Saale-Holzland Echo - Ausgabe 3. Quartal 2015
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Seite 10 • HOLZLAND ECHO • <strong>3.</strong> <strong>Quartal</strong> <strong>2015</strong> • www.die-linke-shk.de<br />
Durch die von den Medien verbreiteten<br />
Bilder von Flüchtlingen<br />
die in Italien, Griechenland<br />
oder aktuell Ungarn „Germany“<br />
oder „Deutschland“ rufen wird natürlich<br />
das Bild geprägt, dass die<br />
Flüchtlinge vor allem nach Deutschland<br />
kommen werden und wollen.<br />
Vierzig Prozent aller Flüchtlinge,<br />
die nach Europa kamen, haben im<br />
ersten <strong>Quartal</strong> <strong>2015</strong> einen Antrag<br />
in Deutschland gestellt. Allerdings<br />
müssen hier die Einwohnerzahlen<br />
der Länder der EU mit betrachtet<br />
werden. Laut Eurostat stehen Länder<br />
wie Schweden, Ungarn, Österreich<br />
und auch Malta noch deutlich<br />
vor Deutschland, wenn man das<br />
Verhältnis Asylsuchende pro einer<br />
Million Einwanderer sieht.<br />
Leider konnten sich die Regierungen<br />
der EU (plus Schweiz und Norwegen)<br />
noch nicht auf eine gemeinsame<br />
Regelung einigen. Laut dem<br />
Dublin-Verfahren ist aktuell das<br />
Land für die Flüchtling zuständig, in<br />
dem die asylsuchenden Menschen<br />
zuerst europäischen Boden betreten.<br />
Aufgrund der hohen Anzahl ist<br />
dies für die südeuropäischen Länder<br />
nicht handelbar. Eine Registrierung<br />
der Flüchtlinge können diese<br />
Länder nicht mehr gewährleisten.<br />
Daher verhindern einige Länder die<br />
Weiterreise in andere EU-Staaten<br />
nicht mehr oder befördern diese.<br />
Flüchtlinge als Neubürger willkommen heißen!<br />
Durch die wachsende Zahl von<br />
Kriegen und die zunehmende<br />
Intoleranz gegenüber anderen Religionen<br />
und Völkern erleben wir die<br />
größte Flüchtlingswelle seit dem<br />
Zweiten Weltkrieg.<br />
Waffen aus Deutschland werden<br />
weltweit in Konflikten eingesetzt,<br />
deutsche Rüstungsfirmen machen<br />
Profite mit Kriegen. Für den völkerrechtswidrigen<br />
Krieg im Irak lieferte<br />
der BND den USA gefälschte<br />
Vorwände. Dieser Krieg war der<br />
Auslöser der Kämpfe mit der Organisation<br />
Islamischer Staat.<br />
Nach dem Beginn des Bürgerkrieges<br />
1991 in Somalia fischten internationale<br />
Fischfangflotten die<br />
reichen Fischgründe vor Somalia<br />
leer und raubten den somalischen<br />
Fischern die Lebensgrundlage. Als<br />
die Fischer aus Hunger teilweise<br />
zu Piraten mutierten, zerstörte die<br />
NATO Piraten- und Fischerboote.<br />
Was hat Deutschland gegen die<br />
Ausbreitung der Konflikte und des<br />
Hungers unternommen? Nichts!<br />
Jetzt fliehen tausende Iraker, Syrer,<br />
Somali und andere Kriegs- und<br />
Hungerflüchtlinge nach Europa. Ja,<br />
auch Deutschland ist dafür verantwortlich.<br />
Das Bundesamt für Migration<br />
und Flüchtlinge (BAMF) rechnet<br />
mit 450.000 Flüchtlingen für<br />
<strong>2015</strong>, der Thüringer Anteil beträgt<br />
12.240 Personen.<br />
Bei der Regierungsübernahme von<br />
Rot-Rot-Grün am 6.12.2014 gab<br />
es nur 600 Erstaufnahmeplätze<br />
für Flüchtlinge. Die Einrichtung in<br />
Eisenberg war damit absolut überbelegt.<br />
Zu wenig Personal, Unterbringung<br />
in Containern, Belegung<br />
von Sozialräumen als Schlafstätten<br />
und eine aus der Überbelegung resultierende<br />
Überlastung der medizinischen<br />
und sozialen Betreuung<br />
führten zu Spannungen in der Einrichtung<br />
und in Eisenberg.<br />
Als erste Lösung wurden in Suhl<br />
zusätzliche 900 Plätze geschaffen.<br />
Insgesamt werden 2.500 Plätze<br />
in Erstaufnahmeeinrichtungen gebraucht.<br />
Die Bundesregierung ist<br />
in der Pflicht, dass innerhalb von<br />
drei Monaten über Aufnahmeanträge<br />
entschieden wird. Ohne Bleiberecht<br />
erhalten Flüchtlinge kaum<br />
Sprachkurse, dürfen über Monate<br />
nicht arbeiten und erhalten keine<br />
Schulung zu Sitten und Bräuchen in<br />
Deutschland.<br />
„Alle wollen nach Deutschland ...“<br />
Ralph Lenkert<br />
Mitglied im Bundestag für den<br />
Wahlkreis Jena, Gera und den<br />
<strong>Saale</strong>-<strong>Holzland</strong>-Kreis.<br />
Die Bundesregierung stockt die<br />
Mittel für die Flüchtlinge dieses<br />
Jahr um eine Milliarde Euro auf.<br />
Danke – aber fünf Milliarden Euro<br />
wären notwendig. Für Rüstung stehen<br />
<strong>2015</strong> mehr als 32 Milliarden<br />
und für die Auslandseinsätze 500<br />
Millionen im Haushalt – da kann<br />
man umverteilen.<br />
Zwei Schwerpunkte sind mir wichtig:<br />
Beseitigung der Not in den Heimatländern<br />
und gute Integration<br />
von Flüchtlingen.<br />
Die Katastrophen im Mittelmeer<br />
bestürzen uns alle. Es ist keine<br />
Lösung, Menschen auf der Flucht<br />
sterben zu lassen. DIE LINKE will<br />
Fluchtursachen beseitigen. Mehr<br />
Entwicklungshilfe statt Waffen, Diplomatie<br />
statt Kriegshysterie wären<br />
notwendig.<br />
Das Unbekannte erzeugt Angst,<br />
deshalb ist persönliches Kennenlernen<br />
– am Arbeitsplatz, in Vereinen<br />
oder Begegnungen im täglichen Leben<br />
– wichtig um Vorurteile abzubauen.<br />
Wir möchten Flüchtlinge zu<br />
Neubürgern machen, die wir verstehen<br />
und die in unseren Kultur- und<br />
Wertekreis integriert werden. Die<br />
Würde des Menschen ist unantastbar<br />
– so steht es im Grundgesetz<br />
in Artikel Eins. Das Grundgesetz<br />
gilt für alle Bürgerinnen und Bürger,<br />
und auch für Flüchtlinge.<br />
Leben Flüchtlinge in unseren Kommunen,<br />
hat dies Auswirkungen:<br />
Mancher Schulstandort würde gesichert,<br />
mancher Handwerker könnte<br />
seine freien Stellen besetzen und<br />
manchem Gemeindehaushalt würde<br />
die erhöhte Schlüsselzuweisung<br />
für Flüchtlinge (zählen als Einwohner)<br />
helfen.<br />
Grafik: Asylsuchende pro 1 Million Einwohner im ersten <strong>Quartal</strong> <strong>2015</strong><br />
In Mittelmeerländern wie Griechenland<br />
und Italien wurden nach Aussagen<br />
von proAsyl weitere tausende<br />
Flüchtlinge als Illegale inhaftiert.<br />
Da diese Menschen somit keine<br />
Möglichkeit haben, einen richtigen<br />
Asylantrag zu stellen, dürfte die<br />
Quote der Mittelmeerländer noch<br />
deutlich höher liegen. Aufgrund des<br />
Zusammenbruchs der Dublin-Verordnungen<br />
sind einige Juristen auch<br />
der Meinung, dass dadurch für alle<br />
EU-Länder die rechtliche Pflicht<br />
besteht, selbstständig Asylsuchende<br />
aufzunehmen und auch die Erstregistratur<br />
durchzuführen. Die<br />
schlechten Umstände, mangelhafte<br />
Betreuung und unsichere Zukunft<br />
gerade von Familien mit Kindern in<br />
den überlasteten südeuropäischen<br />
Ländern wird vom Bundesamt für<br />
Migration und Flüchtling (BAMF)<br />
derzeit als Grund anerkannt, nicht<br />
in diese Länder abzuschieben.<br />
Außerhalb von Europa sind die<br />
Flüchtlingszahlen deutlich höher.<br />
Die meisten Menschen beherbergen<br />
aktuell Pakistan, Libanon, Jordanien,<br />
Iran und die Türkei.<br />
Durch die aktuelle Medienberichterstattung,<br />
die sich vor allem auf<br />
Sachsen bezieht, finden viele, dass<br />
der Osten auch Brennpunkt der<br />
Flüchtlingsströme ist. Dies ist jedoch<br />
mitnichten so. Wenn man das<br />
Verhältnis Einwohner zu Flüchtlingen<br />
betrachtet, hat gerade Sachsen<br />
mit einem Verhältnis von 1:238 die<br />
niedrigste Quote. Das Bundesland<br />
Thüringen liegt bei 206 Einwohnern<br />
pro Asylsuchendem. Die Quote wird<br />
über den „Königssteiner Schlüssel“<br />
geregelt, der Faktoren wie Einwohneranzahl,<br />
Wirtschaftsstärke und<br />
Ballungsräume berücksichtigt. Für<br />
Thüringen bedeutet das die Aufnahme<br />
von lediglich 2,8% der Gesamtflüchtlinge,<br />
die nach Deutschland<br />
kommen. NRW (21,2%), Bayern<br />
(15,3%) und Baden-Württemberg<br />
(13%) sind die Länder mit der<br />
höchsten Aufnahmequote.<br />
Seit August dieses Jahres kommen<br />
vorwiegend Kriegsflüchtlinge aus<br />
Syrien, Afghanistan und einigen afrikanischen<br />
Ländern nach Europa,<br />
Deutschland und auch nach Thüringen.<br />
Die Anzahl der Asylsuchenden<br />
aus den Balkanstaaten ist massiv<br />
zurückgegangen.<br />
Neben gesamten Familien kommen<br />
in großen Teilen auch junge Männer<br />
im Alter von 20 bis 30 Jahren nach<br />
Europa. Ihre Familien haben Geld<br />
gesammelt, um die Flucht zu bezahlen<br />
und senden ihr „stärkstes“ Familienmitglied.<br />
Die Überfahrt nach<br />
Europa über das Mittelmeer endet<br />
in vielen Fällen mit dem Tod, mindestens<br />
aber mit starken körperlichen<br />
Entbehrungen. Zur Kontaktaufnahme<br />
mit ihren Familien und<br />
zur Koordination der Flucht nutzen<br />
viele Flüchtlinge auch moderne<br />
Handys. Nur so kann die Organisation<br />
des täglichen Überlebens gewährleistet<br />
werden.<br />
Markus Gleichmann, DIE LINKE SHK