Jugendhilfereport 3/2011 - Landschaftsverband Rheinland
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KooPERATIoN MIT TRäGERN – GEMEINSAME VERANTWoRTUNG, DoPPELTER SCHUTz<br />
§ 8a Abs. 2 SGB VIII verpflichtet die Jugendämter, mit den Trägern von Einrichtungen und<br />
Diensten der Jugendhilfe Vereinbarungen zu deren entsprechender Wahrnehmung des<br />
Schutzauftrags zu schließen. Der ASD (oder ein Spezialdienst) wird als letzte Instanz vor<br />
dem Familiengericht informiert, wenn die Möglichkeiten der Träger nicht ausreichen, um<br />
eine Gefährdung abzuwenden. Dies stellt alle Beteiligten vor die Herausforderungen, sich<br />
»fall«-unabhängig über die jeweiligen Definitionen und Bewertungen von Kindeswohl,<br />
dessen Gefährdung und über Vorgehensweisen zu verständigen. Je enger die Kooperation<br />
erfolgt, desto einfacher gelingt dies in der Regel. In einigen Bereichen muss erst eine gemeinsame<br />
Sprache entwickelt werden und eine Verständigung über die jeweiligen Aufträge,<br />
Möglichkeiten sowie Grenzen erfolgen. Dies betrifft nicht nur die Einrichtungen oder Dienste,<br />
sondern auch die jeweiligen insoweit erfahrenen Fachkräfte. Erst auf dieser Basis ist das<br />
Ziel des Absatzes 2 zu erreichen: die gemeinschaftliche Verantwortungsübernahme.<br />
In NRW stellten im Jahr 2008 etwas mehr als die Hälfte der Jugendämter positive Veränderungen<br />
durch die Vereinbarungen fest, insbesondere im Hinblick auf die Strukturierung des<br />
Verfahrens, klar formulierte Verantwortlichkeiten, die Beschreibung der Schnittstellen und<br />
eine verstärkte, intensive Kooperation. Dass trotzdem gleichzeitig 84 Prozent der Jugendämter<br />
keine entlastende Wirkung ausmachen, ist wohl damit zu begründen, dass diese<br />
Prozesse viel Arbeitsaufwand und Zeit benötigen. Auch mit Schulen und anderen nicht über<br />
den § 8a SGB VIII verpflichteten Institutionen haben viele Jugendämter zusätzliche Kooperationsvereinbarungen<br />
getroffen.<br />
Für die betroffenen Familien ist über die Einrichtungen und Dienste eine frühere und<br />
niedrigschwelligere Hilfestellung möglich. Das institutionsübergreifende Zusammenwirken<br />
mehrerer Fachkräfte fördert qualifizierte Entscheidungen und reduziert die Gefahr unterschiedlicher<br />
Einschätzungen und Vorgehensweisen.<br />
KooPERATIoN MIT DEM FAMILIENGERICHT – FRüHER, SCHNELLER, BESSER<br />
Für Familien, die nicht an der Risikoabschätzung mitwirken, wurde durch § 8a Abs. 3 SGB VIII<br />
erstmals die Möglichkeit geschaffen, das Familiengericht einzuschalten, ohne eine konkrete<br />
Gefährdung belegen zu müssen. Dies war vorher bei einer Abwehrhaltung der Familie kaum<br />
möglich. Die Änderungen im Familienrecht zielten analog darauf, das Familiengericht früher<br />
einzuschalten. Die Anordnung von Ge- und Verboten durch das Familiengericht gemäß<br />
§ 1666 Abs. 3 BGB kann einen früheren Schutz oder Hilfezugang ohne einen sofortigen<br />
Entzug der elterlichen Sorge ermöglichen.<br />
Zudem wurde das Verfahren beschleunigt. Die gemeinsame Erörterung muss zeitnah erfolgen,<br />
der Erlass einer einstweiligen Anordnung unverzüglich überprüft und für Gutachten<br />
müssen Fristen gesetzt werden. Dadurch werden die Familien entlastet, denn langwierige<br />
Verfahren zehren massiv an den Nerven aller Beteiligten. Monatelange Inobhutnahmen und<br />
damit verbundene erneute Beziehungsabbrüche werden vermieden. Auch die eingeführte<br />
Verpflichtung des Gerichts zur weiteren Überprüfung, wenn es von Maßnahmen absieht,<br />
sorgt dafür, dass diese Familien nicht aus den Augen verloren werden und der ASD einen<br />
weiteren Zugang finden kann.<br />
<strong>Jugendhilfereport</strong> 3/<strong>2011</strong> | schwerpunkt<br />
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