reViews 30 - Noisy-neighbours.com
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36<br />
<strong>reViews</strong><br />
schen Grein baldigst tourend die Bühne entern. Darauf<br />
dürfen wir uns schonmal freuen - und bis dahin können<br />
wir ja die Platte hören.<br />
Kai<br />
www.dambusterrecords.<strong>com</strong><br />
United - Slick<br />
(Noisedeluxe Rec. / Broken Silence)<br />
Wieder eine neue Band aus Schweden. Und diesmal<br />
sogar mit ordentlich Vorschusslorbeeren ausgestattet,<br />
wurden United seinerzeit doch von Placebo entdeckt,<br />
welche die Band - obwohl damals noch ungesignt - kurzerhand<br />
in das Vorprogramm ihrer Europa-Tour<br />
2003/2004 steckten. Mit dem Sound der mittlerweile leider<br />
weit über ihren Zenit geschrittenen Briten haben<br />
United jedoch nur entfernt Gemeinsamkeiten - obwohl<br />
die musikalischen Wurzeln beider Bands augenscheinlich<br />
gleich verortet sind. Diese liegen im Sound der Rokkbands<br />
der frühen 80er Jahre. Alles also etwas tiefer,<br />
melancholischer und düsterer als es zu dieser Zeit üblich<br />
war. Joy Division, The Cure und so, ihr wisst schon...<br />
Kann man sich als Hörer mit derlei Reminiszenzen anfreunden,<br />
so ist „Slick“ sicherlich ein nicht zu unterschätzender<br />
Hörgenuss. Durchaus gekonnt schlängelt sich<br />
die Band durch elf dunkle Pop-Epen, die vollgesogen<br />
von mäandernden Gitarren, glasklaren Melodien und<br />
leicht (an)klagender Wehmut, fast mantra'eske Züge<br />
annehmen - vor allem dann, wenn man der CD erlaubt,<br />
im Repeat-Modus zu laufen. Aber vielleicht ist es gerade<br />
diese eingängige Gleichförmigkeit, diese sich<br />
ständig in sich selbst kreiselnde Stimmung - immer zwischen<br />
den Polen Pathos und Resignation schwankend<br />
-, die es mir schwer macht, diese Platte wirklich zu mögen<br />
und nicht nur okay zu finden. Auch jetzt nach dem<br />
x-ten Durchlauf mag ich eigentlich nur ein Mal so richtig<br />
aufhören. Bei „Made For Us“ nämlich, das in Sachen<br />
Rhythmus und Vibe aus dem oben beschriebenen Gesamtbild<br />
ausbricht und für mich den Glanzpunkt des Albums<br />
setzt.<br />
Insgesamt ist United mit „Slick“ also ein durchaus ansprechendes<br />
Debütalbum gelungen, dem man die Professionalität<br />
und den Willen zur Authentizität durchaus<br />
anhören kann. Und wer mit den oben angesprochenen<br />
Bands konform geht, liegt ohne Zweifel sowieso richtig.<br />
Ich für meinen Teil greife bei entsprechender Stimmung<br />
aber trotzdem immer noch lieber auf Interpol zurück,<br />
die mir doch irgendwie substanzieller erscheinen.<br />
Jochen Wörsinger<br />
www.united-band.<strong>com</strong><br />
Urlaub in Polen - Health & Welfare<br />
(Tomlab / Rakete)<br />
Die Tage scheinen gezählt, und vielleicht kommt es für<br />
Urlaub in Polen zur rechten Zeit. Weiterentwicklung,<br />
neue Ufer, Experimente, … Okay. Aber bitte nicht bei<br />
Urlaub in Polen! Sind sie doch eine der ganz wenigen<br />
Bands, die sich eben wiederholen darf. Vielmehr: soll.<br />
Gefreut hätte ich mich über eine ordentlich stampfende<br />
Walze, ein kompromissloses Noiserockbrett, vielleicht<br />
eine handvoll lässig dahingerotzter, durch den Pitchshifter<br />
gedrehte Gesangsfetzen. Nichts zum Denken.<br />
Aber das hier… Urlaub in Polen waren immer grobmotorisch<br />
und klotzig. Und das gehörte so. Bei „Health &<br />
Welfare“ mangelt es jedoch an allen Ecken. An Inspiration,<br />
Qualität und letzten Endes gesundem Menschenverstand.<br />
Denn so etwas geht einfach gar nicht.<br />
Torge Hüper<br />
www.tomlab.<strong>com</strong><br />
Vito -<br />
Make good areas disturbed<br />
(Flower Shop / Rough Trade)<br />
Vito könnte man von der letzten<br />
Sophia Tour kennen, auf welcher<br />
sie als Support sowie als<br />
Backing-Band für deren Mastermind<br />
Robin Poper-Shephert (ex God Machine, ex May<br />
Queens) fungierten. Dieser hat sie auch gleich noch auf<br />
sein eigenes Label Flowershoprecordings geholt. Wie<br />
Sophia haben sich auch Vito melancholischen Sounds<br />
verschrieben, jedoch mit anderen Mitteln. Der Opener<br />
„Ultimate shame“ gibt die grundlegende Richtung vor.<br />
In über fünf Minuten schwillt der Track von einer ruhiganmutigen<br />
Melancholie sich steigernd zu fast monohaften<br />
schönen Melodiebögen an, um in einem kurzen Ausbruch<br />
zu enden. Und schon hat man sämtliche expansive<br />
Gitarrensoundpräferenzen und marginal auch<br />
noch Radiohead Querverweise - ob des theatralischen<br />
Gesangs - an der Hand. Bei den ersten beiden Tracks<br />
funktioniert diese einfache Katalogisierung noch relativ<br />
gut, bis es in „Arrested by these phenomena“ neue<br />
Klänge zu hören gibt. Hier wird es einem aber ob des<br />
Glockenspiels und der violingetragenen Popschwülstigkeit<br />
und der Bläsersätze fast zu viel. Nach sechseinhalb<br />
Minuten erfolgt dann doch noch der erlösende<br />
Bruch. Vito wollen sich augenscheinlich nicht ausschließlich<br />
auf das inzwischen recht ausgetretene Post-<br />
Gitarrenfeld festlegen lassen, strapazieren damit aber<br />
gerne mal nicht nur das Genregemüt. Vito unterscheiden<br />
sich vom Post-Indie insofern, als dass sie Vocals<br />
relativ häufig einsetzen und vor allem durch ein größeres<br />
Maß an Pathos und Theatralik, sowohl beim Gesang,<br />
als auch in der Musik. In „Washaway“ schaffen<br />
sie mit dieser Herangehensweise sogar eine recht interessante<br />
Stimmung, wenn sie elektronische Spielereien<br />
und Pathos miteinander verquicken und am Ende doch<br />
noch die Gitarren auspacken (gut gut, kennt man auch<br />
von Radiohead, siehe oben). Im Verlaufe des Albums<br />
werden sie stellenweise allerdings etwas banal, was sie<br />
aber mit guten Breaks aufzulösen wissen („Across the<br />
rubicon“). Insgesamt ist „Making good areas disturbed“<br />
ein schönes, durchdachtes Album, ruhiges Gitarrenalbum,<br />
bei dem man aber öfter an Pathos und Theatralik<br />
aneckt.<br />
Christian Eder<br />
www.vitomusic.co.uk<br />
Volt - Rörhät<br />
(Exile On Mainstream /<br />
Southern)<br />
Volt haben die Erwartungshaltungen<br />
an diesen Release mit ihrer<br />
derartig fetten und brachialen<br />
Debüt EP „Romeo k. o.“ verdammt<br />
weit in die Höhe geschraubt. Das Intensitätslevel<br />
darauf bleibt bis dato von neueren Produktionen<br />
auch international unerreicht. Auf „Rörhät“, der Titel ist<br />
kleine Remiszenz an die Roerheadds, aus denen die<br />
Band hervorgegangen ist, hat man sich dagegen einer<br />
trockeneren und auch weniger drucklastigen Aufnahme<br />
(Guido Lucas/bluBox) verschrieben. Diese ist erstmal<br />
etwas gewöhnungsbedürftig, aber eben wirklich sehr<br />
eigenständig im Sound. Vielleicht hat deshalb dieses<br />
Album eine lange Entwicklungszeit hinter mir. Nachdem<br />
es mich nicht sofort ob dieser unglaublichen Energie -<br />
wie die EP - völlig umgeblasen hat, war es einer gewissen<br />
Inkubationszeit ausgesetzt. Umso nachhaltiger und<br />
mit einer umso konsequenteren Vehemenz tritt einem<br />
nun „Rörhät“ zwar nicht vors Schienbein, aber linkisch<br />
hinterrücks in die Wade. Über mehrere Jahre absorbierten<br />
Volt anscheinend sämtliche Noise/Gitarrensounds,<br />
um am Ende neben Todd als die neuen Noisephoenixe<br />
zu erstehen. Die lärmigen intensiven Gitarrenparts von<br />
Jesus Lizard und alter AmpRep Schule, die Brachialität<br />
und Psychosis von Unsane, die trockenen Grooves von<br />
Fugazi und die sägende Monotonie Shellacs, die doomigen<br />
Parts von Melvins und Ulme - all das wird umgelegt<br />
auf eine feine Volt-Version mit hyperaggressiven<br />
Vocals am absoluten Endpunkt. „Rörhät“ ist ein unbequemes,<br />
aber eben sehr eigenständiges und fabulöses<br />
Noise-Album. Am Schluss ein monoton dröhnendes,<br />
bassdunkel vibrierendes, überlanges Stück, das eine<br />
unangenehme Spannung aufbaut, um am Ende nur<br />
kurz auszubrechen und mit geflüstertem „Unsane“ zu<br />
enden.<br />
Christian Eder<br />
www.volt-music.de<br />
Walls Of Jericho -<br />
With Devils Amongst Us all<br />
(Roadrunner Records/Roadrunner)<br />
Candace Kucsulain scheint eine schlimme Kindheit gehabt<br />
zu haben. Wie sonst ließe es sich erklären, dass<br />
die Frau ausgerechnet im Dicke-Hosen-Genre Hard-<br />
core die Frontposition einer Band einnimmt, die uns dieser<br />
Tage mit „With Devils Amongst Us All“ einen wirklichen<br />
Kotzbrocken um die Ohren haut. Und mein Gott,<br />
was brüllt die Frau sich ihre Seele aus dem zarten Leib!<br />
Mit diesem mittlerweile dritten Album bewerben sich die<br />
Herrschaften aus Detroit um die Position der härtesten<br />
Scheibe dieser nN-Ausgabe - wer auf deftiges Hardcore-Geknüppel<br />
steht, hat hier seinen Monatstipp gefunden<br />
- da „stört“ dann auch die gefühlvolle und gute<br />
Ballade(!) „No Saving Me“ nicht weiter. Ein kleines Bisschen<br />
mehr Melodie und weniger eindimensionales<br />
Gekloppe hätte „With Devils Amongst Us All“ dennoch<br />
gut getan. Drauf hätten Walls Of Jericho das nämlich.<br />
So bleibt's halt ein Kotzbrocken.<br />
Heavy<br />
Weiherer - Wia Nix<br />
(Conträr Musik/Indigo)<br />
Das dritte Album des bayrischen<br />
Grantlers, des „Bavarian Singer/Songwriter“<br />
in Mundart, des<br />
Hinterfragers, Entlarvers, Sympathen<br />
und Kritikers, des von<br />
manchen als legitimen Sohn von Hans Söllner (möchte<br />
er jetzt bestimmt nicht hören, also der Weiherer... ich<br />
schreib's trotzdem) Deklarierten - ist ein Livealbum. Wer<br />
ihn einmal gesehen hat, weiß, was es bedeutet, wenn<br />
Christoph Weiherer auf der Bühne steht, welch Ausstrahlung<br />
plötzlich vorherrscht und welch Humor/Ironie/Sarkasmus<br />
im Spiel ist. Der eher schüchtern wirkende<br />
Songwriter blüht im Eifer des Gefechts so richtig<br />
auf. Seine Ansagen zwischen den Songs - unschlagbar,<br />
sein Charme - unübertrefflich, seine Texte - Treffer!<br />
Versenkt! Die Alltagsbeobachtungen, die Gabe des<br />
Filterns von möglichst skurrilen Begebenheiten und das<br />
Aufdecken von solchen, der Sinn fürs Wesentliche, einfach<br />
grandios. Sein PC-Bewusstsein, so was von herrlich<br />
unkorrekt! Spontan und unberechenbar. Wie schafft<br />
er es nur, so scheinbar einfach die Schwächen der<br />
menschlichen Fassade aufzudecken und vor allem zu<br />
verbalisieren. „Des bissal Leben“, „Wia Nix“, „Verliebt“,<br />
Anspieltipps! Ganz zu schweigen von den Textbeiträgen.<br />
Besser als jegliche Was-bin-ich-witzisch-Comedian-TV-Show.<br />
Erstaunlich auch, dass der abgebrühte Weiherer erst<br />
26 ist. Weniger erstaunlich, dass er schon einige Preise<br />
gewonnen hat und doch relativ präsent in der Szene<br />
vertreten ist. Das ist auch gut so! Weiherer ist darüber<br />
hinaus purstes DIY. Kein Plattenvertrag, eigenes Management,<br />
alles selbst gemacht. So muss das sein,<br />
sehr geehrte Damen und Herren. Was ist Weiherer nur?<br />
Liedermacher, klar. Gleichzeitig aber Politikkritiker, Kabarettist,<br />
Protestsänger, Folkmusiker. Aber das beste:<br />
er ist einer von uns. Dem gönnt man das! Weiter so! Da<br />
genial!<br />
Matthias Horn<br />
www.weiherer.<strong>com</strong><br />
Waltari - Early Years<br />
Nordic Notes / Broken Silence<br />
Anfang bis Mitte der Neunziger gehörten sie ohne Zweifel<br />
zu den innovativsten Vetretern ihrer Zunft: die 1986<br />
in Finnland gegründete Waltari. Sich in allen Bereichen<br />
der Rockmusik zu Hause fühlend und der Fähigkeit,<br />
nicht nur über den Tellerrand hinaus zu schauen, sondern<br />
auch mit dem Mut ausgestattet, sich in unkonventioneller<br />
Art und Weise in anderen Genres zu bedienen,<br />
zählte die Band zu den Vorreitern des mittlerweile zum<br />
Unwort verkommenen Crossover. Ihr 1992 veröffentlichtes<br />
Album „Torcha!“ und vor allen Dingen die drei<br />
Jahre später auf CD gebannte Kollaboration mit dem<br />
Helsinki Symphonieorchester „Yeah! Yeah! Die! Die!<br />
(Death Metal Symphony in Deep C“ machten Waltari<br />
über einige Jahre zu Szenelieblingen, „Lights On“ und<br />
„So Fine“ wurden sogar zu Singlehits.<br />
Über die vergangenen Jahre aber wurde es etwas ruhiger<br />
um die Band, ließ die Strahlkraft ihrer Alben nach<br />
und machte auch der eine oder andere Besetzungswechsel<br />
die Situation nicht gerade leichter.<br />
Mit „Early Years“ blickt die Band nun auf zwei ihrer ganz<br />
frühen Release zurück - das 1991 veröffentlichte Debut<br />
„Monk Punk“ (mit der Death-Metal-Coverversion<br />
von „Help!“) sowie der Single-Kollektion „Pala Leipää“.