen Teil <strong>der</strong> ALS Patienten kommt eine<br />
Maskenbeatmung in Frage:<br />
Bulbärparalyse, Dysphagie, Hypersalivation und<br />
Lähmung <strong>der</strong> Kehlkopfmuskulatur stehen bei<br />
etwa 30% <strong>der</strong> ALS Patienten einer erfolgreichen<br />
Applikation <strong>der</strong> NIV entgegen. Die Aspirationsneigung<br />
kann durch die Maskenbeatmung zunehmen.<br />
Zum Über<strong>leben</strong> mit NIH bei ALS liegen mehrere<br />
Fallserien vor.<br />
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen lassen<br />
sich so zusammenfassen:
· Die nichtinvasive Beatmung ist bei den ALS Betroffenen<br />
ohne Lähmung <strong>der</strong> Schlundmuskulatur<br />
(Bulbärparalyse) etwa 1 Jahr, in Ausnahmefällen<br />
bis über 2 Jahre möglich. Es ist eine Lebensverlängerung<br />
von etwa einem halben Jahr (in Einzelfällen<br />
bis zu 2 Jahren) durch die NIB möglich.<br />
Nur Bach beschreibt in einer Untersuchung ein<br />
mittleres Über<strong>leben</strong> von über 4 Jahren (1-26<br />
Jahre) bei überwiegend 24-stündiger Abhängigkeit<br />
von <strong>der</strong> Maskenbeatmung.<br />
· Bei Patienten mit Bulbärparalyse ist mit <strong>der</strong> nichtinvasiven<br />
Beatmung in vielen Fällen eine Lin<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Hypoventilationsbeschwerden möglich.<br />
Eine Lebensverlängerung durch die Heimbeatmung<br />
ist nur in Einzelfällen zu beobachten.<br />
Wann soll über eine Beatmung<br />
entschieden werden?<br />
Bislang ist nicht eindeutig geklärt, zu welchem<br />
Zeitpunkt im Erkrankungsverlauf mit einer Beatmung<br />
begonnen werden soll. Es besteht jedoch<br />
Übereinstimmung, dass eine Beatmungsindikation<br />
spätestens beim Auftreten einer Hyperkapnie am<br />
Tage, sowie bei erheblicher Hypoventilationssymptomatik<br />
und einer VK < 50 % gegeben ist. Es liegen<br />
keine Daten vor, die eine spezielle Beatmungsform<br />
favorisieren würden. Pragmatisch wird häufig<br />
BiPAP <strong>der</strong> Vorzug gegeben. Besteht Ruhedyspnoe,<br />
ist die Adaptation an die Maskenbeatmung oft<br />
erschwert. Frühzeitig, d. h. spätestens beim Auftreten<br />
erster Symptome einer CVI sollte in einer Spezialambulanz<br />
in mehreren Aufklärungsgesprächen<br />
mit dem Patienten und seiner Familie <strong>der</strong> weitere<br />
therapeutische Weg - nach Möglichkeit auch<br />
schriftlich in Form einer Patientenverfügung- festgelegt<br />
werden. Dies ist von elementarer Bedeutung,<br />
um rechtzeitig die erfor<strong>der</strong>lichen diagnostischen<br />
und therapeutischen Optionen nutzen zu<br />
können, aber auch um unerwünschte Maßnahmen,<br />
wie eine Intubation in <strong>der</strong> Notfallsituation, zu vermeiden.<br />
Beatmung über Tracheostoma<br />
(„invasive Langzeitbeatmung“)<br />
Eine Beatmung über Tracheostoma ist bei <strong>der</strong> ALS<br />
über viele Jahre möglich. Wir beobachteten bei tracheotomierten<br />
Patienten, dass spätestens nach 1-2<br />
Jahren eine Lähmung <strong>der</strong> gesamten Willkürmuskulatur<br />
unter Ausschluss <strong>der</strong> Augenmuskeln und <strong>der</strong><br />
periokulären Muskulatur eintrat. Bei 10 – 30 % <strong>der</strong><br />
Patienten geht nach mehr als 3 Jahren Beatmung<br />
auch die Fähigkeit zu zwinkern verloren. Immer<br />
84<br />
wie<strong>der</strong> kommt es zu unerwarteten Todesfällen,<br />
wohl aufgrund einer autonomen Dysregulation.<br />
Die Lebensqualität wird von den Patienten in dieser<br />
Situation sehr unterschiedlich beurteilt. Die Belastung<br />
für die pflegenden Angehörigen ist in <strong>der</strong><br />
Regel enorm, häufig sind bei den Pflegenden sekundäre<br />
körperliche und psychische Reaktionen zu<br />
beobachten.<br />
Ein Patiententestament sollte<br />
den Beratungswunsch bzw. die<br />
Ablehnung einer Beatmung o<strong>der</strong><br />
Beatmungsform beinhalten.<br />
Möglichst frühzeitig sollte sich <strong>der</strong> Patient für eine<br />
<strong>der</strong> drei folgenden Optionen entscheiden:<br />
· Option 1: Maximaltherapie: Beim Nachweis <strong>der</strong><br />
CVI und einer entsprechenden subjektiven Symptomatik<br />
sollte frühzeitig zunächst mit <strong>der</strong> NIV begonnen<br />
werden. Wenn beim akuten Auftreten<br />
einer Atmungsinsuffizienz die NIV ineffektiv ist,<br />
wünscht <strong>der</strong> Patient eine invasive Beatmung. Gelingt<br />
die Respiratorentwöhnung nicht mit Maskenbeatmung,<br />
will <strong>der</strong> Patient die invasive Beatmung<br />
über eine Tracheotomie fortsetzen.<br />
· Option 2: Zwar ist NIV zur Therapie <strong>der</strong> Atmungsinsuffizienz<br />
erwünscht; eine Intubation<br />
bzw. Tracheotomie wird jedoch vom Patienten abgelehnt.<br />
· Option 3: Palliativtherapie und Ablehnung<br />
je<strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Beatmung.<br />
Alternativen zur Beatmung und<br />
Palliativtherapie bei fortgeschrittenen<br />
neuromuskulären Erkrankungen<br />
Viele ältere, an ALS erkrankte Patienten lehnen sowohl<br />
eine NIH wie auch eine Intensivbehandlung<br />
und Tracheotomie ab. Eine palliative Behandlung<br />
<strong>der</strong> Ateminsuffizienz im fortgeschrittenen Stadium<br />
<strong>der</strong> ALS folgt den Prinzipien <strong>der</strong> Palliativtherapie<br />
von Tumorerkrankungen. Sie sollte von einem in<br />
<strong>der</strong> Palliativbehandlung erfahrenen Arzt durchgeführt<br />
werden. In vielen Fällen ist eine Einweisung<br />
in ein Hospiz o<strong>der</strong> nach Absprache in eine spezialisierte<br />
Klinik zur Entlastung <strong>der</strong> Angehörigen sinnvoll.<br />
Dies gilt in beson<strong>der</strong>em Maße für ein terminales<br />
Weaning (Beatmungsentwöhnung) beatmeter<br />
Patienten.<br />
Entspricht es dem Willen des Patienten, dass die<br />
Beatmung beendet bzw. gar nicht begonnen wird,
ist die Beatmung zu beenden („terminales<br />
Weaning“) bzw. die Dyspnoe effektiv zu behandeln.<br />
Grundsätze dieser Behandlung sind:<br />
· Intensive Zuwendung<br />
· Großzügige Gabe von Sauerstoff<br />
( bis zu 10 l / min).<br />
· Gabe von Morphin (3 x 10 – 60 mg), alternativ<br />
Fentanyl / Sulfentanil parenteral in adäquater Dosierung,<br />
beides unter Hinzugabe von Antiemetika<br />
(Metoclopramid, Diphenhydramin).<br />
· Gabe von Benzodiazepinen zur Anxiolyse. Bewährt<br />
hat sich wegen des raschen Wirkungseintritts<br />
vor allem die sublingual resorbierbare Form<br />
von Lorazepam (TavorR expidet 3 – 5 x 1 – 2,5<br />
mg). Benzodiazepine alleine haben keine ausreichende<br />
Wirkung auf die Dyspnoe.<br />
Bei adäquater Durchführung dieser Behandlung<br />
wird <strong>der</strong> Patient rasch ruhig, es entwickelt sich<br />
eine ausgeprägte Hyperkapnie, in <strong>der</strong> er das Bewusstsein<br />
verliert und verstirbt.<br />
85<br />
Zur weiteren Lektüre und Beschreibung <strong>der</strong><br />
Beatmungstherapie sei auf die in 2010 veröffentlichten<br />
LEITLINEN zur Behandlung <strong>der</strong><br />
chronischen ventilatorischen Insuffizienz<br />
hingewiesen:<br />
Windisch W. et al., Nichtinvasive und invasive<br />
Beatmung als Therapie <strong>der</strong> chronischen respiratorischen<br />
Insuffizienz. Pneumologie 2010;<br />
64: 207-240; im zu finden unter:<br />
http://www.heimbeatmung.de/pdf/DGP_S2_L<br />
L_NIV%40Home_final.pdf<br />
Tabelle 1:<br />
Leitsymptome und Begleitsymptome des „Neuromuskulären Hypoventilationssyndroms“: Beim Vorliegen<br />
einer gesicherten neuromuskulären Erkrankung und Nachweis von > 2 Leitsymptomen ist eine<br />
klinisch relevante Schwäche <strong>der</strong> Atemmuskulatur hochwahrscheinlich (p > 0,01).<br />
Leitsymptome Begleitsymptome<br />
Paradoxe Bauchatmung Morgendlicher Kopfschmerz<br />
Orthopnoe mit Einsatz <strong>der</strong> Atemhilfsmuskulatur Abgeschlagenheit<br />
Verkürzte Phonationsdauer Konzentrationsstörungen<br />
Tagesmüdigkeit (ESS > 12) Schwindel<br />
Durchschlafstörung mit nächtlicher Dyspnoe Stimmverän<strong>der</strong>ungen<br />
Abgeschwächter Hustenstoß Depressionen<br />
Ödeme, Rechtsherzinsuffizienz<br />
Herzrhythmusstörungen<br />
Angstzustände
Tabelle 2:<br />
Indikationen und Voraussetzungen<br />
für eine häusliche Beat -<br />
mung bei <strong>der</strong> ALS<br />
Indikationen für die nichtinvasive<br />
Heimbeatmung (NIH)<br />
· Deutliche CO2 Retention (>50 mmHg)<br />
in <strong>der</strong> Nacht<br />
· Leichte CO2 Retention während des Tages<br />
(45 – 50 mmHg) mit Symptomatik einer<br />
Atmungsstörung (z. B. morgendlicher Kopfschmerz,<br />
Durchschlafstörung, Tagesmüdigkeit,<br />
Alpträume) o<strong>der</strong><br />
· Signifikante nächtliche Sauerstoffentsättigung<br />
(Phasen <strong>der</strong> Hypoventilation<br />
> 5% <strong>der</strong> Schlafzeit)<br />
· Rasche Abnahme des Atemvolumens<br />
Folgende Voraussetzungen<br />
müssen erfüllt sein:<br />
· An<strong>der</strong>weitig behebbare Ursachen einer Atmungsstörung<br />
(z. B. Herzinsuffizienz, nasale<br />
Obstruktion) müssen adäquat behandelt sein.<br />
· Der Patient wünscht die Beatmung nach<br />
ausführlicher Aufklärung über die Grun<strong>der</strong>krankung<br />
und <strong>der</strong>en Verlauf.<br />
· Das soziale Umfeld, die pflegerische und<br />
technische Versorgung des Patienten lassen<br />
eine effektive und sichere NIH zu.<br />
86<br />
· Die NIH ist unter stationären Bedingungen<br />
hinreichend effektiv und sicher durchzuführen.<br />
· Eine ausreichende bronchiale Clearance ist<br />
gewährleistet (aktiv o<strong>der</strong> passiv), es besteht<br />
keine Aspirationsneigung (bei Dysphagie<br />
PEG Versorgung!).<br />
Indikationen für invasive<br />
Beatmung sind:<br />
· Der Patient erfüllt die Voraussetzungen für<br />
eine NIV und hat:<br />
· Inadäquate bronchiale Clearance trotz des<br />
Einsatzes mechanischer Hustenhilfen<br />
· Dysphagie mit wie<strong>der</strong>holten Pneumonien<br />
· Ineffizienz <strong>der</strong> NIV<br />
· Beatmungsnotwendigkeit > 16 h / Tag<br />
(relative Indikation, einige Patienten<br />
tolerieren nichtinvasive Dauerbeatmung)<br />
Im Text wurde aus Platzgründen auf die Zitierung<br />
und das ausführliche Literaturverzeichnis<br />
verzichtet. Bei Bedarf ist <strong>der</strong> Text über die<br />
Bundesgeschäftsstelle <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> zu erhalten.
Abbildung 1: Diagnostisch-therapeutischer Algorithmus zur Erkennung<br />
und Behandlung <strong>der</strong> ventilatorischen Insuffizienz bei <strong>der</strong> ALS<br />
[VK=Vitalkapazität; EI=Entsättigungsindex (Sauerstoffentsättigungen >4% unter mittlere Sauerstoffsättigung<br />
während <strong>der</strong> Nacht); „mittl SaO 2 “ = mittlere, transkutan gemessene Sauerstoffsättigung während <strong>der</strong><br />
Nacht<br />
* mindestens ein spezifisches o<strong>der</strong> 2 unspezifische Symptome aus Tabelle 1 und 2<br />
** pneumologische o<strong>der</strong> neurologische Klinik mit Kompetenz in <strong>der</strong> NIV von Patienten mit neuromuskulären<br />
Erkrankungen].<br />
87
NOTFALLSITUATIONEN – BEATMUNG<br />
ÜBER TRACHEOSTOMA<br />
Dr. med. Jens Geiseler, Gauting;<br />
Prof. Dr. med. Wolfram Windisch, Freiburg<br />
Patienten, die an ALS erkrankt sind, können in alltägliche<br />
und ALS-krankheitsspezifische Notfallsituationen<br />
geraten. Im Weiteren wird nur auf die<br />
letzteren eingegangen.<br />
Praktisch alle Notfallsituationen betreffen das Atmungssystem<br />
<strong>der</strong> Patienten. Eine bereits vorher bestehende<br />
Schwäche <strong>der</strong> Ein- und Ausatemmuskulatur<br />
bzw. auch <strong>der</strong> Muskulatur von Rachen- und<br />
Kehlkopfbereich (bulbäre Muskulatur) wird durch<br />
einen zusätzlich die Atmung beeinträchtigenden<br />
Faktor akut und massiv verstärkt. Beispiel hierfür<br />
ist ein Infekt <strong>der</strong> unteren Luftwege, <strong>der</strong> über Sekretanflutung<br />
bei vorbestehen<strong>der</strong> Hustenschwäche zu<br />
Erstickungsanfällen, Verlegung <strong>der</strong> Bronchien und<br />
<strong>der</strong> Notwendigkeit <strong>der</strong> künstlichen Beatmung<br />
führt. Auch Operationen z.B. im Bauchbereich<br />
können nach Beendigung <strong>der</strong> Narkose zu einer<br />
akuten Ateminsuffizienz und neuerlicher künstlicher<br />
Beatmung führen. Insbeson<strong>der</strong>e wenn vor<br />
dem Eingriff die Diagnose ALS noch nicht bekannt<br />
war – nach unserer Erfahrung nicht so selten –<br />
führt dies häufig zur invasiven Dauerbeatmung<br />
über Trachealkanüle nach erfolgtem Luftröhrenschnitt.<br />
Therapeutisch bieten sich in den das Atmungssystem<br />
betreffenden Notfallsituationen verschiedene<br />
Behandlungsmöglichkeiten an: die Gabe von Sauerstoff<br />
kann die Atemnot verringern, bei Lungenentzündung<br />
können Antibiotika und allgemeine<br />
physiotherapeutische Maßnahmen zur Sekretlockerung<br />
und Sekretentfernung eingesetzt werden. Vor<br />
allem bei abgeschwächtem Hustenstoß kann eine<br />
Sekretabsaugung aus den Atemwegen – einfach<br />
über Katheter o<strong>der</strong> mittels einer Lungenspiegelung<br />
(Bronchoskopie) – notwendig werden. Begleitend<br />
ist häufig die Gabe von Medikamenten gegen die<br />
Atemnot und die Angstsymptomatik notwendig.<br />
Hier bieten sich Opiate (z.B. Morphin) und Tranquilizer<br />
(z.B. Tavor®) an. Trotz aller dieser Maßnahmen<br />
ist eine künstliche Beatmung manchmal<br />
nicht zu umgehen.<br />
Die nichtinvasive Beatmung über Gesichts-Masken<br />
ist eine gute Alternative zur invasiven Beatmung,<br />
da die natürlichen Atemwege des Patienten intakt<br />
bleiben. Sie kann allerdings vor allem bei Läh-<br />
88<br />
mung <strong>der</strong> Schlund-Muskulatur unmöglich sein.<br />
Eine Intubation mit nachfolgen<strong>der</strong> künstlicher Beatmung<br />
wird häufig in Unkenntnis des Patientenwillens,<br />
selten auch auf ausdrücklichen Patientenwunsch<br />
hin durchgeführt. Infolge <strong>der</strong> Grun<strong>der</strong>krankung<br />
scheitern üblicherweise Versuche, den Beatmungstubus<br />
wie<strong>der</strong> dauerhaft zu entfernen, mit <strong>der</strong><br />
Folge einer erneuten künstlichen Beatmung und<br />
nachfolgendem Luftröhrenschnitt (Tracheotomie).<br />
Bei Befall <strong>der</strong> Atemmuskulatur kann ein <strong>der</strong>artiger<br />
Notfall unvorhersehbar plötzlich eintreten. Häufig<br />
fehlen Warnsymptome, die eine langsame Verschlechterung<br />
<strong>der</strong> respiratorischen Situation anzeigen.<br />
Wichtig erscheint uns, in den Gesprächen bei<br />
<strong>der</strong> Diagnosestellung bereits das mögliche Auftreten<br />
<strong>der</strong>artiger Notfallsituationen mit dem Patienten<br />
und den Angehörigen zu besprechen und für diese<br />
Fälle das Vorgehen gemeinsam, z.B. anhand einer<br />
Patientenverfügung festzulegen: Soll zusätzlich zu<br />
medikamentöser Therapie eine Beatmungstherapie<br />
durchgeführt werden, wenn ja, nichtinvasiv o<strong>der</strong><br />
auch invasiv mit <strong>der</strong> Konsequenz eines Luftröhrenschnittes?<br />
Die Tracheotomie stellt aber auch eine mögliche<br />
Option in <strong>der</strong> symptomatischen Behandlung <strong>der</strong><br />
ALS dar. Durch die Blockung <strong>der</strong> Kanüle in <strong>der</strong><br />
Luftröhre kann <strong>der</strong> Übertritt von Material aus dem<br />
Magen-Darm-Trakt (sogenannte Aspiration) in<br />
ihrer Häufigkeit und Schwere deutlich reduziert<br />
werden. Bei Beatmungspflichtigkeit aufgrund einer<br />
Atempumpenschwäche entfällt das Problem <strong>der</strong><br />
Undichtigkeiten (Leckagen) und Druckstellen z.B.<br />
am Nasenrücken, das bei nichtinvasiver Maskenbeatmung<br />
in unterschiedlicher Häufigkeit auftritt und<br />
ein Grund für die eingeschränkte Wirksamkeit <strong>der</strong><br />
nichtinvasiven Beatmung sein kann.<br />
Mögliche Indikationen für die Tracheotomie – mit<br />
o<strong>der</strong> ohne nachfolgende Beatmung – sind dementsprechend<br />
wie<strong>der</strong>holte schwere Aspirationen, oft in<br />
Kombination mit einem abgeschwächten Hustenstoß,<br />
bzw. das Scheitern einer nichtinvasiven Beatmung<br />
bei manifester Atempumpenschwäche. In<br />
beiden Situationen stellt die Tracheotomie einen<br />
geplanten Eingriff dar, für den vorab mit dem Patienten<br />
und seinen Angehörigen die Vor- und auch<br />
Nachteile ausführlich besprochen werden sollten.<br />
Häufig hilft auch ein Kontakt mit bereits tracheotomierten<br />
Patienten für die Entscheidung pro bzw.<br />
contra Tracheotomie. Diese Entscheidung sollte<br />
dann in einer Patientenverfügung nie<strong>der</strong>gelegt<br />
werden.
Klare Vorteile sind die Verringerung von Aspirationen<br />
und die in <strong>der</strong> Regel unproblematisch durchzuführende<br />
invasive Beatmung über Trachealkanüle –<br />
diese führt nach den vorliegenden Daten häufig zu<br />
einer Lebensverlängerung. Dem stehen Nachteile<br />
wie Notwendigkeit einer intensiven Überwachung<br />
während <strong>der</strong> invasiven Beatmung, häufiges Absaugen<br />
und ein deutlich erhöhter pflegerischer Aufwand<br />
gegenüber. Die pflegerischen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
können in <strong>der</strong> Regel von den Angehörigen allein<br />
nicht geleistet werden, so dass ein in Beatmungspflege<br />
erfahrener Pflegedienst hinzugezogen werden<br />
muss. Außerdem kann die Verlängerung des<br />
Über<strong>leben</strong>s auch ein Er<strong>leben</strong> des Fortschreitens <strong>der</strong><br />
Lähmungen <strong>der</strong> willkürlich steuerbaren Muskulatur<br />
bedeuten, bis hin zum sogenannten „Lockedin“-Syndrom,<br />
in dem <strong>der</strong> Patient nicht mehr in <strong>der</strong><br />
Lage ist, Wünsche, u.a. auch nach Beendigung <strong>der</strong><br />
Beatmung, zu äußern. Nach eigenen Erfahrungen<br />
mit über 200 an ALS erkrankten Patienten, bei<br />
89<br />
denen die Notwendigkeit für eine Beamtungstherapie<br />
bestand, ist die Zahl <strong>der</strong>jenigen Patienten, die<br />
sich bewusst für eine Tracheotomie entschieden<br />
haben, sehr gering (< 5%).<br />
Problematisch ist die Situation beson<strong>der</strong>s dann,<br />
wenn ein Patient im Rahmen einer Notfallsituation<br />
o<strong>der</strong> z.B. nach einer Operation intubiert wurde, <strong>der</strong><br />
Beatmungstubus nicht entfernt werden kann und<br />
anschließend die Tracheotomie erfolgt. Hier sollte<br />
in Abhängigkeit vom Schweregrad <strong>der</strong> Erkrankung<br />
in intensiven Gesprächen mit Patient und Angehörigen<br />
unter Berücksichtigung von religiösen/ethischen<br />
Aspekten individuell eine geeignete Lösung<br />
gefunden werden: Organisation einer häuslichen<br />
Versorgung mit invasiver Beatmung, Versuch <strong>der</strong><br />
Umstellung auf eine nichtinvasive Beatmung in<br />
Kombination mit Sekretmanagement, o<strong>der</strong> auch<br />
Beendigung <strong>der</strong> Beatmung.
8 Vorsorge durch Vollmacht, Betreuungsverfügung,<br />
Patientenverfügung<br />
Albertine Deuter, Dipl. Sozialpädagogin (FH),<br />
Sozialberatung <strong>DGM</strong>-Landesverband Bayern<br />
Antje Faatz, Dipl. Sozialpädagogin (FH),<br />
Fachkraft für Palliative Care,<br />
<strong>DGM</strong>-Sozialberatung<br />
Meistens denken wir nicht gern daran, dass wir in<br />
eine Situation kommen können, die unsere Handlungsfreiheit<br />
so einschränkt, dass ein an<strong>der</strong>er<br />
Mensch unsere persönlichen Interessen vertreten<br />
muss. Daher sollten wir frühzeitig festlegen, wer in<br />
diesem Fall berechtigt ist, in unserem Sinn zu entscheiden.<br />
Selbst engste Angehörige bedürfen einer<br />
ausdrücklichen rechtlichen Handlungsbefugnis,<br />
wenn es darum geht, die Interessen den Betroffenen<br />
zu vertreten, z.B. in ärztliche Maßnahmen einzuwilligen<br />
o<strong>der</strong> sie abzulehnen.<br />
Drei Möglichkeiten <strong>der</strong> persönlichen Vorsorge gibt<br />
es:<br />
· die Vorsorgevollmacht<br />
· die Betreuungsverfügung<br />
· die Patientenverfügung<br />
In jedem Fall ist die schriftliche Abfassung nötig.<br />
Diese muss jedoch, abgesehen von <strong>der</strong> Unterschrift,<br />
nicht handschriftlich sein. Sie können dafür<br />
geeignete Vordruckmuster nutzen. <strong>Mit</strong> den folgenden<br />
Hinweisen wollen wir Sie in das Thema einführen.<br />
Umfangreiche Informationen und die oben<br />
genannten Vordruckmuster finden Sie in unseren<br />
Literaturempfehlungen im Anhang.<br />
Die Vorsorgevollmacht<br />
Sie bestimmen eine o<strong>der</strong> mehrere Personen Ihres<br />
Vertrauens, die bereit sind, im Bedarfsfall wichtige<br />
Angelegenheiten für Sie zu regeln. Damit kann<br />
eine gerichtlich angeordnete Betreuung vermieden<br />
werden.<br />
Folgendes ist zu überlegen:<br />
· Die genaue Bezeichnung <strong>der</strong> Bereiche, wie zum<br />
Beispiel Gesundheit, Vertretung bei Behörden,<br />
Verwaltung <strong>der</strong> Finanzen, ist wichtig. Eine Generalvollmacht<br />
ist nicht ausreichend.<br />
· Sie können auch zwei Personen bevollmächtigen,<br />
die entwe<strong>der</strong> gemeinsam handeln o<strong>der</strong> verschiedene<br />
Aufgabenbereiche wahrnehmen.<br />
· Wenn Sie größeres Vermögen besitzen o<strong>der</strong> sehr<br />
differenzierte Handlungsanweisungen geben wol-<br />
90<br />
len, sollten Sie den Rat eines Rechtanwaltes o<strong>der</strong><br />
Notars einholen. Eine notarielle Beurkundung ist<br />
erfor<strong>der</strong>lich, wenn die Vollmacht auch zum Erwerb<br />
o<strong>der</strong> zur Veräußerung von Grundstücken<br />
o<strong>der</strong> zur Darlehensaufnahme berechtigen soll.<br />
· Bewahren Sie die Vollmacht an einem gut zugänglichen<br />
Ort auf. Das Original muss im Ernstfall<br />
für den Bevollmächtigten schnell verfügbar<br />
sein.<br />
Die Betreuungsverfügung<br />
Eine Betreuungsverfügung ist sinnvoll, wenn Sie<br />
niemanden haben, dem Sie eine Vollmacht anvertrauen<br />
wollen o<strong>der</strong> können.<br />
Ein Betreuer ist ein vom Vormundschaftsgericht<br />
bestellter Vertreter, <strong>der</strong> immer dann notwendig<br />
wird, wenn ein Patient seine Angelegenheiten ganz<br />
o<strong>der</strong> teilweise nicht mehr selbst besorgen kann und<br />
kein Bevollmächtigter vorhanden ist.<br />
<strong>Mit</strong> einer Betreuungsverfügung legen Sie fest, wer<br />
als Betreuer in Betracht kommt o<strong>der</strong> grundsätzlich<br />
ausscheidet. Darin festgelegte Wünsche müssen<br />
nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Der Betreuer<br />
steht unter <strong>der</strong> Kontrolle des Vormundschaftsgerichts.<br />
Folgendes ist zu überlegen:<br />
· Für den Betreuer ist es sehr hilfreich, wenn er<br />
Ihre persönlichen Vorstellungen bezüglich Ihrer<br />
gewünschten Lebensgestaltung kennt. Wenn Sie<br />
sich dazu äußern und Ihre Wünsche formulieren,<br />
können Sie auf die Ausgestaltung <strong>der</strong> Betreuung<br />
Einfluss nehmen.<br />
· Der Betreuer hat Anspruch auf Beratung und Unterstützung<br />
durch die Betreuungsstelle.<br />
· Die Betreuungsverfügung kann in einigen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
kostenfrei beim Vormundschaftsgericht<br />
o<strong>der</strong> Amtsgericht hinterlegt werden.
Die Patientenverfügung<br />
In einer Patientenverfügung legen Sie grundsätzlich<br />
fest, was Sie an ärztlichen Maßnahmen zulassen<br />
o<strong>der</strong> ablehnen wollen, wenn Sie nicht mehr in<br />
<strong>der</strong> Lage sind, selbst zu entscheiden. Sie können<br />
sich äußern zu Einleitung, Umfang und Beendigung<br />
ärztlicher Maßnahmen. Sie bestimmen, unter<br />
welchen Voraussetzungen <strong>leben</strong>serhaltende o<strong>der</strong> <strong>leben</strong>sverlängernde<br />
Maßnahmen vorgenommen o<strong>der</strong><br />
unterbleiben bzw. abgebrochen werden sollen.<br />
Wichtiger Hinweis:<br />
Zum 1. September 2009 trat das Dritte Gesetz zur<br />
Än<strong>der</strong>ung des Betreuungsrechts in Kraft (§ 1901a<br />
BGB). Danach bleiben „alte“ Patientenverfügungen,<br />
die vor Inkrafttreten <strong>der</strong> gesetzlichen Regelung<br />
(schriftlich) verfasst wurden, grundsätzlich<br />
auch nach <strong>der</strong> neuen Rechtslage wirksam. Man<br />
kann entsprechende Broschüren also bedenkenlos<br />
weiterverwenden.<br />
Folgendes ist zu beachten:<br />
· Für eine Patientenverfügung ist es erfor<strong>der</strong>lich,<br />
dass die Willensbekundung von einem einwilligungsfähigen<br />
Volljährigen verfasst wurde und in<br />
schriftlicher Form vorliegt. Dazu muss sie von<br />
Ihnen eigenhändig durch Namensunterschrift<br />
o<strong>der</strong> durch ein notariell beglaubigtes Handzeichen<br />
unterzeichnet sein. Mündliche Äußerungen<br />
sind deshalb aber nicht wirkungslos. Sie müssen<br />
bei <strong>der</strong> Feststellung des mutmaßlichen Patientenwillens<br />
beachtet werden.<br />
· Die Patientenverfügung enthält eine Entscheidung<br />
über die Einwilligung o<strong>der</strong> Nichteinwilligung in<br />
eine bestimmte, zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Festlegung<br />
noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche<br />
Maßnahme.<br />
· Sie sollten möglichst genau die Situationen benennen,<br />
für die diese Verfügung gilt. Es empfiehlt<br />
sich, die Patientenverfügung auf die konkrete<br />
<strong>Krankheit</strong>ssituation zu beziehen und mit dem<br />
Arzt über den <strong>Krankheit</strong>sverlauf, mögliche Komplikationen<br />
und Behandlungsmöglichkeiten zu<br />
sprechen. Bei <strong>der</strong> Formulierung sollten möglichst<br />
medizinische Diagnosen und Prognosen verwendet<br />
werden, da diese die Grundlage ärztlicher<br />
Entscheidungsfindung darstellen.<br />
· Ergänzende persönliche Angaben sind für nicht<br />
voraussehbare Situationen hilfreich, damit Ihre<br />
Wertvorstellungen, Ihre religiöse Anschauung,<br />
91<br />
Ihre Einstellung zum Leben und Sterben deutlich<br />
werden.<br />
· Nicht zwingend vorgeschrieben für eine wirksame<br />
Patientenverfügung sind ärztliche Beratung<br />
und Aufklärungsarbeit, anwaltliche Beratungsgremien,<br />
notarielle Beurkundung und laufende Aktualisierung.<br />
Dennoch ist es ratsam, mit einem<br />
Arzt des Vertrauens den Inhalt <strong>der</strong> Patientenverfügung<br />
zu besprechen (s.o.).<br />
· Der in einer Patientenverfügung zum Ausdruck<br />
kommende Wille ist unmittelbar bindend, wenn<br />
<strong>der</strong> Verfasser Festlegungen gerade für diejenige<br />
Lebens- und Behandlungssituation getroffen hat,<br />
die nun zu entscheiden ist; <strong>der</strong> Wille nicht auf ein<br />
Verhalten gerichtet ist, das einem gesetzlichen<br />
Verbot unterliegt (Tötung auf Verlangen); <strong>der</strong><br />
Wille in <strong>der</strong> Behandlungssituation noch aktuell ist<br />
und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die<br />
Patientenverfügung durch äußeren Druck o<strong>der</strong><br />
aufgrund eines Irrtums zustande gekommen ist.<br />
· Einen Hinweis auf die Patientenverfügung können<br />
Sie mit den Ausweispapieren immer bei sich<br />
tragen.<br />
Wir empfehlen:<br />
Keine Patientenverfügung ohne Vorsorgevollmacht<br />
o<strong>der</strong> Betreuungsverfügung! - damit gesichert<br />
ist, dass jemand Ihre Interessen vertritt.
Der Notfallplan<br />
Sinnvoll ist bei einer schweren Erkrankung wie<br />
<strong>der</strong> Amyotrophen Lateralsklerose die Ergänzung<br />
<strong>der</strong> Patientenverfügung durch einen Notfallplan,<br />
<strong>der</strong> sich auf konkrete Behandlungssituationen<br />
beim Auftreten <strong>leben</strong>sbedrohlicher Komplikationen<br />
bezieht.<br />
ALS-Patienten sterben in <strong>der</strong> Regel (d.h. in mehr<br />
als 90% <strong>der</strong> Fälle) friedlich und ohne qualvolle<br />
Symptome. Ca. 30-50% <strong>der</strong> Patienten bedürfen<br />
jedoch spezieller Medikation zur Lin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
häufigsten Symptome in <strong>der</strong> Terminalphase.<br />
Als Patient sollten Sie deshalb über mögliche<br />
Komplikationen aufgeklärt sein und dazu spezifisch<br />
Ihren Behandlungswunsch angeben. Das<br />
kann nicht ohne den behandelnden Arzt o<strong>der</strong><br />
sonstige kompetente Gesprächspartner, z.B. eine<br />
Palliativfachpflegekraft, geschehen. Diese Gesprächspartner<br />
sollten auch in <strong>der</strong> Patientenverfügung<br />
genannt werden.<br />
Soweit die gewünschte Behandlung <strong>leben</strong>sbedrohlicher<br />
Komplikationen medikamentös erfolgen<br />
soll, müssen diese Medikamente bei Ihnen<br />
als Patient zu Hause vorrätig sein und entsprechend<br />
verschrieben werden. Alle Beteiligten<br />
sollten über bereitliegende Notfallmedikamente<br />
informiert sein. Ehepartner sollen vom betreuenden<br />
Arzt in Zusammenarbeit mit Palliativfachpflegekräften<br />
über den korrekten Einsatz <strong>der</strong><br />
Medikamente informiert werden.<br />
Eine Liste aller Ansprechpersonen mit Telefonnummern<br />
und evtl. Zeiten <strong>der</strong> Erreichbarkeit<br />
muss für alle sichtbar und greifbar sein.<br />
92
9 Selbsthilfe und Unterstützung<br />
DIE DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR<br />
MUSKELKRANKE <strong>DGM</strong> E.V.<br />
Kontaktpersonen - Verständnis,<br />
Rat und ein offenes Ohr<br />
In ganz Deutschland sind über 300 ehrenamtliche<br />
Kontaktpersonen als Ansprechpartner für Ihre Fragen<br />
da. Einige von Ihnen sind ALS-Betroffene<br />
bzw. Angehörige o<strong>der</strong> Hinterbliebene. Sie können<br />
besser als je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e nachvollziehen, was die<br />
ALS für die Patienten und ihre Familien bedeutet.<br />
<strong>Mit</strong> Kontaktpersonen können Sie darüber sprechen,<br />
wie sie mit <strong>der</strong> Erkrankung umgehen, Sie<br />
können sie nach Hilfsmitteln o<strong>der</strong> Ärzten, Physiotherapeuten,<br />
Pflegediensten in <strong>der</strong> Region fragen.<br />
Kontaktpersonen in Ihrer Nähe können Sie auf <strong>der</strong><br />
<strong>DGM</strong>-Homepage (www.dgm.org) suchen o<strong>der</strong> Sie<br />
fragen direkt bei <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> bzw. bei dem Vorsitzenden<br />
Ihres Landesverbands.<br />
Regionale ALS-Gesprächskreise<br />
Die ALS-Gesprächskreise erfreuen sich in ganz<br />
Deutschland eines regen Zuspruchs, denn sie bieten<br />
eine ganz beson<strong>der</strong>s intensive Form <strong>der</strong> Selbsthilfe.<br />
In vertrauter und vertraulicher Atmosphäre<br />
treffen sich ALS-Patienten und Angehörige, um<br />
sich über die Erkrankung auszutauschen o<strong>der</strong> von<br />
den eingeladenen Referenten mehr über bestimmte<br />
Aspekte <strong>der</strong> Erkrankung zu erfahren.<br />
<strong>DGM</strong> Beratungszentrum<br />
Am Sitz <strong>der</strong> Bundesgeschäftsstelle in Freiburg ist<br />
das Beratungszentrum <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> angesiedelt. Die<br />
hier tätigen hauptamtlichen Berater unterstützen<br />
die Landesverbände und Kontaktpersonen in <strong>der</strong><br />
ehrenamtlichen Beratungsarbeit. Sie können sich<br />
an die hauptamtlichen Beraterinnen <strong>der</strong> <strong>DGM</strong><br />
wenden, wenn Sie Fragen zu medizinischen o<strong>der</strong><br />
psychosozialen Aspekten Ihrer Erkrankung, zur<br />
<strong>Krankheit</strong>sbewältigung o<strong>der</strong> zu Hilfsmitteln haben.<br />
Die Berater helfen Ihnen auch weiter bei Schwierigkeiten<br />
mit Kostenträgern etc.<br />
Regelmäßig organisieren die hauptamtlichen <strong>Mit</strong>arbeiter<br />
überregionale Selbsthilfetagungen und<br />
Symposien, um die Begegnung und den Austausch<br />
<strong>der</strong> Betroffenen zu för<strong>der</strong>n sowie ausgewählte Themen<br />
vertieft zu bearbeiten.<br />
ALS-Rundbriefe<br />
Der ALS-Rundbrief lebt von den persönlichen Berichte<br />
und Gedanken Betroffener. Ergänzt wird<br />
jede Ausgabe durch aktuelle Informationen zu Me-<br />
93<br />
dizin und Forschung, Pflege etc. Er erscheint zwei<br />
Mal jährlich. Die Bezieher des ALS-Rundbriefes<br />
verpflichten sich, die Inhalte nicht an Außenstehende<br />
weiter zu geben, um die Vertraulichkeit des<br />
Austausches zu gewährleisten.<br />
Informationen<br />
Bei <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> erhalten Sie Informationen zum<br />
<strong>Krankheit</strong>sbild <strong>der</strong> ALS allgemein, zur Physiotherapie<br />
und Logopädie bei ALS sowie zu weiteren<br />
Themen, die für ALS-Betroffene von Bedeutung<br />
sind. Dazu gehören Hilfsmittel, Beatmung, Pflegeversicherung,<br />
Medizinische Rehabilitation etc.<br />
Eine ausführliche Liste <strong>der</strong> Informationen finden<br />
Sie im Anhang.<br />
Internet: Informationen, ALS-<br />
Forum und ALS-Chat<br />
Auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> www.dgm.org finden<br />
Sie neben ausführlichen Informationen zur ALS<br />
das ALS-Forum und den ALS-Chat. Auch dort<br />
können Sie sich auf kurzem Weg mit an<strong>der</strong>en Betroffenen<br />
o<strong>der</strong> Angehörigen austauschen.<br />
Neuromuskuläre Zentren<br />
In jedem Bundesland wurden im Auftrag <strong>der</strong> <strong>DGM</strong><br />
so genannte Neuromuskuläre Zentren (NMZ) gegründet.<br />
Dies sind Spezialambulanzen an Universitätskliniken,<br />
in denen Neurologen und Ärzte weiterer<br />
Fachrichtungen, sowie Physio-, Ergotherapeuten<br />
und Logopäden arbeiten. Ziel <strong>der</strong> NMZ ist es,<br />
eine kompetente interdisziplinäre Diagnostik und<br />
Behandlung muskelkranker und ALS-kranker<br />
Menschen zu gewährleisten und so die nie<strong>der</strong>gelassenen<br />
Ärzte und Therapeuten im Hinblick auf die<br />
Behandlung und Versorgung bei diesen seltenen<br />
Erkrankungen zu unterstützen. An einigen NMZ ist<br />
es gelungen, Sozialberatungsstellen einzurichten.<br />
Die Sozialberater dort arbeiten eng mit dem medizinischen<br />
Fachpersonal zusammen und unterstützen<br />
die Patienten nach <strong>der</strong> Diagnosestellung. Eine<br />
Liste <strong>der</strong> NMZ können sie bei <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> anfor<strong>der</strong>n<br />
(s. Bestellschein im Anhang).
DIE SCHWEIZERISCHE GESELLSCHAFT<br />
FÜR MUSKELKRANKE SGMK<br />
Die Schweizerische Gesellschaft für Muskelkranke<br />
SGMK ist eine ZEWO-zertifizierte Organisation,<br />
die in <strong>der</strong> deutschen und italienischen Schweiz die<br />
Anliegen muskelkranker Menschen vertritt. Sie<br />
strebt eine Zukunft an, in <strong>der</strong> alle Menschen mit<br />
einer Muskelkrankheit bestmöglich <strong>leben</strong> können –<br />
selbstbestimmt und gleichgestellt.<br />
Als Kompetenzzentrum für neuromuskuläre Erkrankungen<br />
informiert und berät sie ALS-Betroffene<br />
und ihre Angehörigen, leistet schnell und unbürokratisch<br />
Sachhilfe in Notfällen und vermittelt<br />
weitergehende Unterstützung. Im Hilfsmittelbereich<br />
verleiht die Gesellschaft gratis Kommunikationsgeräte<br />
für ALS-Betroffene mit Sprechschwierigkeiten.<br />
Sie organisiert Ferienlager, bietet Kontakt-<br />
und Selbsthilfegruppen sowie Informationsund<br />
Weiterbildungsveranstaltungen für Betroffene,<br />
Angehörige und Fachpersonen an, wie z. B. die<br />
große Fachtagung „ALS-Tag“, die alle zwei Jahre<br />
stattfindet. Außerdem hat sie das Netzwerk Myosuisse<br />
und die regionalen Neuromuskulären Zentren<br />
aufgebaut und unterstützt diese fortlaufend finanziell.<br />
Myosuisse<br />
Myosuisse ist das Netzwerk aller Fachleute und<br />
Organisationen, die sich in <strong>der</strong> Schweiz für Menschen<br />
mit neuromuskulären Erkrankungen einsetzen.<br />
Myosuisse fasst folgende Tätigkeitsbereiche<br />
mit dem übergeordneten Ziel zusammen, in allen<br />
Regionen <strong>der</strong> Schweiz umfassende fachliche Beratung<br />
und Betreuung für muskelkranke Menschen<br />
zu gewährleisten: Sieben regionale Neuromuskuläre<br />
Zentren, einen Lehrstuhl für neuromuskuläre<br />
Erkrankungen an <strong>der</strong> Universität Basel, das<br />
Schweizer Patienten Register, das Verzeichnis für<br />
Fachpersonen, die sich schweizweit mit neuromuskulären<br />
<strong>Krankheit</strong>en befassen und schließlich den<br />
fachlichen Beirat, <strong>der</strong> sich aus den Führungsverantwortlichen<br />
<strong>der</strong> Neuromuskulären Zentren und<br />
den zuständigen Case Managerinnen zusammensetzt.<br />
Neuromuskuläre Zentren<br />
Sieben regionale Neuromuskuläre Zentren bieten<br />
an den Universitätsspitälern in Basel, Bern, St.<br />
Gallen, Zürich, Lausanne, Genf und im Tessin<br />
auch ALS-kranken Menschen vollumfängliche<br />
professionelle Beratung und Unterstützung. Die<br />
94<br />
Behandlung in den Zentren basiert auf einer multidisziplinären<br />
Versorgung, die innerhalb <strong>der</strong> Muskelsprechstunde<br />
koordiniert wird. Kontakte und<br />
Adressen erhalten Sie bei <strong>der</strong> Gesellschaft für<br />
Muskelkranke.<br />
Das ALS Care Training<br />
Das ALS Care Training basiert auf dem Konzept<br />
<strong>der</strong> Erwachsenenbildung und beinhaltet Informationsvermittlung<br />
und praktisches Üben. Das Training<br />
richtet sich an Betroffene, Angehörige und<br />
Pflegende mit dem Ziel, pflegerische Basiskenntnisse,<br />
ALS-spezifisches Fachwissen und Sicherheit<br />
im Umgang mit ALS im Alltag zu vermitteln. Das<br />
Erkennen <strong>der</strong> eigenen Grenzen und das Wissen um<br />
Hilfsangebote im Austausch sind ebenfalls zentral.<br />
Das Care Training besteht aus fünf Modulen: Bewegung,<br />
Atmung, Ernährung, Pflege und Zeit zuletzt.<br />
Die Gesellschaft bietet das Care Training seit<br />
2008 in Zusammenarbeit mit dem Muskelzentrum/<br />
ALS-Clinic St. Gallen an. Die Informationsvermittlung<br />
erfolgt durch die ALS Nurse, Fachärzte,<br />
spezifisches Fachpersonal sowie die Sozialberaterin<br />
<strong>der</strong> SGMK. Weitere Informationen erhalten Sie<br />
über die Geschäftsstelle.<br />
Kontakt- und Selbsthilfegruppen<br />
Wird die Diagnose ALS ausgesprochen, droht Betroffenen<br />
und ihren Angehörigen <strong>der</strong> Boden unter<br />
den Füßen einzustürzen. Das Gespräch mit an<strong>der</strong>en<br />
Betroffenen und Angehörigen kann helfen, mit<br />
dieser überwältigenden Situation umgehen zu können<br />
und die entsprechende Hilfe aufzugleisen. Seit<br />
fünfzehn Jahren initiiert, koordiniert und unterstützt<br />
die SGMK Kontakt- und Selbsthilfegruppen<br />
für ALS-Betroffene und <strong>der</strong>en Angehörige. ALS-<br />
Gesprächsgruppen finden mehrmals im Jahr in<br />
Aarau, Basel, Bern, St. Gallen, Zürich und im Wallis<br />
statt, eine Broschüre können Sie bei <strong>der</strong> Geschäftsstelle<br />
anfor<strong>der</strong>n.<br />
Schweizerische Gesellschaft<br />
für Muskelkranke SGMK<br />
Kanzleistrasse 80<br />
CH-8004 Zürich<br />
Telefon +41 (0)44 245 80 30<br />
Fax +41 (0)44 245 80 31<br />
info@muskelkrank.ch<br />
www.muskelkrank.ch<br />
PC-Konto 80-29554-4
Anhang<br />
Im Folgenden wollen wir Sie auf weiterführende<br />
Literatur und nützliche (Internet-) Adressen zu den<br />
einzelnen Kapiteln des <strong>DGM</strong>-<strong>Handbuch</strong>s „ALS –<br />
mit <strong>der</strong> <strong>Krankheit</strong> <strong>leben</strong> <strong>lernen</strong>“ hinweisen. Anschließend<br />
finden Sie dann noch einen Bestellschein<br />
für wichtige Informationsmaterialien <strong>der</strong><br />
<strong>DGM</strong>, die Sie direkt in <strong>der</strong> Bundesgeschäftsstelle<br />
<strong>der</strong> <strong>DGM</strong> anfor<strong>der</strong>n können.<br />
WEITERFÜHRENDE MATERIALIEN, LI-<br />
TERATUR UND ADRESSEN<br />
1 Neue Diagnose ALS - Was<br />
kommt jetzt auf mich zu, was ist<br />
zu tun?<br />
Organisationen<br />
www.alsmndalliance.org<br />
International Alliance of ALS / MND Associations<br />
(mit Links zu allen nationalen <strong>Mit</strong>gliedsorganisationen)<br />
www.muskelkrank.ch<br />
Schweizerische Gesellschaft für Muskelkranke<br />
Broschüren sind gratis erhältlich bei <strong>der</strong> Geschäftsstelle<br />
o<strong>der</strong> als Download im Online Shop<br />
<strong>der</strong> Homepage<br />
www.als-vereinigung.ch<br />
ALS-Vereinigung / Schweiz<br />
www.als-info.at<br />
Forum ALS, Verein für multiprofessionelle ALS-<br />
Hilfe / Österreich<br />
www.als-mobil.de<br />
ALS-mobil e.V., Berlin<br />
www.stop-als.de<br />
Initiative Therapieforschung ALS<br />
www.patientslikeme.com<br />
Internationales Portal und Internetcommunity<br />
<strong>Krankheit</strong>sverarbeitung<br />
Prof. Maria Wasner, München 2008. Resilienz bei<br />
Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS)<br />
und ihren Angehörigen. (kann bei <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> kostenlos<br />
angefor<strong>der</strong>t werden)<br />
Eltern und Kin<strong>der</strong><br />
<strong>DGM</strong>-Information für Kin<strong>der</strong> „Wenn jemand ALS<br />
hat, <strong>der</strong> dir wichtig ist“ (kann bei <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> kostenlos<br />
angefor<strong>der</strong>t werden)<br />
95<br />
· www.als411.ca (Kin<strong>der</strong>- und Jugendseite <strong>der</strong> kanadischen<br />
ALS Gesellschaft in englischer und<br />
französischer Sprache)<br />
· www.supakids.de (Zentrum für Kin<strong>der</strong> chronisch<br />
kranker Eltern SupaKids)<br />
· www.behin<strong>der</strong>te-eltern.de: Bundesverband behin<strong>der</strong>ter<br />
Eltern BBE e.V.<br />
Psychotherapie<br />
Psychotherapie-Informations-Dienst PID (kostenloser<br />
Beratungs- und Vermittlungsservice)<br />
Am Köllnischen Park 2, 10179 Berlin<br />
Tel.: 030/ 2091663-30<br />
Fax: 030/ 2091663-16<br />
E-Mail: pid@dpa-bdp.de<br />
Internet: www.psychotherapiesuche.de<br />
Seelsorge<br />
Brief- und E-Mail Seelsorge (BESS)<br />
Das Konvent von behin<strong>der</strong>ten SeelsorgerInnen und<br />
Behin<strong>der</strong>tenseelsorgerInnen e.V. (kbs) bietet Menschen<br />
mit Behin<strong>der</strong>ungen und chronischen <strong>Krankheit</strong>en<br />
kostenlose und vertrauliche seelsorgerliche<br />
Begleitung per Brief und/o<strong>der</strong> E-Mail.<br />
Kontakt: Kbs-Geschäftsstelle: Sachsenstr. 2, 67105<br />
Schifferstadt, Tel. 06235/ 457676,<br />
Internet: www.behin<strong>der</strong>te-pfarrer.de, E-Mail:<br />
info@behin<strong>der</strong>te-pfarrer.de.<br />
Literatur: Erfahrungen<br />
<strong>Mit</strong>ch Albom. Dienstags bei Morrie – Die Lehre<br />
eines Lebens.<br />
Goldmann Verlag, München 1998<br />
ISBN 3-442-30820-8<br />
€ 16,00 / € 8,50<br />
Carola Arndt. Gestohlene Zeit –<br />
eine Liebeserklärung.<br />
TRIGA – Der Verlag, Gelnhausen 2005<br />
ISBN 3-89774-443-0<br />
€ 8,90<br />
Sonja Balmer. Gedanken sind Früchte – Philosophische<br />
Briefe und Gedichte an eine chronische<br />
<strong>Krankheit</strong>.<br />
Zürich 2001<br />
ISBN 3-909287-27-1<br />
(Direktbezug über die <strong>DGM</strong>, € 14,- + Versandkosten,<br />
Bestellung mit Verrechnungsscheck o<strong>der</strong><br />
Überweisung auf das Kto. 2151751 bei <strong>der</strong> <strong>Deutsche</strong>n<br />
Bank Freiburg, BLZ 680 700 30)
Sonja Balmer. Atemlos – Aufzeichnungen<br />
zwischen Beatmungsmaschine,<br />
Schläuchen und Computer.<br />
Limmat Verlag, Zürich 2006<br />
ISBN 3-8579-502-1<br />
€19,-<br />
Gerhard Jenzer / Sonja Balmer. In <strong>der</strong><br />
Über<strong>leben</strong>sfalle - Erfahrungen einer<br />
ALS-Patientin.<br />
Schwabe Verlag Basel 2008<br />
127 S. mit Abbildungen. Gebunden.<br />
ISBN 978-3-7965-2443-1<br />
€ 19,50<br />
Irmgard Grunwald. Dem Himmel entgegen –<br />
Helle Gedanken auf einem dunklen Weg.<br />
Christliche Verlagsgesellschaft mbH,<br />
Dillenburg 2009<br />
144 S. kartoniert<br />
ISBN 978-3-89436-642-1<br />
€ 8,90<br />
Wolfgang Heidenreich. Geröll –<br />
Gedichte 2005 – 2006.<br />
Verlag Ulrich Keicher Warmbronn 2006<br />
ISBN 3-938743-29-8<br />
€ 18,-<br />
Maische. Gedichte 2006 – 2007.<br />
Verlag Ulrich Keicher Warmbronn 2007<br />
136 Seiten<br />
€ 20,-<br />
Birger Bergmann Jeppesen.<br />
Ob es im Himmel wohl besser ist?<br />
2a-Verlag 2002<br />
ISBN 3-929620-34-0<br />
€ 13,70.<br />
Björn Kern. Einmal noch Marseille. Roman.<br />
Verlag C.H.Beck oHG, München 2005<br />
ISBN 3-406-53551-8<br />
€ 12,90<br />
Helga Kessler. Starke Leben. Wie muskelkranke<br />
Menschen ihren Alltag bewältigen.<br />
<strong>Mit</strong> zahlreichen s/w-Fotos von Vera Markus und<br />
mit CD-ROM.<br />
Rüffer&Rub Sachbuchverlag 2009<br />
Gebunden, 256 Seiten<br />
ISBN 978-3-907625-46-0<br />
€ 25,40<br />
96<br />
Uschi Kürbihs. Leben im Sekundentakt -<br />
Die Unerträglichkeit des Seins o<strong>der</strong> die Erträglichkeit<br />
des Nichtseins – Mein Leben mit <strong>der</strong> PLS<br />
Schulz-Kirchner Verlag Idstein 2008<br />
76 S. kartoniert<br />
ISBN 978-3-8248-0296-8<br />
€ 15,-<br />
Christine Lehrke. Bis zum letzten Atemzug –<br />
Ein Plädoyer für ein menschenwürdiges Sterben.<br />
Kreuz Verlag, Stuttgart 2006<br />
ISBN 3-7831-2823-4<br />
€ 14,95<br />
Ulla-Carin Linquist. Ru<strong>der</strong>n ohne Ru<strong>der</strong> -<br />
Mein Leben und Sterben mit ALS.<br />
Aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs<br />
Wilhelm Goldmann Verlag, München 2004<br />
ISBN 3-442-33731-3<br />
€ 17,-<br />
Nicole Marzusch. Sehnsucht nach Leben.<br />
Gedichte im Eigenverlag, Beyernaumburg 2006<br />
216 Seiten, kartoniert<br />
ISBN-10: 3-00-019323-5<br />
ISBN-13: 978-3-00-019323-1<br />
€ 12,- incl. Versand (auf Rechnung)<br />
Bestellungen an: Nicole Marzusch, Am Eulenberg<br />
21, 06528 Beyernaumburg, E-Mail:<br />
schiele_de@yahoo.de<br />
Sandra Schadek. Ich bin eine Insel –<br />
Gefangen im eigenen Körper.<br />
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2009<br />
320 Seiten, kartoniert<br />
ISBN 978-3-499-62512-1, € 12,www.sandraschadek.de<br />
- ALS-Blog, ausgezeichnet<br />
mit dem Grimme-Preis 2008<br />
Christian Sighisorean. Rose & Gebrochen Deutsch<br />
- Wörter, Sätze, Gedichte.<br />
Mauer Verlag Rottenburg 2009.<br />
80 Seiten, Taschenbuch.<br />
ISBN 978-3-86812-159-9<br />
€ 12,80<br />
Werner Schmitz. Die Kraft des Augenblicks.<br />
Amyotrophe Lateralsklerose – Über den Versuch,<br />
mit einer Leben zerstörenden <strong>Krankheit</strong> zu <strong>leben</strong>.<br />
Shaker Verlag GmbH Aachen 2009<br />
66 S., kartoniert<br />
ISBN 978-3-8322-8156-4<br />
€ 12,00
Edith-Maria Soremba. Geschenkte Lebensjahre –<br />
Wir waren trotz ALS-Diagnose sehr glücklich.<br />
Geest-Verlag, Vechta 2005<br />
ISBN 3-937844-49-X<br />
€ 12,50<br />
Ulrike Westphal. Verschollen im Fahrstuhl -<br />
Anekdoten aus meinem Alltag<br />
Eigenverlag Ulrike Westphal 2008<br />
66 S., kartoniert<br />
Bezug direkt bei <strong>der</strong> Autorin:<br />
ulrikewestphal08@aol.com<br />
€ 7,50 zzgl. Versandkosten<br />
Ulrike Westphal. Schwerelos. Meinen schönsten<br />
Eindrücke und Wahrheiten<br />
Eigenverlag Ulrike Westphal 2009<br />
66 S., kartoniert<br />
Bezug direkt bei <strong>der</strong> Autorin:<br />
ulrikewestphal08@aol.com<br />
€ 9,50 + 2,50 Versandkosten<br />
Dokumentarfilme<br />
Wie Handschuhe voller Sand<br />
TV Dokumentarfilm von Reinhild Dettmer-Finke<br />
(ARTE / WDR 2006)<br />
www.defi-filmproduktion.de<br />
Die Freiburger Filmemacherin porträtiert Menschen,<br />
die mit <strong>der</strong> ALS <strong>leben</strong> und unterschiedliche<br />
Wege des Umgangs mit <strong>der</strong> Erkrankung gefunden<br />
haben.<br />
<strong>Mit</strong> den Augen tanzen (WDR, 2006)<br />
Angela Jansen hat ALS. Sie kann nur noch die Augenli<strong>der</strong><br />
bewegen - sonst nichts. Trotzdem ist sie<br />
Laiendarstellerin in dem Theaterstück "Kunst und<br />
Gemüse" von Christoph Schlingensief. Ein Film<br />
über den beeindruckenden Kampf einer Frau um<br />
ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben.<br />
(DVD: 4 €+Versand bei mail@thoenicke.de)<br />
Antonia lässt los - Eine filmische Sterbebegleitung<br />
(3sat / SF, 2005)<br />
Ihr letzter Wunsch war: noch einmal aufs Riesenrad.<br />
Und das zu einem Zeitpunkt, als die 51-jährige<br />
Antonia schon fast vollständig gelähmt war und<br />
Mühe mit dem Atmen hatte, zu einem Zeitpunkt, in<br />
dem viele an<strong>der</strong>e mit <strong>der</strong> selben unheilbaren<br />
<strong>Krankheit</strong> schon lange aufgegeben hätten. Nochmals<br />
etwas Verrücktes er<strong>leben</strong> - typisch Antonia.<br />
An die Grenzen gehen bis zum Schluss - typisch<br />
Antonia. So war sie immer. An<strong>der</strong>es musste sie<br />
97<br />
mühsam <strong>lernen</strong>. Geduld zum Beispiel - und Loslassen.<br />
(DVD im Handel erhältlich)<br />
<strong>Mit</strong>schnittservices:<br />
ARTE: SWR Media Services GmbH, <strong>Mit</strong>schnittdienst,<br />
76522 Baden-Baden, Tel: 07221/ 929-500,<br />
Fax: 07221/ 929-4511<br />
WDR: WDR mediagroup digital GmbH, <strong>Mit</strong>schnittservice<br />
Fernsehen, Hugo-Eckener-Straße 27,<br />
50829 Köln, Fax: 0221 / 95 333 245,<br />
http://www.wdr.de/tv/home/sendemitschnitte/<br />
Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweis<br />
Broschüre „Nachteilsausgleiche für Menschen mit<br />
Behin<strong>der</strong>ungen“<br />
Rheinland-Verlag<br />
Abtei Brauweiler<br />
Postfach 2140<br />
50250 Pulheim<br />
Tel. 02234/9921-0<br />
Fax 02234/ 9921-219<br />
E-Mail: info@rheinlandkultur.de<br />
Internet: www.rheinlandkultur.de (Links / Landschaftsverband<br />
Rheinland) o<strong>der</strong> www.lvr.de (Publikationen)<br />
Broschüren zum Schwerbehin<strong>der</strong>tenverfahren<br />
(SGB IX) sowie zu Nachteilsausgleichen<br />
Zentrum Bayern - Familie und Soziales<br />
Internet: www.zbfs.bayern.de/integrationsamt/broschueren/index.html<br />
www.rentenburo.de<br />
www.reha-servicestellen.de<br />
Gemeinsame Servicestellen <strong>der</strong> Sozialversicherungsträger,<br />
Informationen und Beratungsangebote<br />
zu Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweis und Rente<br />
Stiftungen<br />
<strong>DGM</strong>-Infoblatt „Individuelle Hilfe durch Stiftungen“<br />
(kann in <strong>der</strong> Geschäftsstelle angefor<strong>der</strong>t<br />
werden)<br />
www.stiftungsindex.de<br />
www.stiftungsrecherche.de<br />
www.nowak-stiftung.de<br />
Die Krzysztof Nowak-Stiftung leistet auch Einzelfallhilfe<br />
bei ALS
2 Medizinische Versorgung – therapeutische<br />
Möglichkeiten<br />
www.als-netz.de<br />
Informationen zu ALS-Forschung und Behandlung,<br />
Links zu den Adressen und Internetseiten <strong>der</strong><br />
ALS-Ambulanzen in Deutschland<br />
R. Dengler, A. Ludolph, S. Zierz. Amyotrophe<br />
Lateralsklerose.<br />
Thieme Verlag, Stuttgart, New York 2000<br />
ISBN 3-13-127502-2 · € 54,95<br />
Prof. Dr. B. Neundörfer. Praxis <strong>der</strong> Amyotrophen<br />
Lateralsklerose.<br />
UNI-MED Verlag, Bremen 2002<br />
ISBN 3-89599-598-3<br />
€ 44,80<br />
Jörn P. Sieb / Bertold Schrank. Neuromuskuläre<br />
Erkrankungen.<br />
W. Kohlhammer, Stuttgart 2009<br />
ISBN 978-3-17-018381-0<br />
€ 59,90<br />
Therapeutensuche<br />
Da neuromuskuläre Erkrankungen relativ selten<br />
vorkommen, sind nicht alle Therapeuten mit <strong>der</strong><br />
Behandlung von ALS Patienten vertraut. Wer vor<br />
<strong>der</strong> Entscheidung steht, eine Therapie zu beginnen,<br />
sollte sich von dieser Tatsache jedoch nicht verunsichern<br />
lassen. Erste Orientierungspunkte für die<br />
Therapeutensuche haben wir auf Seite 23 zusammengefasst.<br />
Wohnortnahe Adressen von Physio-, Ergotherapeuten/-innen<br />
und Logopäden/-innen findet man zum<br />
Teil in Branchentelefonbüchern, über den jeweiligen<br />
Berufsverbänden o<strong>der</strong> über eine Anfrage an<br />
den regionalen Neuromuskulären Zentren. Wie<br />
immer sollte auch im Freundeskreis o<strong>der</strong> bei an<strong>der</strong>en<br />
Betroffenen nach Erfahrungen nachgefragt<br />
werden. Vielleicht hat ja jemand selbst einen guten<br />
Therapeuten o<strong>der</strong> kennt jemanden. Die ehrenamtlichen<br />
Kontaktpersonen <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> in <strong>der</strong> betreffenden<br />
Region können ebenfalls bei <strong>der</strong> Therapeutensuche<br />
helfen (Kontaktadressen sind über die Bundesgeschäftsstelle<br />
erhältlich o<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Internetseite<br />
<strong>der</strong> <strong>DGM</strong>: www.dgm.org).<br />
Gute Therapeuten bilden sich regelmäßig fort und<br />
sind größtenteils <strong>Mit</strong>glie<strong>der</strong> von Berufsverbänden.<br />
Es kann deshalb erfolgversprechend sein, bei den<br />
98<br />
Berufsverbänden nach entsprechenden Adressen zu<br />
fragen.<br />
Internetadressen <strong>der</strong> Berufsverbände <strong>der</strong><br />
Therapeuten<br />
www.zvk.org<br />
(<strong>Deutsche</strong>r Verband für Physiotherapie)<br />
www.dbl-ev.de<br />
(<strong>Deutsche</strong>r Bundesverband für Logopädie e.V.)<br />
www.dve.info<br />
(<strong>Deutsche</strong>r Verband <strong>der</strong> Ergotherapeuten)<br />
3 Selbständigkeit und<br />
Mobilität erhalten<br />
Hilfsmittelsuche<br />
www.rehadat.de<br />
Internetdatenbank mit Informationen zu den Themen<br />
Hilfsmittel, Behin<strong>der</strong>ung, Sozialrecht, Integration<br />
und Beruf. Alle Informationen gibt es kostenlos<br />
im Internet o<strong>der</strong> auf CD-Rom.<br />
www.sahb.ch<br />
SAHB, Schweizerische Arbeitsgemeinschaft Hilfsmittelberatung<br />
für Behin<strong>der</strong>te und Betagte<br />
www.hilfsmittelmarkt.ch<br />
Hilfsmittel für behin<strong>der</strong>te und betagte Menschen in<br />
<strong>der</strong> Schweiz<br />
Bauen und Wohnen<br />
www.nullbarriere.de<br />
Internetseite zum Themenkreis barrierefreies Planen<br />
und Bauen sowie Finanzierung.<br />
www.bag-wohnungsanpassung.de<br />
Internetseite <strong>der</strong> Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung<br />
e.V. zur För<strong>der</strong>ung des selbständigen<br />
Wohnens älterer und behin<strong>der</strong>ter Menschen.<br />
www.ftb-net.de<br />
Internetseite des Forschungsinstituts Technologie-<br />
Behin<strong>der</strong>tenhilfe (FTB) rund um das Thema Wohnen<br />
mit mo<strong>der</strong>nen Technologien für ältere Menschen<br />
und für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen.<br />
www.dipb.de<br />
Internetseite des Dachverbandes Integratives Planen<br />
und Bauen Stuttgart e.V. mit Adressen, Sachverständigenliste<br />
und Checklisten.<br />
www.online-wohn-beratung.de
Ein Angebot des gemeinnützigen Vereins „Barrierefrei<br />
Leben“ für Menschen, die aus unterschiedlichen<br />
Gründen bereits vorhandene Angebote für<br />
persönliche Beratung nicht nutzen können o<strong>der</strong><br />
wollen. Die Fragen können über das Internet gestellt<br />
werden. Handwerkerverzeichnisse zur Wohnungsanpassung<br />
und zum barrierefreien Bauen.<br />
www.baufoer<strong>der</strong>er.de<br />
Internetseite zur Fragen <strong>der</strong> Finanzierung von Baumaßnahmen<br />
mit Online-Rechner.<br />
www.hin<strong>der</strong>nisfrei-bauen.ch<br />
Schweizerische Fachstelle für behin<strong>der</strong>tengerechtes<br />
Bauen<br />
Freizeit<br />
www.vorleser.net<br />
kostenlose mp3-Hörbücher zum Download<br />
www.cbf-da.de o<strong>der</strong> www.eurokey.ch<br />
Der Schlüssel zu behin<strong>der</strong>tengerechten WC-Anlagen<br />
in Europa<br />
4 Pflege<br />
Hilfen im Alltag - Haushaltsnahe Dienstleistungen<br />
selbst organisieren.<br />
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Auflage<br />
2006, 152 Seiten, 7,90 € Abholpreis in den Beratungsstellen<br />
aller Verbraucherzentralen o<strong>der</strong> zzgl.<br />
2,50 € Versandkosten bei:<br />
Verbraucherzentrale NRW, Zentralversand,<br />
A<strong>der</strong>sstr. 78, 40215 Düsseldorf,<br />
Tel. 0180 / 500 14 33, Fax 0211 / 3809-235, E-<br />
Mail: publikationen@vz-nrw.de , www.ratgeberverbraucherzentrale.de<br />
Pflege zu Hause – So organisieren Sie die Hilfe.<br />
Stiftung Warentest. Neuaufl. (März 2009)<br />
broschiert, 224 Seiten, 16,90 €.<br />
ISBN: 978-3-868511-02-4<br />
www.pflegelotse.de<br />
Internetportal <strong>der</strong> Ersatzkassen, Informationen zu<br />
ca. 13 000 ambulanten und 10 000 stationären<br />
Pflegeeinrichtungen<br />
www.spitex.ch<br />
Spitex Verband Schweiz<br />
99<br />
Informationen zu ausländischen<br />
Haushaltshilfen<br />
Informationen zur Beschäftigung ausländischer<br />
Haushaltshilfen in Haushalten mit pflegebedürftigen<br />
Personen, Hinweise zum Vermittlungsverfahren<br />
und Formulare für die län<strong>der</strong>bezogenen Einstellungszusagen<br />
als Download zum Ausfüllen und<br />
Ausdrucken finden Sie auf den Internetseiten <strong>der</strong><br />
Bundesagentur für Arbeit www.arbeitsagentur.de.<br />
Unterstützung für pflegende Angehörige<br />
www.pflegebegleiter.de<br />
bundesweites Projekt freiwillige Pflegebegleitung<br />
Hospiz und Palliative Care<br />
www.wegweiser-hospiz-und-palliativmedizin.de<br />
Adressen von regionalen Hospizgruppen, ambulanten<br />
Palliativ-Pflegeberatungsdiensten, Palliativstationen<br />
und stationären Hospizen<br />
www.hospiz.net<br />
<strong>Deutsche</strong>r Hospiz- und PalliativVerband e.V. mit<br />
vielen Informationen<br />
www.dgpalliativmedizin.de<br />
<strong>Deutsche</strong> Gesellschaft für Palliativmedizin<br />
www.palliative.ch<br />
Schweizerische Gesellschaft für Palliative Medizin,<br />
Pflege und Begleitung<br />
Selbstbestimmt <strong>leben</strong> mit Assistenz<br />
www.forsea.de<br />
Bundesweites, verbandsübergreifendes Forum<br />
selbstbestimmter Assistenz behin<strong>der</strong>ter Menschen<br />
(ForseA) e.V.<br />
www.isl-ev.de<br />
Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in<br />
Deutschland (ISL) e.V.<br />
Eine von behin<strong>der</strong>ten Menschen selbst getragene<br />
Organisation und ein Zusammenschluss <strong>der</strong> Zentren<br />
für selbstbestimmtes Leben.
5 Kommunikation<br />
Beratung<br />
ISAAC e.V. Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation<br />
e.V.<br />
Pfarrer-Dr. Hoffmann-Str. 5a<br />
53343 Wachtberg<br />
Tel.: (0 22 25) 9 09 9317<br />
Internet: www.isaac-online.de<br />
Kommhelp.e.V.<br />
Verein, <strong>der</strong> zu frei verfügbaren Softwareprogrammen<br />
(Schreiben, Kommunikation, PC-Ansteuerung)<br />
informiert und Hilfestellung bei <strong>der</strong> Nutzung<br />
anbietet, www.kommhelp.de<br />
Adressen von Anbietern für<br />
Kommunikationshilfen<br />
BEH e.V.c/o Technik für Menschen GmbH<br />
Münsterstraße 5<br />
59065 Hamm<br />
Tel.: (01805) 000 912<br />
Internet: www.beh-verband.de<br />
Datenbanken für Kommunikationshilfen<br />
im Internet<br />
www.rehadat.de<br />
www.barrierefrei-kommunizieren.de<br />
Kommunikationshilfen: Adressen in <strong>der</strong><br />
Schweiz<br />
www.activecommunication.ch<br />
Active Communication GmbH, Zug<br />
www.fst.ch<br />
FST, Stiftung für elektronische Hilfsmittel,<br />
Neuenburg<br />
www.sks-rehab.ch<br />
SKS Rehab AG<br />
www.strack.ch<br />
Strack AG, Patienten- und Pflegebedarf<br />
6 Schluckstörungen und Ernährung<br />
G. D. Borasio / I. M. Husemeyer (Hrsg.)<br />
Ernährung bei Schluckstörungen<br />
Verlag Kohlhammer, überarbeitete und erweiterte<br />
6. Auflage<br />
ISBN 3-17-017914-4<br />
€ 18,-<br />
100<br />
7 Atmung / Beatmung<br />
Informationen zur Beatmungspflege (<strong>DGM</strong>-Infodienst)<br />
können bei <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> kostenlos angefor<strong>der</strong>t<br />
werden<br />
8 Fragen und Entscheidungen im<br />
Verlauf <strong>der</strong> Erkrankung<br />
Zu den Themenbereichen Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht<br />
und Betreuungsverfügung gibt es<br />
vielfältige Literatur. Im Folgenden wird eine kleine<br />
Auswahl an Ratgebern und Broschüren vorgestellt<br />
und von <strong>der</strong> <strong>DGM</strong>-Sozi¬al¬be¬ratung empfohlen.<br />
Sie enthalten klare, verständlich aufbereitete Informationen<br />
und juristisch geprüfte Vordrucke und<br />
sollen dazu beitragen, das Bewusstsein für die Notwendigkeit<br />
einer Vor¬sor¬ge für den rechtlichen<br />
Betreuungsfall zu schärfen. Sie liefern gleichzeitig<br />
konkrete Vorschläge für diejenigen, die sich zu<br />
einer Vorsorgevollmacht o<strong>der</strong> Betreuungsverfügung<br />
und zu einer damit kom¬binierten Patientenverfügung<br />
entschließen. Die Materialien nehmen<br />
keinen speziellen Bezug auf die Situation von<br />
Menschen mit Neuromuskulären Erkrankungen,<br />
erklären aber auf ver¬ständ¬li¬che Weise die Vorzüge<br />
und Nachteile <strong>der</strong> verschiedenen Vorsorgemöglichkeiten<br />
und helfen so, Schritt für Schritt zu<br />
praktischen Entscheidungen zu kommen.<br />
Eher grundlegende Informationen und Gedanken<br />
zum Thema enthält folgen<strong>der</strong> Ratgeber in Buchform:<br />
Die Patientenverfügung -<br />
Was Sie tun können, um richtig vorzusorgen.<br />
Thomas Klie / Johann-Christoph Student<br />
Ratgeber in aktualisierter Neuausgabe,<br />
2. Auflage 2008<br />
Her<strong>der</strong> Verlag Freiburg<br />
€ 9,90, 192 Seiten kartoniert<br />
ISBN: 978-3-451-05782-3<br />
Die Broschüre des bayrischen Justizministeriums<br />
wurde von einem interdisziplinären Arbeitskreis<br />
erstellt, dem neben Juristen auch Ärzte (u. a. Neurologen,<br />
Palliativmediziner), Theologen und Fachpflegekräfte<br />
angehören. Zum Thema Patientenverfügung<br />
enthält sie einen Abschnitt speziell für<br />
Menschen, die bereits von einer schweren Erkrankung<br />
betroffen sind sowie Hinweise für einen Notfallplan:
Vorsorge für Unfall, <strong>Krankheit</strong> und Alter<br />
11. Auflage, Stand September 2009<br />
Bayrisches Staatsministerium <strong>der</strong> Justiz und für<br />
Verbraucherschutz<br />
Internet:<br />
www.verwaltung.bayern.de<br />
(kostenloser Download: Startseite/Services/Broschüren<br />
bestellen/Gesamtliste o<strong>der</strong> Suchbegriff<br />
„Vorsorge“ eingeben)<br />
Buchhandel:<br />
ISBN 978-3-406-57518-1 (€ 3,90)<br />
Bestellung:<br />
Verlag C.H. Beck oHG, Wilhelmstraße 9,<br />
80801 München<br />
Tel.: 089/ 38189-750<br />
Fax.: 089/ 38189-358 o<strong>der</strong> -135<br />
E-Mail: bestellung@beck.de<br />
Von den Internetseiten des Bundesministeriums<br />
<strong>der</strong> Justiz können Sie sich neben den beiden folgenden<br />
Broschüren auch Muster für eine Vorsorgevollmacht,<br />
für eine Betreuungsverfügung und für<br />
eine Konto- und Depotvollmacht herunterladen.<br />
Zusätzlich stehen Ihnen dort das „Formular P -<br />
Antrag auf Eintragung einer Vorsorgevollmacht"<br />
und das „Formular PZ - Antrag auf Eintragung<br />
weiterer Bevollmächtigter zu einer Vorsorgevollmacht"<br />
zur Eintragung in das Zentrale Register bei<br />
<strong>der</strong> Bundesnotarkammer zur Verfügung:<br />
Betreuungsrecht. <strong>Mit</strong> ausführlichen Informationen<br />
zur Vorsorgevollmacht.<br />
Bundesministerium <strong>der</strong> Justiz<br />
Internet:<br />
http://www.bmj.bund.de/enid/Service/Publikationen_bh.html<br />
(pdf-Datei, kostenlos, nur als Download verfügbar)<br />
Patientenverfügung. Leiden, <strong>Krankheit</strong>, Sterben -<br />
wie bestimme ich, was medizinisch unternommen<br />
werden soll, wenn ich entscheidungsunfähig bin?<br />
Bundesministerium <strong>der</strong> Justiz<br />
Internet:<br />
http://www.bmj.bund.de/enid/Service/Publikationen_bh.html<br />
(pdf-Datei und Textbausteine als Word-Datei, kann<br />
kostenlos herunter geladen werden)<br />
Bestellung:<br />
beim Publikationsversand <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
Tel.: 01805 -77 80 90<br />
Fax.: 01805 - 77 80 94<br />
E-Mail: publikationen@bundesregierung.de<br />
101
AUTORENVERZEICHNIS<br />
Deuter, Albertine<br />
<strong>Deutsche</strong> Gesellschaft für Muskelkranke e.V.<br />
Landesverband Bayern<br />
Sozialberatung<br />
Friedrich-Baur-Institut<br />
Ziemssenstr. 1a<br />
80336 München<br />
Tel.: 089 / 5160 - 7411<br />
E-Mail: deuter@dgm-bayern.de<br />
Geiseler, Jens, Dr.<br />
Klinik für Intensivmedizin und Langzeitbeatmung<br />
Asklepios Fachkliniken München-Gauting<br />
Robert-Koch-Allee 2<br />
82131 Gauting<br />
Tel. 089 / 85791 - 4301<br />
E-Mail: j.geiseler@asklepios.com<br />
Goldman, Bea<br />
Intensivpflege, ALS-Nurse<br />
ALS Clinic Kantonsspital St. Gallen<br />
Greithstrasse 20<br />
CH – 9007 St. Gallen / Schweiz<br />
Tel.: 0041 / 71 / 494 – 3585<br />
E-Mail: bea.goldman@kssg.ch<br />
www.als-sg.ch<br />
Kollewe, Katja, Dr.<br />
Neurologische Klinik mit Klinischer<br />
Neurophysiologie<br />
Medizinische Hochschule Hannover<br />
Carl-Neuberg-Straße 2c<br />
30625 Hannover<br />
Tel.: 0511 / 53 33 – 578<br />
E-Mail: kollewe.katja@mh-hannover.de<br />
Palzer-Rohr, Birgit<br />
Ernährungs- und Diätberaterin<br />
Carl-Bosch-Weg 2<br />
23568 Lübeck<br />
E-Mail: birgit.palzer-rohr@dgm.org<br />
Petri, Susanne, Prof. Dr.<br />
Neurologische Klinik mit Klinischer<br />
Neurophysiologie<br />
Medizinische Hochschule Hannover<br />
Carl-Neuberg-Straße 1<br />
D-30625 Hannover<br />
Tel.: 0511 / 53 33 – 578<br />
Petri.Susanne@MH-Hannover.de<br />
102<br />
Riecker, Axel, Dr.<br />
Neurologische Klinik <strong>der</strong> Universitätsund<br />
Rehabilitationskliniken Ulm (RKU)<br />
Oberer Eselsberg 45<br />
89081 Ulm<br />
Tel.: 0731 / 177 – 1206<br />
axel.riecker@uni-ulm.de<br />
Schmidt, Pamela, Dipl.-Psych.<br />
Psychologische Psychotherapeutin<br />
(Verhaltenstherapie),<br />
Klinische Neuropsychologin und Supervisorin<br />
(GNP)<br />
Alt-Pichelsdorf 35 A<br />
13595 Berlin<br />
Tel.: 030 / 34 48 608<br />
E-Mail: nuclei@gmx.net<br />
Schröter, Carsten, Dr.<br />
Klinik Hoher Meissner<br />
Hardtstr. 36<br />
37242 Bad Sooden-Allendorf<br />
Tel.: 05652 / 55 86 - 0<br />
E-Mail: c.schroeter@reha-klinik.de<br />
Windisch, Wolfram, Prof. Dr.<br />
Universitätsklinik Freiburg<br />
Abteilung Pneumologie<br />
Universitätsklinik Freiburg<br />
Killian Straße 5<br />
79106 Freiburg i. Breisgau<br />
Tel 0761 / 270 - 3731<br />
E-Mail: windisch@med1.ukl.uni-freiburg.de<br />
Winterholler, Cordula, M.A.<br />
Lehrlogopädin für Dysphagie und Dysarthrophonie<br />
Logopädisches Therapiezentrum<br />
Rathsbergerstr. 57<br />
91054 Erlangen<br />
Tel.: 09131 / 40 01 666<br />
E-Mail: team@ltaw.de<br />
Winterholler, Martin, Dr.<br />
Krankenhaus Rummelsberg GmbH<br />
Neurologische Klinik<br />
Rummelsberg 71<br />
90529 Schwarzenbruck<br />
Tel.: 09128 / 503437<br />
E-Mail: winterholler.martin@rummelsberger.net
LITERATURVERZEICHNIS<br />
ALS Society of Canada (Hrsg.), 2005:<br />
Manual for People living with ALS.<br />
256 Yorkland Boulevard, Suite 300<br />
Toronto, Ontario, M2J 1S5<br />
E-Mail: info@als.ca<br />
Internet: http://www.als.ca<br />
ALS Society of British Columbia (Hrsg.), 1993:<br />
ALS: Strategies for Living.<br />
# 208-1600 West 6th Avenue<br />
Vancouver, British Columbia, V6J 1R3<br />
E-Mail: info@ alsbc.ca<br />
Internet: http://www.alsbc.ca<br />
Yorkston, Miller, Strand, 1995 (1):<br />
Management of Speech and Swallowing<br />
in Degenerative Diseases.<br />
Austin (Texas).<br />
103<br />
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN<br />
Kapitel 2<br />
Logopädie: C. Winterholler<br />
Kapitel 4<br />
Tipps für die Pflege zu Hause: Russka Ludwig<br />
Bertram GmbH<br />
Kapitel 5<br />
Mobile Kommunikationsgeräte: Rehavista<br />
Bildschirmtastatur:<br />
Trade & Service Wolfgang Kreidl<br />
Augensteuerungssysteme: 1. Rehavista; 2.<br />
Incap;<br />
Umfeldsteuerungssystem: 3. Insors<br />
Kapitel 6<br />
Wenn <strong>der</strong> Bissen im Hals stecken bleibt:<br />
C. Winterholler<br />
Alle übrigen Fotos und Abbildungen: <strong>DGM</strong>
STELLUNGNAHMEN DER <strong>DGM</strong><br />
Im Folgenden finden Sie zwei Stellungnahmen <strong>der</strong><br />
<strong>DGM</strong>. Sie erläutern die Beson<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> ALS und<br />
können Sie bei <strong>der</strong> Beantragung eines Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweises<br />
bzw. stationärer Rehabilitation<br />
unterstützen.<br />
104
FESTSETZUNG DES BEHINDERTEN -<br />
GRADES BEI ALS<br />
Die Amyotrophe Lateralsklerose ist eine gravierende<br />
Erkrankung des Nervensystems mit dramatisch<br />
fortschreiten<strong>der</strong> Symptomatik und infauster<br />
Prognose.<br />
Betroffen sind sowohl die zentralen als auch die<br />
peripheren motorischen Nervenzellen (Motoneurone).<br />
Wenn das periphere Neuron befallen ist, treten<br />
Muskelschwäche, Muskelschwund (Atrophie)<br />
und häufig Muskelzucken (Faszikulieren) sowie<br />
Muskelkrämpfe auf. Der Verlust des zentralen<br />
Neurons führt zu Muskelsteife (Spastik), Muskelverspannungen<br />
und Muskelschwäche.<br />
Die ersten Symptome zeigen sich zumeist in <strong>der</strong><br />
Hand- und Fußmuskulatur. Manchmal ist auch bereits<br />
im Anfangsstadium die Sprech- und Schluckmuskulatur<br />
geschwächt. <strong>Mit</strong> dem Fortschreiten <strong>der</strong><br />
Erkrankung verstärkt sich die Schwäche und erstreckt<br />
sich schließlich auf den gesamten Körper -<br />
meist innerhalb von Monaten o<strong>der</strong> wenigen Jahren.<br />
Häufig werden eine häusliche Beatmung und die<br />
Nahrungsaufnahme über eine Magensonde (PEG)<br />
notwendig. Die sensorischen Funktionen (Berührung,<br />
Schmerz und Temperatur, das Sehen, Riechen<br />
und Hören), die vegetativen Funktionen von<br />
Blase und Mastdarm und vor allem die intellektuellen<br />
Fähigkeiten sind in aller Regel nicht beeinträchtigt.<br />
Die <strong>Krankheit</strong>saktivität ist sehr hoch, <strong>der</strong> fortschreitende<br />
Funktionsverlust von Armen und Beinen<br />
bedeutet eine gravierende Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Lebensumstände.<br />
Häusliche Verrichtungen werden<br />
mühsamer und können schließlich nicht mehr<br />
selbst ausgeführt werden. Zunehmende Schwäche<br />
in Beinen und Füßen wirkt sich zunächst auf die<br />
Gehfähigkeit aus, beson<strong>der</strong>s auf unebenem Boden,<br />
über längere Strecken und beim Treppensteigen<br />
und führt schließlich zur Notwendigkeit eines<br />
Rollstuhles. Erschwert wird diese Situation zusätzlich,<br />
wenn die Kommunikation durch eine Schwäche<br />
<strong>der</strong> Sprechmuskulatur beeinträchtigt ist und<br />
Schluckschwierigkeiten die Ernährung gefährden.<br />
ALS-Kranke sind regelmäßig auf spezielle Hilfsmittel<br />
angewiesen, um die komplexen Beeinträchtigungen<br />
so gut wie möglich auszugleichen und<br />
Selbstständigkeit möglichst lange zu erhalten<br />
(Elektrorollstühle, Kommunikationsgeräte, Beatmungsgeräte,<br />
spezielle Pflegebetten, Lifter usw.).<br />
105<br />
Psychische Auswirkungen in Form von reaktiv-depressiven<br />
Anpassungsstörungen können die Lebensqualität<br />
zusätzlich beeinträchtigen und körperliche<br />
<strong>Krankheit</strong>ssymptome wie Schwäche, Schlafstörungen<br />
und Erschöpfung noch verstärken. ALS-<br />
Kranke bedürfen rascher und dringen<strong>der</strong> als an<strong>der</strong>e<br />
Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen einer umfassenden<br />
Unterstützung und Versorgung.<br />
Neuromuskuläre Erkrankungen, insbeson<strong>der</strong>e die<br />
ALS, sind in den Tabellen zur Einstufung des Grades<br />
<strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ung (GdB) nicht ausreichend berücksichtigt.<br />
<strong>Mit</strong> den Hinweisen auf die Analogie<br />
zu den übrigen aufgeführten Bewegungseinschränkungen<br />
ist die Schwere <strong>der</strong> Gesamtsymptomatik<br />
nicht zu erfassen. Vor allen Dingen wird so <strong>der</strong><br />
schnellen Progredienz keine Beachtung geschenkt.<br />
In <strong>der</strong> Praxis tritt i.d.R. bereits während <strong>der</strong> Bearbeitung<br />
des Erstantrags eine Verschlechterung <strong>der</strong><br />
Erkrankung ein.<br />
ALS-Kranke sind in den meisten Fällen innerhalb<br />
kurzer Zeit in allen Lebensbereichen dem Personenkreis<br />
<strong>der</strong> absolut Hilflosen zuzuordnen. ALS-<br />
Kranke sind nach Ansicht <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> mindestens<br />
mit einem GdB von 80, in den meisten Fällen jedoch<br />
mit einem GdB von 100 und den entsprechenden<br />
Merkzeichen zu beurteilen.
STATIONÄRE MEDIZINISCHE<br />
REHABILITATION BEI ALS<br />
Bei <strong>der</strong> ALS handelt es sich um eine neuromuskuläre<br />
Erkrankung, die zu einer fortschreitenden<br />
Muskelschwäche und Bewegungsbeeinträchtigung<br />
führt. Da eine effektive kausale korrigierende<br />
bzw. heilende Therapie bis heute nicht möglich ist,<br />
sind die Betroffenen auf die symptomatische Behandlung<br />
durch Physiotherapie, Orthopädie, Ergotherapie,<br />
Logopädie, Ernährungsberatung bei<br />
Schluckstörungen und Atem unterstützende Maßnahmen<br />
angewiesen. Ziel <strong>der</strong> Maßnahmen ist u. a.,<br />
die Folgen <strong>der</strong> Erkrankung so gering wie möglich<br />
zu halten, bzw. sie in einem bestimmten Ausmaß<br />
zu korrigieren und so die Selbständigkeit länger zu<br />
erhalten.<br />
Die gezielte physiotherapeutische Behandlung ist<br />
unentbehrlicher Teil <strong>der</strong> gesundheitlichen Versorgung<br />
von ALS-kranken Menschen. Ihr positiver<br />
Effekt zeigt sich in <strong>der</strong> Erhaltung bzw. Kräftigung<br />
<strong>der</strong> vorhandenen funktionsfähigen und intakten<br />
Muskulatur, in <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Bewegungskoordination,<br />
<strong>der</strong> Verbesserung von Herz-Kreislauf-Funktionen,<br />
<strong>der</strong> Kontrakturprophylaxe und<br />
Verzögerung von Skoliosen, <strong>der</strong> Lin<strong>der</strong>ung von<br />
Schmerzen und Lösung von Verkrampfungen <strong>der</strong><br />
schwindenden und überlasteten Muskulatur und<br />
<strong>der</strong> Erhaltung einer ausreichenden Atemkapazität.<br />
Für eine effektive langfristige Behandlung im<br />
häuslichen Bereich sind die <strong>Mit</strong>arbeit des Patienten<br />
und eine Unterstützung durch Angehörige<br />
und Pflegepersonal unerlässlich und müssen stets<br />
angestrebt werden. Hierzu sind Informationen, Anleitung,<br />
Schulung und Supervision notwendig.<br />
Kontrolluntersuchungen durch Ärzte und Institutionen<br />
mit entsprechen<strong>der</strong> Erfahrung sollten daher<br />
regelmäßig erfolgen, auch unter dem Gesichtspunkt<br />
einer erfor<strong>der</strong>lichen Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Therapie.<br />
Ob die kompetente Betreuung <strong>der</strong> Betroffenen<br />
durchgängig ambulant möglich ist o<strong>der</strong> in Form<br />
wie<strong>der</strong>holter stationärer Behandlungen durchgeführt<br />
werden muss, ist eine Frage <strong>der</strong> individuellen<br />
und örtlichen Voraussetzungen.<br />
In Anbetracht <strong>der</strong> relativ geringen Erkrankungshäufigkeit<br />
fehlt es nie<strong>der</strong>gelassenen Ärzten und<br />
Therapeuten oft an praktischer Erfahrung. Einige<br />
neurologische Fachkliniken verfügen jedoch über<br />
<strong>Mit</strong>arbeiter mit langjährigen Erfahrungen in <strong>der</strong><br />
106<br />
Behandlung ALS-kranker Menschen. Die für die<br />
Behandlung notwendige Alltagsentlastung <strong>der</strong><br />
ALS-kranken Menschen, die Koordination <strong>der</strong> verschiedenen<br />
Behandlungen, die Aufstellung eines<br />
individuellen Therapie-planes für Physiotherapie,<br />
Logopädie, Ernährungsberatung, Ergotherapie und<br />
die Erprobung von Hilfsmitteln können am besten<br />
unter stationären Bedingungen in geeigneten Kliniken<br />
erfolgen, um danach ambulant fortgeführt zu<br />
werden. Während eines stationären Aufenthaltes<br />
kann auch eine zeitweise psychotherapeutische Begleitung<br />
von Patienten in Krisen (z.B. nach Stellung<br />
<strong>der</strong> Diagnose und bei den Verschlechterungen<br />
im Verlauf <strong>der</strong> <strong>Krankheit</strong>) erfolgen, um die schwierige<br />
Anpassung an das Leben mit dieser chronischen<br />
Erkrankung zu erleichtern und Kräfte für<br />
die Bewältigung des Alltags zu mobilisieren.<br />
Bei Personen, die Assistenz o<strong>der</strong> Hilfe bei <strong>der</strong> Körperpflege<br />
benötigen, wird im Allgemeinen eine<br />
Begleitperson mit aufgenommen. Unsere Erfahrungen<br />
zeigen, dass bei Menschen, die an ALS erkrankt<br />
sind, stationäre Rehabilitationsmaßnahmen<br />
in ein- bis zweijährigen Abständen angezeigt und<br />
Erfolg versprechend sind.
<strong>Deutsche</strong> Gesellschaft für Muskelkranke e.V. - Im Moos 4 -<br />
79112 Freiburg<br />
Tel. 07665/9447-0 Fax 07665/9447-20<br />
Internet: www.dgm.org<br />
e-mail: info@dgm.org<br />
Klinik/ Praxis: <strong>Mit</strong>glied: ? ja ? nein<br />
Name:<br />
Vorname: <strong>Mit</strong>gliedsnummer:<br />
Straße:<br />
PLZ: Ort: Tel.Nr.:<br />
Bestellschein<br />
Nr. Titel Preis EUR Anzahl<br />
Allgemeine Informationsschriften<br />
502 Muskelreport -Aktuelle Ausgabe<br />
(für <strong>Mit</strong>glie<strong>der</strong> im <strong>Mit</strong>gliedsbeitrag enthalten)<br />
513 Aufgaben und Ziele <strong>der</strong> <strong>DGM</strong><br />
514 Notfallpass<br />
555 Info über ehrenamtliche Tätigkeit in <strong>der</strong> <strong>DGM</strong><br />
551 Probewohnen in Freiburg. Ausstattung u.<br />
Übernachtungspreise <strong>der</strong> Probewohnungen<br />
540 Ethische Grundaussagen<br />
541 Vom Erben und Vererben<br />
Schriften zur ALS<br />
311 ALS-Eine Information für Patienten und Angehörige.<br />
Ausführliche Informationen über Diagnostik u.<br />
Stadien des <strong>Krankheit</strong>sverlaufs.<br />
312 ALS-<strong>Handbuch</strong> "<strong>Mit</strong> <strong>der</strong> <strong>Krankheit</strong> <strong>leben</strong> <strong>lernen</strong>"<br />
Praktische Tipps und Hilfen für den Alltag.<br />
505 Amyotrophe Lateralsklerose. Faltblatt für erste Informationen.<br />
515 ALS - Informationen für Entscheidungsträger in Behörden<br />
Behandlung und Rehabilitation<br />
531 Verzeichnis Neuromuskuläre Zentren<br />
533 Medizinische Rehabilitation<br />
530 Verzeichnis Rehakliniken für muskelkranke Erwachsene<br />
542 Neuromuskuläre Erkrankungen und Anästhesie<br />
Beatmung<br />
532/1 Verzeichnis Atemzentren (Erwachsene)<br />
107<br />
5,00<br />
kostenlos<br />
kostenlos<br />
kostenlos<br />
kostenlos<br />
kostenlos<br />
kostenlos<br />
kostenlos<br />
kostenlos<br />
kostenlos<br />
kostenlos<br />
kostenlos<br />
kostenlos<br />
kostenlos<br />
kostenlos<br />
kostenlos
Nr. Titel Preis EUR Anzahl<br />
534 Informationen zur häuslichen Beatmung<br />
kostenlos<br />
535 Faltblatt: Atemstörungen und häusliche Beatmung<br />
kostenlos<br />
655 Film (DVD): ALS und Beatmung. M. Hecht und M.Winterholler<br />
Physiotherapie, Logopädie<br />
6,00<br />
560 Physiotherapie bei neuromuskulären Erkrankungen<br />
kostenlos<br />
563 Physiotherapie für Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose kostenlos<br />
650 Logopädie für Patienten mit ALS<br />
Mobilität / Hilfsmittel<br />
kostenlos<br />
553 Firmenrabatte (von Hilfsmittel-Herstellern f. <strong>DGM</strong>-<strong>Mit</strong>glie<strong>der</strong>) kostenlos<br />
573 <strong>DGM</strong>-Ratgeber: Hilfsmittel für Muskelkranke<br />
kostenlos<br />
575 <strong>DGM</strong>-Ratgeber: Reisen<br />
kostenlos<br />
625 Kommunikationstafeln für Menschen mit Sprechstörungen<br />
Pflege<br />
2,60<br />
403* Pflegeversicherungsgesetz. Textausgabe.<br />
kostenlos<br />
572/2 <strong>DGM</strong>-Leitfaden für Erwachsene: Pflegeversicherung<br />
kostenlos<br />
405* Pflegen Zuhause. Praktischer Ratgeber für die häusliche Pflege.<br />
Recht und Behin<strong>der</strong>ung<br />
kostenlos<br />
602 Wie komme ich zu meinem Recht<br />
kostenlos<br />
603* Patientenrechte in Deutschland. Leitfaden für Patienten u. Ärzte.<br />
Hrsg. vom Bundesministerim für Justiz bzw. für Gesundheit.<br />
kostenlos<br />
400* Die Rechte behin<strong>der</strong>ter Menschen und ihrer Angehörigen.<br />
zu beziehen bei:<br />
Ausführliches zu beziehen bei: BAG Selbsthilfe,<br />
BAG Selbsthilfe<br />
Tel. / Fax.: 0211 / 31006 -0 / -48)<br />
Tel./ Fax<br />
<strong>Handbuch</strong> (ca. 500 S.) zu verschiedenen Rechtsgebieten.<br />
Hrsg.: BAG Selbsthilfe<br />
0211/31006-0/-48<br />
404* Ratgeber für behin<strong>der</strong>te Menschen. Grundlegende<br />
Informationen u.a. zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben,<br />
Rehabilitation, Bildung u. Arbeit.<br />
kostenlos<br />
406* SGB IX. Informationen zu Rehabilitation u. Teilhabe<br />
behin<strong>der</strong>ter Menschen<br />
kostenlos<br />
*nur Einzelexemplare erhältlich<br />
<strong>DGM</strong> Rundbrief Amyotrophe Lateralsklerose<br />
Die <strong>DGM</strong> bietet einen Rundbrief für ALS-Betroffene und Angehörige an, <strong>der</strong> persönliche Erfahrungsberichte<br />
und spezielle Informationen enthält (Umfang ca. 100 Seiten). Er erscheint zweimal jährlich und ist<br />
an beson<strong>der</strong>e Bezugsbedingungen gebunden. Nähere Informationen erhalten Sie in <strong>der</strong> Geschäftsstelle.<br />
108<br />
Info anfor<strong>der</strong>n:
Beitrittserklärung<br />
? Ich erkläre meinen Beitritt als <strong>Mit</strong>glied <strong>der</strong> <strong>Deutsche</strong>n Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (<strong>DGM</strong>).<br />
? Ich bin Betroffene(r) ? Ich bin Angehörige(r) ? Ich bin För<strong>der</strong>er ? Körperschaft<br />
(Unternehmen/Verein)<br />
Name Vorname Geburtsdatum<br />
Straße, Hausnummer<br />
PLZ, Wohnort (Firmensitz) Land (wenn nicht D)<br />
Telefon Fax E-Mail<br />
Kurzdiagnose (für Beratungszwecke)<br />
Jährlicher Mindestbeitrag für <strong>Mit</strong>glie<strong>der</strong>:<br />
? 50,- € Betroffene und Angehörige<br />
? 50,- € För<strong>der</strong>er<br />
? 200,- € Unternehmen / Vereine<br />
Ich bezahle einen Zusatzbeitrag von<br />
? 15,-€ ? 25,-€ ? 35,-€ ? ______ , __ € zum jährlichen Beitrag.<br />
Ich zeichne eine einmalige Spende von<br />
? ______ , __ €<br />
Ich bezahle per<br />
? Überweisung Kto 777 22 00 BLZ 660 205 00<br />
Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe<br />
? Bankeinzug*<br />
Kto.-Nr. Bankleitzahl<br />
Kreditinstitut<br />
Datum Unterschrift<br />
*Sie helfen uns, Verwaltungskosten zu sparen, wenn Sie sich für den Bankeinzug entscheiden. Damit kommt ein noch höherer Anteil<br />
<strong>der</strong> <strong>Mit</strong>tel direkt den Muskelkranken zugute. Danke!<br />
<strong>Deutsche</strong> Gesellschaft für Muskelkranke e.V. <strong>DGM</strong> · Im Moos 4 · 79112 Freiburg<br />
Tel.: 076 65 / 94 47-0 Fax: 076 65 / 9447-20 · e-mail: info@dgm.org · Internet: www.dgm.org<br />
109
Rückantwort<br />
Bitte in einem frankierten Fensterumschlag zurücksenden.<br />
<strong>Deutsche</strong> Gesellschaft<br />
für Muskelkranke e.V.<br />
Im Moos 4<br />
79112 Freiburg<br />
110<br />
Absen<strong>der</strong><br />
Name<br />
Vorname<br />
Straße<br />
PLZ, Ort<br />
Telefon<br />
Datum Unterschrift
<strong>DGM</strong><br />
<strong>Deutsche</strong> Gesellschaft<br />
für Muskelkranke e.V.<br />
Bundesgeschäftsstelle<br />
Im Moos 4<br />
79112 Freiburg<br />
Telefon: 07665 / 9447-0<br />
Telefax: 07665 / 9447-20<br />
E-Mail: info@dgm.org<br />
Internet: http://www.dgm.org<br />
Schweizerische Gesellschaft<br />
für Muskelkranke SGMK<br />
Kanzleistrasse 80<br />
CH-8004 Zürich<br />
Telefon +41 (0)44 245 80 30<br />
Fax +41 (0)44 245 80 31<br />
E-Mail: info@muskelkrank.ch<br />
Internet: www.muskelkrank.ch<br />
PC-Konto 80-29554-4