reViews 30 - Noisy-neighbours.com
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<strong>reViews</strong><br />
worden, fast retrospektiv, gut noch, ja - aber hörbar älter.<br />
Und jetzt?<br />
Kaum haben die leicht ergrauten Herren den Kassandragesang<br />
der ewig deutschen depressiven Verstimmung verklingen<br />
lassen - und im Nachgang meint man, schon da<br />
die pure Ironie durchleuchten gehört zu haben, werden wir<br />
aufgefordert: Heul doch!<br />
Gitarrensalve! Von wegen alt und milde vor sich hin trauerndes<br />
Moll. Hier wehren sich zwei mit textlicher Verve,<br />
Selbstironie und musikalischer Klasse gegen die kampflose<br />
Aufgabe der eigenen Träume, die zur Zeit in Feuilletons,<br />
Leitartikeln und peinlichen Mottoshows zu beobachten<br />
ist, wenn die Revolutionäre von einst mit nationalistischen<br />
Symbolen schmusen und frühere Gitarrentiger die<br />
Castingvorlagen für die TV-Clonefabriken des Privatfernsehens<br />
entwerfen.<br />
Schöne neue Welt. Arrangier Dich. Und alles wird gut?<br />
Hier nicht. Pendikel schmeißen schon mit der ersten Nummer<br />
eine achtminütige Hymne gegen die so vielen von uns<br />
innewohnende Verzweiflung auf ein mildrot beleuchtetes<br />
Parkett.<br />
Dabei sind nicht nur die Texte sperrig und schön, kalkuliert<br />
und doch sauehrlich. Eine nur alle JUBELjahre bei anderen<br />
deutschtextenden Gruppen erlebte reflektierte Einheit<br />
zwischen Phonetik und Aussage erlaubt mir, den Begriff<br />
Kunstwerk zu verwenden. Musik für alle von Genesis bis<br />
Postcore, von Regener bis Zappa.<br />
Ruhig in sich hineinhorchendes Innehalten, eine zornige<br />
Zitatmaschine als nicht mal verzerrender Spiegel alltäglicher<br />
Beliebigkeit hinter Buffetbarrikaden. Von einer Steuererklärung<br />
bis zur nächsten endlich den alten Zorn wieder<br />
entdeckt, ohne sich so unfehlbar zu fühlen, wie einst<br />
in den Nächten der ewigen WG-Diskussionen. Die Ismen<br />
längst aus den Köpfen verabschiedet. Der Wunsch nach<br />
Veränderung wird wieder größer. Ein Hauch von musikalischem<br />
Morgenrot nach vermutlich unzähligen im Übungsraum<br />
durchwachten Nächten. Musik wie ein guter Freund.<br />
Blunoisige Arschtritte zum Abtanzen und dann doch noch<br />
gestreichelt beim Mitdenken. Eine große Platte.<br />
Andrasch Neunert<br />
www.pendikel.de<br />
Powerman 5000 - Destroy What You Enjoy<br />
DRT / Soulfood<br />
Sie wurden einst als die legitimenen Nachfolger der dahingeschiedenen<br />
White Zombie gehandelt: Powerman 5000.<br />
Mit Alben wie „Mega!! Kung Fu Radio“ und vor allen Dingen<br />
„Transform“ sowie Touren mit Korn, Marilyn Manson<br />
und dem Ozzfest schien die Band auch auf dem besten<br />
Wege, genau dieses zu werden. Die Nähe zu White Zombie<br />
aber liegt nicht nur im teilweise ähnlichen Stil, sondern<br />
schlichtweg in den verwandtschalftlichen Beziehungen<br />
beider Bands: Sänger Spider ist der jüngere Bruder von<br />
Rob Zombie, der ehemalige Gitarrist M33 alias Mike Tempesta<br />
der des White Zombie-/Rob Zombie-Gitarristen John<br />
Tempesta.<br />
Nach der Auflösung ihres einstigen Labels Dreamwork Records<br />
allerdings stand die Band zwischenzeitlich vor einem<br />
Trümmerhaufen, Zukunft ungewiss. So überrascht es fast<br />
für einen Moment, dass es man überhaupt wieder ein<br />
neues Album zustande gebracht hat. Stilistisch setzt sich<br />
dabei die Entwicklung der vorhergehenden Alben fort: wo<br />
zu Beginn zahlreiche Spielereien lockten, geht es nun deutlich<br />
erdiger, straighter und klarer zur Sache. Rock'n'Roll mit<br />
mehr als nur einem Schuss Alternative, der teilweise ist<br />
man sich sogar für ein wenig Stadionrock nicht zu schade.<br />
Übersteht man diese, dankbarerweise rar gesäten, Momente<br />
allerdings glücklich, dann ist „Destroy What You Enjoy“<br />
eine durchaus unterhaltsame Angelegenheit, die aber<br />
nur noch inn der Stimme von Sänger Spider, die große Ähnlichkeit<br />
zu der seines Bruders hat, Parallelen zu White Zombie<br />
aufweist, von deren songwriterischen Intelligenz aber<br />
meilenweit entfernt ist.<br />
Arnulf<br />
Radio Birdman - Zeno beach<br />
(Stickman Records)<br />
Anfang (ohne Vorkenntnisse):<br />
Ganz spontan? Jetzt? Also ich? Na<br />
hörnsemal...! Okay, ich versuchs.<br />
Rock. Ja. Mit so'nem Retroeinschlag.<br />
Das war jezz gut, nich? Und<br />
das? Eine Orgel! So eine Retroorgel! Hah! Irgendwo zwi-<br />
schen The Blue Van (gerade „You Just Make It Worse“),<br />
Jet und... komm noch drauf. Na ja, die Ecke halt. Oh. Zumindest<br />
die ersten zwei Songs. Dann wird's ein bisschen...<br />
düster? Wavig? Vom Gesang her? Ja, das ist gut: Vom Gesang<br />
her. Fast ein Tacken zu viel. Aber Moment! Später<br />
geht das wieder weg. Tut gut. Mir zumindest. Wie heißen<br />
die noch gleich...?<br />
Mittelteil (ins Info gelugt):<br />
Oha. Da hab ich eine Legende im Player. 1974 wohl ins<br />
Leben gerufen war Radio Birdman eine der ersten Punkbands<br />
Down Under. Stark beeinflusst von den MC5 und<br />
den Stooges. Wobei immer mehr Garage als Punk. Und<br />
das nach wie vor. Räudig, laut, schnell. „Zeno Beach“ ist<br />
seit 25 Jahren das erste neue Studioalbum. Fette Rockgitarren,<br />
leicht retroangerifft. Ziemliche Brecher. Und bis auf<br />
obengenannten leichten Wavetouch in der Stimme - das<br />
aber nur ab und an- gefallen mir die Vogelmannradios gut.<br />
Ziemlich gut sogar. Ihr Alter merkt man Ihnen zumindest<br />
nicht an... und wegen schon zweimal erwähntem Einschlag<br />
klingt alles doch sehr sehr frisch.<br />
Endteil (mit einer spürbaren Begeisterung):<br />
Das Gute darin/dabei/dahinter: Sie kommen da her. Machen<br />
das schon lange. Keine kleinen schwedischen Buben,<br />
die vorgeben, diese oder jene Musik mit der Muttermilch<br />
aufgesaugt zu haben, neeeee, die Männers wissen<br />
wohl, von was sie sprechen. Und waren Pioniere. Sind da<br />
durchgegangen. Wegweisend. Mitgemacht. Und vor allem<br />
mitgerockt. Alles DIY. Schon immer gewesen. Independent<br />
as shit! Das ist ancheckungswürdig. Und auf Europatour<br />
sind sie auch!<br />
Matthias Horn<br />
www.radio-birdman.<strong>com</strong><br />
Rossenbach, Sven & Florian Van Volxem -<br />
Dominik Graf Filmmusik<br />
(Rent A Dog/Alive)<br />
Die CD „Dominik Graf Filmmusik“ ist ein repräsentativer<br />
Auszug der Arbeiten des Düsseldorfer Autorenteams Sven<br />
Rossenbach und Florian Van Volxem zu einigen TV-Produktionen<br />
von Dominik Graf. Unter anderem sind dies die<br />
Filme „München - Geheimnisse Einer Stadt“, „Die Freunde<br />
Der Freunde“ und „Hotte Im Paradies“. Das Infoblatt des<br />
Labels bietet interessante Details zur Vorgehensweise der<br />
beiden Musiker; so wurde die Musik „nie zum Bild oder zum<br />
fertigen Film“ komponiert. Ein Ansatz, der schon allein aufgrund<br />
der zeitlichen Probleme - man stelle sich vor, der<br />
Film müsse erst komplett abgedreht, dann erst die Musik<br />
komponiert werden - vernünftig klingt, der den Leihen aber<br />
doch etwas verblüfft. Außerdem - ein weiterer Vorteil - ist<br />
die Musik so wenig bis gar nicht abhängig vom visuellen<br />
Background - sie „funktioniert auch allein“, der Film kann,<br />
muss aber nicht „mitlaufen“. Aber auch das Problem liegt<br />
auf der Hand: wenn der Bezug zum Bild fehlt und ihm auch<br />
kein besonderes Gewicht beigemessen wird, dann ist die<br />
Musik austauschbar. Das waren noch Zeiten, in denen Musiker<br />
wie Bernhard Herman oder Miles Davis ihre Filmmusik<br />
komponierten, in dem der Film im Hintergrund auf einer<br />
großen Leinwand ablief; das hatte dann eine „dramaturgische<br />
Tiefe“, die heute nur noch selten erreicht wird.<br />
So geht das eben heutzutage nicht mehr, leider. Im Ergebnis<br />
besteht die CD aus guten („God Bless You“, Dubb“) bis<br />
großartigen Tracks („Wachet Auf“, „Tempeltanz“, „Passage“,<br />
„K Rain Due“), aber eben leider auch aus recht<br />
Nichtssagendem und, mit Verlaub: Banalem („Bossa“,<br />
„Spacelblues“). Der positive Eindruck überwiegt dennoch<br />
deutlich, und auf gut 75 Minuten zeigen Rossenbach und<br />
Van Volxem, dass es eben auch seine Vorteile hat, wenn<br />
der Zuschauer selbst entscheiden kann „was man jetzt zu<br />
fühlen hat“ und Filmmusik ohne dramaturgischen Zeigefinger<br />
komponiert.<br />
Schaffrath - Weg Aus Dornen<br />
(STF/M-Systems)<br />
Neues aus dem Hause STF! „Schaffrath“ heißt die Band<br />
um den gleichnamigen Sänger Martin Schaffrath, und gesungen<br />
wird deutsch. Zu Hause fühlt sich der Vierer im<br />
eher traditionellen Metal der Herren Dio und Dirkschneider.<br />
Klischee, also? Nix da! Dafür sorgen zum einen die<br />
interessante Stimme des Frontmannes, die sehr guten Lyrics<br />
und die hervorragende Gitarrenarbeit der Gitarristin (!)<br />
Christina Schleicher. Ganz nebenbei sorgt die Rhythmustruppe<br />
um Basser Mario Bansleben und Drumer Markus