Allein - Diakonie Dresden
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Nie allein und trotzdem einsam<br />
Wir leben in einer multimedialen Welt,<br />
die uns global miteinander vernetzt<br />
und ständig über unsere Freunde auf<br />
dem Laufenden hält. Dank Internet<br />
und diversen Plattformen und den<br />
sogenannten Social Networks (sozialen<br />
Netzwerken) können wir mitteilen,<br />
wo wir uns gerade befinden, was wir<br />
tun und zur Veranschaulichung auch<br />
gleich per Handy ein Foto ins Internet<br />
stellen. Seiten wie Facebook und<br />
studivz erfreuen sich größter Beliebtheit<br />
und vermitteln das Gefühl, mehr<br />
Freunde den je zu haben. Aber wie<br />
ist das, wenn man immer unter Strom<br />
steht, ständig Leute kennenlernt und<br />
unterwegs ist?<br />
Zwei Frauen beschreiben Situationen,<br />
in denen sie sich trotz vieler Kontakte<br />
einsam fühlen. Nie allein und trotzdem<br />
einsam, sind sie auf der Suche nach<br />
Liebe und Anerkennung.<br />
Uta Dutschke<br />
Eigentlich dürfte ich mich nicht beklagen.<br />
Ich sehe gut aus, bin gebildet<br />
und erfolgreich im Beruf. Mir ist es<br />
nie schwer gefallen, Freunde oder<br />
einen Partner zu finden. Richtig allein<br />
war ich noch nie. Rückblickend kann<br />
ich sagen, dass ich früher von einer<br />
Beziehung in die nächste gehüpft bin.<br />
Auch nach meiner Scheidung hatte ich<br />
gleich wieder einen Partner. Wir hatten<br />
uns über das Internet kennen gelernt<br />
und es hat gefunkt. <strong>Allein</strong>sein kenne<br />
ich nicht und ich tue auch alles erdenkliche,<br />
damit dieser Zustand nicht ein-<br />
"Sie haben fünf neue Nachrichten"! Ich hatte<br />
mich todesmutig vor 14 Tagen auf das Experiment<br />
Singlebörse im Internet eingelassen<br />
und mittlerweile war schon ein echtes Suchtpotential<br />
erkennbar. Eigentlich hatte ich<br />
mir nichts davon versprochen oder erhofft,<br />
hatte meine Kontaktdaten eingegeben, ein<br />
paar Fotos hochgeladen und die flirtwilligen<br />
Mehr-oder-weniger-Singlemänner eher belächelt.<br />
Was sollte das auch bringen? Ich war<br />
kontaktfreudig, gern und viel unterwegs und<br />
hatte kaum Berührungsängste, was das Kennenlernen<br />
fremder Menschen betraf. Trotzdem<br />
war es im Internet etwas anderes. Man<br />
konnte in aller Ruhe die unterschiedlichen<br />
Profile durchklicken, bei Bedarf nach Körpergröße,<br />
Gewicht oder Anzahl der erreichten<br />
Beliebtheitspunkte sortieren. Quasi ein<br />
bunter Katalog voller Möglichkeiten. Jetzt<br />
musste der vermeintliche Traummann nur<br />
noch anbeißen. Selbst das war einfacher als<br />
im „realen Leben“ weil man er erst einmal<br />
„nur“ etwas schreiben musste oder auf die<br />
einfallsreichen Mails antworten. Erstaunlich<br />
allerdings, wie viele Date-Angebote<br />
tritt. Ich gehe zum Sport, treffe Freunde, gehe<br />
ins Theater, zu Konzerten. Mein Kalender ist<br />
gut gefüllt-nur nicht allein sein, lautet die<br />
Devise. Dabei täte es mir sicher gut, einmal<br />
mit mir allein zu sein, mich auszuhalten. Ich<br />
bin trotzt meiner Partnerschaft einsam.<br />
Mein Lebenspartner kann nichts dafür. Er<br />
kümmert sich liebevoll um mich und würde<br />
ich ihm von meiner Einsamkeit erzählen,<br />
könnte er es nicht verstehen. Einsamkeit hat<br />
oftmals nichts mit unserem Umfeld zu tun.<br />
Einsamkeit spielt sich in unserem Kopf und<br />
in unseren Herzen ab. Wir empfinden einen<br />
�Titel<br />
Thema<br />
frau innerhalb weniger Tage bekommt. Da<br />
gibt es zum Beispiel den „Schmusebär71“,<br />
der nicht so ist wie alle anderen und seiner<br />
Traumfrau jeden Wunsch von den Augen<br />
ablesen möchte oder den „Froschkönig“,<br />
der wahrscheinlich gerade aus dem Märchen<br />
gesprungen ist und das tägliche Leben<br />
eher mit einer romantischen Blumenwiese<br />
verwechselt. Harmlos im Gegensatz zu den<br />
wirklich harten Kerlen, wie zum Beispiel „wilderTiger66“,<br />
der nicht nur gezähmt werden<br />
will, sondern gleichzeitig für nächsten Freitag<br />
in seine Wohnung zum gemeinsamen<br />
Stelldichein einlädt. Das Internet schafft Illusionen<br />
und jeder rückt sich ins beste Licht.<br />
Beim realen Treffen kommt nicht selten die<br />
Ernüchterung. Der 34jährige Geschäftsmann<br />
ist in Wahrheit 43, aus einem Krankenpfleger<br />
wird schnell mal ein Arzt und der 1,90 m<br />
große Volleyballer entpuppt sich als pummeliger<br />
Sportmuffel. Die wahre Liebe über das<br />
Internet zu finden, habe ich aufgegeben. Für<br />
das eigene Ego sind Singlebörsen fantastisch.<br />
Nur leider sitzt man trotzdem weiterhin<br />
einsam vorm PC.<br />
Anja W.<br />
Mangel. Es fehlt etwas, aber was? Ich habe<br />
einen großen Freundeskreis und bin gern<br />
unter Menschen. Die Einsamkeit ist dennoch<br />
mein ständiger Begleiter. Mehr Liebe, mehr<br />
Anerkennung, mehr Aktion - alles muss bis<br />
zur Superlative gesteigert werden, dabei vergessen<br />
wir den wichtigsten Menschen, nämlich<br />
uns selbst.<br />
Ich brauche auch mal Ruhe, muss mich<br />
zurückziehen können, mich mal „raus<br />
nehmen“, wie man so schön sagt. Immer<br />
und überall präsent sein zu wollen, nichts<br />
verpassen, hohe Erwartungen an sich selbst<br />
zu haben- das macht einsam.<br />
Ich muss versuchen, mir mehr Zeit für mich<br />
zu nehmen, um mich selber kennen zu lernen<br />
und in mir selbst einen Freund zu finden. Erst<br />
wenn mir das gelingt, werde ich mich nicht<br />
mehr einsam fühlen.<br />
Silke U.<br />
2. Ausgabe Dezember 2010 12